AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:L506.2240161.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerden der XXXX , geb. XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Iran (BF1), vertreten durch RA Dr. Blum, des XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Iran (BF2), vertreten durch RA Dr. Blum und der XXXX , geb. XXXX (BF3), StA Iran, vertreten durch die Mutter, XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch RA Dr. Blum, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien vom XXXX , Zl. XXXX und Zl. XXXX sowie vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.03.2021 zu Recht:
A) Die Beschwerden werden gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin XXXX (nachfolgend: BF1), eine iranische Staatsangehörige, stellte am XXXX nach legaler Ausreise aus dem Iran und illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet gemeinsam mit ihrem Mann XXXX , iranischer Staatsangehöriger (nachfolgend BF2) einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Anlässlich der Erstbefragung am 30.10.2015 gab die BF1 als Grund für ihre Ausreise an, sie habe Schwierigkeiten mit der Familie und dem Staat bekommen, da sie und ihr Mann vom Islam zum Christentum gewechselt seien. Sie seien dafür nach Armenien gereist, jedoch von dort wieder in den Iran geschickt worden, wo bei Konversion die Todesstrafe drohe. Aus diesem Grund hätten Sie den Iran verlassen. Im Rückkehrfall befürchte sie die Verhängung der Todesstrafe. Wenn man den Iran verlasse, werde man getötet und trachte ihnen außerdem die Familie nach dem Leben.
Der BF2 gab anlässlich der Erstbefragung am 30.10.2015 als Grund für seine Ausreise an, er habe sich vor 20 Tagen zur Ausreise entschlossen, da seine Frau und er nicht mehr dem Islam hätten angehören wollen und sie zum Christentum gewechselt hätten. Aus diesem Grund hätten sie Probleme mit ihren Familien und den Behörden bekommen. Sie seien dann zuerst nach Armenien gegangen, da sie geglaubt hätten, dort ihre neue Religion leben zu können; sie seien allerdings wieder in den Iran zurückgeschickt worden. Danach seien sie in die Türkei geflogen. Im Iran drohe ihnen die Todesstrafe. Im Rückkehrfall drohe wegen der Konversion die Todesstrafe und seien sie außerdem von ihrer Familie verstoßen worden.
3. Am 31.08.2017 erfolgte die Einvernahme der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) eingangs derer die BF1 einen Personalausweis und eine Heiratsurkunde vorlegte. Sie sei mit ihrer Familie in Kontakt und gehe es dieser gut. Die BF1 erklärte, Christin zu sein und am XXXX die Taufe empfangen zu haben. Sie bekenne sich zum protestantischen Glaubenszweig und habe sie auch schon versucht, andere Personen vom Christentum zu überzeugen. Der BF1 wurden im weiteren Fragen zum Islam und zum Christentum gestellt.
Sie habe über den TV-Sender Mohabat und Pfarrer Edwin Saleh, der in Kanada lebe, viele Informationen über das Christentum erhalten und habe sie im Jahr 2015 beschlossen, die Religion zu wechseln. Sie habe im Iran auch gebetet. In Österreich besuche sie die XXXX -Kirche und sei jeden Sonntag beim Gottesdienst dabei; am Dienstag sei Gebetsstunde und am Donnerstag besuche sie Kurse zum Lehren, wie man Gottesdiener werden und das Christentum verkünden könne. Die BF beschrieb ihre Taufe und erklärte auch, einen Taufvorbereitungskurs besucht zu haben.
Sie habe den Iran verlassen, da sie dort mit dem Tod bedroht worden sei; sechs Monate vor der Ausreise habe sie sich gemeinsam mit ihrem Mann für das Christentum entschieden und seien im August 2015 nach Armenien gefahren, um sich taufen zu lassen, wovon ihnen aber in Armenien wegen möglicher Sanktionen im Iran abgeraten worden sei; während des dortigen einwöchigen Aufenthaltes habe sich ihr Mann ein Kreuz auf den Arm tätowieren lassen. Auch ihre Mutter sei mitgereist. Einen Monat nach der Rückreise in den Iran hätten sie ihren Schwager eingeladen, dieser habe die Tätowierung ihres Mannes kritisiert; es sei zu einem Streit gekommen, im Zuge dessen ihr Mann gesagt habe, dass sie Christen geworden seien. Die BF habe den Streit schlichen wollen, doch habe sie der Schwager mit einem Messer attackiert. Sie sei geflüchtet und ihr Mann sei ihr nachgelaufen und hätten sie sich zur Mutter der BF begeben. Sie habe gewusst, dass ihr Schwager, der auch in Teheran lebe, für die Sepah arbeite und seine Drohungen ernst genommen; dieser habe gedroht, sie umzubringen oder zerstückeln zu lassen. Nach zwei Tagen habe der Bruder der BF ein Flugticket besorgt und sie seien in die Türkei gereist. Über Nachfragen gab die BF an, zwar nicht von staatlicher Seite bedroht worden zu sein, jedoch arbeite ihr Schwager für die Regierung. Ihre eigene Familie sei der Ansicht, dass ihre Religion ihre Privatsache sei; die Verwandten ihres Mannes würden sie jedoch wegen der neuen Religion als Schweine bezeichnen.
Der BF2 erklärte in seiner Einvernahme am selben Tag, seine Frau sei vor ca. drei Jahren zum Christentum gewechselt. Er habe am 16.10.2015 den Iran verlassen und sei 20 Tage später in Österreich gewesen. Auch er sei wie seine Frau vor drei Jahren zum Christentum gewechselt. Hinsichtlich der an ihn gerichteten Fragen zum Christentum gab der BF2 an, sich nicht so gut wie ein Pfarrer auszukennen, da er ein Neuling sei. Er habe am Satellitenprogramm zwei christliche Programme angesehen, wo immer über Freude und Liebe und ein ruhiges Leben gesprochen worden sei und habe er genau vor drei Jahren den Entschluss gefasst, seine Religion zu wechseln. Er habe im Iran an einer Hauskirche teilgenommen. Er habe von einer Freundin seiner Frau namens XXXX davon erfahren und habe sie in Wahrheit diese zum Christentum gebracht. Aufgrund des Interesses für das Christentum seien sie am 08.08.2015 nach Armenien gereist, seine Schwiegermutter sei auch dabei gewesen. Sie hätten sich in einer Kirche wegen der Taufe erkundigt, wovon man ihnen jedoch abgeraten habe, da sie diesbezüglich im Iran Probleme bekommen könnten. Nach einwöchigem Aufenthalt seien sie in den Iran zurückgereist. Nach ein bis zwei Monaten hätten sie Gäste eingeladen, sie hätten sich unterhalten. Er wolle noch erwähnen, dass er sich in Armenien ein Kreuz auf die Schulter habe tätowieren lassen. Während er mit seinem Bruder Spaß gemacht habe, habe dieser das Kreuz gesehen und ihn danach gefragt, woraufhin er seinem Bruder XXXX mitgeteilt habe, dass er sich für eine andere Religion entschieden habe. Es sei zu Handgreiflichkeiten gekommen im Zuge derer ihn sein Bruder mit einem Messer habe verletzen wollen. Seine Frau sei aus Angst als erste davongelaufen und er sei ihr gefolgt. Er habe gewusst, dass er seinem Bruder, der bei der Sepah sei, nicht lange davonlaufen könne, weshalb sie sich zur Ausreise entschlossen hätten. Der BF2 erklärte, sich in Österreich für den protestantischen Glaubenszweig entschieden zu haben und sei er auch getauft worden. Er habe nur zu seinem Bruder Kontakt, dieser sei Jurist und mische sich nicht in seine Angelegenheiten; seine Konversion sei in der Familie geblieben und geheim. Im weiteren wurden dem BF2 Fragen zum Christentum gestellt.
Über Nachfragen gab der BF 2 an, zwei Tage nach dem Vorfall vom Bruder angerufen worden zu sein und habe dieser gesagt, er werde sie entweder der Regierung übergeben oder er werde sie selbst töten.
4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag der Beschwerdeführerin 1 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.).
Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.).
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.)
Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft betrage (Spruchpunkt VI.).
Das BFA stellte zu den geltend gemachten Ausreisegründen der BF1 zusammengefasst fest, dass diese nicht glaubhaft seien; ferner habe die behauptete Konversion zum Christentum nicht festgestellt werden können.
Die Angaben der BF seien widersprüchlich; so habe sie in der Erstbefragung angegeben, aufgrund von Problemen mit der Familie und dem Staat nach Armenien gereist zu sein, wohingegen sie in der behördlichen Einvernahme erklärt habe, wegen der Taufe nach Armenien gereist zu sein; die in der Erstbefragung angegebenen Probleme habe sie zu diesem Zeitpunkt nicht erwähnt, sondern habe die BF Probleme erst nach der Rückkehr aus Armenien ins Treffen geführt. Auch habe die BF anlässlich der Erstbefragung angegeben, von Armenien in den Iran zurückgeschickt worden zu sein, in der Einvernahme habe die BF jedoch eine freiwillige Rückreise in den Iran angegeben, wofür auch spreche, dass der BF die beabsichtigte Taufe abgeraten worden sei. Auch sei nicht glaubwürdig, dass die BF vor ihrer Ausreise nach Armenien Probleme gehabt habe.
Ferner habe die BF und ihr Gatte hinsichtlich der Tätowierung des Gatten unterschiedliche Angaben gemacht. Während die BF angegeben habe, der Schwager habe die Tätowierung gesehen, als sich ihr Mann umgezogen habe, habe der Mann der BF nicht von einem Umziehen gesprochen, sondern davon, dass seine Tätowierung unter dem Ärmel seines Shirts ‚herausgeblitzt‘ sei. Auch die Bedrohung durch den Schwager sei nicht glaubwürdig, da die BF nicht angeben habe können, wie sie habe entkommen können und seien die diesbezüglichen Schilderungen der BF vage und unkonkret.
Ferner habe der Mann der BF1 im Gegensatz zu dieser angegeben, sein Bruder habe ihn mit dem Messer verletzen wollen. Auch dass die BF und ihr Mann einem militärisch ausgebildeten Mann entwischen habe können, sei nicht plausibel und seien die BF und ihr Mann bei den Schwiegereltern leicht auffindbar gewesen. Auch die angegebene Hinwendung der BF zum Christentum sei im Lichte ihrer Angaben nicht nachvollziehbar.
Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.
Zu Spruchpunkt IV. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für die Beschwerdeführerin1 keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers 2 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.).
Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.).
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.)
Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft betrage (Spruchpunkt VI.).
Das BFA stellte zu den geltend gemachten Ausreisegründen des BF2 zusammengefasst fest, dass diese nicht glaubhaft seien; ferner habe die behauptete Konversion zum Christentum nicht festgestellt werden können.
Die Angaben des BF seien widersprüchlich; so habe er in der Erstbefragung angegeben, aufgrund von Problemen mit der Familie und dem Staat nach Armenien gereist zu sein, wohingegen er in der behördlichen Einvernahme erklärt habe, wegen der Taufe nach Armenien gereist zu sein; die in der Erstbefragung angegebenen Probleme habe er zu diesem Zeitpunkt nicht erwähnt, sondern habe der BF Probleme erst nach der Rückkehr aus Armenien ins Treffen geführt. Auch habe der BF anlässlich der Erstbefragung angegeben, von Armenien in den Iran zurückgeschickt worden zu sein, in der Einvernahme habe der BF jedoch eine freiwillige Rückreise in den Iran angegeben, wofür auch spreche, dass dem BF die beabsichtigte Taufe abgeraten worden sei. Auch sei nicht glaubwürdig, dass der BF vor seiner Ausreise nach Armenien Probleme gehabt habe.
Ferner habe der BF und seine Frau hinsichtlich seiner Tätowierung unterschiedliche Angaben gemacht. Während die Frau des BF angegeben habe, der Schwager habe die Tätowierung gesehen, als sich ihr Mann umgezogen habe, habe der BF nicht von einem Umziehen gesprochen, sondern davon, dass seine Tätowierung unter dem Ärmel seines Shirts ‚herausgeblitzt‘ sei. Auch die Bedrohung durch den Schwager sei nicht glaubwürdig, da der BF nicht angeben habe können, wie er habe entkommen können und seien die diesbezüglichen Schilderungen des BF vage und unkonkret.
Auch habe die Frau des BF im Gegensatz zu diesem angegeben, sein Bruder habe sie mit dem Messer verletzen wollen, wohingegen er eine Verletzungsabsicht auf seine Person bezogen genannt habe. Auch dass der BF und seine Frau einem militärisch ausgebildeten Mann entwischen haben können, sei nicht plausibel. Ferner seien der BF und seine Frau bei den Eltern des BF leicht auffindbar gewesen. Auch die angegebene Hinwendung des BF zum Christentum sei im Lichte seiner Angaben nicht nachvollziehbar.
Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.
Zu Spruchpunkt IV. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.
5. Gegen diesen Bescheid erhoben die BF1 und der BF2 mit Schriftsatz vom 07.03.2018 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).
Es wurden die Anträge gestellt, die Rechtsmittelbehörde möge
-) den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz Folge gegeben und dieser der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde;
-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Beschwerdeführerin gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran zuerkannt werde;
-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid betreffend die gegen die Beschwerdeführerin gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gefällte Rückkehrentscheidung aufgehoben werde
-) allenfalls die Unzulässigkeit der Abschiebung der BF festzustellen
-) in eventu zur gebotenen Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen
-) den Bescheid aufzuheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückzuverweisen
6. Gegenständliche Beschwerden langte samt bezug habendem Verwaltungsakt am 12.03.2018 in der hg. Gerichtsabteilung ein.
7. Am 27.08.2019 langte hg. eine Meldung des SPK XXXX vom 13.08.2019 ein, wonach die BF1 wegen des Deliktes der Entwendung verdächtig sei.
8. Am 22.01.2021 langte hg. die Kopie einer Geburtsurkunde hinsichtlich der in Österreich geborenen Tochter der BF1 und des BF2 (BF3), eine Religionsaustrittserklärung vom 01.03.2018 hinsichtlich BF1 und BF2, eine Taufbestätigung vom 12.06.2016 die BF1 und den BF2 betreffend und weitere Integrationsunterlagen die BF1 und den BF2 betreffend ein.
9. Am 02.03.2021 langte hg. der Bescheid des BFA die BF3 betreffend ein, für welche zuvor am 28.12.2020 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden und welcher mit Bescheid des BFA vom XXXX abgewiesen worden war. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (BF3) auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.).
Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.).
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.)
Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft betrage (Spruchpunkt VI.).
Gem. § 16 Abs 3 BFA-VG ist diese Entscheidung nicht der Rechtskraft zugänglich und wurde daher dem BVwG vorgelegt.
10. Am 09.03.2021 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der die BF1, der BF2 und das BFA geladen wurden.
11. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
12. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der BF, der Bescheidinhalte sowie des Inhaltes der gegen die Bescheide des BFA erhobenen Beschwerde und durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.03.2021.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Verfahrensbestimmungen
1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.
1.2. Familienverfahren § 34 AsylG 2005 lautet:"(1) Stellt ein Familienangehöriger von1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder3. einem Asylwerbereinen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
…
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
Wer als Familienangehöriger im Sinne dieser Bestimmung gilt, findet sich in §2 Abs 1 Z 22 AsylG.
Hinsichtlich der verheirateten BF1 und BF2 und des gemeinsamen Kindes (BF3) liegt im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Familienverfahren iSd §34 Abs 5 AsylG vor und wird das Verfahren der Beschwerdeführer daher in einem geführt.
2. Feststellungen (Sachverhalt):
2.1. Zur Person der Beschwerdeführer 1-3 wird festgestellt:
Die Beschwerdeführer 1-3 sind iranische Staatsangehörige, und Angehörige der Volksgruppe der Perser.
Die Identität der Beschwerdeführer 1-3 steht fest.
Die Beschwerdeführer 1-2 stammen aus XXXX im Iran, die Beschwerdeführerin 3 wurde in Österreich geboren und wurde für diese am XXXX ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Die Beschwerdeführer 1-2 reisten legal aus dem Iran aus und illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am XXXX jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.
Zur Beschwerdeführerin 1:
Im Iran hat die Beschwerdeführerin zwölf Jahre die Grundschule besucht, Bauarchitektur studiert und im Anschluss bis zu ihrer Ausreise in einem Büro gearbeitet und zusammen mit dem Beschwerdeführer 2 in XXXX gelebt.
Die Beschwerdeführerin ist mit dem Beschwerdeführer 2 verheiratet und hat mit diesem gemeinsam das in Österreich geborene Kind XXXX .
Die Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder der Beschwerdeführerin leben im Iran und steht sie zu sämtlichen Angehörigen ihrer Herkunftsfamilie in regelmäßigem telefonischem Kontakt.
Die Beschwerdeführerin verfügt über partielle, oberflächliche Kenntnisse des christlichen Glaubens, besucht Gottesdienste im XXXX , und wurde am XXXX in der XXXX getauft, nachdem sie einen Taufvorbereitungskurs besucht hatte.
Dass sich die Beschwerdeführerin ernsthaft mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt und sich dem christlichen Glauben zugewandt hat und dieser für sie identitätsstiftend ist, kann nicht festgestellt werden.
Bei der behaupteten Konversion der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine Scheinkonversion.
Die Beschwerdeführerin hat in Österreich einen A2-Deutschkurs besucht und die Prüfung absolviert und spricht gebrochen deutsch. Sie lebt von der staatlichen Grundversorgung.
Zum Beschwerdeführer 2
Der Beschwerdeführer, der im Iran zwölf Jahre die Grundschule besucht hat, hat vor der Ausreise als Taxifahrer gearbeitet und zusammen mit der Beschwerdeführerin 1, mit der er verheiratet ist, in XXXX gelebt. Zu seiner Herkunftsfamilie steht er nicht in Kontakt.
Der Beschwerdeführer verfügt über wenige, oberflächliche Kenntnisse des christlichen Glaubens, besucht Gottesdienste im XXXX , und wurde am XXXX in der XXXX getauft, nachdem er einen Taufvorbereitungskurs besucht hatte.
Dass sich der Beschwerdeführer ernsthaft mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt und sich dem christlichen Glauben zugewandt hat und dieser für ihn identitätsstiftend ist, kann nicht festgestellt werden.
Bei der behaupteten Konversion des Beschwerdeführers handelt es sich um eine Scheinkonversion.
Der Beschwerdeführer hat den A1 Kurs besucht, eine Prüfung abgelegt und spricht gebrochen deutsch.
Zur Beschwerdeführerin 3
Diese ist nicht getauft und wurde am XXXX in Österreich geboren. Eigene Asylgründe wurden für sie nicht vorgebracht und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Zu den Beschwerdeführern 1-3
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer 1 und 2 in ihrem Heimatstaat Iran sich dem Christentum zugewandt und eine Hauskirche besucht haben und in diesem Zusammenhang vom Bruder des Beschwerdeführers 2, einem Sepah Angehörigen, bedroht wurden oder pro futuro daraus resultierenden Problemen im Iran ausgesetzt sein werden.
Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer 1-3 Gefahr liefen, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer 1-3 im Falle der Rückkehr in den Iran in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würden oder als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wären.
Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführer 1-3 in ihrem Herkunftsstaat festgestellt werden.
In Österreich haben die Beschwerdeführer 1-3 keine Verwandten oder sonstigen nahen Bezugspersonen. Sie haben die A1 Integrationsprüfung absolviert, verfügen über rudimentäre Deutschkenntnisse, sind kein Mitglied in einem Verein und leben von der staatlichen Grundversorgung.
Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen der Beschwerdeführer auf und sind diese unbescholten.
Die Beschwerdeführer sind gesund.
Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der Beschwerdeführer in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.
Die Beschwerdeführer verfügen zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.
Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer 1-3 in den Iran festzustellen ist.
2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:
Politische Lage
Letzte Änderung: 19.06.2020
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih“, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen, bis der
12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 2.2020a; vgl. BTI 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er steht noch über dem Präsidenten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (AA 4.3.2020a; vgl. FH 4.3.2020, US DOS 11.3.2020) und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).
Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wieder gewählt (ÖB Teheran 10.2019). Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 4.3.2020). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 2.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2019). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 2.2020a). Während bei der Parlamentswahl 2016 die Reformer und Moderaten starke Zugewinne erreichen konnten (ÖB Teheran 10.2019), drehte sich dies bei den letzten Parlamentswahlen vom Februar 2020 und die Konservativen gewannen diese Wahlen. Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020).
Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. GIZ 2.2020a, FH 4.3.2020, BTI 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2.2020). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems“ zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 2.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 2.2020a).
Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 2.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 2.2020a; vgl. AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.3.2020). Von den 1.499 Männern und
137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).
Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen
„unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was zu einer Halbierung der vollstreckten Todesurteile führte (ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (4.3.2020a): Politisches Portrait, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/politisches-portrait/202450, Zugriff 7.4.2020
AA – Auswärtiges Amt (4.3.2020b): Steckbrief, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/steckbrief/202394, Zugriff 7.4.2020
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
DW – Deutsche Welle (23.2.2020): Konservative siegen bei Parlamentswahl im Iran, https://www.dw.com/de/konservative-siegen-bei-parlamentswahl-im-iran/a-52489961 , Zugriff 7.4.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 7.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/ , Zugriff 7.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 7.4.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 7.4.2020
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 19.06.2020
Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).
In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie
von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch- irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396 , Zugriff 4.5.2020
EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise - fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 4.5.2020
Verbotene Organisationen
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020).
Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komala(h)-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 26.2.2020). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 10.2019) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018). Von Mai bis September 2016 wurden fast wöchentlich bewaffnete Konflikte zwischen kurdischen Guerillakräften und iranischen Sicherheitskräften gemeldet. In den letzten zehn Jahren hatte hauptsächlich die kurdische Partei PJAK militärische Operationen im Nordwesten des Iran durchgeführt. Seit Mai 2016 beteiligen sich auch andere kurdische Parteien (KDPI, KDP-I, PAK) an militärischen Operationen gegen iranische Sicherheitskräfte. Alle diese Parteien operieren von Militärbasen und Lagern im Nordirak aus. Die Revolutionsgarden haben im gleichen Zeitraum ihre Präsenz in der Region verstärkt und kurdische Dörfer sowohl auf iranischer als auch auf irakischer Seite angegriffen. Mitglieder und Unterstützer von KDPI und Komala werden im Allgemeinen härter behandelt als andere Aktivisten im kurdischen Raum. In der Regel unterscheiden die iranischen Behörden nicht zwischen Mitgliedern und Unterstützern der Parteien. Während die iranischen Behörden Personen, die verhaftet werden, beschuldigen, mit diesen Parteien verbunden zu sein, ist dies nicht immer der Fall. Familienmitglieder von Parteimitgliedern und Unterstützern laufen ebenfalls Gefahr, von den iranischen Behörden befragt, inhaftiert und verhaftet zu werden, um Druck auf Aktivisten auszuüben. Enge Familienmitglieder werden häufiger verhaftet als Mitglieder der Großfamilie (DIS 7.2.2020). Auch die Volksmudschahedin (MEK, MKO, PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).
Es scheint eher unwahrscheinlich, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau, wie z.B. dem Verteilen von Flyern, angeklagt wird, es ist aber schon möglich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (11.2.2019): Amnesty International's written statement to the 40thsessionof theHuman RightsCouncil(25 February –22March 2019), MDE 13/9828/2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457788/1226_1550135137_mde1398282019english.pdf , Zugriff 4.5.2020
AI – Amnesty International (15.6.2018): Urgent Action, Iranian Kurdish Woman denied Medical Care, UA: 151/14 Index: MDE 13/8598/201,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1435509/1226_1529323691_mde1385982018english.pdf , Zugriff 4.5.2020
DIS – Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of- ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf , Zugriff 4.5.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 4.5.2020
Volksmudschahedin (Mujahedin-e-Khalq – MEK, MKO; People’s Mojahedin Orga- nisation of Iran – PMOI; National Council of Resistance of Iran – NCRI)
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO,
„iranische Volksmudschahedin“) gilt in Iran als Terrororganisation, und wird für die Ermordung von
17.000 Iranern verantwortlich gemacht (ÖB Teheran 9.2017; vgl. Global Security o.D., SFH 20.7.2018). Verbindungen zur MEK gelten in Iran als „moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran 10.2019). Im Exil in Frankreich hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat [National Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Telepolis 18.1.2019).
Die linksgerichtete MEK wurde in den 1960er Jahren mit der Intention gegründet, den Schah von Persien zu stürzen. Die MEK unterstützte während der iranischen Revolution Ayatollah Khomeini. Die Organisation wurde Anfang der 1980er Jahre aus dem Iran ins Exil in den Irak vertrieben, nachdem sie gegen Khomeini opponiert hatte. Die MEK wird für verschiedene Anschläge verantwortlich gemacht und hatte als Verbündete der irakischen Seite am ersten Golfkrieg zwischen 1980 bis 1988 teilgenommen. Im Jahr 1987 gründete die Organisation einen bewaffneten Arm, die National Liberation Army (NLA) und führte ab 1988 von der 60 Kilometer von Bagdad entfernten Basis Ashraf ausgehend bewaffnete Operationen durch. In diesem Zeitraum exekutierten die iranischen Behörden hunderte bis tausende MEK-Mitglieder, welche als Feinde der Nation und Verräter bezeichnet wurden. Die Organisation wurde von einer Reihe von Staaten offiziell als terroristische Organisation eingestuft, darunter von den USA, der EU und Großbritannien. Im Jahr 2003 hat sich die MEK entwaffnet und den Verzicht auf Gewalt verkündet. In den Jahren 2008, 2009 und 2012 wurde die MEK in Großbritannien, in der EU und in den USA von der Liste der terroristischen Organisationen entfernt (SFH 20.7.2018). Die MEK-Mitglieder in Irak ließen sich ab 2011 im Rahmen einer von UNHCR unterstützten Umsiedlung mehrheitlich in Albanien nieder. Im September 2016 sollen die letzten Volksmudschahedin ihr Lager in Irak verlassen haben (SFH 20.7.2018; vgl. Guardian 9.11.2018). Mittlerweile sind viele von ihnen in die EU und USA weitergereist (Guardian 9.11.2018).
Experten sind sich einig, dass die Volksmudschahedin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW 28.3.2016; vgl. Guardian 9.11.2018). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an (Iran Focus 18.1.2018; vgl. Arab News 22.1.2018).
Die MEK konzentriert sich mittlerweile auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Inwieweit die MEK von der iranischen Bevölkerung unterstützt wird, ist umstritten. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik, die iranische Regierung und deren Sicherheitsapparat zu stürzen. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen (ACCORD 7.2015). Die österreichische Botschaft berichtet hierzu, dass die MEK zwar die stärkste oppositionelle Bewegung und international präsent ist, aber sie genießt in Iran selbst aufgrund ihrer terroristischen Vergangenheit und der Unterstützung Saddam Husseins im Iran-Irak-Krieg kaum Unterstützung (ÖB Teheran 10.2019).
Immer wieder wird Kommandanten der MEK von ehemaligen Mitgliedern vorgeworfen, dass sie Mitglieder der MEK systematisch misshandeln würden, um sie zum Schweigen zu bringen. Hierzu würden Folter, Einzelhaft, Beschlagnahmung von Vermögen und Trennung von Familien, um die Kontrolle über die Mitglieder zu behalten, angewendet. Solche Vorwürfe werden von der MEK kategorisch zurückgewiesen (Guardian 9.11.2018).
Quellen:
ACCORD (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord- iran-coi-compilation-july-2015.pdf , Zugriff 5.5.2020
Arab News (22.1.2018): Iranian people are ready to usher in a ‘new day’, http://www.arabnews.com/node/1274381 , Zugriff 5.5.2020
DW – Deutsche Welle (28.3.2016): Iranische Volksmudschahedin in Albanien, http://www.dw.com/de/iranische-volksmudschahedin-in-albanien/a-19132961 , Zugriff 5.5.2020
Global Security (o.D.): Mujahedin-e Khalq Organization (MEK or MKO), http://www.globalsecurity.org/military/world/para/mek.htm , Zugriff 5.5.2020The Guardian (9.11.2018): Terrorists, cultists – or champions of Iranian democracy? The wild wild story of the MEK, https://www.theguardian.com/news/2018/nov/09/mek-iran-revolution-regime - trump-rajavi, Zugriff 5.5.2020
Iran Focus (18.1.2018): Iran Regime’s Weakness and Its Fear From Pmoi/Mek Exposed During the Uprising, https://www.iranfocus.com/en/index.php?option=com_content&view=article&id=32380:iran-regime - s-weakness-and-its-fear-from-pmoi-mek-exposed-during-the-uprising&catid=4:iran- general&Itemid=109, Zugriff 5.5.2020
ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426070/5818_1520415893_iran-oeb-bericht-2017-09.docx , Zugriff 5.5.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 5.5.2020
SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (20.7.2018): Iran: Rückkehr von Personen mit Verbindungen zu den Volksmudschahedin(PMOI), https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/iran/180720- irn-gefaehrdung-pmoi.pdf , Zugriff 5.5.2020
Telepolis (18.1.2019): Was verbindet die Volksmudschahedin mit der rechten spanischen Vox- Partei?, https://www.heise.de/tp/features/Was-verbindet-die-Volksmudschahedin-mit-der-rechten - spanischen-Vox-Partei-4281979.html, Zugriff 5.5.2020
PJAK - Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê (Partei für Freiheit und Leben in Kurdis- tan bzw. Partei für ein freies Leben Kurdistans)
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die PJAK begann in den späten 1990er Jahren als friedliche studentische Menschenrechtsorganisation. Es ging den Mitgliedern der Gruppierung anfangs um den Aufbau einer kurdischen Nationalidentität (BMI 2015; vgl. ACCORD 7.2015, DIS 7.2.2020), und man wollte die Assimilierung der Kurden durch die Zentralregierung verhindern. 2004 begannen die bewaffneten Angriffe auf die iranische Regierung von den Kandil-Bergen aus, von wo aus die PJAK bis heute operiert. Ebendort hat auch die PKK ihre Basen und die PJAK gilt als iranischer Ableger der PKK. Als Unterschied zur PKK gibt die PJAK selbst an, dass sie sich niemals gegen Zivilisten, sondern immer nur gegen ausschließlich iranische Regierungstruppen wendet bzw. gewandt hat. Die iranische Regierung hat die PJAK auch niemals diesbezüglich beschuldigt. Angaben über die Stärke der PJAK-Kämpfer sind schwierig. Schätzungen liegen zwischen 1.000 (JF 15.1.2018) und
3.000 Kämpfern (BMI 2015). Ein großer Teil der Kämpfer in Ostkurdistan sollen Frauen sein (TRAC o.D.; vgl. CRS 6.2.2020).
Die PJAK ist zwischen einem Militärflügel, den ostkurdischen Verteidigungskräften (YRK), und dem politischen Flügel, der Demokratischen und Freien Gesellschaft Ostkurdistans (KODAR), aufgeteilt. Wie bei anderen PKK-Zweigen versucht die Gruppe angeblich, mit allen Iranern zusammenzuarbeiten, aber in der Praxis ist ihre Mitgliedschaft fast ausschließlich kurdisch. Während der militärische Flügel in den Kandil-Bergen stationiert ist, ist der politische Zweig in Europa und Irak ansässig (JF 15.1.2018) und operiert in Iran im Untergrund (DIS 7.2.2020). Der militärische Arm der PJAK führte von Anfang der 2000er Jahre bis 2011 eine sporadische Aufstandskampagne auf niedriger Ebene im Iran durch. Dabei wurden Dutzende iranische Sicherheitskräfte getötet, hauptsächlich bei Operationen in und um Städte mit kurdischer Mehrheit wie Urmia und Mariwan. 2011 erklärte die PJAK einen [brüchigen] Waffenstillstand. Der Zusammenbruch des syrischen Staates eröffnete der PKK und ihren Mitgliedsgruppen neue Möglichkeiten und es wurden Kämpfer nach Syrien geschickt. Dies wurde ab 2014 verstärkt, da die von der YPG [syrischer Ableger der PKK] gehaltenen Gebiete zunehmend von den von der Türkei unterstützten Streitkräften der Freien Syrischen Armee (FSA) und von Kämpfern des sogenannten Islamischen Staates (IS), insbesondere bei der Belagerung von Kobane, unter Druck gesetzt wurden. Trotz des zunehmenden Engagements der PJAK in Syrien gab die Gruppe ihren Waffenstillstand mit dem Iran im Jahr 2015 auf, vor allem, um von der weit verbreiteten Empörung und den Protesten gegen die Tötung einer kurdischen Frau durch die iranischen Sicherheitskräfte in Mahabad zu profitieren. Dies führte dazu, dass die Gruppe die Angriffe auf iranische Truppen wieder aufnahm, was zu verstärkter Gewalt zwischen PJAK und der iranischen Regierung führte und im August 2015 ihren Höhepunkt mit einem PJAK-Angriff in Mariwan erreichte, bei dem Berichten zufolge 20 Mitglieder des iranischen Revolutionsgarde-Korps (IRGC) getötet wurden. Die Regierung reagierte mit der Hinrichtung inhaftierter kurdischer Aktivisten (JF 15.1.2018).
Die PJAK liefert sich somit seit Jahren einen Guerilla-Kampf mit den iranischen Sicherheitsbehörden (AA 26.2.2020). In den Jahren 2017 und 2018 kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit kurdischen Oppositionsgruppen (PJAK, KDP-Iran, Komala), mit mehreren Dutzend Festnahmen und zahlreichen Toten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Es ist weiterhin mit verschärften Repressalien gegen kurdische Organisationen zu rechnen. Unter den politisch Verfolgten in Iran sind verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran 10.2019). Zusammenstöße der PJAK mit iranischen Sicherheitskräften wurden auch 2019 berichtet (Kurdistan24 5.8.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
ACCORD (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord- iran-coi-compilation-july-2015.pdf , Zugriff 4.5.2020
BMI – Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion - Language - Politics,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res-publicae-the-kurds-2015.pdf , Zugriff 4.5.2020
BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
CRS – Congressional Research Service (6.2.2020): Iran: Internal Politics and U.S. Policy and Options, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RL32048.pdf , Zugriff 4.5.2020
DIS – Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 4.5.2020
JF – Jamestown Foundation (15.1.2018): Party for Free Life in Kurdistan: The PKK’s Iranian Wing Bides Its Time, Terrorism Monitor Volume: 16 Issue: 1, https://jamestown.org/program/party - free-life-kurdistan-pkks-iranian-wing-bides-time/, Zugriff 4.5.2020
Kurdistan24 (5.8.2019): PKK-affiliate group reports deaths from recent clash with Iran Guards, https://www.kurdistan24.net/en/news/406728f5-dfd2-4e2b-b71c-de07c86c6646 , Zugriff 4.5.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 4.5.2020
TRAC – Terrorism Research & Analysis Consortium (o.D.): Party of Free Life of Kurdistan (PJAK), https://www.trackingterrorism.org/group/party-free-life-kurdistan-pjak , Zugriff 4.5.2020
Kurdish Democratic Party of Iran (KDPI/PDKI) und Komala(h) (Kurdistan Orga- nization of the Communist Party of Iran, Komala, SKHKI)
Letzte Änderung: 19.06.2020
Neben der PJAK zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI) zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran (AA 26.2.2020). Die KDPI wurde 1945 in der iranischen Stadt Mahabad gegründet (DIS 7.2.2020) und vom Schah im Jahr 1953 verboten und dadurch in den Untergrund verbannt (TRAC o.D.). Das Ziel der KDPI besteht darin, die kurdischen nationalen Rechte innerhalb eines Bundes und eines demokratischen Iran zu erlangen (DIS 7.2.2020; vgl. TRAC o.D., MERIP o.D.). Die KDPI wird von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, die von ihrem irakischen Hauptquartier aus das Regime bekämpft (BMI 2015; vgl. MERIP o.D., ACCORD 7.2015). Die KDPI wird traditionell als die größte iranisch-kurdische Partei angesehen. Die Partei KDP-Iran hat sich 2006 von der KDPI getrennt und ist eine separate Partei (DIS 7.2.2020). Die kurdischen Oppositionsparteien, insbesondere die KDPI, sind in Iran nicht sehr stark durch Mitglieder repräsentiert, sondern am ehesten durch Sympathisanten (ACCORD 7.2015).
Die Komala-Partei wurde 1969 gegründet. Ihre Mitglieder bestanden zu dieser Zeit aus kurdischen linken Studenten und Intellektuellen, hauptsächlich aus Teheran, aber auch aus anderen kurdischen Städten. Komala basiert auf sozialistischen Werten und kämpft für kurdische Rechte und einen demokratischen, säkularen, pluralistischen und föderalen Iran. Komala besteht aus drei oder mehr getrennten Parteien (DIS 7.2.2020).
Das Ausmaß der zivilpolitischen Aktivitäten der iranisch-kurdischen Oppositionsparteien, insbesondere der KDPI und Komala in Iran, ist aufgrund der Kontrolle, mit der sie konfrontiert sind, im Allgemeinen begrenzt. Wenn die Parteien zivilpolitische Aktivitäten durchführen, geschieht dies unter Geheimhaltung, um zu verhindern, dass die Behörden gegen sie vorgehen. Die Parteien unterstützen jedoch die Aktivitäten anderer, beispielsweise von Organisationen, die sich sowohl auf Umweltfragen als auch auf soziale Fragen konzentrieren. Die kurdischen politischen Parteien führen Propaganda-Aktivitäten durch, um ein Bewusstsein für die Politik der iranischen Regierung zu schaffen und die Menschen zu ermutigen – durch verschiedene friedliche und entschlossene Maßnahmen wie Demonstrationen, Generalstreiks und symbolische Mittel wie das Tragen kurdischer Kleidung zu besonderen Anlässen – gegen die Regierung zu protestieren. Die meisten Aktivitäten der kurdischen Parteien finden im öffentlichen Raum, einschließlich Schulen, statt. Die Parteien ermutigen ihre Mitglieder, Unterstützer und die Öffentlichkeit, Maßnahmen über soziale Medien, Fernseh- und Radiokanäle zu ergreifen. In Bezug auf die Rekrutierung von Mitgliedern ist zu sagen, dass die Regeln für die Mitgliedschaft in den iranisch-kurdischen politischen Parteien (KDPI und Komala) nicht immer geradlinig sind und die Mitgliedschaft durch verschiedene Verfahren erlangt werden kann. Menschen in der kurdischen Region des Iran können über die geheimen Netzwerke dieser Parteien Mitglieder werden oder sie können selbst Mitglieder der Partei in der Autonomen Kurdischen Region Irak kontaktieren und dadurch Mitglieder werden. Zukünftige Mitglieder durchlaufen eine Überprüfung um z.B. Spione der iranischen Regierung ausschließen zu können. Es kommt nämlich immer wieder vor, dass das Geheimdienstministerium und die Revolutionsgarden Personen bedrohen oder bestechen, um sie als Kundschafter einzusetzen (DIS 7.2.2020).
Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der kommunistischen Komala-Partei und der KDP-Iran und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran 10.2019). Ende April 2017 stationierte eine der Komala-Parteien ihre Streitkräfte im Grenzgebiet zwischen der Autonomen Kurdischen Region Irak und Iran (DIS 7.2.2020). Zuletzt wurden im September 2018 drei angebliche Komala-Mitglieder wegen Terrorismus nach unfairen Verfahren und trotz internationaler Proteste hingerichtet (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS 7.2.2020), zeitgleich fanden Raketenangriffe auf einen Stützpunkt der KDPI in Nord-Irak statt (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS 7.2.2020, BTI 2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
ACCORD (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord- iran-coi-compilation-july-2015.pdf , Zugriff 5.5.2020
BMI – Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion - Language - Politics,, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res-publicae-the-kurds-2015.pdf , Zugriff 5.5.2020
BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
DIS – Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 5.5.2020
MERIP – Middle East Research and Information Project (o.D.): Major Kurdish Organizations in Iran, https://www.merip.org/mer/mer141/major-kurdish-organizations-iran , Zugriff 5.5.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 5.5.2020
TRAC – Terrorism Research and Analysis Consortium (o.D.): Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPKI), https://www.trackingterrorism.org/group/democratic-party-iranian-kurdistan-dpki , Zugriff 5.5.2020
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 19.06.2020
Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2019). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Dieser ist laut Artikel 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vgl. BTI 2020). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer („Iranian Bar Association“; IBA).
Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt (AA 26.2.2020). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.3.2020).
Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 11.3.2020). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 14.1.2020; vgl. AA 26.2.2020, HRC 28.1.2020). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie z.B. das Recht auf einen Rechtsbeistand (AI 18.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
Wenn sich Gesetze nicht mit einer Situation befassen, dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen „göttlichen Wissens“ für schuldig erklären (US DOS 11.3.2020).
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015; vgl. BTI 2018).
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:
Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";
Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;
Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;
Spionage für fremde Mächte;
Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;
Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).
Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).
Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020). Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden (AA 26.2.2020). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen („Qisas“), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes („Diya“) kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom
„Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019). Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden (AA 26.2.2020).
Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten – wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit – dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab- Pflicht (AA 26.2.2020).
Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).
Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 26.2.2020).
Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 26.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die- asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12- 01-2019.pdf , Zugriff 7.4.2020
AA – Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 7.4.2020
BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
BTI – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 7.4.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 7.4.2020
HRC – UN Human Rights Council (28.1.2020): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff 8.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 7.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 7.4.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 7.4.2020
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 19.06.2020
Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten involviert (US DOS 11.3.2020). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 10.2019).
Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.3.2020). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als
120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vgl. BTI 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben – nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).
Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst,
Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).
Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).
Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2020).
Der Oberste Führer hat die höchste Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (US DOS 11.3.2020).
Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2019).
In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
DIS – Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 7.4.2020
DW – Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft, http://www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802 , Zugriff 7.4.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 7.4.2020
Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden, https://www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolutionsgarden/ , Zugriff 7.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 7.4.2020
Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben, https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-revolutionsgarden-so - viel-macht-haben/19907934.html, Zugriff 7.4.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 7.4.2020
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 19.06.2020
Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Dennoch sind seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung bei Verhören und in Haft, insbesondere in politischen Fällen, durchaus üblich (AA 26.2.2020; vgl. US DOS 11.3.2020, DIS 7.2.2020). Dies betrifft vorrangig nicht registrierte Gefängnisse, aber auch „offizielle“ Gefängnisse, insbesondere den berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 26.2.2020; vgl. US DOS 11.3.2020). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. In einigen Fällen werden die Strafen öffentlich vollstreckt (AI 18.2.2020; vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.3.2020). Zahlreiche Personen wurden wegen Diebstahls oder Überfällen zu Peitschenhieben verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. Beteiligung an friedlichen Protesten, außereheliche Beziehungen, Alkoholkonsum oder Teilnahme an Feiern, bei denen sowohl Frauen als auch Männer anwesend waren. (AI 18.2.2020).
Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 10.2019). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen
– teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018; vgl. US DOS 11.3.2020).
Folter und andere Misshandlungen passieren häufig in der Ermittlungsphase (HRC 8.2.2019; vgl. DIS 7.2.2020), um Geständnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidigern und jugendlichen Straftätern (HRC 8.2.2019). Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen (HRC 8.2.2019; vgl. HRC 28.1.2020). Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019; vgl. HRW 14.1.2020, HRC 28.1.2020). Frühere Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.3.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 8.4.2020
DIS Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf , Zugriff 8.4.2020
HRC – UN Human Rights Council (28.1.2020): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff 8.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 8.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 8.4.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 8.4.2020
Korruption
Letzte Änderung: 19.06.2020
Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Bereich vor, aber die Regierung implementiert dieses Gesetz willkürlich. Manchmal werden Korruptionsfälle gegen Beamte rechtmäßig verfolgt, gleichzeitig werden politisch motivierte Anklagen gegen Regimekritiker oder politische Opponenten vorgebracht. Die meisten Beamten betätigen sich weiterhin korrupt und können mit Straffreiheit rechnen. Religiöse Wohltätigkeitsorganisationen, sogenannte „Bonyads“, leisten zwischen einem Viertel und einem Drittel der wirtschaftlichen Leistung des Landes. Bonyads erhalten Begünstigungen durch die Regierung, ihr Finanzgebaren wird jedoch nicht kontrolliert. Oppositionspolitiker und internationale Organisationen bezichtigen diese Bonyads regelmäßig der Korruption. Geleitet werden diese steuerbefreiten Organisationen von Personen, die der Regierung nahe stehen, wie z.B. Angehörige des Militärs oder der Geistlichkeit. Zahlreiche Firmen, die in Verbindung mit den Revolutionsgarden stehen, betätigen sich teils rechtswidrig in Handel und Gewerbe, einschließlich der Bereiche Telekommunikation, Bergbau und Bauwesen. Andere Unternehmen der Revolutionsgarden betätigen sich im Schmuggel von Medikamenten, Drogen und Rohstoffen. Von allen Regierungsmitgliedern (einschließlich Mitglieder des Minister-, Wächter- und Schlichtungsrats und der Expertenversammlung) wird ein jährlicher Bericht über die Vermögenslage verlangt. Es gibt keine Information, ob diese Personen sich an die Gesetze halten (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020).
Auch das Justizwesen ist nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020 vgl. US DOS 11.3.2020, BTI 2020). Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit (AA 26.2.2020 vgl. US DOS 11.3.2020). Auch in der Polizei, sozialen Organisationen, im Öffentlichen Dienst und staatlichen Behörden ist Korruption weit verbreitet. Korruption und Gesetzesverstöße sind auch in der politischen Elite weit verbreitet. Menschen werden jedoch selten strafrechtlich verfolgt und wenn sie es werden, ist dies hauptsächlich auf politische Rivalitäten zurückzuführen (BTI 2020).
Transparency International führt Iran in seinem Korruptionsindex von 2019 mit 26 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 146 von 180 untersuchten Ländern (TI 1.2020). Zum Vergleich im Jahr davor, 2018, lag Iran mit 28 (von 100) Punkten auf Platz 138 von 180 untersuchten Ländern (TI 30.1.2019). Es konnte sich in Iran kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln, dieses Problem wird durch die weit verbreitete Korruption noch verschärft (GIZ 3.2020b).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 9.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 9.4.2020
TI – Transparency International (1.2020): Corruption Perspective Index 2019 – Iran, https://www.transparency.org/cpi2019 , Zugriff 9.4.2020
TI – Transparency International (30.1.2019): Corruption Perspective Index 2018 – Iran, https://www.transparency.org/whatwedo/publication/corruption_perceptions_index_2018 , Zugriff 9.4.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 9.4.2020
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Letzte Änderung: 19.06.2020
NGOs gegenüber agiert der iranische Staat sehr misstrauisch, aufgrund der Befürchtung, dass NGOs die staatliche Ordnung untergraben würden (BTI 2020). Eine aktive, öffentliche Menschenrechtsarbeit ist in Iran somit nicht möglich. Alle Menschenrechtsorganisationen bedürfen einer staatlichen Genehmigung und unterliegen damit staatlicher Kontrolle (AA 26.2.2020; vgl. US DOS 11.3.2020). Laut Gesetz müssen sich NGOs beim Innenministerium registrieren und sie müssen um eine Genehmigung ansuchen, wenn sie ausländische Subventionen erhalten. Auf Anfragen und Berichte seitens der Aktivisten reagieren Behörden mit Schikanen, Inhaftierungen und Überwachung. Unabhängige Menschenrechtsgruppen und NGOs sehen sich weiterhin Schikane aufgrund ihrer Tätigkeiten und möglichen Schließungen aufgrund anhaltender und oft willkürlicher Verzögerungen bei der offiziellen Registrierung gegenüber (US DOS 11.3.2020).
In Iran sind kaum mehr prominente Menschenrechtsverteidiger oder NGOs aktiv. Das Innenministerium warnt vor Kontakten zum Ausland und vor Kritik an der Islamischen Republik, die hart verfolgt wird, etwa in Form von Straftatbeständen wie „Propaganda gegen das Regime“ oder
„Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit“. Ehemals aktive iranische Menschenrechtsaktivisten sitzen in ihrer überwiegenden Mehrheit entweder in Haft oder halten sich in Europa oder Nordamerika auf. Entsprechende Zahlen sind mangels offizieller Angaben nicht vorhanden. Zusätzlich haben NGOs große Schwierigkeiten, finanzielle Quellen zu erschließen. Insbesondere der Zugang zu ausländischen Geldern bleibt verschlossen, da beim Rückgriff auf diese Gelder Gerichtsverfahren wegen Spionage, Kontakt zur Auslandsopposition oder ähnliche Vorwürfe drohen (AA 26.2.2020).
Menschenrechtsorganisationen sind in Iran nur vereinzelt vorhanden, da sie unter enormem Druck stehen. Es gibt auch immer wieder Bestrebungen, die Gesetzgebung für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) weiter zu verschärfen. Regelmäßig gibt es Beispiele dafür, dass Organisationen, die sich im weitesten Sinne für Menschenrechte einsetzen, unter großen Druck geraten. Andererseits können manche NGOs, etwa in den Bereichen Drogenbekämpfung oder Flüchtlingsbetreuung laut eigenen Angaben ungehindert arbeiten. In anderen Bereichen, etwa LGBT-Rechte, Frauenrechte und seit 2018 auch Umweltschutz müssen NGOs ohne Registrierung und unter der Gefahr der Verfolgung arbeiten (ÖB Teheran 10.2019). Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des „Defenders of Human Rights Center“, deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet) (ÖB Teheran 10.2019).
Zahlreiche friedliche Regierungskritiker wurden aufgrund von vage formulierten Anklagen, die sich auf die nationale Sicherheit bezogen, inhaftiert. Betroffen waren Oppositionelle, Journalisten, Blogger, Studierende, Filmemacher, Musiker, Schriftsteller, Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtlerinnen und Aktivisten, die sich für die Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten einsetzten. Im Visier standen außerdem Umweltschützer, Gewerkschafter, Gegner der Todesstrafe, Rechtsanwälte sowie Aktivisten, die Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für Massenhinrichtungen und das Verschwindenlassen von Menschen in den 1980er Jahren forderten (AI 18.2.2020). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 10.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 810.4.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 10.4.2020
Wehrdienst
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die Länge des verpflichtenden Wehrdienstes ist von den individuellen Verhältnissen abhängig und beträgt 18 bis 24 Monate. Aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen können Wehrpflichtige ausgemustert werden. Ein Freikauf vom Wehrdienst ist möglich: 2.500 Euro für Schulabgänger ohne Matura, 5.000 Euro für Maturanten. Studenten können, wenn sie im Ausland studieren möchten, unter Hinterlegung einer Kaution, gestaffelt nach Bachelor, Master oder Promotion (7.500, 10.000 bzw. 12.500 Euro) freigestellt werden. Die Wehrdienstzeit wird bei verheirateten Iranern pro Kind um drei Monate verkürzt und bei Freikauf von der Wehrpflicht ein Nachlass in Höhe von 5% bzw. weiteren 5% pro Kind gewährt. Religionsführer Khamenei hat die Jahrgänge bis einschließlich 1975, die bislang keinen Wehrdienst geleistet hatten, freigestellt (AA 26.2.2020).
Es gibt keinen Wehrersatzdienst. In besonderen Fällen, etwa bei psychischen oder physischen Leiden oder wenn sonst kein Mann für die Familie sorgen kann, wird der Wehrdienst erlassen (ÖB Teheran 10.2019). Weitere Gründe vom Wehrdienst befreit zu werden sind beispielsweise, wenn man der einzige Sohn einer Familie ist, wenn man alte Eltern hat oder wenn man einen Bruder hat, der momentan im Militär dient (DFAT 7.6.2018). Für Sportler oder bei guten Beziehungen zu relevanten Stellen kann nach einer 60-tägigen Grundausbildung jedoch eine Art „Ersatzdienst“ für weitere 22 Monate u.a. in Ministerien oder bei Sportverbänden absolviert werden. Es gibt auch Möglichkeiten, nur einen kürzeren Wehrdienst abzuleisten, etwa für Iraner, deren Väter bereits im Irak-Iran-Krieg gekämpft haben. Wehrdienstpflichtige, d.h. männliche Staatsangehörige über 18 Jahren, die nicht etwa aufgrund eines Studiums vorübergehend von der Wehrdienstpflicht befreit sind, dürfen mit wenigen Ausnahmen vor Ableistung ihres Wehrdienstes das Land nicht verlassen (d.h. sie erhalten erst danach einen Reisepass). Angehörige der Streitkräfte und der Polizei dürfen das Land nur mit Zustimmung ihres Dienstes verlassen. Die Zustände beim iranischen Militär sind in der Regel wesentlich härter als in europäischen Streitkräften (berichtet wird regelmäßig über unzureichende Verpflegung, unzureichende Ausrüstung, drakonische Strafen etc.) (ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
DFAT – Australian Department of Foreign Affairs and Trade (7.6.2018): DFAT Country Information Report Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437309/1930_1530704319_country-information- report-iran.pdf , Zugriff 9.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 9.4.2020
Wehrdienstverweigerung / Desertion
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die Strafen bei Nichtmeldung variieren abhängig von der Frage, ob sich das Land im Kriegszustand befindet oder nicht. Personen, die sich zu spät melden, sind verpflichtet, zusätzlich drei Monate Wehrdienst zu leisten. Wehrpflichtige, die sich zu spät oder gar nicht melden und aufgegriffen werden, erhalten ihre Bescheinigung über die Ableistung des Wehrdienstes teilweise mit erheblicher Verspätung (AA 26.2.2020). Junge Männer ab 18 Jahren, die zum Wehrdienst einberufen wurden
und sich nicht bei den Behörden melden, werden als Wehrdienstverweigerer betrachtet. In Iran gibt es keinen Wehrersatzdienst und eine Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird nicht anerkannt (ACCORD 7.2015). Die Verweigerung des Militärdienstes bis zu einem Jahr in Friedenszeiten oder zwei Monaten in Kriegszeiten kann dazu führen, dass die Gesamtlänge des Militärdienstes um drei bis sechs Monate verlängert wird. Eine mehr als einjährige Wehrdienstverweigerung in Friedenszeiten oder mehr als zwei Monate in Kriegszeiten kann zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen. Die Wehrdienstverweigerer können soziale Vorteile und Bürgerrechte verlieren, einschließlich des Zugangs zu Posten im öffentlichen Dienst oder höherer Bildung oder des Rechts auf Unternehmensgründung. Die Regierung kann auch die Erteilung von Führerscheinen für Wehrdienstverweigerer verweigern, ihren Pass einziehen oder ihnen verbieten, das Land ohne besondere Genehmigung zu verlassen. Iranische Behörden gehen regelmäßig gegen Wehrdienstverweigerer vor (DFAT 7.6.2018).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord-iran-coi- compilation-july-2015.pdf , Zugriff 9.4.2020
DFAT – Australian Department of Foreign Affairs and Trade (7.6.2018): DFAT Country Information Report Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437309/1930_1530704319_country-information- report-iran.pdf , Zugriff 9.4.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die iranische Verfassung (IRV) vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene „Hohe Rat für Menschenrechte“ untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten „Pariser Prinzipien“ (AA 26.2.2020).
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung
Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischem Recht)
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes
UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen
Konvention über die Rechte behinderter Menschen
UN-Apartheid-Konvention
Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 26.2.2020) Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:
Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention
Zweites Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (AA 26.2.2020).
Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 10.2019). Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition (GIZ 2.2020a). Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen und ohne einen fairen Prozess, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen, einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen (US DOS 11.3.2020; vgl. AI 18.2.2020, FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere der Revolutionsgerichte, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung durch willkürliche Kandidatenprüfung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, Gewalt gegen ethnische Minderheiten, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen Angehörige sexueller Minderheiten beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Die Regierung unternahm wenige Schritte, um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 11.3.2020).
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte, insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2019). Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (HRW 14.1.2020; vgl. BTI 2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 1.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/#c4398 , Zugriff 14.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 14.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 14.4.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 14.4.2020
Meinungs- und Pressefreiheit
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht „schädlich“ für die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die „Rechte der Öffentlichkeit“ sind (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). In der Praxis sehen sich Meinungs- und Pressefreiheit mit starken Einschränkungen konfrontiert (AA 26.2.2020; vgl. BTI 2020, AI 18.2.2020, US DOS 11.3.2020) und Behörden nutzen das Gesetz, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen (US DOS 11.3.2020). Der staatliche Rundfunk wird streng von Hardlinern kontrolliert und vom Sicherheitsapparat beeinflusst. Nachrichten und Analysen werden stark zensiert (FH 4.3.2020). Die iranischen Justiz- und Sicherheitsbehörden verwenden weiterhin vage definierte Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, um Aktivisten wegen freier Meinungsäußerung zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen (HRW 14.1.2020).
Die iranische Presselandschaft spiegelt eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Positionen innerhalb des politischen Spektrums wider, geprägt wird sie dennoch von einer Vielzahl höchst wandelbarer, da nicht schriftlich fixierter „roter Linien“ des Revolutionsführers, die in erheblichem Maß auch zu Selbstzensur führen. Bei Verstößen gegen ungeschriebene Regeln drohen Verwarnungen, Publikationsverbote, strafrechtliche Sanktionen etwa wegen „Propaganda gegen das System“ bis hin zum Verbot von Medien, sowohl von reformorientierten als auch von konservativen Zeitungen (AA 26.2.2020). „Propaganda gegen den Staat“ ist mit einer einjährigen Freiheitsstrafe sanktioniert, wobei „Propaganda“ nicht definiert ist. Zeitungen und Medien sind daher stets der Gefahr ausgesetzt, bei regierungskritischer oder für hohe Regimevertreter unliebsamer Berichterstattung geschlossen zu werden – dies gilt auch für Regimemedien. Oft werden in diesem Zusammenhang die Zeitungsherausgeber verhaftet (ÖB Teheran 10.2019). Mitarbeiter von ausländischen Presseagenturen (insbesondere kritische farsisprachige Medien wie BBC, DW oder Voice of America) sowie unabhängige Journalisten sind Berichten zufolge oft mit Verzögerungen bei der Gewährung der Presselizenz durch die iranischen Behörden, Verhaftungen, körperlicher Züchtigung sowie Einschüchterung ihrer Familienmitglieder konfrontiert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020, FH 4.3.2020). Insbesondere im Zusammenhang mit politischen Ereignissen, wie z.B. Wahlen, war in den letzten Jahren immer wieder ein verstärktes Vorgehen gegen Journalisten zu beobachten. Meist werden dabei unverhältnismäßig hohe Strafen wegen ungenau definierter Anschuldigungen wie etwa „regimefeindliche Propaganda“ verhängt (ÖB Teheran 10.2019).
Für Funk- und Fernsehanstalten besteht ein staatliches Monopol. Der Empfang ausländischer Satellitenprogramme ist ohne spezielle Genehmigung untersagt, wenngleich weit verbreitet. Die Behörden versuchen, dies durch den Einsatz von Störsendern (sogenanntes Jamming) zu unterbinden (AA 26.2.2020; vgl. FH 4.3.2020). Die Polizei durchsucht regelmäßig Privathäuser und beschlagnahmt Satellitenschüsseln (FH 4.3.2020). Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausländischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Behörden geblockt (AA 26.2.2020; vgl. FH 4.3.2020). Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) möglich, wird aber „gefiltert“ bzw. mitgelesen und regelmäßig auch gestört. Das Vorgehen der Behörden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet äußert, läuft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen „Cyber- Krieg“ gegen das Land führen zu wollen. Die Überwachung persönlicher Daten ist ohne Gerichtsanordnung grundsätzlich verboten. Wenn die nationale Sicherheit bedroht zu sein scheint, wird hiervon jedoch abgesehen (AA 26.2.2020).
Die Behörden gestatten es nicht, das Regierungssystem, den Obersten Führer oder die Staatsreligion öffentlich zu kritisieren. Sicherheitsbehörden bestrafen jene, die diese Einschränkungen verletzen oder den Präsidenten, das Kabinett oder das Parlament öffentlich kritisieren (US DOS 11.3.2020).
Die 1997 unter Khatami gegründete „Association of Iranian Journalists“ wurde 2009 unter Staatspräsident Ahmadinedschad von den Sicherheitskräften geschlossen und hat seitdem trotz pressefreundlicher Wahlkampfversprechen von Rohani ihre Tätigkeit nicht wieder aufgenommen. Im Ausland lebende Journalisten von BBC Farsi berichten von gezielter Verfolgung und Einschüchterungsversuchen. Maßnahmen wie Überwachung, wiederholte Befragungen und das Einfrieren von Konten erstrecken sich dabei auch auf Familien der Betroffenen. Familienangehörige werden unter Druck gesetzt, auf die Beendigung der journalistischen Tätigkeit für BBC Farsi hinzuwirken. Inhaftierte Journalisten sind in Iran – wie alle politischen Gefangenen – besorgniserregenden Haftbedingungen ausgesetzt. Unter politischen Gefangenen und Journalisten kommt es regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen, unter anderem gegen die hygienischen Bedingungen und die mangelhafte medizinische Versorgung (AA 26.2.2020).
Auch gegen Personen, die ihre Meinung oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wird massiv vorgegangen. Die elektronischen Medien und der Internet-Verkehr sowie Internet-Cafés (obligatorische Personenidentifikation und Überwachungskameras) stehen unter intensiver staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten sind gesperrt. Regimefeindliche oder
„islamfeindliche“ Äußerungen werden auch geahndet, wenn sie in elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken, getätigt werden. Vor allem junge Menschen, welche diese Kommunikationsmittel zum Meinungsaustausch nutzen, laufen Gefahr, wegen ihrer geäußerten regimekritischen Meinung verfolgt zu werden (ÖB Teheran 10.2019).
Ebenso unter Druck stehen Filmemacher und bildende Künstler, vor allem dann, wenn ihre Kunst als „unislamisch“ oder regimekritisch angesehen wird, oder sie ihre Filme an ausländische Filmproduktionsfirmen verkaufen oder auch nur im Ausland aufführen (dazu wurde eine Genehmigungspflicht verhängt). Über zahlreiche Künstler wurden Strafen wegen zumeist
„regimefeindlicher Propaganda“ und anderen Anschuldigungen verhängt. Viele sind regelmäßig in Haft bzw. zu langjährigen Tätigkeits- und Interviewverboten verurteilt (ÖB Teheran 10.2019).
Präsident Rohani hatte in seiner Wahlkampagne eine Lockerung der Zensurpolitik versprochen. Zeitweise wurden einige soziale Netzwerke wieder freigegeben. Rohani bezeichnete den Zugang zum Internet als „Bürgerrecht“ und ist selbst auf Twitter und Facebook aktiv (beide aktuell in Iran gesperrt, wobei dies durch viele Iraner mittels VPN umgangen wird). Trotz seiner vielversprechenden Aussagen und einer (teils heftig geführten) öffentlichen Diskussion insbesondere zum Thema „Cyberspace“ hat sich die Situation aber nicht signifikant verbessert, im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2018 wurde die überaus beliebte Messenger App „Telegram“ gesperrt. Es gibt weiterhin Polizeiaktionen gegen auf Instagram erfolgreichen Frauen, die „unsittliche“ Inhalte (Fotos ohne Kopftuch, Make-up-Videos, Tanzvideos, usw.) teilen (ÖB Teheran 10.2019). Die Messenger App Telegram hatte in Iran mehr als 40 Millionen Nutzer. Auch Facebook und Twitter bleiben blockiert, genauso wie hunderte andere Webseiten (HRW 17.1.2019).
In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Iran um sechs Plätze verschlechtert und liegt nun an Position 173 (2019: 170) von 180. Reporter ohne Grenzen bezeichnet Iran als eines der größten Gefängnisse für Journalisten. Verhaftungen von professionellen Journalisten und nicht professionellen Journalisten, vor allem solche, die in sozialen Netzwerken posten, haben sich im Jahr 2018 gesteigert (ROG 2019).
Nahezu jede iranische Familie besitzt eine Satellitenantenne, auch wenn diese offiziell verboten sind. Internet ist weit verbreitet, die Zahl der Internetcafés (Cofee Net) nimmt stetig zu, chatten (und zunehmend auch bloggen) ist eine Art Volkssport unter jungen Iranern. Zudem ist die Zahl an Handys gerade unter jungen Iranern hoch, auch wenn SIM-Karten sehr teuer sind (GIZ 12.2019c).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 14.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 14.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 14.4.2020
HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html , Zugriff 14.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 14.4.2020
ROG – Reporter ohne Grenzen (2020): Rangliste zur Pressefreiheit 2020, https://www.reporter- ohne- grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2020/Rangliste_der_Pressefreih eit_2020_-_RSF.pdf, Zugriff 14.5.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 14.4.2020
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die Ausübung der verfassungsrechtlich garantierten Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit steht für öffentliche Versammlungen unter einem Genehmigungsvorbehalt. Demonstrationen der Opposition sind seit den Wahlen 2009 nicht mehr genehmigt worden, finden jedoch in kleinem Umfang statt. Demgegenüber stehen Demonstrationen systemnaher Organisationen, zu deren Teilnahme Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung sowie Schüler und Studenten teilweise verpflichtet werden. Ebenfalls ist eine unabhängige gewerkschaftliche Betätigung nicht möglich, denn auch gewerkschaftliche Aktivitäten werden zum Teil mit dem Vorwurf der „Propaganda gegen das Regime“ und „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“ verfolgt. Das Streikrecht hingegen ist prinzipiell gewährleistet (AA 26.2.2020), jedoch können streikende Arbeiter von Entlassung und Verhaftung bedroht sein. Mehrere inhaftierte Arbeiteraktivisten wurden 2019 zu schweren
Haftstrafen von 14 Jahren oder mehr verurteilt (FH 4.3.2020). Nach den Ende Dezember 2017 ausgebrochenen Protestdemonstrationen im ganzen Land nahmen Behörden zahlreiche Menschen fest. Berichten zufolge gingen Sicherheitskräfte mit Schusswaffen und anderer exzessiver Gewaltanwendung gegen Protestierende vor und verletzten und töteten unbewaffnete Demonstrierende. Zahlreiche friedliche Regierungskritiker (Oppositionelle, Journalisten, Blogger, Studierende etc.) wurden aufgrund von vage formulierten Anklagen, die sich auf die nationale Sicherheit bezogen, inhaftiert (AA 12.1.2019). Seit diesen Protesten im Dezember 2017 haben die Behörden das Recht auf friedliche Versammlung systematisch verletzt (HRW 17.1.2019). Die Sicherheitskräfte, insbesondere die Geheimdienstorganisation der Revolutionsgarden (IRGC), unterdrücken weiterhin Aktivisten der Zivilgesellschaft und behalten friedliche Versammlungen, besonders arbeitsbedingte Proteste fest im Griff (HRW 14.1.2020).
Vereinigungen auf Arbeitnehmerseite werden misstrauisch beobachtet. Es gibt keine Betätigungsmöglichkeit für unabhängige Gewerkschaften (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Erlaubt sind nur „Islamische Arbeitsräte“ unter der Aufsicht des „Haus der Arbeiter“ (keine unabhängige Institution). Mitglieder und Gründer unabhängiger Gewerkschaftsgruppierungen wie etwa die Teheraner Busfahrergewerkschaft, die Zuckerrohrarbeitergewerkschaft oder die Lehrergewerkschaft wurden in den letzten Jahren zunehmend häufig verhaftet, gefoltert und bestraft. Proteste gegen zu geringe oder gar nicht ausbezahlte Löhne mehren sich seit Anfang 2018, auch dabei kommt es immer wieder zu Festnahmen. Es kommt auch vermehrt zu Protesten im Zusammenhang mit zunehmendem Wassermangel in manchen Teilen des Landes. Seit Anfang 2018 sind auch Umweltaktivisten von Verfolgung bedroht. Unter dem Vorwurf der (mitunter
„unbewussten“) Spionage im Umfeld von atomaren Einrichtungen wurden seit Jänner 2018 mehrere Dutzend Personen inhaftiert (ÖB Teheran 10.2019).
Die iranischen Behörden unterdrückten brutal landesweite Proteste, die nach dem Anstieg der Kraftstoffpreise am 25. November 2019 ausbrachen. Videomaterial und Augenzeugenberichte, die nach einer fast vollständigen Schließung des Internets durch die Regierung im Land entstanden waren, zeigen Sicherheitskräfte, die sich direkt gegen Demonstranten richteten. Es sollen über 200 Menschen bei diesen Protesten getötet worden sein und laut Schätzungen ca. 7.000 Personen verhaftet worden sein (HRW 14.1.2020; vgl. DIS 7.2.2020).
In Iran gibt es keine politischen Parteien mit vergleichbaren Strukturen westlich-demokratischer Prägung (ÖB Teheran 10.2019; vgl. GIZ 2.2020a). Auch im Parlament existiert keine, mit europäischen Demokratien vergleichbare, in festen Fraktionen organisierte parlamentarische Opposition. Bei Wahlen (sowohl bei Präsidenten- als auch Parlamentswahlen) nimmt der Wächterrat die Auswahl der Kandidaten vor. Kandidaten werden unter fadenscheinigen Gründen aussortiert – dabei wurden auch schon ehemalige Präsidenten als „nicht geeignet“ ausgeschlossen. Die entscheidenden Konfliktlinie im iranischen Parlament liegt oft zwischen den Rohani-Loyalen (Reformern und Moderaten) einerseits und den Anhängern der Revolutionstreuen (Parlamentspräsident Ali Larijani, Oberster Führer Khamenei) andererseits, bisweilen kommen aber auch andere Gegensätze zum Tragen. Der Spielraum für die außerparlamentarische Opposition wird vor allem durch einen Überwachungsstaat eingeschränkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht (Einschränkung des Versammlungsrechts, Telefon- und Internetüberwachung, Spitzelwesen, Omnipräsenz von Basij-Vertretern u.a. in Schulen, Universitäten sowie Basij-Sympathisanten im öffentlichen Raum, etc.) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Viele Anhänger der Oppositionsbewegungen wurden verhaftet, haben Iran verlassen oder sind nicht mehr politisch aktiv. Ohne entsprechende Führung und angesichts umfassender Überwachung der Kommunikationskanäle spielen die verbleibenden Oppositionellen kaum eine Rolle. Das Fehlen oppositioneller Führungspersonen zeigte sich auch bei den Unruhen zum Jahreswechsel 2017/18 und den Protesten im November 2019 (AA 26.2.2020). Die Verfassung lässt die Gründung politischer Parteien, von Berufsverbänden oder religiösen Organisationen so lange zu, als sie nicht gegen islamische Prinzipien, die nationale Einheit oder die Souveränität des Staates verstoßen und nicht den Islam als Grundlage des Regierungssystems in Frage stellen. Hinzu kommen immer wieder verhängte drakonische Strafen aufgrund diffuser Straftatbestände („regimefeindliche Propaganda“, „Beleidigung des Obersten Führers“ etc.). Darüber hinaus werden Angehörige der außerparlamentarischen Opposition immer wieder unter anderen Vorwürfen festgenommen. An sich gäbe es ein breites Spektrum an Ideologien, die die Islamische Republik ablehnen, angefangen von den Nationalisten bis hin zu Monarchisten und Kommunisten. Eine markante Führungspersönlichkeit fehlt bei sämtlichen oppositionellen Gruppierungen (ÖB Teheran 10.2019).
Die Oppositionsführer Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi sowie dessen Ehefrau Zahra Rahnavard stehen noch immer ohne Anklage oder Gerichtsverfahren unter Hausarrest, der 2011 gegen sie verhängt worden war (AI 18.2.2020; vgl. BTI 2020, ÖB Teheran 10.2019, AA 26.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die- asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12- 01-2019.pdf , Zugriff 15.4.2020
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
DIS – Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 15.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2020a): Geschichte und Staat Iran,https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/ , Zugriff 15.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 15.4.2020
HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html , Zugriff 15.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 15.4.2020
Haftbedingungen
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei Überbelegung der Zellen Häftlinge im Freien untergebracht werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 4.3.2020), oder sie müssen auf Gängen oder am Boden schlafen. Geschätzt gibt es ca. eine Viertelmillion Häftlinge (US DOS 11.3.2020). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Berichtet wird über unzureichende Ernährung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung, in Einzelfällen mit tödlichen Folgen. Auch ist von mangelnder Hygiene auszugehen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 4.3.2020, HRW 14.4.2020).
In den Gefängnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausländern pflegen, etc. Neben Elektroschocks werden u.a. Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 10.2019).
Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Dies betrifft in erster Linie den Zugang zu medizinischer Versorgung (einschließlich Verweigerung grundlegender Versorgung oder lebenswichtiger Medikamente) sowie hygienische Verhältnisse. Es kommt regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen (AA 26.2.2020). Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in „sichere Häuser“ gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen, wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden. Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (ÖB Teheran 10.2019). Von Hungerstreiks in iranischen Gefängnissen wird des Öfteren berichtet, in der Regel entschließen sich politische Häftlinge dazu (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).
Es ist nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern und anderweitig zu misshandeln, z. B. in Form von Einzelhaft über lange Zeiträume hinweg. Die größte Gefahr droht Inhaftierten bei Verhören. Die Behörden gingen Foltervorwürfen grundsätzlich nicht nach und zogen die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft. Folter soll zu mehreren Todesfällen in Gewahrsam geführt oder dazu beigetragen haben (AI 18.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 15.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 15.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 15.4.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 15.4.2020
Todesstrafe
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren
Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, „Moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“) und homosexuelle bzw. außereheliche Handlungen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.4.2020, AA 26.2.2020). Des weiteren terroristische Aktivitäten, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin (AA 26.2.2020). Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). In den letzten 20 Jahren ist es jedoch zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 26.2.2020).
Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020) und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt (ÖB Teheran 10.2019) und auch (selten) gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020, HRW 14.4.2020, FH 4.3.2020, HRC 28.1.2020, AI 18.2.2020). Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 12.2018; vgl. AA 26.2.2020) und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. 2018 wurden mindestens vier zur Tatzeit minderjährige Täter/innen hingerichtet. Mehreren weiteren zur Tatzeit Minderjährigen droht aktuell die Hinrichtung. 2019 wurden erstmals auch zwei zum Zeitpunkt der Hinrichtung Minderjährige verzeichnet (AA 26.2.2020). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 10.2019). Hinrichtungen erfolgen weiterhin regelmäßig ohne rechtlich vorgeschriebene vorherige Unterrichtung der Familienangehörigen, die Herausgabe des Leichnams wird teilweise verweigert oder verzögert (AA 26.2.2020). In Bezug auf die Anzahl der jährlichen Hinrichtungen befindet sich Iran nach China weltweit an zweiter Stelle (FH 4.3.2020).
Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilo Opium oder zwei Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 10.2019). Diese Gesetzesänderungen führten zu einer Überprüfung der Todesstrafe für Tausende von Häftlingen (FH 4.3.2020) und die Anzahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen sank (AI 10.4.2019; vgl. HRW 14.1.2020, FH 4.3.2020, HRC 8.2.2019). Das neue Gesetz gilt rückwirkend, sodass dadurch etwa 2.000 bis 5.000 bereits zum Tode Verurteilte von der Todesstrafe verschont bleiben könnten (AA 26.2.2020). Nichtsdestotrotz hat Iran im Laufe des Jahres 2019 fast 300 Menschen hingerichtet, darunter mindestens zwei jugendliche Straftäter (FH 4.3.2020).
Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet, insbesondere bei „politischen“ oder die „nationale Sicherheit“ betreffenden Fällen. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom
„Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der „Steinigungsliste“. Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
AI – Amnesty International (10.4.2019): Todesurteile und Hinrichtungen 2018, https://www.amnesty.at/media/5416/act50-9870-2019_uebersetzung_at.pdf , Zugriff 15.4.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 15.4.2020
HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf , Zugriff 15.4.2020
HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (28.1.2020): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff 15.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 15.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 15.4.2020
Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 19.06.2020
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die
in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).
Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen
werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha‘i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2019). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 4.3.2020).
Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2019).
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 18.2.2020).
Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache Farsi sind verboten, ebenso die Verbreitung
christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).
Schiitische Religionsführer, welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt (US DOS 21.6.2019).
Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2018 mindestens 272 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion inhaftiert, 165 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 34 wegen „Beleidigung des Obersten Führers und Ayatollah Khomeini“ und 20 wegen „Korruption auf Erden“ (US DOS 21.6.2019).
Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 18.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
BFA Analyse (23.5.2018): Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer- christen-2018-05-03-ke.pdf , Zugriff 17.4.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 17.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 17.4.2020
US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom
Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html , Zugriff 17.4.2020
Christen
Letzte Änderung: 19.06.2020
Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).
Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 26.2.2020). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor, wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 10.2019).
Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden
auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 21.6.2019).
Im Weltverfolgungsindex 2020 von Christen von Open Doors befindet sich Iran, wie im letzten Jahr, auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum (November 2018 – Oktober 2019) wurden 169 Christen verhaftet, 114 von ihnen in einer einzigen Woche Ende 2018 (Open Doors 2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
BFA Analyse (23.5.2018): Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer- christen-2018-05-03-ke.pdf , Zugriff 20.4.2020
DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 20.4.2020
Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran , Zugriff 20.4.2020
US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom
Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html , Zugriff 20.4.2020
Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Letzte Änderung: 19.06.2020
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel
„mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten
Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und
„Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit
„Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie
zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan- Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2019).
Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online- Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).
In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).
Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low- profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit
der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2019). Die Regierung nutzt unverhältnismäßig hohe Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können
sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high- profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht- muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 21.6.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die- asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12- 01-2019.pdf , Zugriff 20.4.2020
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 20.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 20.4.2020
Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran , Zugriff 20.4.2020
US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom
Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html , Zugriff 20.4.2020
Baha‘i
Letzte Änderung: 19.06.2020
Nicht zu den anerkannten Religionen gehört der Baha‘i Glaube, weshalb Baha‘i juristisch gesehen unter der iranischen Verfassung und dem Strafgesetzbuch benachteiligt werden können. Die etwa
300.000 Anhänger werden systematisch verfolgt, weil sie Propheten nach Mohammed akzeptieren und damit als abtrünnige Muslime gelten. Die Baha‘i haben als religiöse Minderheit den schwierigsten Stand in der Gesellschaft. Dazu kommt, dass die Baha‘i wegen des Bestehens ihrer Zentrale in Haifa/Israel von offizieller iranischer Seite besonders misstrauisch beobachtet und oft als israelische Spione angesehen werden. Es gibt häufig Berichte über Verhaftungen von Baha‘i. Die Begründung der Verhaftung oder der Gerichtsurteile beinhalten meist „Verbreitung von Propaganda gegen die Islamische Republik“ und Gründung von, oder Beteiligung an „Gruppen, die eine Bedrohung für die nationalen Sicherheitsinteressen darstellen“. Zudem schüren staatliche Stellen den Hass gegen Baha‘i. Gewaltakte gegen Mitglieder werden kaum geahndet (ÖB Teheran 10.2019; vgl. USCIRF 10.2019). Baha‘i sind also wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Damit stellen sie derzeit die am stärksten in ihren Rechten eingeschränkte Minderheit im Iran dar. Sie sind vom Pensions- und Sozialversicherungssystem ausgeschlossen, Kriminalitätsopfer erhalten keine staatliche Kompensation, und Gewerbescheine werden unter Hinweis auf die Baha‘i-Zugehörigkeit verweigert (AA 26.2.2020). Die Behörden können die Schließung von Unternehmen im Besitz von Baha‘i anordnen und Vermögen von Anhängern der Glaubensgemeinschaft beschlagnahmen (AI 18.2.2020). Auch bekommen sie keine Personalpapiere ausgehändigt und sind vollkommen staatlicher Willkür ausgeliefert (GIZ 12.2019c).
Ebenso ist ihnen der Zugang zu höherer Bildung nicht möglich (AA 26.2.2020; vgl. AI 18.2.2020), da Baha‘i-Studenten oft nicht zu öffentlichen und privaten Universitäten zugelassen werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Nach Angaben eines Baha‘i -Vertreters werden auf lokaler Ebene Unterrichtseinheiten vom BIHE (Baha‘i Institute of Higher Education, 2011 als illegal erklärt) abgehalten. Damit gehen zum einen erhebliche Risiken für Studenten und Dozenten einher und zum anderen werden auf diese Weise erlangte Abschlüsse nicht anerkannt (AA 26.2.2020). Zwischen März und September 2018 wurde 50 Baha‘i Universitätsstudenten aufgrund ihres Glaubens das weitere Studium an der Universität verboten (ÖB Teheran 10.2019).
Über (auch staatliche) Medien verbreitete Falschmeldungen stacheln die Bevölkerung weiterhin gegen Baha‘i auf und setzen ihre Geschäfte unter wirtschaftlichen Druck. Im April, Juli und Oktober 2017 wurden wieder dutzende von Baha‘i geführte Unternehmen von den Behörden geschlossen, nachdem diese aufgrund von Baha‘i-Feiertagen geschlossen hatten. Auch 2018 kam es zu behördlich erzwungenen Unternehmensschließungen. Im September 2018 wurden 20 Baha‘i in Karaj, Baharestan und Shiraz verhaftet und infolge dessen auch ein Stadtrat von Shiraz, der sodann gegen Kaution freigelassen und dazu gedrängt wurde, sein Amt aufzugeben, nachdem er das Vorgehen der Behörden kritisiert hatte. Allerdings sind auch erste Anzeichen einer Verbesserung der Rechtsstellung des Bahaitums ersichtlich. Erstmals entschied ein iranisches Berufungsgericht im Jänner 2019, dass iranisches Recht das Bahaitum nicht kriminalisiert und Proselytismus nicht unter den Straftatbestand „Propaganda gegen den Staat“ subsumierbar sei. Allerdings erfolgen nach wie vor Verurteilungen auf Grundlage dieses Tatbestandes (ÖB Teheran 10.2019).
Die Führungsriege der Baha‘i-Gemeinde im Iran sowie die Leitung der Untergrunduniversität „Baha‘i Institute for Higher Education“ (BIHE) wurden nach Gefängnisstrafen Anfang 2018 freigelassen (ÖB Teheran 10.2019). Im November 2019 waren nach Angaben der International Baha‘i Community 97 Baha‘i aus Glaubensgründen in iranischen Gefängnissen in Haft (AA 26.2.2020).
Eine weitere Quelle der Diskriminierung von Baha‘i ist das seit Januar 2020 geltende neue iranische Antragsformular für Personalausweise, in dem nur Antragstellung für in der iranischen Verfassung anerkannte Religionen, also Islam, Christentum, Judentum oder Zoroastrismus angegeben werden kann. Die Anhänger anderer Glaubensrichtungen, einschließlich der Baha‘i, sind dadurch gezwungen, entweder ihren Glauben zu verleugnen oder auf grundlegende öffentliche Dienstleistungen, wie z.B. die Beantragung eines Darlehens, die Einlösung eines Schecks oder den Kauf eines Grundstücks zu verzichten (AA 26.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 22.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 22.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 22.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 22.4.2020
USCIRF – US Commission of International Religious Freedom (10.2019): Iran Policy Brief: Increased Persecution of Iran’s Baha’i Community in 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019870/2019+Iran+Policy+Brief+Increased+Persecution+of+Iran
%27s+Baha%27i+Community.pdf, Zugriff 22.4.2020
Sunniten
Letzte Änderung: 19.06.2020
Sunniten sind in der Verfassung als Muslime anerkannt und dürfen ihre Religion prinzipiell frei ausüben, sie werden jedoch vielfach benachteiligt. Sie leben im Iran vor allem im Südwesten des Landes nahe den Grenzen zu den arabischen Nachbarländern. Sunniten sind – soweit sie nicht Kurden sind – meist gleichzeitig Angehörige der arabischen Minderheit (z.B. Ahwazi, Belutschen) (ÖB Teheran 10.2019). Sunniten sehen sich vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt (GIZ 12.2019c; vgl. HRW 14.1.2020, ÖB Teheran 10.2019) und werden vor dem Gesetz benachteiligt. So nehmen gerade in den letzten Jahren die Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten zu (GIZ 12.2019c; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Sunniten berichten, dass sie keine Moscheen in großen Städten bauen dürfen und Probleme hätten, Posten im öffentlichen Dienst zu bekommen (FH 4.3.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019, BTI 2020). Immer wieder werden sunnitische Geistliche verhaftet und der „Propaganda gegen das System“ oder des Terrorismus bezichtigt. Außerdem fürchten die Behörden ein Überlaufen iranischer Sunniten zum Salafismus, einer radikal fundamentalistischen Auslegung des sunnitischen Islam, welche vor allem in Saudi-Arabien ihren Ursprung findet (ÖB Teheran 10.2019).
