BVwG W199 1428806-1

BVwGW199 1428806-129.1.2015

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W199.1428806.1.00

 

Spruch:

W 199 1428806-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.08.2012, Zl. 12 03.427-BAW, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 28.01.2016 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 22.03.2012 den Antrag, ihm internationalen Schutz zu gewähren (in der Folge auch als Asylantrag bezeichnet). Begründend gab er dazu bei seiner Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizeiinspektion Traiskirchen East) am selben Tag an, er selbst sei noch nie in Österreich gewesen; seine Frau habe 2007 in Österreich "einen Asylantrag und Einreiseantrag" für ihn gestellt, der aber abgelehnt worden sei, weil sie "damals noch zu jung dafür" gewesen sei. Sie und die gemeinsame Tochter lebten in Österreich. Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, seine Frau habe in Afghanistan Probleme gehabt; sie habe dort Feinde gehabt und wegen des Stresses in Pakistan ein Kind verloren. Er sei ihretwegen nach Österreich gekommen und wolle mit ihr und dem gemeinsamen Kind hier leben. Dies sei in Afghanistan nicht möglich gewesen. Die Tochter sei jetzt etwa XXXX alt, seine Frau habe ihn einige Male in Pakistan besucht. Ihr Onkel habe gedroht, den Beschwerdeführer zu töten, weil die Frau dem Sohn dieses Onkels versprochen gewesen sei.

Der Akt, den das Bundesasylamt vorgelegt hat, enthält eine in deutscher Sprache gehaltene Bestätigung der Afghanischen Botschaft in Wien vom XXXX, wonach der Beschwerdeführer "laut Heiratsurkunde Nr. XXXX Datum XXXX" mit Frau XXXX am XXXX in Peshawar (in Pakistan) die Ehe geschlossen habe.

Am 03.05.2012 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt (Außenstelle Wien) einvernommen; zu Beginn der Einvernahme wurde er auf seine Mitwirkungspflichten und ua. auf das Neuerungsverbot hingewiesen. Bei dieser Einvernahme gab er an, seine Ehefrau und seine Tochter lebten in Österreich. Er habe XXXX in Peshawar geheiratet. Seine Frau sei seine Nachbarin gewesen, sie seien befreundet gewesen; dann hätten sich ihre jeweiligen Familien eingemischt und sie hätten geheiratet. Der Vater seiner Frau sei mit der Hochzeit einverstanden gewesen. Er habe eine Tochter; zuvor habe seine Frau in Pakistan eine Fehlgeburt erlitten. Fünf oder sechs Monate nach der Hochzeit sei sie zu ihrem Vater nach Österreich gekommen. In Pakistan habe sie bei ihrem Onkel väterlicherseits gelebt. Danach sei sie zweimal aus Österreich nach Pakistan gekommen. Auf den Vorhalt, aus der Geburtsurkunde seiner Tochter gehe nicht hervor, dass er ihr leiblicher Vater sei, gab der Beschwerdeführer an, er sei damals noch nicht in Österreich gewesen, daher sei dies nicht eingetragen worden.

Zu der Zeit, als er geheiratet habe, habe er die Ferien in Pakistan verbracht, wo seine Familie gelebt habe; er habe in Afghanistan gelebt und studiert. Seine Mutter lebe in Kabul. In Afghanistan habe er für einen XXXX, dessen XXXX er gewesen sei, als XXXX und XXXX gearbeitet; er habe auch beim XXXX gearbeitet und nebenbei XXXX studiert. Als XXXX hätte er nicht viel verdient und hätte weit weg reisen müssen, was gefährlich gewesen wäre. Er habe deshalb, da er sich für XXXX interessiert habe, verschiedene Kurse besucht. Der XXXX, für den er gearbeitet habe, sei in Kabul bekannt; man könne das auch im Internet anhören. Er habe für XXXX und für den XXXX gearbeitet.

Auf die Frage, warum er nicht schon früher nach Österreich gereist sei, gab er an, er habe das tun wollen, aber da seine Frau minderjährig gewesen sei, sei das nicht möglich gewesen. 2007 habe er versucht, bei der Botschaft in Islamabad ein Visum für Österreich zu erhalten.

Der Beschwerdeführer legte seinen Führerschein, verschiedene Kursbestätigungen aus Afghanistan (bezogen auf XXXX, XXXX, XXXX, ...) und eine Studienbestätigung (XXXX) vor. Auf die Frage, wann er sich entschlossen habe, nach Österreich zu reisen, gab der Beschwerdeführer an, da es auf legalem Wege nicht möglich gewesen sei, habe er sich entschlossen, illegal hierher zu kommen. Seine Frau sei eine Zeitlang nach Pakistan gekommen und habe bei ihm gelebt, habe aber dort Probleme mit der Familie ihres Onkels mütterlicherseits gehabt, da sie schon als Kind dessen Sohn versprochen gewesen sei. Aus Stress und Druck habe sie vor etwa anderthalb Jahren in Pakistan eine Fehlgeburt erlitten.

Auf die Frage nach seinem Fluchtgrund ("Nennen Sie bitte all Ihre Fluchtgründe!") gab der Beschwerdeführer an, er sei in Österreich, weil er bei seiner Ehefrau und Tochter leben wolle. Außerdem sei er von ihrem Onkel mütterlicherseits in Pakistan und in Afghanistan bedroht worden. Sie sei als Kind dessen Sohn versprochen gewesen. Der Hauptgrund sei aber, dass er mit seiner Tochter und seiner Ehefrau in Österreich leben wolle. Die Frage, ob er all seine Fluchtgründe genannt habe, bejahte der Beschwerdeführer, jene, ob er in seinem Heimatland noch weitere Probleme gehabt habe, verneinte er. Auf die Frage, was er bei einer Rückkehr zu befürchten habe, antwortete er, seine Ehefrau und seine Tochter könnten nicht in Afghanistan leben, ohne sie wolle auch er nicht mehr in Afghanistan leben. Auf die Frage, welches konkrete Problem er mit dem Onkel seiner Ehefrau gehabt habe, antwortete der Beschwerdeführer, er habe mit ihm keine Probleme gehabt, wohl aber umgekehrt, da er die Verlobte seines Sohnes geheiratet habe. Seine Frau habe den Sohn ihres Onkels nicht heiraten wollen, da er viel älter als sie selbst sei. Auf die Frage, was ihm konkret zugestoßen sei, antwortete der Beschwerdeführer, er (gemeint ist offenbar der Onkel der Frau, vielleicht auch dessen Sohn) habe ihn verbal bedroht und auch ab und zu angerufen, nicht aber angegriffen. Er habe den Beschwerdeführer geschimpft und ihm vorgeworfen, dass er mit seiner Ehre gespielt habe. Auf den Vorhalt, dies scheine ihn nicht sehr beeindruckt zu haben, ergänzte der Beschwerdeführer, er habe ihm auch gedroht, wenn er einmal Kinder haben würde, werde er sie ihm wegnehmen. Es sei mehrmals zu solchen Bedrohungen gekommen; aus Angst vor dem Mann habe er an verschiedenen Wohnadressen in Peshawar gelebt. Die Frage, ob er auch in Kabul etwas vom Onkel seiner Frau ("von Ihrem Onkel" - gemeint kann aber nach dem Zusammenhang nur jener der Frau sein) zu befürchten habe, bejahte der Beschwerdeführer; dessen Söhne lebten auch in Kabul. Dort habe er aber keine große Angst gehabt, da er sich dort ausgekannt habe. Zum letzten Mal habe ihm der Onkel vor etwa acht oder neun Monaten gedroht. Die Drohungen hätten begonnen, nachdem sich der Beschwerdeführer verlobt habe; der Onkel habe ihn angerufen oder ihm einen Verwandten geschickt. Auf die Frage, ob er das jahrelang habe über sich ergehen lassen, gab der Beschwerdeführer an, er habe ihn in Kabul nicht so ernst genommen ("Wie ich schon sagte, ..."); seine Frau könnte aber nicht mehr in Kabul leben, deshalb sei er nach Österreich gekommen. Der Onkel dürfte zwei Haushalte haben, einen in Pakistan und einen in Kabul; das wisse er nicht genau.

Am 08.05.2012 langte beim Bundesasylamt eine Geburtsurkunde der Tochter des Beschwerdeführers (ausgestellt vom Standesamt XXXX) ein, die ihn als ihren Vater ausweist.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005, Art. 2 BG BGBl. I 100 (in der Folge: AsylG 2005) ab (Spruchpunkt I), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wies es den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab (Spruchpunkt II), gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 wies es den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt III).

Im angefochtenen Bescheid werden zunächst die Niederschriften der Befragung und der Einvernahmen wörtlich wiedergegeben. Das Bundesasylamt stellt fest, der Beschwerdeführer sei der Ehemann XXXX und der leibliche Vater XXXX; er habe die Ehe mit seiner Frau in Pakistan geschlossen. Ihr sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.06.2007 im Rahmen eines Familienverfahrens der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden, ebenso seiner Tochter mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.11.2011. Der Beschwerdeführer habe keine "asylrelevante Verfolgungsgefahr" glaubhaft gemacht. Sodann trifft das Bundesasylamt Feststellungen zur Situation in Afghanistan. Beweiswürdigend heißt es, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers den Voraussetzungen an die Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr nicht entsprochen habe. Aus dem Wunsch, mit seiner Ehefrau und seiner Tochter in Österreich leben zu wollen, ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Verfolgung aus den in der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) genannten Gründen. Da der Beschwerdeführer schon 2006 geheiratet habe und sich seine Frau seit 2007 in Österreich aufhalte, habe er auch keine Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht, die sich in Pakistan und in Afghanistan aus Problemen mit dem Onkel seiner Frau ergäben. Denn er habe ungeachtet der behaupteten Gefahr von 2006 bis 2012 in Afghanistan und in Pakistan gelebt, studiert und gearbeitet. Ginge von dem Onkel tatsächlich eine Gefahr aus, die den Beschwerdeführer dazu veranlassen müsste, "fluchtartig" aus dem Heimatland zu fliehen, dann hätte sich der Onkel wohl schon während dieser sechs Jahre nicht damit begnügt, den Beschwerdeführer ab und zu verbal zu bedrohen. Vor allem habe aber auch der Beschwerdeführer selbst der behaupteten Verfolgung wenig Bedeutung beigemessen und angegeben, dass er sie nicht so ernst nehme und schlussendlich nur ausgereist sei, um zu seiner Frau und zu seinem Kind nach Österreich zu kommen. Rechtlich folgert das Bundesasylamt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Weiters verneint es, dass der Beschwerdeführer iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bedroht oder gefährdet sei, und begründet abschließend seine Ausweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005. Dazu heißt es, dass die Ehe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, sondern erst in Pakistan geschlossen worden sei und von einem tatsächlichen gemeinsamen Familienleben erst seit der Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich auszugehen sei. Es stehe ihm frei, sich nach Afghanistan zu begeben und sich um einen legalen Einreise- und Aufenthaltstitel zum Zwecke der Familiengemeinschaft zu bemühen. Zudem bestehe die Möglichkeit, sich in Pakistan zur Kontaktpflege mit seiner Ehefrau und gegebenenfalls seinem Kind zu treffen, wo er seine Frau auch getroffen und geheiratet habe und wo er eine Zeitlang mit ihr zusammengelebt habe. Für die Dauer des Antragsverfahrens könne der Kontakt auch telefonisch, per Post, über Internet oder per e-mail aufrechterhalten werden.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 06.08.2012 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte Beschwerde vom 17.08.2012, die zunächst verschiedene "Schlampereien" des Bundesasylamtes rügt (so sei von Recherchen in Aserbaidschan die Rede). In der Beschwerde heißt es weiters, der Beschwerdeführer habe sehr wohl asylrelevante Verfolgungsgründe vorgebracht, dass er nämlich vom Onkel mütterlicherseits seiner Frau und von den Verwandten dieses Onkels in Pakistan und Afghanistan mehrmals bedroht worden sei. Dass diese Tatsachen vom Bundesasylamt "einfach ignoriert" würden, erscheine besonders bedenklich, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei einer Bedrohung durch Blutrache von nichtstaatlicher Seite ein Asylgrund vorliege, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, den Betroffenen vor den Übergriffen Privater zu schützen (Hinweis auf VwGH 1.8.2000, 96/21/0453). Im Fall des Beschwerdeführers habe es noch keine konkreten Vorfälle gegeben, durch die er tatsächlich körperlich geschädigt worden wäre; dies sei aber auch nicht erforderlich, um eine Verfolgungsgefahr geltend zu machen. Die Handlungen, von denen er berichtet habe, seien vom Ausmaß und von der Art her als asylrelevant einzustufen. - Im Übrigen wendet sich die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II und III des angefochtenen Bescheides.

