VwGH 2006/19/0163

VwGH2006/19/016317.4.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde 1.) des A M, 2.) der G M, 3.) der A M, und 4.) des B M, alle vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Mag. Dr. Bernhard Glawitsch und Mag. Ulrike Neumüller-Keintzel, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 9, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom 2. Jänner 2006, Zlen. 265.645/0- XI/38/05, 265.646/0-XI/38/05, 265.647/0-XI/38/05, 265.648/0- XI/38/05, betreffend §§ 5, 5a Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §24a idF 2000/I/101;
AsylG 1997 §24b Abs1 idF 2000/I/101;
AsylG 1997 §32 Abs1;
AsylG 1997 §32a Abs1;
AsylG 1997 §5;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
AsylG 1997 §24a idF 2000/I/101;
AsylG 1997 §24b Abs1 idF 2000/I/101;
AsylG 1997 §32 Abs1;
AsylG 1997 §32a Abs1;
AsylG 1997 §5;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 991, 20, zusammen somit EUR 3.964, 80, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Mitglieder einer Familie (der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten, die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer ihre gemeinsamen Kinder) und Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit aus Dagestan.

Der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerinnen reisten nach eigenen Angaben im November oder Dezember 2004 in das Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein und stellten am 10. Dezember 2004 in Polen (Gorzow) Asylanträge. Am 28. März 2005 wurde (noch in Polen) der Viertbeschwerdeführer geboren. Ende September 2005 verließen die Beschwerdeführer gemeinsam Polen und gelangten über die Slowakei am 24. September 2005 in das Bundesgebiet, wo sie am Folgetag Asylanträge einbrachten.

Dazu gab der Erstbeschwerdeführer bei seiner ersten Einvernahme vor dem Bezirkspolizeikommando Neusiedl am See an, die Familie hätte sich "aufgrund ständiger Verfolgung und daraus resultierender Angstzustände" entschlossen, den Herkunftsstaat zu verlassen. Vor dem Bundesasylamt ergänzte der Erstbeschwerdeführer seine Fluchtgründe am 30. September 2005 dahingehend, er sei - zu Unrecht - beschuldigt worden, gegen die Russen gekämpft zu haben. "Sie" (gemeint offenbar "die Russen") hätten ihn festnehmen wollen und so sei er geflohen. Die Zweitbeschwerdeführerin gab anlässlich ihrer am selben Tag durchgeführten Einvernahme an, sie (und die Kinder, somit die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer) hätten keine eigenen Fluchtgründe, sie seien aber wegen der Flucht des Erstbeschwerdeführers hier.

Am 11. Oktober 2005 wurde der Erstbeschwerdeführer im Rahmen des Zulassungsverfahrens durch die Ärztin für Psychotherapeutische Medizin Dr. Ilse Hruby untersucht. Über das Ergebnis dieser Untersuchung fertigte die Ärztin einen Bericht an, der - auszugsweise - wie folgt lautet (AW = Asylwerber):

"...

2. Eigenangaben-Anamnese:

Biographische Angaben:

Fluchtmotiv: Der AW gibt an, dass er verfolgt würde. Es wäre ihm 1999 vorgeworfen worden, an Versammlungen mit den Kämpfern teilgenommen zu haben. Darauf hätte er mehrere Ladungen erhalten, wäre aber nicht erschienen. Danach wären sie selbst gekommen und hätten ihn mitgenommen. Erstmals Juli 2003 für 2 Tage, dann hätte jemand Lösegeld bezahlt. Er wäre mit einem umwickelten Stock auf die Nieren und auf den Kopf geschlagen worden. Auch im März 2004 wäre er mitgenommen und geschlagen worden.

Medizinische Vorgeschichte:

Derzeitige subjektive Beschwerden: Der AW klagt über schlechten Schlaf (lediglich einige Stunden) er träume von Leichen (diese hätte er 1998/99 gesehen, er träume jedoch erst seit der ersten Verhaftung davon), die Stimmung wäre schlecht, er hätte Angst, dass er abgeschoben werde. Er sei streitsüchtig geworden. Suizidgedanken werden negiert. AW ist orientiert, kein HW auf Denkstörung oder produktive Symptomatik, Affekt unauff., Antrieb normal, kein Hyperarousal, keine veget. Symptome, keine typ. Intrusionen, die Albträume nicht als traumaspezifisch zu werten, Keine HW auf Dissoziation oder Vermeidung.