Rund 140 Sunniten sind derzeit aufgrund ihres Glaubens bzw. damit verbundener Anklagen inhaftiert. 2018 wurden zwei sunnitische Geistliche erschossen (wobei auch schiitische Geistliche gelegentlich angegriffen werden) (ÖB Teheran 10.2019). In den letzten Jahren wurden Sunniten wiederholt daran gehindert, ihre eigenen Eid-Gebete abzuhalten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AI 22.2.2018).
Sunniten werden mitunter sowohl aufgrund ihrer religiösen wie auch ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert, da viele kurdischer oder arabischer Volkszugehörigkeit sind. In den sunnitischen Siedlungsgebieten im Westen und Südosten Irans ist die Religionsausübung jedoch ohne Einschränkungen möglich (AA 26.2.2020). Bei der Ausgrenzung von Sunniten spielt oft weniger die islamische Konfession als die ethnische Zugehörigkeit eine Rolle. Die meisten Sunniten in Iran sind Kurden, Turkmenen, Araber oder Belutschen, die in den Randprovinzen des Landes leben. Dort gibt es starke Autonomiebewegungen, gegen die die Zentralregierung in Teheran vorgeht. Angehörige der ethnischen Minderheiten haben deshalb auch schlechteren Zugang zu Wasser, Wohnraum, Arbeit oder Bildung. Sunnitentum, ethnische Zugehörigkeit und Autonomiebestrebungen vermischen sich in der staatlichen Wahrnehmung. Im Jahr 2015 wurde erstmals ein Sunnit zum Botschafter des Iran ernannt (Qantara.de 11.1.2016).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 22.4.2020
BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report - Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 22.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 22.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 22.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 22.4.2020
Qantara.de (11.1.2016): Muslime zweiter Klasse, https://de.qantara.de/inhalt/sunniten-im-iran - muslime-zweiter-klasse, Zugriff 22.4.2020
Derwisch-Orden/Sufis
Letzte Änderung: 19.06.2020
Repressionen erleben auch Mitglieder der Derwisch-Gemeinschaft. Ihre Gemeinden sehen sich verschiedenen Arten von Diskriminierung und Angriffen (auch auf ihr Eigentum), willkürlichen Festnahmen und Dämonisierung (u.a. im staatlichen Fernsehen) ausgesetzt (ÖB Teheran 10.2019). Auch kommt es immer wieder zur Zerstörung ihrer Gotteshäuser (FH 4.3.2020; vgl. AI 22.2.2018).
Auch der Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund willkürlicher Kündigungen ist ein Problem und manche dürfen sich nicht an Universitäten einschreiben (AI 22.2.2018). In iranischen Medien werden Sufis gelegentlich als Teufelsanbeter stigmatisiert (AA 26.2.2020).
Nach gewalttätigen Protesten von Gonabadi-Derwischen im Februar 2018, bei denen fünf Sicherheitskräfte ums Leben kamen, wurden allein im ersten Halbjahr 2018 über 200 Derwische zu Haft und teilweise körperlicher Züchtigung verurteilt, ein Derwisch wurde nach einem unfairen Prozess und einem Zwangsgeständnis zum Tode verurteilt und hingerichtet (ÖB Teheran 10.2019). Zahlreiche Gonabadi-Derwische sitzen aufgrund der Proteste 2018 weiterhin in Haft und waren unter anderem wegen "Zusammenkunft und Konspiration zur Planung von Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" angeklagt (AI 18.2.2020).
Verschiedene Quellen berichten von Gewalt und Verhaftungen von Derwischen im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen zwischen Derwisch-Gemeinden und Basij-Einheiten. Infolgedessen wird unter anderem von langen Wartezeiten auf Prozesse, Verurteilungen, Gefängnisstrafen sowie auch von mangelnder Strafverfolgung im Zusammenhang mit Tötungen von Derwischen berichtet. Unter anderem kommt es auch zu Verhaftungen von Strafverteidigern, die Derwische vertreten. Als Gründe für Inhaftierungen werden unter anderem Störung der öffentlichen Ordnung, Verbreitung von systemfeindlicher Propaganda, Handlungen gegen die nationale Sicherheit, Mitgliedschaft in Gruppierungen und Beleidigung des Obersten Führers genannt (ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 22.4.2020
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 22.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 22.4.2020
Ahl-e Haqq/Yar(e)san
Letzte Änderung: 19.06.2020
In Iran gibt es zwei Zweige der Yaresan (auch Ahl-e Haqq genannt). Die sogenannten
„Modernisten/Reformisten“ und die Traditionalisten. Die Modernisten deklarieren sich selbst als
schiitische Muslime und werden auch von den Behörden akzeptiert. Diese Gruppe besteht hauptsächlich aus gut ausgebildeten Städtern. Ihre Glaubensvorstellungen beruhen vor allem auf den Lehren von Hajj Ne’matollah Jayhunabadi (1871-1920), seinem Sohn Nur Ali Elahi (1895-1974) und dessen Sohn Bahram Elahi (1931-). Jayhunabadi behauptete, dass Yaresan Muslime seien und führte den Yari Glauben mit dem Schiismus zusammen. Er öffnete die Religion auch für nicht als Yaresan geborene Personen. Viele Personen wurden zu seinen Anhängern, vor allem im Bereich in und um Sahneh [Stadt und gleichnamiger Bezirk in der Provinz Kermanschah]. Diese Gruppe wird auch als Elahi-Zweig bzw. Elahi-Anhänger bezeichnet. Die Traditionalisten sehen sich selbst als Nicht-Muslime und kommen eher aus dem ländlichen Bereich, vor allem aus dem Bezirk Guran in Kermanschah. Ca. eine halbe Million Yaresan leben dort. Diese Gruppierung war schon immer geschlossen für Nicht-Yaresan. Die Traditionalisten werden von iranischen Behörden als
„Teufelsanbeter“ verunglimpft. Weitere Gruppen von Yaresan leben in anderen Gebieten des Iran, wie z.B. West-Aserbaidschan, Lorestan, Teheran, Hamadan, Kelardascht, Karadsch und Saveh. Es gibt keine genauen Zahlen, wie viele Yaresan es gibt. Schätzungen differieren zwischen einer und vier Millionen. Ursprünglich kommen die Yaresan aus dem Gebiet um Guran, im westlichen Teil von Kermanschah. Aufgrund ihres intellektuellen Hintergrunds hat es den Anschein, dass es mehr Modernisten gibt, tatsächlich dürfte aber die Anzahl der Traditionalisten höher sein. Außerhalb ihres Heimes agieren Yaresan als Muslime, ansonsten könnten sie eventuell Probleme mit den Behörden bekommen. Auch der Zugang zu Bildung und Arbeit im Öffentlichen Dienst wird dadurch erleichtert. In Bezug auf Konsequenzen für Yaresan, die sich öffentlich über ihren Glauben äußern und ihn als nicht-muslimisch bezeichnen, wird davon ausgegangen, dass die Gruppe nicht als Ganzes von den Behörden ins Visier genommen wird und systematisch belästigt und inhaftiert wird, nur aufgrund der Tatsache, dass man Yaresan ist. Repressionen und Verfolgung basieren auf individuellen Fällen, beispielsweise erfährt ein Leiter einer Gemeinschaft oder andere profilierte Personen Druck durch die Behörden. Es gab in den letzten Jahren einige Fälle von Schikane und Misshandlungen. Es werden von Zeit zu Zeit Maßnahmen gegen Yaresan-Gemeinden eingeleitet, ähnlich wie gegen die Sufi-Orden. Es ist jedoch schwer zu sagen, ob einzelne Yaresan aufgrund ihrer Religion oder wegen politischer Gründe verfolgt werden. Da viele Yaresan Kurden sind, kann eine etwaige Verfolgung auch deshalb vonstattengehen. Das öffentliche Bekunden der kurdischen Identität ist ein sensibles Thema in Iran. Wichtig zu erwähnen ist, dass der Umgang der Behörden mit religiösen und ethnischen Minderheiten nicht statisch ist. Momentan versucht die iranische Regierung eher weniger harsch damit umzugehen. Es gibt auch einen Anstieg des Interesses von jungen Yaresan an der eigenen Religion. Besonderes Interesse besteht an Textmaterial über die traditionelle Version des Yari-Glaubens. Solche Texte würden in Iran als illegal angesehen, währenddessen Texte des Elahi- Zweiges (Modernisten) als legal angesehen werden würden, und diese Texte sind auch schon einige Male nachgedruckt worden. Yaresan, die das Interesse der Behörden auf sich ziehen, sind jene, die öffentlich und aktiv ihre Yari-Identität und Religion bekunden. Obwohl es Yaresan aufgrund ihres Glaubens verboten ist, in Bezug auf ihren Glauben zu lügen, sah sich der Großteil der Yaresan dazu gezwungen, um Problemen mit den Behörden aus dem Weg zu gehen. Wenn Personen religiös und/oder politisch aktiv sind und beispielsweise in Besitz von illegalen Schriften erwischt werden, ist es möglich, dass sie festgenommen und befragt werden. Normalerweise würde der Person befohlen, entweder die Aktivitäten einzustellen oder anderenfalls eine Haftstrafe abzubüßen. Auch Anhänger des Elahi-Zweiges können eventuell Repressionen und Misshandlung durch die Behörden erfahren. Von Zeit zu Zeit sind sie Opfer von Razzien und manchmal werden Anführer inhaftiert (DIS 6.4.2017).
Berichtet werden in Bezug auf die Yaresan/Ahl-e Haqq Fälle von Diskriminierung, Drohungen, Angriffen auf gemeinsames Eigentum und willkürliche Festnahmen (ÖB Teheran 10.2019). Die Ahl- e Haqq werden weiterhin aufgrund der friedlichen Ausübung ihres Glaubens diskriminiert und strafrechtlich verfolgt (AI 18.2.2020). Ihnen wird der Bau von Gotteshäusern, der Zugang zu höherer Bildung und Posten im öffentlichen Dienst, wenn sie sich nicht selbst als Muslime deklarieren, verweigert (US DOS 21.6.2019; vgl. USCIRF 4.2019). Ebenso ist es ihnen nicht erlaubt, religiöse Zeremonien in der Öffentlichkeit abzuhalten (US DOS 21.6.2019).
Quellen:
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
DIS – Danish Immigration Service (6.4.2017): IRAN: The Yaresan, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1494231887_notatyaresan6april2017docx.pdf , Zugriff 22.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 22.4.2020
USCIRF – US Commission on International Religious Freedom (4.2019): Jahresbericht zur Religionsfreiheit, Iran (Beobachtungszeitraum 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/2008194/Tier1_IRAN_2019.pdf , Zugriff 22.4.2020
US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom
Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html , Zugriff 22.4.2020
Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung: 19.06.2020
Iran gehört mit etwa 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,1%. Dabei ist die iranische Gesellschaft weit heterogener als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Belutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen mit etwa zwei Millionen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran im Moment das fünftgrößte Aufnahmeland für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten des Iran leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. Dennoch sind Entwicklungen wie etwa im Irak oder Afghanistan in Iran nicht zu erwarten. Abseits eines gern gepflegten Patriotismus zur eigenen Ethnie sind separatistische Bewegungen ethnischer Minderheiten kein vielen Nachbarstaaten vergleichbares Problem. Sie beschränken sich auf einige Gruppierungen in Belutschistan und Kurdistan, wobei gerade hier die Regierung immer wieder gern selbst Separatismus unterstellt, um diesem mit Gewalt zuvorzukommen (GIZ 12.2019c).
Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt (ÖB Teheran 10.2019). Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch u.a. gegen Angehörige der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, können bedroht, festgenommen und bestraft werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).
Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseri sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 26.2.2020). Die Infrastruktur von Regionen, wo Minderheiten wohnen, sind allerdings zum Teil stark vernachlässigt (BMI 2015; vgl. AA 26.2.2020, FH 4.3.2020, AI 18.2.2020). Angehörigen ethnischer Minderheiten, die die Verletzung ihrer Rechte kritisieren, drohen willkürliche Inhaftierung, Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen, grob unfaire Gerichtsverfahren und Gefängnisstrafen. Geheimdienste und Sicherheitsorgane beschuldigten Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, sie würden "separatistische Strömungen" unterstützen, die Irans territoriale Integrität bedrohten (AI 18.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
BMI – Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion - Language - Politics,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res-publicae-the-kurds-2015.pdf , Zugriff 4.6.2019
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 22.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 22.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 22.4.2020
Kurden
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die Kurden (überwiegend Sunniten) sind hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dennoch werden sie in größerer Zahl in hohe Ämter der Provinzverwaltungen und zunehmend auch in der Ministerialbürokratie berufen (so gibt es eine kurdischstämmige Vize-Innenministerin). Der iranische Staatsrundfunk sendet stundenweise kurdischsprachige Sendungen auf dem Regionalsender IRIB Kurdistan. In der Verfassung vorgesehener Schulunterricht sowie Studiengänge in kurdischer Sprache sind seit Erlass von Rohani im Jahr 2016 rechtlich möglich. Es ist jedoch nicht nachprüfbar, in welchem Umfang Unterricht an Schulen und Universitäten tatsächlich angeboten wird, da er nicht aktiv vom iranischen Staat gefördert wird (AA 26.2.2020). Die Regierung schränkt kulturelle und politische Aktivitäten der Kurden ein (HRW 14.1.2020). Problematisch sind vor allem kulturelle Aktivitäten, die politisch werden (DIS/DRC 23.2.2018). Zahlreiche Kurden wurden willkürlich inhaftiert, darunter auch Menschenrechtsaktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten (AI 18.2.2020).
Die kurdische Region des Iran ist militarisiert und die iranische Regierung überwacht die kurdische Bevölkerung durch regelmäßige Checkpoints ebenso wie durch die Nutzung von Telekommunikation und sozialen Medien. Die iranische Regierung sieht jede Art von politischem oder zivilem Aktivismus als potenzielle Bedrohung an, insofern können sowohl politische als auch zivilgesellschaftliche Aktivisten von Verfolgung bedroht sein (DIS 7.2.2020). Seit dem Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden im September 2017 wurde die Präsenz von Militär und Revolutionsgarden deutlich erhöht (AA 26.2.2020; vgl. DIS 7.2.2020) und einige Mitglieder der lokalen Bevölkerung arbeiten als Informanten für die iranischen Behörden (DIS 7.2.2020). Die militärische und geheimdienstliche Präsenz ist nicht immer sichtbar. Die Überwachung in diesem Gebiet ist nicht systematisch, aber strukturiert und auch nicht zufällig, sondern gezielt (DIS/DRC 23.2.2018).
Kurdischen Aktivisten werden in vielen Fällen von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet (AA 26.2.2020; vgl. DIS 7.2.2020). Unter den politisch Verfolgten sind daher verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen
Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK (partiya jiyana azad a kurdistane, „Partei für ein freies Leben in Kurdistan“, Schwesterorganisation der PKK in Iran), der kommunistischen Komala-Partei, oder der KDP-Iran – und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß. Derzeit sollen etwa 100 Kurden auf ihre Hinrichtung warten. Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Im ersten Halbjahr 2019 wurden 651 Personen wegen Drogenschmuggel und
–konsum verhaftet (ÖB Teheran 10.2019). KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of- ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf , Zugriff 22.4.2020
DIS – Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 22.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 22.4.2020
Araber
Letzte Änderung: 19.06.2020
Ahwazi Araber (nach Schätzungen rund zwei Millionen) sind teilweise sunnitischen Glaubens und bewohnen die an Erdölvorkommen reiche Grenzregion zu Irak und Kuwait. Mangels Unterricht in der Muttersprache sind viele Araber Analphabeten und es herrscht unter der arabischen Minderheit eine hohe Armutsrate. Von Arabern bewohnte Gebiete sind oft nicht an die Wasser- und Elektrizitätsversorgung angeschlossen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AI 22.2.2018). Die arabische Minderheit in Iran fühlt sich Diskriminierungen ausgesetzt. Sie leidet unter Umweltproblemen (Verschmutzung, Staubstürme) sowie wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit und macht eine
Vernachlässigung ihres Siedlungsgebietes (v.a. Provinz Khusestan) durch die Zentralregierung dafür verantwortlich. Menschenrechtsorganisationen sehen Benachteiligungen im beruflichen und schulischen Umfeld, die zu wirtschaftlicher, politischer, sozialer und kultureller Ausgrenzung der arabischen Minderheit führen (AA 12.1.2019; vgl. AI 22.2.2018). Zahlreiche arabische Ahwazi werden willkürlich inhaftiert, darunter auch Menschenrechtsaktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzen (AI 18.2.2020). Infolge dieser Diskriminierung setzen sich verschiedene separatistische Gruppierungen auch gewaltsam für eine Abspaltung ein, u.a. die von der Regierung als terroristische Organisation geführte „Arab Struggle Movement for the Liberation of Ahwaz“ (ASMLA) in der Region Khuzestan (AA 26.2.2020).
Es gibt Berichte über die Vertreibung von Arabern von ihren Grundstücken aufgrund staatlicher Entwicklungsprojekte. Obwohl nicht erwiesen ist, dass Araber aufgrund ihrer Ethnizität verfolgt werden, ist zu beobachten, dass sie häufig wegen unklar definierten Anschuldigungen (etwa wegen
„mohareb“ und „mofsid-fil-arz“) zu sehr hohen Strafen verurteilt wurden. Nach dem Terrorangriff in Ahvaz im September 2018 mit 30 Toten wurden offiziell 22 Personen aus dem Umfeld der Untergrundorganisation „Al-Ahvaziya“ festgenommen, die Opposition hat von bis zu 800 Festnahmen berichtet. Mit weiterer Repression gegen arabische Oppositionsgruppen ist zu rechnen (ÖB Teheran 10.2019).
Die Regierung schränkt kulturelle und politische Aktivitäten der Araber ein (HRW 14.1.2020), jedoch wurden einige lokale Clanführer in Khuzestan und anderen Gegenden, wo Ahwazi-Araber leben, in lokale Räte gewählt, wo sie auch sehr unverblümt sprechen. Ins Visier der Behörden können Ahwazi-Araber geraten, wenn sie Journalisten oder politische Aktivisten sind, die sich für Minderheitenrechte einsetzen (DIS/DRC 23.2.2018).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 22.4.2020
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of- ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf , Zugriff 22.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 22.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 22.4.2020
Belutschen
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die rund 1,5 Mio. sunnitischen Belutschen leben in stark unterentwickelten Gebieten (ÖB Teheran 10.2019). In der Provinz Sistan und Belutschistan berichteten viele Dorfbewohner, dass es ihnen an Wasser, Elektrizität, Schulen und Gesundheitseinrichtungen mangele. In der verarmten Provinz ist die Analphabetenquote bei Mädchen und die Kindersterblichkeit sehr hoch (AI 22.2.2018). Die Arbeitschancen und das Recht zur politischen Partizipation (v.a. passives Wahlrecht) sind für Belutschen beschränkt. Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, die sich für die Belutschen einsetzen, können mit willkürlichen Festnahmen, körperlichem Missbrauch und unfairen Gerichtsverfahren konfrontiert sein. 2015 und 2016 gab es immer wieder Berichte über Zusammenstöße von Sicherheitskräften und Bewohnern der Grenzgebiete in Belutschistan, bei welchen es zu gesetzwidrigen Schüssen auf unbewaffnete Zivilisten, vermeintliche Schmuggler oder Drogenkuriere gekommen sein soll. Bei Protesten infolge der Erschießung eines Belutschen im Zuge einer Verkehrskontrolle wurden am 17. Mai 2019 30 Belutschen festgenommen (ÖB Teheran 10.2019).
Die Belutschen gehören zu den ärmsten Minderheiten und leben in einer von Gewalt und Drogenschmuggelkriminalität geplagten Provinz im Grenzgebiet zu Pakistan. Hinweise auf staatliche Repressionen beruhend auf ihrer ethnischen Zugehörigkeit liegen jedoch nicht vor (AA 26.2.2020). Die Regierung schränkt kulturelle und politische Aktivitäten der Belutschen ein (HRW 14.1.2020). Zahlreiche Belutschen wurden willkürlich inhaftiert, darunter auch Menschenrechtsaktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten (AI 18.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 22.4.2020
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 22.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 22.4.2020
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Letzte Änderung: 19.06.2020
Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran- Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen. Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 12.2019c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot) (AA 26.2.2020).
In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. Allerdings ist der Spielraum der Regierung beschränkt, da konservative Vertreter immer wieder die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie betonen (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden (ÖB Teheran 10.2019). Weiters legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich – ungeachtet ihrer Qualifikationen – für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können (ÖB Teheran 10.2019). Die Erwerbsquote von Frauen liegt nur bei etwa 12%. Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig (BTI 2020).
In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 26.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020, ÖB Teheran 10.2019, AI 26.2.2019). Beispielsweise darf eine verheiratete Frau ohne die schriftliche Genehmigung ihres Mannes (oder Vaters) keinen Reisepass erhalten oder ins Ausland reisen (HRW 14.1.2020; vgl. FH 4.3.2020). Nach dem Zivilgesetzbuch hat ein Ehemann das Recht, den Wohnort zu wählen, und kann seine Frau daran hindern, bestimmte Berufe auszuüben (HRW 14.1.2020). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet (AA 26.2.2020) und die finanzielle Entschädigung, die der Familie eines weiblichen Opfers nach ihrem Tod gewährt wird, ist nur halb so hoch, wie die Entschädigung für ein männliches Opfer (FH 4.3.2020). Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 26.2.2020).
Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 26.2.2020).
Laut Gesetz darf eine jungfräuliche Frau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (US DOS 11.3.2020). Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren (AA 26.2.2020; vgl. AI 22.2.2018), jenes für Jungen bei 15 Jahren. Kinder- und Zwangsehen sind daher weiterhin ein Problem, besonders im sunnitischen und ländlichen Raum sind Kinderehen häufig, weil der „Wert“ der Braut mit dem Alter abnimmt (ÖB Teheran 10.2019).
Im Oktober 2019 genehmigte der Wächterrat eine Änderung des Zivilgesetzbuchs des Landes, die es iranischen Frauen, die mit ausländischen Männern verheiratet sind, ermöglicht, für ihre Kinder die Staatsbürgerschaft zu beantragen (US DOS 11.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020, AI 18.2.2020). Frauen müssen diese Übertragung jedoch eigens beantragen, und ihre Kinder müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung durch das Geheimdienstministerium unterziehen, während die Staatsbürgerschaft iranischer Männer automatisch an deren Kinder übertragen wird (AI 18.2.2020).
Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende Frauen sind nicht auffindbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht imstande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 10.2019).
Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen. Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen oder Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden (ÖB Teheran 10.2019).
Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Informationen über diese Einrichtungen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar (ÖB Teheran 10.2019).
Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 26.2.2020). Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe (US DOS 11.3.2020). Das Gesetz betrachtet Sex innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat (US DOS 11.3.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie offizielle Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet (US DOS 11.3.2020).
Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie können schikaniert und festgenommen werden, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder eng anliegende Kleidung tragen (AI 22.2.2018). Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, können Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen werden (AI 18.2.2020). Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen "unislamisch" kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. "Sünderinnen" droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine hohe Geldstrafe. Laut Polizeichef Rahimi gab es 2017 bereits mehr als 120 solcher Aufklärungsklassen, an denen fast 8.000 Frauen teilgenommen haben. Bewirkt haben sie anscheinend aber wenig. Nach der Wiederwahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani und der Ausweitung der gesellschaftlichen Freiheiten werden besonders abends immer mehr Frauen ohne Kopftuch in Autos, Cafés und Restaurants der Hauptstadt gesehen (Standard.at 27.12.2017; vgl. Kurier.at 27.12.2017).
Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen (Kleine Zeitung 3.2.2018). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z. T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog (ÖB Teheran 10.2019). Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten (ÖB Teheran 10.2019, BTI 2020). Auch 2019 wurden diesbezüglich von Verhaftungen berichtet (ÖB Teheran 10.2019). Auch die Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist immer noch Gange. Im Oktober 2019 durften Frauen auf Druck der FIFA erstmals ein Fußball-Länderspiel im Stadion verfolgen (AA 26.2.2020). Das Thema ist für Frauen nach wie vor wichtig, Anfang September 2019 zündete sich eine Frau an, als ihr eine Haftstrafe drohte (sie hatte sich als Mann verkleidet, um an einem Fußballmatch teilzunehmen) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020
AI – Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iran [MDE 13/9900/2019],
https://www.ecoi.net/en/file/local/2003678/MDE1399002019ENGLISH.PDF , Zugriff 23.4.2020
AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 24.4.2020
BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 23.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 23.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 23.4.2020
Kleine Zeitung (3.2.2018): Bericht: "Besorgniserregender Widerstand gegen Kopftuch", https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5365790/Strafen-helfen-im-Iran-nicht - mehr_Besorgniserregender-Widerstand, Zugriff 23.4.2020
Kurier.at (27.12.2017): Belehrung statt Bestrafung für "unislamisch" gekleidete Iranerinnen, https://kurier.at/politik/ausland/belehrung-statt-bestrafung-fuer-unislamisch-gekleidete - iranerinnen/303.910.665, Zugriff 23.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 23.4.2020
Standard.at (27.12.2017): Belehrung statt Bestrafung für "unislamisch" gekleidete Iranerinnen, https://derstandard.at/2000071088880/Belehrung-statt-Bestrafung-fuer-unislamisch-gekleidete - Iranerinnen, Zugriff 23.4.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 23.4.2020
Sexuelle Minderheiten
Letzte Änderung: 19.06.2020
Angehörige sexueller Minderheiten können Belästigungen und Diskriminierungen ausgesetzt sein, obwohl über das Problem aufgrund der Kriminalisierung und Verborgenheit dieser Gruppen nicht ausreichend berichtet wird (FH 4.3.2020). Verboten ist in Iran jede sexuelle Beziehung, die außerhalb der heterosexuellen Ehe stattfindet, also auch homosexuelle Beziehungen, unabhängig von der Religionsangehörigkeit (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020, GIZ 12.2019c). Auf homosexuelle Handlungen, welche auch als „Verbrechen gegen Gott“ gelten, stehen offiziell Auspeitschung und sie können mit der Todesstrafe bestraft werden (dies besagen diverse Fatwas, die von beinahe allen iranischen Klerikern ausgesprochen wurden) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.1.2020, GIZ 12.2019c). Die Beweisanforderungen sind allerdings sehr hoch, man braucht vier männliche Zeugen, es gibt ein Ermittlungsverbot bei Fällen, in denen zu wenige Zeugenaussagen vorliegen und hohe Strafen für Falschbeschuldigungen. Bei Minderjährigen und in weniger schwerwiegenden Fällen sind Peitschenhiebe vorgesehen. Auch hierfür sind zwei männliche Zeugen erforderlich (AA 26.2.2020). Im Falle von „Lavat“ (Sodomie unter Männern) ist die vorgesehene Bestrafung die Todesstrafe für den „passiven“ Partner, falls der Geschlechtsverkehr einvernehmlich stattfand, ansonsten für den Vergewaltiger (ÖB Teheran 10.2019). Auf
„Mosahegheh“ („Lesbianismus“) stehen 100 Peitschenhiebe. Nach vier Wiederholungen kann aber auch hier die Todesstrafe verhängt werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Die Bestrafung von gleichgeschlechtlichen Handlungen zwischen Männern ist meist schwerwiegender als die für Frauen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Gleichfalls ist Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung nicht verboten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Die Todesstrafe für Homosexualität wurde in den letzten Jahren nur punktuell und meist in Verbindung mit anderen Verbrechen verhängt. Da Homosexualität offiziell als Krankheit gilt, werden Homosexuelle vom Militärdienst befreit und können keine Beamtenfunktionen ausüben (ÖB Teheran 10.2019).
Aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und sozialer Ausgrenzung ist ein öffentliches „Coming out“ grundsätzlich nicht möglich (AA 26.2.2020). Auch werden Missbräuche durch die Gesellschaft
oft nicht angezeigt, was Mitglieder von sexuellen Minderheiten noch anfälliger für Menschenrechtsverletzungen macht (ÖB Teheran 10.2019).
Lesbische Frauen aus traditionellen, armen Familien sehen sich aus sozio-ökonomischen Gründen oder von Seiten der Familie häufig gedrängt, einen Mann zu heiraten (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).
Transsexualität ist im Iran seit 1987 erlaubt, wird aber laut Gesetz als Geisteskrankheit definiert. Laut einer Fatwa Ayatollah Khomeneis sind Geschlechtsumwandlungen für „diagnostizierte Transsexuelle“ erlaubt (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Entsprechende Operationen werden in voller Höhe von den Krankenversicherungen erstattet. Nach der Operation dürfen Transgender-Personen heiraten (AA 26.2.2020). Die Geschlechtsumwandlungen gelten allerdings häufig als Weg, von der Heterosexualität abweichende sexuelle Orientierungen oder Identitäten in die Legalität zu bringen (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Nach der Umwandlung ist es möglich, das neue Geschlecht legal registrieren zu lassen (GIZ 12.2019c). Iran hat nach Thailand die höchste Rate an Geschlechtsumwandlungen (AA 26.2.2020). Es gibt Berichte, die darauf hinweisen, dass Transsexuelle unter Druck gesetzt werden, sich für ein Geschlecht zu entscheiden, um ihre sexuelle Orientierung ausleben zu können (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Transsexuelle Personen werden häufig sozial stigmatisiert, auch im Berufsumfeld und in der eigenen Familie, sodass sie in die Prostitution gedrängt werden (ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 24.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 24.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 24.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 24.4.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 24.4.2020
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 19.06.2020
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebewilligungen (US DOS 11.3.2020). Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern, Mitgliedern von religiösen Minderheiten und Wissenschaftern in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker und Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020).
Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (4.400.000 IRR, ca. 28 bis 45 € je nach Wechselkurs).
Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 26.2.2020). Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 26.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 24.4.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 23.4.2020
Flüchtlinge
Letzte Änderung: 19.06.2020
Iran hat die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet und übernimmt seit mehr als drei Jahrzehnten Verantwortung für afghanische und irakische Flüchtlinge im Land (AA 26.2.2020). Die Behörden arbeiten mit dem Büro von UNHCR zusammen, um afghanischen und irakischen Flüchtlingen Hilfe bereitzustellen (US DOS 11.3.2020). Wie die legale Praxis hinsichtlich der Vergabe des Asylstatus aussieht, ist nicht bekannt. Nur wenige Migranten leben in Iran in Flüchtlingscamps, die Mehrheit lebt in Dörfern und Städten (ÖB Teheran 10.2019).
Von den Flüchtlingen stellen die afghanischen weiterhin die größte Gruppe, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran eines der größten Aufnahmeländer für Flüchtlinge weltweit (GIZ 12.2019c). Nach inoffiziellen Statistiken sind mehr als drei Millionen Menschen aus Nachbarstaaten, v.a. aus Afghanistan und ca. 300.000 aus dem Irak, nach Iran emigriert. In offiziellen staatlichen Statistiken scheinen nur die registrierten und offiziell anerkannten Flüchtlinge (rund 950.000 Afghanen und
30.000 Iraker) auf, welchen eine „Amayesh“-Karte ausgestellt wurde, wodurch der Zugang zu öffentlicher Grundversorgung (Grundschule, Erstversorgung, Impfungen, Sozialwohnungen, etc.) und Arbeitsmarkt gegeben ist (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020, MV 10.4.2018). Mit der Durchführung des Amayesh-Programms für Flüchtlinge in Iran wurde in der Zeit von 2001 bis 2003 begonnen. Im Jahr 2001 begann man mit den Vorregistrierungen und im Jahr 2003 wurde die erste Amayesh-Runde durchgeführt. Die Personen, die durch das Programm registriert worden sind, bekamen sogenannte Amayesh-Karten ausgestellt, die unter anderem das Recht auf medizinische Versorgung und Ausbildung einschließen. Die Amayesh-Karten haben eine begrenzte Gültigkeit und um ihren legalen Status in Iran nicht zu verlieren, müssen sich Amayesh-registrierte Personen bei jeder Registrierungsrunde, die in Iran durchgeführt wird, erneut registrieren. Der Prozess zur erneuten Registrierung ist immer noch mit Schwierigkeiten und verschiedenen Arten von Ausgaben verbunden, die in den unterschiedlichen Provinzen variieren können. Normalerweise geschieht die Erneuerung jedes Jahr und die Kosten liegen bei 200–300 US-Dollar für eine Familie mit fünf Personen (Hierin sind die Kosten für die Arbeitserlaubnis für eine Person sowie die Provinzsteuer inkludiert). Die iranischen Behörden geben im Internet bekannt, wenn es Zeit für eine neue Amayesh-Runde ist. Sie informieren auch über andere Regeln online und erwarten, dass sich die Betroffenen auf dem Laufenden halten, was nicht immer der Fall ist. Hilfsorganisationen richten sich mit extra Information an die am meisten schutzbedürftigen Gruppen, damit sie nicht verpassen, sich erneut für eine neue Amayesh-Karte oder den Schulbesuch der Kinder zu registrieren (MV 10.4.2018).
Die Afghanen, die vor 2001 nach Iran gekommen sind, werden - vorausgesetzt, dass sie sich bei sämtlichen Amayesh-Registrierungen registriert haben – von den iranischen Behörden als Flüchtlinge betrachtet. Das Amayesh-System ist aber kein offenes System, was bedeutet, dass neu eingereiste Afghanen kein Asyl in Iran beantragen können. Seit 2001 werden im Prinzip keine Neuregistrierungen mehr vorgenommen. Zu den Ausnahmen gehören wenige, besonders schutzbedürftige Fälle. Kinder von Amayesh-registrierten Eltern werden registriert (MV 10.4.2018). Die Behörden erlauben aber auch unregistrierten afghanischen Kindern den Schulbesuch (HRW 14.5.2019; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Wenn eine Person ihren Amayesh-Status infolge einer verpassten Registrierung verliert, gibt es keine Möglichkeit zur erneuten Registrierung. Amayesh- Registrierte verlieren ihren Status, wenn sie Iran verlassen, weil der Amayesh-Status keine Ausreise erlaubt (MV 10.4.2018).
Amayesh-registrierte Afghanen haben das Recht, eine Arbeitsgenehmigung zu beantragen (MV 10.4.2018; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Männer im Alter von 18 bis 65 sind dazu verpflichtet, dieses in Zusammenhang mit der Amayesh-Registrierung zu tun. Amayesh-registrierte Frauen können keine offizielle Arbeitserlaubnis in Iran beantragen, aber in der Praxis arbeiten auch einige afghanische Frauen – oft zu Hause. Der Arbeitsmarkt für Afghanen in Iran ist reguliert und Afghanen haben das Recht, in 87 verschiedenen Berufen zu arbeiten. Ein Problem für Amayesh-registrierte ausgebildete Personen ist, dass die Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt bedeuten können, dass sie nicht in dem Bereich arbeiten können, für den sie ausgebildet sind. Was den Zugang der afghanischen Bevölkerung zum Arbeitsmarkt angeht und die Möglichkeiten ihren Lebensunterhalt zu verdienen, haben die iranischen Behörden in den letzten Jahren frühere Restriktionen verringert. In einzelnen Fällen, wo eine Amayesh-registrierte Person eine gewisse Berufskompetenz besitzt, die nicht unter die 87 erlaubten Berufe fällt, kann eine Ausnahme gestattet werden, die bedeutet, dass die Person trotzdem die Erlaubnis bekommt, im aktuellen Beruf tätig zu sein (MV 10.4.2018). Afghanen werden aber meist nur schwere körperliche Tätigkeiten erlaubt. (ÖB Teheran 10.2019). Die meisten Flüchtlinge gehen eher minderwertigen und schlecht bezahlten Arbeiten v.a. im informellen Sektor (Bau, Reinigung/Müllabfuhr oder Landwirtschaft) nach, die offiziell versicherungspflichtig sind (AA 26.2.2020). Laut NGOs wird es demnächst auch keinen Politikwandel hinsichtlich der Arbeitsintegration geben, auch weil die inoffizielle Arbeitslosenrate über 20% liegt (ÖB Teheran 10.2019).
Als ein Teil der Bestrebungen der iranischen Behörden, Kontrolle über die sich illegal im Land aufhaltenden Afghanen zu bekommen, hat man im Jahr 2017 ein Programm zur Identifikation und Registrierung afghanischen Staatsbürger durchgeführt. Dieser sogenannte „headcount“ richtete sich zu Beginn nur auf Afghanen, wurde aber später auch auf irakische Staatsbürger im Land ausgeweitet. Mitte September 2017 hatten iranische Behörden durch dieses Programm ca. 800.000 ausländische Staatsbürger mit illegalem Aufenthalt im Land identifiziert (MV 10.4.2018; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Das Identifizierungsprogramm der sich illegal aufhaltenden Afghanen hat sich in der ersten Runde auf drei besondere Kategorien gerichtet:
Unregistrierte Afghanen mit in die Schule gehenden Kindern
Unregistrierte Afghanen, die mit Amayesh-registrierten Personen verheiratet sind
Unregistrierte Afghanen, die mit iranischen Staatsbürgern verheiratet sind (MV 10.4.2018).
Personen aus diesen Kategorien, die eine dem Programm entsprechende Identifikation durchlaufen haben, haben einen Papierbeleg (headcount slip) erhalten, der sie bis auf Weiteres davor schützt, aus Iran deportiert zu werden. Die Möglichkeit zur Teilnahme an dem Programm wurde auf früher Amayesh-registrierte Personen oder Visumsinhaber, die ihren Status aus irgendeinem Grund
verloren haben, ausgeweitet. Der Fokus der iranischen Behörden liegt darauf, den Aufenthalt der Afghanen, die sich illegal im Land befinden, zu erfassen und zu regulieren, und nicht auf Deportationen (MV 10.4.2018). 620.000 afghanischen Passinhabern wurde ein iranisches Visum ausgestellt, wodurch der Aufenthalt legalisiert werden konnte (ÖB Teheran 10.2019). Im November 2018 hat die Regierung erneut eine Registrierungsinitiative für im Iran legal sowie illegal arbeitende Ausländer eingeleitet (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). In diesem Kontext wurden zum Schuljahr 2019/2020 erneut nicht-registrierte Flüchtlingskinder in das Schulsystem aufgenommen. Derzeit werden über 130.000 sogenannte „blue card holders“ gezählt, die infolge eines Dekrets des Obersten Revolutionsführers aus dem Jahr 2015 neu eingeschrieben werden konnten, bei insgesamt 480.000 Kindern aus Flüchtlingsfamilien (auch Iraker). Neben dem Abschiebeschutz für die ganze Familie geht damit der Zugang zu einer besseren Grundversorgung mit Nahrungsmitteln sowie Beratung und Gesundheitsfürsorge einher (AA 26.2.2020). Auch die Schulgebühren für Flüchtlingskinder wurden 2016 aufgehoben. Dennoch finden nicht alle Kinder einen Schulplatz, auch weil erschwingliche Transportmöglichkeiten zur nächsten Schule fehlen. Auch der Zugang zu höherer Bildung ist möglich, dafür muss jedoch der Flüchtlingsstatus aufgegeben und ein Studentenvisum beantragt werden. Nach dem Studium besteht daher die Gefahr, keine Aufenthaltserlaubnis mehr zu erlangen. Infolgedessen beantragen viele stattdessen Asyl in Europa, um dort ihre Ausbildung fortzusetzen, obwohl sie dies lieber in Iran gemacht hätten (ÖB Teheran 10.2019).
Die Krankenversicherungsleistungen für registrierte Flüchtlinge sollen erweitert und möglichst alle Flüchtlinge in medizinische Betreuungsmaßnahmen aufgenommen werden. Dazu bedient sich die Flüchtlingsbehörde BAFIA (Bureau for Aliens and Foreign Immigrants Affairs) zunehmend eines Überweisungssystems von besonders schwierigen Fällen an internationale NGOs oder den UNHCR. Dieser ist mit Gesundheitsstationen in 18 Provinzen tätig und hat mit einem zusätzlichen Versicherungsangebot innerhalb des bestehenden Salamat-System (UPHI) [Krankenversicherung] im 5. Zyklus in 92.000 Härtefällen Hilfe geleistet (AA 26.2.2020). Seit 2016 verfügen alle registrierten Flüchtlinge über eine staatliche Krankenversicherung, der Status unregistrierter Flüchtlinge bleibt jedoch offen. Amayesh-Karten Besitzern wird die medizinische Versorgung finanziell enorm erleichtert. Den schwächsten Flüchtlingsgruppen (Witwen, Alte und Gebrechliche) wird die medizinische Versorgung kostenfrei (durch Zuschüsse von UNHCR) zur Verfügung gestellt. Die staatliche Krankenversicherung ermöglicht den Zugang zu öffentlichen Krankenhäusern und privaten Gesundheitsinstitutionen. Schwangeren werden mit dieser Versicherung u.a. die monatliche Kontrolluntersuchung sowie die Entbindung bezahlt. Für zusätzliche Untersuchungen, wie Bluttests oder Ultraschalluntersuchungen, müssen die Frauen jedoch selbst aufkommen (ÖB Teheran 10.2019).
Afghanen sind im Großen und Ganzen - auch wenn sie zum Teil bereits in der zweiten Generation in Iran leben, wenig integriert. 15% der Flüchtlinge, die sich auf den Weg nach Europa machen, haben mindestens sechs Monate in Iran verbracht (AA 26.2.2020). Neu angekommene Afghanen haben meist keine Probleme, in Iran eine Wohnung zu finden. Dies liegt daran, dass die afghanische Gesellschaft eine starke Netzwerkgesellschaft mit festen Beziehungen innerhalb der Netzwerke ist. Diejenigen, die nach Iran kommen, haben oft bereits Familienmitglieder im Land, bei denen sie wohnen können. Afghanen in Iran unterstützen sich gegenseitig und dieses kann auch für Personen gelten, die nicht miteinander verwandt sind. Viele Afghanen mieten große Wohnungen und es können viele Personen in einem Haushalt wohnen. Afghanen in Iran haben ungeachtet dessen, ob sie Amayesh-registriert sind oder nicht, nicht das Recht dazu, ein Haus oder eine Wohnung zu besitzen, sondern können diese nur mieten. Die Wohnungskosten stellen einen der größten Ausgabenposten für Afghanen in Iran dar. Bei der Anmietung eines Hauses wird eine Kaution an den Besitzer bezahlt und je größer die Kaution, die hinterlegt werden kann, desto billiger werden die Mietkosten (MV 10.4.2018).