Mit der Beschwerde sowie am 17.12.2012, am 16.04.2013, am 02.09.2013, am 21.10.2013, am 10.02.2014, am 05.05.2014 und am 30.06.2014 legte der Beschwerdeführer Unterlagen zu seiner Situation in Österreich und zu seinem Familienleben vor. Am 02.09.2013 legte er ua. einen Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.04.2013 vor, mit dem seiner (zweiten) Tochter XXXX gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 Asyl gewährt wurde, und zwar deshalb, weil sie die Tochter einer Asylberechtigten - der Ehefrau des Beschwerdeführers - ist.

4. Mit Schreiben vom 02.09.2014 teilte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Beschwerdeverfahrens mit, dass es beabsichtige, in seinem Erkenntnis Feststellungen zur Situation in Afghanistan zu treffen und sich dabei auf folgende Unterlagen und Berichte zu stützen:

The Constitution of Afghanistan. Year 1382

Home Office, UK Border Agency, Afghanistan. Country of Origin Information (COI) Report. 15 February 2013

UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 6. August 2013 (HRC/EG/AFG/13/01)

Corinne Troxler Gulzar, Afghanistan, Update: Die aktuelle Sicherheitslage, Bern, 30. September 2013 (SFH)

Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 31.3.2014, Stand Feber 2014, Berlin

Das Bundesverwaltungsgericht stellte es den Parteien des Verfahrens frei, innerhalb von zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen sowie ein ergänzendes Vorbringen zu erstatten, das sich auf den Gegenstand des Verfahrens beziehe.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) äußerte sich nicht; der Beschwerdeführer gab am 22.09.2014 eine Stellungnahme ab und ergänzte sie am 02.10.2014 (vgl. unten).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Feststellungen zur Person sind iW Negativfeststellungen, nämlich zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers bzw. dazu, dass die vorgebrachten Fluchtgründe nicht als Verfolgung iSd GFK zu subsumieren wären; sie und die dazu führende Beweiswürdigung sind oben im erforderlichen Ausmaß wiedergegeben. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen zum Sachverhalt und der dazu führenden Beweiswürdigung an.

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Zur Lage in Afghanistan stellt das Bundesverwaltungsgericht fest:

1.1. Allgemeine Entwicklung

Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und dreizehn Jahre nach dem Ende der Taliban-Herrschaft ist Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess.

Die Verfassung sieht ein starkes Präsidialsystem mit einem Zwei-Kammer-Parlament (Unterhaus - Wolesi Jirga [Haus des Volkes] - und Oberhaus - Meshrano Jirga [Haus der Ältesten; es wird bestellt von den Provinz- und Distriktsräten und vom Präsidenten]; Art. 82 und 84) vor und enthält einen umfangreichen Grundrechtskatalog (Art.

22 - 59), der auch Bürgerpflichten und Verpflichtungen des Staates

zu Förderungsmaßnahmen vorsieht. Art. 3 enthält einen Islamvorbehalt; danach dürfen Gesetze nicht dem Glauben und den Bestimmungen des Islam zuwiderlaufen. Nach Art. 130 f. der Verfassung sind dann, wenn keine gesetzliche Norm anwendbar ist, in den Grenzen der Verfassung die Regeln der hanefitischen Rechtsschule bzw. des schiitischen Rechts anzuwenden. Staatsreligion ist der Islam (Art. 2); die Anhänger anderer Religionen haben Glaubensfreiheit. (Die Glaubensfreiheit und damit die Freiheit zum Wechsel der Religion kommt somit den Muslimen nicht zu.)

Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Generell leidet die Legislative aber nicht nur unter ihrer schwachen Rolle im Präsidialsystem, sondern auch unter dem unterentwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern. Die afghanische Parteienlandschaft ist wenig entwickelt und mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen in der Regel mehr Einfluss als politische Organisationen.

Die Machtstrukturen in Afghanistan sind vielschichtig und verwoben. Eignung, Befähigung und Leistung spielen bei der Besetzung politischer und administrativer Ämter oft eine untergeordnete, informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien dagegen eine wesentliche Rolle. Die Machtverteilung wird national und auch lokal so austariert, dass die Loyalität einzelner Persönlichkeiten und Gruppierungen gesichert erscheint. Handeln lokale Machthaber entgegen der Regierungspolitik, bleiben Sanktionen allerdings häufig aus. Politische Allianzen werden in der Regel nach pragmatischen Gesichtspunkten geschmiedet.

Die gewaltbereite Opposition lässt sich im Wesentlichen in drei große Gruppierungen einteilen: die Taliban, das Haqqani-Netzwerk und die Hezb-e Islami Gulbuddin. Alle drei sind - in unterschiedlichem Maß - fragmentiert.

1.2. Gerichtsbarkeit und Paralleljustiz

Die rechtsprechende Gewalt ist nach der Verfassung (Art. 116) unabhängig. Ihr höchstes Organ ist das Oberste Gericht (Stera Makhama; Art. 116 der Verfassung). Auf Antrag der Regierung oder eines Gerichts kann das Oberste Gericht prüfen, ob Gesetze, Verordnungen und internationale Verträge mit der Verfassung vereinbar sind (Art. 121 der Verfassung). Das Oberste Gericht setzt sich hauptsächlich aus religiösen Gelehrten zusammen, die nur ein beschränktes Wissen in ziviler Rechtsprechung haben.

Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen lokaler Machthaber, Beamter und auch Familienangehöriger, Stammesältester und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt. Urteile basieren häufig auf einem Gemisch aus kodifiziertem Recht, Sharia, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Besonders in ländlichen Gebieten ist das Justizwesen sehr schwach, sodass die Zivilbevölkerung in zivilen und auch in Strafsachen auf traditionelle Schlichtungsmechanismen zurückzugreift, die auch nicht gebilligte Bestrafungsarten umfassen, sich nicht immer an das Verfassungsrecht halten und sich häufig zum Nachteil von Frauen und Minderheiten auswirken. Das afghanische Justizsystem beruht noch immer hauptsächlich auf Geständnissen als wesentlichem Beweismittel. Willkürliche Festnahmen und unverhältnismäßig lange Haften sind verbreitet. Die Haftbedingungen liegen unter den internationalen Standards. Die afghanische Regierung war in zahlreichen Fällen nicht willens oder fähig, von Beamten begangene Verbrechen konsequent und wirksam zu verfolgen. Die United Nations Assistance Mission (UNAMA) weist in ihrem Bericht vom Jänner 2013 auf die Anwendung von Folter in einzelnen Haftanstalten des National Directorate of Security (NDS), der Afghanischen Nationalen Polizei (ANP), der Afghanischen Nationalen Armee (ANA) und der Afghan Local Police (ALP) hin.

Die verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Sharia, Gewohnheits-/Stammesrecht) werden nicht einheitlich angewandt. Auch rechtsstaatliche (Verfahrens‑)Prinzipien werden nicht überall eingehalten. Dadurch, dass machtvolle Akteure Einfluss auf Justiz und Verwaltung nehmen und Bestechungsgelder zahlen, werden Entscheidungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen verhindert.

Regierungsfeindliche Kräfte etablieren in Gebieten, die sie tatsächlich kontrollieren, eigene parallele "Justiz"-Strukturen. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer strikten Auslegung der Sharia. Vorgesehen sind schwere Bestrafungen einschließlich Hinrichtungen, Amputationen und Verstümmelungen. Regierungsfeindliche Kräfte beschränken das Recht auf freie Meinungsäußerung. Wer sich gegen regierungsfeindliche Kräfte oder zugunsten der Regierung äußert, läuft Gefahr, auf Grund von "Spionage" für die Regierung in Schnellverfahren verurteilt und hingerichtet zu werden. Die afghanische Regierung leistet keine Wiedergutmachungen für solche Bestrafungen. Die Rechte der Frauen werden von den Taliban-Gerichten routinemäßig missachtet.

1.3. Rekrutierung von Soldaten und Kämpfern

Wehrpflicht besteht nicht. Mögliche Zwangsrekrutierungen durch die afghanische Armee (oder Polizei) sind nicht auszuschließen. Da die erfolgreiche Anwerbung als Soldat oder Polizist für den überwiegend arbeitslosen Teil der jungen männlichen Bevölkerung aber eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten ist, erscheint die Notwendigkeit für Zwangsrekrutierungen unwahrscheinlich. Es ist verbreitet, dass Soldaten, die zB fern ihrer Heimat eingesetzt sind und dort unter schwierigsten Bedingungen kämpfen müssen, das Militär vorübergehend verlassen, um zu ihren Familien zurückzukehren. Diese "Deserteure" werden nach Rückkehr zu ihrem ursprünglichen Standort wieder in die Armee aufgenommen. Zwangsrekrutierungen durch Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht von Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihre Familien kaum an die Öffentlichkeit.

Regierungsfeindliche Kräfte rekrutieren in Gebieten, die ihrer tatsächlichen Kontrolle unterliegen, Kämpfer zT durch Zwang. Traditionell fand in Zeiten des Krieges die Mobilisierung in Form von "lashkar" statt, einem Brauch, bei dem jeder Haushalt einen Mann im wehrfähigen Alter stellte. Regierungsfeindliche Kräfte wenden in Gebieten, die sie tatsächlich kontrollieren, und in Siedlungen Binnenvertriebener Drohungen und Einschüchterung ein, um Kämpfer zu rekrutieren. Wer sich einer Rekrutierung widersetzt, ist gefährdet, der Spionage für die Regierung angeklagt und getötet oder sonst bestraft zu werden. Es kommt vor, dass Familien, die mit dem Aufstand in Verbindung gebracht werden, regierungsfeindlichen Kräften Knaben als Selbstmordattentäter übergeben, um einen besseren Status bei den betreffenden Kräften zu erhalten. Auch Befehlshaber der ALP haben Mitglieder lokaler Gemeinschaften, einschließlich erwachsener Männer und Kinder, für die ALP zwangsrekrutiert, desgleichen sollen die ANSF (Afghan National Security Forces, di. die ANA und die verschiedenen Polizeieinheiten), va. die ANP, Minderjährige rekrutiert haben. Regierungsfeindliche Kräfte setzen verstärkt Kinder für Selbstmordanschläge ein. Kinder wurden außerdem benutzt, um improvisierte Sprengkörper zu legen, Waffen und Uniformen zu schmuggeln und als Wache oder Späher für die Aufklärung zu dienen. Kinder sind gefährdet, als Unterstützer regierungsfeindlicher Kräfte illegal inhaftiert und während der Haft gefoltert und misshandelt zu werden.

1.4. Ethnische und religiöse Zusammensetzung; Religionsfreiheit

Die vier größten ethnischen Gruppen Afghanistans sind die Paschtunen (etwa 38 %), die Tadschiken (etwa 25 %), die Hazara (etwa 19 %) und die Usbeken (etwa 6 %). Die Verfassung zählt in Art. 4 weiters die Turkmenen, Balutschen, Pashai, Nuristani, Aymaq, Araber, Kirgisen, Qizilbash, Gujur, Brahwui "und andere" auf und enthält in Art. 22 ein Diskriminierungs- und Privilegierungsverbot, das für alle Bürger gilt. Die Situation der ethnischen Minderheiten hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft besonders für die traditionell diskriminierten Hazara verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert; unklar ist, ob als Folge der früheren Marginalisierung oder einer gezielten Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf. Etwa eine Mio. Afghanen - mehrheitlich Paschtunen - sind Nomaden (Kuchis oder Kutschis); sie leiden unter den ungeklärten Boden- und Wasserverhältnissen, gelten wegen ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter und werden immer wieder diskriminiert. In den Provinzen Wardak und Ghazni führt die jährliche Wanderung der Kuchis, die auf der Suche nach Weideland für ihr Vieh durch Gebiete ziehen, in denen Hazara siedeln, zu wiederkehrender Gewalt zwischen Kuchis und Hazara. Die Gewalt hat zu Toten und Verletzten auf beiden Seiten und zur Vertreibung von Dorfbewohnern unter den Hazara geführt.

