Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 6. August 1998 in das Bundesgebiet ein und stellte am 7. August 1998 einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 11. August 1998 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass seine Frau zu Unrecht wegen Ehebruchs verhaftet worden sei. Sie sei gegen Kaution bis zur Gerichtsverhandlung freigelassen worden. Dort wäre höchstwahrscheinlich die Strafe der Steinigung ausgesprochen worden, weshalb der Beschwerdeführer sich gezwungen gesehen habe, mit seiner Frau das Land zu verlassen. Im Fall einer Rückkehr in den Iran würde der Beschwerdeführer für die Flucht seiner Frau verantwortlich gemacht. Man würde ihn unter Druck setzen und auch foltern, damit er insbesondere bekannt gebe, wo sich seine Frau befinde. Außerdem würde der andere Mann, der als bloßer Gast bei seiner Frau gewesen sei, ebenfalls bestraft und gesteinigt, wofür dessen Familie den Beschwerdeführer verantwortlich machen würde.
Mit Bescheid vom 27. Jänner 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz ab. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran wurde gemäß § 8 Asylgesetz für nicht zulässig erklärt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass kein in der Genfer Flüchtlingskonvention genannter Fluchtgrund vorliege. Die Tatsache, dass es zu einem Strafverfahren gegen die Frau des Beschwerdeführers käme, stelle keine gegen ihn selbst konkret gerichtete Verfolgungshandlung dar. Soweit der Beschwerdeführer vorgebracht habe, im Fall einer Rückkehr Strafverfolgung wegen Fluchthilfe zu befürchten, handle es sich dabei lediglich um die befürchtete Verfolgung wegen einer begangenen Straftat gemäß den Rechtsvorschriften seines Heimatstaats und nicht um eine Verfolgung im Konventionssinn. Der Asylantrag des Beschwerdeführers sei daher gemäß § 7 Asylgesetz abzuweisen gewesen. Da der Beschwerdeführer jedoch stichhaltige Gründe dafür geltend gemacht habe, im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr zu laufen, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, sei festzustellen gewesen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran nicht zulässig sei.
In seiner Berufung gegen den § 7 AsylG betreffenden Teil dieses Bescheides brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass ihm wegen der Fluchthilfe für seine Frau Verfolgung drohe. Nachdem seine Frau nicht zur angesetzten Verhandlung erschienen sei, hätten die Behörden sowohl nach ihr als auch nach dem Beschwerdeführer gesucht. Der Vater des Beschwerdeführers habe zur Behörde mitkommen müssen, wo er mehrere Tage festgehalten worden sei, damit die Behörden mehr über den Beschwerdeführer und seine Frau erführen. Im Falle einer Rückkehr müsste der Beschwerdeführer mit schwersten Strafsanktionen rechnen. Außerdem drohe ihm Verfolgung, weil er mittlerweile Christ sei. Beigelegt war ein Taufschein des katholischen Pfarramtes T., wonach der Beschwerdeführer am 6. Februar 1999 dort römisch-katholisch getauft (und gefirmt) worden sei.
Bei der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 7. Juli 1999 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass im Iran der Abfall vom Islam mit der Todesstrafe bedroht sei. Deshalb habe er die Konversion erst in Österreich vollzogen. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass bezüglich der Situation der Christen im Iran von der Mitteilung der Schwedischen Delegation an die CIREA-Gruppe "Zum Problemkreis der Iraner, die zum Christentum konvertiert sind", sowie der Bericht der österreichischen Botschaft in Teheran "Zur Konversion im Allgemeinen" vom April 1999 zu Grunde gelegt würde. Weiters wurde dem Beschwerdeführer die iranische Strafbestimmung zur Kenntnis gebracht, nach der für Beihilfe zur Flucht eine Strafdrohung von drei Monaten bis drei Jahre bzw. sechs Monaten bis zwei Jahre besteht. Der Beschwerdeführer erklärte, die Mitteilung der Schwedischen Delegation aus dem Jahr 1997 könne er nicht akzeptieren, weil alles dort Geschriebene mit der Wahrheit nicht übereinstimme. Die Ausführungen der österreichischen Botschaft zur Konversion seien hingegen korrekt.