Vorliegen von möglichen Folterspuren und Angaben zu ihrer Entstehung: keine

3. Schlussfolgerungen:

Liegt aus aktueller Sicht eine krankheitswerte psychische Störung vor?: Nein ..."

Bei einer anschließenden neuerlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 14. Oktober 2005 bestätigte der Erstbeschwerdeführer über Nachfrage, vor seiner Flucht mehrfach in Haft gewesen zu sein. Man habe von ihm ein Geständnis gewollt, dass er Widerstandskämpfer sei. Jedes Mal habe für seine Freilassung Geld bezahlt werden müssen. Zu den Geschehnissen während der Haft machte der Erstbeschwerdeführer im Übrigen keine näheren Angaben (und wurde dazu - soweit aus dem Protokoll ersichtlich - auch nicht weiter befragt).

Mit Bescheiden jeweils vom 28. Oktober 2005 wies das Bundesasylamt die Asylanträge der Beschwerdeführer - nach Konsultationen mit den zuständigen polnischen Behörden - gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) als unzulässig zurück. Es stellte fest, für die Prüfung der Asylanträge sei "gemäß Artikel 13 iVm

Artikel 16 (1) (c) iVm Artikel 20.1c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 " (im Folgenden: Dublin-Verordnung) Polen zuständig, und wies die Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 iVm § 5a Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen aus.

In der gegen diese Bescheide erhobenen gemeinsamen Berufung rügte der Erstbeschwerdeführer u.a. eine "mangelhafte Abklärung der Traumatisierung" hinsichtlich seiner Person und brachte vor, er sei im Jahr 2003 wegen des Vorwurfes der Unterstützung der tschetschenischen Untergrundkämpfer verhaftet und misshandelt worden. Seither leide er an Albträumen. Im Zulassungsverfahren sei jedoch keinerlei Traumatisierungsabklärung iSd § 24b AsylG erfolgt. "Auf den Aspekt der Verhaftung" sei von der Behörde überhaupt nicht eingegangen worden.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2005 ließ der Erstbeschwerdeführer durch "SOS-Menschenrechte" einen (bereits im Berufungsschriftsatz angekündigten) Arztbrief eines namentlich genannten Facharztes für Psychiatrie vorlegen, in dem es u.a. hieß:

"1.12.2005

Anamnese: Patient kommt als Asylwerber, seine Heimat ist die russische Teilrepublik Dagestan. Im Laufe des Krieges im Kaukasus wurde er 2003, 2004 insgesamt 4 x festgenommen und gefoltert.

Seit September 2005 ist Herr M. in St. Georgen als Asylwerber zu Hause. Er weiß, daß er hier in Sicherheit ist, trotzdem verspürt er eine ständige Angst. In der Nacht wacht er oft schweißgebadet auf, sieht immer wieder die Räumlichkeiten, in denen er gefoltert wurde und die Personen, die ihn gefoltert haben. Tagsüber kann er sich nicht normal benehmen. Am schlimmsten ist es, wenn er allein bleibt, dann kommen alle grausamen Bilder wieder in seinen Kopf, er hat das Gefühl, daß sein Kopf platzen wird. Er möchte gerne unter Leute, kann sich aber nicht mehr so benehmen wie früher, ist innerlich stark angespannt, reizbar, schon nach 5 Minuten Unterhaltung explodiert er. Seine Familie leidet auch sehr unter seiner Reizbarkeit und depressiven Verstimmung.

...

Status psychicus: Wach, orientiert, psychomotorisch stark gehemmt, innerlich angespannt, nonverbale Sprache reduziert, Stimmungslage depressiv, affektive Reaktionen dysphorisch gefärbt, Ductus kohärent, inhaltlich flash-backs angegeben.

Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung. ..."

