OGH 6Ob21/13a

OGH6Ob21/13a8.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** R*****, vertreten durch Dr. Lukas Ludwiger, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde M*****, vertreten durch Mag. Dr. Herbert Schrittesser, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung, über die Revision und den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen das Urteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungs- und Rekursgericht vom 29. November 2012, GZ 3 R 3/12a‑11, womit das Urteil und der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 18. Oktober 2011, GZ 23 Cg 172/11v‑6, teilweise bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass es nunmehr insgesamt zu lauten hat:

„1. Die Beklagte ist gegenüber dem Kläger schuldig, ab sofort folgende Behauptungen oder Behauptungen ähnlichen Sinngehalts zu unterlassen:

a) Unmittelbar vor der Gemeinderatswahl im März dieses Jahres sorgte eine Postwurfsendung mit unhaltbaren Angriffen betreffend die seinerzeitige Verpachtung der Gastronomie im Schloss H***** gegenüber Bürgermeisterin T***** O***** und anderen Gemeindefunktionären der Ö***** für Unruhe. Urheber war M***** R., der dafür inzwischen durch das Landesgericht Wiener Neustadt strafrechtlich verurteilt wurde.

b) Herr R***** steht bei drei Ärzten in psychologischer und psychiatrischer Behandlung.

2. Das Klagebegehren, die Beklagte sei weiters schuldig, binnen eines Monats die unter 1. angeführten Behauptungen als unwahr zu widerrufen und den Spruch des dieser Klage insoweit stattgebenden Urteils in der aktuellen Ausgabe des Mediums Information und Kultur sowie auf der Startseite der Homepage www.m *****.gv.at oder ‑ sollte die Beklagte ihre Internetadresse ändern ‑ auf der Startseite jener Website, die an die Stelle der Internetadresse www.m *****.gv.at von der beklagten Partei in das Internet gestellt wird, für eine ununterbrochene Dauer von sechzig Tagen auf einem Viertel der Bildschirmoberfläche mit fetter Umrandung, Fettdrucküberschriften und fett und gesperrt geschriebenen Namen der Prozessparteien in zumindest vierundzwanzig Punkte großen Buchstaben, im Übrigen mit Schriftbild, Schriftgröße und Zeilenabstand wie auf der Website der beklagten Partei üblich, zu veröffentlichen, wird abgewiesen.“

II. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

III.1. Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 283,56 EUR (darin 47,26 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Gemäß §§ 70, 43 Abs 1 letzter Satz ZPO wird festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz von 30 % der dem Kläger gestundeten Pauschalgebühr verpflichtet ist.

2. Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 581,62 EUR (darin 96,94 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Gemäß §§ 70, 43 Abs 1 letzter Satz ZPO wird festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz von 60 % der dem Kläger gestundeten Pauschalgebühr verpflichtet ist.

3. Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 185,57 EUR (darin 30,93 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen, und hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Parteien ist zu 8 C 7/08z des Bezirksgerichts Wiener Neustadt ein Verfahren anhängig. Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von zuletzt 504.095,34 EUR. In einem Schriftsatz vom 30. 9. 2008 brachte der Kläger in diesem Verfahren unter anderem vor:

Den Schaden des Verdienstentgangs verursachte die beklagte Partei in vertragswidriger Weise kausal, adäquat und grob fahrlässig dadurch, dass sie den zugesagten vertragsgemäßen Zustand niemals herstellte, und dadurch, dass sie den Kläger durch das Austauschen der Schlösser dazu zwang, den Betrieb einzustellen. Die Vorgehensweise der beklagten Partei hat beim Kläger psychosomatische Reaktionen wie Panikattacken, Depressionen und eine daraus resultierende instabile Persönlichkeit hervorgerufen. Aus diesem Grund war es dem Kläger bisher nicht möglich, sich wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren beziehungsweise eine Arbeitsstelle zu finden. Aus diesem Grund wird der Verdienstentgang nunmehr auch für den Zeitraum 1. 1. 2008 bis 30. 9. 2008 geltend gemacht. Der Klagsbetrag wird diesbezüglich sohin um 45.000 EUR ausgedehnt.