Offizielle Landessprachen sind Dari und Paschtu; in Gebieten, in denen die Mehrheit der Bevölkerung Usbekisch, Turkmenisch, Belutschi, Pashai, Nuristani, Pamiri oder Arabisch spricht, sind diese Sprachen eine dritte offizielle Sprache (Art. 16 der Verfassung; die Bestimmung bedarf eines Ausführungsgesetzes).

Nach offiziellen Schätzungen sind 84 % der afghanischen Bevölkerung sunnitische und 15 % schiitische Muslime. Andere Glaubensgemeinschaften (wie zB Sikhs, Hindus und Christen) machen nicht mehr als 1 % der Bevölkerung aus.

Von den Taliban werden auch Menschen bedroht, die gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte (nach ihrer Auslegung) verstoßen, und zwar in Gebieten, die ganz oder teilweise unter ihrer oder der Kontrolle anderer regierungsfeindlicher Kräfte sind, aber auch in anderen Gebieten. Opfer solcher Angriffe sind zB Musiker, Filmemacher, Regisseure, Schauspieler und Sportler, weiters Leute, die an Veranstaltungen oder Zusammenkünften teilnehmen, in deren Rahmen islamische Grundsätze, Normen und Werte (nach der Auslegung der Taliban) verletzt werden, wie zB Musikdarbietungen auf Hochzeiten, Vogelkämpfe und andere Wettkämpfe, bei denen die Zuschauer Wetten abschließen. Von den Taliban werden außerdem Personen bedroht, die sich auf eine Weise kleiden, die nicht den Vorstellungen der Taliban entspricht.

1.5. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt unvorhersehbar, die Zivilbevölkerung trägt weiterhin die Hauptlast des Konflikts. Das "Center for Strategic and International Studies" stellte fest, dass sich "in weiten Teilen Afghanistans kaum Entwicklungen abzeichnen, die darauf hindeuten, dass lokale Sicherheit bis 2014 oder weit über dieses Datum hinaus auch nur annähernd erreicht werden könnte - abgesehen von einigen ‚Friedens'-Regelungen, die den Aufständischen die tatsächliche Kontrolle über hochgefährliche Gebiete geben." Im Juni 2013 sagte Ján Kubiš, UN-Sondergesandter für Afghanistan, dass sich die Sicherheitslage für Zivilisten seit Anfang 2013 verschlechtert habe.

Am 18. Juni 2013 verkündete Präsident Karzai den Beginn der fünften und letzten Etappe der Übergabe der Verantwortung für die Sicherheitslage an die ANSF, diese Phase umfasst die restlichen 95 unruhigeren Bezirke im Süden und Osten Afghanistans. Die Herausforderungen sind jedoch groß, da sich einerseits darunter schwer zugängliche und umkämpfte Gebiete entlang der Grenze zu Pakistan befinden und andererseits die Unterstützung der ISAF (International Security Assistance Force) mit der Verringerung der Präsenz in Afghanistan stetig sinkt. Gemäß dem Afghanistan NGO Safety Office (ANSO) gelingt es den ANSF nicht, die Lücken zu füllen, die sich aus dem Abzug der internationalen Truppen ergeben. Dies zeigt sich insbesondere in den nordwestlichen Provinzen Faryab und Badghis, im Nordosten und in der südlichen Provinz Paktika. In einigen Gebieten, die in Phase 3 übergeben worden sind, nehmen die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen zu, während jene der ANSF zeitgleich zurückgegangen sind. Während die internationalen Truppen weiter abgezogen werden, richten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Angriffe kontinuierlich weniger auf internationale und mehr auf afghanische Ziele, dh. auf die ANSF und auf afghanische Regierungsangehörige. Beobachter erwarten, dass sich nach dem Abzug der ausländischen Streitkräfte der Konflikt zwischen regierungstreuen und -feindlichen Kräften intensivieren wird.

Die ausländischen Sicherheitskräfte legen ihren Schwerpunkt weiterhin auf die Übergabe der Sicherheitsverantwortung, den raschen Truppenabzug und die Organisation der Rückführung des Kriegsmaterials. Nach dem Ende des ISAF-Mandats 2014 werden die USA und ihre Alliierten unter bilateral mit Afghanistan ausgehandelten strategischen Abkommen operieren. Dass bei Luftangriffen der NATO häufig Zivilisten, insbesondere auch Frauen und Kinder, ums Leben kommen, führt immer wieder zu Spannungen mit der afghanischen Regierung.

Die ANSF kämpfen inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front und tragen daher auch das größte Risiko und die höchsten Verluste. Nach Einschätzung von Experten ist der Weg zur Professionalisierung noch lang und es ist klar, dass sie auch 2014 auf internationale Unterstützung, Beratung und Ausbildung angewiesen sein werden. Ein schwerwiegendes Problem ist die hohe Ausfallquote:

Rund 35 % der Angehörigen der Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Dazu kommen lange Abwesenheitszeiten. Die ANA ist inzwischen besser bewaffnet. Dass internationale Truppen nach ihrem Abzug wieder in umkämpfte Regionen zurückkehren mussten, deutet darauf hin, dass die ANSF noch nicht in der Lage sind, die Verantwortung für die Sicherheit zu übernehmen. Seit 2011 kommt es auch zu sogenannten Insider-Angriffen.

Die Desertionsrate der ANP ist noch höher als jene der ANA. Viele Polizeiangehörige werden nur sechs bis acht Wochen lang ausgebildet und sind wesentlich schlechter ausgerüstet als die Armeeangehörigen. Sie verlieren im Einsatz fast doppelt so oft das Leben wie Angehörige der ANA. Zahlreiche Angehörige der ANP sind in lokale Partei- sowie ethnische Streitigkeiten verwickelt, da sie, im Gegensatz zur ANA, meist in ihren Heimatgemeinden eingesetzt werden. Die ANP gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen.

Der Konflikt betrifft mittlerweile die meisten Landesteile, insbesondere auch den Norden. UNAMA beobachtet außerdem, dass regierungsfeindliche Kräfte ihre Bemühungen anscheinend darauf konzentrieren, Gebiete zu halten, in denen die Regierung kaum präsent ist, das wirkt sich erheblich auf den Schutz der Menschenrechte in den betroffenen Gemeinden aus. Die Verbreitung lokaler regierungstreuer und regierungsfeindlicher Milizen und bewaffneter Gruppen, insbesondere im Norden, Nordosten und in den zentralen Hochlandregionen, beeinträchtigt ebenfalls die Sicherheitslage für Zivilisten. Insbesondere in den nördlichen und nordöstlichen Regionen ist die Abgrenzung zwischen Gruppen, die mit der Regierung verbunden sind, und anderen bewaffneten Gruppen unklar, dadurch verbreiten sich missbräuchliche Praktiken unkontrolliert. Zunehmend geraten Zivilisten in die Schusslinie zwischen regierungstreuen bewaffneten Gruppen und regierungsfeindlichen Kräften. Neben den unmittelbaren Auswirkungen der Gewalt sind weitere Faktoren zu beachten:

1. die Kontrolle über die Zivilbevölkerung durch regierungsfeindliche Kräfte, ua. werden parallele Justizstrukturen etabliert, illegale Strafen verhängt, Zivilisten eingeschüchtert und bedroht und ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt und Menschen erpresst und illegal besteuert;

2. Zwangsrekrutierungen;

3. die Auswirkungen auf die humanitäre Situation (Ernährungsunsicherheit, Armut und Zerstörung von Lebensgrundlagen);

4. zunehmende organisierte Kriminalität und die Möglichkeit von Warlords und korrupten Beamten, in Gebieten, welche die Regierung kontrolliert, straflos tätig zu sein;

5. die systematische Beschränkung des Zugangs zu Bildung und zu grundlegender Gesundheitsversorgung auf Grund der Unsicherheit;

6. die systematische Beschränkung der Teilhabe am öffentlichen Leben, insbesondere für Frauen.

In den an den Landesgrenzen liegenden Provinzen im Süden, Osten und Westen ist die Gewalt im Frühjahr 2013 eskaliert, besonders im Grenzgebiet zu Pakistan. Generell versuchen die regierungsfeindlichen Gruppierungen, in ländlichen Gebieten besser Fuß zu fassen, während die afghanischen Sicherheitskräfte um die Kontrolle der Bevölkerung in den urbanen Zentren kämpfen. Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen. Der Schwerpunkt der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind, besonders in Nangarhar. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni. Im Norden sind regierungsfeindliche Gruppierungen, lokale Machthaber und Kräfte der organisierten Kriminalität eng verstrickt. Die regierungsfeindlichen Gruppierungen sind im Begriff, neben dem Süden und Osten des Landes eine dritte Front vom Norden Richtung Süden zu schaffen (Faryab-Badghis-Ghor-Farah-Helmand). In der bisher als ruhig geltenden Provinz Badakhshan gewannen sie nach dem Abzug der ISAF ebenfalls an Einfluss. Anfang März 2013 mussten ISAF-Soldaten zur Unterstützung der ANSF nach Badakhshan zurückgeschickt werden. Ende September 2013 brachten die Taliban den Distrikt Keran-wa Monjan der Provinz Badakhshan unter ihre Kontrolle. Der Verwaltungs- und der Polizeichef mussten fliehen. In den westlichen Grenzprovinzen gelang es regierungsfeindlichen Gruppierungen, die Lücke zu füllen, die durch den Abzug der internationalen Truppen entstand. In Kabuls Hochsicherheitszonen konnten die Taliban auch 2013 komplexe Anschläge durchführen.

Zwischen 2007 und 2011 stieg die Anzahl ziviler Opfer jährlich. Dieser Aufwärtstrend hielt 2013 an. Improvisierte Sprengkörper, denen Zivilisten zum Opfer fielen, waren in den meisten Fällen dem Anschein nach nicht gegen bestimmte militärische Ziele gerichtet oder sie wurden so eingesetzt, dass ihre Auswirkungen nicht auf legitime militärische Ziele beschränkt werden konnten. Regierungsfeindliche Kräfte bringen weiterhin Sprengkörper an Straßen an, die in der Regel von Zivilisten benutzt werden, sowie in anderen öffentlichen, häufig von Zivilisten genutzten Bereichen wie Märkten und Basaren, Behörden, Bereichen in und um Schulen, Geschäften oder Busbahnhöfen, weiters bei Attentaten auf Zivilisten, dabei werden häufig zahlreiche Unbeteiligte getötet. Außerdem benutzen sie Selbstmordattentate, um öffentliche Orte wie belebte Märkte, Moscheen, gesellschaftliche Zusammenkünfte wie Hochzeiten, Versammlungen von Stammesältesten und zivile Büros der Behörden anzugreifen. Auch Selbstmordattentate, die internationalen oder afghanischen Streitkräften gelten, führen häufig zu hohen Zahlen an zivilen Opfern. Regierungsfeindliche Kräfte haben Zivilisten gezwungen, Kämpfer bei sich aufzunehmen oder ihnen ihr Eigentum für ihre Operationen zur Verfügung zu stellen. Dadurch, dass Zivilisten in regierungsfeindliche Aktivitäten einbezogen werden, steigt die Zahl der zivilen Opfer. Die Zivilbevölkerung lebt unter ständiger Lebensgefahr und ist dem fortwährenden Risiko von Verstümmelung, ernsthaften Verletzungen und Zerstörung von Eigentum ausgesetzt.

Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung gehen weiterhin von vier Quellen aus:

von regierungsfeindlich eingestellten, bewaffneten Gruppierungen wie Taliban, Hezb-e-Islami Gulbuddin Hekmatyars, Haqqani-Netzwerk ua.;

von regionalen Warlords und Kommandierenden der Milizen;

von kriminellen Gruppierungen;

von Reaktionen der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen regierungsfeindliche Gruppierungen, insbesondere Bombardierungen.

Regierungsfeindliche Kräfte beschränken in Gebieten, die sich unter ihrer tatsächlichen Kontrolle befinden, regelmäßig das Recht auf Bewegungsfreiheit durch mobile oder dauerhafte Kontrollpunkte. Dies beeinträchtigt die Lebensgrundlage und Arbeitsmöglichkeiten der Zivilbevölkerung, da die betroffenen Straßen oft die einzige Verbindung zu den Zentren der Distrikte sind. Besonders betroffen sind Bauern, die nicht dorthin reisen können, um ihre Produkte zu verkaufen. Regierungsfeindliche Kräfte erheben zudem illegale Steuern in nahezu allen Gebieten, die teilweise oder vollständig unter ihrer Kontrolle sind.

Neben Anschlägen auf militärische und zivile internationale Akteure verüben die Aufständischen vermehrt Anschläge gegen die ANSF. Sie stehen im Zuge der Übernahme der Sicherheitsverantwortung in ganz Afghanistan in der ersten Reihe und sind, auch auf Grund ihrer im Vergleich zu ISAF/NATO Kräften weniger hochwertigen Ausrüstung und Ausbildung, primäres Ziel der Aufständischen. Auf Grund ihrer besonderen Machtstellung werden auch auf Provinz- und Distriktsgouverneure immer wieder Anschläge verübt, ebenso auf Mitarbeiter des afghanischen öffentlichen Dienstes wie Angehörige von Ministerien oder nachgeordneten Behörden.

Regierungsbeamte und ihre Familienangehörigen sind Ziel von Anschlägen regierungsfeindlicher Kräfte, ebenso Angehörige der ANP und der ALP und Zivilisten, die mit den ANSF oder mit den internationalen Streitkräften zusammenarbeiten oder denen dies unterstellt wird oder die für die Regierung oder für die internationale Gemeinschaft arbeiten oder denen dies unterstellt wird. Diese Leute werden gewarnt und aufgefordert, ihre Tätigkeit aufzugeben, oft in der Form von "shab nameha" ("nächtlichen Drohbriefen"). Zivilisten, denen "Spionage" für die Regierung zur Last gelegt wird, werden im Rahmen von Schnellverfahren in illegalen Justizverfahren durch die regierungsfeindlichen Kräfte verurteilt und hingerichtet. Weitere Ziele sind Stammesälteste und religiöse Führer (die zB Begräbnisrituale für Mitglieder der ANSF und für von den Taliban getötete Personen durchführen).

Besonders gefährdete Personengruppen sind Mitarbeiter nationaler und internationaler Organisationen (zB Leute, die sich für Menschen- und Frauenrechte einsetzen, und aus der Entwicklungs- und humanitären Hilfe, aber auch Minenräumer, Lastwagenfahrer und Straßenbauarbeiter), vermehrt auch die Familienangehörigen dieser Zielgruppen (darunter auch Kinder), Beschäftigte der ausländischen Sicherheitskräfte (besonders etwa Dolmetscher oder Fahrer, die für die internationalen Truppen arbeiten), XXXX (besonders wenn sie über Straffreiheit, Kriegsverbrechen, Korruption, Drogenhandel oder andere Machenschaften berichtet haben; zu den Tätern zählen nicht nur Angehörige regierungsfeindlicher Gruppierungen, sondern auch lokale Machthaber, Politiker, Sicherheitsbeamte, Regierungsvertreter und Geistliche), im Gesundheitswesen tätige Personen, Regierungsbeamte (Richter und Strafverteidiger, Parlamentsmitglieder, Provinz- und Distriktsgouverneure sowie Ratsmitglieder), Lehrkräfte und Schüler, Angehörige der Sicherheitskräfte (auch außerhalb ihres Dienstes) und ihre Familienangehörigen, Geistliche und Stammesführer oder -älteste, welche die afghanische Regierung oder die internationale Staatengemeinschaft unterstützen, Teilnehmer des Afghanischen Friedens- und Wiedereingliederungsprogramms, Angehörige nichtmuslimischer Religionen, Homosexuelle, Menschen, die den Werten regierungsfeindlicher Gruppierungen widersprechen (Sportler, Filmemacher, Künstler und Musiker), Wohlhabende und Opfer der Blutrache.

Die größte Bedrohung für die Bürger Afghanistans geht von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus, meist Anführern von Milizen, die keine staatlichen Befugnisse, aber faktische Macht haben und sie häufig missbrauchen. Die Zentralregierung hat auf viele dieser Leute kaum Einfluss und kann sie nur begrenzt kontrollieren oder ihre Taten untersuchen oder verurteilen. Wegen des schwachen Verwaltungs- und Rechtswesens bleiben diese Menschenrechtsverletzungen daher häufig ohne Sanktionen.

Nach wie vor sind in Afghanistan zahlreiche illegale bewaffnete Bewegungen sowie Milizen oder milizähnliche Verbände aktiv. Besonders im Norden und Nordosten Afghanistans werden zunehmend Menschenrechtsverletzungen durch Milizen registriert. Die Warlords und Milizen gehen dabei in der Regel straffrei aus.

Es kommt landesweit immer wieder zu Entführungen, die politisch oder finanziell motiviert sind. In vielen Fällen enden sie glimpflich, wenn sich die Familie des Opfers mit den Entführern auf die Summe des Lösegeldes einigen kann. Reiche Geschäftsleute lassen sich auf Grund dieser allgemeinen Gefährdung häufig von privaten Sicherheitskräften begleiten.

Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von ineffektiver Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staats untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Wer die Menschenrechte verletzt, wird selten dafür zur Rechenschaft gezogen. Einige staatliche Akteure, die mit dem Schutz der Menschenrechte beauftragt sind, einschließlich der ANP und der ALP, begehen in einigen Teilen des Landes selbst Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Korruption betrifft viele Teile des Staatsapparats auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene.

Gemäß alt hergebrachten Verhaltens- und Ehrvorstellungen töten bei einer Blutfehde die Mitglieder einer Familie als Akte der Vergeltung die Mitglieder einer anderen Familie. In Afghanistan sind Blutfehden in erster Linie eine Tradition der Paschtunen. Sie können durch Morde ausgelöst werden, aber auch durch andere Vergehen (Zufügung dauerhafter, ernsthafter Verletzungen; Entführungen oder Vergewaltigung verheirateter Frauen; ungelöste Streitigkeiten um Land, Zugang zu Wasser oder Eigentum). Die Rache muss sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber Ziel der Rache auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter werden, der aus der väterlichen Linie stammt. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kindern verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Dass der Täter durch das formale Rechtssystem bestraft worden ist, schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus.

Die Anbaufläche für Opium in Afghanistan ist 2012 im dritten Jahr in Folge gewachsen. 2013 wurde auch in Balkh, Faryab und Takhar Opium angebaut, dadurch stieg die Zahl der opiumanbauenden Provinzen von 17 auf 20. Nur noch 14 Provinzen gelten als opiumfrei. In das lukrative Geschäft sind nicht nur regierungsfeindliche Gruppierungen verstrickt, sondern auch zahlreiche Regierungsbeamte und Warlords.

1.6. Taliban

Offizielle Friedensgespräche mit den Taliban sind wegen des nahenden Abzugs der internationalen Streitkräfte wahrscheinlicher geworden. Delegierte der Taliban haben 2012 neben Vertretern des Hohen Friedensrates und der afghanischen Regierung an Konferenzen in Kyoto und in Chantilly teilgenommen. Die Regierung hofft nun, mit der Freilassung hochrangiger inhaftierter Taliban-Kämpfer deren Vertrauen zu gewinnen und damit Friedensgespräche zu erleichtern. Auch Pakistan hat seit November 2012 rund 30 mittlere und höhere afghanische Taliban-Anführer freigelassen. Nach Berichten des NDS haben sich einige der freigelassenen Kämpfer bereits wieder dem bewaffneten Widerstand angeschlossen. Unklar bleibt auch, ob im Rahmen von Gesprächen geschlossene Abkommen in der stark dezentral organisierten Bewegung der Taliban überhaupt durchgesetzt werden könnten. Am 17.11.2012 verkündete der Vorsitzende des Hohen Friedensrates, dass Vertretern der Taliban strafrechtliche Immunität zugestanden werde, wenn sich diese am Friedensprozess beteiligten, obwohl einige von ihnen im Verdacht stehen, Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Die Führung der Taliban ist weiterhin in der Lage, ihre militärischen Operationen von Pakistan aus zu lenken und die notwendigen Ressourcen zu beschaffen. 2012 erreichten die Spannungen innerhalb der Bewegung einen Höhepunkt. Insbesondere verschob sich die Macht von der Quetta- hin zur Peshawar-Shura. Die Bewegung hat diesbezüglich im Süden Afghanistans größere Probleme. 2012 meldeten viele Gemeinden, dass regierungsfeindliche Gruppierungen wegen der eingeschränkten Präsenz afghanischer Sicherheitskräfte vermehrt Gebiete kontrollierten. Die Taliban üben auch in Gebieten, die unter der Kontrolle der afghanischen und internationalen Streitkräfte stehen, Einfluss aus, und zwar über Drohbriefe, Einschüchterung, Familien- und Stammesnetzwerke oder Imame. Sie nutzen auch die Schwäche der Regierung in Gebieten aus, in denen diese nur ungenügend Präsenz, Rechtsstaatlichkeit oder wirtschaftliche Möglichkeiten bieten kann.

1.7. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist unzureichend, weil es an Medikamenten, Geräten, Ärzten und ausgebildetem Hilfspersonal (va. Hebammen) mangelt. Es gibt große regionale Unterschiede, die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen ist viel besser als in den Süd- und Ostprovinzen. Afghanen mit guten Kontakten zum ausländischen Militär oder zu Botschaften können sich uU auch in Militärkrankenhäusern der ausländischen Truppen behandeln lassen. Psychische Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - werden, abgesehen von einzelnen Pilotprojekten, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße behandelt. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden eher in spirituellen Schreinen (zB dem Mia-Ali-Baba-Schrein) unter teilweise unmenschlichen Bedingungen behandelt oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben".

Im Gesundheitswesen tätige Personen gehören zu den besonders gefährdeten Personengruppen.

1.8. Sonstiges

Nach Jahrzehnten des Konflikts und wiederkehrenden Naturkatastrophen ist die afghanische Bevölkerung sehr schutzbedürftig, die Überlebensmechanismen vieler Menschen sind erschöpft. Der fortwährende Konflikt greift diese Schwachstellen durch Zerstörung von Lebensgrundlagen, Verlust von Viehbestand, die größere Verbreitung ansteckender Krankheiten, verstärkte Vertreibung, ständige Menschenrechtsverletzungen und höhere Kriminalitätsraten weiter an. Naturkatastrophen sind ein weiterer Grund für die Schutzbedürftigkeit der Bevölkerung. Die humanitären Indikatoren sind in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau. 36 % der Bevölkerung leben unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Ernährungsunsicherheit betrifft 34 % der Bevölkerung. 43 % haben keinen nachhaltigen Zugang zu verbesserter Trinkwasserversorgung.

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Für Rückkehrer gilt dies verstärkt. Eine hohe Arbeitslosigkeit wird verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Im Süden und Osten gelten etwa eine Mio. oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt.

Rund 90 % der Ausgaben der afghanischen Regierung werden weiterhin mit Geldern der internationalen Staatengemeinschaft finanziert. Die Unsicherheiten führten in der Wirtschaft aber zu einem Vertrauensverlust, der sich in einem sinkenden Engagement im Privatsektor, einem fallenden Devisenwechselkurs und einer Verzögerung der langsamen Erholung des Bankensektors abzeichnet.

