OGH 9ObA2094/96y

OGH9ObA2094/96y4.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Thomas Mais als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Kammer für Arbeiter und Angestellte für S*****, vertreten durch Dr.Hannes Priebsch und DDr.Sven D.Fenz, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Alois R*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Erwin Bajc und Dr.Peter Zach, Rechtsanwälte in Bruck an Mur, wegen S 358.691,37 sA (Revisionsinteresse S 167.744,32 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12.Jänner 1996, GZ 7 Ra 26/95-15, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 23.Dezember 1994, GZ 23 Cga 134/94m-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.135 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.522,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zur Durchsetzung ihrer im engen Sachzusammenhang mit der beim Landesgericht Leoben zu 23 Cga 160/94k erhobenen Klage des Beklagten auf Bezahlung der vereinbarten Pensionsbezüge im Gesamtbetrag von S 3,779.622 für die Zeit vom 1.8.1990 bis 1.7.1993 stehenden Ansprüche begehrt die Klägerin in dieser Widerklage den Betrag von S 358.691,37 sA. Dies sei der Schaden, den der Kläger durch zweckwidrige mißbräuchliche Verwendung von Kammergeldern, über die er allein verfügungsberechtigt gewesen sei, verursacht habe. Der Beklagte sei rechtskräftig wegen Veruntreuung mit einer Gesamtschadensumme von S 358.691,37 strafgerichtlich verurteilt worden.

Der Beklagte bestritt mit Ausnahme eines Betrages von S 18.717,72, der der Klägerin irrtümlich angelastet worden sei, den Anspruch und das Vorbringen der Klägerin. Es habe für die Verwendung der Mittel keine klaren Richtlinien gegeben, einen Schaden habe er nicht verursacht, die Gelder seien wie auch schon zur Zeit seines Amtsvorgängers immer für Zwecke der Klägerin ausgegeben worden. Bei einem entsprechenden Antrag wären diese Ausgaben auch vom Vorstand der Klägerin genehmigt worden. Schließlich wendete der Beklagte gegen eine dennoch bestehende Klageforderung seine Forderung auf Leistung an schon im Verfahren 23 Cga 160/94k als Hauptanspruch geltend gemachten Versorgungsgenuß von monatlich S 84.400 ab 1.8.1990, sohin S 3,779.622 aufrechnungsweise ein und beantragte, das Klagebegehren abzuweisen.

Zu den Feststellungen und der weiteren Vorgeschichte kann einerseits auf die die Streitparteien betreffende im Verfahren 23 Cga 160/94k ergangenen Vorentscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 23. Februar 1994 (veröffentlicht in SZ 67/31) und vom 12.Juni 1996 (9 ObA 2096/96t) verwiesen werden, so daß sich eine detaillierte Wiedergabe hier erübrigt.

Zum Verständnis ist lediglich festzuhalten:

Der Beklagte war ab 1.10.1987 Präsident der Klägerin. Aufgrund einer in Ergänzung des schriftlichen Pensionsvertrages getroffenen mündlichen Vereinbarung stand ihm ein Anspruch auf eine Arbeiterkammerpension auch vor Ablauf der schriftlich vereinbarten vierjährigen Amtszeit (als Wartezeit) für den Fall der Invalidität zu. Eine Invaliditätspension wurde ihm mit Bescheid vom 23.5.1990 ab 1.5.1990 zuerkannt. Am 20.6.1990 schlossen die Streitteile einen Vergleich, wonach der Beklagte Zug um Zug gegen die Zuerkennung eines Versorgungsgenusses, auf den alle anderen Einkünfte nicht zur Anrechnung gelangen sollten, in der Höhe von S 80.000 brutto monatlich eine Amtsverzichtserklärung abgibt. Dies geschah am 20.6.1990. Zum Zeitpunkt des Vorstandsbeschlusses der Klägerin über die Genehmigung des Vergleiches und bei Unterfertigung desselben war auf Seite der Klägerin niemandem das Ausmaß und die Art der Verwendung der Gelder des Refundierungsfonds durch den Beklagten bekannt. Der Beklagte wußte von dieser Unkenntnis. Die Klägerin und ihre Organe gingen davon aus, daß der Beklagte die ihm überlassene Gebarung des Fonds widmungs- und pflichtgemäß durchgeführt habe. Wäre einem Vorstandsmitglied am 20.6.1990 bekannt gewesen, daß der Beklagte die Gelder des Fonds in der in den Straferkenntnissen bezeichneten Weise - wegen mißbräuchlicher Entnahme von S 358.691,37 aus dem Refundierungs- bzw Präsidialfonds (hievon S 300.196,89 aus dem Refundierungsfonds) wurde der Beklagte wegen des Vergehens der Untreue verurteilt - verwendet habe, wäre der Vergleich nicht abgeschlossen worden. In der Folge zahlte die Klägerin den verglichenen Pensionsbezug für Juli 1990 aus und stellte diese Auszahlung ab August 1990 nach schriftlicher Mitteilung an den Beklagten unter Hinweis auf die strafrechtlichen Untersuchungen und weil ein Gutachten des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes eine Pensionsregelung mit einem Präsidenten einer Arbeiterkammer als grundsätzlich gesetzwidrig bezeichnet hatte, ein. Gleichzeitig mit Unterfertigung des Vergleichs am 20.6.1990 wurden dem Vizepräsidenten der Klägerin die Unterlagen (Aufstellung und Belegsammlung) des vom Beklagten während seiner Amtszeit nach seinem Ermessen verwalteten Refundierungs-, Präsidial- und Administrationsfonds sowie das restliche Fondsgeld ausgefolgt. Eine sofortige Prüfung bei Übernahme war wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und des Umfanges der Unterlagen nicht möglich. Die Prüfung durch die Innenrevision wurde veranlaßt. Die erste Prüfung erfolgte zwischen 20. und 22.6.1990. Der Prüfbericht lag den Organen der Klägerin am 1.8.1990 vor.