Zum Beweis für sein Vorbringen berief sich der Kläger auf die Einvernahme zweier Psychologinnen und eines Psychiaters als Zeugen.

Im März 2010 verfasste der Kläger ein mit „Kriminelle Handlungen im Namen M*****“ übertiteltes Schreiben, welches er unmittelbar vor der Gemeinderatswahl an die Haushalte in M***** übermittelte. In diesem Schreiben heißt es auszugsweise:

An die Ö*****-Bürgermeisterin der Marktgemeinde M*****

Rücktrittsaufforderung

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin!

Als meine Familie mit unserer dreijährigen chronisch kranken Tochter von offiziellen Vertretern der Marktgemeinde in krimineller Art und Weise auf die Straße geschmissen und unser Familienbetrieb zwangsgeschlossen wurde, waren Sie in diese Vorfälle persönlich verwickelt.

Ungeachtet etwaig folgender strafrechtlicher Konsequenzen tragen Sie und Ihr Vorgänger die volle politische Verantwortung und quälen mich seither täglich dieselben Fragen.

Mit welchem Recht wird eine unbescholtene Familie von einer Ö*****-geführten N*****-Marktgemeinde ihrer verfassungsmäßig verankerten Grundrechte beraubt und überdies mit kriminellen Handlungen ihre Existenzgrundlage zerstört?

Mit welchem Recht wird seitens einer Ö*****‑geführten N*****-Marktgemeinde einem dreijährigen chronisch kranken Mädchen die Herausgabe ihrer dringend benötigten Medikamente verweigert?

Mit welchem Recht ignoriert eine Ö*****-geführte N*****-Marktgemeinde die vollstreckbare richterliche Anordnung eines österreichischen Gerichtes und missachtet dadurch in eklatanter Weise die staatliche Autorität und deren Sanktionsgewalt?

Unterzeichnet war dieses Schreiben mit dem Namen des Klägers.

Am 10. 3. 2010 verfasste der Beklagtenvertreter eine an „Marktgemeinde M***** z.Hd. Frau Bürgermeisterin T***** O*****“ adressierte „Rechtliche Stellungnahme zu R*****'s 'Rücktrittsaufforderung' (Postwurf)“, in der es auszugsweise heißt:

Herr R***** steht ‑ nach eigener Behauptung im Gerichtsverfahren beim Bezirksgericht Mödling ‑ bei drei Ärzten in psychologischer und psychiatrischer Behandlung.

Im 51. Jahrgang, Folge 7, der „I*****“ vom September 2010, amtliche Mitteilung der Gemeinde M*****, heißt es auf Seite 2 in einem Kasten „Strafgerichtliche Verurteilung“:

Unmittelbar vor der Gemeinderatswahl im März dieses Jahres sorgte eine Postwurfsendung mit unhaltbaren Angriffen betreffend die seinerzeitige Verpachtung der Gastronomie im Schloss H***** gegenüber Bürgermeisterin T***** O***** und anderen Gemeindefunktionären der Ö***** für Unruhe. Urheber war M***** R., der dabei inzwischen durch das Landesgericht Wiener Neustadt strafrechtlich verurteilt wurde.

Die genannte Ausgabe der Zeitschrift wurde an sämtliche Haushalte in M***** versendet, des Weiteren stellte die Beklagte diese Ausgabe auf ihrer Homepage www.m *****.gv.at online. Die zitierte „Rechtliche Stellungnahme zu R*****'s Rücktrittsaufforderung (Postwurf) vom 10. 3. 2010“ stellte die Beklagte ebenfalls auf ihrer Homepage online.

Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 4. 8. 2010 war der Kläger zu 37 Hv 59/10y im Zusammenhang mit der genannten Rücktrittsaufforderung wegen § 111 Abs 1 und 2 StGB verurteilt worden. Allerdings wurde in weiterer Folge seiner dagegen erhobenen Berufung mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 6. 7. 2011 zu 17 Bs 192/11a wegen Nichtigkeit Folge gegeben und das Verfahren schließlich mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 25. 7. 2011 zu 540 Hv 1/11s eingestellt.