Es ist weit verbreitet, illegal Land in Besitz zu nehmen, oft sind mächtige Akteure mit Verbindungen zur Regierung daran beteiligt. Afghanen, die ihr Land nach einer Vertreibung zurückfordern, sind diesbezüglich besonders gefährdet.

Rund 40 % der Rückkehrenden konnten sich nicht wieder in die Gemeinschaft ihrer Herkunftsorte integrieren. Bis zu 60 % der Rückkehrenden kämpfen mit Schwierigkeiten, sich in Afghanistan wieder einzugliedern. Etwa 25 % Prozent der in Städten lebenden intern Vertriebenen sind vermutlich Rückkehrende, die erneut vertrieben wurden. Erschwert wird die Wiedereingliederung durch die anhaltend prekäre Sicherheitslage, den Verlust der Lebensgrundlage, den fehlenden Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und durch die Herausforderungen bei der Rückforderung von Land und Besitz.

Binnenvertriebene gehören zu den schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen in Afghanistan. Viele sind außerhalb der Reichweite humanitärer Hilfsorganisationen. In Städten lebende Binnenvertriebene sind schutzbedürftiger als nicht vertriebene, arme und in Städten lebende Personen, da sie im besonderen Maß von Arbeitslosigkeit, beschränktem Zugang zu angemessenem Wohnraum, zu Wasser und Sanitäranlagen sowie von Lebensmittelunsicherheit betroffen sind. Allein in Kabul leben rund 50.000 Menschen als intern Vertriebene, die im Winter der Kälte und im Sommer der Hitze schutzlos ausgeliefert sind.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Lage in Afghanistan beruhen auf dem Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 31.03.2014 (Stand Feber 2014), der durch die Darstellung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender) vom August 2013 bestätigt wird, ebenso durch jene der Berichte Troxler Gulzars (Schweizerische Flüchtlingshilfe) vom September 2013 und des britischen Home Office vom Feber 2013.

Die Feststellungen zum Inhalt der Verfassung beruhen auf dem Text der Verfassung (in englischer Übersetzung).

Die Prozentzahlen zur Verteilung der ethnischen Gruppen und zur Stärke der Religionsgemeinschaften verstehen sich als Schätzungen; der Flüchtlings-Hochkommissär der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien, S 50 FN 266 und S 74 FN 410) zB macht etwas abweichende Angaben (80 % Sunniten, 19 % Schiiten; 42 % Paschtunen, 27 % Tadschiken, 9 % Hazara, 9 % Usbeken, 4 % Aymaq, 3 % Turkmenen, 2 % Belutschen).

Die Feststellungen zur Justiz und zum alternativen Rechtssystem und den Parallelstrukturen der Taliban beruhen va. auf dem Bericht Troxler Gulzars (S 12 - 14) und auf den UNHCR-Richtlinien (S 23). Die Feststellungen zur Rekrutierung von Soldaten und Kämpfern beruhen auf dem Bericht des deutschen Außenamtes (S 12) und auf den UNHCR-Richtlinien (S 45 f., 65 f.). Die Feststellungen zu den Wanderungen der Kuchis beruhen auf den UNHCR-Richtlinien (S 78). Die Feststellungen zur Bedrohung von Personen, die sich nicht islamkonform verhalten, beruhen auf dem Bericht des deutschen Außenamtes (S 11 f.) und auf den UNHCR-Richtlinien (S 52, 54). Die Feststellungen unter der Überschrift "Taliban" stützen sich iW auf den Bericht Troxler Gulzars (S 2 f., 6 f.).

Die Feststellungen zur Sicherheitslage beruhen va. auf den UNHCR-Richtlinien.

Alle zitierten Unterlagen, auf denen diese Feststellungen beruhen, stammen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen, sodass keine Bedenken dagegen bestehen, sich darauf zu stützen.

2.2. Die Beschwerde verweist zunächst auf das Vorbringen des Beschwerdeführers bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt. Sie räumt ein, dass es noch keine konkreten Vorfälle gegeben habe, durch die der Beschwerdeführer tatsächlich körperlich geschädigt worden wäre, dies sei aber auch nicht erforderlich, um eine Verfolgungsgefahr geltend zu machen. Die Verfolgungsgefahr beziehe sich nicht nur auf vergangene Ereignisse, sondern verlange eine Prognose. Jedenfalls seien die berichteten Handlungen vom Ausmaß und von der Art her als asylrelevant einzustufen. Das Bundesverwaltungsgericht teilt diese Ansicht nicht: Nach seinen Angaben hat sich der Beschwerdeführer sechs Jahre in Pakistan und in Afghanistan aufgehalten, ohne dass es zu Angriffen gekommen wäre. Da sich seine Frau, um die sich der Streit drehte, bereits jahrelang nicht mehr in Pakistan oder in Afghanistan aufhielt, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer zu irgendeiner Zeit ernsthaft bedroht gewesen wäre. Überdies hat er selbst seine Bedrohung in Afghanistan - und nur auf diese kommt es im vorliegenden Verfahren an - wenig ernst genommen, wie seine Äußerungen bei der Einvernahme vom 03.05.2012 zeigen (er habe in Kabul keine große Angst gehabt, da er sich dort ausgekannt habe; auf diese Antwort verwies er nochmals). Der Beschwerdeführer hat in der Einvernahme und schon bei der Befragung am 22.03.2012 vielmehr durchblicken lassen, dass er hauptsächlich wegen seiner Frau und seines Kindes nach Österreich gekommen ist (er wolle mit ihnen zusammenleben, das sei in Afghanistan nicht möglich; er sei in Österreich, weil er bei ihnen leben wolle, "außerdem" sei er vom Onkel seiner Frau in Pakistan bedroht worden; der "Hauptgrund" sei, dass er mit seiner Tochter und seiner Ehefrau in Österreich leben wolle; er habe ihren Onkel in Kabul nicht so ernst genommen, seine Frau könnte aber nicht mehr in Kabul leben, deshalb sei er nach Österreich gekommen).

2.3.1. In seiner Stellungnahme vom 22.09.2014 führt der Beschwerdeführer aus, seine Flucht sei durch die wiederholte Bedrohung durch den Onkel mütterlicherseits seiner Frau ausgelöst worden. Der Onkel habe sich durch die Familie der Frau verraten gefühlt, da sie zunächst seinem Sohn versprochen gewesen sei. Es erscheine auch objektiv nachvollziehbar, dass er den Hauptbetroffenen, dh. den Ehemann (also den Beschwerdeführer), zur Verantwortung ziehe. Die Stellungnahme verweist auf Äußerungen des Flüchtlingshochkommissärs der Vereinten Nationen zur Blutrache und fährt fort, die afghanische Gesellschaft sei maßgeblich von traditionellen Praktiken und Vorstellungen geprägt, insbesondere im Zusammenhang mit Frauen. Bei einem Verstoß dagegen sei der Betroffene bedroht, Opfer von Gewalt zu werden. Das Ereignis, das die Blutfehde ausgelöst habe, habe nicht der Beschwerdeführer gesetzt, sondern sein Schwiegervater, der dem Beschwerdeführer seine Tochter zur Ehefrau gegeben habe, obwohl er mit ihrem Onkel eine Zwangsheirat vereinbart habe. Dem Beschwerdeführer drohe daher asylrelevante Verfolgung "aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie in Verbindung mit Blutrache".

Dazu ist auf das oben zur Beschwerde Gesagte zu verweisen.

Die Stellungnahme führt weiters aus, der Beschwerdeführer sei zudem bedroht, Opfer von Verfolgung auf Grund seiner Tätigkeit als XXXX und XXXX zu werden. Der Flüchtlingshochkommissär sei der Ansicht, dass für XXXX ein erhöhtes Verfolgungsrisiko bestehen könne. Das Bundesasylamt hätte somit grundsätzlich prüfen müssen, ob im konkreten Einzelfall Leib und Leben des Beschwerdeführers in Gefahr seien. Dies habe es verabsäumt und das Verfahren daher mit Mangelhaftigkeit belastet. Hätte es dies getan, so hätte der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er wiederholt wegen seiner öffentlichen Auftritte bedroht worden sei, die gegen die strengen Vorstellungen radikaler Gruppen verstießen. Die Stellungnahme verweist auf die Ermordung verschiedener XXXX, so erst kürzlich XXXX. Die meisten dieser gefährlichen Drohungen seien durch SMS gemacht worden, zu persönlichen Übergriffen sei es zweimal gekommen. Grund für die Übergriffe sei eine XXXX gewesen, die der Beschwerdeführer am Tag von XXXX Tode "abgehalten" habe. An diesem - wie es in der Stellungnahme heißt - für die Taliban sehr wichtigen Trauertrag sei es untersagt, Musik auszustrahlen, weiters dürften keine Handlungen gesetzt werden, die in jeglicher Form diesen Trauertag "beschmutzen". Zum Nachweis der Bedeutung dieses Trauertags und der Folgen einer Missachtung werde auf einen Beitrag verwiesen, in dem die Praktiken der Taliban gezeigt würden und in dem eine Familie ihren Sohn betrauere, der an eben diesem Tag auf der Straße erschossen worden sei. (Beigelegt ist ein Ausdruck eines Artikels aus dem Internet

[http://www.tolonews.com/en/afghanistan/16320-celebratory-gunfire-on-massoud-day-kills-one-injures-five ] "Celebratory Gunfire on Massoud Day Kills One, Injures Five", in dem geschildert wird, wie am "Massoud Day", dem Nationalfeiertag zu Ehren des Mujaheddin-Führers Ahmad Shah Massoud, durch verirrte Geschoße ein Mensch getötet und fünf verletzt worden seien; von den Taliban - deren Gegner Ahmad Shah Massoud ja war - ist nicht die Rede.) In der XXXX des Beschwerdeführers sei dieses Verbot missachtet worden. Im September 2011 sei er erstmals von jungen Männern überfallen worden, dabei seien ihm zwei Vorderzähne ausgeschlagen worden. Während der Attacke sei er damit konfrontiert worden, dass er den Trauertag nicht eingehalten habe. Nur das Eingreifen des privaten Sicherheitsdienstes des XXXXs habe den Beschwerdeführer vor weiteren Schäden bewahren können. Kurz vor seiner Flucht habe der Beschwerdeführer ein Fitness-Studio verlassen und sei dabei von zwei jungen Männern mit dem Messer bedroht worden. Sein Freund und Fitness-Trainer XXXX habe ihn zu verteidigen versucht, sei niedergestochen worden und im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen. Die Ereignisse dieses Tages seien sehr belastend gewesen, da der Beschwerdeführer nicht nur mit der Angst vor seinem eigenen Tod konfrontiert worden sei, sondern auch mit Schuldgefühlen wegen des Ablebens seines Freundes. In Kombination mit den Bedrohungen durch den Onkel seiner Ehefrau sei ihm das Leben in Afghanistan wie in Pakistan nicht mehr sicher erschienen und er habe nur noch die Möglichkeit gesehen, die Flucht zu seiner in Österreich lebenden Ehefrau anzutreten. Zu seinen Fluchtgründen sei er "unmittelbar nach seiner Ankunft in Österreich (2 Monate)" einvernommen worden. Da er damals ein rechts- und sprachunkundiger Fremder gewesen sei, sei er auf die Ratschläge von Bekannten und Freunden angewiesen gewesen, die ihm gesagt hätten, es reiche aus, ein Fluchtvorbringen hinsichtlich seiner Ehefrau und der Blutrache zu erstatten. In der Folge (gemeint im bisherigen Beschwerdeverfahren) habe er sich auf seine Integration "fokussiert". Erst auf Grund des Vorhaltschreibens vom 02.09.2014 habe er sich wieder mit allen Aspekten seiner Flucht auseinandergesetzt. Es sei ihm "jedenfalls nicht vorzuhalten, dass er bis dato nicht sämtliche entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht" habe.