Das Erstgericht stellte im Urteil fest, daß die Klageforderung mit S 177.524,37 sA und die eingewendete Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung zu Recht bestünden und wies das Klagebegehren ab.

Rechtlich sei der Beklagte infolge der nicht im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Arbeiterkammerpräsident privat vorgenommenen Entnahmen, soweit sie nicht zurückgezahlt worden seien, zur Erstattung verpflichtet. Wegen der gravierenden Treuepflichtverstöße hätte eine sofortige Auflösung des Pensionsvertrages durchgesetzt werden können. Aufgrund der später vom Berufungsgericht nicht übernommenen Feststellung, daß die Klägerin auch bei Kenntnis der Verfehlungen des Beklagten den Pensionsvergleich geschlossen hätte, sei aber nicht darauf einzugehen, ob die Klägerin wie eine redliche Person gehandelt hätte. Es bestehe daher die Gegenforderung aus den Versorgungsgenußansprüchen des Beklagten.

Das Berufungsgericht änderte nach teilweiser Beweiswiederholung das Ersturteil dahin ab, daß es die Klageforderung mit S 177.524,37 als zu Recht bestehend, die Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend feststellte und daher die beklagte Partei zur Zahlung dieses Betrages verurteilte.

Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, daß die Bereinigungswirkung des Vergleiches über den Pensionsanspruch des Beklagten nur den Austausch des Amtsverzichtes des Beklagten gegen den vergleichsweise reduzierten Versorgungsgenuß umfaßt habe. Die Funktionäre der Klägerin hätten sich bloß in der ihnen zu unterstellenden Annahme geirrt, der Kläger habe sich bei seiner Amtsführung soweit im Rahmen der Gesetze gehalten, daß ihm kein strafbares Verhalten zur Last gefallen sei. Da feststehe, daß die Klägerin ohne diesen Irrtum den Vergleich nicht abgeschlossen hätte, sei zu prüfen, ob der Beklagte diesen Irrtum veranlaßt habe. Dies sei der Fall, weil er die Verwendung der Mittel gegenüber der Klägerin nicht offengelegt habe. Die Klägerin habe spätestens mit dem Vortrag ihres Schriftsatzes vom 18.9.1990 in der Tagsatzung vom 26.9.1990, mit dem sie die Zahlung jeglicher Pension an den Beklagten wegen der zweckwidrigen Verwendung von Geldern aus dem Refundierungsfonds endgültig abgelehnt habe, den Widerruf jeder Pensionszusage erklärt. Sie habe deutlich gemacht, daß sie im Hinblick auf die Verfehlungen des Beklagten weder den Versorgungsgenuß laut Vergleich noch nach der seinerzeitigen Pensionsvereinbarung zu zahlen gedenke. Der Beklagte habe im Bewußtsein des Fehlens einer Kontrolle in einem Zeitraum von nur zwei Jahren S 300.196,89 für eigenwirtschaftliche Zwecke dem Kammervermögen entzogen und damit ein gravierendes Fehlverhalten an den Tag gelegt, mit dem bewußt den Interessen aller von der Klägerin vertretenen Arbeitnehmer zuwidergehandelt worden sei. Gerade an das Verhalten von leitenden Angestellten sei ein strengerer Maßstab anzulegen. Auch ohne Treuepflichtklausel mit Widerrufsvorbehalt im Pensionsvertrag könne bei Hervorkommen während des Dienstverhältnisses begangener gravierender Malversationen zum Nachteil des Dienstgebers eine Pensionsvereinbarung widerrufen werden. Daß die Mittel des Refundierungsfonds auch schon von den Vorgängern des Beklagten in gleicher Weise verwendet worden seien, sei nicht nur nicht erweislich, sondern nachweislich falsch, was den unmittelbaren Amtsvorgänger betreffe. Auf eine solche Übung hätte sich der Beklagte auch nicht berufen dürfen, sondern hätte - schon kraft seines Amtes - einen solchen Mißbrauch abzustellen gehabt. Das Nichtbenötigen von Vorstandsbeschlüssen für den Einsatz der Mittel des Refundierungsfonds käme für Entnahmen für private Zwecke nicht in Betracht, weil mit einer derartigen Inanspruchnahme des Fonds durch den Beklagten nicht gerechnet werden mußte. Mangels eines Gegenbeweises sei den maßgeblichen Funktionären der Klägerin pflichtgemäßes, den Mitteleinsatz durch den Beklagten nicht billigendes Verhalten zu unterstellen. Der Widerruf der Zusage des Versorgungsgenusses durch die Klägerin sei daher berechtigt und auch nicht verspätet gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß die Klageforderung lediglich mit S