Das Erstgericht verbot der Beklagten unter einem im Provisorialverfahren und mit Urteil die Behauptungen, der Kläger sei durch das Landesgericht Wiener Neustadt strafrechtlich verurteilt worden und stehe bei drei Ärzten in psychologischer und psychiatrischer Behandlung; darüber hinaus verpflichtete es die Beklagte im Hauptverfahren zum Widerruf der Behauptungen und zur Veröffentlichung des Urteilsspruchs.

Das Berufungs- und Rekursgericht bestätigte unter einem das Verbot der die Behandlung des Klägers betreffenden Behauptung und wies sowohl das übrige Provisorial- als auch das Urteilsmehrbegehren ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich jedes Unterlassungs-, jedes Widerrufs- und jedes Veröffentlichungsbegehrens zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und dass Revision und Revisionsrekurs zulässig seien; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die in einem Medium verbreitete Behauptung, eine bestimmte Person sei strafrechtlich verurteilt worden, vom Durchschnittsleser im Sinn einer rechtskräftigen Verurteilung verstanden werde, sowie zur Frage, ob der Anspruch auf Widerruf einer Äußerung, die den höchstpersönlichen Lebensbereich des Verletzten betrifft, den Beweis der Unwahrheit voraussetze.

In der Sache selbst vertrat die zweite Instanz die Auffassung, bei der den Gesundheitszustand des Klägers betreffenden Äußerung der Beklagten habe es sich um eine den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffende gehandelt, womit sie die Privatsphäre des Klägers verletzt habe. Hingegen sei die Behauptung der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers zum Zeitpunkt der Äußerung wahr gewesen; der Adressatenkreis habe diese nicht dahin verstanden, dass die Verurteilung rechtskräftig gewesen sei. § 1330 ABGB sehe einen Urteilsveröffentlichungsanspruch nicht vor. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, ihre den Gesundheitszustand des Klägers betreffende Behauptung zu widerrufen, sei doch die Behauptung wahr gewesen; auch wenn § 112 StGB den Wahrheitsbeweis über Tatsachen des Privat- und Familienlebens ausschließe, könne doch die Beklagte nach § 1330 Abs 2 ABGB nicht verpflichtet werden, eine wahre Tatsache zu widerrufen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt. Sein Revisionsrekurs ist unzulässig.

1. Zwischen den Parteien ist im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht (mehr) strittig, dass mit ‑ infolge Rechtsmittelverzichts rechtskräftigem ‑ Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 4. 11. 2011 im Medienverfahren zu 37 Hv 32/11d wegen der auch hier inkriminierten, eine strafrechtliche Verurteilung des Klägers betreffenden Äußerung gegenüber der Beklagten ausgesprochen wurde, sie habe in einem Medium in Bezug auf den Kläger den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB verwirklicht; darüber hinaus wurde die Beklagte nach §§ 6 f MedG zur Urteilsveröffentlichung und zur Zahlung einer Entschädigung an den Kläger verhalten.

Nach Auffassung des Klägers haben die Vorinstanzen die Bindungswirkung dieser Entscheidung zu Unrecht nicht berücksichtigt. Damit ist der Kläger im Recht:

1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird durch eine rechtskräftige Verurteilung nach §§ 6 f MedG für die Zivilgerichte bindend und nicht mehr überprüfbar festgelegt, dass das Medienpublikum den im Urteil bezeichneten Medieninhalt als tatbestandsmäßig verstand (RIS-Justiz RS0043494). Der Oberste Gerichtshof hat außerdem klargestellt, dass die Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung derart wirkt, dass der Verurteilte im nachfolgenden Rechtsstreit sich nicht darauf berufen kann, er habe eine Tat, derentwegen er vom Strafgericht verurteilt wurde, nicht begangen (verst Senat 1 Ob 612/95 AnwBl 1995, 900 [Strigl] = JBl 1996, 117; RIS‑Justiz RS0074219). Da die Bindungswirkung des Strafurteils aus seiner materiellen Rechtskraft abgeleitet wird, ist es aber ohne Bedeutung, ob die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung schon bei Klagseinbringung oder erst bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorlag (9 ObA 2233/96i; 7 Ob 307/98t; 7 Ob 57/01k).