Er sei in den XXXX und XXXX, durch die er landesweit bekannt geworden sei, sehr westlich und liberal aufgetreten, so habe er sich in XXXX mit einer geschminkten und westlich gekleideten Frau gezeigt. Durch sein Auftreten habe er stets gezeigt, dass er sich gegen die traditionelle Einstellung der Taliban richte, folglich liege auch aus diesem Grund ein Risikoprofil vor (Hinweis auf die Richtlinien des Flüchtlingshochkommissärs). Durch seine öffentlichkeitswirksamen Auftritte zeige er klar seine Einstellung und wäre folglich "pro futuro" ein klares Ziel für Angriffe. In weiterer Folge beschäftigt sich die Stellungnahme mit der Sicherheitslage in Afghanistan und mit der Integration des Beschwerdeführers in Österreich.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 02.10.2014 führt der Beschwerdeführer aus, zum Beweis für den in der Stellungnahme vom 22.09.2014 vorgebrachten zweiten Übergriff bringe er jenen Medienbericht ein, der am Tag des Angriffes vom XXXX ausgestrahlt worden sei (beigelegt ist eine Videoaufzeichnung auf CD und ein Hinweis darauf, wie sie zu öffnen sei). Darin berichte der XXXX in persischer Sprache darüber, dass ein XXXX, nämlich der XXXX, an jenem Tag in Kabul beim Verlassen des Fitness-Studios von zwei unbekannten bewaffneten Männern angegriffen worden sei, die ihn hätten töten wollen, nachdem ihn die Taliban zuvor mehrfach telefonisch wegen des Abspielens XXXX bedroht hätten. Weiters berichte der Nachrichtensprecher, dass der Fitness-Trainer des Beschwerdeführers bei dem Angriff schwer verletzt worden sei. Dass er später im Spital seinen Verletzungen erlegen sei, sei bei Ausstrahlung der Sendung noch nicht bekannt gewesen. Der Beschwerdeführer habe diesen Beweis nicht fristgerecht mit der Stellungnahme einbringen können, da er noch auf die Übermittlung des Beitrages gewartet habe. Er kenne den Übermittler, der in Afghanistan im Archiv einer Medienagentur arbeite, nicht persönlich, sondern der Kontakt sei im September 2014 über einen afghanischen Freund hergestellt worden.

Es heißt weiters in der ergänzenden Stellungnahme, in der Stellungnahme vom 22.09.2014 sei es zu einem Missverständnis gekommen, wenn zu lesen sei, dass am genannten Trauertag die Taliban die Ausstrahlung von Musik untersagt hätten. Dies sei "missverständlich formuliert, denn jener Trauertag hat nicht für die Taliban solch hohen Stellenwert, sondern für einen großen Teil der afghanischen Bevölkerung und die Taliban untersagen das Abspielen von Musik per se, nicht nur an speziellen Tagen".

In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 15.01.2015 bringt der Beschwerdeführer vor, er sei am XXXX in einer namentlich genannten Sendung eines XXXX zu Gast gewesen und habe im Gespräch mit der Moderatorin erzählt, dass dieses Fernsehformat jenem ähnlich sei, das er selbst in Afghanistan moderiert habe, weiters auch über die Anfeindungen, die er in Afghanistan wegen seiner offensichtlich westlichen Ausrichtung habe erdulden müssen und die seinen Freund und Fitness-Trainer das Leben gekostet hätten. Der Beitrag zeige auch die Integration des Beschwerdeführers in Österreich; er sei unter einer näher bezeichneten Internet-Adresse abrufbar. Am XXXX sei in einer namentlich genannten Tageszeitung ein Artikel über diesen XXXX des Beschwerdeführers erschienen, welcher der Stellungnahme beigelegt werde.

2.3.2.1. § 20 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (Art. 2 Fremdenbehördenneustrukturierungs-gesetz BGBl. I 87/2012 [in der Folge: FNG]) idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz BGBl. I 68/2013 und des BG BGBl. I 144/2013 (in der Folge: BFA-VG) lautet:

"In einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesamtes dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur vorgebracht werden,

1. wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung des Bundesamtes maßgeblich geändert hat;

2. wenn das Verfahren vor dem Bundesamt mangelhaft war;

3. wenn diese dem Fremden bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes nicht zugänglich waren oder

4. wenn der Fremde nicht in der Lage war, diese vorzubringen."

§ 20 Abs. 1 BFA-VG stellt somit ein Neuerungsverbot auf, wie es weitgehend wortgleich (und in der Sache gleich) bereits im Asylgesetz 1997 BGBl. I 76 (in der Folge: AsylG 1997) idF der Asylgesetznovelle 2003 BGBl. I 101 (in der Folge: AsylGNov. 2003) und der K BGBl. I 129/2004 (§ 32 Abs. 1) und - bis zum 31.12.2013 - im AsylG 2005 (§ 40 in der Stammfassung und in der Fassung des Art. 2 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008) enthalten war. Da das neue Vorbringen des Beschwerdeführers erst 2014 erstattet worden ist, ist die Zulässigkeit der Neuerung formell gesehen an § 20 Abs. 1 BFA-VG und nicht an seiner Vorgängerbestimmung zu messen (VwGH 24.9.2014, Ra 2014/19/0084).

Dem Wortlaut nach bezieht sich § 20 Abs. 1 BFA-VG - ebenso wie seine Vorgängerbestimmungen - nur auf Neuerungen, die in der Rechtsmittelschrift vorgebracht werden, nicht aber auf solche, die sodann ins Rechtsmittelverfahren eingeführt werden. Das Bundesverwaltungsgericht geht jedoch davon aus, dass das Neuerungsverbot auch Neuerungen im Rahmen des weiteren Verfahrens erfassen soll, wäre es doch ansonsten leicht umgehbar und daher sinnentleert; von diesem Verständnis geht offenkundig auch die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts aus (VfSlg. 17.340/2004; VwGH 17.10.2006, 2005/20/0012; 28.08.2009, 2006/19/0425). Das Bundesverwaltungsgericht geht weiters davon aus, dass die Erwähnung des Bundesamtes in § 20 Abs. 1 BFA-VG einer Auslegung nicht entgegensteht, die Neuerungen im Beschwerdeverfahren auch dann erfasst, wenn die angefochtene Entscheidung noch vom Bundesasylamt stammt. Denn zum einen gibt die Rechtsordnung zu erkennen, dass zwischen diesen beiden Behörden eine gewisse Kontinuität herrschen soll (§ 75 Abs. 17 AsylG 2005, § 9 BFA-Einrichtungsgesetz [Art. 1 FNG], § 42f Bundes-Personalvertretungsgesetz), zum anderen ist kein Grund ersichtlich, warum zwar bis zum 31.12.2013 Neuerungen (in Verfahren gegen Bescheide des Bundesasylamtes) unzulässig gewesen sein sollen und ebenso ab 01.01.2014 Neuerungen in Verfahren gegen Bescheide des Bundesamtes, dass aber seit diesem Zeitpunkt Neuerungen in Verfahren gegen Bescheide des Bundesasylamtes zulässig werden sollen.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinem Erk. VfSlg. 13.838/1994 ausgesprochen, dass es verfassungskonform ist, das Ermittlungsverfahren - wie damals vorgesehen - beim Bundesasylamt als Behörde erster Instanz zu konzentrieren. Vom AVG abweichende Bestimmungen, die sicherstellten, dass der Asylwerber am Verfahren mitwirke, sachdienliches Vorbringen - nach Belehrung durch die Behörde - zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erstatte und nicht durch späteres Vorbringen das Verfahren verzögern könne, stünden im Zusammenhang mit der Begünstigung der vorläufigen Berechtigung zum Aufenthalt, seien zur Sicherstellung der Mitwirkung der Antragsteller am Verfahren unerlässlich und verstießen nicht gegen Art. 11 Abs. 2 B-VG oder gegen das Rechtsstaatsprinzip. Solche Vorschriften entsprächen der Besonderheit des Asylverfahrens. Mit seinem Erk VfSlg. 17.340/2004 hob der Verfassungsgerichtshof eine Wortfolge in § 32 Abs. 1 Z 4 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 auf und sprach aus, dass der verbleibende Teil des § 32 Abs. 1 AsylG 1997 (dem nunmehr § 20 Abs. 1 BFA-VG entspricht) verfassungskonform sei; dem Anliegen des Gesetzgebers, Missbräuchen vorzubeugen, sei auch dadurch Rechnung getragen, dass Ausnahmen vom Neuerungsverbot auf die in § 32 Abs. 1 Z 1 bis 3 AsylG 1997 genannten und auf jene Fälle beschränkt würden, in denen der Asylwerber aus Gründen, die nicht als mangelnde Mitwirkung am Verfahren zu werten seien, nicht in der Lage gewesen sei, Tatsachen und Beweismittel bereits in erster Instanz vorzubringen (damit wird auf den verbliebenen Teil des § 32 Abs. 1 Z 4 AsylG 1997 abgezielt). Somit bleibe vom Neuerungsverbot ein Vorbringen erfasst, mit dem ein Asylwerber das Verfahren missbräuchlich zu verlängern versuche. Beschränkungen, die bloß dazu führten, die Parteien zu einer Mitwirkung an der raschen Sachverhaltsermittlung zu verhalten, stünden im Allgemeinen der Effektivität des Rechtsschutzes nicht entgegen. Es liege schließlich in der Hand der Parteien selbst, effektiv am Verfahren mitzuwirken und ihr Vorbringen ehestens umfangreich und rechtzeitig zu erstatten, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Voraussetzung sei aber die Gewähr, dass die Partei im Verfahren tatsächlich eine solche Möglichkeit effektiv wahrnehmen könne. Zu § 40 Abs. 1 AsylG 2005 sprach der Verfassungsgerichtshof in seinem Erk. VfSlg. 19.790/2013 aus, dass das darin verankerte Neuerungsverbot nicht dem Recht auf Zugang zu Gericht gemäß Art. 47 GRC widerspreche.

Von dem durch das Erk. VfSlg. 17.340/2004 geprägten Verständnis des § 32 Abs. 1 AsylG 1997 ging - "im Sinne verfassungskonformer Interpretation" (VwGH 27.9.2005, 2005/01/0313, ähnlich VwGH 30.08.2007, 2006/19/0554) - auch der Verwaltungsgerichtshof aus (VwGH 27.9.2005, 2005/01/0313; 17.10.2006, 2005/20/0012; 27.02.2007, 2006/01/0919; 26.03.2007, 2007/01/0074; 17.4.2007, 2006/19/0675; 30.08.2007, 2006/19/0554; 10.12.2008, 2008/23/0280). Keinen "Missbrauch" in diesem Sinn sah der Verwaltungsgerichtshof zB darin, dass ein Asylwerber erst in der Berufung Berichte über den für das Verfahren zuständigen Staat vorlegte, da ihm die Verhältnisse in diesem Staat nicht bekannt sein müssten (und zwar auch nicht bei der - relativ bald auf die Ersteinvernahme folgenden - Zweiteinvernahme; VwGH 27.9.2005, 2005/01/0313), ebenso unter bestimmten Voraussetzungen bei neuem Vorbringen zu einer - nach damaliger Rechtslage für die Zulassung des Verfahrens relevanten - Traumatisierung oder Folter (VwGH 17.04.2007, 2006/19/0163; 17.4.2007, 2006/19/0675; 30.08.2007, 2006/19/0554; 10.12.2008, 2008/23/0280; 21.01.2009, 2008/23/0256)

2.3.2.2. Der Beschwerdeführer bringt neu vor, er sei auf Grund seiner Tätigkeit als XXXX in Kabul gleichsam generell asylrelevant bedroht; es wäre Aufgabe des Bundesasylamtes gewesen, näher nachzufragen; er bringt auch vor, was er in diesem Fall gesagt hätte. Tatsächlich ist der Beschwerdeführer gefragt worden, ob er weitere Fluchtgründe habe, und hat dies verneint, obwohl er auf seine Tätigkeit als XXXX angesprochen worden war; er hatte angegeben, dass seine Tätigkeit im Internet überprüft werden könne. Er hat aber selbst die behauptete Bedrohung durch die Verwandten seiner Frau eher heruntergespielt und erklärt, er sei hauptsächlich deshalb nach Österreich gekommen, um mit seiner Frau und seinem Kind zusammenleben zu können.

