Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Mag. Julius F***** und Gerald B***** ‑ soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant ‑ von der wider sie erhobenen Anklage, es hätten in W***** und M***** Mag. Julius F***** als Geschäftsführer der „R*****“ ***** GmbH mit Sitz in W***** und Gerald B***** als Prokurist sowie zwischen Juli 2009 und März 2010 als Geschäftsführer der Zweigniederlassung der „R*****“ ***** GmbH mit Sitz in M*****, sohin als leitende Angestellte (§ 161 Abs 1 StGB), im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB)
I./ das Vermögen der „R*****“ ***** GmbH wirklich verringert und dadurch die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei sie durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführten, und zwar
1./ seit einem noch festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2004 bis einschließlich September 2009, „Mag. Julius F***** auch bis 22. Februar 2010“, durch private Entnahmen des Gerald B***** in Gesamthöhe von 128.382,15 Euro;
[…]
II./ grob fahrlässig dadurch, dass sie nach § 159 Abs 5 Z 4 StGB kridaträchtig handelten, indem sie Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen unterließen oder durch die Vermischung von betrieblicher und privater Sphäre so führten, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens‑, Finanz‑ und Ertragslage der „R*****“ ***** GmbH erheblich erschwert wurde,
1./ seit Juni 2009 bis September 2009 die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens herbeigeführt sowie
2./ ab Oktober 2009 bis 22. Februar 2010 in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der „R*****“ ***** GmbH grob fahrlässig die Befriedigung wenigstens eines Gesellschaftsgläubigers vereitelt oder geschmälert,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Im Anschluss an die Urteilsverkündung wurde der „Beschluss auf Ausscheidung des Verfahrens gegen Gerald B***** zu Punkt I./1./ für den Zeitraum Oktober 2009 bis 22. Februar 2010“ verkündet (ON 85 S 42, vgl auch US 5).
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Freisprüche zu I./1./ hinsichtlich des Angeklagten Gerald B***** und zu II./1./ und 2./ in Bezug auf beide Angeklagten sowie gegen eine behauptete Nichterledigung der Anklage richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 7 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.
Unter dem Aspekt der Z 7 behauptet die Beschwerde die Nichterledigung der Anklage, weil das Erstgericht zu I./1./ bezogen auf den Angeklagten Gerald B***** nur über „betrieblich nicht gerechtfertigte Privatentnahmen“ bis September 2009, nicht jedoch (anklagekonform) auch über solche von Oktober 2009 bis 22. Februar 2010 abgesprochen, sondern bezüglich dieser (nach Erkennbarkeit des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der „R*****“ ***** GmbH vorgenommenen) Entnahmen erst nach der Urteilsverkündung ‑ und somit verspätet ‑ einen Beschluss auf Verfahrensausscheidung gefasst habe.
Wenngleich ‑ wie die Staatsanwaltschaft zutreffend ausführt - eine verfehlt nach Schluss der Verhandlung (§ 257 StPO) und ohne deren förmliche Wiedereröffnung (vgl Lendl, WK‑StPO § 257 Rz 2) erfolgte Verfahrenstrennung (§ 27 StPO per analogiam) keine Rechtswirkung entfalten kann (vgl zur Bekämpfbarkeit von Ausscheidungen Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 13), hat das angefochtene Urteil im gegenständlichen Fall die Anklage dennoch zur Gänze erledigt.
Ob ein Urteil die
Anklage (zur Gänze) erledigt, beide also dieselbe Tat im prozessualen Sinn (vgl § 267 StPO) meinen, ist anhand eines Vergleichs der
Anklage (einschließlich deren Begründung) und des Urteilssachverhalts zu ermitteln (RIS‑Justiz RS0113142 und RS0121607), wobei das Gericht bei der Urteilsfällung (nur) an den unter Anklage gestellten Lebenssachverhalt, nicht aber an die rechtliche Beurteilung der Tat durch den Ankläger gebunden ist (RIS‑Justiz RS0097725; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 502).