1.2. Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Verurteilung der Beklagten erst nach Schluss der Verhandlung erster Instanz am 17. 10. 2011, jedoch noch vor der Entscheidung der zweiten Instanz am 29. 11. 2012. Nach Auffassung der Beklagten handelt es sich dabei um eine neue Tatsache im Sinn des § 482 Abs 2 ZPO, weshalb im vorliegenden Verfahren eine Bindung an diese Verurteilung nicht bestehe. Dem ist nicht zu folgen:

Die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs qualifiziert eine Missachtung der Bindungswirkung einer materiell rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung als einen von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund (RIS-Justiz RS0074230). Damit ist auch die erst nach Schluss der Verhandlung erster Instanz entstandene Bindung an das Strafurteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 4. 11. 2011 vom Obersten Gerichtshof jedenfalls in der hier gegebenen Verfahrenskonstellation zu berücksichtigen.

1.3. Die Beklagte wurde wegen der auch hier inkriminierten Äußerung, der Kläger sei „inzwischen durch das Landesgericht Wiener Neustadt strafrechtlich verurteilt“ worden, in einem Medienverfahren rechtskräftig verurteilt. Dies ist im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zwischen den Parteien auch nicht strittig; die eine solche Verurteilung in Abrede stellenden Ausführungen der Beklagten in ihrer Revisions- und Revisionsrekursbeantwortungsschrift beziehen sich lediglich auf die Verurteilung ihrer Bürgermeisterin nach § 111 StGB. Damit bedarf es aber keiner Aufhebung der angefochtenen Entscheidung; vielmehr hat der Oberste Gerichtshof die Bindungswirkung des Strafurteils (1.1.) seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

Damit war aber bereits aus diesem Grund die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich der die strafrechtliche Verurteilung des Klägers betreffenden Behauptung der Beklagten wieder herzustellen. Die Beklagte hat durch die inkriminierte Äußerung den Kläger sowohl in seiner Ehre nach § 1330 Abs 1 ABGB beleidigt als ihn auch durch unwahre Tatsachenbehauptungen im Kredit geschädigt (§ 1330 Abs 2 ABGB).

Einer Auseinandersetzung mit der von der zweiten Instanz als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, wie der Hinweis auf eine strafrechtliche Verurteilung vom Durchschnittsleser zu verstehen ist, bedarf es nicht mehr.

1.4. Der Kläger begehrt auch noch im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof die Verpflichtung der Beklagten, die „Behauptungen als unwahr zu widerrufen und den Spruch des dieser Klage stattgebenden Urteils […] zu veröffentlichen“.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht einem Geschädigten nach § 1330 Abs 2 ABGB zwar ein Anspruch auf Widerruf der Äußerungen und auf Veröffentlichung dieses Widerrufs (beide sind als Schadensgutmachung anzusehen, mit denen die schon eingetretenen Wirkungen der falschen Behauptungen beseitigt werden sollen [statt vieler 6 Ob 316/97g EvBl 1998/93]), nicht aber ein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung (RIS‑Justiz RS0031640) zu. Zwischen diesen Veröffentlichungsansprüchen ist strikt zu unterscheiden (Reischauer in Rummel, ABGB³ [2004] § 1330 Rz 23 aE), sie stehen ‑ wovon auch die zweite Instanz ausgegangen ist ‑ zueinander in einem Aliud-Verhältnis.

Daraus folgt einerseits, dass das Veröffentlichungsbegehren hinsichtlich des Vorwurfs der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers trotz berechtigten Unterlassungsbegehrens abzuweisen ist. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Verletzte keinen Anspruch auf Widerruf rufschädigender unwahrer Tatsachenbehauptungen nur ihm selbst gegenüber hat; mit einer solchen Ehrenerklärung kann der Beseitigungszweck des Widerrufs nicht erreicht werden (RIS-Justiz RS0109196). Damit ist aber auch das Widerrufsbegehren abzuweisen, käme es doch mangels einer Veröffentlichung lediglich einer Ehrenerklärung gleich.