Es ist nicht Aufgabe der Asylbehörden, Fluchtgründe zu erfragen, die nicht vorgebracht werden. Denn nach § 18 Abs. 1 AsylG 2005 (in der Fassung, die zum Zeitpunkt der Einvernahmen galt) haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof (heute: das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht) zwar in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, die zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Zur Vorgängerbestimmung, nämlich § 28 AsylG 1997, hat der Verwaltungsgerichtshof aber festgehalten, dass sich daraus keine Verpflichtung der Behörde ableiten lässt, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (VwGH 21.9.2000, 2000/20/0226; 7.6.2001, 99/20/0434, jeweils mwN). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist die Grenze zwischen der Verpflichtung der Behörde, die Wahrheit amtswegig zu erforschen, und der Behauptungslast des Asylwerbers daher hier so gezogen, dass es dem Beschwerdeführer oblegen wäre, auf eine konkrete Gefährdung als XXXX selbst hinzuweisen. Das Bundesasylamt war nicht verpflichtet, auf Grund der - wie der Beschwerdeführer offenbar meint: notorischen - Gefährdungslage von XXXX auf eine Einzelfallprüfung zu verzichten und diese Gefährdung im konkreten Fall ohne weiteres anzunehmen. Vielmehr durfte es erwarten, dass der Beschwerdeführer auf eine entsprechende Frage, die ihm auch - entgegen dem Vorbringen in der Stellungnahme - gestellt wurde, entsprechend antworten würde. Das Bundesverwaltungsgericht kann daher nicht finden, dass das Verfahren vor dem Bundesasylamt insoweit mangelhaft (iSd § 20 Abs. 1 Z 2 BFA-VG) gewesen wäre.

Dies gilt auch für die nunmehr konkret behaupteten beiden Vorfälle. Dass es sich hierbei um Neuerungen handelt, liegt auf der Hand. Es ist auch nicht erkennbar, dass sie unter eine der vier Ausnahmen fallen würden, die § 20 Abs. 1 BFA-VG aufzählt. Daran kann es nichts ändern, dass der Beschwerdeführer nunmehr in der Stellungnahme ausführt, er sei damals auf den Rat von Bekannten und Freunden angewiesen gewesen, die ihm gesagt hätten, es reiche aus, die Probleme anzugeben, die ihm im Zusammenhang mit seiner Eheschließung entstanden seien. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass es Sache des Beschwerdeführers ist, vor dem Bundesasylamt ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten; es wurden ihm, wie erwähnt, auch die entsprechenden Fragen gestellt ("Nennen Sie bitte all Ihre Fluchtgründe!" - "Haben Sie nun all Ihre Fluchtgründe genannt?" - "Hatten Sie noch weitere Probleme in Ihrem Heimatland?"). Abgesehen davon hätte sich der Beschwerdeführer bereits damals an einen Rechtsberater wenden können, wie sie gemäß § 65 Abs. 1 AsylG 2005 idF des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 BGBl. I 38 in den Außenstellen des Bundesasylamtes eingerichtet werden konnten und nach der Kenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes auch eingerichtet waren (nunmehr § 50 Abs. 1 BFA-VG). Vor allem aber ist es für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar, weshalb dem Beschwerdeführer, einem akademisch gebildeten XXXX, nicht klar sein sollte, dass der von ihm nunmehr geschilderte Vorfall, bei dem ein Freund seinetwegen vor seinen Augen niedergestochen und tödlich verletzt worden sein soll, für sein Asylverfahren mehr Bedeutung haben musste als die von ihm selbst eher heruntergespielten und bloß verbalen Bedrohungen durch den Onkel seiner Frau. Dabei darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beschwerdeführer auch in der Folge mehrfach aus Eigenem ein ergänzendes Vorbringen erstattet, sich dabei jedoch immer nur auf seine Situation in Österreich bezogen hat (die primär für die Entscheidung über die Beschwerde gegen Spruchpunkt III relevant wäre). Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Begründung dafür, dass er das Vorbringen nicht bereits vor dem Bundesasylamt erstattet hatte, dass er nämlich auf den Rat von Freunden angewiesen gewesen sei, ist , wie erwähnt, nicht stichhaltig. Noch weniger ist einsichtig, warum sie das weitere Verschweigen bis (einschließlich) seiner Äußerung vom 30.06.2014 (der siebten derartigen Äußerung) sollte begründen können.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die in der Stellungnahme vorgebrachten Neuerungen gegen das Neuerungsverbot des § 20 Abs. 1 BFA-VG im Lichte der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes verstoßen. Weder hat sich der Sachverhalt im Nachhinein geändert noch war das Verfahren vor dem Bundesasylamt mangelhaft noch waren dem Beschwerdeführer die neu vorgebrachten Tatsachen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesasylamtes nicht zugänglich noch kann gesagt werden, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, sie vorzubringen. Da dem Beschwerdeführer seine nunmehr neu vorgebrachten Fluchtgründe immer bekannt waren, ihm offensichtlich klar sein musste, welche Relevanz sie hatten, und er sie auch bei seiner Einvernahme vom 03.05.2012, somit etwa anderthalb Monate nach seiner Einreise (am 22.03.2012) nicht vorbrachte, geht das Bundesverwaltungsgericht von einer "Missbrauchsabsicht" im Sinne der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts aus. (Einer Auseinandersetzung mit dieser Absicht bedarf es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes [VwGH 27.2.2007, 2006/01/0919; 26.3.2007, 2007/01/0074; 30.8.2007, 2006/19/0554; 10.12.2008, 2008/23/0280], daher ist eine entsprechende Einschätzung durch das Bundesverwaltungsgericht notwendig.)

Dieses Vorbringen ist daher unbeachtlich und wird der rechtlichen Beurteilung nicht zugrunde gelegt.

Dem Bundesverwaltungsgericht ist bewusst, dass dieses Ergebnis zu Härten führen kann, insbesondere wenn das Vorbringen zutreffen sollte und, würde es berücksichtigt, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen könnte. Ob das Vorbringen zutrifft, ist aber nicht zu beurteilen, weil dies gerade der Sinn des Neuerungsverbotes ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch das Gesetz anzuwenden (Art. 18 Abs. 1 B-VG), das - bzw. dessen Vorgängerbestimmung - vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform befunden worden ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 idF des FNG-Anpassungsgesetzes sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idF des FNG-Anpassungsgesetzes zu Ende zu führen.

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 idF ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

3.1.2. Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen. Da es am 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängig war, ist es vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.

3.2. Gemäß § 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Art. 1 BG BGBl. I 33/2013 (in der Folge: VwGVG), idF BG BGBl. I 122/2013 ist das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits kundgemacht waren, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG - wie die vorliegende - das AVG mit Ausnahme seiner §§ 1 bis 5 und seines IV. Teiles, die Bestimmungen weiterer, hier nicht relevanter Verfahrensgesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, welche die Verwaltungsbehörde in jenem Verfahren angewandt hat oder anzuwenden gehabt hätte, das dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangen ist. Dementsprechend sind im Verfahren über die vorliegende Beschwerde Vorschriften des AsylG 2005 und des BFA-VG anzuwenden. (So enthalten zB § 16 Abs. 1 zweiter Satz und § 21 Abs. 7 BFA-VG ausdrücklich Sonderbestimmungen gegenüber dem VwGVG.)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - und somit auch das Bundesverwaltungsgericht - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Verwaltungsbehörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde "unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens" widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Verwaltungsbehörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine andere als die Zuständigkeit des Einzelrichters ist für die vorliegende Rechtssache nicht vorgesehen, daher ist der Einzelrichter zuständig.

Zu A)

1.1. Das Bundesverwaltungsgericht schickt voraus, dass der Beschwerdeführer Familienangehöriger (iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005) seiner Ehefrau und seiner beiden minderjährigen Töchter ist. Der Ehefrau und den beiden Kindern ist Asyl auf Grund des § 34 Abs. 2 AsylG 2005 gewährt worden, dh. nicht auf Grund ihrer eigenen Verfolgung, sondern weil im einen Fall dem Vater, im anderen der Mutter des jeweils Betroffenen Asyl gewährt worden ist. (Das Bundesverwaltungsgericht hat Einsicht in den Akt genommen, der die Ehefrau des Beschwerdeführers betrifft, daraus ergibt sich, dass ihr Asyl gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 gewährt worden war, dies, weil ihr Vater asylberechtigt ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat weiters Einsicht in den Akt genommen, der Sabah Tareq Safi betrifft, die ältere Tochter des Beschwerdeführers, daraus ergibt sich, dass auch ihr Asyl gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 gewährt worden war, dies, weil ihre Mutter asylberechtigt ist. Den Bescheid, mit dem seiner jüngeren Tochter Asyl gewährt wurde, hat der Beschwerdeführer am 02.09.2013 selbst vorgelegt [so.].) Gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 sind die Bestimmungen des 4. Abschnitts des 4. Hauptstücks des AsylG 2005 ("Sonderbestimmungen für das Familienverfahren") - das ja auch § 34 AsylG 2005 enthält - nicht anzuwenden "auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind". Der "Familienangehörige" iS dieser Bestimmung ist offenbar nicht der Asylberechtigte, sondern der Asylwerber, hier also der Beschwerdeführer. Da seiner Frau und seinen Kindern Asyl auf Grund des § 34 AsylG 2005 und somit "im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt" (iSd § 34 Abs. 6 AsylG 2005) gewährt worden ist, kommt eine Asylgewährung an den Beschwerdeführer auf Grund dieses Familienverhältnisses nicht in Frage.

§ 34 Abs. 6 AsylG 2005 war zwar in der Stammfassung des AsylG 2005 nicht enthalten, sondern wurde mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 BGBl. I 122 eingeführt. Gemäß § 73 Abs. 7 und 8 AsylG 2005 ist er am 1.1.2010 in Kraft getreten und gemäß § 75 Abs. 9 AsylG 2005 auf Verfahren, die vor dem 1.1.2010 anhängig waren, nicht anzuwenden. Da aber der Beschwerdeführer seinen Antrag erst 2012 eingebracht hat, ist § 34 Abs. 6 AsylG 2005 im vorliegenden Beschwerdefall jedenfalls anzuwenden und schließt daher die Asylgewährung auf Grund des § 34 AsylG 2005 aus.

Unter diesen Umständen braucht nicht darauf die Frage eingegangen zu werden, ob dem Beschwerdeführer Asyl im Rahmen eines Familienverfahrens gewährt werden könnte, wenn seiner Ehefrau Asyl auf Grund eigener Verfolgung gewährt worden wäre, zumal da er nach seinen eigenen Angaben seine Ehe nicht in seinem (und ihrem) Herkunftsstaat Afghanistan, sondern in Pakistan geschlossen hat; die Ehe hat somit nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden, den seine Frau nach der Eheschließung auch nicht mehr betreten hat. § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 definiert als "Familienangehörigen" nämlich ua.:

"wer [...] Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status [...] des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat" (zu dieser Frage AsylGH 22.11.2012, C5 426.645-1/2012/3E). Wie es möglich war, dass der Ehefrau 2007 Asyl gewährt wurde, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt, und zwar schon vor der Einreise, bereits mit dem Beschwerdeführer verheiratet und somit nicht "zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind" ihres Vaters - von dem ihr Asyl abgeleitet ist - war, braucht hier nicht untersucht zu werden. Der Umstand muss dem Bundesasylamt bekannt gewesen sein, da sie ihn bei ihrer Befragung am 23.05.2007 angegeben hatte (dies hat die Einsicht in den Akt betreffend ihr Asylverfahren ergeben); möglicherweise ging das Bundesasylamt davon aus, dass die Ehe nicht gültig sei, zumal da die Frau des Beschwerdeführers bei der Befragung erst dreizehn Jahre alt war.

Asyl kann dem Beschwerdeführer nach Lage der Sache daher nur auf Grund eigener Verfolgung gewährt werden.

1.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2004 Nr. L 304/12 [Statusrichtlinie] verweist). Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.3.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren." (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.6.2010, U 613/10)

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031; 6.11.2009, 2008/19/0012; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 28.5.2009, 2008/19/1031; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.2.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).

