OGH 15Os11/21p

OGH15Os11/21p19.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Mai 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen S***** A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 11. September 2020, GZ 40 Hv 11/20f‑75, sowie über die (implizite) Beschwerde des Angeklagten gegen einen gleichzeitig gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00011.21P.0519.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde S***** A***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 8. März 2020 in F***** K***** T***** mit Gewalt, indem er sie „an den Haaren erfasste und ihren Kopf in Richtung seines Penis zog, wobei er den Reißverschluss seiner Hose öffnete, sie in der Folge an den Haaren aus dem Pkw zerrte, zu Boden warf, ihr Schläge und Tritte gegen den Körper versetzte sowie ihre Strumpfhose und ihre Unterhose im Genitalbereich zerriss und mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich des Oralverkehrs, zu nötigen versucht und zur Duldung des Beischlafes genötigt“.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Entgegen der Kritik der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung am 11. November 2020 gestellten Beweisanträge (ON 74 S 10 ff) Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

[5] Der Nichtigkeitswerber verkennt, dass die Richtigkeit der Begründung der die Beweisanträge abweisenden Entscheidung des Schöffengerichts als solche nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 281 Rz 39).

[6] Der Antrag auf Einholung eines psychiatrischen und eines psychologischen Sachverständigengutachtens zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Aussagen der K***** T***** wurde vom Schöffengericht schon deshalb zu Recht abgewiesen, weil er nicht erkennen ließ, weshalb diese die Zustimmung zu ihrer Begutachtung erteilen werde (RIS‑Justiz RS0118956).

[7] Der Angeklagte beantragte in der Hauptverhandlung weiters die „ergänzende“ Vernehmung der – im Ermittlungsverfahren bereits kontradiktorisch vernommenen – Zeugin T*****. Er brachte dazu vor, zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit deren Aussagen wäre die unmittelbare Wahrnehmung der Genannten durch den Schöffensenat notwendig, zumal ein Ambulanzblatt des Krankenhauses D***** erst nach der kontradiktorischen Vernehmung zum Akt gelangt sei. Damit zielte der Rechtsmittelwerber auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS‑Justiz RS0125706 [T6]). Einerseits erklärte der Antragsteller nicht, weshalb die Zeugin von ihrer im Ermittlungsverfahren getätigten Aussage abweichen sollte (RIS‑Justiz RS0117928 [T6]). Andererseits bleibt auch offen, weshalb das kontradiktorisch vernommene Tatopfer – entgegen seiner zuvor abgegebenen Erklärung (ON 51 S 62) – auf die ihm gemäß § 156 Abs 1 Z 2 StPO zustehende Aussagebefreiung verzichten sollte (RIS‑Justiz RS0111315 [T9]).

[8] Der Rechtsmittelwerber behauptet weiters „Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO“, verabsäumt es jedoch, diese wesensmäßig verschiedenen Nichtigkeitsgründe gesondert auszuführen (vgl RIS‑Justiz RS0115902), und erstattet vielmehr ein Vorbringen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

[9] Entgegen der diesbezüglichen Beschwerdebehauptung (inhaltlich Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter die Alkoholisierung des Opfers während der Tat sehr wohl erörtert (US 12). Der Nichtigkeitswerber verkennt, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Zeugin aufgrund des von dieser in der Hauptverhandlung (wenn auch durch Vorführung der kontradiktorischen Vernehmung) gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch‑psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung mit Mängelrüge (Z 5) und mit Tatsachenrüge (Z 5a) entzogen ist (RIS‑Justiz RS0106588 [T9]).

[10] Weshalb das angefochtene Urteil begründen hätte müssen, „in welcher Stellung der Angeklagte die Privatbeteiligte vergewaltigt haben soll“, wird nicht klar.

[11] Der Umstand, dass ein bei der Tat verwendetes Kondom nicht sichergestellt wurde, war nicht erörterungsbedürftig. Das gilt auch für die „eidesstättige Erklärung“ der Ehegattin des Angeklagten, dieser wäre „Kondomverweigerer“ (vgl RIS‑Justiz RS0097540).

[12] Dass das Opfer eine gynäkologische Untersuchung nach der Tat ebenso abgelehnt hatte wie die „Pille danach“, hat das Schöffengericht – entgegen der Beschwerdebehauptung – erörtert (US 9).

[13] Das Vorbringen, die „vernehmenden Beamten“ hätten „offenbar erkannt, dass die vom Opfer abgegebenen Erklärungen nicht deren tatsächlichen Wahrnehmungen entsprächen, und sie daher mehrfach auf die Wahrheitspflicht hingewiesen“, lässt sich keinem Nichtigkeitsgrund zuordnen.

[14] Entgegen der weiteren Behauptung des Rechtsmittelwerbers (inhaltlich Z 5 zweiter Fall) hat sich das Erstgericht mit den „unterschiedlichen Angaben“ zur Tat, mit der „Unsicherheit“ in den Aussagen und den „Ungereimtheiten in den Angaben“ des Opfers eingehend auseinandergesetzt (US 10 ff). Dass der Schöffensenat dennoch „nicht den geringsten Zweifel an der Glaubwürdigkeit“ der Zeugin hegte (US 11 ff), ist als Ausfluss der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen.

[15] Auch die Facebookeintragungen der Zeugin T***** haben die Tatrichter – entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde (Z 5 zweiter Fall) – erörtert, ihnen jedoch keinerlei Relevanz zuerkannt (US 17).

[16] Die Mängelrüge des Angeklagten verfehlt im Übrigen ihren gesetzlichen Bezugspunkt, weil sie es unterlässt, die Gesamtheit der Entscheidungsgründe zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0119370). Der Rechtsmittelwerber lässt nämlich außer Acht, dass nach den tatrichterlichen Erwägungen die Angaben des Opfers durch die Zeuginnen D***** P***** und T***** G*****, welche sie unmittelbar nach der Tat vorfanden, gestützt werden (US 9, 11). Das gilt nach der Urteilsbegründung auch für die Ergebnisse des Untersuchungsberichts des Bundeskriminalamts, Referat Biologie und Mikroskopie, vom 23. April 2020, betreffend Beschädigungen an der von K***** T***** zur Tatzeit getragenen Wäsche (US 13 f). Auch unter dem Aspekt der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO müsste die Nichtigkeitsbeschwerde auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen Bedacht nehmen (RIS‑Justiz RS0118780), was der Rechtsmittelwerber jedoch unterlässt.

[17] Entgegen dem Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde liegt eine Überschreitung der Anklage (§ 281 Abs 1 Z 8 StPO) nicht vor, weil das Schöffengericht den Angeklagten wegen des vollendeten Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannte, obwohl die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift diesem lediglich Versuch zur Last legte (vgl RIS‑Justiz RS0113142).

[18] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und über die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[19] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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