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus dem Iran dem moslemischen Glauben angehört habe. Die Ehegattin des Beschwerdeführers sei aus persönlichen Rachegefühlen eines ehemaligen Freundes fälschlicherweise des Ehebruchs beschuldigt worden, weshalb ihr die Todesstrafe durch Steinigung drohe. Um das Leben seiner Ehegattin zu retten, hätte der Beschwerdeführer Fluchthilfe geleistet und mit dieser gemeinsam den Iran verlassen. Der Beschwerdeführer habe sich am 6. Februar 1999 in der katholischen Pfarre T. taufen lassen. Sein Wunsch, zum christlichen Glauben überzutreten, sei bereits im Iran gereift, habe sich nach außen jedoch in keiner Weise dokumentiert. Der Abfall vom Islam (Apostasie) sei als Straftatbestand im kodifizierten iranischen Strafrecht nicht enthalten, könne jedoch gemäß der im Iran geltenden Scharia bis hin zur Verhängung der Todesstrafe geahndet werden. Personen, die vom Islam zum christlichen Glauben wechselten und dies als persönliche Angelegenheit betrachteten, sohin nicht selbst missionierten oder sonst Aktivitäten entfalteten, die auf eine Verbreitung der christlichen Religion zielten, seien nicht verfolgungsgefährdet. Das deutsche Orientinstitut bringe klar zum Ausdruck, dass der Abfall vom Islam mit der Ausübung von Gewissensfreiheit nichts zu tun habe, sondern nach islamischer Vorstellung von einem Abfall vom Islam nur dann gesprochen werden könne, wenn dieser sich als Infragestellung des politischen Machtanspruchs der Muslime äußere. Ein im Stillen vollzogener Glaubenswechsel störe die iranischen Machthaber nicht, eine Gefährdung sei allerdings umso eher anzunehmen, je mehr davon auszugehen sei, dass der neue Glaube in der nicht christlichen iranischen Öffentlichkeit präsentiert werde, was die in den vorliegenden Berichten erwähnte Gefährdung von missionarisch tätigen Personen und Übergriffen gegen Kirchenführer und andere in der Öffentlichkeit besonders aktive Kirchenmitglieder erkläre. Auch ein vom Berufungswerber genanntes Hintergrundpapier des UNHCR vom September 1998 bezeichne diesen besonders gefährdeten Personenkreis. Der in der Mitteilung der Schwedischen Delegation an die CIREA-Gruppe genannte gefährdete Personenkreis sei ebenfalls auf missionarisch tätige Priester eingeschränkt. Gemäß diesem Bericht werde auch ein im Rahmen des Asylverfahrens vollzogener Glaubenswechsel seitens der iranischen Behörden nicht als politischer Akt angesehen. Auch dem Bericht der österreichischen Botschaft in Teheran vom 21. April 1999 sei zu entnehmen, dass die iranischen Behörden in aller Regel gegen Konvertiten nicht direkt vorgingen. Komme es dennoch zu Verfahren, werde gegen Täufer im allgemeinen strenger vorgegangen als gegen Täuflinge. Bei allfällig eingeleiteten Verfahren finde in der Regel eine Verhandlung statt, bei welcher das Geständnis eine zentrale Rolle spiele. Zeige sich der Beschuldigte reuig und bekenne sich wieder zum Islam, erfolge in aller Regel keine Bestrafung. Insbesondere werde akzeptiert, wenn vorgebracht werde, als Folge eines Irrtums oder einer Täuschung vom Islam abgefallen zu sein. Diesbezüglich decke sich der Bericht mit der Mitteilung der Schwedischen Delegation an CIREA. Nach diesem Bericht riskierten iranische Staatsangehörige, die vom Islam zu einer anderen Religion konvertiert seien und die ihre Konversion als persönliche Angelegenheit betrachteten, nicht ins Fadenkreuz der Machthaber zu geraten und liefen nicht ernsthaft Gefahr, dass die Behörden gegen sie vorgingen oder sie erheblichen Schikanen aussetzen würden. Hinsichtlich des Glaubensübertrittes seien die für eine allfällige Verfolgung als ausschlaggebend anzusehenden Kriterien nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer habe im Iran bis zum Zeitpunkt seiner Ausreise in religiösen Belangen völlig unauffällig gelebt und habe nach moslemischem Ritus geheiratet. Die Zuwendung zum christlichen Glauben habe daher ausschließlich in seinem Inneren stattgefunden und sei niemals öffentlich geworden. Das Verlassen des Irans habe nichts mit Glaubensfragen zu tun gehabt. Auf Grund seines Verhaltens in religiösen Dingen im Iran sei auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr eine Missionarstätigkeit nicht entwickeln und seine Religion auch weiterhin als rein persönliche Angelegenheit betrachten würde. Bei der vom Beschwerdeführer befürchteten Verfolgung wegen einer begangenen Straftat, nämlich der Fluchthilfe für seine Frau, handle es sich nicht um einen unter die Genfer Flüchtlingskonvention subsumierbaren Fluchtgrund. Der Beschwerdeführer selbst hätte mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zwei Jahren zu rechnen gehabt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß § 7 Asylgesetz hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist gemäß Art. 1 Abschnitt A Z. 2 dieser Konvention, wer aus wohl begründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Hinsichtlich des Glaubenswechsels des Beschwerdeführers gelangt die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass insoweit kein Fluchtgrund vorliege. Diese Auffassung der belangten Behörde ist auch auf der Grundlage der von ihr selbst dafür herangezogenen Unterlagen, insbesondere des Berichtes der österreichischen Botschaft in Teheran vom 21. April 1999, unzutreffend. In dem zuletzt genannten Bericht heißt es u.a.:
"Sowohl auf den Abfall vom Islam als auch auf die Anstiftung hiezu steht grundsätzlich die Todesstrafe, die (vor allem bei den Getauften) allerdings in lebenslange Haft umgewandelt werden kann."
