Rechtssatz
Wirkt die materielle Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung derart, dass der Verurteilte das Urteil gegen sich gelten lassen muss, und wirkt dieses für den Rechtskreis des Verurteilten, für diesen aber gegen jedermann, so kann sich niemand im nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber darauf berufen, dass er eine Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe, gleichviel ob der andere am Strafverfahren beteiligt war oder in welcher verfahrensrechtlichen Stellung er dort aufgetreten ist.
1 Ob 612/95 | OGH | 17.10.1995 |
Verstärkter Senat; Veröff: SZ 68/195 |
2 Ob 2070/96t | OGH | 30.05.1996 |
Beisatz: Die Bindungswirkung des Strafurteils erstreckt sich nicht auf den Haftpflichtversicherer, der im Strafprozess kein rechtliches Gehör hatte. (T1) <br/>Veröff: SZ 69/131 |
9 ObA 2233/96i | OGH | 30.10.1996 |
Auch; Beisatz: Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung schon bei Klagseinbringung oder erst bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorlag. (T2) |
4 Ob 9/97w | OGH | 14.01.1997 |
Vgl auch; Beisatz: Es besteht aber keine Bindung an jede einzelne Tatsachenfeststellung des Strafurteiles. (T3) |
2 Ob 72/97w | OGH | 20.03.1997 |
Beis wie T1; Beisatz: Eine Strafverfügung entfaltet im Schadenersatzprozess keine Bindungswirkung. (T4) <br/>Veröff: SZ 70/49 |
5 Ob 105/97w | OGH | 24.06.1997 |
Vgl; Beisatz: Die Bindung erstreckt sich nur auf die den Schuldspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen. Vom Strafgericht festgestellte Tatsachen, die über den Straftatbestand hinausreichen, binden den Zivilrichter nicht. Umstände, die nicht die Schuldfrage, sondern nur die Strafbemessung betreffen oder gar ohne jede Relevanz für die Entscheidung des Strafgerichtes sind, unterliegen der freien Kognition des Zivilrichters. (T5) |
9 ObA 416/97k | OGH | 29.04.1998 |
Beisatz: Von der Bindungswirkung ist die Feststellung, dass der Angeklagte (Beschuldigte) eine bestimmte strafbare Handlung begangen hat, umfasst. Der Schuldspruch wird in allen seinen Teilen der Rechtskraft teilhaft, also nicht bloß in der Feststellung der strafbaren Handlung nach deren objektiven Merkmalen, sondern auch in der Feststellung der konkreten Sachverhaltselemente und umfasst auch die rechtliche Subsumtion unter einen bestimmten Tatbestand. (T6) |
2 Ob 257/97a | OGH | 02.04.1998 |
Vgl aber; Beis wie T1; Beisatz: In einem gegen den Versicherten und den Versicherer gemeinsam geführten Rechtsstreit ist darauf Bedacht zu nehmen, dass über den eingeklagten Anspruch grundsätzlich einheitlich entschieden wird. Selbst dann, wenn (zunächst) nur der Versicherte geklagt wird, muss - schon im Hinblick auf die bloße Möglichkeit der Abweisung einer späteren Klage gegen den Versicherer - der Gefahr von Entscheidungsdivergenzen begegnet werden. Dies bedeutet, dass für den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung eine Bindung an die strafgerichtliche Verurteilung des versicherten Lenkers im allgemeinen unabhängig davon nicht besteht, wen der Geschädigte klageweise in Anspruch nimmt und wann dies geschieht. Nur wenn auszuschließen ist, dass es noch zu einem das Klagebegehren abweisenden Urteil zugunsten des Versicherers kommen kann, wäre dem versicherten Lenker der Einwand, er habe die Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen, verwehrt. (T7) <br/>Veröff: SZ 71/66 |
9 ObA 254/98p | OGH | 24.02.1999 |