Der Argumentation des Klägers, er habe seine Ansprüche nicht nur auf § 1330 ABGB, sondern ganz allgemein auf eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte, nämlich seiner Ehre gestützt, weshalb § 25 UWG und § 85 UrhG analog anzuwenden und ihm eine Urteilsveröffentlichung zuzugestehen seien, ist nicht zu folgen. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 287/02b eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen auf in § 16 ABGB gegründete Ansprüche nicht grundsätzlich zugelassen („… analoge Anwendung von Rechtsfolgenbestimmungen in vergleichbaren Fällen … zu prüfen“); vielmehr ging es um die Unterlassung einer unzulässigen Stimmenimitation, weshalb das dem dort Beklagten vorgeworfene Verhalten einer Verletzung des Bildnisschutzes im Sinn des § 78 UrhG in den wesentlichen anspruchsbegründenden Punkten vergleichbar war. Hinsichtlich ehrenrühriger Behauptungen stellt jedoch § 1330 Abs 1 ABGB eine § 16 ABGB konkretisierende Bestimmung dar (vgl Posch in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2012] § 16 Rz 30; 6 Ob 109/00y), die eine Urteilsveröffentlichung nicht kennt.

Hinsichtlich der Abweisung des die strafrechtliche Verurteilung des Klägers betreffenden Widerrufs- und des Veröffentlichungsbegehrens war somit die zweite Instanz zu bestätigen.

2. Die Vorinstanzen haben der Beklagten rechtskräftig die Behauptung, der Kläger stehe bei drei Ärzten in psychologischer und psychiatrischer Behandlung, verboten und dies übereinstimmend mit einer Verletzung des höchstpersönlichen Kernbereichs des Klägers begründet. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 16 ABGB: Der höchstpersönliche Lebensbereich stellt den Kernbereich der geschützten Privatsphäre dar, wozu jedenfalls die Gesundheit (der Gesundheitszustand), das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie gehören; aus dem Charakter der Persönlichkeitsrechte als absolute Rechte ergeben sich Unterlassungsansprüche bei Persönlichkeitsverletzungen auch dann, wenn sie gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen sind; das Recht auf Wahrung der Geheimsphäre schützt sowohl gegen das Eindringen in die Privatsphäre der Person als auch gegen die Verbreitung rechtmäßig erlangter Information über die Geheimsphäre; die Unterlassungsansprüche sind verschuldensunabhängig und können durch einstweilige Verfügung gemäß § 381 Z 2 EO geschützt werden (6 Ob 103/07a mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Auch in diesem Zusammenhang beharrt der Kläger auf seinem Widerrufs- und dem Urteilsveröffentlichungsbegehren, jedenfalls aber auf der Veröffentlichung des Widerrufs. Damit ist er nicht im Recht:

2.1. Die Verbreitung der Tatsache einer psychischen oder geistigen Erkrankung stellt ‑ entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung ‑ regelmäßig nicht den Vorwurf ehrenrührigen Verhaltens dar und ist deshalb kein Anwendungsfall des § 1330 Abs 1 ABGB. Im Übrigen kann aus dieser Bestimmung weder ein Widerrufs- noch ein Veröffentlichungsanspruch abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0085170).