Hochzeiten zwischen Iranern und afghanischen Flüchtlingen sind, obwohl keine Seltenheit, schwierig, da die iranischen Behörden dafür Dokumente der Botschaft oder der afghanischen Behörden benötigen. Staatenlosen wird von einigen Provinzverwaltungen Zugang zur öffentlichen Grundversorgung und das Ausstellen von Reisedokumenten und sonstigen Papieren verwehrt, eine einheitliche Praxis fehlt (ÖB Teheran 10.2019). Im Oktober 2019 genehmigte der Wächterrat eine Änderung des Zivilgesetzbuchs des Landes, die es iranischen Frauen, die mit ausländischen Männern verheiratet sind [z.B. Afghanen], ermöglicht, für ihre Kinder die Staatsbürgerschaft zu beantragen (US DOS 11.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020).
Internationale Medien berichteten nach dem Kriegseintritt Irans in Syrien immer wieder, dass ohne legalen Status in Iran aufhältige Afghanen, darunter Minderjährige, für den Kampf in Syrien rekrutiert werden, mit monetären Anreizen (Berichten zufolge etwa 800 US-Dollar pro Monat) und dem Versprechen eines rechtmäßigen, zehnjährigen Aufenthaltstitels in Iran, welches manchen Berichten zufolge nicht immer vollständig eingehalten wird (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).
Die freiwillige Rückkehr registrierter afghanischer Flüchtlinge liegt 2019 mit 1.609 im vergleichbaren Rahmen wie im Vorjahr (Vergleichszeitraum 2018: 1.450). Nach Angaben des UNHCR erfolgen 40% dieser Ausreisen durch Studenten in der Absicht, mit einem entsprechenden Visum wieder nach Iran einzureisen. Seit Jahresbeginn sind laut IOM mit 408.351 deutlich weniger nicht registrierte Afghanen aus Iran zurückgekehrt als im Vorjahr, 229.365 der Rückkehrer wurden abgeschoben (AA 26.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 28.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 28.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.5.2019): Iran: Parliament OKs Nationality Law Reform, https://www.ecoi.net/de/dokument/2008705.html , Zugriff 28.4.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 14.5.2020
MV – Migrationsverket/Lifos – Schwedische Migrationsbehörde/Zentrum für Länderinformationen und Länderanalyse im Migrationsbereich (10.4.2018): Afghanistan: Afghanen im Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434046/5818_1528099872_afgh-ba-analysen-afghanen-im-iran- 2018-05.pdf , Zugriff 28.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 28.4.2020
US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 28.4.2020
Grundversorgung
Letzte Änderung: 19.06.2020
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020).
Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).
Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund einer Million Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden
oft keine ihrer Ausbildung entsprechende Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain“, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt (ÖB Teheran 10.2019).
Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 3.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht (BTI 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 3.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BTI 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80- 85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2020b). Die letzten Proteste diesbezüglich entfachten sich im November 2019, als der Treibstoffpreis erhöht wurde. Dies war das jüngste Zeichen einer Wirtschaftskrise, die durch eine Kombination aus von den USA geführten Handelssanktionen und Misswirtschaft durch das Regime ausgelöst wurde. Die Krise bereitet der iranischen Bevölkerung ernsthafte Schwierigkeiten und macht sie anfälliger für Ausbeutung (FH 4.3.2020).
Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 3.2020b; vgl. BTI 2020). Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 3.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BTI 2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 24.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 24.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 24.4.2020
Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 19.06.2020
Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten
dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 10.2019). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 20 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3 Euro, sog. Yarane) (AA 26.2.2020).
Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 26.2.2020).
Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber und privaten Anbietern oder Organisationen angeboten werden (IOM 2019).
Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und Freiberuflichen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2019).
Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der
Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die „sadeqe“, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2020b).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 28.4.2020
IOM – International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/Iran_%2D
_Country_Fact_Sheet_2019%2C_deutsch.pdf?nodeid=21860035&vernum=-2, Zugriff 28.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 28.4.2020
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 19.06.2020
Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2019; vgl. IOM 2019). Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 10.2019). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2019).
Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung, die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2019).
Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen „Behvarz“ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise „nahversorgt“ werden. In Städten übernehmen sogenannte „Gesundheitsposten“ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2019). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2019).
Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden („Out-of-pocket expenditure“ ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 10.2019). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch
gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2019c).
Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten, insofern gibt es zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/ . Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt (IOM 2019).
Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter (IOM 2019).
Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig (IOM 2019).
Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html . Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR 20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die „Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste“ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die „Imam Khomeini Stiftung“, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2019).
Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/ . Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung.
Notwendige Dokumente: Eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2019).
Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2019).
Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2019; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (29.4.2020a): Reise- und Sicherheitshinweise - Gesundheit, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran - node/iransicherheit/202396#content_5, Zugriff 29.4.2020
GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 29.4.2020
IOM – International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/Iran_%2D
_Country_Fact_Sheet_2019%2C_deutsch.pdf?nodeid=21860035&vernum=-2, Zugriff 29.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 29.4.2020
Rückkehr
Letzte Änderung: 19.06.2020
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).
Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2019).
Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).
In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).
Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein (AA 26.2.2020). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
. DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of- ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf , Zugriff 29.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 29.4.2020
Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF)
Letzte Änderung: 19.06.2020
Zurückgeführte unbegleitete Minderjährige werden vom "Amt für soziale Angelegenheiten beim iranischen Außenministerium" betreut und in Waisenheime überführt, wenn eine vorherige Unterrichtung erfolgt (AA 26.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
Dokumente
Letzte Änderung: 19.06.2020
Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind in Iran einfach erhältlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Auch echte Dokumente unrichtigen Inhaltes sind einfach zu beschaffen (z.B. ein echtes Stammbuch (Shenasname), in dem Privatpersonen eine nicht existierende Ehefrau eintragen) (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).
Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von Afghanen (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis,…) ist auch kaum möglich, da deren Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls kürzlich begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen in Iran auszustellen (ÖB Teheran 10.2019).
Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen. Ein formales Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren ist nicht bekannt (AA 26.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 28.4.2020
aktuell COVID 19
Iran gilt als eines der am stärksten von Corona betroffenen Länder (DW 18.11.2020) und ist
nun auch von einer dritten COVID-19-Infektionswelle stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind dabei kaum auszumachen, da das Ansteckungsrisiko flächendeckend sehr hoch ist. Städte und Provinzen sind je nach Infektionszahlen in unterschiedliche Risikogruppen eingeteilt (rot = kritische Situation, orange = hohes Risiko, gelb = geringes Risiko) (AA 1.12.2020). Die Zahl der Neuinfektionen bewegt sich den offiziellen Zahlen zufolge weiterhin auf einem hohen, und weiter steigenden Niveau, die Zahl der täglichen Todesopfer ist auch im Steigen begriffen (WKO 28.11.2020). Aktuelle Informationen und detaillierte Zahlen bieten das iranische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation WHO (AA 1.12.2020). Die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist sehr hoch, verschiedentlich gibt es Engpässe bei der Versorgung
mit Schutzausrüstung und Medikamenten (WKO 28.11.2020). Die Spitäler kämpfen mit
Überlastung (WKO 28.11.2020; vgl. ZDF.de 18.10.2020). Für alle der 31 Provinzen inklusive
Teheran gilt die Situation als sehr besorgniserregend (WKO 28.11.2020).
Personen, die in den Iran auf dem Luftweg einreisen wollen, haben einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 aus dem Abreisestaat in englischer Sprache mit sich zu führen und vorzuweisen. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als 96 Stunden sein. Kann das Gesundheitszeugnis nicht vorgelegt werden, wird ausländischen Staatsangehörigen die Einreise nach Iran verwehrt. Iranische Staatsangehörige (Doppelstaatsbürger reisen in der Regel mit ihrem iranischen Reisepass ein) werden unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums in ein Flughafenhotel eingewiesen, dessen Kosten selbst zu tragen sind. Mit eigenhändiger Unterschrift ist zu bestätigen, dass das Hotel nicht verlassen werden darf. Die 14-tägige Quarantäne kann durch einen negativen molekularbiologischen Test beendet werden (BMeiA 1.12.2020; vgl. AA 1.12.2020). Positiv auf COVID-19 getestete Passagiere werden in ein Krankenhaus in Teheran oder andere Isolationsstationen verbracht (AA 1.12.2020).
Seit 21. November 2020 gilt für alle Provinzhauptstädte und zahlreiche weitere Städte ein
zunächst zweiwöchiger Lockdown mit weitreichenden Verkehrseinschränkungen (BMeiA
1.12.2020; vgl. DW 18.11.2020), obwohl sich die iranische Regierung - aus Angst vor Protesten - lang gegen einen Lockdown gewehrt hat (DW 18.11.2020). Der Reiseverkehr zwischen diesen rot eingestuften Städten ist grundsätzlich untersagt. In Teheran gilt von 21 Uhr bis 4 Uhr ein Fahrverbot für Privatfahrzeuge (BMeiA 1.12.2020; vgl. DW 18.11.2020). Ab 22 Uhr gilt dies auch für den öffentlichen Nahverkehr. Taxis verkehren auch nach 22 Uhr (AA 1.12.2020). Es kommt – abgesehen vom Lebensmittelhandel und systemrelevanten Einrichtungen – ebenfalls zu landesweiten Betriebsschließungen (BMeiA 1.12.2020). Im Alltag ist derzeit vor allem in orangen und roten Regionen wieder mit Einschränkungen bei Öffnungszeiten und Serviceangebot zu rechnen. Vorübergehend werden weitergehende Beschränkungen eingeführt (z.B. Schließungen von Restaurants, Sporteinrichtungen, religiösen Einrichtungen usw.). Einrichtungen für den essentiellen Lebensbedarf wie Supermärkte und Apotheken bleiben geöffnet. Davon sind u.a. Teheran sowie der Großteil der Provinzhauptstädte und weitere Großstädte betroffen. In roten Regionen bleiben Touristenziele teilweise geschlossen. Camping in öffentlichen Parks ist grundsätzlich untersagt (AA 1.12.2020). Behörden bleiben geöffnet, werden aber nur mit einem
Drittel der üblichen Mitarbeiter besetzt (DW 18.11.2020). In allen Schulen und Universitäten
wird auf Fernunterricht umgestellt (WKO 28.11.2020; vgl. DW 18.11.2020).
Die iranischen Behörden rufen weiterhin dazu auf, möglichst soziale Kontakte zu meiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen und öffentliche Transportmittel zu meiden. Es gilt eine generelle Maskenpflicht an allen öffentlichen Orten, in geschlossenen Räumlichkeiten sowie im öffentlichen Nahverkehr (AA 1.12.2020; vgl. WKO 28.11.2020). Künftig soll die Polizei stärker gegen Verstöße vorgehen, Strafen für Verstöße gegen die Auflagen wurden angekündigt (AA 1.12.2020).
Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd.
USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62
bzw. 124 USD erhalten (WKO 28.11.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.12.2020, unverändert gültig seit 18.11.2020): Iran: Reise und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/iransicherheit/202396 , Zugriff 1.12.2020
• BMeiA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (1.12.2020, unverändert gültig seit 20.11.2020): Iran - Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia. gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ , Zugriff 1.12.2020
• DW – Deutsche Welle (18.11.2020): Irans Regierung gibt Widerstand gegen Corona-Lockdown auf, https://www.dw.com/de/irans-regierung-gibt-widerstand-gegen-corona-lockdown-auf/a-55651492 , Zugriff 1.12.2020
• WKO – Wirtschaftskammer Österreich (28.11.2020): Coronavirus: Situation im Iran, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-coronavi rus--.html , Zugriff 1.12.2020
• ZDF.de (18.10.2020): Wie die zweite Welle den Iran trifft, https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/coronavirus-iran-zweite-welle-100.html , Zugriff 1.12.2020
In Österreich gibt es mit Stand 26.05.2021, 13:36 Uhr, 642.583 bestätigte Fälle (4.699.297 verabreichte Impfungen) von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 10.566 Todesfälle; in Iran wurden bislang 2.855.396 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen (3.141.577 verabreichte Impfungen), wobei 79.056 Todesfälle bestätigt wurden (Johns Hopkins Universität, Corona Resource Center, in Baltimore, Maryland).
3. Beweiswürdigung:
3.1. Die Identität der BF1-3 und deren Familienstand konnte aufgrund der Vorlage von Geburtsurkunden mit Lichtbild, der österreichischen Geburtsurkunde der BF3 sowie der vorgelegten Heiratsurkunde festgestellt werden.
Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen der Beschwerdeführer 1-3 im Herkunftsstaat, zu ihrem Familien- und Privatleben in Österreich sowie zu ihrem Gesundheitszustand resultieren aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben der BF, aus der Einsichtnahme in das Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister und aus einer aktuellen Einsichtnahme in das Strafregister.
Die Feststellungen zur Taufe und Gottesdienstbesuchen resultieren aus den diesbezüglich vorgelegten Bestätigungen und den Angaben des in der hg. Verhandlung einvernommenen Zeugen.
Die Feststellung zur abgelegten Deutschprüfung und zu den Deutschkenntnissen der BF1 und des BF2, resultiert aus den vorgelegten Bestätigungen sowie aus dem persönlichen Eindruck, den sich die Richterin in der hg. Verhandlung verschaffen konnte.
Die Feststellungen zur BF3 resultieren aus den Angaben der BF und der im Verfahren vorgelegten Geburtsurkunde.
3.2. Die BF1 und der BF2 wurden in der hg. Verhandlung sowohl zu ihren geltend gemachten Ausreisegründen als auch zu den Inhalten des Glaubens, von dem sie behaupteten, sich diesem zugewandt zu haben und zu diesem konvertiert zu sein sowie zum Praktizieren dieses Glaubens befragt.
Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.
Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH, 25.03.1999, 98/20/0559).
Seitens des Höchstgerichtes wurde auch in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH, 24.06.1999, 98/20/0453; 25.11.1999, 98/20/0357).
Der VwGH hat in ständiger Judikatur erkannt, dass für die Glaubhaftmachung der Angaben des Fremden es erforderlich ist, dass er die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, 95/21/0294, 95/18/1291) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, 93/18/0289), wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des „Glaubhaft-Seins“ der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 23.01.1997, 95/20/0303,0304).
Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern.
Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 11.11.1991, 91/19/0143, 13.04.1988, 86/01/0268).
Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).
Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation des Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.
Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden (VwGH v. 29.06.2000, 2000/01/0093).
Ferner ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG (Anm.: bzw. nach dessen Nachfolgerbestimmung § 3 AsylG) bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen die Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts (1991), 137 f, s. a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck, AsylG 1997, RZ 314, 524).
Kriterien der Glaubhaftmachung finden sich exemplarisch auch in Art. 4 Abs. 5 der StatusRL (Richtlinie 2004/83/EG ), worin folgende Faktoren angeführt werden:
Dass der Antragsteller sich offensichtlich bemüht hat, seinen Antrag zu substantiieren;
Dass alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;
Dass festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;
Dass der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war.
Dass die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist.
3.2.1. Zu den Ausreisegründen der Beschwerdeführerin 1
Die Beschwerdeführerin 1 erklärte zur Begründung ihres Asylantrages im Wesentlichen, aufgrund der Konversion zum Christentum und der daraus resultierenden Bedrohungen durch ihren Schwager, einem Sepah-Angehörigen, den gegenständlichen Asylantrag gestellt zu haben.
Das Vorbringen der BF1 hält jedoch aus nachfolgenden Gründen einer Glaubwürdigkeitsprüfung nicht stand:
3.2.1.1. Die BF1 gab an, sich bereits im Iran dem Christentum zugewandt zu haben, was letztlich die geltend gemachten ausreisekausalen Probleme verursacht habe.
Doch bereits hinsichtlich der angegebenen Hinwendung zum Christentum im Iran sind die Angaben der BF nicht miteinander in Einklang zu bringen.
So erklärte die BF in der behördlichen Einvernahme, Informationen über das Christentum im Iran über das Internet durch Pfarrer Edwin Saleh, der in Kanada lebe und über das Fernsehen bekommen zu haben, wodurch ihr gezeigt worden sei, wie sie getauft werden könne (AS 37, 38).
In der hg. Verhandlung erklärte die BF hingegen, durch ihre Freundin im Iran, die sie aufgefordert habe, die Bibel zu lesen, mit dem Christentum in Berührung gekommen zu sein.
In weiterer Folge habe sich die BF im Iran eine Bibel besorgt und habe sie ihre Freundin in deren Wohnung eingeladen, wo sie gebetet und mit der BF über das Christentum gesprochen habe. Über Nachfragen der erkennenden Richterin gab die BF dezidiert an, dass diese Freundin der Auslöser für ihr beginnendes Interesse am Christentum gewesen sei.
Bei Gegenüberstellung der Angaben der BF zur Glaubensfindung wird deutlich, dass die betreffenden Ausführungen markant voneinander abweichen, was bereits für sich gesehen dazu geeignet ist, die Glaubwürdigkeit der Angaben der BF zu einer Hinwendung zur christlichen Religion im Iran erheblich in Zweifel zu ziehen.
Dass die BF die bedeutende Rolle jener Person, die sie vom christlichen Glauben nachhaltig zu überzeugen vermochte, sodass sie zu dieser Religion konvertiert ist, in der behördlichen Einvernahme in keiner Weise erwähnte, lässt Rückschlüsse auf die Unglaubwürdigkeit ihrer Angaben zu, kann doch davon ausgegangen werden, dass gerade jene Person, welche eine andere Person von einem neuen Glauben zu überzeugen und nachhaltig dafür zu gewinnen vermochte, in deren Glaubensfindung und Überzeugung eine bedeutende Rolle einnimmt und diese missionierende Person im betreffenden Vorbringen des Missionierten auch Erwähnung findet, was jedoch nicht geschehen ist und das Vorbringen der BF zur Konversion mit Unglaubwürdigkeit belastet.
Die Erklärung der BF in der hg. Verhandlung, dass es sein könne, dass sie in der behördlichen Einvernahme vergessen habe, ihre Freundin zu erwähnen, vermag daher nicht, die soeben dargelegten Divergenzen in ihrem Vorbringen auszuräumen. Festgehalten sei an dieser Stelle, dass der Mann der BF (BF2) diese Freundin und den Besuch von Hauskirchen im Iran im Gegensatz zur BF1 sehr wohl in der behördlichen Einvernahme erwähnte.
Die BF wurde in der behördlichen Einvernahme dezidiert gefragt, wie sie ihren Glauben im Iran gelebt habe und ob sie dort eine Kirche besucht habe, was die BF ausdrücklich verneinte und betonte, ihre Informationen über das Internet und das Fernsehen bekommen zu haben, ohne weitere Angaben zu machen.
Die BF erwähnte in der Einvernahme vor dem BFA entgegen ihrer Angaben in der hg. Verhandlung weder, dass sie sich selbst eine Bibel besorgt habe noch, dass sie, wie sie in der hg. Verhandlung erklärte, oft mit ihrer Freundin in deren Wohnung Gespräche über den christlichen Glauben geführt habe noch, dass sie mit dieser gemeinsam gebetet habe.
Über weiteres Nachfragen in der hg. Verhandlung erklärte die BF schließlich, dass es sich bei den Treffen um eine Gruppe gehandelt habe, die seit dem Jahr 2014 einmal wöchentlich für ein ca. zweistündiges Treffen zusammengekommen sei.
Erstmals erwähnte die BF in der hg. Verhandlung auch, im Iran versucht zu haben, eine armenische Kirche zu besuchen, was in der behördlichen Einvernahme unerwähnt blieb.
Im Lichte der obzitierten Angaben der BF in der hg. Verhandlung wird deutlich, dass diese versuchte, ihren Angaben hinsichtlich der Glaubensfindung und Glaubenspraxis im Iran mehr Substanz zu verleihen, in dem sie Angaben dazu machte, die sie in der behördlichen Einvernahme mit keinem Wort erwähnte, sodass in diesem Zusammenhang von einer deutlichen Steigerung im Vorbringe der BF auszugehen ist, was nicht für die Glaubwürdigkeit der betreffenden Ausführungen spricht.
Schließlich ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass der Mann der BF in der behördlichen Einvernahme Hauskirchentreffen erwähnte, die BF diese jedoch im behördlichen Verfahren nicht angab, in der hg. Verhandlung jedoch ausdrücklich über Befragen dazu anmerkte, es habe sich dabei um Gottesdienste und Bibelunterreich gehandelt. Auch darin ist eine markante Steigerung im Vorbringen der BF zu erkennen, hatte sie doch in der behördlichen Einvernahme lediglich angegeben, sich über das Internet und im Fernsehen über das Christentum informiert zu haben, ohne einen Hauskirchenbesuch zu erwähnen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Vorbringen insbesondere auch dann nicht als glaubhaft anzusehen, wenn dieses im Laufe des Instanzenzuges gesteigert wird (VwGH v. 7.12.1988, 88/01/0276,0284, VwGH v. 2.2.1994, 93/01/1035 auch VwGH vom 10.10.1996, ZI 96/20/0361; vgl. auch VwGH vom 17.6.1993, ZI 92/01/0776, vom 30.6.1994, ZI 93/01/1138, oder vom 19.5.1994, ZI 94/19/0049).
Im Zusammenhang mit dem Hauskirchenbesuch befragt, fallen auch die diesbezüglichen vagen Antworten der BF auf, welche auch durch wiederholtes Nachfragen ihrem Inhalt nach nicht konkreter wurden.
Illustrativ sei dazu folgende Passage aus der hg. Verhandlungsschrift zitiert (VHS 9):
VR: Wie liefen solche Hauskirchentreffen ab?BF: Mein christlicher Bruder und meine christliche Schwester, nachgefragt diese waren nicht mit mir verwandt, waren auch dabei. Wir begannen mit einem Gebet. Nachgefragt, ob es ein bestimmtes Gebet war: wir beteten für andere Menschen, Gesundheit und bedankten uns für alles bei Gott. Danach sangen wir manchmal christliche Lieder und dann wurde eine Bibelstelle besprochen. Am Ende haben wir wieder gemeinsam gebetet und am Schluss haben wir uns bei Tee und Kuchen unterhalten.
Zum einen fällt in diesem Zusammenhang auch auf, dass die BF keinerlei spirituellen Inhalte oder konkrete Angaben zu den angegebenen Hauskirchentreffen machte und zum anderen sticht hervor, dass die BF kurz zuvor wiederum über Nachfragen angab, dass im Zuge der Hauskirche Gottesdienst gefeiert wurde, ohne jedoch beim soeben wiedergegebenen Ablauf der Hauskirche zentrale Elemente eines Gottesdienstes, wie zB das Lesen des Evangeliums, Predigt, Wandlung oder Kommunionsempfang zu benennen, was einmal mehr dagegen spricht, dass die BF im Iran tatsächlich Hauskirchen besucht hat.
Ergänzend dazu sei auch festgehalten, dass die BF nicht in der Lage war, anzugeben, was ihr von den Hauskirchentreffen, die sie wöchentlich seit dem Jahr 2014 besucht haben will, besonders in Erinnerung geblieben ist. Die BF antwortete allgemein und ausweichend, dass jede Sitzung interessant gewesen sei und nannte in wenigen Sätzen die Geschichte vom verlorenen Sohn. Auch hier lassen die Angaben der BF persönliche spirituelle Eindrücke oder Begegnungen mit anderen Teilnehmern oder zB von diesen diskutierte Fragen und Auslegungen der Bibel gänzlich vermissen, sodass nicht davon auszugehen ist, dass die BF tatsächlich Hauskirchen im Iran besucht hat, was sie im übrigen auch nicht in der behördlichen Einvernahme, wie bereits festgehalten, erwähnte.
Gerade von einer Person, welche sich einem neuen Glauben zugewendet hat und welche die im Herkunftsland verbotene und daher risikobehaftete Möglichkeit wahrnimmt, an einer Hauskirche teilzunehmen, müssen solche Erlebnisse doch mit zahlreichen Emotionen verknüpft und von äußerster Einprägsamkeit sein.
Dass sich die BF jedoch nicht einmal ansatzweise an inhaltliche Besonderheiten oder einprägsame Wahrnehmungen erinnern kann, ist nicht nachzuvollziehen und daher das Vorbringen, wonach die BF vor ihrer Ausreise seit dem Jahr 2014 wöchentlich eine Hauskirche besucht haben will, einmal mehr als unglaubwürdig zu qualifizieren.
Da vor allem Ereignisse, die mit massiven Emotionen verknüpft sind bzw. die dazugehörigen Bilder sehr nachhaltig im Gedächtnis haften, ist hier ein normalpsychologisches Vergessen als Erklärung für die divergierenden und nicht kompatiblen Angaben keine wahrscheinliche Erklärung (Prim. Dr. XXXX , Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Gutachten vom 24.04.2014 zu L506 XXXX )
Nach hg. Ansicht hat diese gutachterliche Feststellung Allgemeingültigkeit und kann auch auf das gegenständliche Verfahren umgelegt werden.
Eine Hinwendung der BF zur christlichen Religion im Iran ist aus den dargelegten Überlegungen zu verneinen, sodass in logischer Konsequenz auch die geltend gemachten daraus resultierenden Probleme nicht glaubwürdig sein können.
Insofern die BF als auslösendes Ereignis für die Probleme im Iran die Entdeckung der Kreuztätowierung auf dem Oberarm ihres Mannes durch dessen Bruder, der bei der Sepah und Mitglied einer strenggläubigen Familie sei, nannte ist darüber hinaus folgendes auszuführen:
Vorerst ist hier auf die behördliche Beweiswürdigung zu verweisen, wonach die Angaben der BF widersprüchlich seien; so habe sie in der Erstbefragung angegeben, aufgrund von Problemen mit der Familie und dem Staat nach Armenien gereist zu sein, wohingegen sie in der behördlichen Einvernahme erklärt habe, wegen einer beabsichtigten Taufe nach Armenien gereist zu sein; die in der Erstbefragung angegebenen Probleme habe sie zu diesem Zeitpunkt nicht erwähnt, sondern habe die BF Probleme erst nach der Rückkehr aus Armenien ins Treffen geführt. Auch habe die BF anlässlich der Erstbefragung angegeben, von Armenien in den Iran zurückgeschickt worden zu sein, in der Einvernahme habe die BF jedoch eine freiwillige Rückreise in den Iran angegeben, wofür auch spreche, dass der BF die beabsichtigte Taufe abgeraten worden sei. Auch sei nicht glaubwürdig, dass die BF vor ihrer Ausreise nach Armenien Probleme gehabt habe.
Das erkennende Gericht tritt den soeben zitierten behördlichen beweiswürdigenden Überlegungen des BFA vollinhaltlich bei und wird festgehalten, dass bereits die soeben dargelegten Divergenzen in den chronologischen Abläufen für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der BF sprechen.
Die BF gab ferner an, dass es im Zuge eines Abendessens zu einem Streit gekommen sei, nachdem ihr Schwager die Kreuztätowierung ihres Mannes gesehen habe und dieser erklärt habe, dass sie Christen seien.
Vorerst fällt auf, dass die BF den Vorfall, bei dem sie von ihrem Schwager mit einem Messer bedroht und in weiterer Folge mehrmals per SMS mit dem Umbringen bedroht worden sei, in der Erstbefragung nicht erwähnte, sondern dort allgemein von Schwierigkeiten mit der Familie sprach.
Die BF gab dazu in der hg. Verhandlung befragt ausweichend an, sicher zu sein, alles erzählt zu haben, womit sie jedoch nicht das Unterbleiben der doch erheblichen, da ausreisekausalen Vorkommnisse aufzuklären vermochte.
Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat, spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, 92/01/0181).
Einem Asylwerber muss klar sein, dass gerade eine die Gefahr des Umbringens für die Glaubhaftmachung einer Verfolgungssituation besondere Bedeutung hat, sodass er keine sich bietende Gelegenheit zu einem solchen Vorbringen ungenützt lässt (vgl. VwGH 07.06.2000, 2000/01/0205).
An dieser Stelle sei auch die höchstgerichtliche Judikatur festgehalten, wonach davon auszugehen ist, dass ein Asylwerber im Falle tatsächlicher Verfolgung keine sich ihm bietende Gelegenheit verstreichen lassen würde, diese vorzubringen (vgl. VwGH 07.06.2000, 2000/01/0205) und nicht die soeben dargelegte Vorgehensweise wie die BF1 wählt.
Das spätere Vorbringen der BF1 hinsichtlich der verschiedenen massiven Bedrohungen (Messerattacke, mehrmaliges Drohen mit dem Umbringen per SMS und in einem Anruf, in dem behördliche Schritte angekündigt wurden) durch ihren Schwager, die die BF1 letztlich zur Ausreise und Asylantragstellung veranlasst haben sollen, ist sohin nicht als glaubwürdig zu qualifizieren.
Das BVwG verkennt dabei nicht, dass sich die Erstbefragung nach § 19 Abs 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, es wäre aber dennoch zu erwarten gewesen, dass die Beschwerdeführerin ein - zumindest in den wesentlichen Punkten - annähernd gleichbleibendes Vorbringen zu ihrem Ausreisegrund erstattet und es nicht, wie im vorliegenden Fall, zwischen der Erstbefragung und der nachfolgenden Einvernahme vor dem BFA zu gravierenden Widersprüchen kommt. Bereits aufgrund dieser markanten Divergenzen der Angaben der BF1 zwischen Erstbefragung und behördlicher Einvernahme ist nicht von der Glaubwürdigkeit der Angaben der BF auszugehen.
Der Beschwerdeführerin wurde eingangs der Erstbefragung überdies ein Merkblatt über die Rechte und Pflichten ausgefolgt und dieser dahingehend belehrt, dass ihre Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung des Bundesamtes sind und wurde die BF aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben zu machen und an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken und wurde ihr mitgeteilt, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben können. Die BF gab ferner an, den Dolmetscher gut zu verstehen und verneinte die Frage nach allfälligen Beschwerden, die sie an der Befragung hindern und gab darüber hinaus an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können und erklärte, nach Rückübersetzung, alles verstanden und keine Ergänzungen oder Korrekturen vorzunehmen zu haben, was er letztlich mit ihrer Unterschrift bestätigte.
Gem. § 15 AVG liefert eine gem. § 14 aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und über den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Beweises zulässig bleibt.
In diesem Zusammenhang sei die rezente Judikatur des VwGH, Ra 2019/20/0526 und 0527-6 vom 26.02.2020 hervorgehoben, welche zur beweiswürdigenden Gegenüberstellung von Erstbefragung und Einvernahme Folgendes festhält:
Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl ist es aber nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429, mwN).
Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist es weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten zwischen der Erstbefragung und späteren Angaben einzubeziehen; es bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind (vgl. VwGH 12.8.2019, Ra 2019/20/0366, mwN).
Es besteht jedoch keine generelle Unzulässigkeit, auf die Steigerung im Fluchtvorbringen zwischen der Erstbefragung und den weiteren Einvernahmen abzustellen (VwGH 26.08.2020, Ra 2020/18/0132-12).
Ferner ist zu bemerken, dass die BF in der hg. Verhandlung erstmalig erklärte, ihr Schwager habe ihr kurz nach der Messerattacke Droh-SMS, etwa sie im Schlaf umzubringen, geschickt und habe er immer wieder über längere Zeit die BF mit derartigen SMS bedroht und letztlich die BF angerufen und gesagt, er werde sie umbringen, wenn sie sich ernsthaft dem Christentum zuwenden und habe er gesetzlich alles in die Wege geleitet.
Als Erklärung für das Unterbleiben der Angaben hinsichtlich des mehrfachen Erhaltes solcher SMS gab die BF in der hg. Verhandlung an, nicht danach gefragt worden zu sein, was jedoch kein plausibles Argument für das Unterbleiben entsprechender Angaben darstellt. Auch in diesem Zusammenhang ist auf die bereits zitierte Judikatur, wonach kein Asylwerber im Falle tatsächlicher Verfolgung jede Gelegenheit nützen würde, eine solche auch vorzubringen, was im vorliegenden Fall jedoch nicht geschehen ist und einmalmehr gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben der BF spricht. Auch in diesem Punkt steigerte die BF ihre Angaben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Vorbringen insbesondere auch dann nicht als glaubhaft anzusehen, wenn dieses im Laufe des Instanzenzuges gesteigert wird (vgl. dazu die bereits zitierte höchstgerichtliche Judikatur).
Auch die Reaktion der BF auf den Vorfall, der sie zur Ausreise veranlasst haben soll, vermag wenig von einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung zu überzeugen. So erklärte die BF, sie hätten sich gleich nach dem Vorfall zu ihren Eltern, die in der Nähe leben, begeben und seien sie dort bis zur Ausreise verblieben. Über Nachfragen erklärte die BF, sie sei weiterhin ihrer Arbeit nachgegangen.
Wenn der Schwager sohin tatsächlich Interesse an der BF und ihrem Mann gehabt hätte, hätte er deren Aufenthaltsort ohne erhebliche Schwierigkeiten herausgefunden bzw. sich bei deren Eltern oder in deren Arbeit nach der BF erkundigt, was diese jedoch nicht angegeben hat.
Dass sich die BF bei ihren Eltern bis zur Ausreise versteckte, ist angesichts ihrer Angabe, wonach sie ihrer Arbeit weiterhin nachgegangen sei, nicht festzustellen, auch, wenn die BF über Nachfrage letztlich ihre Angaben abschwächte und erklärte, lediglich noch ein paar Tage gearbeitet und dann gekündigt zu haben.
Auch zum Entdecken der Tätowierung ihres Mannes durch ihren Schwager sind die Angaben der BF nicht stimmig. Während sie in der hg. Verhandlung erklärte, ihr Mann habe ein kurzärmeliges T-Shirt getragen, sodass man die Kreuz-Tätowierung ein wenig gesehen habe, woraufhin der Schwager den Mann der BF aufgefordert habe, die Tätowierung zu zeigen und es zum Streit und der Messerattacke gekommen sei, gab die BF in der behördlichen Einvernahme dazu an, die Tätowierung sei vom Schwager der BF gesehen worden, als sich deren Mann habe umziehen wollen (AS 43), worin ein erheblicher Unterschied gelegen ist.
Bereits das BFA verwies beweiswürdigend auf das unterschiedliche Vorbringen der BF1 und des BF2. Während die BF1 angegeben habe, der Schwager habe die Tätowierung gesehen, als sich ihr Mann umgezogen habe, habe der Mann der BF nicht von einem Umziehen gesprochen, sondern davon, dass seine Tätowierung unter dem Ärmel seines Shirts ‚herausgeblitzt‘ sei.
Besonders markant voneinander abweichend zeigt sich aus das Vorbringen der BF1 und des BF2 zur angegebenen Messerattacke des Schwagers/Bruders. Bereits das BFA hob hervor, dass der Mann der BF1 im Gegensatz zu dieser angegeben habe, sein Bruder habe ihn mit dem Messer verletzen wollen, wohingegen die BF1 erklärte, sie selbst sei das Ziel der Messerattacke ihres Schwagers gewesen, worin ein erheblicher Unterschied gelegen ist.
Letztlich ist zum Vorbringen der BF auch festzuhalten, dass diese von sich aus weder eine Suche nach ihr und ihrem Mann durch den Schwager noch durch die iranischen Behörden nach ihrer Ausreise angab, was einmal mehr gegen die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben spricht, wäre doch andernfalls davon auszugehen, dass sich der Schwager nach deren Verbleib erkundigt bzw. im Falle der Einleitung ‚gesetzlicher Schritte‘ wie dies die BF behauptete, behördliche Ermittlungen zum Aufenthalt der BF und ihres Mannes eingeleitet worden wären, was die BF jedoch nicht angegeben hat.
Letztlich spricht auch die legale Ausreise der beiden BF gegen eine tatsächliche Furcht vor Verfolgung – diesfalls wäre davon auszugehen, dass sich die BF nicht der Passkontrolle durch iranische Beamte ausgesetzt hätten.
Zusammenfassend ist angesichts der dargelegten Gründe nicht von der Glaubwürdigkeit der Angaben der BF, wonach sie wegen ihres Interesses am Christentum vom Schwager, der bei der Sepah sei, mit einem Messer attackiert und in weiterer Folge mehrmals mit dem Umbringen bedroht worden seien, auszugehen.
Hinsichtlich des von den Beschwerdeführern vorgelegten Fotos, welches einen Mann in Uniform zeigt, wozu sie angaben, dass es sich um den Schwager der BF1 bzw. Bruder des BF2 handle (Anmerkung: von dem die Gefahr ausgehe), ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass es sich hiebei um ein wenig taugliches Beweismittel handelt, da dieses einerseits nicht geeignet ist, die Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführer zu erhöhen und andererseits eine Identifizierung der abgebildeten Person als Schwager/Bruder der Beschwerdeführer auch nicht möglich ist.
Auf die rezente Judikatur des VwGH (VwGH 11.03.2021, Ra 2021/18/0075-7) in Verbindung mit der Tauglichkeit eines Beweismittels sei in diesem Zusammenhang verwiesen. Ein Video, auf dem ein Bruder eines Beschwerdeführers von dessen politischen Aktivitäten und Verfolgungshandlungen durch die Behörden berichtet haben soll, wurde seitens des BVwG und in weiterer Folge seitens des VwGH als wenig taugliches Beweismittel eingestuft, zumal dieses Video wenig geeignet erschien, die gegen die politischen Aktivitäten des BF sprechenden Beweisergebnisse zu widerlegen, weil dem BVwG schon die verlässliche Identifizierung der auf dem Video ersichtlichen Person nicht möglich war.
Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass es gegen die persönliche Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin spricht, dass sich diese vor ihrer Weiterreise nach Österreich etwa bereits in Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien aufgehalten hat, ohne jedoch dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben. Aus welchen Gründen sie dies unterlassen hat, wurde von ihr nicht substantiiert angeführt.
In diesem Zusammenhang ist auf die Richtlinie 2011/95/EU des Rates vom 13.12.2011 (in Kraft seit 9. Jänner 2012, Umsetzung bis 21. Dezember 2013) über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Statusrichtlinie) zu verweisen, welche in ihrem Art 4 Abs 5 lit d vorsieht, dass dann, wenn für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise fehlen, diese Aussagen keines Nachweises bedürfen, wenn der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war. Wendet man diese sekundärrechtliche Norm im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung auf das gegenständliche Verfahren an, so ergibt sich um Umkehrschluss, dass gegenständlich jedenfalls - glaubwürdige - Beweise erforderlich gewesen wären.
Die BF musste auf ihrer Reise nach Österreich zudem auch durch andere als sicher geltende Staaten reisen und wäre es ihr möglich und zumutbar gewesen schon dort um Schutz anzusuchen. Durch das Unterlassen kann geschlossen werden, dass sie andere Motive als jene der Schutzsuche hat.
Es ist aus der Aktenlage nachvollziehbar, dass die BF nunmehr Präferenzen hat in Österreich zu leben. Zur Erreichung dieses Zieles scheut die BF offensichtlich nicht davor zurück im Asylverfahren - trotz ergangener Belehrung und Aufforderung die Wahrheit zu sagen und Hinweis auf nachteilige Folgen im Falle wahrheitswidriger Angaben - über persönliche und für das Verfahren maßgebliche Umstände zu täuschen. Die generelle persönliche Glaubwürdigkeit der BF ist daher im Verfahren auch aus diesem Grund zu verneinen. Warum sie angesichts der von ihr skizzierten Bedrohungslage im Herkunftsland nicht zumindest versucht hat, möglichst zeitnah zur Einreise ein Schutzansuchen in den obgenannten Staaten zu stellen, erweist sich als nicht plausibel erklärbar. Würde man doch bei begründeter Furcht vor Verfolgung dieses Ausmaßes annehmen können, dass von Asylwerbern die nächste Gelegenheit genützt wird, um Schutz zu ersuchen.
3.2.2. Zur Konversion der Beschwerdeführerin
3.2.2.1. Untrennbar in Zusammenhang mit den seitens der BF geltend gemachten Gründen für ihre Ausreise, nämlich die Hinwendung zu einem neuen Glauben bzw. der Abfall vom Islam und daraus resultierenden Problemen, steht die nunmehr angegebene Konversion der BF. Bereits aufgrund der Tatsache der Untrennbarkeit des ausreisekausalen Vorbringens und jenem der Konversion und der Glaubenspraxis in Österreich stellt schon die festgestellte Unglaubwürdigkeit der Ausreisegründe ein starkes Indiz für die Unglaubwürdigkeit der behaupteten Konversion und Glaubenspraxis dar und lässt umgekehrt die aus nachfolgenden Gründen festgestellte Scheinkonversion einmal mehr klare Rückschlüsse auf die Unglaubwürdigkeit der ausreisekausalen Angaben der BF zu.
Die BF hat angegeben, ein paar Tage nach ihrer Einreise mit dem BF2 sei ihnen die farsi sprachige iranische Kirche namens XXXX empfohlen worden, nachdem sie auf der Suche gewesen seien und sich erkundigt hätten. Diese hätten sie in der Folge regelmäßig besucht und dort ihren Taufwunsch geäußert. Nach einjährigem Taufvorbereitungskurs seien sie getauft worden. Nunmehr hätten sie zu einer anderen Kirche gewechselt, wo sie regelmäßig den Gottesdienst besuchen. In der Unterkunft seien ihnen auch weitere Kurse empfohlen worden, die wichtig für ihren Akt seien.
Die BF 1 und der BF2 legten dazu Taufbestätigungen der XXXX über die Taufe am XXXX vor.
Der BF1 ist es jedoch aus nachfolgenden Gründen nicht gelungen, ein nachvollziehbares Interesse am christlichen Glauben - eine Konversion könnte in weiterer Konsequenz erst danach folgen - auch nach fünfeinhalbjährigem Aufenthalt in Österreich, wo sie sich lt. ihren Angaben mit dem christlichen Glauben auseinandersetzt, glaubwürdig darzutun, sodass umso weniger von einer Konversion der BF zum christlichen Glauben ausgegangen werden kann.
Die Beschwerdeführerin wurde in der hg. Beschwerdeverhandlung zu Inhalten des christlichen Glaubens und der Bibel sowie zum Praktizieren ihres Glaubens und zu diesbezüglichen persönlichen Eindrücken befragt und vermochte die BF zwar wenige Fragen zu zentralen Bibel- und Glaubensinhalten rudimentär und stichwortartig zu beantworten, doch waren ihr andererseits Ausführungen zu essentiellen Bibelinhalten und zu ihrer persönlichen Glaubenspraxis oder zu persönlichen spirituellen Eindrücken nicht möglich.
