European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180075.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 25. August 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Laufe des Verfahrens zusammengefasst damit begründete, aufgrund seines Abfalls vom Islam und seines Engagements für die Menschenrechte bei Rückkehr in den Iran verfolgt zu werden. In Österreich habe er an Demonstrationen gegen die iranische Regierung teilgenommen, er habe regimekritische Beiträge in den sozialen Medien veröffentlicht und er habe bei Amnesty International mitgearbeitet.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Antrag ‑ in Bestätigung eines Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24. November 2017 ‑ zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
3 Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber sei bei Rückkehr in den Iran weder aus religiösen noch aus politischen Gründen gefährdet. Von ihm behauptete Verfolgungshandlungen durch den iranischen Geheimdienst vor seiner Flucht seien ‑ aus näher dargestellten Gründen ‑ nicht glaubhaft. Der Revisionswerber habe auch nicht vermitteln können, vom Islam wirklich abgefallen zu sein und deshalb im Lichte der Länderfeststellungen Verfolgung befürchten zu müssen. Der Revisionswerber habe zwar in Österreich an regimekritischen Demonstrationen und an verschiedenen Workshops von Amnesty International teilgenommen. Diese wenig exponierten und untergeordneten exilpolitischen Aktivitäten würden jedoch im Iran zu keiner Verfolgung führen. Gleiches gelte für ‑ zeitlich länger zurückliegende ‑ belegte Veröffentlichungen des Revisionswerbers in den sozialen Medien.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit dg. Beschluss vom 9. Dezember 2020, E 4147/2020‑5, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof mit dg. Beschluss vom 5. Jänner 2021, E 4147/2020‑7, zur Entscheidung abgetreten wurde.
5 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen geltend gemacht, das BVwG sei im Zusammenhang mit der vorgebrachten Verfolgung des Revisionswerbers als Regimekritiker von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es einem vom Revisionswerber vorgelegten Video, welches seinen Bruder zeige, der von den im Iran gesetzten politischen Aktivitäten und von der wiederholten Nachfrage nach der Person des Revisionswerbers bei der eigenen Familie berichte, in unzulässiger antizipierender Beweiswürdigung jeglichen Beweiswert abgesprochen habe. Auch finde sich in der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts keine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen einer psychischen Erkrankung des Revisionswerbers auf sein Aussageverhalten. In Bezug auf die exilpolitische Tätigkeit des Revisionswerbers sei das BVwG ebenfalls von den höchstgerichtlichen Leitlinien abgewichen, indem es eine Rückkehrgefahr für den Revisionswerber trotz seines exilpolitischen Engagements verneint habe. Den Abfall des Revisionswerbers vom Islam hätte das BVwG außerdem unter dem Gesichtspunkt der (unterstellten) politischen Gesinnung seitens der iranischen Behörden prüfen müssen.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
7 Im vorliegenden Fall hat sich das BVwG mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung eingehend auseinandergesetzt und ist in einer vertretbaren Beweiswürdigung und in einer nachvollziehbaren rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Revisionswerber bei Rückkehr in den Iran weder religiöse noch politische Verfolgung drohen würde.
8 Die Revision entfernt sich begründungslos von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wenn sie abweichend davon eine Verfolgungsgefahr wegen eines ‑ vom BVwG nicht geglaubten ‑ Abfalls vom Islam annimmt. Sie übersieht außerdem, dass nach den ‑ nicht substantiiert bestrittenen ‑ Länderfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis, Iraner, die im Ausland leben und sich dort öffentlich regimekritisch äußern, im Falle der Rückkehr zwar von staatlichen Repressionen betroffen sein können, die Schwere des Problems für solche Personen aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus im Iran abhängt (vgl. dazu das angefochtene Erkenntnis Seite 35). Dementsprechend vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass die Einschätzung des BVwG, wonach fallbezogen (wegen der wenig exponierten und untergeordneten exilpolitischen Aktivitäten des Revisionswerbers, der sich im Iran nicht politisch hervorgetan hat) keine relevante Verfolgungsgefahr gegeben ist, fehlerhaft erfolgt wäre. Derartiges vermag die Revision auch nicht darzutun.
9 Soweit die Revision zum Beleg des politischen Engagements des Revisionswerbers im Iran auf ein Video Bezug nimmt, das den Bruder des Revisionswerbers zeigen soll, der über politische Aktivitäten des Revisionswerbers und dadurch bedingte Verfolgungshandlungen der Behörden berichte, ist lediglich darauf hinzuweisen, dass sich das BVwG im angefochtenen Erkenntnis auch mit diesem Beweismittel beschäftigt hat. Es hat dabei nicht, wie die Revision behauptet, in unzulässiger antizipierender Beweiswürdigung der Aussage des Bruders generell die Tauglichkeit abgesprochen, zur Wahrheitsfindung beizutragen, sondern das Beweismittel nicht zuletzt deshalb als wenig tauglich eingestuft, die sonstigen ‑ gegen die politischen Aktivitäten des Revisionswerbers im Iran sprechenden ‑ Beweisergebnisse zu widerlegen, weil dem Verwaltungsgericht schon die verlässliche Identifizierung der auf dem Video ersichtlichen Person nicht möglich sei. Dass der Revisionswerber diesbezüglich im Verfahren vor dem BVwG irgendwelche unterstützenden Beweise angeboten hätte, legt die Revision nicht dar.
10 Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das BVwG schließlich auch mit der behaupteten psychischen Erkrankung (posttraumatische Belastungsstörung und schwere depressive Episoden) näher auseinandergesetzt und eine relevante Beeinträchtigung des Revisionswerbers auch aufgrund seiner eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung verneint. Die Revision zeigt nicht hinreichend auf, aufgrund welcher dem Verwaltungsgericht vorliegenden Beweise eine andere Beurteilung hätte erfolgen müssen. Sie legt auch nicht dar, an welchen für das Ergebnis relevanten Angaben der Revisionswerber unter der Annahme seiner psychischen Erkrankung konkret gehindert war.
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 11. März 2021
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