Welchen rechtserheblichen Inhalt eine gerichtliche Entscheidung hat, ist eine Rechtsfrage, die aufgrund des Wortlauts von Spruch und Begründung in Verbindung mit dem dadurch angewandten Gesetz zu lösen ist (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19) und nicht durch Erforschung des vermutlichen Willens der am Zustandekommen dieser Entscheidung beteiligten Organwalter. Eine undeutliche Entscheidung ist im Zweifel gesetzeskonform auszulegen (vgl etwa 14 Os 96/05g).
Im vorliegenden Fall legt die Staatsanwaltschaft Wien mit Anklageschrift vom 3. Dezember 2013 (ON 45) Mag. Julius F***** und Gerald B***** jeweils als ein Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB (I./) und als ein Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen „nach § 159 Abs 1, 2 und Abs 5 Z 4 StGB“ qualifizierte Handlungen zur Last, weil sie (unter anderem) die in den oben genannten Freisprüchen I./1./ und II./ (anklagekonform) umschriebenen Taten ‑ zu I./1./ jedoch beide Angeklagten „seit einem noch festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2004 bis zum 22. Februar 2010“ ‑ begangen haben sollen.
In der Begründung der Anklageschrift wird zu I./1./ ausgeführt, dass Gerald B***** „laufend Zahlungen der 'R*****' GmbH, die zum Teil als Spesen‑ bzw. Reisekosten‑Akonti, zum Teil lediglich als Barbehebungen in der Buchhaltung der 'R*****' GmbH aufscheinen“, erhalten habe und im Besitz einer Kreditkarte gewesen sei, deren Zahlungen dem betrieblichen Konto der „R*****“ ***** GmbH angelastet worden seien. Eine Ableitung des im Tenor genannten Betrags von 128.382,15 Euro ist der Anklageschrift nicht zu entnehmen (vgl ON 45 S 5 f). Ebensowenig wurden konkrete Tatzeitpunkte oder die Höhe der nach Ansicht der Anklagebehörde jeweils entnommenen Beträge angeführt oder eine Differenzierung zwischen vor und nach der (für September 2009 angenommenen; vgl ON 45 S 13) Erkennbarkeit des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens am 31. August 2009 (erneut ON 45 S 13) getätigten Privatentnahmen vorgenommen (vgl ON 45 S 5 f).
Zu II./ führt die Anklageschrift begründend aus, auf den Geschäftskonten der „R*****“ ***** GmbH sei „keine klare Trennung zwischen der Privatsphäre der Angeklagten, den übrigen Unternehmen im Konzernverbund und der Privatsphäre der Gesellschaft“ erfolgt, sodass „wie bereits aufgezeigt, immer wieder Privatentnahmen durch die Angeklagten und betrieblich nicht veranlasste, rechtsgrundlose Zahlungen an die Muttergesellschaft J***** GmbH und die Schwestergesellschaften p***** GmbH und X***** GmbH erfolgten“. Weiters sei „durch diese Vermischung betrieblicher und privater Aufwendungen sowie Zahlungen und Aufwendungen für andere Konzerngesellschaften (…) und den Umstand, dass verschiedene betriebliche Aufwendungen nicht als solche verbucht wurden (…) ein zeitnaher Überblick über die Vermögens-, Finanz‑ und Ertragslage nicht möglich“ gewesen (ON 45 S 12).
Gegenstand der Anklage zu I./1./ und II./2./ sind somit jeweils (nur) pauschal individualisierte gleichartige Taten, die zwar gegen andere, nicht aber untereinander abgegrenzt sind (sog gleichartige Verbrechensmengen; RIS‑Justiz RS0119552), wobei die Staatsanwaltschaft die Gerald B***** zur Last gelegten Privatentnahmen aufgrund der Subsidiarität der fahrlässigen gegenüber der vorsätzlichen Tatbegehung zutreffend (RIS‑Justiz RS0124805) lediglich nach § 156 Abs 1 und 2 (iVm § 161 Abs 1) StGB subsumiert hat.