Beis wie T3; Beis wie T5; Beis wie T6; Beisatz: Für Vermögensdelikte gilt daher, dass wenn die strafgerichtliche Verurteilung wegen eines strafbaren Tatbestandes erging, zu dessen Verwirklichung zwar der Eintritt (irgend)eines Vermögensschadens gehörte, für dessen Verwirklichung aber eine bestimmte Mindesthöhe dieses Schadens nicht Voraussetzung ist, so sind die im Strafurteil allenfalls über die Schadenshöhe getroffenen Feststellungen für den Zivilrichter gleichfalls nicht bindend; eine Ausnahme, das heißt eine Bindung des Zivilrichters an die strafgerichtliche Feststellung der Schadenshöhe, besteht nur dann, wenn das Strafgericht die Überschreitung der höhere Strafsätze bedingenden Schadensgrenzen von S 25.000 oder S 500.000 feststellte, und zwar hinsichtlich der Beträge von S 25.000 oder S 500.000. Der diese Wertgrenzen übersteigende Schaden gehört hingegen nicht zu den den Schuldausspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen. (T8) |
1 Ob 21/99s | OGH | 23.02.1999 |
nur: Der Verurteilte muss das Urteil gegen sich gelten lassen. Niemand kann sich im nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber darauf berufen, dass er eine Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe. (T9) |
2 Ob 206/99d | OGH | 26.08.1999 |
Auch; Beisatz: Die Rechtskraftwirkung der strafgerichtlichen Verurteilung erstreckt sich gleichermaßen gegenüber jeder "anderen Partei", mag diese dem Verurteilten im nachfolgenden Rechtsstreit als (geschädigter) Kläger oder Beklagter gegenüberstehen. (T10) |
2 Ob 250/99z | OGH | 05.10.1999 |
Vgl auch; Beisatz: Unter dem genannten "Rechtskreis" können vom Verurteilten verschiedene, am Strafverfahren unbeteiligte Personen nicht verstanden werden. (T11) |
9 ObA 147/99d | OGH | 03.11.1999 |
Beis wie T3; Beis wie T5; Beis wie T6; Beis wie T8 |
7 Ob 310/99k | OGH | 26.01.2000 |
Vgl; Beisatz: Das verurteilende Straferkenntnis hat hinsichtlich der vertraglichen Deckungspflicht eines Versicherers Tatbestandswirkung. (T12) |
1 Ob 81/00v | OGH | 28.04.2000 |
Auch; Beisatz: Der Zivilrichter darf keine vom Strafurteil abweichenden Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen treffen. Es besteht jedenfalls insoweit Bindung an das strafgerichtliche Erkenntnis, als davon auszugehen ist, dass die im Strafurteil festgestellte Tat tatsächlich vom Verurteilten begangen wurde und dass dessen tatsächliche Handlungen für den Schadenserfolg kausal waren. (T13) |
10 ObS 240/00t | OGH | 19.09.2000 |
Vgl auch; Beisatz: Im Verfahren über den Antrag auf Unterbringung gemäß § 21 Abs 1 StGB ist der Zivilrichter daran gebunden, dass der Untergebrachte eine bestimmte Anlasstat begangen hat. Keine Bindung des Zivilrichters besteht an die übrigen Voraussetzungen der Einweisung. (T14) |
6 Ob 265/00i | OGH | 23.11.2000 |
nur T9; Beis wie T6 nur: Der Schuldspruch wird in allen seinen Teilen der Rechtskraft teilhaft, also nicht bloß in der Feststellung der strafbaren Handlung nach deren objektiven Merkmalen, sondern auch in der Feststellung der konkreten Sachverhaltselemente und umfasst auch die rechtliche Subsumtion unter einen bestimmten Tatbestand. (T15)<br/>Beisatz: Es besteht auch Bindungswirkung an strafgerichtliche Erkenntnisse nach § 6 MedG. (T16) |
7 Ob 253/00g | OGH | 14.12.2000 |
Beis wie T2; Beis wie T3; Beis wie T4; Beis wie T13; Beisatz: Das Zivilgericht ist im Rechtsstreit einer Kommanditgesellschaft, deren (alleiniger) Komplementär strafgerichtlich verurteilt wurde, an den Schuldspruch des Strafurteiles gebunden. (T17)<br/>Veröff: SZ 73/200 |
7 Ob 57/01k | OGH | 30.03.2001 |
Beis wie T2; Beis wie T3; Beis wie T4; Beis wie T13 |
6 Ob 14/01d | OGH | 15.03.2001 |
Vgl auch; Beis ähnlich wie T15; Beis ähnlich wie T16; Beisatz: Die Bildungswirkung gilt auch für Urteile in Privatanklageverfahren. (T18)<br/>Beisatz: Eine rechtskräftige Verurteilung nach § 115 StGB bewirkt für das Zivilverfahren bindend die Qualifikation der Äußerungen als Beschimpfungen im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB. (T19) |
Ds 1/01 | OGH | 05.09.2001 |
Vgl auch |
9 Ob 247/01s | OGH | 19.09.2001 |
