VwGH 2000/20/0405

VwGH2000/20/040530.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, in der Beschwerdesache des PC auch PG in Wien, geboren am 10. April 1966, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. August 2000, Zl. 217.883/0-V/13/00, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, nach seinen Angaben ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, betrat am 27. Oktober 1999 unter Umgehung der Grenzkontrolle das Bundesgebiet und stellte am 28. Oktober 1999 einen Asylantrag, den er bei seiner Befragung durch das Bundesasylamt am 1. Februar 2000 damit begründete, dass er wegen des Krieges und dessen Folgen aus seinem Heimatland geflüchtet sei. Alle jungen Männer würden von der RUF rekrutiert, um gegen die Regierung zu kämpfen. Er selbst sei 1997 erstmals von der RUF rekrutiert worden und habe für diese bis zu seiner Flucht aus seinem Heimatland gekämpft. Er habe mit einem Gewehr "mit zwei Beinen" gekämpft, könne aber nicht angeben, wie viel Munition er in das Gewehr habe laden können, weil er das Gewehr nicht geladen habe. Er habe geschossen, und wenn er nicht mehr habe schießen können, sei er davon gelaufen.

Mit Bescheid vom 7. Juni 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Bei dieser Entscheidung hielt das Bundesasylamt die Angaben des Beschwerdeführers, dass er im Heimatland von keinen staatlichen Organen verfolgt worden sei und dieses wegen des Krieges und dessen Folgen verlassen habe bzw. Angst davor gehabt habe, von den Rebellen aufgegriffen zu werden, für glaubhaft. Die im Heimatstaat des Beschwerdeführers herrschenden politischen und sozialen Verhältnisse rechtfertigten für sich allein aber nicht die Gewährung von Asyl. Die Refoulemententscheidung begründete das Bundesasylamt damit, dass für den Beschwerdeführer in seinem Heimatland eine innerstaatliche Fluchtalternative bestanden habe.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er ausführte, dass Sierra Leone auch nach den Friedensabkommen von Lome nicht sicher sei. Würde er nach Sierra Leone zurückkehren müssen, würde er an der Seite der RUF in Kämpfe verwickelt werden.

In der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung deponierte der Beschwerdeführer, er gehöre dem Stamm der Krio an und spreche Englisch sowie ein bisschen Krio. Er sei in Freetown geboren und sei dort 6 Jahre lang zur Schule gegangen. Er habe mit den Mitschülern Englisch und Krio gesprochen, mit den Eltern zu Hause habe er "auch Krio" gesprochen. In der mündlichen Berufungsverhandlung gab die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Gelegenheit, mit einem "afrikanischen Dolmetscher und Experten" eine Unterhaltung in Krio zu führen. Dabei wurde der Eindruck gewonnen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls nicht Krio verstehe, jedoch versuche, aus ihm verständlichen Teilen den Sinn einer Frage herauszufinden. Der Beschwerdeführer erhielt auch Gelegenheit, markante Orte seiner Heimatstadt Freetown auf vorgelegten Fotos wiederzuerkennen, was ihm jedoch in keinem einzigen Fall gelang.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 7 AsylG ab und sprach (neuerlich) aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone gemäß § 8 AsylG zulässig sei.

Die belangte Behörde führte begründend aus, dass den gesamten Aussagen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit zu versagen sei, weil er über notorische Umstände in seiner angeblichen Heimatstadt Freetown keine Auskünfte habe geben können und weil er seiner angeblichen Muttersprache Krio nicht hinreichend mächtig sei. Letztlich sei die belangte Behörde auch durch den persönlichen Eindruck, den der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung hinterlassen habe, von dessen Unglaubwürdigkeit überzeugt. In Ermangelung einer glaubhaften asylrelevant motivierten Verfolgung sei dem Beschwerdeführer Asyl i. S.d. § 7 AsylG zu versagen.

Die Refoulemententscheidung begründete die belangte Behörde damit, dass nicht habe festgestellt werden können, dass grundsätzlich jede Person, welche nach Sierra Leone verschafft werde, überall einer allgemeinen extremen Gefahrenlage ausgesetzt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/1999, (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 FrG zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden (§ 8 AsylG).

Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Gemäß § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 FlKonv).

Die Beschwerde wendet sich gegen die Art und Weise, wie die belangte Behörde bei der Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers vorgegangen ist, sowie dagegen, dass sie die eigentliche Prüfung des Asylantrages unterlassen habe. Die Beschwerde gibt jedoch nicht an, durch welche konkreten zweckdienlichen Ermittlungen die belangte Behörde Anhaltspunkte dafür hätte gewinnen können, dass der Beschwerdeführer, wie von ihm behauptet, tatsächlich aus Sierra Leone stamme. Der Beschwerdeführer meint, Fragen zu seiner "persönlichen Situation, zu seiner Familie und den Ursachen seiner Flucht" wären zur Glaubwürdigkeitsprüfung "wesentlich besser geeignet" gewesen.

Die in der Beschwerde angesprochene Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen unterliegt der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 549 f, referierte hg. Judikatur). Unter diesen Voraussetzungen kann der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie aus den Angaben des Beschwerdeführers, sich mit seinen Mitschülern bzw. mit seinen Eltern in Krio unterhalten zu haben und aus den in der mündlichen Berufungsverhandlung dokumentierten geringen Krio-Kenntnissen des Beschwerdeführers Indizien dafür abgeleitet hat, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nicht aus Sierra Leone stamme. Dies und die weiteren im angefochtenen Bescheid dargelegten Umstände sowie nicht zuletzt der bei der belangten Behörde entstandene persönliche Eindruck vom Beschwerdeführer lassen eine Rechtswidrigkeit der vorgenommenen Beweiswürdigung nicht erkennen. Auch die Argumente der Beschwerde sind nicht geeignet, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufzuzeigen.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerde war die belangte Behörde in Anbetracht der von ihr schlüssig begründeten Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers auch nicht verpflichtet, weitere - in der Beschwerde nicht näher konkretisierte - Erhebungen zu seiner persönlichen Situation, seiner Familie und den Ursachen seiner Flucht vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0586).

Auf der Grundlage der Feststellungen der belangten Behörde erweist sich auch deren rechtliche Beurteilung als zutreffend.

Die Refoulemententscheidung ist nicht zu beanstanden, weil sich infolge der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers keine Hinweise für eine konkrete Gefährdung seiner Person in Sierra Leone im Sinne des § 57 Abs. 1 und 2 FrG ergeben haben und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Sierra Leone eine extreme Gefahrenlage bestanden hätte, durch die praktisch jeder, der in den Staat, in dem diese Gefahrenlage herrscht, abgeschoben wird, auch ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei im Besonderen der konkreten Gefahr einer Verletzung der auch durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 99/20/0465).

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 30. November 2000

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