Ferner waren die Antworten der BF1 zum überwiegenden Teil auf die kurze und stichwortartige Wiedergabe von Informationen reduziert.
Dieser Tatsache kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als die BF zum Zeitpunkt der hg. Verhandlung, welche am 09.03.2021 stattfand, sich lt. ihren Angaben in Österreich bereits rd. fünfeinhalb Jahre mit dem christlichen Glauben beschäftigt und zuvor im Iran seit Ende des Jahres 2014 christliche Hauskirchen besuchte und seitens der Glaubensgemeinschaft, der sie vorerst angehörte, getauft wurde und nunmehr zu einer anderen Glaubensgemeinschaft wechselte.
Die erkennende Richterin übersieht nicht, dass es sich bei der Hinwendung zu einem neuen Glauben um einen dynamischen Prozess handelt, doch kann von einer Person, welche wie die BF angibt, sich bereits seit mehr als fünf Jahren mit dem Christentum auseinanderzusetzen, seit Oktober 2015 in Österreich Gottesdienste zu besuchen und welche am XXXX getauft wurde, erwartet werden, dass die zentralen Glaubensgrundsätze und das betreffende Bibelwissen umfassend verinnerlicht und nachhaltig verfestigt sind, was bei der BF jedoch nicht der Fall war.
Zu den seitens der BF in der hg. Verhandlung gegebenen Antworten in Zusammenhang mit Glaubensinhalten sowie Glaubens- und Bibelwissen ist ferner festzuhalten, dass sich diese zum Teil auf die kurze Wiedergabe von Informationen beschränkten, jedoch eine umfassende und eigeninitiative Wiedergabe von Bibelwissen und Glaubenspraxis verbunden mit eigenen spirituellen Gedanken, Details oder Zusammenhängen, wie es Personen, welche sich tatsächlich einem neuen Glauben zugewandt haben und gerade aus Begeisterung darüber, es diesen ein Bedürfnis ist, darüber zu sprechen, vermissen lassen.
Wie nachfolgend erörtert werden wird, vermochte die BF, abgesehen von wenigen stichwortartigen Angaben nicht plausibel zu erklären, was ihre Motivation für die Hinwendung zum Christentum war.
Die BF1 wurde in der hg. Verhandlung nach der Motivation für ihre Hinwendung zum Christentum und ihren Taufwunsch gefragt und erklärte, ihre Freundin (Anmerkung: welche sie in der hg. Verhandlung erstmals erwähnte) habe ihr erzählt, dass alles falsch sei, was sie bislang über Jesus in der Schule gelernt hätten, auch habe sie bemerkt, wie sich ihre Freundin nach ihrer Konversion zum Guten gewendet habe.
Mit den dargelegten wenigen und vagen Ausführungen, gelingt es der BF jedoch nicht, ein besonderes Interesse am Christentum darzutun.
Die BF wurde in der hg. Verhandlung auch danach gefragt, warum sie sich gerade für die protestantische Kirche entschieden hat und gab dazu an, diese Kirche habe sie zu Beginn ihrer Hinwendung zum Christentum kennengelernt und habe sie dabeibleiben wollen. Die BF konnte jedoch keine weiteren Angaben zum protestantischen Glaubenszweig und dessen Besonderheiten (wie etwa die mangelnde Existenz eines Zölibates, wenig Hierarchien oder der Standpunkt zu Maria) machen, als dass es zwei Sakramente (Taufe und Abendmahl) gebe und sie selber mit Gott sprechen könne. Sie benannte zwar Martin Luther als Gründer sowie das Gründungsjahr, doch könne sie sich nicht an mehr erinnern. Die BF war vor allem auch nicht in der Lage, die besonderen Feiertage der Protestanten (Reformationstag und Karfreitag) zu benennen, sondern nannte auf die entsprechende Frage, die ‚Geburt von Jesus‘, Auferstehung, Ostern sowie Pfingsten.
Mit ihren Angaben war die BF jedoch nicht in der Lage, spezifische Inhalte des protestantischen Glaubens darzulegen. Bei einer ernsthaften Konversion kann jedoch erwartet werden, dass sich die BF mit den Besonderheiten des Glaubenszweiges, dem sie sich angeschlossen hat, inhaltlich auseinandersetzt und diese Spezifika für die BF eine besondere Bedeutung einnehmen, wovon jedoch im Lichte der Angaben der BF nicht ausgegangen werden kann.
Die BF erklärte, in Österreich einen Taufvorbereitungskurs besucht zu haben und im XXXX getauft worden zu sein.
Sie war jedoch in der hg. Verhandlung nicht in der Lage, Inhalte oder besonders einprägsame Erfahrungen im Taufvorbereitungskurs wiederzugeben, sondern gab dazu lediglich allgemein an, die Grundsätze des Christentums seien unterrichtet worden, das Leben von Jesus und warum er sich geopfert habe, es sei großteils von der Bibel und von den Wundern unterrichtet worden und die Bedeutung der Geschichten sei erklärt worden.
Gefragt, was ihr besonders positiv in Erinnerung geblieben sei, antwortete die BF allgemein und vage, für sie sei alles positiv gewesen, ohne weiterführende Angaben zu machen. Auch danach gefragt, was sie besonders bewegt habe, erklärte die BF, sie sei ein Mensch gewesen, der nicht vergeben habe könne, was sie im Kurs gelernt habe, ohne auf Inhalte oder Vorkommnisse im besuchten Kurs bezug zu nehmen oder auszuführen, was konkret zu dieser Veränderung führte.
Es ist jedoch von einer Person, welche sich tatsächlich für einen neuen Glauben interessiert, zu erwarten, dass diese umfassendere Angaben, etwa über Bibelstellen, welche sie besonders beeindruckt oder beschäftigt haben, über diskutierte Fragen und Ansichten im Kurs sowie über grundsätzliche, einprägsame Kursinhalte macht, was jedoch nicht geschehen ist und einmal mehr wenig bzw. nicht vorhandenes Interesse der BF für den christlichen Glauben indiziert.
Auch auf die konkrete Frage, was sie an dem Kurs besonders beeindruckt habe, blieb die BF2 wiederum bei der zitierten allgemeinen und oberflächlichen Antwort. Von einer Person, welche sich mit einem neuen Glauben beschäftigt, kann jedoch erwartet werden, dass sich diese umfassend mit Glaubensinhalten auseinandersetzt und auch dazu in der Lage ist, diese wiederzugeben bzw. eigene spirituelle Gedanken dazu zu formulieren und mitzuteilen, was bei der BF jedoch nicht der Fall war.
Die Beschwerdeführerin konnte auch weder eine individuelle, persönliche Bedeutung der Taufe noch religiöse Motive für die Taufe nachvollziehbar schildern. Auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage ihrer persönlichen Motivation, sich taufen zu lassen, antwortete die Beschwerdeführerin (VHS 11): „Ich wollte noch einmal neu beginnen ohne Sünden. Das war nur mit der Taufe möglich. VR: Was waren ihre persönlichen Beweggründe für die Taufe? BF: Es ist ein wichtiges Sakrament in meinem Glauben, ich wollte offiziell Christ werden.“
Ihren wenigen oberflächlichen und allgemein gehaltenen Aussagen, wonach mit der Taufe die Sünden vergeben werden, ist jedoch nicht zu entnehmen, warum sie für sich persönlich den Entschluss gefasst habe, sich taufen zu lassen. Dass die Entscheidung, sich taufen zu lassen, auf einer inneren religiösen Überzeugung und einem dementsprechenden persönlichen, spirituellen Wunsch der Beschwerdeführerin beruht, ist nicht erkennbar.
Die Beschwerdeführerin betrachtet die Taufe sichtlich als einen Formalakt, um nach außen hin als Christin in Erscheinung zu treten. Mit ihrer obzitierten Aussage vermittelte die BF den Eindruck, sie habe sich deshalb taufen lassen, weil sie der Auffassung sei, damit – unbeschadet ihrer wahren religiösen Überzeugung – eine gewissermaßen offizielle und für Dritte beachtliche Bestätigung dafür zu haben, dass sie eine gläubige Christin sei; damit versucht die Beschwerdeführerin, die von ihr angegebene Hinwendung zum Christentum zu untermauern, persönliche, spirituelle Beweggründe sind ihren Angaben jedoch nicht zu entnehmen.
Dies ergibt sich auch deutlich aus ihren Ausführungen zum Empfang der Taufe. Aufgefordert, ihre persönlichen Eindrücke ihrer Taufe so genau wie möglich zu beschreiben, blieben die Angaben der BF äußerst kurz und vage: „Vor meiner Taufe waren wir alle in der Kirche und haben gemeinsam gebetet. Nach Ende der Zeremonie sind wir zur Donau gefahren. Ich habe mir ein weißes Kleid gekauft, ich wollte eine Taufe nach meinen Vorstellungen. Vor meiner Taufe musste ich mich zu Jesus und Gott bekennen, dass er der Erlöser und Retter ist. Unser Pastor hat mich mit dem gesamten Körper in das Wasser getaucht, so wurde ich getauft. Nach der Taufe wurde ein christliches Lied für uns gesungen und für uns gebetet (VHS 12).
Mit den zitierten Angaben vermochte die BF jedoch nicht zu erklären, was sie persönlich an der Taufe besonders beeindruckt oder in spiritueller Hinsicht bewegt hat. Bei Betrachtung der Angaben der BF fällt auch auf, dass diese weder Ausführungen des taufenden Priesters wiedergab noch eigene spirituelle Gedanken, Eindrücke und Empfindungen zum Taufakt schilderte, sondern beschränkte er sich auf die Aufzählung der genannten wenigen Elemente.
Von einer Person, welche sich dem christlichen Glauben mit innerlicher Überzeugung zuwendet und sich zum Schritt der Taufe, welche doch im Falle der Ernsthaftigkeit eine erhebliche Bedeutung in Verbindung mit einer Konversion einnimmt, entschließt, ist jedoch zu erwarten, dass diese Person spirituelle Gedanken oder Eindrücke, die sie besonders bewegt haben, wie zB Worte des Taufspenders wiedergeben kann, was jedoch im Falle der BF gänzlich unterblieben ist und einmal mehr gegen eine glaubwürdige Konversion zum christlichen Glauben spricht.
Gerade die Taufe als christlicher Ritus, der die Eingliederung in die Gemeinschaft der Christen oder ein öffentliches Glaubensbekenntnis bedeutet, sodass dieser Schritt und die Vorbereitung darauf im Falle der Ernsthaftigkeit eine erhebliche Bedeutung einnimmt, müsste seitens der BF fundiert und unter Einbeziehung persönlicher Momente dargelegt werden können, wozu die BF jedoch mit den zitierten Angaben nicht in der Lage war.
Die BF hat keinen Taufnamen angenommen und sich auch nicht nach einer entsprechenden Möglichkeit erkundigt, was lediglich ergänzend zu bemerken ist.
Es ist jedoch eine alte christliche Tradition, den Taufnamen eines Heiligen anzunehmen.
Mündige Konvertiten aus nichtchristlichen Religionen entscheiden sich nicht selten vor oder nach der Taufe für die Annahme eines neuen Namens. Dies ist insbesonders dann der Fall, wenn der ursprüngliche Name sich von Personen oder Begriffen herleitet, die eng mit der Herkunftsreligion verbunden sind.
Es wäre jedoch naheliegend, dass die BF als erwachsene Taufwerberin bzw. Getaufte, welche sich aus freiem Willen zur Taufe entschlossen hat, zumindest über die Möglichkeit nach dem Erhalt eines christlichen Taufnamens erkundigt, was jedoch nicht der Fall war und ebensowenig für ein besonderes Interesse am Erhalt eines christlichen Namens spricht und wiederum den Rückschluss auf die mangelnde Ersthaftigkeit der Taufe zulässt.
Bei Gesamtbetrachtung der genannten Faktoren zur Taufvorbereitung und Taufe der BF ist nicht davon auszugehen, dass sich diese ernsthaft auf diese vorbereitet und diese empfangen hat, was ebenso geeignet ist, die Glaubwürdigkeit bzw. Ernsthaftigkeit der Konversion der BF erheblich anzuzweifeln.
Die nach außen hin gesetzten sichtbaren Aktivitäten der BF, wie eine allenfalls erfolgte Taufe, Gottesdienstbesuche, die Mithilfe bei kirchlichen Festen und die Teilnahme an Gottesdiensten sowie das dortige Lesen von Texten und Sprechen von Gebeten vermögen nach Ansicht der erkennenden Richterin nicht, die noch darzulegenden Mängel, welche gegen einen tatsächlichen Glaubens- bzw. Gesinnungswandel der BF1 sprechen, zu kompensieren und kann alleine aus solchen äußeren Faktoren, welche jedoch nichts über die tatsächliche innere Haltung der BF1 aussagen, doch keine Konversion der BF mit allen nachfolgend mehrfach umschriebenen Voraussetzungen und Folgewirkungen abgeleitet werden.
Hervorzuheben ist an dieser Stelle auch die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur, der zufolge es für die Beurteilung der Frage, ob eine Konversion vorliegt, nicht auf den Formalakt der Taufe, welcher im gegebenen Fall unter Umständen vorliegen mag, sondern auf die religiöse Einstellung des Asylwerbers ankommt (vgl. zuletzt VwGH vom 21.12.2006, 2005/20/0624).
Die BF benannte als Sakramente ihres Glaubenszweiges zutreffend die Taufe und das Abendmahl, sie war jedoch nicht in der Lage, substantiierte Angaben zum Hintergrund des Abendmahls zu machen. Die BF benannte zwar Brot und Wein und Leib und Blut Christi, vermochte jedoch nicht, anzugeben, welchen biblischen Hintergrund dieses Sakrament hat. Angesichts der Tatsache, dass es sich hier um eine zentrale Bibelstelle handelt, welche jedes Jahr in den Ostergottesdiensten ausführlich und umfassend thematisiert wird, wirkt sich die betreffende Unkenntnis besonders zu Lasten der Glaubwürdigkeit einer Konversion der BF aus und indiziert darüber hinaus wenig Interesse an den Gottesdiensten, müsste die BF, die angibt, seit ihrer Einreise im Jahr 2015 Gottesdienste zu besuchen, bereits mehrmals an einem Ostergottesdienst und den mehrtägigen Osterfeierlichkeiten teilgenommen haben, sodass ihr die dort gelesenen und thematisierten Bibelstellen und ihr Bedeutungsgehalt umfassend bekannt sein müssten, was jedoch nicht der Fall ist.
Vielmehr vermengte die BF die Ereignisse Pfingsten und Ostern, erklärte sie doch, das Ritual Abendmahl ‚passiere‘ zu Pfingsten, als Jesus den letzten Abend mit den Jüngern verbrachte und bekräftigte über Nachfragen, dass das Abendmahl in Erinnerung an Pfingsten gefeiert werde. Auch diese Verwechslung der Geschehnisse in Zusammenhang mit zwei zentralen christlichen Hochfesten spricht nicht für die Ernsthaftigkeit einer Konversion der BF, müsste sie doch andernfalls in der Lage sein, die in der Bibel geschilderten essentiellen Ereignisse, korrekt den betreffenden Festen zuzuordnen, was die BF jedoch nicht vermochte.
Zutreffend führte die BF zu Pfingsten zwar aus, dass der Heilige Geist in Form von Feuer erschienen sei und die Jünger in verschiedenen Sprachen sprechen konnten, zu darüberhinausgehenden Angaben war die BF jedoch nicht in der Lage, was deutlich macht, dass sie zwar zur Wiedergabe zweier wesentlicher Punkte in der Lage ist, ihr die Bedeutung des Pfingstfestes und der in der Bibel geschilderten Ereignisse als eines der wichtigsten christlichen Feste und eigentliche Gründung der Kirche nicht bekannt ist.
In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass Pfingsten neben Weihnachten und Ostern als christliches Hochfest gilt, an dem die Gläubigen die Sendung des Geistes Gottes zu den Jüngern Jesu und seine bleibende Gegenwart in der Kirche feiern. Dieses Datum wird in der christlichen Tradition auch als Gründung der Kirche verstanden und wird gerade die Sendung des Hl. Geistes in der Form von Feuerszungen und Brausen in der betreffenden Bibelstelle eindrücklich geschildert. Die BF machte zwar die erwähnten Angaben, doch schilderte sie zB nicht, dass das Ereignis die Menschen so beeindruckte, dass sich Tausende von Gläubigen taufen ließen. Im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte beschreibt Lukas, dass die Apostel und Jünger in Jerusalem vom Heiligen Geist erfüllt wurden und wie durch ein Wunder anfingen, ihnen bis dahin unbekannte Sprachen zu sprechen und zu verstehen. Mit dieser neuen Fähigkeit gewappnet zogen die Apostel in die Welt, um den Menschen von den Geschichten Jesu und seiner Jünger zu erzählen.
Auch die wenigen Angaben der BF in Zusammenhang mit Pfingsten und deren Unkenntnis von der Gründung der Kirche im Zusammenhang mit Pfingsten und des hohen Bedeutungsgehaltes dieses Festes sprechen gegen eine interessierte Teilnahme am Gottesdienst und ein ernsthaftes Bibelstudium sowie gegen eine Auseinandersetzung mit zentralen Glaubensinhalten und somit gegen eine ernsthafte Konversion der BF, hätte sie doch andernfalls fundiertere Angaben und eigene Gedanken zu diesem essentiellen christlichen Fest machen können, was jedoch nicht geschehen ist.
Gefragt nach Fastenzeiten im christlichen Glauben gab die BF an, sie glaube, dies sei vor Ostern, womit sie deutlich machte, sich nicht sicher zu sein. Gefragt, ob sie dazu weitere Angaben machen könne, gab die BF an (VHS 15): Ich weiß, die Christen, die fasten, sollen nicht jeden sagen, dass sie fasten. Damit meine ich, dass sie müde und erschöpft sind. Ich habe in der Bibel gelesen, dass gesagt wird, ein Christ soll nicht so wie die Pharisäer fasten.
Die BF erklärte über Nachfragen, schon einmal vor 5 oder 6 Monaten gefastet zu haben, doch habe sie den Namen dieses Festes vergessen, womit sie jedoch nicht nachvollziehbar ein tatsächliches Fasten und ein damit zusammenhängendes Ereignis oder einen diesbezüglichen Zeitraum benennen konnte.
Die Antworten der BF machen auch deutlich, dass ihr die 40tägige Fastenzeit vor Ostern nicht bekannt ist und sprechen nicht nur gegen die betreffende Existenz von Bibelwissen, sondern auch gegen eine ernsthafte Glaubenspraxis sowie gegen eine interessierte Teilnahme der BF am Gottesdienst, wo die betreffenden Themen in den Evangelien und Predigten anlassbezogen umfassend erörtert werden.
Es kann auch aufgrund dieser wenigen inhaltsleeren Ausführungen der BF nicht davon ausgegangen werden, dass sich diese seit mehr als 5 Jahren in Österreich für den christlichen Glauben interessiert oder diesem ernsthaft angehört.
Die vierzigtägige Fastenzeit und die entsprechenden Ausführungen in der Bibel über den damit zusammenhängenden Aufenthalt Jesu in der Wüste stellen jedoch zentrale Inhalte der christlichen Glaubenslehre dar und gelten insbesonders die Karwoche und vor allem der Karfreitag als strenge Fasttage, während der sich der Mensch durch Enthaltsamkeit neu besinnen, Buße tun und die Nähe zu Gott suchen soll.
Das Fasten als Zeit der Reinigung ist sohin ein nicht unwesentlicher Bestandteil der Zeit vor Ostern, wobei zu betonen ist, dass gerade von einer Person, die sich einen Glauben neu angeeignet hat, das Einhalten derartiger Vorgaben naheliegend ist respektive von einer Person, welche sich einem neuen Glauben zugewandt hat, erwartet werden kann, zumindest darüber bescheid zu wissen. Mit ihren Antworten ist es der BF jedoch nicht gelungen, den Grund für die 40tägige Fastenzeit vor Ostern zutreffend und nachvollziehbar darzulegen, sondern war ihr diese Zeitspanne gar nicht bekannt.
Im weiteren wurde die BF aufgefordert, alles anzugeben, was sie über die Geburt von Jesus wisse.
Die BF erklärte dazu wie folgt:
Im Matthäus Evangelium I. steht die Geburt von Jesus. Maria wird durch den Heiligen Geist schwanger, Josef war der Verlobte von Maria. Als er sah, dass seine Verlobte schwanger ist, war er traurig und enttäuscht. Josef träumt von dem Engel Gabriel und dieser sagt ihm, dass sie mit Gottes Sohn schwanger ist. Er sagt auch, dass der Sohn von Maria der König der Juden sein wird. Damals war der König Herodes an der Macht und er hat vieles über Jesus gehört und war auf der Suche nach ihm, da er ihn töten wollte. Jesus wurde in Jerusalem in einem Stall geboren. Josef träumt wieder, dass der Engel mit ihm spricht und ihm empfiehlt, zu flüchten, da man seinen Sohn umbringen will (VHS 14).
Die BF war weder in der Lage, auszuführen, in welcher Stadt Jesus geboren wurde, noch was der Grund für dessen Geburt in einem Stall in Bethlehem war (VR: Warum wurde Jesus in einem Stall geboren? BF: Sie haben sich versteckt, dass der König Herodes sie nicht findet. VR: Jesus wurde in Bethlehem geboren. Warum ist das so? BF: Ich weiß es nicht genau, ich glaube, Gott hatte vor, viele Wunder zu zeigen.) und konnte insgesamt keine umfassenden und fundierten Angaben zur Geburt Christi zu machen.
Angesichts der Tatsache, dass die Geschehnisse um die Geburt Christi umfassend in der Bibel dargestellt und anlässlich der Weihnachtsgottesdienste wiedergegeben und thematisiert werden und im Mittelpunkt des Weihnachtsfestes der Glaube steht, dass Gott Mensch geworden ist, um die Menschen zu erlösen und das Weihnachtsfest auch von christlichen Bräuchen geprägt ist, vermochte die BF im Lichte ihrer wenigen und auch unzutreffenden Angaben nicht von einem ernsthaften Begehen des Weihnachtsfestes als gläubige Christin zu überzeugen.
Die lediglich fragmentarischen Angaben hinsichtlich der Geschehnisse um die Geburt Jesu schlagen sich besonders gravierend auf die Glaubwürdigkeit der behaupteten Konversion der BF nieder, handelt es sich doch hiebei um eine zentrale Bibelstelle und um eines der wichtigsten Hochfeste der Christen.
Einmal mehr spricht das Unwissen der BF gleichzeitig auch gegen eine interessierte Gottesdienstteilnahme der BF, da gerade in den Weihnachtsgottesdiensten, die die BF während ihres Aufenthaltes in Österreich bereits mehrmals durchlaufen haben müsste, die diesbezüglichen Ereignisse ausführlich thematisiert und auch in der Predigt behandelt werden und die christliche Weihnachtszeit auch von verschiedenen Bräuchen geprägt ist.
Auch die Angaben der BF, wie sie das letzte Weihnachtsfest gefeiert hat, sprechen nicht für eine ernsthafte und spirituelle Haltung. So erklärte sie vage, sie hätten die Kirche besucht, wo gemeinsam gebetet und viele christliche Lieder gesungen worden seien, der Pastor habe Geschichten von der Geburt erzählt und gepredigt und viele hätten Kuchen und Essen mitgebracht. Nachgefragt, wie sie abseits des Gottesdienstes persönlich das Weihnachtsfest begangen habe, erklärte die BF, sie seien danach am XXXX gewesen, hätten sich gefreut und seien spazieren gegangen, was nicht für eine persönliche, spirituelle Begehung des Weihnachtsfests spricht.
Die BF wurde auch gefragt, ob sie Angaben zum Zeitraum vor Weihnachten, der für die Christen eine besondere Zeit darstelle, machen könne und erklärte, den Namen dieser Zeit vergessen zu haben, doch hänge es mit vier Kerzen zusammen und werde an vier Sonntagen jeweils eine davon angezündet. Nachgefragt, wo sie weitere Angaben dazu machen könne, erklärte die BF, sie wisse es, doch sei sie leider sehr nervös und habe es vergessen.
In Anbetracht dessen dass die BF angibt, sich seit 2015 für das Christenrum zu interessieren, Gottesdienste und einen Taufvorbereitungskurs und weitere Glaubenskurse besuchte und auch getauft wurde, ist davon auszugehen, dass die BF diesen mehrere Wochen andauernden Zeitabschnitt im Kirchenjahr, welcher als Vorbereitung auf das Weihnachtsfest nicht nur in den Messfeiern ein zentrales Element darstellt, sondern unter anderem auch durch das Symbol des Adventskranzes sowohl im Gottesdienst als auch im Alltag deutlich in Erscheinung tritt, und die BF zumindest bis zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt diesen Zeitraum mehrmals durchlaufen haben müsste, zuordnen und erklären kann, was jedoch nicht geschehen ist und einmal mehr gegen eine ernsthafte Hinwendung der BF zum christlichen Glauben und auch gegen eine interessierte Teilnahme an Gottesdiensten spricht.
An dieser Stelle sei auch die Zeugenaussage des in der hg. Verhandlung einvernommen Pastors erwähnt, welcher erklärte, sie sich im ganzen Monat Dezember auf die Geburt Christi vorbereiten, erwähnt, sodass die BF nach hg. Ansicht zu umfassenderen Angaben in der Lage sein müsste.
Die BF wurde auch aufgefordert, alles, was sie über Ostern weiß, anzugeben und erklärte, dazu vorerst, sie glaube, Ostern sei nach der Auferstehung oder nach Pfingsten, was zum einen nicht zutrifft und zum anderen deutlich macht, dass die BF nicht sicher ist und auch die Abläufe im Kirchenjahr und die in der Bibel geschilderten diesbezüglichen Geschehnisse nicht kennt.
Über Fragewiederholung erklärte die BF, sie sei verwirrt und habe es falsch gesagt. Sie habe es mit einem anderen Fest verwechselt, sie wisse es nicht genau und habe es vergessen und es mit dem Pessachfest verwechselt, ohne weitere inhaltliche Ausführungen zu Ostern zu machen.
Die BF gab auf die Frage nach dem nächsten christlichen Fest an, sie glaube dies sei das Palmfest und erklärte über Nachfragen, Jesus sei mit Palmblättern begrüßt worden, als er auf einem Esel nach Jerusalem gekommen sei, ohne dazu weitere Angaben zu machen. Weiter gefragt, was danach komme, gab die BF an, danach komme die Auferstehung, ohne zutreffend die markanten Ereignisse der Karwoche zu benennen.
Die BF war auch nicht in der Lage anzugeben, wie sie das letzte Osterfest begangen habe, sondern entgegnete, sie könne keine genauen Angaben machen und habe es vergessen.
Die BF vermochte nicht, detailliertere Angaben zu Ostern, dem Palmsonntag, der Karwoche, der Feier des letzten Abendmahls am Gründonnerstagabend – dem Vorabend des Karfreitags – oder den Karsamstag zu machen, sondern blieben ihre Angaben auf obigen Antworten beschränkt. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass für viele evangelische Christen der Karfreitag der wichtigste Feiertag war und ist. Dass die BF, die dem protestantischen Glaubenszeig angehören will, diesen besonderen Tag nicht nennt, spricht einmal mehr gegen die Ernsthaftigkeit ihrer Konversion.
Es kann im Lichte der zitierten Angaben der BF nicht davon ausgegangen werden, dass der BF der Bedeutungsgehalt des zentralen christlichen Hochfestes Ostern in Grundzügen bekannt ist.
Da Leiden, Sterben und Auferstehung Christi als das höchste Fest im Kirchenjahr als Dreitagefeier begangen wird und die Gottesdienste sich seitdem in den meisten Liturgien von der Feier des letzten Abendmahls am Gründonnerstagabend – dem Vorabend des Karfreitags – über den Karsamstag, den Tag der Grabesruhe des Herrn, bis zum Anbruch der neuen Woche am Ostersonntag erstrecken und mit dem Ostersonntag „Sonntag der Auferstehung“ die österliche Freudenzeit (Osterzeit) beginnt, die fünfzig Tage bis einschließlich Pfingsten dauert, müsste die BF zu weitergehenden Angaben in der Lage sein, was jedoch nicht der Fall war und einmal mehr gegen eine Konversion, eine interessierte Gottesdienstteilnahme und ein engagiertes Bibelstudium der BF spricht.
Gerade die Ereignisse um Ostern werden ausführlich in der Bibel dargelegt und auch umfassend im Ostergottesdienst, am Palmsonntag und in der Karwoche sowohl in den Evangelien aus auch in den Predigten thematisiert und auch in der Glaubensgemeinschaft der BF lt. Zeugenaussage des Pastors intensiv und umfassend gefeiert und in Predigten und Unterricht thematisiert wird, weshalb das kaum vorhandene Wissen der BF ohne jeglichen spirituellen Bezug einmal mehr gegen ein engagiertes und interessiertes Bibelstudium und eine interessierte Teilnahme an den Gottesdiensten spricht.
Die BF wurde in der hg. Verhandlung zu ihrer Glaubenspraxis gefragt und erklärte vage, sie versuche, wie eine wahre Christin zu leben und müssen die 10 Gebote, welche für einen Christen wichtig seien, einhalten.
Weitere Angaben wie etwa das Lesen in der Bibel, das persönliche Gebet oder Gottesdienstbesuche, wo sie lt. vorgelegter Bestätigung des Pastors ihrer Glaubensgemeinschaft auch Gebete spricht und aus der Bibel liest, nannte die BF jedoch nicht.
Da von der Kirche der Gottesdienstbesuch der BF bestätigt wurde, wurde diese zum Ablauf eines solchen befragt und erklärte, der Pastor bete für die Anwesenden und es würden christliche Lieder gesungen, er wähle ein Thema und spreche darüber und stelle er manchmal Fragen an die Gemeinschaft, der Gottesdienst werde mit einem Gebet beendet. Darüberhinausgehende Angaben machte die BF nicht.
Gefragt zum zentralen Teil eines Gottesdienstes gab die BF ausweichend und allgemein an, dass alles wichtig sei, doch denke sie das Beten sei am wichtigsten.
Die Angaben der BF machen evident, dass diese hinsichtlich des Gottesdienstablaufes keinerlei inhaltliche Angaben, sondern lediglich wenige organisatorische Elemente und Handlungsabläufe benennen kann. Vor allem fällt auch auf, dass sie das zentrale Element der Wandlung/Eucharistie, das Lesen des Evangeliums und den Kommunionsempfang nicht in ihrer Schilderung erwähnte. Im Lichte dieser Ausführungen der BF ist einmal mehr davon auszugehen, dass ihre Angaben zur Konversion nicht glaubwürdig sind, hätte sie doch andernfalls fundiertere und inhaltliche Angaben zum Gottesdienst, welcher als Zusammenkunft von Menschen mit dem Zweck, mit Gott in Verbindung zu treten, mit ihm Gemeinschaft zu haben, Opfer zu bringen, Sakramente zu empfangen bzw. eine auferlegte religiöse Pflicht zu erfüllen, zu verstehen ist, gemacht.
Die Angaben der BF sind jedoch über die obzitierten wenigen Ausführungen nicht hinausgegangen und lassen die soeben dargelegten Elemente, welche einen Gottesdienst kennzeichnen, zur Gänze unerwähnt.
Die BF war auch nicht in der Lage, das Thema des letzten Sonntagsgottesdienstes zu benennen, sondern erklärte wiederum vage, der Pastor habe ihnen erklärt, wie sie sich in der Coronakrise verhalten sollen und habe er die Geschichte zweier fauler Hühner erzählt, doch könne sie sich nicht genau erinnern.
Im Lichte dieser Angaben ist nicht davon auszugehen, dass der BF das gelesene Evangelium oder die Predigt des Pastors bekannt ist.
Die BF vermochte zwar auf die Frage nach einer Predigt, die sie besonders bewegte, die Geschichte vom Sämann und deren Bedeutung erzählen, sie war darüber hinaus jedoch nicht in der Lage, eine weitere Predigt zu benennen, welche sie besonders beeindruckt habe, sondern gab dazu vage an, es gebe viele Predigten, zB die Ehebrecherin, womit sie jedoch auf eine Bibelstelle und nicht auf eine sie persönlich beeindruckende Predigt verwies.
Die Allgemeinheit der Angaben der BF lässt jedoch keine Rückschlüsse auf spezielle Predigten zu, die sie besonders beeindruckt haben, was angesichts der angegebenen und bestätigten mehrjährigen Gottesdienstbesuche nicht für eine interessierte Teilnahme daran spricht.
Vor allem bei einem neuen und begeisterten Christen, der sich in einem Land, in dem im Gegensatz zum Herkunftsstaat, Glaubensfreiheit herrscht, befindet, kann jedoch davon ausgegangen werden, dass er sich vor allem auch mit Predigten des Priesters auseinandersetzt und besonders einprägsame diesbezügliche Inhalte benennen kann, was die BF jedoch mit ihrer allgemeinen Antwort nicht vermochte.
Im Lichte der Tatsache, dass die Predigt eine besondere Stellung im Neuen Testament und im Gottesdienst einnimmt, lassen die obzitierten Angaben der BF einmal mehr Rückschlüsse auf die mangelnde Ernsthaftigkeit einer Konversion und die interessierte Teilnahme am Gottesdienst zu.
Weiter zu ihrer Glaubenspraxis in Österreich weiter konkret befragt, gab die BF an, sie nehme an Onlinekursen ihrer Freundin, die sie zum christlichen Glauben gebracht habe (Anmerkung: die sie in der hg. Verhandlung jedoch erstmals erwähnte) teil und lese sie regelmäßig in der Bibel. Nach weiteren Aktivitäten gefragt, erklärte die BF, regelmäßig zu beten, wozu die BF das Gebet ‚Vater Unser‘ nannte.
Nach weiteren Gebeten gefragt, antwortete die BF vorerst ausweichend, in eigenen Worten zu beten, um über weiteres Nachfragen, das Glaubensbekenntnis in Bruchteilen wiederzugeben bzw. mit dem ‚Vater Unser‘ zu vermengen. Gefragt, ob das Glaubensbekenntnis im Gottesdienst gebetet werden, verneinte die BF vorerst, bejahte die Frage aber dann doch.
Dass die BF das apostolische Glaubensbekenntnis, welches lt. BF im Gottesdienst gebetet wird und Ausdruck des gemeinsamen Glaubens der Christen ist, nicht wiedergeben kann, spricht einmal mehr gegen die Ersthaftigkeit ihrer Gottesdienstteilnahme und ihrer Konversion.
Die BF wurde gefragt, wann sie zuletzt in der Bibel gelesen habe und gab an, dies am Tag vor der Verhandlung getan zu haben. Nachgefragt, erklärte die BF vage, sie habe Gebete gelesen und die Geschichten, die ihr am meisten gefallen, ohne dazu weitere eigene Ausführungen zu machen. Über Aufforderung, dies zu konkretisieren, nannte die BF die Geschichte von der Heilung eines Kranken durch Jesus und begründete weiter, dass ihr diese gefalle, da sie die Barmherzigkeit Jesu zeige.
Ein besonderes Interesse der BF1 an Bibelinhalten oder ein persönliches, engagiertes Bibelstudium ist aus den bisherigen beweiswürdigenden Ausführungen und Angaben der BF jedoch nicht abzuleiten.
Eine Person, die sich tatsächlich für den christlichen Glauben interessiert, ja sogar angibt, zu diesem konvertiert zu sein, würde jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung und auch nach der langjährigen Erfahrung der erkennenden Richterin im Zusammenhang mit Asylverfahren von Personen, die zum christlichen Glauben konvertiert sind, gerade die Bibel, die als Heilige Schrift mit normativem Anspruch für die ganze Religionsausübung gilt und für Christen die wichtigste Urkunde des Glaubens darstellt, die zentrale Erkenntnisquelle zum Vertiefen und Praktizieren des neuen Glaubens heranziehen und darin lesen, dies vor allem auch deshalb, da im Gegensatz zum Iran, in Österreich eine ungehinderte Auseinandersetzung mit den Inhalten möglich ist.
Der BF war es auch nicht möglich, die Bergpredigt als wichtigste Rede von Jesus zu benennen, sondern erklärte sie auf die diesbezügliche Frage in der hg. Verhandlung ausweichend, es gebe die 10 Gebote. Konkret zur Bergpredigt gefragt, gab die BF an, sie sei nervös und habe es vergessen.
Die Bergpredigt ist ein Textabschnitt des Matthäusevangeliums (Mt 5–7) im Neuen Testament (NT), in dem Jesus von Nazaret seine Lehre verkündet und handelt es sich bei der Bergpredigt um die wohl bekannteste Rede, die Jesus gehalten hat und in der er verkündet, worauf es im Zusammenleben der Menschen ankommt.
Zu einer Lieblingsstelle in der Bibel gefragt, nannte die BF zwar Johannes II , Vers 16 und gab diese über weiteres Nachfragen in drei kurzen Sätzen deren Inhalt zutreffend wieder, ohne dazu weiterführende Angaben zu machen bzw. auszuführen, was sie daran besonders beeindruckte, sodass diesbezüglich nicht von einer ernsthaften Auseinandersetzung und umso weniger von einer Lieblingsstelle ausgegangen werden kann, hätte die BF doch diesfalls von sich aus Angaben gemacht und eigene Gedanken dazu formuliert sowie die persönliche Bedeutung dieser Stelle für sie kundgetan, was jedoch nicht geschehen ist.
Letztlich war die BF auch kaum in der Lage, Angaben über Paulus zu machen und waren ihr die Paulusbriefe gänzlich unbekannt.
Hätte sich die BF jedoch tatsächlich und fundiert mit Bibelinhalten auseinandergesetzt, was sie lt. ihren Angaben bereits seit mehr als fünf Jahren in Österreich macht und zuvor auch schon im Iran getan haben will, wäre sie dazu von sich aus in der Lage gewesen, Ausführungen zu Paulus, der als wichtigster Theologe und Missionar des Urchristentums gilt und den Paulusbriefen als Bestandteil der Bibel zu treffen, was aber nicht geschehen ist.
Dies spricht umso weniger für eine religiöse Betätigung der BF, als in evangelischer Tradition Paulus der biblische Kronzeuge der Reformation war, wonach sich eine besondere Nähe zu seinen Briefen ergibt, sodass die BF, die sich selbst als Protestantin bezeichnet, zumindest ansatzweise über Paulus und vor allem die Paulusbriefe berichten können müsste. Die Paulusbriefe richten sich an von ihm gegründete Gemeinden oder einzelne ihrer Mitglieder. Sie verkünden Jesus Christus in Bezug auf damalige innergemeindliche Konflikte, vor allem zwischen Judenchristen und Heidenchristen. Sie repräsentieren und bewahren die paulinische Theologie und sind die Hauptquellen für biografische Informationen zu Paulus. Als wesentlicher Bestandteil des Bibelkanons haben sie bleibende Bedeutung im Christentum, wozu die BF jedoch keine Angaben machen konnte.
Angesichts des mehr als fünfjährigen Zeitraumes, in dem die BF in Österreich dem christlichen Glauben angehören will, der Zeit, die ihr zur Verfügung steht und der Bibelorientiertheit der Gemeinschaft, der die BF angehört, müsste davon auszugehen sein, dass sich zumindest die zentralen Bibel- und Glaubensinhalte nachhaltig bei der BF verfestigt haben. Aufgrund der soeben dargelegten Angaben bzw. Unkenntnis der BF kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die BF Bibelwissen angeeignet und sich mit Bibelinhalten ernsthaft und aus persönlichem, spirituellen Interesse auseinandergesetzt hat, was einmal mehr gegen die Glaubwürdigkeit ihrer Konversion spricht.
In diesem Konnex fällt auch auf, dass die BF im Zuge der Befragung zu ihrer Integration in Österreich und der Schilderung ihres Tagesablaufes keinerlei Glaubensbetätigung wie das persönliche Gebet oder das Lesen in der Bibel nannte, was einmal mehr indiziert, dass eine christliche Glaubenspraxis durch die BF nicht ausgeübt wird.
Die soeben dargelegten Antworten und Vorgehensweisen der BF vermitteln deutlich ein Gesamtbild, wonach eine tatsächliche, ernsthafte und inhaltliche Auseinandersetzung mit christlichen Glaubensinhalten und eine ernsthafte Glaubenspraxis nicht gegeben ist, sodass nicht von einer Konversion im Sinne einer inneren, tatsächlichen Hinwendung zum Christentum ausgegangen werden kann, sondern von einer Konversion, welche lediglich zum Schein erfolgte.
Vielmehr sprechen die in der hg. Verhandlung hervorgekommenen Aktivitäten und Kenntnisse der BF, wie durch die umfassende Befragung der BF in der hg. Verhandlung, in der sich die erkennende Richterin einen persönlichen Eindruck von der BF verschaffen konnte, hervorgekommen ist, für keine substantiierte spirituelle Haltung, welche von einer Person, die sich aus freien Stücken einem neuen Glauben zugewendet, diesen über mehrere Jahre praktiziert und sich sogar für die Taufe entschieden hat, zugrunde liegt, sondern dafür, dass die BF dieses Sakrament aus Opportunitätserwägungen an sich vornehmen ließ.
Ein Indiz dafür ist auch in der Antwort der BF zu erblicken, indem sie in Zusammenhang mit ihrer Glaubenspraxis erklärte, in der Unterkunft seien ihnen auch weitere Kurse empfohlen worden, die wichtig für ihren Akt seien.
Von einer missionarischen Tätigkeit der BF, welche die Weitergabe von Glaubenslehre, die Verkündung des Glaubens und die Bekehrung zu dem betreffenden Glauben beinhaltet, kann bei der BF aufgrund der bisherigen hg. Ausführungen nicht ausgegangen werden.
Die BF hat in der hg. Verhandlung auch eine Bestätigung des XXXX vom XXXX vorgelegt, wonach sie wonach sie dort seit Februar 2018 die Gottesdienste besucht und einen 10-wöchigen Jüngerschaftskurs sowie zwei Wochenendseminare absolvierte und an vielen kirchlichen Veranstaltungen teilgenommen habe, auch das Lesen der Hl. Schrift und das Gebet im Gottesdienst übernahm und diese kirchliche Zeitschriften verteile. Ebenso brachte sie eine Mitgliedschaftsbestätigung des XXXX in Vorlage.