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer "gemäß §§ 5 Abs. 1 und 5a AsylG" ab. Sie ging zunächst - von der Beschwerde unbestritten - davon aus, dass für die Prüfung der Asylanträge nach den Kriterien der Dublin-Verordnung Polen zuständig wäre. Auch komme eine Zulassung der Verfahren in Österreich (gemeint unter Wahrnehmung des Selbsteintrittsrechtes gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung) "auf Grundlage von § 24b Abs. 1 AsylG nicht in Betracht." Diese Einschätzung begründete die belangte Behörde in ihrer den Erstbeschwerdeführer betreffenden Entscheidung mit folgendem Wortlaut:

"Auch ergaben sich im Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle keine Hinweise darauf, dass das Verfahren gemäß § 24b Abs. 1 AsylG zuzulassen wäre. Wie die im Zulassungsverfahren am 11.10.2005 durch eine Ärztin für Psychotherapeutische Medizin erfolgte ärztliche Untersuchung im Zulassungsverfahren ergab, liege aus aktueller Sicht eine krankheitswerte psychische Störung nicht vor, die Albträume des Berufungswerbers seien nicht als traumaspezifisch zu werten. Auch lägen keine Folterspuren vor.

Was daher die - erstmals - in der Berufung behauptete Traumatisierung betrifft, so ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, dass die im Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle am 11.10.2005 durchgeführte ärztliche Untersuchung gerade eben nicht ergab, dass der Berufungswerber traumatisiert ist und wurde eine solche Traumatisierung im Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle nicht vorgebracht. Im Gegenteil bestätigte der Asylwerber, er fühle sich wohl und fühle sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme zu absolvieren, er sei in der Lage, sich auf die Vergangenheit zu konzentrieren und die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Das Vorliegen einer Traumatisierung wurde daher seitens des Asylwerbers in keiner Phase des in der Erstaufnahmestelle geführten Zulassungsverfahrens - auch nicht nach erfolgter Rechtsberatung gemäß § 39a AsylG - behauptet. Auch wurde im Übrigen in der - nach der ärztlichen Untersuchung im Zulassungsverfahren erfolgten - Einvernahme am 14.10.2005, welche auch im Beisein eines Rechtsberaters stattfand, das Untersuchungsergebnis vom 11.10.2005 vom Berufungswerber nicht in Frage gestellt.

Was nun die vom Berufungswerber im Zuge der ärztlichen Untersuchung am 11.10.2005 behaupteten Schläge mit einem Stock betrifft, so ist zunächst zum einen darauf hinzuweisen, dass der Berufungswerber diese Behauptungen im Zuge von drei Einvernahmen in der Erstaufnahmestelle im Zulassungsverfahren nicht getätigt hat, Folterspuren im Rahmen der ärztlichen Untersuchung im Zulassungsverfahren nicht entdeckt werden konnten und es zum anderen die Intensität der geschilderten Handlungen fraglich erscheinen lässt, ob die Schwelle zur Folter damit bereits überschritten ist. Vor dem Hintergrund nun, dass der Berufungswerber im Rahmen von drei Einvernahmen im Zulassungsverfahren Gelegenheit hatte, über allfällige Foltererlebnisse oder Erlebnisse, welche eine Traumatisierung hätten auslösen können, zu berichten, dies aber unterließ, (ist) es daher wahrscheinlich, dass die nur im Rahmen der ärztlichen Untersuchung aufgestellten Behauptungen bezüglich des Schlagens mit einem umwickelten Stock eher als Mittel dienen sollten, um eine Traumatisierungsdiagnose und damit die Zulassung zum Verfahren zu erreichen, als dass sie den Tatsachen entsprechen würden. Die Annahme, dass der Berufungswerber daher durch die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem die Flucht auslösenden Ereignis traumatisiert oder Opfer von Folter sein könnte, erscheint daher nicht gerechtfertigt.

Vor diesem Hintergrund aber erweist sich auch die erst im Berufungsverfahren vorgelegte Diagnose vom 12.12.2005, wonach der Berufungswerber an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, als von unzutreffenden Annahmen ausgehend, geht doch diese Diagnose von den - vom im erstinstanzlichen Verfahren getätigten Vorbringen abweichenden bzw. gesteigerten - Angaben des Berufungswerbers aus, er wache oft des Nachts schweißgebadet auf und sehe immer wieder die Räumlichkeiten, in denen er gefoltert worden sei und die Personen, die ihn gefoltert hätten. Diese erst im Berufungsverfahren vorgelegte Diagnose ist daher schon aus diesem Grund nicht als entscheidungsrelevant in die gegenständliche Entscheidung einzubeziehen.

