VwGH 2000/20/0543

VwGH2000/20/054325.1.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des AO, geboren am 1. Februar 1970, alias AA in Wien, geboren am 22. November 1957, vertreten durch Dr. Florian Gehmacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. August 2000, Zl. 215.433/18-V/15/00, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem Inhalt des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer stellte am 3. Jänner 2000 einen Asylantrag und brachte vor, er sei Staatsangehöriger von Nigeria und habe am 30. Dezember 1999 unter Umgehung der Grenzkontrolle das Bundesgebiet betreten. Er sei aus seiner Heimat geflohen, weil er wegen der Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Christen begründete Furcht vor Ermordung durch Angehörige der moslemischen Religion gehabt habe. Er habe in seinem Heimatland keinen ausreichenden Schutz vor Verfolgung finden können. Eine zumutbare inländische Fluchtalternative sei ihm nicht offen gestanden. Von den Behörden in Nigeria könne er keinen Schutz erwarten.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 27. Jänner 2000 den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei. Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid die dagegen erhobene Berufung gemäß § 7 AsylG ab, und stellte erneut fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei.

Auf Grund einer Mitteilung der Bundespolizeidirektion Wien, Büro für Erkennungsdienst, Kriminaltechnik und Fahndung, vom 19. April 2000 stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer nigerianischer Staatsangehöriger sei und identische Fingerabdrücke mit dem nigerianischen Staatsangehörigen A. A., geboren am 22. Jänner 1957, aufweise, dessen Asylverfahren am 14. Juni 1994 rechtskräftig beendet worden sei. Auf Grund der mangelnden Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers seien weder Feststellungen zu dessen Identität noch zu den Gründen, weshalb der Beschwerdeführer sein Heimatland verlassen habe, möglich.

Zur allgemeinen Lage in Nigeria traf die belangte Behörde folgende Feststellungen:

"Die Rechtsprechung kann nunmehr wieder als unabhängig bezeichnet werden. Staatliche Repressalien gegenüber bestimmten Personen oder Personengruppen allein wegen ihrer politischen Überzeugung, Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sind seit der Machtübernahme durch die Zivilregierung nicht mehr zu beobachten. Die durch die Verfassung garantierte Religionsfreiheit wird durch die nigerianischen Behörden respektiert. In Nigeria ist die Religionsfreiheit durch die Verfassung gewährleistet. In dem komplexen Staatsgefüge, in dem der islamisch dominierte Norden einem überwiegend christlich/animistischen Süden gegenübersteht (etwa 50 % der Bevölkerung bekennt sich zum Islam, 40 % zum Christentum, 10 % ist atheistisch oder animistisch), ist die Staatszugehörigkeit noch immer das entscheidendere Identitätsmerkmal. Gezielte Übergriffe föderal-staatlicher Stellen auf Religionsgruppen sind bis auf eine Ausnahme nicht erfolgt: Der Führer einer radikalislamischen Sekte, El Zak Zaky, wurde wegen aufrührerischer Umtriebe Mitte 1997 verhaftet und erst auf Weisung der Regierung Abubakars im Dezember 1998 wieder auf freien Fuß gesetzt.

Ende Februar dieses Jahres kam es im Zusammenhang mit der Sharia-Einführung in Kaduna-State zu sehr gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen, die hunderte von Todesopfern forderten. Darauf beschloss der nigerianische Staatsrat, ein Gremium, in dem neben dem Staatspräsidenten u.a. auch der Gouverneure aller Bundesstaaten vertreten sind, am 29.2.2000, die Sharia-Gesetzgebung, die als verfassungswidrig angesehen wird, in der in einigen Nordstaaten eingeführten Form auszusetzen."