Auch diese Bestätigungen vermochten nichts an der soeben dargelegten hg. Ansicht zu ändern, konnten diese doch auch lediglich nach außen in Erscheinung tretende Faktoren betreffend der von der BF angegebenen Konversion, welche seitens des erkennenden Gerichts auch festgestellt wurden, wiedergeben.
Die alleinige Präsenz zB in einem Gottesdienst sowie dortige Aktivitäten und in weiteren kirchlichen Veranstaltungen lässt jedoch nicht gleichzeitig auf eine innere Haltung im Sinne einer interessierten Teilnahme und spirituellen Auseinandersetzung schließen, was auch durch die Antwort der BF evident wird.
Auch der in der hg. Verhandlung einvernommene Zeug vermochte mit seiner Aussage sowie den vorgelegten Fotos, welche die BF bei Veranstaltungen der Glaubensgemeinschaft zeigen, nichts an der soeben dargelegten hg. Ansicht zu ändern, konnte dieser doch auch lediglich nach außen in Erscheinung tretende Faktoren (wie die bereits schriftlich bestätigten genannten Aktivitäten und die Teilnahme an einem mehrstufigen Ausbildungsprogramm) betreffend der angegebenen Konversion der BF, welche seitens des erkennenden Gerichts auch festgestellt wurden, wiedergeben.
Wenn in einer Bestätigung am Rande auch von einer Aktivität der BF auf sozialen Medien die Rede ist, so ist dazu vor allem festzuhalten, dass die BF eine solche Aktivität in der hg. Verhandlung trotz umfassender Befragung zu ihrer Glaubenspraxis nicht erwähnte, sodass nicht davon auszugehen ist, dass eine solche Aktivität intensiv erfolgte und markant in Erscheinung tritt und offensichtlich auch die BF dieser Aktivität keine besondere Bedeutung zumisst, da sie andernfalls eine solche von sich aus erwähnt hätte, was jedoch nicht geschehen ist. Über konkretes Befragen gab die BF schließlich an, seit einem Monat nichtmehr aktiv zu sein und seien ihre früheren Aktivitäten auch unter einem Spitznamen erfolgt. Die BF konnte ihre Aktivitäten auch nicht konkretisieren, sondern führte aus, meistens Fotos oder Bibelinhalte geostet zu haben.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang explizit auch folgende Feststellung der Staatendokumentation des BFA: Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden.
Im Lichte der soeben zitierten Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die BF, die vor dem Verlassen des Iran keine Verbindung zum Christentum hatte (vgl. dazu die diesbezüglichen hg. beweiswürdigenden Ausführungen), aufgrund allfälliger Aktivitäten unter einem Spitznamen auf Facebook im Rückkehrfall einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre.
Es lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür ableiten, dass die BF derart in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten wäre, sodass sie unter Beobachtung steht und ihre Betätigung im christlichen Umfeld insofern registrieren möchte, um sie - im Falle der Rückkehr - wegen Abfalls vom Glauben ("Apostasie") zu belangen, woran auch der formale Akt der Taufe in Österreich nichts zu ändern vermag, ist doch nicht davon auszugehen, dass iranische Behörden alle im Ausland vorgenommenen Taufen beobachten und registrieren, was auch deren faktische Möglichkeiten bei weitem übersteigen würde.
Überdies kann nicht davon ausgegangen werden, dass der iranische Staat sämtliche Aktivitäten iranischer Staatsbürger im Internet überwacht und dazu auch nicht die faktischen Möglichkeiten hat. Die BF hat den Herkunftsstaat nicht vorverfolgt verlassen, hat sich in keiner Weise exponiert und kann aufgrund des bisherigen Vorbringens der BF nicht davon ausgegangen werden, dass sie im Rückkehrfall in den Fokus der iranischen Behörden geraten oder für diese von irgendeinem Interesse sein könnte.
Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf die hg. länderkundlichen Feststellungen zur Thematik exilpolitische Feststellungen und Apostasie/Konversion, welche insgesamt davon ausgehen, dass vor allem Aktivitäten, die als Angriff auf das System empfunden werden oder die islamischen Grundsätze in Frage stellen, im Fokus stehen; auch wird darin festgehalten, dass es einige Geistliche waren, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, und zuvor im Ausland zum Christentum konvertiert waren. Bei der Person der BF handelt es sich jedoch nicht um einen Geistlichen.
Für Aktivitäten im Internet gilt ferner derselbe Maßstab wie für sonstige exilpolitische Tätigkeiten. Alle Aktivitäten sind im Zusammenhang zu würdigen. Untergeordnete exilpolitische Tätigkeiten, die nicht geeignet sind, auf die Verhältnisse im Heimatland ernsthaft einzuwirken, und aus der Sicht des iranischen Staates keine Gefahr begründen, können mit dem Gefährdungspotenzial inneriranischer Systemkritik via Internet nicht verglichen werden. Mit Internetauftritten wie einem Weblog und regimekritischen Artikeln und Bildern in Facebook hebt sich jemand nicht aus der Masse der iranischen Asylwerber hervor, die im Internet präsent sind. Schon die Masse der Internetportale, Blogs und sonstiger Seiten von iranischen Oppositionellen - geschätzt 60.000 – spricht gegen eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr. (vgl. dazu auch VG Würzburg, U.v. 18.04.2012 – W 6 K 11.30147 5381344).
Bezüglich der im Verfahren vorgelegten Anzeige über den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft wird festgehalten, dass lt. Auskunft der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich vom 04.10.2016 an das BFA die Privatsphäre der betreffenden Personen geschützt wird und wurde hinsichtlich der betreffenden Daten festgehalten, dass keine diesbezüglichen Angaben nach außen getragen werden, sodass dadurch keine asylrelevante Gefährdung für die BF abzuleiten ist.
Für die Beurteilung, ob es sich bei der Konversion der Beschwerdeführerin um eine Scheinkonversion handelt, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH und VwGH der Frage der inneren (Glaubens-)Überzeugung des Beschwerdeführers maßgebliche Bedeutung zu. Für diese Beurteilung ist insbesondere der persönliche Eindruck des Beschwerdeführers wesentlich (vgl. dazu jüngst: VfGH, 23.09.2019, E968/2019).
Die erkennende Richterin konnte sich vom Wissensstand zu Glaubensinhalten und der persönlichen Auseinandersetzung der BF mit Inhalten des christlichen Glaubens und der Bibel, dem Praktizieren dieses Glaubens und von dieser selbst in der hg. Verhandlung einen persönlichen Eindruck verschaffen und kam klar und zweifelsfrei zu dem Schluss, dass dieser für die Annahme einer tatsächlichen, ernsthaften Konversion im Sinne der unter Pkt. 3.4. genannten Definition nicht ausreichend ist.
Auf die in das hg. Erkenntnis aufgenommenen Ausführungen der BF sei verwiesen, welche das Verhältnis der BF zum christlichen Glauben deutlich dokumentieren, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass die BF sich intensiv mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt und sich in weiterer Folge ernsthaft und nachhaltig dem Christentum zugewandt hat, dieser für sie identitätsstiftend ist bzw. im Falle einer Rückkehr im Iran diesen Glauben praktizieren wird und deshalb in das Blickfeld der Behörden geraten oder missionierend bzw. in einer herausgehobenen Position tätig sein wird.
Letztlich ergab das hg. Beweisverfahren aus den dargelegten Gründen nicht, dass der christliche Glaube bereits derart tief in der BF verwurzelt ist, dass dieser Bestandteil ihrer Identität geworden ist.
3.2.2.2. Dass die vorgebliche Konversion der Beschwerdeführerin, ihre Taufe, ihre Teilnahme an einem Taufvorbereitungskurs, an weiterführenden Kursen und ihre Teilnahme an Gottesdiensten sowie am Pfarrleben den iranischen Staatsorganen bereits bekannt geworden ist, hat diese nicht glaubwürdig behauptet.
Aus dem ausreisekausalen Vorbringen der BF1, welches aus den dargelegten Gründen als unglaubwürdig zu qualifizieren war, ergibt sich nicht, dass diese in politischer oder religiöser Hinsicht in irgendeiner Form auffällig geworden und in das Visier der iranischen Behörden geraten ist.
Es lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür ableiten, dass die Beschwerdeführerin derart in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten wäre, sodass sie unter Beobachtung steht und ihre Betätigung im christlichen Umfeld insofern registrieren möchte, um ihn - im Falle der Rückkehr - wegen Abfalls vom Glauben ("Apostasie") zu belangen, woran auch der formale Akt der Taufe, nichts zu ändern vermag, ist doch nicht davon auszugehen, dass iranische Behörden alle Taufen beobachten und registrieren, was auch deren faktische Möglichkeiten bei weitem übersteigen würde.
In den länderkundlichen Feststellungen wird auf Personen bezuggenommen, welche tatsächlich zum christlichen Glauben konvertiert sind und sich durch das Praktizieren dieses Glaubens unter Umständen einer Gefährdung aussetzen können.
Die hg. Beweiswürdigung ergab jedoch, dass im Falle der Beschwerdeführerin gerade keine ernsthafte Konversion zum christlichen Glauben existent ist, sodass in weiterer Konsequenz auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie den christlichen Glauben, dem sie sich, wie die Beweiswürdigung zeigte, lediglich zum Schein zugewandt hat und diesen nicht tatsächlich und ernsthaft praktiziert und dieser auch nicht Bestandteil ihrer Identität geworden ist, diesen umso weniger im Rückkehrfall in den Iran praktizieren bzw. ein diesbezügliches Bedürfnis haben wird, sodass im Hinblick auf die in den Länderfeststellungen zitierten Quellen, welche allesamt von einer tatsächlichen ernsthaften Konversion, welche auch den Wunsch, den Glauben zu praktizieren, beinhaltet, im gegebenen Fall nicht mit asylrelevanten Konsequenzen zu rechnen ist (vgl. dazu auch EGMR, 19.12.2017, 60342/16 A. gg. die Schweiz – eine Konversion führt nur bei Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit zur Verfolgung im Iran:...dass Konvertiten im Iran nur dann dem Risiko einer Misshandlung ausgesetzt sind, wenn sie durch die öffentliche Ausübung ihres Glaubens die Aufmerksamkeit der iranischen Behörden erregen.). Dass trotz Widerruf einer erfolgten Taufe eine Gefährdung lt. Bericht des Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (DIS/DRC) aus dem Jahr 2014 möglich ist, kann nicht festgestellt werden. In das aktuelle Länderinformationsblatt wurde der aktuelle Bericht des DIS/DRC aus dem Jahr 2018 ebenso aufgenommen, doch findet sich darin keine solche Information, wie im Bericht aus dem Jahr 2014, sodass davon ausgegangen werden kann, dass der diesbezügliche Informationsstand aus dem Jahr 2014 nicht mehr aktuell ist. Auch, wenn im aktuellen Bericht auf die Meinung einer Organisation verwiesen wird, die sich um Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten kümmert, wonach eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (es wird sohin von einer bloßen Möglichkeit ausgegangen), so steht dem die Aussage von Amnesty International und einer anonymen Quelle vor Ort gegenüber, wonach eine Taufe keine Bedeutung habe. Das erkennende Gericht misst dieser Aussage von Amnesty International, in diesem Zusammenhang mehr Gewicht zu, handelt es sich doch hiebei um eine internationale Organisation, die sich weltweit für Menschenrechte einsetzt und Menschenrechtsverletzungen recherchiert und darüber berichtet, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Organisation im Falle, dass sie das alleinige Faktum der Taufe als problematisch ansehen würde, nicht berichten würde, dass diese keine Bedeutung habe. Auch ist, wie bereits festgehalten, nicht ersichtlich bzw. nicht davon auszugehen, dass die iranischen Behörden Kenntnis von der Taufe der BF haben.
3.3.1. Zu den Ausreisegründen des Beschwerdeführers 2
Der Beschwerdeführer 2 erklärte zur Begründung seines Asylantrages im Wesentlichen, aufgrund der Konversion zum Christentum und der daraus resultierenden Bedrohungen durch seinen Bruder, einem Sepah-Angehörigen, den gegenständlichen Asylantrag gestellt zu haben.
Das Vorbringen des BF2 hält jedoch aus nachfolgenden Gründen einer Glaubwürdigkeitsprüfung nicht stand:
Der BF2 gab an, sich bereits im Iran dem Christentum zugewandt zu haben, was letztlich die geltend gemachten Probleme verursacht habe.
Vorerst sei an dieser Stelle auch auf die hg. Beweiswürdigung im Verfahren der Frau des BF2, der BF1 verwiesen, welche im wesentlichen dieselben Ausreisegründe wie der BF2 selbst angab (zur Zulässigkeit der beweiswürdigenden Einbeziehung der als unglaubhaft erachteten Angaben von Mutter und Schwester aus deren Verfahren vgl. jüngst VwGH 01.10.2020, Ra 2020/20/0332-6), sodass auch daraus im Lichte der Beweiswürdigung zu den Angaben der BF1 einmal mehr auf die Unglaubwürdigkeit der Angaben des BF2 geschlossen werden kann.
Doch auch bereits hinsichtlich der angegebenen Hinwendung zum Christentum im Iran sind die Angaben des BF nicht miteinander in Einklang zu bringen.
So erklärte der BF, im Iran durch seine Frau, die sich informiert habe, in Kontakt zum Christentum gekommen zu sein, in der Folge hätten sie eine Hauskirche besucht. Im Gegensatz zu seiner Frau erklärte der BF jedoch hinsichtlich der Frequenz der Hauskirchenbesuche, diese Besuche hätten nicht regelmäßig einmal wöchentlich stattgefunden.
Im Zusammenhang mit dem Hauskirchenbesuch befragt, fallen auch die vagen Antworten des BF dazu auf, welche auch durch wiederholtes Nachfragen ihrem Inhalt nach nicht konkretisiert wurden.
Illustrativ sei dazu folgende Passage aus der hg. Verhandlungsschrift zitiert (VHS 27):
VR: Können Sie eine genauere Adresse (Anm.: der Hauskirche) nennen?
BF: Nein ich habe es vergessen. Die Adresse habe ich nicht im Kopf.
VR: Wie liefen solche Treffen ab?BF: In diesen ein oder zwei Stunden haben wir uns unterhalten, gebetet und christliche Lieder gesungen, das war alles.
Zum einen fällt in diesem Zusammenhang auch auf, dass der BF keinerlei spirituelle Inhalte oder konkrete Angaben zu den behaupteten Hauskirchenbesuchen machte und zum anderen sticht hervor, dass der BF über weiteres Nachfragen der Richterin nach Gottesdiensten angab, dass im Zuge der Hauskirche Gottesdienst gefeiert wurde, ohne jedoch beim oben wiedergegebenen Ablauf der Hauskirche zentrale Elemente eines Gottesdienstes, wie zB das Lesen des Evangeliums, Predigt, Wandlung oder Kommunionsempfang zu benennen, was einmal mehr dagegen spricht, dass der BF im Iran tatsächlich Hauskirchen besucht hat.
Im Gegensatz zu seiner Frau (BF1) gab der BF auch an, dass die Freundin der Frau, über welche diese zum Christentum gefunden hätte, auch an den Hauskirchentreffen teilgenommen habe.
Nicht nachvollziehbar ist auch, dass sich der BF weder an die Adresse der Hauskirche noch an Namen der anderen Teilnehmer erinnern will.
Der BF erklärte zwar, es sei im Zuge der Treffen auch Bibelunterricht erfolgt, konkret danach gefragt, gab er jedoch lediglich vage und allgemein an, es sei ihnen in den Sitzungen gesagt worden, warum Jesus gekreuzigt worden sei, ohne dazu irgendwelchen weiterführenden Ausführungen oder Angaben zu machen.
Im Zusammenhang mit dem angegebenen Hauskirchenbesuch des BF lassen seine Ausführungen, welche sich auf wenige kurze, allgemeine Sätze beschränken, die sich lediglich aus den ihm gestellten Fragen ergeben, spirituelle Eindrücke oder Begegnungen mit anderen Teilnehmern oder zB von diesen diskutierte Fragen und Auslegungen der Bibel gänzlich vermissen, sodass nicht davon auszugehen ist, dass der BF tatsächlich Hauskirchen im Iran besucht hat.
Gerade von einer Person, welche sich einem neuen Glauben zugewendet hat und welche die im Herkunftsland verbotene und daher risikobehaftete Möglichkeit wahrnimmt, an einer Hauskirche teilzunehmen, müssen solche Erlebnisse doch mit zahlreichen Emotionen verknüpft und von äußerster Einprägsamkeit sein.
Dass sich der BF jedoch nicht einmal ansatzweise an inhaltliche Besonderheiten oder einprägsame Wahrnehmungen, ebensowenig an die Adresse und die Namen anderer Teilnehmer erinnern kann, ist nicht nachzuvollziehen und daher das Vorbringen, wonach der BF vor seiner Ausreise seit dem Jahr 2015 lt. seinen Angaben ein paarmal, nicht so oft, eine Hauskirche besucht haben will, einmal mehr als unglaubwürdig zu qualifizieren. Diese Angabe entspricht auch nicht den Ausführungen der BF1, welche erklärte, der BF2 sei 2-3 Monate nach ihr zum Christentum gekommen und hätten sie dann alle christlichen Aktivitäten gemeinsam unternommen, wozu sie erstmal in der hg. Verhandlung angab, regelmäßig einmal wöchentlich eine Hauskirche besucht zu haben.
Da vor allem Ereignisse, die mit massiven Emotionen verknüpft sind bzw. die dazugehörigen Bilder sehr nachhaltig im Gedächtnis haften, ist hier ein normalpsychologisches Vergessen als Erklärung für die divergierenden und nicht kompatiblen Angaben keine wahrscheinliche Erklärung (Prim. Dr. XXXX , Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Gutachten vom 24.04.2014 zu L506 XXXX )
Nach hg. Ansicht hat diese gutachterliche Feststellung Allgemeingültigkeit und kann auch auf das gegenständliche Verfahren umgelegt werden.
Widersprüchlich sind auch die Ausführungen des BF zur Person, durch die er zum Christentum gekommen sein will. So gab er einerseits in der hg. Verhandlung an, seine Informationsquellen seien der Fernseher und die Freundin seiner Frau gewesen, um etwas später über Nachfragen der Richterin zu erklären, über seine Freu zum Christentum gekommen zu sein.
Weiter gefragt, was ihm seine Frau erzählte, das ihn vom Christentum überzeugte, blieben die Angaben des BF wiederum äußerst vage und auf wenige allgemeine Sätze beschränkt (VHS 27, 28: Meine Frau hat mir erzählt, wer Jesus war. Er besteht aus Liebe, Freundlichkeit und Vergebung. Sie hat immer wieder zu mir gesagt, die Bibel und den Koran zu vergleichen. Nachgefragt, ich habe die Bibel im Iran gelesen, den Koran jedoch nicht).
Gerade derart wegweisende Punkte, wie erste Gespräche über den neuen Glauben und die Inhalte, die ihn zur Hinwendung zum neuen Glauben veranlassten, müssten vom BF jedoch aufgrund der Einprägsamkeit und nachhaltigen Eindrücke genauer hinsichtlich der Inhalte beschrieben werden können und müsste der BF auch zur Schilderung von diesbezüglichen Gesprächen und Fragen sowie spirituellen Eindrücken und Emotionen in der Lage sein, was jedoch nicht geschehen ist und nicht für den Beginn eines nachhaltigen Interesses des BF am christlichen Glauben spricht.
Im Lichte der obzitierten Angaben des BF in der hg. Verhandlung wird deutlich, dass dieser nicht in der Lage war, seine Angaben hinsichtlich der Glaubensfindung und Glaubenspraxis im Iran substantiiert und nachvollziehbar dazulegen, sodass die diesbezüglichen Angaben als unglaubwürdig zu qualifizieren sind.
Auch auf das widersprüchliche Vorbringen der BF1, welche in engem inhaltlichen Zusammenhang zu den Angaben des BF2 stehen, sei an dieser Stelle nochmals ausdrücklich verwiesen.
Eine Hinwendung des BF zur christlichen Religion im Iran ist aus den dargelegten Überlegungen zu verneinen, sodass in logischer Konsequenz auch die geltend gemachten daraus resultierenden Probleme als unglaubwürdig zu qualifizieren sind.
Insofern der BF als auslösendes Ereignis für die Probleme im Iran die Entdeckung seiner Kreuztätowierung auf dem Oberarm durch seinen Bruder, der bei der Sepah und Mitglied einer strenggläubigen Familie sei, nannte ist folgendes auszuführen:
Vorerst ist hier auf die behördliche Beweiswürdigung zu verweisen, wonach die Angaben des BF widersprüchlich seien; so habe er in der Erstbefragung angegeben, aufgrund von Problemen mit der Familie und dem Staat nach Armenien gereist zu sein, wohingegen er in der behördlichen Einvernahme erklärt habe, wegen der Taufe nach Armenien gereist zu sein. Die in der Erstbefragung angegebenen Probleme habe er zu diesem Zeitpunkt nicht erwähnt, sondern habe der BF Probleme erst nach der Rückkehr aus Armenien ins Treffen geführt. Auch habe der BF anlässlich der Erstbefragung angegeben, von Armenien in den Iran zurückgeschickt worden zu sein, in der Einvernahme habe der BF jedoch eine freiwillige Rückreise in den Iran angegeben, wofür auch spreche, dass dem BF die beabsichtigte Taufe abgeraten worden sei. Auch sei nicht glaubwürdig, dass der BF vor seiner Ausreise nach Armenien Probleme gehabt habe.
Diesen beweiswürdigenden Ausführungen des BFA tritt die erkennende Richterin vollinhaltlich bei und wird hervorgehoben, dass bereits die soeben wiedergegebenen markanten Divergenzen hinsichtlich der chronologischen Abläufe im Herkunftsstaat geeignet sind, dem betreffenden Vorbringen die Glaubwürdigkeit zur Gänze abzusprechen.
Das BFA führte ferner beweiswürdigend aus, die Frau des BF habe im Gegensatz zu diesem angegeben, sein Bruder habe sie mit dem Messer verletzen wollen, wohingegen er eine Verletzungsabsicht auf seine Person bezogen genannt habe.
Auch zur Person, welche attackiert wurde ist sohin eine massive Divergenz im Vorbringen der BF1 und des BF2 zu erblicken, sodass einmal mehr die betreffenden Angaben der beiden Beschwerdeführer, welche nicht miteinander kompatibel sind, als unglaubwürdig zu qualifizieren sind.
Der BF erklärte darüber hinaus, erstmals und sein diesbezügliches Vorbringen in der hg. Verhandlung nicht unerheblich steigernd, von seinem Bruder auch zwei Schläge in das Gesicht erhalten zu haben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Vorbringen insbesondere auch dann nicht als glaubhaft anzusehen, wenn dieses im Laufe des Instanzenzuges gesteigert wird (VwGH v. 7.12.1988, 88/01/0276,0284, VwGH v. 2.2.1994, 93/01/1035 auch VwGH vom 10.10.1996, ZI 96/20/0361; vgl. auch VwGH vom 17.6.1993, ZI 92/01/0776, vom 30.6.1994, ZI 93/01/1138, oder vom 19.5.1994, ZI 94/19/0049).
Die Behauptung, wonach der BF und seine Frau einem militärisch ausgebildeten Mann entwischen haben können, sei lt. behördlicher Beweiswürdigung nicht plausibel. Ferner seien der BF und seine Frau bei den Eltern des BF leicht auffindbar gewesen und haben der BF und seine Frau hinsichtlich seiner Tätowierung unterschiedliche Angaben gemacht. Während die Frau des BF angegeben habe, der Schwager habe die Tätowierung gesehen, als sich ihr Mann umgezogen habe, habe der BF nicht von einem Umziehen gesprochen, sondern davon, dass seine Tätowierung unter dem Ärmel seines Shirts ‚herausgeblitzt‘ sei. Auch die Bedrohung durch den Schwager sei nicht glaubwürdig, da der BF nicht angeben habe können, wie er habe entkommen können und seien die diesbezüglichen Schilderungen des BF vage und unkonkret.
Auch diesen Ausführungen des BFA wird seitens des erkennenden Gerichts vollinhaltlich beigetreten.
Desweiteren erklärte der BF, dass es von dem betreffenden Vorfall bis zur Ausreise ein- bis zwei Monate gedauert habe und hätten sie sich während dieses Zeitraumes bei seiner Schwiegermutter aufgehalten. Warum sie der Bruder des BF dort nicht aufsuchte, ist nicht plausibel.
Widersprüchlich sind auch die Angaben des BF2 und der BF1 hinsichtlich der Berufstätigkeit der BF1 in diesem Zeitraum. Während sie selbst erklärt hatte, noch ihrer Arbeit, wenn auch nicht mehr lange, nachgegangen zu sein, verneinte der BF2 dies dezidiert und gab über Vorhalt des widersprüchlichen Vorbringens an, er sei nervös und könne sich nicht konzentrieren, auch seien bereits 6 Jahre seit dem Vorfall vergangen.
Da sich die unterschiedlichen Angaben der Beschwerdeführer jedoch nicht nur auf Nebenumstände beziehen, kommt den widersprüchlichen Ausführungen sehr wohl Bedeutung im Zuge der hg. Beweiswürdigung zu.
Auch fällt auf, dass der BF den Vorfall, bei dem er bzw. seine Frau von seinem Bruder mit einem Messer bedroht und in weiterer Folge mehrmals per SMS mit dem Umbringen bedroht worden sei, in der Erstbefragung nicht erwähnte, sondern dort allgemein von Schwierigkeiten mit der Familie sprach.
Der BF gab dazu in der hg. Verhandlung befragt ausweichend an, dies auch in der Erstbefragung angegeben zu haben, was jedoch im Widerspruch zum betreffenden Protokoll steht.
Gem. § 15 AVG liefert eine gem. § 14 aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und über den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Beweises zulässig bleibt. Mit den vom Beschwerdeführer dargelegten Argumenten gelingt es ihm mangels Substantiiertheit nicht, den vollen Beweis der gegenständlichen Niederschriften zu entkräften.
Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat, spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, 92/01/0181).
Einem Asylwerber muss klar sein, dass gerade eine die Gefahr des Umbringens für die Glaubhaftmachung einer Verfolgungssituation besondere Bedeutung hat, sodass er keine sich bietende Gelegenheit zu einem solchen Vorbringen ungenützt lässt (vgl. VwGH 07.06.2000, 2000/01/0205).
An dieser Stelle sei auch die höchstgerichtliche Judikatur festgehalten, wonach davon auszugehen ist, dass ein Asylwerber im Falle tatsächlicher Verfolgung keine sich ihm bietende Gelegenheit verstreichen lassen würde, diese vorzubringen (vgl. VwGH 07.06.2000, 2000/01/0205) und nicht die soeben dargelegte Vorgehensweise wie die BF1 wählt.
Das spätere Vorbringen des BF2 hinsichtlich der verschiedenen massiven Bedrohungen (Messerattacke, mehrmaliges Drohen mit dem Umbringen per SMS und darüberhinaus in einem Anruf) durch den Bruder des BF2, die die beiden BF letztlich zur Ausreise und Asylantragstellung veranlasst haben sollen, ist sohin nicht als glaubwürdig zu qualifizieren.
Das BVwG verkennt dabei nicht, dass sich die Erstbefragung nach § 19 Abs 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, es wäre aber dennoch zu erwarten gewesen, dass die Beschwerdeführerin ein - zumindest in den wesentlichen Punkten - annähernd gleichbleibendes Vorbringen zu seinem Ausreisegrund erstattet und es nicht, wie im vorliegenden Fall, zwischen der Erstbefragung und der nachfolgenden Einvernahme vor dem BFA zu gravierenden Widersprüchen kommt. Bereits aufgrund dieser markanten Divergenzen der Angaben des BF2 zwischen Erstbefragung und behördlicher Einvernahme ist nicht von der Glaubwürdigkeit seiner Angaben auszugehen.
Dem Beschwerdeführer wurde eingangs der Erstbefragung überdies ein Merkblatt über die Rechte und Pflichten ausgefolgt und dieser dahingehend belehrt, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung des Bundesamtes sind und wurde der BF aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben zu machen und an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken und wurde ihm mitgeteilt, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben können. Der BF gab ferner an, den Dolmetscher gut zu verstehen und verneinte die Frage nach allfälligen Beschwerden, die ihn an der Befragung hindern und gab darüber hinaus an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können und erklärte, nach Rückübersetzung, alles verstanden und keine Ergänzungen oder Korrekturen vorzunehmen zu haben, was er letztlich mit seiner Unterschrift bestätigte.
Gem. § 15 AVG liefert eine gem. § 14 aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und über den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Beweises zulässig bleibt.
In diesem Zusammenhang sei die rezente Judikatur des VwGH, Ra 2019/20/0526 und 0527-6 vom 26.02.2020 hervorgehoben, welche zur beweiswürdigenden Gegenüberstellung von Erstbefragung und Einvernahme Folgendes festhält:
Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl ist es aber nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429, mwN).
Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist es weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten zwischen der Erstbefragung und späteren Angaben einzubeziehen; es bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind (vgl. VwGH 12.8.2019, Ra 2019/20/0366, mwN).
Es besteht jedoch keine generelle Unzulässigkeit, auf die Steigerung im Fluchtvorbringen zwischen der Erstbefragung und den weiteren Einvernahmen abzustellen (VwGH 26.08.2020, Ra 2020/18/0132-12).
Ferner ist zu bemerken, dass der BF in der hg. Verhandlung erstmalig erklärte, sein Bruder habe nach der Messerattacke Droh-SMS geschickt und auch angerufen.
Als Erklärung für das bisherige Unterbleiben der Angaben hinsichtlich des mehrfachen Erhaltes solcher SMS gab der BF in der hg. Verhandlung an, es könne sein, dass er es nicht in der behördlichen Einvernahme erwähnt habe, was jedoch kein plausibles Argument für das Unterbleiben entsprechender Angaben darstellt. Auch in diesem Zusammenhang ist auf die bereits zitierte Judikatur, wonach kein Asylwerber im Falle tatsächlicher Verfolgung jede Gelegenheit nützen würde, eine solche auch vorzubringen, was im vorliegenden Fall jedoch nicht geschehen ist und einmalmehr gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben des BF spricht. Auch in diesem Punkt steigerte der BF seine Angaben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Vorbringen insbesondere auch dann nicht als glaubhaft anzusehen, wenn dieses im Laufe des Instanzenzuges gesteigert wird (vgl. dazu die bereits zitierte höchstgerichtliche Judikatur).
Während die BF1 erklärte, es sei gleich nach dem Eintreffen bei deren Eltern zum Erhalt der ersten SMS gekommen, gab der BF2 an, die Bedrohung durch SMS habe erst am nächsten Tag begonnen.
Der BF gab auch an, er könne sich nicht erinnern, wann es zur letzten Bedrohung gekommen sei. Erst über Nachfragen nach einer konkreten Drohung gab der BF an, sein Bruder habe ihm angekündigt, ihn im Pyjama aus dem Bett zu ziehen und ihn an die Regierung auszuliefern.
Dies entspricht nicht den Angaben der BF1, welche dazu erklärt hatte, der Bruder habe angerufen und angekündigt, dass er gesetzlich alles in die Wege geleitet habe, weshalb sie den anderen Bruder des BF2 ersucht hätten, Tickets für die Türkei zu besorgen.
Auch die Tatsache, dass die beiden Beschwerdeführer den Auslöser für die Ausreise, nämlich die behauptete Mitteilung des Bruders des BF2, die Einleitung eines Verfahrens veranlasst zu haben, nicht stimmig schildern, belastet das Vorbringen der Beschwerdeführer einmal mehr mit Unglaubwürdigkeit, wäre doch davon auszugehen, dass gerade der letztgenannte Anruf von beiden BF in gleicher Weise geschildert wird, hat dieser doch offensichtlich den Entschluss ausgelöst, Flugtickets zu kaufen und das Land zu verlassen, sodass es sich hier um ein einschneidendes Ereignis gehandelt haben müsste.
Markant unterschiedlich sind schließlich die Angaben der beiden Beschwerdeführer zum Adressaten der Bedrohung. Während der BF2 hg. erklärte, ausschließlich er sei am Handy von seinem Bruder bedroht worden, gab die BF1 an, sie selbst sei vom Bruder des BF2 mehrmals mit dem Umbringen bedroht worden.
Auch zum Entdecken der Tätowierung sind die Angaben der BF nicht stimmig.
Bereits das BFA verwies beweiswürdigend auf das unterschiedliche Vorbringen der BF1 und des BF2. Während die BF1 angegeben habe, der Schwager habe die Tätowierung gesehen, als sich ihr Mann umgezogen habe, habe der BF2 nicht von einem Umziehen gesprochen, sondern davon, dass seine Tätowierung unter dem Ärmel seines Shirts ‚herausgeblitzt‘ sei.
Besonders eklatant voneinander abweichend zeigt sich aus das Vorbringen der BF1 und des BF2 zur angegebenen Messerattacke des Schwagers/Bruders. Bereits das BFA hob hervor, dass der Mann der BF1 im Gegensatz zu dieser angegeben habe, sein Bruder habe ihn mit dem Messer verletzen wollen, wohingegen die BF1 erklärte, sie selbst sei das Ziel der Messerattacke ihres Schwagers gewesen, worin ein erheblicher Unterschied gelegen ist.
Letztlich ist zum Vorbringen der beiden BF auch festzuhalten, dass diese nach ihrer Ausreise weder eine Suche nach ihnen durch den Schwager/Bruder noch durch die iranischen Behörden angaben, was einmal mehr gegen die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben spricht, wäre doch andernfalls davon auszugehen, dass sich der Schwager nach deren Verbleib erkundigt bzw. im Falle der Einleitung ‚gesetzlicher Schritte‘ wie dies die BF1 behauptete, behördliche Ermittlungen zum Aufenthalt der Beschwerdeführer eingeleitet worden wären, was diese jedoch nicht angegeben haben.
Letztlich spricht auch die legale Ausreise der beiden BF gegen eine tatsächliche Furcht vor Verfolgung – diesfalls wäre davon auszugehen, dass sich die BF nicht der Passkontrolle durch iranische Beamte ausgesetzt hätten.
Zusammenfassend ist angesichts der dargelegten Gründe nicht von der Glaubwürdigkeit der Angaben des BF, wonach er und die BF1 wegen ihres Interesses am Christentum vom Bruder des BF2, der bei der Sepah sei, mit einem Messer attackiert und in weiterer Folge mehrmals mit dem Umbringen und der Einleitung behördlicher Schritte bedroht worden seien, auszugehen.
Hinsichtlich des von den Beschwerdeführern vorgelegten Fotos, welches einen Mann in Uniform zeigt, wozu sie angaben, dass es sich um den Bruder des BF handle (Anmerkung: von dem die Gefahr ausgehe), ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass es sich hiebei um ein wenig taugliches Beweismittel handelt, da dieses einerseits nicht geeignet ist, die Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführer zu erhöhen und andererseits eine Identifizierung der abgebildeten Person als Bruder des BF auch nicht möglich ist.
Auf die rezente Judikatur des VwGH (VwGH 11.03.2021, Ra 2021/18/0075-7) in Verbindung mit der Tauglichkeit eines Beweismittels sei in diesem Zusammenhang verwiesen. Das Video, auf dem ein Bruder eines Beschwerdeführers von dessen politischen Aktivitäten und Verfolgungshandlungen durch die Behörden berichtet haben soll, wurde seitens des BVwG und des VwGH als wenig taugliches Beweismittel eingestuft, zumal dieses Video wenig geeignet erschien, die gegen die politischen Aktivitäten des BF sprechenden Beweisergebnisse zu widerlegen, weil dem BVwG schon die verlässliche Identifizierung der auf dem Video ersichtlichen Person nicht möglich war.
Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass es gegen die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht, dass sich der BF vor seiner Weiterreise nach Österreich etwa bereits in Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien aufgehalten hat, ohne jedoch dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben. Aus welchen Gründen er dies unterlassen hat, wurde von ihm nicht substantiiert angeführt.
In diesem Zusammenhang ist auf die Richtlinie 2011/95/EU des Rates vom 13.12.2011 (in Kraft seit 9. Jänner 2012, Umsetzung bis 21. Dezember 2013) über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Statusrichtlinie) zu verweisen, welche in ihrem Art 4 Abs 5 lit d vorsieht, dass dann, wenn für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise fehlen, diese Aussagen keines Nachweises bedürfen, wenn der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war. Wendet man diese sekundärrechtliche Norm im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung auf das gegenständliche Verfahren an, so ergibt sich um Umkehrschluss, dass gegenständlich jedenfalls - glaubwürdige - Beweise erforderlich gewesen wären.
Der BF musste auf seiner Reise nach Österreich zudem auch durch andere als sicher geltende Staaten reisen und wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen schon dort um Schutz anzusuchen. Durch das Unterlassen kann geschlossen werden, dass er andere Motive als jene der Schutzsuche hat.
Es ist aus der Aktenlage nachvollziehbar, dass der BF nunmehr Präferenzen hat in Österreich zu leben. Zur Erreichung dieses Zieles scheut der BF offensichtlich nicht davor zurück im Asylverfahren - trotz ergangener Belehrung und Aufforderung die Wahrheit zu sagen und Hinweis auf nachteilige Folgen im Falle wahrheitswidriger Angaben - über persönliche und für das Verfahren maßgebliche Umstände zu täuschen. Die generelle persönliche Glaubwürdigkeit des BF ist daher im Verfahren auch aus diesem Grund zu verneinen. Warum er angesichts der von ihm skizzierten Bedrohungslage im Herkunftsland nicht zumindest versucht hat, möglichst zeitnah zur Einreise ein Schutzansuchen in den obgenannten Staaten zu stellen, erweist sich als nicht plausibel erklärbar. Würde man doch bei begründeter Furcht vor Verfolgung dieses Ausmaßes annehmen können, dass von Asylwerbern die nächste Gelegenheit genützt wird, um Schutz zu ersuchen.
3.3.2. Zur Konversion des Beschwerdeführers
3.3.2.1. Untrennbar in Zusammenhang mit den seitens des BF geltend gemachten Gründen für seine Ausreise, nämlich die Hinwendung zu einem neuen Glauben bzw. der Abfall vom Islam und daraus resultierenden Problemen, steht die angegebene Konversion des BF.
Bereits aufgrund der Tatsache der Untrennbarkeit des ausreisekausalen Vorbringens und jenem der Konversion und der Glaubenspraxis in Österreich stellt schon die festgestellte Unglaubwürdigkeit der Ausreisegründe ein starkes Indiz für die Unglaubwürdigkeit der behaupteten Konversion und Glaubenspraxis dar und lässt umgekehrt die aus nachfolgenden Gründen festgestellte Scheinkonversion einmal mehr klare Rückschlüsse auf die Unglaubwürdigkeit der geltend gemachten ausreisekausalen Angaben des BF zu.
Der BF hat angegeben, nach der Einreise in Österreich regelmäßig eine Kirche, die ihnen empfohlen worden sei, besucht und gebetet zu haben und getauft worden zu sein.
Dem BF2 ist es jedoch aus nachfolgenden Gründen nicht gelungen, ein nachvollziehbares Interesse am christlichen Glauben - eine Konversion könnte in weiterer Konsequenz erst danach folgen - auch nach fünfeinhalbjährigem Aufenthalt in Österreich, wo er sich lt. seinen Angaben mit dem christlichen Glauben auseinandersetzt, glaubwürdig darzutun, sodass umso weniger von einer Konversion des BF zum christlichen Glauben ausgegangen werden kann.
Der Beschwerdeführer wurde in der hg. Beschwerdeverhandlung zu Inhalten des christlichen Glaubens und der Bibel sowie zum Praktizieren seines Glaubens und zu diesbezüglichen persönlichen Eindrücken befragt und vermochte der BF lediglich wenige Fragen zu zentralen Bibel- und Glaubensinhalten rudimentär und stichwortartig zu beantworten und waren ihm andererseits Ausführungen zu essentiellen Bibelinhalten und zu seiner persönlichen Glaubenspraxis oder zu persönlichen spirituellen Eindrücken nicht möglich.
Der BF2 war auch nicht in der Lage, aus eigenem Ausführungen zu machen oder spirituelle Gedanken zu formulieren, sondern waren seine Antworten auf die kurze und stichwortartige Wiedergabe von Informationen reduziert.
Der BF selbst hat im Zuge der hg. Verhandlung vor seiner Befragung zum Christentum angegeben, es könne sein, dass sein Wissen nicht ausreiche, doch habe er sein Herz Jesus geschenkt, wozu zu bemerken ist, dass es hinsichtlich einer geltend gemachten Konversion auf das Wissen alleine nicht ankommt, sondern eine Gesamtbetrachtung zu erfolgen hat.
Dieser Angabe des BF hinsichtlich seines Wissens kommt jedoch insofern eine besondere Bedeutung zu, als der BF zum Zeitpunkt der hg. Verhandlung, welche am 09.03.2021 stattfand, sich lt. seinen Angaben bereits in Österreich rd. fünfeinhalb Jahre mit dem christlichen Glauben beschäftigt und zuvor im Iran seit dem Jahr 2015 christliche Hauskirchen besuchte und seitens der Glaubensgemeinschaft, der er vorerst in Österreich angehörte, getauft wurde und nunmehr zu einer anderen Glaubensgemeinschaft wechselte.
Die erkennende Richterin übersieht nicht, dass es sich bei der Hinwendung zu einem neuen Glauben um einen dynamischen Prozess handelt, doch kann von einer Person, welche wie der BF angibt, sich bereits seit mehr als fünf Jahren mit dem Christentum auseinanderzusetzen, seit Oktober 2015 in Österreich Gottesdienste zu besuchen und welche am XXXX getauft wurde, erwartet werden, dass die zentralen Glaubensgrundsätze und das betreffende Bibelwissen umfassend verinnerlicht und nachhaltig verfestigt sind, was beim BF jedoch nicht der Fall war.
Zu den seitens des BF in der hg. Verhandlung gegebenen Antworten in Zusammenhang mit Glaubensinhalten sowie Glaubens- und Bibelwissen ist ferner festzuhalten, dass sich diese zum Teil auf die kurze Wiedergabe von Informationen beschränkten, jedoch eine umfassende und eigeninitiative Wiedergabe von Bibelwissen und Glaubenspraxis verbunden mit eigenen spirituellen Gedanken, Details oder Zusammenhängen, wie es Personen, welche sich tatsächlich einem neuen Glauben zugewandt haben und gerade aus Begeisterung darüber, es diesen ein Bedürfnis ist, darüber zu sprechen, vermissen lassen.