Darüber hinaus ist aber noch auf Folgendes hinzuweisen:

entsprechend der Bestimmung des § 24b Abs. 1 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 ist Tatbestandsvoraussetzung, dass sich 'in der Ersteinvernahme oder einer weiteren Einvernahme im Zulassungsverfahren (§ 24a) medizinisch belegbare Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber Opfer von Folter oder durch die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem die Flucht auslösenden Ereignis traumatisiert sein könnte', ergeben. Der Verweis auf § 24a, dessen Überschrift 'Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle' lautet, zeigt, dass sich entsprechend dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes diese medizinisch belegbaren Tatsachen ergeben müssen, während das Verfahren in der Erstaufnahmestelle geführt wird (vgl. auch den Wortlaut des § 24a Abs. 1 AsylG: 'Das Bundesasylamt führt in der Erstaufnahmestelle jedenfalls das Zulassungsverfahren, das der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrages dient'). Das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat wird aber jedenfalls nicht in der Erstaufnahmestelle geführt. Entsprechend dem Gesetzestext ist daher das erstmals in der Berufung behauptete und durch eine Diagnose vom 01.12.2005 näher konkretisierte - von der fachärztlichen Beurteilung im Zulassungsverfahren vom 11.10.2005 abweichende - behauptete Vorliegen einer möglichen Traumatisierung für das Berufungsverfahren als unbeachtlich anzusehen.

In diesem Zusammenhang sei lediglich darauf hingewiesen, dass - abgesehen davon, dass im gegenständlichen Fall ein allfälliges gleichheitswidriges Ergebnis nicht erblickt werden kann - eine allfällige verfassungskonforme Interpretation der genannten Bestimmung in der Hinsicht, dass eine Berücksichtigung einer behaupteten Traumatisierung auch im Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat geboten wäre, nach Ansicht der erkennenden Behörde - wenngleich dies von den Höchstgerichten in rechtlicher Hinsicht anders gesehen werden mag - entgegen deren eindeutigen Wortlaut nicht zulässig ist."

Über die dagegen erhobene gemeinsame Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerde wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Voraussetzungen des § 24b Abs. 1 AsylG (und damit für die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung durch Österreich) seien hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers nicht gegeben. Ihrer Ansicht nach lägen medizinisch belegbare Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, der Erstbeschwerdeführer könnte Opfer von Folter und durch die fluchtauslösenden Geschehnisse traumatisiert sein. Deshalb wäre nicht nur sein Asylverfahren, sondern auch jenes seiner Familienangehörigen zuzulassen gewesen.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Ergebnis im Recht.

Die belangte Behörde verneinte die Voraussetzungen für eine Zulassung des Asylverfahrens des Erstbeschwerdeführers gemäß § 24b Abs. 1 AsylG und stützte sich dabei auf das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung vom 11. Oktober 2005. Dem mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2005 vorgelegten Arztbrief sprach sie demgegenüber Entscheidungsrelevanz schon deshalb ab, weil die dort aufgestellte Diagnose ("posttraumatische Belastungsstörung") von "unzutreffenden Annahmen" ausgehe, da der Erstbeschwerdeführer gegenüber dem die posttraumatische Belastungsstörung bejahenden Arzt (im Vergleich zum erstinstanzlichen Verfahren) "abweichende bzw. gesteigerte Angaben" gemacht habe.

Diesen Überlegungen kann schon deshalb nicht beigepflichtet werden, weil die belangte Behörde dabei - implizit - von der Annahme ausging, der den Erstbeschwerdeführer untersuchende Facharzt habe seine Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ohne medizinisch objektivierbare Anhaltspunkte nur auf Grund der Angaben des Erstbeschwerdeführers erstellt. Welche speziellen Fachkenntnisse der belangten Behörde diese Einschätzung rechtfertigten, lässt sich dem angefochtenen Bescheid aber nicht entnehmen. Im Ergebnis hält somit die Begründung des angefochtenen Bescheides, dass auch unter Zugrundelegung des Vorbringens des Erstbeschwerdeführers im Berufungsverfahren und der von ihm vorgelegten ärztlichen Unterlagen die Voraussetzungen für eine Zulassung des Verfahrens nach § 24b Abs. 1 AsylG nicht erfüllt sind, einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht Stand.

