OGH 2Ob79/95

OGH2Ob79/9520.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Anna S*****, Landwirtin,

  1. 2. Johann S*****, Bankangestellter, 3. Anna L*****, Bankangestellte,
  2. 4. Günter S*****, Landwirt, 5. Andreas S*****, Polsterer, 6. Notburga S*****, Hausfrau, erst- und zweit- sowie viert- bis sechstklagende Partei wohnhaft in *****, drittklagende Partei wohnhaft in *****, alle klagenden Parteien vertreten durch Dr.Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Franz ***** T*****, Autospengler, ***** 2. E***** Versicherungs-AG, ***** wegen S 13.285,93 sA und einer Rente von S 4.000 monatlich (Erstklägerin), S 180.000 sA (Drittklägerin), S 1,196.663,09 sA (Viertkläger), S 144.000 sA (Sechstklägerin) und wegen Feststellung (erst- bis sechstklagende Parteien), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 9.Juni 1995, GZ 5 R 38/95-18, mit dem das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 7.Dezember 1994, GZ 20 Cg 177/94b-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen als nichtig aufgehoben, soweit sie die erstbeklagte Partei betreffen; die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Im übrigen - nämlich hinsichtlich der zweitbeklagten Partei - wird der Revision Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden auch in diesem Punkt aufgehoben; die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 14.7.1991 gegen 19.10 Uhr ereignete sich im Gemeindegebiet von Groß-Hart, Bezirk Hartberg, im Bereich zweier einander im Freilandgebiet kreuzender Gemeindestraßen ein Verkehrsunfall, an dem Johann S***** als Lenker des PKW Nissan Primera und der Erstbeklagte als Lenker seines bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW Audi 80 Quattro beteiligt waren. Johann S***** - Gatte der Erstklägerin, Vater der zweit- bis fünftklagenden Parteien und Sohn der Sechstklägerin - wurde bei diesem Unfall getötet. Der Erstbeklagte wurde wegen dieses Unfalles vom Strafgericht rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Tötung schuldig erkannt, das er dadurch begangen habe, daß er den Vorrang des von rechts in die gleichrangige Kreuzung einfahrenden Johann S***** verletzt und dadurch fahrlässig dessen Tod herbeigeführt habe.

Im Bereich der Unfallstelle wird eine zwischen Groß-Hart und Linzbüchel annähernd in West-Ost-Richtung verlaufende Gemeindestraße von einer weiteren, in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Gemeindestraße, dem Pirkenweg, gekreuzt. Die vom Erstbeklagten befahrene, von Westen nach Osten verlaufende Gemeindestraße war im Unfallszeitpunkt 3,8 m breit, der von Johann S***** befahrene Pirkenweg war damals - von Süden her betrachtet - zunächst 4,4 m breit, mündete in die andere Gemeindestraße in einem 13 m breiten Trichter ein und setzte sich im Norden mit einem 12 m breiten Einmündungstrichter geradlinig fort.

Die vom Erstbeklagten befahrene Gemeindestraße weist eine Asphaltdecke auf, an die Schotterbankette mit unterschiedlicher Breite anschließen. Von Westen kommend befindet sich im Bereich von 50 - 55 m vor der Bezugslinie (Normale zur Fahrbahnlängsachse der vom Erstbeklagten befahrenen Gemeindestraße im Bereich der östlichen Begrenzung des südlichen Einmündungstrichters des Pirkenweges) eine Fahrbahnkuppe, durch die die Sicht für einen von Westen kommenden Fahrzeuglenker auf die Kreuzung ab einer Position 70 m westlich der Bezugslinie völlig behindert wird. Entgegenkommende Fahrzeuge werden zumindest in ihrem Dachbereich durchgehend erkannt. Ab einer Position 100 m westlich der Bezugslinie ist ein PKW im Kreuzungsbereich nicht mehr erkennbar. Östlich der Fahrbahnkuppe weist die Fahrbahn ein Gefälle von 3 bis 4 % in Richtung Osten auf. Von Groß-Hart kommend verläuft sie vor der Unfallstelle über mindestens 200 bis 250 m annähernd gerade durch ein beidseits gelegenes Ackergelände mit einer Tiefe von mehreren hundert Metern. Außer Strommasten sind auf diesen Äckern keine baulichen Einrichtungen vorhanden.