Das Erstgericht begründete die Freisprüche zu I./1./ (unter anderem) damit, es könne „nicht festgestellt werden, dass es die Angeklagten oder auch nur einer von ihnen zu irgendeinem Zeitpunkt vor Konkurseröffnung (am 23. Februar 2010; US 6) bei welcher Verfügung über Vermögen der R***** auch immer billigend in Kauf nahmen, dass dadurch die Befriedigung der Gläubiger der R***** oder auch nur eines Gläubigers der R***** vereitelt oder zumindest geschmälert wird“ (US 8).
Zu II./2./ konstatierte das Gericht, die am 31. August 2009 eingetretene Zahlungsunfähigkeit der „R*****“ ***** GmbH sei für die Angeklagten spätestens Ende September 2009 erkennbar gewesen (US 9), es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass „die Schmälerung der Befriedigung eines ihrer Gläubiger dadurch bedingt wurde, dass die Angeklagten oder auch nur einer von ihnen es unterließen“, einerseits „Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen oder so ‑ insbesondere unter Vermischung von betrieblicher und privater Sphäre ‑ führten, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz-, und Ertragslage der R***** erheblich erschwert wurde oder die Angeklagten oder auch nur einer von ihnen sonstige geeigneten und erforderlichen Kontrollmaßnahmen, die ihnen einen solchen Überblick verschafft hätten, unterließen“, und andererseits „Jahresabschlüsse, zu deren Erstellung sie verpflichtet waren, zu erstellen oder auf eine solche Weise oder so spät erstellten, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens‑, Finanz-, und Ertragslage der R***** erheblich erschwert wurde“ (US 8). Rechtlich verneinte das Erstgericht ein kridaträchtiges Handeln im Sinn der Z 4 und 5 des § 159 Abs 5 StGB und führte in Bezug auf Z 3 aus, dass es nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und bis zur Konkurseröffnung (am 23. Februar 2010, vgl US 6) lediglich durch Gerald B***** zu Entnahmen gekommen sei, „deren Angemessenheit noch nicht abschließend beurteilt werden könne, weshalb diesbezüglich das Verfahren ‑ jedoch nur hinsichtlich des Vorwurfs gemäß §§ 159 Abs 2, Abs 5 Z 3, 161 Abs 1 StGB auszuscheiden“ gewesen sei (US 22).
Richtig ist, dass ein von der Anklagebehörde als Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 StGB beurteiltes Täterverhalten im Fall der Verneinung eines auf Vermögensverringerung und Verletzung der Befriedigungsrechte der Gläubiger gerichteten Vorsatzes grundsätzlich auch unter dem Aspekt ‑ bei einheitlichem Tatgeschehen und Identität des Opfers zufolge Subsidiarität verdrängter ‑ fahrlässiger Tatbegehung im Sinn des § 159 Abs (hier:) 2, Abs 5 Z 3 StGB zu prüfen ist (US 20).
Vorliegend umfasst der Freispruch I./1./ des Angeklagten Gerald B***** nach dem Urteilstenor zwar nicht den gesamten Anklagezeitraum, wohl aber Privatentnahmen in Höhe von 128.382,15 Euro, welcher Betrag dem in der Anklageschrift genannten entspricht, ohne dass ‑ wie bereits dargelegt ‑ eine Konkretisierung einzelner Tatzeitpunkte oder Entnahmen erfolgt wäre (ON 45 S 1 iVm US 2). Welche darüber hinausgehenden Entnahmen zwischen Oktober 2009 und 22. Februar 2010 einer späteren Beurteilung vorbehalten bleiben sollten, lässt sich auch den Entscheidungsgründen nicht entnehmen.
Indem die Nichtigkeitsbeschwerde bloß auf den Urteilstenor Bezug nimmt und unsubstantiiert auf den „durch die Anklage determinierten Prozessgegenstand, und zwar Privatentnahmen durch den Zweitangeklagten aus der 'R*****' ***** GmbH bis 22. Oktober 2010“ verweist, legt sie gleichfalls nicht deutlich und bestimmt dar, hinsichtlich welchen konkreten Teils der angeklagten Tat (im prozessualen Sinn) Nichterledigung vorliegen soll und verfehlt damit ihr Ziel.
