VwGH 97/21/0504

VwGH97/21/05046.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des PS in Graz, geboren am 17. April 1976, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 10. Juni 1997, Zl. Fr 960/1996, betreffend Feststellung gemäß § 54 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
EMRK Art3;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
EMRK Art3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 10. Juni 1997 wurde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers - seinen Behauptungen zufolge liberianischer Staatsangehöriger - auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Bedrohung in Liberia gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bestünden; die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Liberia sei somit zulässig.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen und der vom Verwaltungsgerichtshof hiezu entwickelten Grundsätze führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Begriff des Flüchtlings decke sich mit den Verfolgungsgründen nach § 37 Abs. 2 FrG; es könne daher davon ausgegangen werden, daß keine Verfolgungsgründe vorlägen, zumal der Beschwerdeführer im darauffolgenden fremdenpolizeilichen Verfahren keine neuen Tatsachen vorgebracht und bezüglich der Fluchtgründe auf sein Vorbringen im Asylverfahren verwiesen habe.

Seinen eigenen Angaben zufolge sei der Beschwerdeführer liberianischer Staatsangehöriger und am 4. Juli 1996 "illegal" in das Bundesgebiet eingereist. Zu seinem Asylantrag sei er am 17. Juli 1996 niederschriftlich befragt worden. Dabei sei seitens der Asylbehörde versucht worden, die vom Beschwerdeführer behauptete, durch keinerlei Dokumente belegte Nationalität (Liberia) mittels klärender Fragen über sein angebliches Heimatland zu verifizieren. Er sei mit zahlreichen, seinem "Bildungs- und Wissensstand entsprechenden Fragen" über Liberia konfrontiert worden, jedoch kaum in der Lage gewesen, eine dieser Fragen konkret bzw. ausreichend zu beantworten. Die belangte Behörde gelange daher bei sorgfältiger Prüfung des Vorbringens im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu der Überzeugung, daß die Behauptung des Beschwerdeführers, Staatsangehöriger von Liberia zu sein, "nicht glaubhaft ist und daß Ihnen sohin jegliche persönliche Glaubwürdigkeit abzusprechen ist".

Der Beschwerdeführer habe - so die belangte Behörde weiter - "generell und durch die von Ihnen vorgebrachten einzelnen Sachverhalte, deutlich gemacht, daß der Grund für die Furcht, die Sie zum Verlassen ihres Heimatlandes bewogen hat, allein in der dort herrschenden Kriegssituation liegt. Im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen in Ihrem Heimatland mag es auch in Ihrem Fall zu Übergriffen und Bedrohungen gekommen sein (oder mögen Ihnen solche Übergriffe gedroht haben), jedoch sind diese nicht als Bedrohungen, im Sinne des § 54 bzw. 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu qualifizieren". Der Allgemeinsituation im Heimatland eines Antragstellers könne nicht allein ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Maßgebend sei vielmehr die konkrete Situation des jeweiligen Antragstellers selbst. Ein Bürgerkrieg stelle grundsätzlich keine Verfolgung dar, weil den daraus resultierenden Benachteiligungen sämtliche im betreffenden Land lebenden Menschen ausgesetzt seien. Gemäß seinen Angaben drohe im angeblichen Heimatland des Beschwerdeführers allen jungen Männern eine Zwangsrekrutierung, weshalb insoweit keine konkrete, individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgungshandlung vorliege. Die Angaben des Beschwerdeführers seien zu allgemein gehalten, um als stichhaltig bezeichnet werden zu können. Konkrete Hinweise, daß der Beschwerdeführer in Liberia tatsächlich von der staatlichen Autorität oder doch mit deren Billigung gesucht werden würde, sei er schuldig geblieben. Es lägen aber auch keine stichhaltigen Gründe für eine Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG vor, "zumal als allgemein gehaltene Hinweise auf die Brisanz der derzeitigen politischen Situation in Liberia, wie auch durch die Verweisung auf Berichte verschiedener Organisationen, noch keine konkrete, Sie betreffende Gefährdung abgeleitet werden kann".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, daß dem angefochtenen Bescheid nicht mit Sicherheit zu entnehmen sei, von welchen Feststellungen die belangte Behörde ausgegangen sei. Sie habe völlig unstrukturiert Vorbringen und "standardisierte rechtliche Beurteilung" aneinandergereiht und dazwischen möglicherweise "Feststellungen" eingeflochten. Der angefochtene Bescheid sei daher einer nachprüfenden Kontrolle nicht zugänglich.