Der Pirkenweg verläuft von Süden kommend über mindestens 500 m gerade, annähernd horizontal und übersichtlich im Freiland. Er weist eine festgefahrene, annähernd horizontale und ebene Schotterdecke mit dazwischen eingelagertem, gewaltsam festgefahrenem Sand auf. In der Fahrbahnmitte ist der Schotter weniger festgefahren, sodaß sich dort Fahrspuren ausgebildet haben. Auch beiderseits des Pirkenweges befindet sich über mehrere hundert Meter Tiefe und Breite Ackerland. Die nächsten Anwesen im Bereich des Pirkenweges befinden sich ca 100 bis 150 m westlich davon in einer Entfernung von ca 1 bis 1,5 km südlich der anderen Gemeindestraße.

Auf der vom Erstbeklagten befahrenen Gemeindestraße von Groß-Hart aus Richtung Westen kommend kann - auch ohne Ackerbewuchs - aus einer Entfernung von rund 70 m und weiter westlich aus einer normalen Sitzposition in einem PKW der Pirkenweg nicht mehr erkannt werden. Im Unfallszeitpunkt waren die Felder beiderseits der vom Erstbeklagten befahrenen Gemeindestraße mit ca 1,80 m hohen Bohnengewächsen bewachsen, die bis auf etwa 22 m westlich der Bezugslinie standen und derart dicht waren, daß man nicht durchsehen konnte. Der Bewuchs begann aber erst ca. 5 m südlich des südlichen Bankettes der vom Erstbeklagten befahrenen Gemeindestraße.

Der Erstbeklagte näherte sich der Unfallstelle mit seinem PKW auf der von Westen nach Osten führenden Gemeindestraße aus Richtung Groß-Hart. Er hielt eine Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h ein und hatte das Abblendlicht eingeschaltet. Ca. 25 m westlich der Bezugslinie nahm er das sich der Kreuzung auf dem Pirkenweg aus Richtung Süden nähernde Fahrzeug S*****s wahr. Er "ging vom Gas herunter" und wollte "normal" weiterfahren, weil er sich im Vorrang glaubte. Plötzlich - wo genau, steht nicht fest - merkte er, daß der Lenker des auf dem Pirkenweg nahenden Fahrzeuges nicht anhalten, sondern die Kreuzung durchfahren wolle. Er reagierte mit einer Vollbremsung und lenkte seinen PKW nach links aus, konnte aber die Kollision (5 m westlich der Bezugslinie) nicht mehr verhindern. Seine Kollisionsgeschwindigkeit betrug etwa 72 km/h, jene S*****s etwa 32 km/h. Welche Geschwindigkeit S***** vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich innehatte, steht nicht fest. Ebensowenig steht fest, ob dessen Fahrzeug vor der Kollision verzögert, beschleunigt oder mit gleichbleibender Geschwindigkeit in den Unfallbereich gelenkt wurde. Bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h wäre es dem Erstbeklagten möglich gewesen, ca. 10 m früher das Fahrzeug S*****s wahrzunehmen. Für diese Strecke hätte er eine Zeit von 0,45 sec benötigt. In dieser Phase wäre es S***** möglich gewesen, sein Fahrzeug mittels einer normalen Betriebsbremsung (3,5 m/sec2) ca. 11 m vor der Fahrlinie des Fahrzeuges des Erstbeklagten anzuhalten, sodaß die Zeit von knapp 0,5 sec als Auffälligkeitszeit zum Erkennen der Gefahr für den Erstbeklagten durch das offensichtlich nicht anhaltende Fahrzeug S*****s betrachtet werden kann.

Im vorliegenden Verfahren begehren

a) die Erstklägerin S 13.285,93 sA (Trauerkleidung, Reisespesen) und eine Rente von S 4.000,- monatlich (Entgang an Unterhalt und Mitwirkung in Haushalt und Landwirtschaft);

b) die Drittklägerin S 180.000,- sA (entgangene Heiratsausstattung);

c) der Viertkläger S 1,196.663,09 (Todfallskosten, vom Getöteten übernommene Schulden);

d) die Sechstklägerin S 144.000,- sA (entgangene Ausgedingsleistungen).

Ferner begehren sämtliche klagenden Parteien jeweils die Feststellung der - hinsichtlich der Zweitbeklagten mit der Versicherungssumme beschränkten - Haftung der Beklagten für alle zukünftigen aus dem Unfall resultierenden Ansprüche.