9.780 sA als zu Recht bestehend festgestellt und das Klagebegehren unter Bedachtnahme auf die Gegenforderung abgewiesen werde.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Im Hinblick auf die im Hauptprozeß ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12.Juni 1996, AZ 9 ObA 2096/96t, genügt es, auf dieses zwischen den Parteien ergangene Erkenntnis hinzuweisen, zumal alle strittigen und von der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen bereits in jener Entscheidung abgehandelt wurden.

Lediglich zum Verständnis ist in Kurzfassung festzuhalten:

Die vom Strafgericht festgestellten Verfehlungen des Beklagten berechtigten die Klägerin zur einseitigen Auflösung des Pensionsvertrages aus wichtigem Grund. Nachträglich entdeckte, während des aufrechten Dienstverhältnisses begangene gravierende Treuepflichtverstöße rechtfertigen die Einstellung der vertraglich zugesicherten Pension auch ohne eine diesen Fall erfassende Treuepflichtklausel. Der Beklagte ist mangels Weisungsgebundenheit als Präsident des Klägerin in keinem abhängigen Arbeitsverhältnis beschäftigt gewesen. Er ist ähnlich dem Vorstandsmitglied einer AG nicht als Arbeitnehmer anzusehen noch kommt ihm Arbeitnehmerähnlichkeit zu. Es fehlt ihm an der wirtschaftlichen Unselbständigkeit und der sozialen Schutzbedürftigkeit. Die Rechtsstellung des Beklagten rechtfertigt die Anlegung eines strengen Maßstabes an sein Verhalten. Da der Beklagte diese Leitungsposition trotz äußerst großzügiger Honorierung dazu mißbraucht hat, Mittel der Klägerin in erheblichem Umfang für eigenwirtschaftliche Zwecke zu verwenden und damit die Interessen der Klägerin, ja sogar den Bestand der Kammer für Arbeiter und Angestellte als gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer insgesamt schwerstens gefährdet hat, so daß die Leistungen des Beklagten nach einer Gesamtbeurteilung seines Verhaltens für die Klägerin rückblickend als wertlos anzusehen waren, ist die Geltendmachung von Pensionsansprüchen durch den Beklagten als sittenwidrig anzusehen. Er hat durch sein Verhalten die Rechte aus dem Pensionsvertrag verwirkt. Der Widerruf ist auch als rechtzeitig anzusehen. Die Berufung des Beklagten auf die Dienst-, Bezug- und Pensionsordnung für die Bediensteten der Kammer für Arbeiter und Angestellte Österreichs in der Revision ist eine unzulässige Neuerung. Außerdem ist sie nur auf Bedienstete des Kammeramtes anzuwenden, nicht jedoch auf das freie Dienstverhältnis des Beklagten, zumal auch weder behauptet noch bewiesen ist, daß deren Anwendung auf das Pensionsverhältnis des Beklagten vereinbart wurde. Mit seiner Argumentation, aus den Entnahmen des Beklagten aus dem Refundierungsfonds seien Aufwendungen für Zwecke der Klägerin getätigt worden, die durchaus kammerüblich gewesen seien, so daß weder Rechtswidrigkeiten noch Verschulden des Beklagten seinem Handeln zugrunde gelegen wäre, ist der Revisionswerber auf die Entscheidung des verstärkten Senates (JBl 1996, 117 = EvBl 1996/34) zu verweisen, wonach sich der wegen einer strafbaren Handlung rechtskräftig Verurteilte im nachfolgenden Rechtsstreit nicht darauf berufen kann, daß er die Tat, derentwegen er verurteilt wurde, nicht begangen habe.

Der Revision des Klägers ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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