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer das Vorliegen indirekter oder direkter staatlicher Verfolgungshandlungen aus Gründen der Religion nicht habe nachweisen können, weshalb kein Asyl gewährt werden könne. Die Refoulement-Entscheidung begründete die belangte Behörde damit, dass eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Sinne des § 57 Abs. 2 FrG bereits im Rahmen der Prüfung des Asylantrags verneint worden sei. Dem unglaubwürdigen Beschwerdeführer sei es auch nicht gelungen, stichhaltige Gründe für die Annahme nachzuweisen, dass er in Nigeria einer der im § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Gefahren ausgesetzt wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde bekämpft die Beweiswürdigung der belangten Behörde mit dem Argument, die Glaubhaftmachung einer Verfolgungsgefahr sei nicht primär anhand der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers zu messen, weil es in erster Linie auf die Detailliertheit der Schilderung des Sachverhaltes, auf die Schlüssigkeit der Darstellung und auf die Plausibilität des Vorbringens vor dem Hintergrund der Zustände des Heimatstaates ankomme. Eine Beweiswürdigung sei nur dann schlüssig, wenn sie einem Prüfungsschema entspreche, das "logisch vom Konkreten zum Abstrakten fortschreitet und dadurch auch berücksichtigt, dass individuelle bzw partielle Verfolgungsgefahr auch bei relativer Sicherheit im Staatsganzen bestehen kann". Die grundsätzliche Nachrangigkeit der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers ergebe sich auch aus § 7 AsylG, weil es bei Vorliegen von Verfolgung auf die persönliche Lauterkeit des Asylwerbers im Allgemeinen nicht ankomme. Dadurch, dass die belangte Behörde primär auf die allgemeine Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers abgestellt habe, habe sie das Verfahren mit einem wesentlichen Mangel behaftet. Überdies hätte die belangte Behörde die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht auf Grund einer eventuellen falschen Angabe zu einer früheren Antragstellung verneinen dürfen, weil auch "Lügenhaftigkeit in anderen Dingen" den Anspruch auf Asyl nicht zu beeinträchtigen vermöge, wenn Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht werde.

Mit diesen Ausführungen verkennt die Beschwerde einerseits das Wesen der freien Beweiswürdigung, die es der Behörde ermöglicht, aus Ermittlungsergebnissen schlüssige Folgerungen zu ziehen, ohne an irgendwelche Regeln gebunden zu sein (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 8. Juli 1971, Zl. 445/70, und vom 24. März 1994, Zl. 92/16/0031, sowie die weitere in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 45 ff zu § 45 AVG, angeführte Judikatur), andererseits die Reichweite der Befugnis des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Beweiswürdigung, denn diese ist gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um deren Schlüssigkeit - also die Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut - oder darum handelt, ob die gewürdigten Beweise in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 262 ff zu § 45 AVG, und bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, zu § 41, S 549f, wiedergegebene ständige Rechtsprechung, insbesondere das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. Nr. 8619/A).

Vor diesem Hintergrund ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die auch die Widersprüche der Angaben des Beschwerdeführers zu den festgestellten allgemeinen Verhältnissen in Nigeria berücksichtigte, nicht zu beanstanden. Der vom Beschwerdeführer erhobene Einwand, dass die festgestellten allgemeinen politischen Zustände in Nigeria die Gefahr individueller Verfolgung nicht auszuschließen vermögen, kann keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung in dem genannten Sinn aufzeigen. Da der Beschwerdeführer keine Verfolgungsgefahr i.S.d.

§ 7 AsylG glaubhaft machen konnte, hat die belangte Behörde den Asylantrag zu Recht abgewiesen.

Auch der Ausspruch nach § 8 AsylG entspricht dem Gesetz, weil der Beschwerdeführer neben den bereits im Rahmen des Asylantrages behandelten behaupteten Gefährdungen in Nigeria keine weiteren Gründe dafür vorbrachte, dass er in Nigeria im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt zu sein. Dass der Beschwerdeführer in Nigeria einer extremen Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird, auch ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei der konkreten Gefahr einer Verletzung der im Besonderen auch durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, die der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstünde, ist im Verfahren nicht hervorgekommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 99/20/0465).

Bereits der Inhalt der Beschwerde lässt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 25. Jänner 2001

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