Darauf, dass der Angeklagte Reue zeigen und sich wieder zum Islam bekennen könne, braucht im gegebenen Zusammenhang nicht eingegangen zu werden, da diesbezüglich keine einschlägigen Äußerungen des Beschwerdeführers vorliegen (vgl. auch z.B. die hg. Erkenntnisse vom 24. Oktober 2001, Zl. 99/20/0550, und vom 19. Dezember 2001, Zl. 2000/20/0369).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits wiederholt mit der Frage in den Iran zurückkehrender Konvertiten befasst und kam auf der Grundlage der in den jeweiligen Verfahren zur Verfügung stehenden Unterlagen jeweils zu dem Schluss, dass die Auffassung, der bloße Glaubensübertritt vom Islam zum Christentum führe bei der Rückkehr in den Iran noch zu keiner Verfolgung, nicht haltbar sei (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Oktober 2001, Zl. 99/20/0550, vom 22. November 2001, Zl. 2000/20/0556, und vom 19. Dezember 2001, Zl. 2000/20/0369).
Auch im vorliegenden Fall ist, schon auf Grundlage des von der belangten Behörde selbst herangezogenen Berichtes der österreichischen Botschaft in Teheran vom 21. April 1999, die belangte Behörde unzutreffend davon ausgegangen, dass für den Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Iran keine Verfolgungsgefahr bestehe.
Die belangte Behörde ist ferner lediglich vom bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers im Iran ausgegangen sowie davon, dass seine Zuwendung zum christlichen Glauben ausschließlich in seinem Inneren stattgefunden habe und niemals öffentlich geworden sei. Es sei auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht missionarisch tätig sein würde.
Maßgeblich wäre es aber gewesen, ob der Beschwerdeführer bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. dazu die bereits genannten hg. Erkenntnisse vom 24. Oktober 2001, Zl. 99/20/0550, und vom 19. Dezember 2001, Zl. 2000/20/0369). Da die belangte Behörde in Bezug auf diesen Umstand die Rechtslage verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Hinsichtlich der Fluchthilfe des Beschwerdeführers für seine Frau ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, dass im Zusammenhang mit der Verquickung von Staat und Religion im Iran das Erfordernis einer Prüfung auch dem Schutz religiöser Werte dienender Strafvorschriften unter dem Gesichtspunkt einer unterstellten politischen Gesinnung besteht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. September 2001, Zl. 99/20/0409).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer seiner Frau zur Flucht verholfen, der strafrechtliche Verfolgung wegen Ehebruchs drohte. Er hat damit die Verhängung einer Strafe, die auch dem Schutz religiöser Werte dienen sollte, verhindert. Da nach der von der belangten Behörde dargestellten iranischen Rechtslage bei der Fluchthilfe nicht differenziert wird, in welchen Fällen sie geleistet wurde, wäre daher im gegebenen Zusammenhang auch eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt einer dem Beschwerdeführer unterstellten politischen Gesinnung notwendig gewesen. Indem die belangte Behörde dies verkannte und ohne nähere Prüfung davon ausging, dass die Verfolgung des Beschwerdeführers wegen Fluchthilfe keinen Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen könne, belastete sie ebenfalls ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 17. Oktober 2002
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