Wie nachfolgend erörtert werden wird, vermochte der BF, abgesehen von sehr wenigen stichwortartigen Angaben nicht plausibel zu erklären, was seine Motivation für die Hinwendung zum Christentum war.
Der BF2 wurde in der hg. Verhandlung nach der Motivation für seine Hinwendung zum Christentum gefragt. Zu den Angaben des BF2 in Verbindung mit seiner Hinwendung zum Christentum wird auf die bereits erfolgte Beweiswürdigung verwiesen.
Mit den dargelegten Gründen, gelingt es dem BF jedoch nicht, ein besonderes Interesse am Christentum darzutun.
Der BF wurde in der hg. Verhandlung zu Besonderheiten des protestantischen Glaubens, dem er angehören will, befragt. Der BF erklärte, Protestant bedeute protestieren, dies sei die Bedeutung von Protestant. Gefragt nach weiteren Ausführungen erklärte der BF, der Gründer sei Martin Luther im Jahr 1591 gewesen, in diesem Jahr habe er protestiert, der BF wisse jedoch nicht, weshalb.
Der BF konnte jedoch keine weiteren Angaben zum protestantischen Glaubenszweig (wie etwa die mangelnde Existenz eines Zölibates, kaum vorhandene Hierarchien oder dessen Standpunkt zu Maria, die Existenz von zwei Sakramenten, besondere Feiertage) machen.
Mit seinen wenigen obzitierten Angaben war der BF jedoch nicht in der Lage, spezifische Inhalte des protestantischen Glaubens darzulegen. Bei einer ernsthaften Konversion kann jedoch erwartet werden, dass sich der BF mit den Besonderheiten des Glaubenszweiges, dem er sich angeschlossen hat, inhaltlich auseinandersetzt und diese Spezifika für den BF eine besondere Bedeutung einnehmen, wovon jedoch im Lichte der Angaben des BF nicht ausgegangen werden kann.
Der BF erklärte, in Österreich einen Taufvorbereitungskurs besucht zu haben und im XXXX getauft worden zu sein.
Er war jedoch in der hg. Verhandlung nicht in der Lage, Inhalte oder besonders einprägsame Erfahrungen im Taufvorbereitungskurs wiederzugeben, sondern gab dazu lediglich an, der Inhalt sei von der Bibel gewesen, was Jesus gemacht und wie er gelebt habe sowie seine Wunder. Gefragt, was ihm besonders positiv in Erinnerung geblieben sei, antwortete der BF allgemein und vage, jede Sitzung sei interessant gewesen, ohne auf Inhalte oder Vorkommnisse im besuchten Kurs bezug zu nehmen.
Es ist jedoch von einer Person, welche sich tatsächlich für einen neuen Glauben interessiert, zu erwarten, dass diese umfassendere Angaben, etwa über Bibelstellen, welche sie besonders beeindruckt oder beschäftigt haben, über diskutierte Fragen und Ansichten im Kurs sowie über grundsätzliche, einprägsame Kursinhalte macht, was jedoch nicht geschehen ist und einmal mehr wenig bzw. nicht vorhandenes Interesse des BF für den christlichen Glauben indiziert.
Von einer Person, welche sich mit einem neuen Glauben beschäftigt, kann jedoch erwartet werden, dass sich diese umfassend mit Glaubensinhalten auseinandersetzt und auch dazu in der Lage ist, diese wiederzugeben bzw. eigene spirituelle Gedanken dazu zu formulieren und mitzuteilen, was beim BF jedoch nicht der Fall war.
Der Beschwerdeführer konnte auch weder eine individuelle, persönliche Bedeutung der Taufe noch religiöse Motive für die Taufe nachvollziehbar schildern. Auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage seiner persönlichen Motivation, sich taufen zu lassen, antwortete der Beschwerdeführer (VHS 28): „Ichwollte mich mit der Taufe von Sünden befreien, ich wollte „rein“ werden. VR: Was waren ihre persönlichen Beweggründe? BF: Nein. Ich wusste, man kann mit der Taufe wieder neu beginnen (Neugeburt).“
Seinen wenigen oberflächlichen und allgemeinen Aussagen, wonach er durch die Taufe von den Sünden befreit werde, ist jedoch nicht zu entnehmen, warum der BF für sich persönlich den Entschluss gefasst habe, sich taufen zu lassen. Dass die Entscheidung, sich taufen zu lassen, auf einer inneren religiösen Überzeugung und einem dementsprechenden persönlichen, spirituellen Wunsch des Beschwerdeführers beruht, ist nicht erkennbar.
Der Beschwerdeführer betrachtet die Taufe sichtlich als einen Formalakt, um nach außen hin als Christ in Erscheinung zu treten. Mit seiner obzitierten Aussage vermittelte der BF den Eindruck, er habe sich deshalb taufen lassen, weil er der Auffassung sei, damit – unbeschadet seiner wahren religiösen Überzeugung – eine gewissermaßen offizielle und für Dritte beachtliche Bestätigung dafür zu haben, dass er ein gläubiger Christ sei; damit versucht der Beschwerdeführer, die von ihm angegebene Hinwendung zum Christentum zu untermauern, persönliche, spirituelle Beweggründe sind seinen Angaben jedoch nicht zu entnehmen.
Dies ergibt sich auch deutlich aus seinen Ausführungen zum Empfang der Taufe. Aufgefordert, seine persönlichen Eindrücke seiner Taufe so genau wie möglich zu beschreiben, blieben die Angaben des BF wiederum äußerst kurz und vage: „Am Tag nach meiner Taufe wurde ich viel ruhiger. Ich fühlte mich wie neugeboren. VR: Ich meine Ihre Taufe selbst. Können Sie diese beschreiben? BF: Vor der Taufe waren wir in der Kirche. Wir haben gemeinsam gebetet, dann haben ich und meine Frau unsere Kleidung gewechselt, wir haben weiße Kleidung angezogen. Dann sind wir in der Donau getauft worden. Vor der Taufe fragte mich der Pastor, ob ich an Jesus glaube und ob ich glaube, dass sich Jesus für meine Sünden geopfert hat. Dann wurde ich getauft.“ (VHS 28, 29).
Die Symbolik der weißen Kleidung war dem BF nicht bekannt und gab er dazu nach kurzem Nachdenken an, seine Vermutung sei, dass man ein schmutziges Kleid mit Wasser reinige.
Mit den zitierten Angaben vermochte der BF jedoch nicht zu erklären, was ihn persönlich an der Taufe besonders beeindruckt oder in spiritueller Hinsicht bewegt hat. Bei Betrachtung der Angaben des BF fällt auch auf, dass dieser weder Ausführungen des taufenden Priesters wiedergab noch eigene spirituelle Gedanken, Eindrücke und Empfindungen zum Taufakt schilderte, sondern beschränkte er sich auf die Aufzählung der genannten wenigen Elemente.
Von einer Person, welche sich dem christlichen Glauben mit innerlicher Überzeugung zuwendet und sich zum Schritt der Taufe, welche doch im Falle der Ernsthaftigkeit eine erhebliche Bedeutung in Verbindung mit einer Konversion einnimmt, entschließt, ist jedoch zu erwarten, dass diese Person spirituelle Gedanken oder Eindrücke, die sie besonders bewegt haben, wie zB Worte des Taufspenders, wiedergeben kann, was jedoch im Falle des BF gänzlich unterblieben ist und einmal mehr gegen eine glaubwürdige Konversion zum christlichen Glauben spricht.
Gerade die Taufe als christlicher Ritus, der die Eingliederung in die Gemeinschaft der Christen oder ein öffentliches Glaubensbekenntnis bedeutet, sodass dieser Schritt und die Vorbereitung darauf im Falle der Ernsthaftigkeit eine erhebliche Bedeutung einnimmt, müsste seitens des BF fundiert und unter Einbeziehung persönlicher Momente dargelegt werden können, wozu der BF jedoch mit den zitierten Angaben nicht in der Lage war.
Der BF hat keinen Taufnamen angenommen.
Es ist jedoch eine alte christliche Tradition, den Taufnamen eines Heiligen anzunehmen.
Mündige Konvertiten aus nichtchristlichen Religionen entscheiden sich nicht selten vor oder nach der Taufe für die Annahme eines neuen Namens. Dies ist insbesonders dann der Fall, wenn der ursprüngliche Name sich von Personen oder Begriffen herleitet, die eng mit der Herkunftsreligion verbunden sind.
Es wäre jedoch naheliegend, dass der BF als erwachsener Taufwerber bzw. Getaufter, welcher sich aus freiem Willen zur Taufe entschlossen hat, zumindest über die Möglichkeit nach dem Erhalt eines christlichen Taufnamens erkundigt, was jedoch vom BF nicht angegeben wurde und nicht für ein besonderes Interesse am Erhalt eines christlichen Namens spricht, was wiederum den Rückschluss auf die mangelnde Ersthaftigkeit der Taufe zulässt.
Bei Gesamtbetrachtung der genannten Faktoren zur Taufvorbereitung und Taufe des BF ist nicht davon auszugehen, dass sich dieser ernsthaft auf diese vorbereitet und diese empfangen hat, was ebenso geeignet ist, die Glaubwürdigkeit bzw. Ernsthaftigkeit der Konversion des BF erheblich anzuzweifeln.
Die nach außen hin gesetzten sichtbaren Aktivitäten des BF, wie eine allenfalls erfolgte Taufe, Gottesdienstbesuche, der Mithilfe bei kirchlichen Festen und die Teilnahme an Gottesdiensten, vermögen nach Ansicht der erkennenden Richterin nicht, die noch darzulegenden Mängel, welche gegen einen tatsächlichen Glaubens- bzw. Gesinnungswandel des BF2 sprechen, zu kompensieren und kann alleine aus solchen äußeren Faktoren, welche jedoch nichts über die tatsächliche innere Haltung des BF2 aussagen, doch keine Konversion des BF mit allen nachfolgend mehrfach umschriebenen Voraussetzungen und Folgewirkungen abgeleitet werden. Hervorzuheben ist an dieser Stelle auch die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur, der zufolge es für die Beurteilung der Frage, ob eine Konversion vorliegt, nicht auf den Formalakt der Taufe, welcher im gegebenen Fall unter Umständen vorliegen mag, sondern auf die religiöse Einstellung des Asylwerbers ankommt (vgl. zuletzt VwGH vom 21.12.2006, 2005/20/0624).
Der BF war auch nicht in der Lage, das zweite Sakrament seines Glaubenszweiges zu benennen, sondern erklärte vorerst, die Frage nach einem weiteren Sakrament trotz mehrmaliger Erörterung und Umschreibung durch die Richterin, nicht zu verstehen, um letztlich wiederum einzig die Taufe zu nennen.
Weiter konkret gefragt, was er über das Abendmahl wisse, erklärte der BF, dass Jesus nach 50 Tagen von den Toten zurückgekehrt sei und mit seinen Jüngern den letzten Abend zusammen verbracht habe. Weitere Angaben machte der BF dazu nicht. Abgesehen davon, dass die Ausführungen des BF angesichts des hohen Bedeutungsgehaltes des Sakraments Abendmahl substanzlos und vage zu qualifizieren sind, trifft es auch nicht zu, dass dieses bzw. dessen Ursprung 50 Tage nach dem Tod Jesu zeitlich einzuordnen ist, sondern kommt es hier seitens des BF offensichtlich zu einer Vermengung mit Pfingsten, welches 50 Tage nach Ostern gefeiert wird.
Über weiteres Befragen zur Symbolik des Abendmahls nannte der BF zwar zutreffend Wein und Brot und die Bedeutung als Blut und Leib Christi, den biblischen Hintergrund zu diesem Sakrament konnte er jedoch nicht benennen.
Angesichts der Tatsache, dass es sich hier um eine zentrale Bibelstelle handelt, welche jedes Jahr in den Ostergottesdiensten ausführlich und umfassend thematisiert wird, wirkt sich die betreffende Unkenntnis besonders zu Lasten der Glaubwürdigkeit einer Konversion aus und indiziert darüber hinaus wenig Interesse an den Gottesdiensten sowie am Bibelstudium, müsste der BF, der angibt, seit seiner Einreise im Jahr 2015 regelmäßig die Kirche zu besuchen, bereits mehrmals an einem Ostergottesdienst und den mehrtägigen Osterfeierlichkeiten teilgenommen haben, sodass ihm die dort gelesenen Bibelstellen umfassend bekannt sein müssten, was jedoch nicht der Fall ist.
Nicht in Einklang zu bringen sind die Ausführungen des BF auch mit den Angaben des als Zeugen einvernommenen Pastors seiner Gemeinde, wonach diese nicht nur Ostern feiere, sondern sich sehr intensiv mit der Karwoche in Predigten und Unterrichtseinheiten beschäftige.
Gefragt nach Fastenzeiten im christlichen Glauben bejahte der BF zwar die Frage nach der Existenz einer solchen, doch konnte er dazu trotz Nachfragen der erkennenden Richterin keinerlei weitere Angaben machen.
Die Antworten des BF machen auch deutlich, dass ihm die 40tägige Fastenzeit vor Ostern nicht bekannt ist und sprechen nicht nur gegen die betreffende Existenz von Bibelwissen, sondern auch gegen eine ernsthafte Glaubenspraxis sowie gegen eine interessierte Teilnahme des BF am Gottesdienst, wo die betreffenden Themen in den Evangelien und Predigten anlassbezogen umfassend erörtert werden.
Es kann schon aufgrund dieser wenigen Ausführungen des BF nicht davon ausgegangen werden, dass sich dieser seit mehr als 5 Jahren in Österreich für den christlichen Glauben interessiert und zu diesem übergetreten ist.
Die vierzigtägige Fastenzeit, in die auch die gegenständliche Verhandlung fiel, und die entsprechenden Ausführungen in der Bibel über den damit zusammenhängenden Aufenthalt Jesu in der Wüste stellen jedoch zentrale Inhalte der christlichen Glaubenslehre dar und gelten insbesonders die Karwoche und vor allem der Karfreitag als strenge Fasttage, während der sich der Mensch durch Enthaltsamkeit neu besinnen, Buße tun und die Nähe zu Gott suchen soll.
Das Fasten als Zeit der Reinigung ist sohin ein nicht unwesentlicher Bestandteil der Zeit vor Ostern, wobei zu betonen ist, dass gerade von einer Person, die sich einen Glauben neu angeeignet hat, das Einhalten derartiger Vorgaben naheliegend ist respektive von einer Person, welche sich einem neuen Glauben zugewandt hat, erwartet werden kann, zumindest darüber bescheid zu wissen.
Mit seinen Antworten ist es dem BF jedoch nicht gelungen, den Grund für die 40tägige Fastenzeit vor Ostern zutreffend und nachvollziehbar darzulegen, vielmehr war ihm eine solche gar nicht bekannt.
Der BF wurde auch aufgefordert, alles was er über Ostern weiß, anzugeben und erklärte, dazu nach einer Nachdenkpause, es sei der Tag, an dem Jesus von den Toten zurückgekehrt sei und gab gleichzeitig an, nur so viel zu wissen, sodass sich jede weitere Frage zum wichtigsten Fest der Christen erübrigte.
Der BF vermochte nicht, detailliertere Angaben zu Ostern, dem Palmsonntag, der Karwoche, der Feier des letzten Abendmahls am Gründonnerstagabend – dem Vorabend des Karfreitags – oder den Karsamstag zu machen, sondern blieben seine Angaben auf obigen Antworten beschränkt.
Es kann im Lichte der zitierten Angaben des BF nicht davon ausgegangen werden, dass dem BF der Bedeutungsgehalt des zentralen christlichen Hochfestes Ostern, welches auch in der Glaubensgemeinschaft des BF lt. Zeugenaussage des Pastors intensiv und umfassend gefeiert und in Predigten und Unterricht thematisiert wird, in Grundzügen bekannt ist.
Da Leiden, Sterben und Auferstehung Christi als das höchste Fest im Kirchenjahr als Dreitagefeier begangen wird und die Gottesdienste sich seitdem in den meisten Liturgien von der Feier des letzten Abendmahls am Gründonnerstagabend – dem Vorabend des Karfreitags – über den Karsamstag, den Tag der Grabesruhe des Herrn, bis zum Anbruch der neuen Woche am Ostersonntag erstrecken und mit dem Ostersonntag „Sonntag der Auferstehung“ die österliche Freudenzeit (Osterzeit) beginnt, die fünfzig Tage bis einschließlich Pfingsten dauert, müsste der BF zu weitergehenden Angaben in der Lage sein, was jedoch nicht der Fall war und einmal mehr gegen eine Konversion, eine interessierte Gottesdienstteilnahme und ein engagiertes Bibelstudium des BF spricht.
Gerade die Ereignisse um Ostern werden ausführlich in der Bibel dargelegt und auch umfassend im Ostergottesdienst, am Palmsonntag und in der Karwoche sowohl in den Evangelien aus auch in den Predigten thematisiert, weshalb das nicht vorhandene Wissen des BF ohne jeglichen spirituellen Bezug einmal mehr gegen ein engagiertes und interessiertes Bibelstudium und eine interessierte Teilnahme an den Gottesdiensten spricht.
Im weiteren wurde der BF aufgefordert, alles anzugeben, was sie über die Geburt von Jesus wisse.
Illustrativ sei dazu nachfolgende Passage aus der hg. Verhandlungsschrift zitiert (VHS 29):
VR: Was steht über Weihnachten in der Bibel?
BF: Ich glaube, es ist das wichtigste und größte Fest.
VR: Was wissen Sie über die Geburt von Jesus?BF: Er wurde in einem Stall geboren. Gibt es etwas anderes?
VR: Warum in einem Stall?BF: Damals sollten alle Neugeborenen umgebracht werden.
Die BF war ferner weder in der Lage, auszuführen, in welcher Stadt Jesus geboren wurde, noch was der Grund für dessen Geburt in einem Stall in Bethlehem war (VR: Warum wurde Jesus in einem Stall geboren? BF: Sie haben sich versteckt, dass der König Herodes sie nicht findet. VR: Jesus wurde in Bethlehem geboren. Warum ist das so? BF: Ich weiß es nicht genau, ich glaube, Gott hatte vor, viele Wunder zu zeigen.) und konnte insgesamt keine umfassenden und fundierten Angaben zur Geburt Christi machen.
Angesichts der Tatsache, dass die Geschehnisse um die Geburt Christi umfassend in der Bibel dargestellt und anlässlich des Weihnachtsgottesdienstes wiedergegeben werden und im Mittelpunkt des Weihnachtsfestes der Glaube steht, dass Gott Mensch geworden ist, um die Menschen zu erlösen und das Weihnachtsfest auch von christlichen Bräuchen geprägt ist, vermochte der BF im Lichte seiner kaum vorhandenen Angaben nicht von einem ernsthaften Begehen des Weihnachtsfestes als gläubiger Christ zu überzeugen.
Die weitgehende Unkenntnis der Geschehnisse um die Geburt Jesu schlagen sich besonders gravierend auf die Glaubwürdigkeit der behaupteten Konversion des BF nieder, handelt es sich doch hiebei um eine zentrale Bibelstelle und um eines der wichtigsten Hochfeste der Christen.
Überdies spricht das Unwissen des BF gleichzeitig und einmal mehr auch gegen eine interessierte Gottesdienstteilnahme des BF, da gerade im Weihnachtsgottesdienst, den der BF während seines Aufenthaltes in Österreich bereits mehrmals durchlaufen haben müsste, die diesbezüglichen Ereignisse ausführlich thematisiert und auch in der Predigt behandelt werden und die christliche Weihnachtszeit auch von verschiedenen Bräuchen geprägt ist.
Auch die Angaben des BF, wie er das letzte Weihnachtsfest gefeiert hat, sprechen nicht für eine ernsthafte und spirituelle Haltung. Er nannte nicht den Besuch des Weihnachtsgottesdienstes oder ein Lesen des Weihnachtsevangeliums zu Hause, sondern erklärte lediglich, dass er mit seiner Frau, der BF1, zum XXXX gegangen sei, wo viele Menschen wie in einer Disco getanzt hätten und sie zugesehen und teilgenommen hätten. Angesichts der Schilderung des BF2 ist davon auszugehen, dass er an der Silvesterfeier am XXXX teilgenommen hat.
Der BF wurde auch gefragt, ob er Angaben zum Zeitraum vor Weihnachten, der für die Christen eine besondere Zeit darstelle und lt. Zeugenaussage des Pastors als Vorbereitung auf die Geburt Christi begangen wird, machen könne und erklärte nach einer Nachdenkpause, dies wirklich nicht zu wissen.
In Anbetracht dessen, dass der BF angibt, sich seit 2015 für das Christentum zu interessieren, Gottesdienste und einen Taufvorbereitungskurs besuchte und auch getauft wurde, ist davon auszugehen, dass der BF diesen mehrere Wochen andauernden Zeitabschnitt im Kirchenjahr, welcher als Vorbereitung auf das Weihnachtsfest nicht nur in den Messfeiern ein zentrales Element darstellt, sondern unter anderem auch durch das Symbol des Adventskranzes sowohl im Gottesdienst als auch im Alltag deutlich in Erscheinung tritt, und der BF zumindest bis zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt diesen Zeitraum mehrmals durchlaufen haben müsste, zuordnen und erklären kann, was jedoch nicht geschehen ist und einmal mehr gegen eine ernsthafte Hinwendung des BF zum christlichen Glauben und auch gegen eine interessierte Teilnahme an Gottesdiensten spricht.
Der BF konnte auch den Bedeutungsgehalt von Pfingsten, einem weiteren christlichen Hochfest, nicht angeben, sondern erklärte, dies sei wichtig, weil Jesus von den Toten zurückgekehrt sei, ohne jedoch die Ereignisse um Pfingsten und deren Bedeutung als Gründung der Kirche zu erwähnen.
Dem BF war es auch nicht möglich, die Bergpredigt als wichtigste Rede von Jesus zu benennen, sondern erklärte er konkret nach der Bergpredigt gefragt, es nicht zu wissen.
Die Bergpredigt ist ein Textabschnitt des Matthäusevangeliums (Mt 5–7) im Neuen Testament (NT), in dem Jesus von Nazaret seine Lehre verkündet und handelt es sich bei der Bergpredigt um die wohl bekannteste Rede, die Jesus gehalten hat und in der er verkündet, worauf es im Zusammenleben der Menschen ankommt.
Letztlich war der BF auch kaum in der Lage, Angaben über Paulus zu machen und waren ihm die Paulusbriefe gänzlich unbekannt.
Hätte sich der BF jedoch tatsächlich und fundiert mit Bibelinhalten auseinandergesetzt, was er lt. seinen Angaben bereits seit mehr als fünf Jahren macht, wäre er dazu von sich aus in der Lage gewesen, Ausführungen zu Paulus, der als wichtigster Theologe und Missionar des Urchristentums gilt und den Paulusbriefen zu treffen, was aber nicht geschehen ist.
Dies spricht umso weniger für eine religiöse Betätigung der BF, als in evangelischer Tradition Paulus der biblische Kronzeuge der Reformation war, wonach sich eine besondere Nähe zu seinen Briefen ergibt, sodass der BF, der sich selbst als Protestant bezeichnet, zumindest ansatzweise über Paulus und vor allem die Paulusbriefe berichten können müsste. Die Paulusbriefe richten sich an von ihm gegründete Gemeinden oder einzelne ihrer Mitglieder. Sie verkünden Jesus Christus in Bezug auf damalige innergemeindliche Konflikte, vor allem zwischen Judenchristen und Heidenchristen. Sie repräsentieren und bewahren die paulinische Theologie und sind die Hauptquellen für biografische Informationen zu Paulus. Als wesentlicher Bestandteil des Bibelkanons haben sie bleibende Bedeutung im Christentum, wozu der BF jedoch keine Angaben machen konnte.
Die BF wurde in der hg. Verhandlung zu ihrer Glaubenspraxis gefragt und erklärte ausweichend, seit Corona können sie nicht mehr so oft an Gottesdiensten teilnehmen. Am Vortag der hg. Verhandlung habe er bei Renovierungsarbeiten in der Kirche mitgeholfen.
Weitere Angaben wie etwa das Lesen in der Bibel, das persönliche Gebet oder Alternativen zu den coronabedingt eingeschränkten Gottesdienstbesuchen nannte der BF nicht, obwohl der hg. einvernommene Zeuge und Pastor der Gemeinschaft des BF erklärte, während des Lockdowns sei die Videokonferenzmöglichkeit Zoom für den Gottesdienst verwendet worden, was nach wie vor so gehandhabt werde.
Da von der Glaubensgemeinschaft der Gottesdienstbesuch des BF bestätigt wurde, wurde dieser zum Ablauf eines solchen befragt und erklärte, alle würden beten und wenn jemand wolle, könne er spenden, am Ende unterhalte er sich mit seinen christlichen Brüdern und Schwestern bei Tee und Kuchen. Darüber hinausgehende Angaben machte der BF nicht.
Gefragt zum zentralen Teil eines Gottesdienstes nannte der BF das Gebet, ohne weiterführende Angaben zu machen oder Überlegungen darzulegen.
Die Angaben des BF machen evident, dass dieser hinsichtlich des Gottesdienstablaufes keinerlei inhaltliche Angaben, sondern lediglich wenige organisatorische Elemente und Handlungsabläufe benennen kann. Vor allem fällt auch auf, dass er das zentrale Element der Wandlung/Eucharistie, das Lesen des Evangeliums, die Predigt und den Kommunionsempfang nicht in seiner Schilderung erwähnte. Im Lichte dieser Ausführungen des BF ist einmal mehr davon auszugehen, dass seine Angaben zur Konversion nicht glaubwürdig sind, hätte er doch andernfalls inhaltliche Angaben zum Gottesdienst, welcher als Zusammenkunft von Menschen mit dem Zweck, mit Gott in Verbindung zu treten, mit ihm Gemeinschaft zu haben, Opfer zu bringen, Sakramente zu empfangen bzw. eine auferlegte religiöse Pflicht zu erfüllen, zu verstehen ist, gemacht. Die Angaben des BF sind jedoch über die obzitierten Ausführungen nicht hinausgegangen und lassen die soeben dargelegten Elemente, welche einen Gottesdienst kennzeichnen, zur Gänze unerwähnt.
Die BF vermochte auch die Frage nach einer Predigt, die ihn besonders bewegte, nicht zu beantworten, sondern entgegnete, eine der Predigten sei über Paulus gewesen und der Pastor habe gesagt, was Gott von den Christen erwarte, ohne weiterführende Angaben zu machen. Gefragt, warum ihn dies besonders beeindruckte, gab der BF an, Paulus gefalle ihm, weil er zuerst die Christen geschlagen habe und dann gläubiger Christ geworden sei; der Pastor habe gesagt, dass Gott Nächstenliebe und Vergebung erwarte und seien dem BF die 10 Gebote eingefallen.
Die Allgemeinheit der fragmentarischen Angaben des BF lässt jedoch keine Rückschlüsse auf eine spezielle Predigt zu, die ihn besonders beeindruckt hat.
Vor allem bei einem neuen und begeisterten Christen, der sich in einem Land, in dem im Gegensatz zum Herkunftsstaat, Glaubensfreiheit herrscht, befindet, kann jedoch davon ausgegangen werden, dass er sich vor allem auch mit Predigten des Priesters auseinandersetzt und besonders einprägsame diesbezügliche Inhalte benennen kann, was der BF jedoch mit oben wiedergegebenen Antwort nicht vermochte.
Im Lichte der Tatsache, dass die Predigt eine besondere Stellung im Neuen Testament und im Gottesdienst einnimmt, lassen die obzitierten Angaben des BF einmal mehr Rückschlüsse auf die mangelnde Ernsthaftigkeit einer Konversion und die interessierte Teilnahme am Gottesdienst zu.
Der BF gab auf die Frage nach christlichen Gebeten das ‚Vater Unser‘ und das Gebet ‚Jalal Biya‘ (phonetisch) an. Das Glaubensbekenntnis, welches lt. seiner Frau in jedem Gottesdienst gebetet wird, ist dem BF aber unbekannt.
Dass der BF das apostolische Glaubensbekenntnis, welches im Gottesdienst gebetet wird und Ausdruck des gemeinsamen Glaubens der Christen ist, nicht wiedergeben kann, spricht einmal mehr gegen die Ersthaftigkeit seiner Gottesdienstteilnahme und seiner Konversion.
Ein besonderes Interesse des BF2 an Bibelinhalten oder ein persönliches, engagiertes Bibelstudium ist aus den bisherigen beweiswürdigenden Ausführungen zu den Angaben des BF jedoch nicht abzuleiten.
Eine Person, die sich tatsächlich für den christlichen Glauben interessiert, ja sogar angibt, zu diesem konvertiert zu sein, würde jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung und auch nach der langjährigen Erfahrung der erkennenden Richterin im Zusammenhang mit Asylverfahren von Personen, die zum christlichen Glauben konvertiert sind, gerade die Bibel, die als Heilige Schrift mit normativem Anspruch für die ganze Religionsausübung gilt und für Christen die wichtigste Urkunde des Glaubens darstellt, die zentrale Erkenntnisquelle zum Vertiefen und Praktizieren des neuen Glaubens heranziehen und darin lesen, dies vor allem auch deshalb, da im Gegensatz zum Iran, in Österreich eine ungehinderte Auseinandersetzung mit den Inhalten möglich ist.
Angesichts des mehr als fünfjährigen Zeitraumes, in dem der BF in Österreich dem christlichen Glauben angehören will, der Zeit, die ihm mangels Berufsausübung zur Verfügung steht und der Bibelorientiertheit der Gemeinschaft, der der BF angehört, müsste davon auszugehen sein, dass sich zumindest die zentralen Bibel- und Glaubensinhalte nachhaltig bei ihm verfestigt haben. Aufgrund der soeben dargelegten Angaben bzw. Unkenntnis des BF kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der BF Bibelwissen angeeignet und sich mit Bibelinhalten ernsthaft und aus persönlichem, spirituellen Interesse auseinandergesetzt hat, was einmal mehr gegen die Glaubwürdigkeit ihrer Konversion spricht.
Die soeben dargelegten Antworten und Vorgehensweisen des BF vermitteln deutlich ein Gesamtbild, wonach eine tatsächliche, ernsthafte und inhaltliche Auseinandersetzung mit christlichen Glaubensinhalten und eine ernsthafte Glaubenspraxis nicht gegeben ist, sodass nicht von einer Konversion im Sinne einer inneren, tatsächlichen Hinwendung zum Christentum ausgegangen werden kann, sondern von einer Konversion, welche lediglich zum Schein erfolgte.
Vielmehr sprechen die in der hg. Verhandlung hervorgekommenen Aktivitäten und Kenntnisse des BF, wie durch die umfassende Befragung des BF in der hg. Verhandlung, in der sich die erkennende Richterin einen persönlichen Eindruck vom BF verschaffen konnte, hervorgekommen ist, für keine substantiierte spirituelle Haltung, welche von einer Person, die sich aus freien Stücken einem neuen Glauben zugewendet, diesen über mehrere Jahre praktiziert und sich sogar für die Taufe entschieden hat, zugrunde liegt, sondern dafür, dass der BF dieses Sakrament aus Opportunitätserwägungen an sich vornehmen ließ.
Von einer missionarischen Tätigkeit des BF, welche die Weitergabe von Glaubenslehre, die Verkündung des Glaubens und die Bekehrung zu dem betreffenden Glauben beinhaltet, kann beim BF aufgrund der bisherigen hg. Ausführungen nicht ausgegangen werden.
Der BF hat in der hg. Verhandlung auch eine Bestätigung des XXXX vom 16.02.2021 vorgelegt, wonach er dort seit Februar 2018 die Gottesdienste besucht und einen 10-wöchigen Jüngerschaftskurs sowie drei Wochenendseminare absolvierte und an vielen kirchlichen Veranstaltungen teilgenommen habe, auch kirchliche Zeitschriften verteile und an Veranstaltungen zur Erbauung und Ermutigung christlicher Männer teilgenommen habe. Ebenso brachte er eine Mitgliedschaftsbestätigung des XXXX in Vorlage.
Auch diese Bestätigungen vermochten nichts an der soeben dargelegten hg. Ansicht zu ändern, konnten diese doch auch lediglich nach außen in Erscheinung tretende Faktoren betreffend der vom BF angegebenen Konversion, welche seitens des erkennenden Gerichts auch festgestellt wurden, wiedergeben.
Die alleinige Präsenz zB in einem Gottesdienst und weiteren kirchlichen Veranstaltungen lässt jedoch nicht gleichzeitig auf eine innere Haltung im Sinne einer interessierten Teilnahme und spirituellen Auseinandersetzung schließen, was auch durch die Antworten des BF in der hg. Verhandlung evident wird.
Auch der in der hg. Verhandlung einvernommene Zeuge vermochte mit seiner Aussage sowie den vorgelegten Fotos, welche die Beschwerdeführer bei Veranstaltungen der Glaubensgemeinschaft zeigen, nichts an der soeben dargelegten hg. Ansicht zu ändern, konnte dieser doch auch lediglich nach außen in Erscheinung tretende Faktoren (wie die bereits schriftlich bestätigten genannten Aktivitäten und die Teilnahme an einem mehrstufigen Ausbildungsprogramm) betreffend der angegebenen Konversion des BF, welche seitens des erkennenden Gerichts auch festgestellt wurden, wiedergeben.
Bezüglich der im Verfahren vorgelegten Anzeige über den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft wird festgehalten, dass lt. Auskunft der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich vom 04.10.2016 an das BFA die Privatsphäre der betreffenden Personen geschützt wird und wurde hinsichtlich der betreffenden Daten festgehalten, dass keine diesbezüglichen Angaben nach außen getragen werden, sodass dadurch keine asylrelevante Gefährdung für den BF abzuleiten ist.
Für die Beurteilung, ob es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers um eine Scheinkonversion handelt, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH und VwGH der Frage der inneren (Glaubens-)Überzeugung des Beschwerdeführers maßgebliche Bedeutung zu. Für diese Beurteilung ist insbesondere der persönliche Eindruck des Beschwerdeführers wesentlich (vgl. dazu jüngst: VfGH, 23.09.2019, E968/2019).
Die erkennende Richterin konnte sich vom Wissensstand zu Glaubensinhalten und der persönlichen Auseinandersetzung des BF mit Inhalten des christlichen Glaubens und der Bibel, dem Praktizieren dieses Glaubens und von diesem selbst in der hg. Verhandlung einen persönlichen Eindruck verschaffen und kam klar und zweifelsfrei zu dem Schluss, dass dieser für die Annahme einer tatsächlichen, ernsthaften Konversion im Sinne der unter Pkt. 3.4. genannten Definition nicht ausreichend ist.
Auf die in das hg. Erkenntnis aufgenommenen Ausführungen des BF sei verwiesen, welche das Verhältnis des BF zum christlichen Glauben deutlich dokumentieren, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass der BF sich intensiv mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt und sich in weiterer Folge ernsthaft und nachhaltig dem Christentum zugewandt hat, dieser für sie identitätsstiftend ist bzw. im Falle einer Rückkehr im Iran diesen Glauben praktizieren wird und deshalb in das Blickfeld der Behörden geraten oder missionierend bzw. in einer herausgehobenen Position tätig sein wird.
Letztlich ergab das hg. Beweisverfahren aus den dargelegten Gründen nicht, dass der christliche Glaube bereits derart tief im BF verwurzelt ist, dass dieser Bestandteil seiner Identität geworden ist.
3.3.2.2. Dass die vorgebliche Konversion des Beschwerdeführers, seine Taufe und Teilnahme an einem Taufvorbereitungskurs und seine Teilnahme an Gottesdiensten sowie am Pfarrleben den iranischen Staatsorganen bereits bekannt geworden ist, hat dieser nicht glaubwürdig behauptet.
Aus dem ausreisekausalen Vorbringen des BF2, welches aus den dargelegten Gründen als unglaubwürdig zu qualifizieren war, ergibt sich nicht, dass dieser in politischer oder religiöser Hinsicht in irgendeiner Form auffällig geworden und in das Visier der iranischen Behörden geraten ist.
Es lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür ableiten, dass der Beschwerdeführer derart in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten wäre, sodass er unter Beobachtung steht und seine Betätigung im christlichen Umfeld insofern registrieren möchte, um ihn - im Falle der Rückkehr - wegen Abfalls vom Glauben ("Apostasie") zu belangen, woran auch der formale Akt der Taufe, nichts zu ändern vermag, ist doch nicht davon auszugehen, dass iranische Behörden alle Taufen beobachten und registrieren, was auch deren faktische Möglichkeiten bei weitem übersteigen würde.
In den länderkundlichen Feststellungen wird auf Personen bezuggenommen, welche tatsächlich zum christlichen Glauben konvertiert sind und sich durch das Praktizieren dieses Glaubens unter Umständen einer Gefährdung aussetzen können.
Die hg. Beweiswürdigung ergab jedoch, dass im Falle des Beschwerdeführers gerade keine ernsthafte Konversion zum christlichen Glauben existent ist, sodass in weiterer Konsequenz auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass er den christlichen Glauben, dem er sich, wie die Beweiswürdigung zeigte, lediglich zum Schein zugewandt hat und diesen nicht tatsächlich und ernsthaft praktiziert und dieser auch nicht Bestandteil seiner Identität geworden ist, diesen umso weniger im Rückkehrfall in den Iran praktizieren bzw. ein diesbezügliches Bedürfnis haben wird, sodass im Hinblick auf die in den Länderfeststellungen zitierten Quellen, welche allesamt von einer tatsächlichen ernsthaften Konversion, welche auch den Wunsch, den Glauben zu praktizieren, beinhaltet, im gegebenen Fall nicht mit asylrelevanten Konsequenzen zu rechnen ist (vgl. dazu auch EGMR, 19.12.2017, 60342/16 A. gg. die Schweiz – eine Konversion führt nur bei Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit zur Verfolgung im Iran:...dass Konvertiten im Iran nur dann dem Risiko einer Misshandlung ausgesetzt sind, wenn sie durch die öffentliche Ausübung ihres Glaubens die Aufmerksamkeit der iranischen Behörden erregen.). Dass trotz Widerruf einer erfolgten Taufe eine Gefährdung lt. Bericht des Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (DIS/DRC) aus dem Jahr 2014 möglich ist, kann nicht festgestellt werden. In das aktuelle Länderinformationsblatt wurde der aktuelle Bericht des DIS/DRC aus dem Jahr 2018 ebenso aufgenommen, doch findet sich darin keine solche Information, wie im Bericht aus dem Jahr 2014, sodass davon ausgegangen werden kann, dass der diesbezügliche Informationsstand aus dem Jahr 2014 nicht mehr aktuell ist. Auch, wenn im aktuellen Bericht auf die Meinung einer Organisation verwiesen wird, die sich um Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten kümmert, wonach eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (es wird sohin von einer bloßen Möglichkeit ausgegangen), so steht dem die Aussage von Amnesty International und einer anonymen Quelle vor Ort gegenüber, wonach eine Taufe keine Bedeutung habe. Das erkennende Gericht misst dieser Aussage von Amnesty International, in diesem Zusammenhang mehr Gewicht zu, handelt es sich doch hiebei um eine internationale Organisation, die sich weltweit für Menschenrechte einsetzt und Menschenrechtsverletzungen recherchiert und darüber berichtet, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Organisation im Falle, dass sie das alleinige Faktum der Taufe als problematisch ansehen würde, nicht berichten würde, dass diese keine Bedeutung habe. Auch ist, wie bereits festgehalten, nicht ersichtlich bzw. nicht davon auszugehen, dass die iranischen Behörden Kenntnis von der Taufe des BF haben.
Bezüglich der BF1 und des BF2 wird festgehalten:
3.4. Konversion (lat.: conversio ‚Umwendung, Umkehr‘) bedeutet die Übernahme von neuen Glaubensgrundsätzen, religiösen Traditionen und Bräuchen sowie möglicherweise auch anderen Teilen der mit der fremden Religion verbundenen Kultur durch eine konvertierende Person. Die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrer Konversion zum Christentum sind aus den dargelegten Erwägungen nicht als glaubwürdig zu qualifizieren und ist daher davon auszugehen, dass die behauptete Konversion der BF zum Christentum allenfalls nur formal erfolgt ist, um Vorteile im Asylverfahren zu erwirken.
Der VwGH verlangt zur Feststellung, ob ein Antragsteller tatsächlich oder nur zum Schein konvertiert ist, eine schlüssige Gesamtbeurteilung. Elemente für eine solche Gesamtbeurteilung können sein: eine nähere Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten und seinem religiösen Grundwissen sowie eine konkrete Auseinandersetzung mit Angaben etwaiger Zeugen. Mangelndes religiöses Grundwissen kann für das Vorliegen einer Scheinkonversion sprechen, ist aber nicht ausreichend (VwGH 14.11.2007, 2004/20/0215; 14.11.2007, 2004/20/0485).
Hervorzuheben ist auch die rezente höchstgerichtliche Judikatur in einem ähnlich gelagerten Fall, in dem das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des mangelnden Wissens der getauften BF zu Glaubensinhalten und bei Betrachtung der religiösen Aktivitäten und einer Gesamtbetrachtung im Falle einer behaupteten Konversion die Beschwerde gem. §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 als unbegründet abwies, der VfGH die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 12.06.2019, E 990/2019-7, ablehnte und der Verwaltungsgerichtshof die Revision mit Beschluss vom 29.08.2019, Ra 2019/19/0303-6 zurückwies.
3.4.1. Aufgrund der mehrfach vorliegenden dargelegten Faktoren, welche bei Gesamtschau gegen eine tatsächliche Konversion der BF sprechen, entspricht die hg. Ansicht auch der obzitierten höchstgerichtlichen Judikatur hinsichtlich einer Gesamtbeurteilung.
Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, dass sowohl die Gründe für die Ausreise als auch die geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgründe der BF, als unglaubwürdig zu qualifizieren waren.
3.5. Die hg. getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den aktuellen angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen.
Die allgemeinen länderkundlichen Feststellungen resultieren aus den zitierten Länderdokumenten, welche auf verschiedenartigen, objektiven Quellen, die inhaltlich miteinander in Einklang stehen, basieren.
Die Beschwerdeführer trat diesen in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen.