Sie lasten dem Erstbeklagten die Verletzung des Rechtsvorranges und die Einhaltung einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit von 90 km/h an, rechnen sich aber "aus Vorsichtsgründen" ein Mitverschulden des Getöteten im Umfang eines Drittels an. Im übrigen berufen sie sich auf die §§ 1325, 1327 ABGB und auf § 12 EKHG.

Die Beklagten beantragten, das Klagebegehren abzuweisen. Beim Pirkenweg handle es sich um einen iS § 19 Abs 6 StVO benachrangten Feldweg. Johann S***** habe daher den Vorrang des Erstbeklagten verletzt und damit den Unfall allein verschuldet. Selbst wenn er bevorrangt gewesen wäre, träfe ihn ein überwiegendes Mitverschulden. Da jedem Kraftfahrer bekannt sei, daß im ländlichen Bereich die asphaltierten Durchzugsstraßen gegenüber den nicht asphaltierten geschotterten Seitenwegen als bevorrangt eingeschätzt werden, hätte er sich nur vorsichtig, unter Beobachtung des Querverkehrs und mit einer wesentlich geringeren Geschwindigkeit vortasten dürfen.

Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß sich der Erstbeklagte im Vorrang befunden habe. Aus der gesamten Anlage der von ihm befahrenen Gemeindestraße, insbesondere aus deren Asphaltbelag, sei für einen durchschnittlichen Autolenker der Eindruck zu gewinnen, daß sie dem Pirkenweg übergeordnet sei. Daß nach 1 bis 1,5 km südlich der Kreuzung über den Pirkenweg Gehöfte erreicht werden könnten, sei unerheblich, weil keine auf diesen Umstand hinweisende Verkehrszeichen vorhanden und diese Gehöfte auch über andere Straßen erreichbar seien. Dem Erstbeklagten sei weder eine überhöhte Fahrgeschwindigkeit noch eine verspätete Reaktion vorwerfbar. Das Alleinverschulden am Unfall treffe daher Johann S*****.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Ferner sprach es aus, daß die nicht in einem Geldbetrag bestehenden Teile der Entscheidungsgegenstände hinsichtlich jeder klagenden Partei S 50.000,- übersteigen und daß die ordentliche Revision hinsichtlich jeder klagenden Partei zulässig sei. Ob eine nach § 19 Abs 6 StVO bevorrangte Verkehrsfläche vorliege, hänge davon ab, ob sich die Verkehrsfläche für die Benützer der beiden Straßen während der Fahrt nach objektiven Kriterien - ohne Rücksicht auf deren Ortskenntnisse - in ihrer gesamten Anlage eindeutig und deutlich von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheide. Solche objektiven Kriterien seien die Beschaffenheit der Fahrbahnoberfläche, eine Befestigung und Asphaltierung der Straße, Verkehrs- und Ortstafeln, die Fahrbahnbreite und die Ausformung der Einmündung. Die Verkehrsbedeutung und die Frequenz seien - außer sie seien für die Straßenbenützer bereits während der Fahrt klar beurteilbar - nicht entscheidend. Nach all dem habe sich für beide Fahrzeuglenker die vom Erstbeklagten befahrene Gemeindestraße mit ihrem Asphaltbelag und ihrer Hervorhebung durch begleitende Masten gegenüber der von S***** befahrenen als übergeordnet dargestellt. Den erstmals aus 50 (gemeint wohl: 70) m westlich der Bezugslinie erkennbaren Pirkenweg - in seinem Einmündungsbereich seien keine auf eine Zufahrt zu einer Ortschaft hindeutenden Verkehrs- oder Ortstafeln vorhanden - habe der Erstbeklagte nur als untergeordnet beurteilen können. Daß über den um 60 cm breiteren, allgemein zu benützenden Pirkenweg auch der Ortsteil Groß-Hart erreichbar und sein Einmündungstrichter 13 bzw 12 m breit sei, ändere daran nichts. Von einem Zweifelsfall, in dem der Rechtsvorrang des S***** gelten hätte können, könne daher keine Rede sein.