1.3. Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe, nämlich die Verfolgung durch die Verwandten seiner Frau, nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe. Wie oben dargelegt, erreicht die Bedrohung, die der Beschwerdeführer geschildert hat, nicht die Intensität, die notwendig wäre, um von Verfolgung iSd GFK sprechen zu können - es ist schon darauf hingewiesen worden, dass der Beschwerdeführer die Bedrohung selbst heruntergespielt bzw. nicht ernstgenommen hat, die ja nur verbaler Art war, und die Fortsetzung oder Begründung eines Familienlebens in den Vordergrund gestellt hat -, mag er dies auch in seiner Beschwerde anders beurteilen. In welchem Zusammenhang die in der Beschwerde ins Spiel gebrachte Blutrache mit seinen Befürchtungen stehen soll, hat der Beschwerdeführer im Übrigen nicht dargetan, wenngleich nicht zweifelhaft ist, dass die drohende Verfolgung wegen Blutrache - wenn auch nicht in allen Konstellationen - einen Verfolgungsgrund iSd GFK erfüllen kann (vgl. zB VwGH 22.8.2006, 2006/01/0251; das in der Beschwerde zitierte Erk. VwGH 1.8.2000, 96/21/0453, ergibt zur Frage der Asylrelevanz einer Blutrache jedoch nichts). Voraussetzung dafür ist aber, dass überhaupt von (drohender) Verfolgung gesprochen werden kann; dafür mangelt es aber hier - wie ausgeführt - an der Intensität. Daher kann dahingestellt bleiben, ob ein Zusammenhang zwischen den verbalen Bedrohungen durch die Familie der Frau des Beschwerdeführers und dem Konzept der Blutrache besteht.

Auf das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei wegen seiner Tätigkeit als XXXX bedroht und sei deshalb auch bereits verfolgt worden, war nicht einzugehen, weil es, wie oben ausgeführt, dem Neuerungsverbot unterliegt.

2.1.1. Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3, 3 a und 6 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht, wenn ein Aberkennungsgrund vorliegt oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 3, § 27 Abs. 2, 4 und 5 AsylG 2005, § 33 Abs. 5 Z 3 BFA-VG) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Asylantrag auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

2.1.2. Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Ergebnis nicht von jenen, nach denen dies nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 (entspricht § 8 AsylG 1997 in der Stammfassung) iVm § 57 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 BGBl I 75 (in der Folge: FrG) zu geschehen hatte. (Dagegen gibt es in der Rechtslage nach dem AsylG 2005 keine Entsprechung zu den Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 iVm § 57 Abs. 2 FrG, also dem zweiten Absatz dieser fremdengesetzlichen Bestimmung.) Diese Bestimmung lautete in ihrer Stammfassung:

"Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden."

Durch Art. 1 BG BGBl. I 126/2002 erhielt § 57 Abs. 1 FrG seine zuletzt geltende Fassung, die wie folgt lautete:

"Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde."

Die Novellenfassung unterscheidet sich mithin von der Stammfassung dadurch, dass auf die Annahme stichhaltiger Gründe verzichtet wurde und dass an die Stelle der Formulierung "einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe" die Verweisung auf die entsprechenden Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge: MRK) gesetzt wurde. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Novelle motivieren die Änderung wie folgt (1172 BlgNR 21. GP , 35):

"Die Änderungen in § 57 Abs. 1 tragen dem Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Causa Ahmed versus Österreich Rechnung, dienen der Umsetzung dieses Erkenntnisses und entsprechen den Intentionen des Gerichtshofes. Somit ist klargestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die Betroffenen Gefahr laufen, dort unmenschlicher Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden oder dies sonst eine unmenschliche Behandlung ist."

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass der durch die Novelle geänderte Text des § 57 Abs. 1 FrG das unmittelbar zum Ausdruck bringe, was er schon zur Stammfassung judiziert hatte (VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059; 19.2.2004, 99/20/0573; 28.6.2005, 2005/01/0080), dass sich mithin am Inhalt nichts geändert habe. Das muss auch für die Frage gelten, ob etwa dadurch, dass die Novelle die Bedrohung mit der Todesstrafe im Gesetzestext durch den Hinweis auf das Protokoll Nr. 6 zur MRK über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. 138/1985, ersetzt, zu einer Minderung des Schutzes von Fremden führen sollte, erlaubt doch Art. 2 dieses Protokolls "die Todesstrafe für Taten [...], welche in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden". Zweifellos war eine solche Minderung nicht beabsichtigt (vgl. Putzer, Asylrecht. Leitfaden2 [2011] Rz 210 mwN).

Vergleicht man nun den so verstandenen § 57 Abs. 1 FrG mit § 8 Abs. 1 AsylG 2005, so zeigen sich zwei Unterschiede: Zum einen bezieht sich § 8 Abs. 1 AsylG 2005 auch auf das Protokoll Nr. 13 zur MRK, BGBl. III 22/2005, zum anderen wird im zweiten Teil des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iW Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (dazu EuGH 17.2.2009, Elgafaji, C-465/07) wiederholt. Zum ersten Punkt ergibt sich schon aus dem zuvor Gesagten, dass der Schutz gegenüber § 57 Abs. 1 FrG nicht erweitert worden ist, da auch diese Bestimmung bei drohender Todesstrafe die Abschiebung untersagte (das Protokoll Nr. 13 erlaubt gegenüber dem Protokoll Nr. 6 die Todesstrafe auch nicht mehr ausnahmsweise). Zum zweiten Punkt ist festzuhalten, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schon zu § 57 Abs. 1 FrG davon ausgegangen ist, eine extreme Gefahrenlage, die in einem Staat herrscht und durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, könne der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 26.6.1997, 95/21/0294;

6.11.1998, 97/21/0504; 18.12.1998, 95/21/1028; 18.5.1999, 96/21/0037; 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 30.11.2000, 2000/20/0405;

25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 25.1.2001, 2000/20/0543; 21.6.2001, 99/20/0460;

16.4.2002, 2000/20/0131; 17.9.2008, 2008/23/0588; in diesem Sinne auch VwGH 12.2.1999, 95/21/1097; 12.4.1999, 95/21/1074; 12.4.1999, 95/21/1104; 10.5.2000, 97/18/0251; 5.10.2000, 98/21/0369; 22.3.2002, 98/21/0004; 14.1.2003, 2001/01/0432). Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der solche extreme Gefahrenlagen zumindest als wesentliches Element bei der Prüfung, ob die Rückführung zulässig ist, ansieht (zB EGMR 30.10.1991, Vilvarajah ua. gegen das Vereinigte Königreich, Z 108;

17.12.1996, Ahmed gegen Österreich, Z 44; 26.4.2005, Müslim gegen die Türkei, Z 66; 20.9.2007, Sultani gegen Frankreich, Z 56;

17.7.2008, NA gegen das Vereinigte Königreich, Z 113). Auf dieser Grundlage wird auch im Schrifttum die Ansicht vertreten, die erste Variante des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 decke "immer auch jene Fälle ab [...], die unter die zweite Variante fallen"; die im zweiten Fall angesprochenen Sachverhalte würden vom Verwaltungsgerichtshof unter den Schutzbereich des Art. 3 MRK subsumiert. Im Ergebnis seien Umstände, die unter den zweiten Fall fielen, immer auch vom ersten Tatbestand umfasst (Putzer, Asylrecht. Leitfaden2 [2011] Rz 212 f.). Bei diesem Befund ist auf die Differenzierung, die der Europäische Gerichtshof im Urteil Elgafaji zwischen den Tatbeständen des Art. 15 lit. b (entspricht in seiner Textierung Art. 3 MRK) und Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie vorgenommen hat, nicht weiter einzugehen.

2.1.3. Da somit § 8 Abs. 1 AsylG 2005 inhaltlich dem § 8 AsylG 1997 iVm § 57 Abs. 1 FrG entspricht, kann zu seiner Auslegung insoweit die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden. Die Rechtsprechung zu § 57 FrG knüpft an jene zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz BGBl. 838/1992 an. Für § 57 Abs. 1 FrG idF BG BGBl I 126/2002 kann auf die Rechtsprechung zur Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I 75/1997) zurückgegriffen werden (VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059; 19.2.2004, 99/20/0573), mit der sie sich inhaltlich deckt. Nach der Judikatur zu (§ 8 AsylG 1997 iVm) § 57 FrG ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (vgl. die oben wiedergegebene Rsp. des VwGH; vgl. die Formulierung des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und die oben erörterte Abgrenzung des Schutzumfanges des Art. 3 MRK zu Art. 15 lit. c Statusrichtlinie). Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Landes in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 12.2.1999, 95/21/1097; 12.4.1999, 95/21/1074; 12.4.1999, 95/21/1104; 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 17.9.2008, 2008/23/0588). Selbst wenn infolge der Bürgerkriegsverhältnisse letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 (bzw. § 8 Abs. 1) AsylG 1997 iVm § 57 Abs. 1 FrG die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (VwGH 8.6.2000, 99/20/0203). In "sehr außergewöhnlichen" Fällen kann die Abschiebung eines Kranken gegen Art. 3 MRK verstoßen (vgl. VwGH 23.9.2009, 2007/01/0515, mit Nachweisen aus der Rsp. des EGMR; 10.12.2009, 2008/19/0809;

16.12.2009, 2007/01/0918; 31.3.2010, 2008/01/0312; 26.4.2010, 2007/01/1271; 17.11.2010, 2008/23/0360; vgl. VfSlg. 19.086/2010;

VfGH 12.6.2010, U 613/10).

2.2. Es ist daher zu prüfen, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan Art. 2 oder 3 MRK oder das Protokoll Nr. 6 zur MRK verletzt würde. Solche Anhaltspunkte finden sich in den Feststellungen zur Situation in Afghanistan, insbesondere hat auch der Beschwerdeführer selbst in seinen Stellungnahmen auf Berichte hingewiesen, wonach die Sicherheitslage auch in Kabul prekär ist. - Daher kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan eine Gefahr iSd Art. 3 MRK droht, und eine Rückführung stünde im Widerspruch zu Art. 3 MRK.

2.3. Gemäß § 8 Abs. 4 erster und zweiter Satz AsylG 2005 ist "[e]inem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, [...] vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr [...]."

Da das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer den subsidiären Schutz zuerkennt, liegt die Voraussetzung dafür vor, ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen. Da diese Berechtigung für ein Jahr gilt, ist die Befristung wie im Spruch auszusprechen.

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 75 Abs. 20 Z 1 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht, wenn es ua. in den Fällen des § 75 Abs. 19 AsylG 2005 - wie im vorliegenden Fall - den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes bestätigt, zu entscheiden, ob die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Bei wörtlicher Auslegung dieser Bestimmung hätte das Bundesverwaltungsgericht daher hier, da es den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes im Asylpunkt "bestätigt", eine solche Entscheidung zu treffen. Dies wäre systemwidrig, weil nach der Systematik des AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung nur dann mit der Entscheidung über den Asylantrag zu verbinden ist, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt (oder belassen) wird (vgl. nur § 10 Abs. 1 Z 3 bis 5 AsylG 2005, aber auch § 75 Abs. 20 Z 5 und 6 AsylG 2005), dies offenbar deshalb, weil ja mit der Gewährung subsidiären Schutzes eine Aufenthaltsberechtigung verbunden ist (§ 8 Abs. 4 AsylG 2005). (Die parlamentarischen Materialien ergeben dazu nichts; die Erläut. zur RV des FNG-Anpassungsgesetz geben nur den Inhalt des § 75 Abs. 20 AsylG wieder: 2144 BlgNR 24. GP , 18.) Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass es in Fällen wie dem vorliegenden keine derartige Entscheidung zu fällen hat.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG." Zur Auslegung der Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass dafür "folgende Kriterien beachtlich sind: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen." (VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017)

Eine mündliche Verhandlung konnte daher unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und das neue Vorbringen, wie oben ausführlich dargelegt, gegen das in § 20 Abs. 1 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen; zT steht die Tatfrage im Vordergrund. Zur Frage des Neuerungsverbotes besteht die oben dargestellte Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts.

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