VwGH 93/01/1035

VwGH93/01/10352.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des I in A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1993, Zl. 4.287.483/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §25 Abs1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §25 Abs1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, ist am 27. November 1989 in das Bundesgebiet eingereist und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Mit Bescheid vom 27. Juli 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Genfer Flüchtlingskonvention nicht vorliegen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Bei der Ersteinvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 6. Dezember 1989 gab der Beschwerdeführer an, daß er Angehöriger der penticostalen Glaubensgemeinschaft sei. Zu Weihnachten habe er mit seinem Vater bei Häusern gesungen, worauf er von der Miliz vertrieben worden sei. Auch hätten sie nicht bei einer Hochzeit singen dürfen, da sie von Nachbarn angezeigt worden seien. Der Beschwerdeführer sei in Rumänien wegen der politischen Gesinnung, des Religionsbekenntnisses und seiner Rasse nicht verfolgt worden. Aus diesen Gründen sei die Flucht auch nicht erfolgt.

In der Berufung trug der Beschwerdeführer vor, daß ab dem Beginn des Jahres 1989 gewisse Volksgruppen, darunter vor allem religiöse, bei denen die kommunistischen Machthaber keinen genügenden Anklang gefunden hätten, rigoros verfolgt worden seien. Diese Personengruppen seien von sämtlichen wichtigen Berufen ausgeschlossen worden, vor allem von Staats- und Gemeindeämtern. Es sei auch zu massiven Verhaftungswellen von Anhängern religiöser Gruppen ohne Gerichtsverfahren oder sonstigen Anhalteverfahren und ohne Angabe von Gründen gekommen. Er und seine Familie seien sehr religiös. Sie hätten keinen vernünftigen Broterwerb mehr nachgehen können und seien bedroht gewesen, von den Machthabern angehalten, verhaftet oder sonst irgendwie in der Freiheit der Person beschränkt zu werden, da es im Freundeskreis bereits solche Fälle gegeben hätte. Freunde und Angehörige seiner Familie im weitesten Sinne seien verhaftet, verhört und strengsten Repressalien unterzogen worden. Aus all diesen Gründen sei für den Beschwerdeführer und seine Familie das Leben in Rumänien nicht mehr ertragbar gewesen. Er habe sich daher im November 1989 entschlossen, zu fliehen. Es lägen daher die Kriterien für die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention vor.

Die belangte Behörde wendete im Hinblick darauf, daß das Verfahren bei ihr nach dem 1. Juli 1992 anhängig geworden sei, nach ihrer Auslegung des § 25 Abs. 2 erster Satz

Asylgesetz 1991 dieses Gesetz an und begründete ihre abweisende Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer im gesamten Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht habe, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde und nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Die Nachteile, die der Beschwerdeführer nach seinen Angaben wegen seines religiösen Engagements zu tragen gehabt habe, würden keinen derart gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers darstellen, um dem im Asylgesetz angesprochenen Sachverhalt zugrunde gelegt werden zu können. Soweit der Beschwerdeführer in der Berufung massive Repressalien wegen seines religiösen Bekenntnisses ins Treffen geführt habe, erscheine das Vorbringen angesichts seines erstinstanzlichen Vorbringens nicht glaubhaft. Erfahrungsgemäß würden Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben machen, die der Wahrheit am nächsten kommen. Die Behörde könne einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Asylverfahrens vor den verschiedenen Instanzen im wesentlichen gleichbleibende Angaben mache, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erschienen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluß aufdrängen würden, daß sie bloß der Asylerlangung dienen sollten. Daß eine derartige Würdigung eines sich im Laufe des Instanzenzuges steigernden Vorbringens von Asylwerbern schlüssig sei, habe der Verwaltungsgerichtshof schon zu wiederholten Malen erkannt. Der Beschwerdeführer sei daher nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 und es könne ihm daher nicht Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt werden.

In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, daß ihm entgegen den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 nicht Asyl gewährt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da das Verfahren am 1. Juni 1992 noch in erster Instanz anhängig war, war gemäß § 25 Abs. 1 Asylgesetz 1991 auch noch von der belangten Behörde das Asylgesetz, BGBl. Nr. 126/1968, anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831).

Der Umstand, daß die belangte Behörde zu Unrecht das Asylgesetz 1991 angewendet hat, stellt für sich jedoch keine Rechtsverletzung dar, da sich die belangte Behörde in rechtlicher Würdigung der von der Beschwerdeführerin gemachten Angaben ausschließlich mit dem Flüchtlingsbegriff des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinandergesetzt hat und dieser von jenem des § 1 Asylgesetz (1968) inhaltlich nicht abweicht, sondern mit dem Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschnitt A Genfer Flüchtlingskonvention, soweit es sich um Z. 2 (in der Fassung des Protokolls über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 18/1974) handelt, vollinhaltlich übereinstimmt. Es muß daher nach dem Asylgesetz, BGBl. Nr. 126/1968, geprüft werden, ob die Auslegung des Flüchtlingsbegriffes durch die belangte Behörde unter Einhaltung der Verfahrensvorschriften dieses Gesetzes zutreffend war (vgl. das eingangs zitierte hg. Erkenntnis).