Entscheidende Bedeutung kommt daher der Frage zu, ob sich die von der belangten Behörde hilfsweise angestellten rechtlichen Erwägungen, die zur Unbeachtlichkeit der Neuerungen im Berufungsverfahren führen sollen, als tragfähig erweisen.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des AsylG (idF der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101) lauten:

"Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle

§ 24a. (1) Das Bundesasylamt führt in der Erstaufnahmestelle jedenfalls das Zulassungsverfahren, das der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrages dient. Diese Prüfung ist der inhaltlichen Prüfung des Asylantrages jedenfalls zeitlich vorzuschalten.

...

Folteropfer und Traumatisierte

§ 24b. (1) Ergeben sich in der Ersteinvernahme oder einer weiteren Einvernahme im Zulassungsverfahren (§ 24a) medizinisch belegbare Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber Opfer von Folter oder durch die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem die Flucht auslösenden Ereignis traumatisiert sein könnte, ist das Verfahren zuzulassen und der Asylwerber kann einer Betreuungseinrichtung zugewiesen werden. In dieser und im weiteren Verlauf des Asylverfahrens ist auf die besonderen Bedürfnisse des Asylwerbers Bedacht zu nehmen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen vom heutigen Tag, auf deren Begründungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zur Auslegung des § 24b Abs. 1 AsylG Stellung genommen (zur Interpretation der Vorschrift im Allgemeinen vgl. die hg. Erkenntnisse Zlen. 2006/19/0919 und 2006/19/0442; zur Beachtlichkeit von Neuerungen im Zusammenhang mit einer behaupteten Traumatisierung unter dem Blickwinkel des § 32 Abs. 1 AsylG einerseits sowie der Wendung "in der Ersteinvernahme oder einer weiteren Einvernahme im Zulassungsverfahren" in § 24b Abs. 1 AsylG andererseits vgl. das hg. Erkenntnis Zl. 2006/19/0675).

Im Zusammenhang mit der Argumentation der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid bleibt zu ergänzen, dass sich auch aus dem Verweis des § 24b Abs. 1 AsylG auf die Bestimmung des § 24a AsylG die Unbeachtlichkeit von Neuerungen im Berufungsverfahren nicht ableiten lässt. Es ist zwar richtig, dass § 24a Abs. 1 AsylG unter der Überschrift "Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle" zunächst vorschreibt, das Bundesasylamt führe in der Erstaufnahmestelle "jedenfalls das Zulassungsverfahren, das der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrages" diene. Schon der folgende Satz dieser Regelung ("Diese Prüfung ist der inhaltlichen Prüfung des Asylantrages jedenfalls zeitlich vorzuschalten.") stellt aber klar, dass damit die Gliederung des Asylverfahrens in ein Zulassungsverfahren einerseits und das materiell inhaltliche Verfahren, das dem Zulassungsverfahren folgt, andererseits, festgelegt werden sollte. Dieser Bestimmung kann hingegen nicht entnommen werden, dass das Berufungsverfahren vor der belangten Behörde gegen eine negative erstinstanzliche Zulassungsentscheidung nicht mehr als Teil des Zulassungsverfahrens anzusehen ist und daher die Bestimmung des § 24b Abs. 1 AsylG schon deshalb keine Anwendung zu finden hat, wird das Zulassungsverfahren in einem solchen Fall in der Regel doch erst dadurch beendet, dass die belangte Behörde das erhobene Rechtsmittel entweder abweist (Eintritt der Rechtskraft) oder ihm stattgibt, die erstinstanzliche Entscheidung behebt und den Asylantrag zur Durchführung des materiellen Asylverfahrens an die Behörde erster Instanz zurückverweist (§ 32a Abs. 1 AsylG). Auch das Berufungsverfahren vor der belangten Behörde gegen eine zurückweisende Entscheidung gemäß § 5 AsylG ist insofern Teil des Zulassungsverfahrens, in dem die Berufungsbehörde die dafür sachlich in Betracht kommenden Vorschriften des Verfahrens erster Instanz, zu denen § 24b Abs. 1 AsylG jedenfalls zu zählen ist, anzuwenden hat.

Die rechtlichen Erwägungen der belangten Behörde werden daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, weshalb ihr den Erstbeschwerdeführer betreffender Bescheid keinen Bestand haben kann.

Dieser Umstand schlägt gemäß § 10 Abs. 5 AsylG auch auf die Verfahren der Familienangehörigen des Erstbeschwerdeführers (also die übrigen Beschwerdeführer) durch.

Die angefochtenen Bescheide waren deshalb (vorrangig) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. April 2007

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