Die Revision sei zulässig, weil die Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "Feldweg" und die Beurteilung einer Verkehrsfläche als untergeordnet für die Rechtsentwicklung und zufolge der im konkreten Fall unterschiedlichen Gerichtsentscheidungen auch für die Rechtssicherheit von erheblicher Bedeutung sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt werde, und sodann die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise wird beantragt, die Sache an das Berufungsgericht oder an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen die Bindungswirkung der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Erstbeklagten nicht berücksichtigt haben. Überdies liegt in der unterschiedlichen Lösung der hier maßgeblichen Rechtsfragen durch die mit dem Unfall befaßten Straf- und Zivilgerichte eine Gefährdung der Rechtssicherheit.

Aus Anlaß der Revision war die Nichtigkeit der Entscheidung der Vorinstanzen - soweit sie den Erstbeklagten betreffen - wahrzunehmen:

Die Kläger leiten aus einem Verhalten des Erstbeklagten, dessentwegen dieser vom Strafgericht des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB rechtskräftig schuldig erkannt wurde, Schadenersatzansprüche gegen diesen ab; dennoch sind die Vorinstanzen dem Vorbringen der Kläger, der Erstbeklagte habe ihnen die aus der Tötung des Johann S***** abgeleiteten Schäden schuldhaft zugefügt, nicht gefolgt, weshalb die gegen den Erstbeklagten gerichteten Klagebegehren in beiden Instanzen abgewiesen wurden.

In der Entscheidung des verstärkten Senates 1 Ob 612/95 (= SZ 68/195

= AnwBl 1995, 900 [Strigl] = EvBl 1996/34 = JBl 1996, 117 = JUS-extra

Z 2008 = RdW 1996, 15 [Berger] = ZVR 1996/2) wurde dazu folgender

Rechtssatz formuliert:

"Wirkt die materielle Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung derart, daß der Verurteilte das Urteil gegen sich gelten lassen muß, und wirkt dieses für den Rechtskreis des Verurteilten, für diesen aber gegen jedermann, so kann sich niemand im nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber darauf berufen, daß er eine Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe, gleichviel, ob der andere am Strafverfahren beteiligt war und in welcher verfahrensrechtlichen Stellung er dort aufgetreten ist".

Diese Bindung an die strafgerichtliche Verurteilung des Erstbeklagten haben die Vorinstanzen nicht beachtet. Dies hat - da keine bindende, die Nichtigkeit verneinende Entscheidung der Vorinstanzen vorliegt - die Nichtigkeit dieser Entscheidungen zufolge, weshalb die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an die erste Instanz zurückzuverweisen war, welche die neuerliche Sachentscheidung unter Bindung an die rechtskräftig entschiedene Vorfrage zu treffen haben wird (vgl dazu ebenfalls die eben zitierte Entscheidung des verstärkten Senates).

Der erkennende Senat hat aber bereits in seinen Entscheidungen 2 Ob 2070/96t (= ZVR 1996/80 = RdW 1997, 18) und 2 Ob 2287/96d klargestellt, daß sich die Bindungswirkung des Strafurteiles auf den Haftpflichtversicherer, der im Strafprozeß kein rechtliches Gehör hatte, nicht erstreckt, weil im gegenteiligen Fall das verfahrensrechtliche Grundgesetz des rechtlichen Gehörs nach Art 6 MRK verletzt würde. An dieser Rechtsansicht ist festzuhalten.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher nur insoweit als nichtig aufzuheben, als sie den Erstbeklagten betreffen.

Die hierauf entfallenden Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten (§ 52 Abs 1 ZPO; NRSp 1992/146 ua).

Im übrigen - nämlich hinsichtlich der Zweitbeklagten - ist die Revision im Sinne des darin enthaltenen Aufhebungsantrages berechtigt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Beurteilung der Frage, ob eine Fläche unter § 19 Abs 6 StVO fällt, nach objektiven Kriterien vorzunehmen (ZVR 1992/115; ZVR 1985/76 uva). Maßgebend ist, ob sich die in Betracht kommende Verkehrsfläche in ihrer gesamten Anlage deutlich von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet. Die Verkehrsbedeutung und Frequenz ist dabei nicht entscheidend. Vielmehr ist entscheidend, ob sich die Verkehrsfläche für die Benützer der beiden Straßen während der Fahrt nach objektiven Kriterien - ohne Rücksicht auf deren Ortskenntnisse - in ihrer gesamten Anlage eindeutig von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet (ZVR 1992/115; ZVR 1990/145; ZVR 1981/236 uva). Im Zweifelsfall ist immer der Rechtsvorrang als gegeben anzunehmen (ZVR 1992/115; ZVR 1990/145; ZVR 1981/236 uva).