Richtig ist, daß die belangte Behörde nicht deutlich erkennen läßt, welche Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sie in ihrem Bescheid zugrunde legt. Wohl wird - nach ausführlicher Wiedergabe der Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren - dessen Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen und ausgeführt, daß seiner Behauptung, er sei liberianischer Staatsangehöriger, nicht gefolgt werden könne. Umgekehrt ist jedoch einerseits davon die Rede, daß der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben zufolge liberianischer Staatsbürger sei; andererseits wird rechtlich gefolgert, daß der Grund für die Furcht, die den Beschwerdeführer zum Verlassen seines Heimatlandes bewogen habe, allein in der dort herrschenden Kriegssituation liege und daß es im Zug der kriegerischen Auseinandersetzungen in seinem Heimatland auch im Fall des Beschwerdeführers zu Übergriffen und Bedrohungen - welche jedoch noch nicht als solche im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu qualifizieren seien - gekommen sein möge. Weiters heißt es, daß der Beschwerdeführer konkrete Hinweise darauf, daß er in Liberia tatsächlich von der staatlichen Autorität oder doch mit deren Billigung gesucht werden würde, schuldig geblieben sei. Alles das deutet in nicht unmaßgeblicher Weise darauf hin, daß die Behörde ihren Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers betreffend seine Staatsangehörigkeit zum Trotz davon ausgegangen ist, der Beschwerdeführer sei liberianischer Staatsbürger. Eine klare Antwort, ob bzw. welche Feststellung die belangte Behörde in diesem Zusammenhang getroffen hat, ist daher in der Tat nicht möglich. Dennoch kann der Beschwerde im Ergebnis kein Erfolg beschieden werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen. Diese Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 95/21/1039, m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer im Asylverfahren nur angegeben, daß er sein Heimatland wegen des Krieges und wegen der Kämpfe verlassen habe; alle jungen Männer würden ohne Ausnahme rekrutiert; er habe auch keinen Vater, der sich um ihn kümmere; deshalb habe er sein Heimatland verlassen; er habe Angst vor dem Krieg, "daß ich darin umkommen könnte". Seinen Antrag nach § 54 FrG begründete der Beschwerdeführer unter Verweis auf die "Asylniederschrift" ergänzend damit, daß er in seiner Heimat für die Gruppe um Charles Taylor zum Militär hätte rekrutiert werden sollen, um im Bürgerkrieg zu kämpfen. Dies hätte er nicht gewollt, sodaß er hätte flüchten müssen. In der Berufung gegen den negativen erstinstanzlichen Feststellungsbescheid ist darüber hinaus davon die Rede, daß in Liberia junge Männer nicht nur von der staatlichen Armee, sondern auch von den Einheiten der Bürgerkriegsparteien zur Teilnahme an diesen Gruppierungen verpflichtet würden. Privatpersonen würden regelmäßig gegen ihren Willen und ohne gesetzliche Grundlage zur Teilnahme an kriegerischen Auseinandersetzungen verpflichtet. Die Behörde hätte durch entsprechende Ermittlungen feststellen können, mit welchen Sanktionen die Weigerung, sich einer Bürgerkriegspartei anzuschließen, bestraft werde. Jedenfalls komme es "aus obzitierten Gründen" immer wieder zu Übergriffen gegen Privatpersonen.

Selbst wenn man der Angabe des Beschwerdeführers folgt, er sei liberianischer Staatsangehöriger, wird mit diesem Vorbringen keine maßgebliche Bedrohungssituation im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG dargetan. Bezüglich § 37 Abs. 2 FrG ergibt sich das schon daraus, daß die beschriebenen Gefahren in keiner Weise mit Konventionsgründen in Verbindung gebracht werden (vgl. auch das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. November 1997, Zl. 97/20/0304, mit dem seine Beschwerde gegen den negativen letztinstanzlichen Asylbescheid als unbegründet abgewiesen worden ist). Die Behauptungen des Beschwerdeführers rechtfertigen aber auch nicht in ausreichendem Maß die Annahme, er werde für den gedachten Fall seiner Abschiebung nach Liberia dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen werden (§ 37 Abs. 1 FrG).