2.2. Zwar ist nach § 112 StGB, der eine Stütze für das Erfordernis des Wahrheitsbeweises durch den Täter darstellt (Reischauer in Rummel, ABGB³ [2004] § 1330 Rz 17), der Wahrheitsbeweis über Tatsachen des Privat- oder Familienlebens nicht zulässig und liegt es im Hinblick auf § 34 Abs 2 MedG in der Hand des Opfers, ob auf eine Urteilsveröffentlichung zu erkennen ist, wenn eine mit Strafe bedrohte Handlung Umstände oder Tatsachen des Privat- oder Familienlebens betrifft. Doch verlangt § 1330 Abs 2 ABGB für Widerruf und Veröffentlichung desselben ausdrücklich die Verbreitung einer unwahren Tatsache; der Widerruf ist die Zurücknahme einer Behauptung als unwahr, er dient der Naturalrestitution und beseitigt das vom Täter hervorgerufene rufschädigende Bild des durch die Äußerung Verletzten (6 Ob 80/01k). Angesichts dieser Rechtslage ist die Ansicht der zweiten Instanz durchaus schlüssig, dass zwar grundsätzlich der Wahrheitsbeweis Umstände oder Tatsachen des Privat- oder Familienlebens betreffend nicht geführt werden darf, die Frage der (Un‑)Wahrheit aber zu prüfen ist, wenn der Verletzte Widerruf und Veröffentlichung begehrt.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass sich der Kläger in einem gegen die Beklagte geführten Schadenersatzverfahren auf Panikattacken, Depressionen und eine daraus resultierende instabile Persönlichkeit berufen und dafür zwei Psychologinnen und einen Psychiater als Zeugen namhaft gemacht hat. Wenn die Beklagte nun vor diesem Hintergrund die Behauptung aufstellte, der Kläger „steht ‑ nach eigener Behauptung im Gerichtsverfahren beim Bezirksgericht Mödling ‑ bei drei Ärzten in psychologischer und psychiatrischer Behandlung“, so muss diese als den Tatsachen entsprechend angesehen werden. Die Überlegungen des Klägers, er sei tatsächlich nicht bei drei Ärzten in Behandlung gestanden, gehen insofern am Thema vorbei, als die Beklagte in ihrer inkriminierten Äußerung ausdrücklich auf die Behauptungen des Klägers im Gerichtsverfahren Bezug genommen hat.

Die zweite Instanz hat damit zutreffend der Beklagten den Widerruf ihrer den Gesundheitszustand des Klägers betreffenden Behauptung nicht aufgetragen, womit auch eine Veröffentlichung des Widerrufs entfällt.

2.3. Dass § 1330 ABGB ein Veröffentlichungs-begehren nicht kennt, wurde bereits dargelegt (1.4.).

3. Der Revision des Klägers war somit teilweise Folge zu geben.

4. Der Kläger strebt mit seinem Revisionsrekurs „bis zur Rechtskraft des über das Unterlassungsbegehren ergehenden Urteils“ die Erlassung einer einstweiligen Verfügung auch hinsichtlich der seine strafrechtliche Verurteilung betreffenden Äußerung der Beklagten an. Da mit der vorliegenden Entscheidung das Verfahren in der Hauptsache beendet ist, ist der Revisionsrekurs mangels Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers zurückzuweisen.

5. Die Entscheidung über die Kosten des (Haupt‑)Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf § 43 Abs 1, § 50 ZPO.

Der Kläger war im 1. Abschnitt des Verfahrens erster Instanz lediglich mit 2/5 beziehungsweise gerundet 30 % erfolgreich und hat daher der Beklagten 40 % ihrer Kosten der Klagebeantwortung zu ersetzen (422,21 EUR); im 2. Abschnitt war der Kläger mit rund 70 % erfolgreich (2 x 2.802 EUR gegenüber 2 x 1.121 EUR) und hat daher Anspruch auf 40 % seiner Kosten (296,98 EUR). Zu dieser Differenz zu Gunsten des Klägers kommen die von der zweiten Instanz festgelegten Kosten des Sicherungsverfahrens (158,33 EUR).

Im Berufungsverfahren war der Kläger ebenfalls (wie im 2. Verfahrensabschnitt) mit rund 70 % erfolgreich, sein Ersatzanspruch beträgt daher 433,17 EUR. Schließlich obsiegte der Kläger im Revisionsverfahren mit rund 60 % (1 x 2.802 EUR gegenüber 2 x 1.121 EUR) und erhält daher 20 % der Kosten seiner Revision (148,45 EUR).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 40, 41, 50 Abs 1 und 2 ZPO. Der Kläger wäre mit seinem Revisionsrekurs erfolgreich gewesen (vgl 1. bis 1.3.), weshalb ihm die geltend gemachte Verbindungsgebühr (vgl dazu Obermaier, Kostenhandbuch² [2010] Rz 521) zuzusprechen war. Die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung hingegen selbst zu tragen.

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