Es ist im Lichte der hg. Länderfeststellungen nochmals festzuhalten, dass die Angaben der BF zu einer tatsächlichen Konversion nicht glaubwürdig sind, sie bislang nicht in das Blickfeld der iranischen Behörden gerieten, weshalb ihnen aus den dargelegten Gründen die Scheinkonversion in Österreich auch nicht zum Nachteil gereicht; die seitens der BF angegebenen Aktivitäten (Taufe, Gottesdienstbesuch, Tauf- bzw. Jüngerschaftskurs, Aktivitäten in der christlichen Gemeinde) können sohin auch nicht als identitätsstiftend für die BF erachtet werden.
Überdies kann nicht davon ausgegangen werden, dass die BF aufgrund der dargelegten Gründe zu einer Missionstätigkeit im Iran in der Lage sind oder ein Interesse an derartigen Aktivitäten haben.
Es ist allgemein zu den Feststellungen auszuführen, dass es sich bei den herangezogenen Quellen zum Teil um staatliche bzw. staatsnahe Institutionen handelt, die zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind.
Zur Auswahl der Quellen wird angeführt, dass sich das Bundesverwaltungsgericht einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges bediente, um sich so ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers machen zu können. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates über den berichtet wird zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann.
Jedenfalls handelt es sich bei den dem Verfahren zugrunde gelegten Quellen um Berichte staatlicher oder staatsnaher Institutionen, denen aufgrund ihrer Verpflichtung zu Objektivität und Unparteilichkeit keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann.
Die in das Verfahren integrierten Länderinformationen wurden schließlich von der Staatendokumentation des BFA, zusammengestellt, deren Qualität ob der gesetzlichen Verpflichtung zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der gesammelten Tatsachen nach objektiven Kriterien (§ 5 Abs. 2 BFA-G) nicht in Zweifel gezogen wird.
Weder die BF noch ihr Vertreter sind den aktuellen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in der mündlichen Verhandlung, substantiiert entgegengetreten.
Ein weiteres Eingehen auf die Beschwerde und Stellungnahme, welche die Glaubwürdigkeit der Angaben der BF zu ihren Ausreisegründen und zu ihrer Konversion voraussetzen, ist aufgrund der Ergebnisse der hg. Beweiswürdigung entbehrlich.
Die unstrittigen Feststellungen zu aktuell vorliegenden Zahlen in Verbindung mit der Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den notorischen unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen, wie etwa der Johns Hopkins Universität, Corona Resource Center, in Baltimore, Maryland (darauf ua verweisend: https://www.ages.at ).
Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage und zur speziellen Situation der BF im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.
3.6. Zur Beschwerde der Beschwerdeführer
Da sämtliche Ausführungen in der Beschwerde die Glaubwürdigkeit des Vorbringens der BF voraussetzen, welche jedoch aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verneinen war, ist, um Wiederholungen zu vermeiden, nicht weiter auf den Beschwerdeinhalt einzugehen.
4. Rechtliche Beurteilung (Zu Spruchteil A):
4.1. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheides
4.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH E vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).
Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH E vom 26.2.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH E vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH E 18.4.1996, 95/20/0239; VwGH E vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH E vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH E vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).
4.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der BF, in ihrem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.
Nach Ansicht der erkennenden Richterin sind im Falle der Beschwerdeführer die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem der in der GFK genannten Gründen nicht gegeben.
Das ausreisekausale Vorbringen der Beschwerdeführer und der von ihnen geltend gemachte Nachfluchtgrund der Konversion war in seiner Gesamtheit – wie in der Beweiswürdigung detailliert ausgeführt - nicht als glaubwürdig zu qualifizieren, weshalb es auch nicht der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 30.06.2005, Zahl: 2003/20/0544) ist zur Frage der Verfolgungsgefahr bei Iranern, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grunde mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (so schon im Erkenntnis des VwGH vom 24.10.2001, Z1. 99/20/0550, ebenfalls VwGH vom 17.10.2002, Zahl: 2000/20/0102). In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.
Nachdem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83 /eg, kann einem Flüchtling nicht mehr angesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das sogenannte „forum internum" zu beschränken.
Asylbegehren, die auf Verfolgung mit religiösem Hintergrund gestützt werden, müssen so hin unter Berücksichtigung der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83 /eg geprüft werden. Gemäß dieser Richtlinie muss so hin die öffentliche Ausübung (forum externum) des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein.
Um von einer Asylrelevanz überhaupt ausgehen zu können, kommt es auf die Art der Ausübung des christlichen Glaubens im Iran an, sowie darauf, ob der Asylwerber bei der Ausübung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanter Gefährdung zu rechnen hat.
Bei der Prüfung, ob tatsächlich Verfolgungsgefahr gegeben ist, sind sowohl objektive als auch subjektive Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Es kommt nicht ausschließlich auf den erfolgten Glaubensübertritt an, da dieser allein in der Regel noch nicht zu einer begründeten Verfolgungsfurcht führt. Bei Antragstellern, die unverfolgt aus dem Herkunftsstaat ausreisen, wird daher eine doppelte Prognose unter Würdigung der Gesamtumstände vorgenommen. Zu berücksichtigen ist das zu erwartende Verhalten des Antragstellers in seinem Herkunftsstaat und die voraussichtliche Reaktion der Behörden oder anderer Akteure. Maßgeblich für diese doppelte Prognose sind jedoch nicht detaillierte Kenntnisse über die Konversionsreligion und spielen diese bei der Entscheidung eine untergeordnete Rolle.
Basis der doppelten Prognose ist die Ernsthaftigkeit des religiösen Engagements, das sich durch ein Verhalten ausdrückt. Bescheinigungen über die Art, den Umfang und die Dauerhaftigkeit der Beteiligung des Antragstellers an den Aktivitäten der jeweiligen Kirchengemeinde geben darüber Aufschluss und sind zu berücksichtigen. Für die Überzeugung werden stets alle Aspekte des jeweiligen Falles - sowohl subjektive als auch objektive- in den Blick genommen (Sarah Bega, 410/Ursula Gräfin Praschma, AL 4, Entscheiderbrief des BMF 5/2015).
Im Lichte der in das Verfahren integrierten Länderinformationen und auch der zitierten aktuellen Judikatur ist der Schluss zu ziehen, dass aus der lediglich formalen, bzw. zum Schein erfolgten Konversion zum christlichen Glauben - wie sie in casu vorliegt - ohne dem Vorliegen einer exponierten Tätigkeit wie etwa missionarischer Aktivitäten, keine asylrechtlich relevante Gefährdung resultiert.
Dass die BF, wie viele andere iranische Konvertiten die Kirche besuchen sowie die Taufe empfangen haben und in ihrer Gemeinde aktiv sind und ihnen dies im Rückkehrfall in asylrelevanter Weise zum Nachteil gereicht, kann aufgrund der in der Beweiswürdigung getroffenen Ausführungen, wonach nicht davon auszugehen ist, dass die BF für die iranischen Behörden in irgendeiner Weise von Interesse sind und unter Beobachtung stehen und es somit keinen ersichtlichen Grund gibt, dass die Aktivitäten der BF den iranischen Behörden oder Privatpersonen bekannt werden sollte, nicht festgestellt werden.
Auch betreffen den in das Verfahren aufgenommenen Länderfeststellungen zufolge Repressionen jedoch vor allem missionierende Christen und sehen sich christliche Konvertiten aufgrund der Ausübung ihres Glaubens willkürlichen Festnahmen und Verhaftungen ausgesetzt.
Dass die BF den christlichen Glauben ausüben und dieser für sie identitätsstiftend ist, ist im Lichte der beweiswürdigenden Ausführungen naturgemäß auszuschließen und kann auch umso weniger davon ausgegangen werden, dass es den BF ein Anliegen ist, missionierend tätig zu sein bzw. ist zu verneinen, dass die BF aufgrund ihres Wissensstandes hinsichtlich christlicher Glaubensinhalte dazu in der Lage wären.
Auch ist den Feststellungen zu entnehmen, dass Geistliche, welche im Iran in der Vergangenheit verfolgt oder ermordet wurden, im Ausland zum Christentum konvertiert waren. Bei den BF handelt es sich jedoch um keine Geistlichen, sondern um Personen, welche formal und lediglich zum Schein konvertiert sind, sodass daraus keine asylrelevante Gefährdung der BF abzuleiten ist.
Aus den Länderfeststellungen ist letztlich zu schließen, dass nur iranische Staatsangehörige, die sich als Folge ihrer missionarischen Betätigung für das Regime deutlich von der breiten Masse abheben (Kirchenführer, in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen), Gefahr laufen, dass sich die iranischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen.
Im Hinblick darauf, dass der iranische Staat nicht jegliche Tätigkeit seiner Staatsbürger verfolgen kann, muss sich sein Interesse auf Personen beschränken, die aufgrund ihrer exponierten Stellung, ihres Einflusses auf andere iranische Staatsbürger und eines herausragenden Engagements eine potentielle Gefahr für den ausschließlichen Machtanspruch des Regimes im Iran darstellen könnten.
Das Verhalten der BF, erweist sich aber nicht als derart markant, dass es geeignet erscheint, einen erhöhten Ermittlungsaufwand bei den iranischen Behörden auszulösen. Ein asylrelevantes Verfolgungsrisiko ist nach Ansicht der erkennenden Richterin daher nicht gegeben.
Die BF haben auch nicht glaubwürdig vorgebracht, dass sich ihre Familien zu ihrem scheinbaren Glaubensübertritt negativ geäußert oder diesen den iranischen Behörden mitgeteilt hätten und ist nicht davon auszugehen, dass diese die iranischen Behörden diesbezüglich in Kenntnis setzt.
Letztlich sei hervorgehoben, dass lt. den in das Verfahren integrierten aktuellen länderkundlichen Feststellungen konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, für die iranischen Behörden nicht von Interesse sein werden (vgl. dazu auch EGMR, 19.12.2017, 60342/16 A. gg. die Schweiz – eine Konversion führt nur bei Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit zur Verfolgung im Iran:...dass Konvertiten im Iran nur dann dem Risiko einer Misshandlung ausgesetzt sind, wenn sie durch die öffentliche Ausübung ihres Glaubens die Aufmerksamkeit der iranischen Behörden erregen.).
Aufgrund der Beweiswürdigung in casu, welche ergibt, dass es sich bei den BF um eine Scheinkonversion handelt, kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die BF Aktivitäten im Iran setzen und ist ferner auch auf die in den länderkundlichen Feststellungen enthalte Ausführung von Amnesty International zu verweisen, wonach sogar eine Taufe keine Bedeutung habe.
Was die im Dezember 2020 geborene BF3 betrifft, so wurde die BF1 als deren gesetzliche Vertreterin zu allfälligen eigenen Asylgründen in der hg. Verhandlung befragt und erklärte die BF1 dazu, dass die BF3 aufgrund des Glaubens der BF1 und des BF2 auch Probleme bekommen werde, da sie beabsichtigen diese taufen zu lassen.
Auch in diesem Zusammenhang wird auf die hg. Beweiswürdigung zur Konversion der BF1 und des BF2 verwiesen und festgehalten, dass diese nicht für sie identitätsstiftend ist, sodass nicht davon auszugehen ist, dass die BF1 und der BF2 diesbezüglich Aktivitäten im Iran setzen, sodass auch die BF3, für die bis zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt keine Taufbestätigung vorgelegt wurde, im Rückkehrfall keinen daraus resultierenden Problemen ausgesetzt sein wird.
Auch, wenn im aktuellen Länderbericht auf die Meinung einer Organisation verwiesen wird, die sich um Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten kümmert, wonach eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (es wird sohin von einer bloßen Möglichkeit ausgegangen), so steht dem die Aussage von Amnesty International und einer anonymen Quelle vor Ort gegenüber, wonach eine Taufe keine Bedeutung habe. Das erkennende Gericht misst dieser Aussage von Amnesty International, in diesem Zusammenhang mehr Gewicht zu, handelt es sich doch hiebei um eine internationale Organisation, die sich weltweit für Menschenrechte einsetzt und Menschenrechtsverletzungen recherchiert und darüber berichtet, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Organisation im Falle, dass sie das alleinige Faktum der Taufe als problematisch ansehen würde, nicht berichten würde, dass diese keine Bedeutung habe.
4.1.3. Auch das Vorliegen eines Nachfluchtgrundes ist im gegenständlichen Fall aufgrund der dargelegten Erwägungen zu verneinen.
Nach den getroffenen Feststellungen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass iranische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.
4.1.4. Was die in der seitens des BF2 in der hg. Verhandlung angegebene 3-4malige Teilnahme an Demonstrationen in den Jahren 2018 und 2019 betrifft, von denen er angab, so wie die anderen teilgenommen und das Regime beschimpft zu haben, ist folgendes festzuhalten:
Seitens des erkennenden Gerichts wird nicht davon ausgegangen, dass sich der BF2 damit exponiert und die Aufmerksamkeit der iranischen Behörden auf sich gezogen hat.
Der Beschwerdeführer ist insgesamt betrachtet mit den dargelegten Ausführungen in der hg. Verhandlung weder im Iran noch in Österreich als überzeugtes und aktives Mitglied einer Oppositionspartei nach außen in Erscheinung getreten, weshalb in weiterer Folge nicht davon ausgegangen werden kann, dass die von ihm geschilderte Aktivität in Österreich (3-4 Teilnahmen an Demonstrationen) den iranischen Behörden bekannt ist und ein Interesse der Behörden an seiner Person begründet.
Dass der BF im Rückkehrfall aufgrund der nunmehr geltend gemachten politischen Aktivitäten einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist, kann im Lichte der beschriebenen Aktivität des BF in Verbindung mit den länderkundlichen Feststellungen nicht erkannt werden.
Die erkennende Richterin lässt zwar die länderkundlichen Feststellungen nicht unberücksichtigt, wonach Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann in den Iran zurückkehren, von Repressionen bedroht sein können.
Es ist jedoch aufgrund der Ergebnisse der hg. Beweiswürdigung, wonach die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen unglaubwürdig sind, und den Angaben des BF zu seinen exilpolitischen Aktivitäten, welche sich in der oa Aktivität (Teilnahme an 3-4 Demonstrationen) erschöpfen, nicht davon auszugehen, dass dies allein für die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung (die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht – VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0069) durch die iranischen Behörden im Rückkehrfall des Beschwerdeführers in den Iran ausreicht und ist diese Aktivität nicht einer öffentlichen regimekritischen Äußerung, wie in den Länderfeststellungen erwähnt, gleichzuhalten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung der Gefährdungssituation von „Rückkehrern“, die sich im Ausland exilpolitisch betätigt haben, in Bezug auf den geltend gemachten Nachfluchtgrund darauf an, ob der Asylwerber infolge seiner exilpolitischen Betätigung in das Blickfeld der für die Staatssicherheit zuständigen Behörden seines Herkunftsstaates geraten konnte.
Zur Beantwortung dieser Frage sind zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen, einerseits, ob der Asylwerber auffällig „regimekritisch“ in Erscheinung getreten ist, andererseits, ob er aus der Sicht der Behörden des Herkunftsstaates als Gefahr für das Regime eingeschätzt werden konnte (VwGH, 22.05.2001, 2000/01/0076; VwGH, 14.01.2003, 2001/01/0398; VwGH, 08.04.2003, Zl. 2002/01/0078). Eine exilpolitische Betätigung im Ausland kann einen asylrelevanten Nachfluchtgrund bilden (vgl. VwGH 19.01.2016, Ra 2015/01/0070, mwN). Bei der Beurteilung der Gefährdungssituation von "Rückkehrern" kommt es regelmäßig entscheidend darauf an, ob der Asylwerber infolge seiner exilpolitischen Tätigkeit ins Blickfeld der zuständigen Behörden seines Herkunftsstaates geraten konnte. Bei Beurteilung dieser Frage sind zwei Gesichtspunkte auseinander zu halten. Zunächst geht es darum, ob der Asylwerber so in Erscheinung getreten ist, dass er als auffällig regierungskritisch identifizierbar war. Die Bejahung führt zur zweiten Frage, ob die Behörden des Herkunftsstaates in irgendeiner Form - zB durch Informanten oder Medienberichte - von seinem Auftreten Notiz genommen haben oder nehmen könnten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Asylwerber aus der Sicht dieser Behörden eine ernst zu nehmende politische Gefahr darstellen könne. Eine derartige subjektive Einschätzung kann nämlich nicht ohne weiteres extern vorweggenommen werden, insbesondere dann, wenn der Asylwerber schon in seinem Heimatland politisch tätig gewesen ist (vgl. VwGH 22.5.2001, 2000/01/0076). Entscheidend ist vielmehr, wie die exilpolitische Tätigkeit von den Behörden des Herkunftsstaates bewertet würde und welche Konsequenzen sie für den Asylwerber hätte (VwGH 17.9.2003, 2002/20/0562; vgl. ferner VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0080).
In das Blickfeld der Sicherheitskräfte können zwar exponierte Personen geraten, nicht jedoch Personen, die Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung verrichten (exilpolitische Aktivitäten niedrigen Profils).
Zu den exilpolitischen Aktivitäten niedrigen Profils, zählen unter anderem die mit einer schlichten Vereinsmitgliedschaft verbundene regelmäßige Zahlung von Mitgliedsbeiträgen sowie von Spenden, schlichte Teilnahme an Demonstrationen, Ordnertätigkeit bei Demonstrationen, Hungerstreiks, Autobahnblockaden, Informationsveranstaltungen oder Schulungsseminaren, Verteilung von Flugblättern und Verkauf von Zeitschriften, Helfertätigkeit bei Informations- und Bücherständen, Platzierung von namentlich gezeichneten Artikeln und Leserbriefen in Zeitschriften. (Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 273/04.A.19.04.2005; OVG Münster, Urteil vom 27.06.2002, Az.: 15. A 373/01.A)
Eine Möglichkeit, aufgrund der genannten in Österreich gesetzten Aktivitäten des BF in das Blickfeld der iranischen Behörden zu gelangen und im Rückkehrfall asylrelevanter Gefährdung ausgesetzt zu sein, ist im Lichte der obzitierten Judikatur und der einschlägigen Länderfeststellungen zu verneinen.
Nach Ansicht der erkennenden Richterin ist es im Lichte der bisherigen Ausführungen im Falle des Beschwerdeführers für die Begründung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit erforderlich, dass einfache Mitglieder oder Sympathisanten und untergeordnete Aktivitäten für exiloppositionelle Gruppen erkennbar und identifizierbar öffentlichkeitswirksam nach außen treten, sodass sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von den iransichen Behörden und Sicherheitskräften erkannt und identifiziert werden können und darüber hinaus wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates existent ist.
Dafür sind nach hg. Ansicht jedoch die genannten Aktivitäten des BF nicht ausreichend. Es ist nicht als realistisch anzusehen, dass jede Person, welche an Veranstaltungen der Exilopposition teilnimmt, als möglicher Regimefeind erkannt und verfolgt wird.
Ferner reicht auch allein die mögliche Identifizierbarkeit des Beschwerdeführers nicht zur Annahme aus, er hätte deswegen bei einer Rückkehr in den Iran eine Verfolgung zu befürchten, zumal im bisherigen Verfahren nicht hervorgekommen ist, dass sich der Beschwerdeführer besonders hervorgetan oder exponiert hätte.
In diesem Zusammenhang sei auch auf nachfolgend zitierte deutsche oberverwaltungsgerichtliche Judikatur verwiesen:
Nach der Rechtsprechung ist -allgemein- maßgeblich für eine beachtliche wahrscheinliche Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die dem Betreffenden nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen oder umgekehrt. Die Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten ist anzunehmen, wenn ein iranischer Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran einwirkenden Regimegegner einwirken lässt (OVG NRW, B.v.16.01.2017 – 13A 1793/16.A – juris; BayVGH, B.v.29.07.2013 – 14ZB 13.30084-juris; B.v.06.01.2014 – 13 A 1474/13.A –Juris).
Erforderlich ist im Regelfall ein exponiertes exilpolitisches Engagement, das den Betreffenden aus dem Kreis der standardmäßig exilpolitisch Aktiven heraushebt und im iranischen Staat als ernsthaften Regimegegner erscheinen lässt, so dass wegen der von ihm ausgehenden Gefahr eines Verfolgungsinteresses seitens des iranischen Staates besteht (HessVGH, U v.21.09.2011-6A 1005/10.A –EzAR-NF 63 Nr. 4).
Eine religiöse oder politische Verfolgung im Iran aufgrund wenig exponierter und untergeordneter exilpolitischer Aktivitäten zuletzt verneinend VwGH 11.03.2021, Ra 2021/18/0075.
Letztlich ist zu erwähnen, dass der BF nicht in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten ist und sohin ein erhöhtes Interesse an ihm besteht.
Bei Gesamtbetrachtung der seitens des BF beschriebenen Tätigkeiten, der derzeitigen Auskunftslage und der höchstgerichtlichen Judikatur kann nicht von der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr des BF ausgegangen werden.
4.1.5. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.
Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht der erkennenden Richterin die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Die Beschwerdeführer vermochten keine asylrelevante Verfolgung für sich und ihre minderjährige Tochter (BF3) darzutun. Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist es den Beschwerdeführern nicht gelungen, eine solche glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen fluchtkausalen Angaben nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0380).
Dies unter Berücksichtigung dessen, dass die Beschwerdeführer 1-3 wechselseitig auch aus den Verfahren der jeweils anderen Familienmitglieder als Familienangehörigen keinen derartigen Status ableiten können, da deren Beschwerden mit Erkenntnis des heutigen Tages im Ergebnis ebenfalls gleichlautend entschieden wurde.
4.2. Zu Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide
4.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offenbliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände („exceptional circumstances“) vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter „außergewöhnlichen Umständen“ können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr („real risk“) – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
4.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind.
Dass die BF im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnten, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Eine Gefährdung durch staatliche Behörden bloß aufgrund des Faktums der Rückkehr ist nicht ersichtlich (vgl. dazu die einschlägigen Länderfeststellungen), auch keine sonstige allgemeine Gefährdungslage durch Dritte.
4.2.2.1. Die BF1-BF3 sind gesund und die BF1 und der BF2 sind arbeitsfähig, sie waren im Iran als Mitarbeiterin in einem Architekturbüro (BF1) bzw. als Taxifahrer (BF“) berufstätig und sind in Österreich aber auch im Iran in keiner Weise öffentlich regimefeindlich aufgefallen und ist mangels Exponiertheit der BF auch nicht davon auszugehen, dass diese seitens der iranischen Behörden in Österreich überwacht werden oder wegen eines begangenen Deliktes und erfolgter Bestrafung erneut Probleme im Rückkehrfall bekommen werden.
Der Verfassungsgerichtshof entschied mit Erkenntnis vom 20. September 2010, U 1863/09-12, unter Hinweis auf das im Vorabsatz erwähnte Urteil des EGMR, dass bei einer Rückkehr in den Iran bezüglich der Prüfung der Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung neben der zuvor erwähnten Berücksichtigung der angespannten Situation auch die speziellen Risiken bedacht werden müssen, denen Iraner ausgesetzt sind, wenn sie, ohne über Beweismittel für ihre legale Ausreise zu verfügen, in ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssen. Auf Grund aktueller Länderberichte stehe fest, dass diese besonders leicht einer genauen Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Ausreise aus dem Iran unterzogen werden. Diesfalls wäre es wahrscheinlich, dass ein Iraner ohne gültige Ausreisepapiere die Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitsbehörden auf sich ziehen und seine Vergangenheit dabei offen gelegt würde. Diese beiden Gesichtspunkte zusammen können dazu führen, dass die Ausweisung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat angesichts der gegenwärtigen Umstände eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung darstellt. Diese Judikatur ist im konkreten Fall nun aber nicht einschlägig, da die Beschwerdeführer 1 und 2 im Unterschied zur genannten VfGH-Judikatur den Iran legal verlassen und ein unglaubwürdiges Vorbringen erstattet haben, daher zu keinem Zeitpunkt wesentlich ins Blickfeld des iranischen Staates geraten sind, den Iran nicht vorverfolgt verlassen haben und ihr gesamtes Vorbringen als unglaubwürdig zu werten ist, weshalb letztlich keine Gefährdung vorliegt.
Die BF erklärten hinsichtlich ihrer Person und hinsichtlich der BF3 in der hg. Verhandlung, gesund zu sein und sich in keiner ärztlichen Behandlung zu befinden.
Eine Rückkehrgefährdung der BF ergibt sich aus ihren Angaben in der hg. Verhandlung nicht.
4.2.2.2. Seitens des erkennenden Gerichts wurden Feststellungen zu eingeleiteten Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID 19 Pandemie getroffen.
Im Lichte der genannten Feststellungen, welche sich neben medizinischer Versorgung auch auf die allgemeine Grundversorgung der Bevölkerung beziehen, und keine Rückschlüsse auf einen Zusammenbruch des Wirtschaftssystems oder des Gesundheitssystems zulassen, kann auch keine allgemeine prekäre Lage festgestellt werden, welche eine Rückkehr der BF in den Iran verunmöglichen würde.
Auch aus den aktuellen, in das Verfahren integrierten Quellen zur COVID19-Pandemie ergibt sich keine Rückehrgefährdung der BF im Sinne eines realen Risikos, ist doch aufgrund des Alters und des Gesundheitszustandes der BF nicht darauf zu schließen, dass diese Angehörige einer Risikogruppe sind.
Bei COVID 19 handelt es sich um keine wahrscheinlich tödlich verlaufende, die Schwelle des Art 3 EMRK tangierende Krankheit und haben die BF zu den diesbezüglichen hg. Feststellungen auch kein Vorbringen erstattet, aus dem sich in diesem Zusammenhang ein reales Risiko im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat ergeben würde.
Insgesamt kann sohin im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund der COVID 19-Pandemie im Herkunftsstaat der BF und ihren Ausführungen weder auf eine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Krankheitsverlaufes bei den BF noch insgesamt auf eine allgemeine oder medizinische unzureichende Versorgungslage geschlossen werden.
Ferner ist auf die Judikatur des EGMR zu verweisen, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09).
Dazu auch VwGH vom 23.06.2020, Ra 2020/20/0188-3, Rz 17 – 19 hinsichtlich der Ausführungen zur aktuellen Covid-Pandemie: es reicht nicht, wenn eine Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (VwGH 22.4.2020, Ra 2020/18/0098, mwN).
Auch ist diesbezüglich zu betonen, dass eine schwierige Lebenssituation insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht ausreicht, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH 27.05.2019 Ra 2019/14/0153-8, VwGH 12.03.2020 Ra 2019/01/0347-8).
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemein existenten Notlage im Herkunftsstaat der BF (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Nach den getroffenen Länderfeststellungen herrscht im Iran ferner nicht eine generell unsichere, von bewaffneten Unruhen geprägte Lage, aufgrund derer die BF bei einer Rückkehr einer konkreten Gefährdung ausgesetzt werden würden.
Ferner ist die Grundversorgung sowie die medizinische Versorgung grundsätzlich gewährleistet und besteht den länderkundlichen Feststellungen zufolge auch die Möglichkeit der Beziehung von Sozialbeihilfen. In den zahlreichen Apotheken sind auch die meisten in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer; generell sind alle Medikamentengruppen im Iran erhältlich; letztlich können die BF bei Bedarf auch mit der Unterstützung ihrer Familien rechnen.
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemein existenten Notlage im Herkunftsstaat der BF (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.4.2.2.3 . Eine allgemeine Gefährdung von allen Rückkehrern wegen des Faktums ihrer Rückkehr lässt sich aus den Quellen ebenso wenig folgern.
Die aktuelle Lage im Iran stellt sich derzeit nicht so dar, dass nun bereits ein generelles Abschiebehindernis bzw. eine generelle Gefährdung aus Sicht der EMRK (Art. 3) gegeben ist. Vielmehr hat sich die innenpolitische Lage nach den Turbulenzen im Jahr 2009 wieder - zumindest oberflächlich - beruhigt. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil des EGMR vom 09.03.2010, Fall R.C., Appl. 41.827/07 zu verweisen, wonach zwar die im Iran herrschende, sehr angespannte Situation nicht außer Acht gelassen werden dürfe, in welcher der Respekt für die grundlegenden Menschenrechte seit den Wahlen 2009 erheblich abgenommen habe, diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen allein die Rückführung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat aber noch nicht als unzulässig iSd Art. 3 EMRK erscheinen lassen.
Bei den BF handelt es sich um eine junge gesunde Frau mit guter Ausbildung (Matura, Studium), die bereits vor ihrer Ausreise einer beruflichen Tätigkeit nachging (BF1), sowie um einen jungen gesunden Mann, der vor der Ausreise als Taxifahrer tätig war (BF2). Bei beiden BF kann die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann und verfügen sie im Herkunftsstaat auch über Angehörige (Eltern, Geschwister) und ist davon auszugehen, dass sie zusammen und dem gemeinsamen Kind (BF3), dessen Asylverfahren mit Erkenntnis des heutigen Tages ebenfalls beendet wurde, in den Iran zurückkehrt. Es sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich, warum die BF1 und der BF2 als Erwachsene im Iran keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können sollten bzw. im Falle von Anfangsschwierigkeiten keine Unterstützung durch ihre Herkunftsfamilien finden können.
Die BF1 und der BF2 sind im Iran aufgewachsen und haben dort die Schule besucht bzw. ein Studium absolviert (BF1), haben einen Beruf ausgeübt und wurden im Iran sozialisiert. Ferner war es den BF möglich, ihr Leben nach ihrer Einreise in Österreich zu organisieren und ist es ihnen durchaus zuzumuten, sich im Iran eine Existenz aufzubauen bzw. bei Bedarf auf die Unterstützung durch die Familie zurückzugreifen.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.
Letztlich war zu berücksichtigen, dass die BF den aktuellen dem Verfahren zugrunde gelegten Länderberichten zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in den Iran nicht substantiiert entgegengetreten sind, nicht dargelegt haben, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf ihre individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit die BF durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären.
Es ist daher nicht ersichtlich, dass den BF im Fall ihrer Rückkehr in den Iran dort die notdürftigste Lebensgrundlage fehlt. Gemäß den getroffenen Länderfeststellungen ist die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet; Gegenteiliges wurde von den BF auch nicht dargetan. Die BF1 und der BF2 sprechen jedenfalls die Sprache der Majoritätsbevölkerung Persisch. Letztlich ist aus der Reise der BF nach Österreich ersichtlich, dass sie mobil und in der Lage sind, auch in einer für sie fremden Umgebung ihr Leben zu organisieren.
Überdies besteht auch die Möglichkeit einer Rückkehrhilfe und existieren im Herkunftsstaat der BF auch Hilfsorganisationen. Es ist daher nicht ersichtlich, warum den BF eine Existenzsicherung im Iran nicht zumutbar sein sollte.
Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 52a BFA-VG zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in den Iran gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen (http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und vertretung/rueckkehrhilfe/).
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Situation im Herkunftsstaat der BF schlechter ist als in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. in Österreich, aus den Berichten geht aber keinesfalls hervor, dass sie dergestalt ist, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.
Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für die BF und ihre in Österreich geborene Tochter (BF3) im Falle einer Rückverbringung in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.
Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung der BF in ihren Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.
Demnach war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
Dies unter der Berücksichtigung, dass die Beschwerdeführer 1-3 auch wechselseitig aus den Verfahren ihrer Familienangehörigen keinen derartigen Status ableiten kann, da deren Beschwerden mit dem Erkenntnis des heutigen Tages im Ergebnis ebenfalls gleichlautend entschieden wurde.
4.3. Zu Spruchpunkt III.-IV. der angefochtenen Bescheide (zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung - § 57 AsylG sowie § 52 FPG):
4.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
4.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Die BF1 und der BF2 befinden sich seit Oktober 2015 im Bundesgebiet, wobei ihr Aufenthalt nicht in obigem Sinne geduldet ist. Sie sind nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.
4.3.3. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Die BF1-3 sind als Staatsangehörige der Republik Iran keine begünstigten Drittstaatsangehörigen und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen und ebensowenig nach dem AsylG zu.
4.3.4. Gemäß § 55 Abs.1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
4.3.4.1. Die BF1-3 haben keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der BF1-3 auf Schutz des Familienlebens.
Da die BF1-3 gleichermaßen von einer Rückkehrentscheidung betroffen sind, liegt insoweit kein Eingriff in das schützenswerte Familienleben vor (VwGH 19.12.2012, Zl. 2012/22/0221 mwN).
4.3.4.2. Zum Privatleben der BF1-3 in Österreich ist folgendes festzuhalten: die gut fünfeinhalbjährige Dauer des Aufenthaltes der BF1-2 im Bundesgebiet seit ihrer illegalen Einreise und Asylantragstellung am XXXX (für die in Österreich nachgeborene BF3 erfolgte die Antragstellung am XXXX ) ist als relativ kurz zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste der BF1 und dem BF2 bewusst gewesen sein.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die rezente Judikatur des VwGH, im Falle eines Asylwerbers, welcher viereinhalb Jahre in Österreich aufhältig war, über eine Einstellungszusage sowie gute Deutschkenntnisse verfügte und freiwillig beim Roten Kreuz tätig war. Das Höchstgericht hob im nachzitierten Erkenntnis hervor, dass es sich diesfalls um keine Verdichtung der persönlichen Interessen des Asylwerbers und keine außergewöhnliche Fallkonstellation handle und sich der Asylwerber vor allem seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 05.06.2019, Ra 2019 18 0078 7 mit Verweis auf VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/003).
Zurückweisung der Revision durch den VwGH auch bei rd. sechsjährigem Aufenthalt des BF im Bundesgebiet (VwGH 12.08.2020, Ra 2020/14/0322-6).
Auf die strengen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG zuletzt verweisend: VwGH 16.07.2020, Ra 2020/21/0133.
Bei einer relativ kurzen Aufenthaltsdauer (hier: knapp unter 5 Jahren) wäre eine außergewöhnliche Integration notwendig (VwGH 13.01.2021, Ra 2020/14/0571).
In diesem Konnex ist auch die rezente Judikatur des VwGH heranzuziehen, wonach trotz siebenjährigen Aufenthalt, sehr guten Deutschkenntnissen, der Beziehung zu einer Österreicherin und intensiven Bindungen zu österreichischen Freunden und Glaubensgemeinschaft und der Tätigkeit als Zeitungsverkäufer spätestens vor dem Hintergrund der Rückkehrentscheidung durch das BFA dem Revisionswerber hätte klar sein müssen, dass es keine gesicherte Grundlage für seinen Aufenthalt in Österreich gibt. Angesichts der verwandtschaftlichen Beziehungen des Revisionswerbers im Herkunftsstaat und dessen Verlassen im Erwachsenenalter kann nicht von einer kompletten Entwurzelung ausgegangen werden.
Auch die Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsstaat – letztlich Folge des seinerzeitigen ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von Subsidiärschutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassen des Herkunftsstaats sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 17.04.2020, Ra 2020/21/0083-6).
Die BF1 und der BF2 übten bislang in Österreich keine erlaubte Beschäftigung aus, die zur Selbsterhaltungsfähigkeit führte.
Die BF1 hat über einen siebenmonatigen Zeitraum ehrenamtlich bei der XXXX beim Verteilen von Lebensmitteln geholfen und war in der Vergangenheit geringfügig als Reinigungskraft beschäftigt.
Der BF2 ist seit eineinhalb Jahren geringfügig in einem Krankenhaus beschäftigt und verdient dafür 25 € wöchentlich.
Sie konnte auch keine eigenen Existenzmittel nachweisen und leben alle Beschwerdeführer von der staatlichen Grundversorgung. Die im XXXX 2020 geborene BF3 befindet sich in familiärer Betreuung.
Die BF1 und der BF2 haben daher in Österreich keine Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit oder anderweitiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen.
Die BF1 hat verschiedene Deutschkurse besucht, die A1 Prüfung absolviert und angegeben, die A2 Prüfung absolviert zu haben und im Jahr 2017 an dem Modul ‚Polizei und Sicherheit‘, am Modul Start XXXX (Zusammenleben, Soziales, Arbeitsmarktintegration) und am Start XXXX Chartaworkshop sowie an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen und verfügt über rudimentäre Deutschkenntnisse.
Der BF2 hat im Jahr 2017 einen Werte- und Orientierungskurs absolviert und an dem Modul ‚Polizei und Sicherheit‘, am Modul Start XXXX (Zusammenleben, Soziales, Arbeitsmarktintegration) und am Start XXXX Chartaworkshop teilgenommen sowie am 28.09.2020 Integrationsprüfung auf dem Niveau A1 bestanden und verfügt über rudimentäre Deutschkenntnisse.
Der persönliche und familiäre Lebensmittelpunkt der BF1-2 liegt im Iran, wo auch ihre Herkunftsfamilien sowie weitere Verwandte leben und sie somit über ein soziales Netz verfügen.
Von einer sozialen Integration der BF3, welche im Dezember 2020 geboren wurde und sich in familiärer Pflege befindet, ist naturgemäß nicht auszugehen.
Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration der BF1-3 in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar.
Selbst wenn man jedoch von sehr guten Deutschkenntnissen der BF1 und des BF2 ausgehen würde, ist daraus im gegebenen Fall wenig für die Stärkung an deren Verbleib in Österreich zu gewinnen.
In diesem Zusammenhang ist auf die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).
Die Beschwerdeführer verfügen über einen Freundeskreis in Österreich, welche aus Iranern, Afghanen, einem Deutschen und Österreichern besteht.
Sie sind nicht Mitglied in einem Verein und leben von der staatlichen Grundversorgung. Besondere Tatsachen, die ein überdurchschnittliches Engagement zur Integration in Österreich gezeigt hätten, sind dadurch nicht hervorgekommen.
Zur minderjährigen BF3, die sich in familiärer Betreuung befindet ist festzuhalten wie folgt:
Soweit Kinder von einer Ausweisung betroffen sind, sind nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (vgl. EGMR U 18.10.2006, Üner gegen Niederlande, Nr. 46.410/99; GK 6.7.2010, Neulinger und Shuruk gegen Schweiz, Nr. 1615/07). Maßgebliche Bedeutung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter ("adaptable age"; vgl. EGMR U 31.7.2008, Darren Omoregie ua. gegen Norwegen, Nr. 265/07; U 17.2.2009, Onur gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 27.319/07; siehe dazu auch VwGH 17.12.2007, Zlen. 2006/01/0216 bis 0219) befinden.
Die minderjährige BF3 hat noch keine Sozialisation in Österreich begonnen, weshalb diese nicht als dermaßen fortgeschritten angesehen werden kann, dass sie nicht auch in ihrem Herkunftsstaat fortgesetzt werden könnte, zumal sie im Heimatland weiter in der Obsorge ihrer Eltern sein wird und ihr deren Begleitung die Sozialisation in den Herkunftsstaat erleichtern wird (zur Sozialisation von Kindern etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres vgl. VwSlg. 14972 A/1998 und VwGH 19.01.2006, 2005/21/0297).
Aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes deutet nichts darauf hin, dass es für die BF3 in Begleitung ihrer Eltern (BF1 und BF2) im Falle einer Rückkehr in den Iran nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren – dies insbesondere aufgrund ihres noch sehr jungen Alters. Dazu tritt, dass ihr ihre Eltern als engste Bezugspersonen erhalten bleiben. Demgegenüber würde die Nichterlassung einer Rückkehrentscheidung hinsichtlich der BF3 zum Ergebnis führen, dass diese von ihren Eltern getrennt werden würde. Diesbezüglich ist jedoch festzuhalten, dass die BF3 bislang von ihren Eltern betreut wurde und demgemäß eine intensivere Bindung zu diesen evident ist. Die gebotene Berücksichtigung des Kindeswohles führt daher nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidung.
Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine Entwurzelung vom Herkunftsstaat stattgefunden hat und bestehen nach wie vor Bindungen der BF1-2 zum Iran.
Weitere ausgeprägte Interessen an einem Verbleib in Österreich haben die BF1-3 im Verfahren nicht dargetan.
Die Schutzwürdigkeit ihres Privat- und Familienlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass sie ihren Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt haben, nur im geringen Maße gegeben. Die Beschwerdeführer 1 und 2 haben andererseits den weitaus überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht, wurden dort sozialisiert und sprechen die Mehrheitssprache ihrer Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso war festzustellen, dass sie dort über Bezugspersonen in Form der bereits genannten Angehörigen verfügen. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es den BF1-2 im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.
Der Umstand, dass die Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden sind, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).
In diesem Zusammenhang ist jedoch festzuhalten, dass in der Vergangenheit gegen die BF1 zwei Anzeigen (2016 Ladendiebstahl-Einstellung, 2019: Entwendung-Einstellung) und gegen den BF2 eine Anzeige (2016: Ladendiebstahl-Einstellung) erfolgte, was sich nicht zu deren Vorteil im Zuge der vorzunehmenden Interessensabwägung auswirkt.
Ergänzend sei in diesem Zusammenhang festgehalten, dass die BF1 in der hg. Verhandlung die betreffenden Vorfälle auf die Frage nach allfälligen Problemen mit österreichischen Behörden nicht erwähnte, sondern solche Probleme dezidiert verneinte und vorerst auch über konkreten Vorhalt bestritt, was die persönliche Glaubwürdigkeit der BF1 insgesamt beeinträchtigt.
Private Interessen von Fremden am Verbleib im Gastland sind jedenfalls weniger stark zu gewichten, wenn diese während eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz begründet werden, da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht von vornherein von einem positiven Ausgang des Verfahrens ausgehen konnte und sein Status bis zum Abschluss des Verfahrens ungewiss ist. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055 mwN).
4.3.4.3. Der sohin relativ schwachen Rechtsposition der Beschwerdeführer im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass die Interessen der BF1-6 an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.
4.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
4.3.5.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung der BF1-3 in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.
4.4. Zu Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide (Frist für die freiwillige Ausreise)
4.4.1. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
4.4.2. Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.
Festzuhalten ist im Zusammenhang mit der vierzehntägigen Frist zur Ausreise, dass die Vollziehung der Außerlandesbringung zum Kompetenzbereich des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gehört, sodass naturgemäß die aktuellen Gegebenheiten in Bezug auf die Covid-19-Pandemie seitens des BFA zu berücksichtigen sind.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Themen Glaubwürdigkeitsprüfung, wohlbegründete Furcht, Verfolgung, Glaubhaftmachung, Konversion, Refoulement und Rückkehrentscheidung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
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