Was zunächst die ins Treffen geführte Bürgerkriegssituation anlangt, so wäre es im Rahmen eines Verfahrens nach § 54 FrG wohl beachtlich, wenn mangels funktionierender Ordnungsmacht damit gerechnet werden müßte, daß ein abgeschobener Fremder im Zielstaat mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der im § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre, wenn also etwa auf Grund der bewaffneten Auseinandersetzungen eine derart extreme Gefahrenlage besteht, daß praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahren für Leib und Leben in einem Maß drohen, daß die Abschiebung im Licht des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/21/0294). Derartiges hat der Beschwerdeführer jedoch - jedenfalls im Verwaltungsverfahren - nicht vorgebracht. Vielmehr hat er schlichtweg auf den Krieg und die Kämpfe bzw. auf seine "Angst vor dem Krieg" verwiesen. Die Tatsache eines Bürgerkrieges in dem vom Antrag erfaßten Staat für sich allein stellt jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch keine Gefahrenlage im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dar (vgl. das schon genannte Erkenntnis vom 27. März 1998).

Auch die drohende Einberufung zum Wehrdienst in einer kämpfenden Truppe der Bürgerkriegsparteien reicht nicht hin, dem betreffenden Fremden Abschiebungsschutz zu gewähren (vgl. auch dazu das zuvor genannte Erkenntnis). Dabei macht es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keinen Unterschied, ob die "Zwangsrekrutierung" durch die "reguläre Truppe" oder durch die die Staatsmacht bekämpfende Gruppierung erfolgt. Maßgeblich kann nur sein, ob mit der Einberufung eine unmenschliche Behandlung im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG einhergeht; in diese Richtung hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren jedoch kein Vorbringen erstattet. Davon abgesehen läßt sich seinen Behauptungen nicht entnehmen, er befürchte aktuell für den Fall seiner Abschiebung die "Zwangsrekrutierung"; mit dem Verweis auf die ihm vor seiner Ausreise drohende Einberufung hat er allein die Flucht aus seinem Heimatstaat gerechtfertigt, im übrigen aber - in seiner Berufung gegen den negativen Feststellungsbescheid der ersten Instanz - betont, (nunmehr) wegen der Weigerung, sich einer Bürgerkriegspartei anzuschließen, Bestrafung zu fürchten. Daß es sich dabei um eine unmenschliche Strafe oder gar um Todesstrafe handle, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht dargetan.

In seiner Beschwerde spricht der Beschwerdeführer wiederum die "Zwangsrekrutierung" durch Bürgerkriegsparteien an. Ihm ist darin zuzustimmen, daß Übergriffe von Rebelleneinheiten im Rahmen der Beurteilung nach § 54 FrG von Bedeutung sind, wenn der Staat nicht in der Lage oder willens ist, seine Bürger vor derartigen Übergriffen zu schützen. Wie schon betont, muß es sich allerdings - auch das erkennt der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang richtig - um Eingriffe handeln, die von § 37 Abs. 1 und 2 FrG erfaßt sind. Genau dahingehend fehlt es seinem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen an hinreichender Konkretisierung.

Wenn der Beschwerdeführer weiters auf die besorgniserregende humanitäre Situation in Monrovia verweist, die sich durch den ständigen Zustrom weiterer Binnenflüchtlinge verschlechtere, so ist ihm zu entgegnen, daß er damit infrastrukturelle Probleme anspricht, die außerhalb des Schutzbereiches des § 37 FrG liegen. Daß der Beschwerdeführer schließlich im Fall seiner Abschiebung nach Liberia als "abgelehnter Asylwerber" Gefahr liefe, Opfer von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen zu werden, wird erstmals in der Beschwerde ausgeführt. Auf dieses - im übrigen ebenfalls unspezifizierte - Vorbringen kann daher wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) nicht eingegangen werden.

Zusammenfassend ergibt sich damit, daß die belangte Behörde den Feststellungsantrag des Beschwerdeführers nach § 54 Abs. 1 FrG im Ergebnis zu Recht negativ beschieden hat. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 6. November 1998

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