Nach Auffassung des Beschwerdeführers sei nicht nachvollziehbar, warum aufgrund seiner konkreten Situation und aufgrund der allgemeinen politischen Lage in Rumänien bei ihm keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorgelegen sei. Maßgeblich für diese Auffassung der belangten Behörde war der Umstand, daß die im erstinstanzlichen Verfahren ins Treffen geführten Benachteiligungen, daß der Beschwerdeführer beim Singen vor Häusern von der Miliz vertrieben worden sei und auf einer Hochzeit nicht habe singen dürfen, als nicht von solcher Intensität angesehen wurden, sodaß damit eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden gewesen sei. Diese Auffassung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Mai 1992, Zl. 91/01/0202, und vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0068).

Das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, daß sie ("wir") von allen wichtigen Berufen und öffentlichen Ämtern ausgeschlossen gewesen seien und im Hinblick auf eine Verhaftungswelle im Freundeskreis hätten fürchten müssen, daß ihre Freiheit aus religiösen Gründen beschränkt würde, hat die belangte Behörde im Hinblick darauf als nicht glaubwürdig erachtet, als es im Vergleich zum erstinstanzlichen Verfahren ein "gesteigertes" Vorbringen darstellte. Diese Beweiswürdigung der belangten Behörde steht im Hinblick auf das in der Berufung weitgehend vom erstinstanzlichen Verfahren abweichende Vorbringen im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 2. März 1988, Zl. 86/01/0214).

Wenn der Beschwerdeführer weiters anführt, daß er auch deshalb in Rumänien im Fall seiner Rückkehr verfolgt würde, weil das Regime keinesfalls Verständnis für Flüchtlinge zeigen würde, die im Ausland die politischen Zustände angeprangert hätten, ist ihm entgegenzuhalten, daß es sich dabei um ein neues, gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beachtliches Vorbringen handelt. Dies gilt auch für die Behauptung in der Beschwerde, daß der Beschwerdeführer in der Ausübung des Glaubens STÄNDIG behindert worden sei und er sich regelmäßig bei der Behörde habe melden müssen.

Sofern der Beschwerdeführer einen Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres aus dem Jahre 1971 anführt, genügt es darauf hinzuweisen, daß diesem keine bindende Wirkung in anderen Fällen zukommt. Der in diesem Zusammenhang angeführte Ausschluß vom Hochschulstudium stellt im übrigen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 31. März 1993, Zl. 92/04/0754, und vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0119) keinen Umstand dar, aus dem abzuleiten wäre, daß ein weiterer Verbleib im Heimatstaat unerträglich wäre.

Weiters meint der Beschwerdeführer, daß er nicht gewußt habe, ob seine Angaben zur Erlangung des Flüchtlingsstatus ausreichen würden. Die Behörde hätte ihn daher im Rahmen der Manuduktionspflicht belehren und den Sachverhalt durch weitere Befragungen genauer "abklären" müssen. Dem ist entgegenzuhalten, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Asylgesetz, BGBl. Nr. 126/1968 (wie im übrigen auch zu § 16 Asylgesetz 1991), das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium heranzuziehen ist und es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtstellung vorzubringen. Es ist danach nicht Aufgabe der Behörde, dem Asylwerber Unterweisungen dahin zu erteilen, wie er sein Vorbringen auszuführen hat, damit seinem Antrag allenfalls stattgegeben werden könne (vgl. u. a. die hg. Erkenntnisse vom 26. Februar 1986, Zl. 84/01/0267, vom 17. September 1986, Zl. 85/01/0150, und vom 8. Juli 1992, Zl. 92/01/0592 m.w.H. auf Vorjud.). Schon aus diesem Grund wird mit dem - nicht konkretisierten - Hinweis in der Beschwerde auf die Manuduktionspflicht der Behörde, in der Richtung, welche Unterweisungen die Behörde hätte erteilen sollen und welcher Sachverhalt infolge deren Unterbleiben der Behörde unbekannt blieb, insbesondere auch im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren, kein Verfahrensmangel aufgezeigt (vgl. in diesem Sinne auch das hg. Erkenntnis vom 23. September 1992, Zl. 92/01/0236).

Weiters erhebt der Beschwerdeführer den Vorwurf, das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Insofern der Beschwerdeführer in diesen Zusammenhang offensichtlich meint, daß in gleichgelagerten Fällen und zum gleichen Zeitpunkt vor der Behörde anhängige Rechtsfälle anders - nämlich positiv - entschieden worden seien, handelt es sich dabei zwar um die Geltendmachung einer Gleichheitswidrigkeit gemäß Art. 7 B-VG, zu deren Kontrolle der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen ist. Diesen verfassungsrechtlichen Bedenken kommt aber schon deshalb keine Berechtigung zu, weil der Gleichheitssatz nur österreichische Staatsbürger schützt (vgl. u.a. VfSlg. 10923/1986, 11813/1988).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als

unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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