Im hier zu beurteilenden Fall spricht für die Qualifikation des Pirkenweges als untergeordnete Verkehrsfläche nur, daß er - im Gegensatz zur vom Erstbeklagten befahrenen Gemeindestraße - nicht asphaltiert ist. Dem vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstand, daß die vom Erstbeklagten befahrene Straße "durch begleitende Masten" hervorgehoben ist, kommt hingegen ebensowenig Bedeutung zu, wie dem Hinweis auf den "markanten" Übergang von der unbefestigten zur asphaltierten Verkehrsfläche. Auch aus der Tatsache, daß durch Fahrbahnkuppe, die sich im Verlauf der vom Erstbeklagten befahrenen Gemeindestraße befindet, und durch den Bewuchs der angrenzenden Felder die Sicht auf den Pirkenweg eingeschränkt war, ist für die Rechtsauffassung der Vorinstanzen nichts zu gewinnen, weil diese Sichtbehinderung in gleicher Weise bestanden hätte, wenn es sich beim Pirkenweg um eine mehrspurige Asphaltstraße gehandelt hätte.

Hingegen spricht gegen die Beurteilung des Pirkenweges als untergeordnete Verkehrsfläche, daß er 12 bzw 13 m breite Einmündungstrichter aufweist, daß er breiter ist als die vom Erstbeklagten befahrene Gemeindestraße und daß er sich beiderseits dieser Straße völlig geradlinig fortsetzt. Trotz seiner unbefestigten Oberfläche fehlt es daher an hinreichenden Anhaltspunkten, ihn als untergeordneten Feldweg zu betrachten. Vielmehr war für beide Fahrzeuglenker erkennbar, daß sich der Pirkenweg nach seiner gesamten Anlage nicht als bloßer Feldweg, sondern als eine im ländlichen Bereich nicht unübliche Sand- und Schotterstraße und somit nicht als benachrangte Fläche iS des § 19 Abs 6 StVO darstellte (vgl ZVR 1981/236). Da - wie gezeigt - schon in Zweifelsfällen der Rechtsvorrang als gegeben anzusehen ist, ist daher den Revisionswerbern beizupflichten, daß dem auf dem Pirkenweg in die Kreuzung einfahrenden Johann S***** der Vorrang zukam, daß der Erstbeklagte diesen Vorrang verletzte und daß daher auch die Zweitbeklagte für die Folgen dieses Unfalles einzustehen hat.

Für die Annahme eines Mitverschuldens des Johann S*****, das über das von den Klägern zugestandene Ausmaß von einem Drittel hinausgeht, fehlt es an einer rechtfertigenden Grundlage. Die Beklagten haben dazu lediglich vorgebracht, daß sich Johann S***** im Hinblick auf die ihm bekannte übliche Einschätzung der Vorrangsituation an vergleichbaren Kreuzungen nur vorsichtig und unter Beobachtung des Querverkehrs vortasten hätte dürfen. Dem ist aber nicht zu folgen, da allfällige abweichende Verkehrsgewohnheiten an der Geltung der gesetzlichen Vorrangregeln nichts ändern können (ZVR 1980/59; ZVR 1977/284). Sonstige Behauptungen über ein allfälliges Verschulden S*****s wurden aber von den Beklagten nicht aufgestellt. Selbst wenn man aber - was die Beklagten gar nicht geltend gemacht haben - im Hinblick auf die eingeschränkte Sicht des benachrangten Erstbeklagten von erhöhten Sorgfaltspflichten des Johann S***** ausgehen wollte (vgl etwa ZVR 1983/251), könnte dies wegen des Gewichtes der vom Erstbeklagten zu vertretenden Vorrangverletzung die Annahme eines über das zugestandene Ausmaß hinausgehenden Mitverschuldens des Johann S***** nicht rechtfertigen.

Den Revisionswerbern ist daher darin beizupflichten, daß die Zweitbeklagte für die ihnen durch den Unfall entstandenen (ersatzfähigen) Schäden im Ausmaß zweier Drittel zu haften hat.

Da sich die Vorinstanzen ausgehend von ihrer anderslautenden Rechtsansicht inhaltlich mit den einzelnen Klagebegehren nicht auseinandergesetzt haben, waren daher in Stattgebung der Revision die Entscheidungen der Vorinstanzen auch hinsichtlich der Zweitbeklagten unter Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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