Vgl auch; Beisatz: Dass durch eine spätere Gesetzesänderung (- hier: des § 159 StGB -) der der Verurteilung zugrundeliegende Tatbestand wegfällt, bleibt ohne Einfluss. (T20)<br/>Beisatz: Aus dem Umstand, dass der Beklagte im Strafverfahren nicht durch einen Anwalt vertreten war und er sich offensichtlich für die persönliche Verteidigung entschieden hat, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, welche der Bindungswirkung entgegenstehen könnte, nicht erkannt werden. (T21) |
9 ObA 143/02y | OGH | 04.09.2002 |
Vgl auch; Beis wie T8 nur: Eine Bindung des Zivilrichters an die strafgerichtliche Feststellung der Schadenshöhe, besteht nur dann, wenn das Strafgericht die Überschreitung der höhere Strafsätze bedingenden Schadensgrenzen von S 25.000 oder S 500.000 feststellte, und zwar hinsichtlich der Beträge von S 25.000 oder S 500.000. Der diese Wertgrenzen übersteigende Schaden gehört hingegen nicht zu den den Schuldausspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen. (T22) |
7 Ob 180/02z | OGH | 09.09.2002 |
Auch; Beis wie T13; Beisatz: Das Strafurteil bindet das Zivilgericht in dem in der Entscheidung des verstärkten Senats festgelegten Umfang. (T23)<br/>Beis wie T15 |
9 ObA 80/03k | OGH | 08.10.2003 |
Vgl auch; Beisatz: Die Bindungswirkung gilt nicht für verurteilende Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden und Erkenntnisse einer Disziplinarbehörde. (T24) |
7 Ob 137/04d | OGH | 06.07.2004 |
Vgl; Beis wie T1; Beis wie T13; Beis wie T15; Beisatz: Diese Bindung des Zivilgerichtes an verurteilende strafgerichtliche Erkenntnisse wird durch deren materielle Rechtskraft bewirkt und besteht solange das strafgerichtliche Erkenntnis nicht beseitigt ist. (T25) |
2 Ob 186/04y | OGH | 23.09.2004 |
Vgl auch; Beisatz: Keine Bindungswirkung der diversionellen Erledigung des Strafverfahrens für einen nachfolgenden Zivilprozess. (T26) |
3 Ob 20/05w | OGH | 16.02.2005 |
nur T9; Beis wie T13 nur: Der Zivilrichter darf keine vom Strafurteil abweichenden Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen treffen. (T27) |
1 Ob 134/07y | OGH | 22.10.2007 |
Auch; Beis wie T15; Veröff: SZ 2007/162 |
8 Ob 69/08t | OGH | 10.07.2008 |
Vgl; Beisatz: Solange das strafgerichtliche Erkenntnis nicht beseitigt ist, hat das Zivilgericht bindend davon auszugehen, dass der Verurteilte die im Strafurteil festgestellte Tat tatsächlich begangen hat. (T28) |
8 ObA 40/09d | OGH | 30.07.2009 |
Auch; Beis ähnlich wie T6; Beis wie T15 |
1 Ob 169/11a | OGH | 29.09.2011 |
Vgl auch Beis wie T1; Vgl auch Beis wie T11; Vgl auch Beis wie T17; Beisatz: Keine Bindung des Geschäftsherrn an die strafrechtliche Verurteilung seines Erfüllungsgehilfen. (T29) |
6 Ob 21/13a | OGH | 08.05.2013 |
Vgl; Beis wie T2; Beisatz: Die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs qualifiziert eine Missachtung der Bindungswirkung einer materiell rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung als einen von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund. Damit ist auch die erst nach Schluss der Verhandlung erster Instanz entstandene Bindung an das Strafurteil vom Obersten Gerichtshof zu berücksichtigen. (T31) |
1 Ob 127/13b | OGH | 29.08.2013 |
Vgl auch; Beis wie T24; Veröff: SZ 2013/78 |
6 Ob 83/14w | OGH | 26.06.2014 |
Auch; Diese Grundsätze gelten auch für den Fall der Verhängung der Untersuchungshaft. Solange die Untersuchungshaft andauert, steht dem im Zivilverfahren erhobenen Schadenersatzbegehren die Bindungswirkung dieser Entscheidung entgegen. (T32)<br/> |
3 Ob 31/21m | OGH | 24.03.2021 |
Vgl; Beis wie T5; Beis wie T6; Beis wie T13; Beis wie T27 |
8 ObA 78/23p | OGH | 15.02.2024 |
Beisatz wie T3; Beisatz wie T5; Beisatz wie T6; Beisatz wie T13; Beisatz wie T27 |
Dokumentnummer
JJR_19951017_OGH0002_0010OB00612_9500000_001
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