Undeutlichkeit der Feststellungen (Z 5 erster Fall) oder ein Widerspruch zwischen Spruch und Gründen (Z 5 dritter Fall) wurde nicht geltend gemacht.
Dazu kommt, dass § 159 Abs 2 StGB einen alternativen Mischtatbestand enthält, der die grob fahrlässige Vereitelung oder Schmälerung der Befriedigung wenigstens eines Gläubigers durch kridaträchtiges Handeln nach erkennbarem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erfasst, wobei die in Abs 5 aufgezählten Begehungsformen rechtlich gleichwertig sind (Kirchbacher in WK2 StGB § 159 Rz 5 f, 75, 108 f; RIS‑Justiz RS0120172).
Das Erstgericht hat daher (auch) den Angeklagten Gerald B***** vom Vorwurf der grob fahrlässigen Gläubigerschädigung durch (irgendein) kridaträchtiges Handeln zwischen erkennbarem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und Konkurseröffnung (Tatzeitraum Oktober 2009 bis 22. Februar 2010), also vom gesamten angeklagten Sachverhalt, freigesprochen. Der aus Z 7 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Einwand der Nichterledigung der Anklage trifft daher nicht zu.
Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter mit den Ausführungen des Sachverständigen DDr. Be***** beweiswürdigend auseinandergesetzt und berücksichtigt, dass dieser einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der „R*****“ ***** GmbH und den in den Jahren davor an die Angeklagten, die J***** GmbH, die p***** GmbH und die X***** GmbH geleisteten Zahlungen oder deren Nichtrückzahlung bei Eintritt der Krise herstellte (US 16 f; vgl auch US 9).
Soweit die Beschwerdeführerin das Fehlen der Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens in Betreff dort dargelegter Entnahmen des Angeklagten Gerald B***** nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der „R*****“ ***** GmbH und einer dadurch bewirkten Schmälerung oder Vereitelung der Gläubigerbefriedigung moniert, bezieht sich die Beweiswürdigungskritik nicht auf tatsächlich getroffene (Negativ‑)Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0118316; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 420 f).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet ein, das Erstgericht hätte sich bei der Prüfung der objektiven Tatseite zu § 159 StGB „mit allen in Frage kommenden Tatmodalitäten des § 159 Abs 5 StGB auseinandersetzen müssen“ und es seien „insbesondere zu § 159 Abs 5 Z 3 StPO“ keine Feststellungen getroffen worden. Indem die Beschwerde unter Hinweis auf mehrere Passagen des Sachverständigen-gutachtens „in Verbindung mit den Aussagen der Angeklagten“ Konstatierungen zu I./1./ und II./ reklamiert, die das Erstgericht in Bezug auf die objektive Tatseite zu treffen gehabt hätte und pauschal behauptet, dieses hätte auch Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Angeklagten treffen sollen, sodass die Tatbestände nach § 159 Abs 1 und § 159 Abs 2 StGB verwirklicht gewesen wären, übergeht sie zu I./1./ und II./1./ in Bezug auf beide Angeklagten und zu II./2./ hinsichtlich Mag. Julius F***** schon die der gewünschten rechtlichen Konsequenz entgegenstehenden Feststellungen (US 8 f, 22) und bringt zu II./2./ bezüglich Gerald B***** einen Feststellungsmangel zum Tatbildmerkmal der grob fahrlässigen Begehung (im Sinn einer ungewöhnlichen und auffallenden Sorgfaltswidrigkeit bei einem Gesinnungsunwert von zumindest durchschnittlichem Gewicht [RIS‑Justiz RS0129425; Kirchbacher in WK² StGB § 159 Rz 25 bis 31]) nicht prozessordnungskonform zur Darstellung (RIS‑Justiz RS0118580).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).
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