BVwG L518 2164171-1

BVwGL518 2164171-129.11.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L518.2164171.1.01

 

Spruch:

L518 2164174-1/8E

 

L518 2164176-1/7E

 

L518 2164168-1/7E

 

L518 2164171-1/6E

 

L518 2164170-1/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Armenien alias Syrien, vertreten durch RAe Dr. Dellasega & Dr. Kapferer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF und § 52 Abs. 2 Z 2, § 52 Abs. 9 iVm § 46 und §§ 53, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Armenien alias Syrien, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch RAe Dr. Dellasega & Dr. Kapferer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF und § 52 Abs. 2 Z 2, § 52 Abs. 9 iVm § 46 und §§ 53, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Armenien alias Syrien, vertreten durch RAe Dr. Dellasega & Dr. Kapferer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF und § 52 Abs. 2 Z 2, § 52 Abs. 9 iVm § 46 und §§ 53, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Armenien alias Syrien, gesetzlich vertreten durch den Vater XXXX , diese vertreten durch RAe Dr. Dellasega & Dr. Kapferer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF und § 52 Abs. 2 Z 2, § 52 Abs. 9 iVm § 46 und §§ 53, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

5.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Armenien alias Syrien, gesetzlich vertreten durch den Vater XXXX , dieser vertreten durch RAe Dr. Dellasega & Dr. Kapferer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF und § 52 Abs. 2 Z 2, § 52 Abs. 9 iVm § 46 und §§ 53, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter betreffend den Beschwerden von XXXX , geb. am XXXX , XXXX , geb. am XXXX , XXXX , geb. am XXXX , XXXX , geb. am XXXX und XXXX , geb. am XXXX , alle StA. Armenien alias Syrien, alle vertreten durch RAe Dr. Dellasega & Dr. Kapferer, wegen den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2017, beschlossen:

 

A) Die Anträge, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, werden als unzulässig zurückgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als bP1 – bP5 bezeichnet) brachten bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein.

 

Die bP 1 und bP 2 sind die Eltern der minderjährigen bP 4 und 5. bP 1 und bP 2 sind traditionell verheiratet. Die bP 3 ist die Mutter der bP 2.

 

Die bP 1 bis 3 brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 08.04.2015 ihre Anträge ein. Für die in Österreich geborenen bP 4 und 5 wurden die Anträge jeweils unter Vorlage der österreichischen Geburtsurkunde, der Geburtsbestätigung, eines Vaterschaftsannerkenntnisses durch die bP 1, des Meldezettels und eines Mutter-Kind-Passes am 08.03.2016 (bP 4) bzw. am 08.05.2017 (bP 5) gestellt.

 

I.2. Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachten die bP vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen vor, dass sie aus Syrien stammen, kurdische Jesiden seien und aufgrund des Krieges im Heimatstaat geflohen wären.

 

Die bP behaupteten, aus dem Ort XXXX in Syrien nahe der türkischen Grenze zu stammen.

 

I.3. Im Rahmen der Einvernahmen vor der belangten Behörde am 12.04.2016 mit einer Dolmetscherin für Kurdisch gaben die bP 1 – 3 an, dass die Reisepässe ihnen vom Schlepper abgenommen worden wären. Den bP 1 – 3 wurden weiters diverse Fragen zur Stadt Qamischli und weiteren Städten, dem Heimatdorf und markanten Punkten in dessen Umgebung sowie zur Religion, zum Fluchtweg, dem Fluchtgrund und dem Privat- und Familienleben gestellt.

 

Die bP 3 gab an, Zuckerkrank zu sein, Bluthochdruck und immer wieder Kopfschmerzen zu haben. Sie zeigte diverse Medikamente vor.

 

I.4. Am 11.05.2016 erfolgten weitere Einvernahmen der bP 1 – 3 vor der belangten Behörde. Im Rahmen dieser Einvernahmen wurden telefonische Sprachanalysen samt Kenntniskontrolle zu Syrien mit dem Sprachinstitut SPRAKAB (jeweils ca. 30 min) durchgeführt.

 

Die Berichte langten am 12.05.2016 bei der belangten Behörde ein.

 

Aufgrund der dabei mit den bP geführten Gesprächen gelangte das Institut gemäß Sprachanalyseberichten zu der Einschätzung, dass der sprachliche Hintergrund der bP mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Armenien liege und die Wahrscheinlichkeit für den angegebenen sprachlichen Hintergrund Syrien demgegenüber sehr gering ist. Die bP sprechen demnach Kurmandschi auf muttersprachlichem Niveau und entspricht das von den bP gesprochene Kurmandschi nicht der in Syrien gesprochenen Variante. Es wurden phonologische, grammatikalische und lexikalische Merkmale angeführt, welche die bP aufweisen und die nicht dem in Syrien gesprochenen Kurmandschi entsprechen. Andererseits wies der Sprachgebrauch der bP phonologische, grammatikalische und lexikalische Merkmale auf, welche dem in Armenischen gesprochenen Kurmandschi entsprechen. Die entsprechenden, von den bP verwendeten Ausdrücke wurden aufgelistet.

 

Auch die Kenntniskontrolle ergab, dass die bP keine allgemeinen Fragen ua. zu Städten, traditionellen Speisen, berühmten Personen, kurdischen Sängern, Gewässern oder Sehenswürdigkeiten in der Nähe des von ihnen in Syrien angegebenen Herkunftsortes beantworten konnten.

 

I.5. Am 03.08.2016 wurden die bP 1 – 3 erneut vor der belangten Behörde einvernommen und wurden ihnen die Ergebnisse der Sprachanalysen vorgehalten. Die bP wurden befragt, ob sie sich mittlerweile Dokumente besorgt haben, was diese verneinten. Nach wie vor wurde behauptet, sie würden aus Armenien stammen. Die bP 1 gab an, dass sie in der Nähe der türkischen Grenze, ca. 40-50 km entfernt gelebt hätten, es in jedem Land Gebiete mit eigenen Dialekten gäbe und sie einen türkischen Dialekt bei ihrer Sprache Kurmanschi hätten. Die bP 2 gab als Rechtfertigungsversuch auch an, Analphabetin zu sein, weshalb sie mangels Schulbesuches keine arabischen Wörter verwende. Die bP 3 führte aus, dass sie die Person am Telefon nicht richtig verstanden aber alle Fragen richtig beantwortet habe.

 

Die bP zeigte nachstehende Medikamente, welche sie einnehme, vor:

 

* Venlafaxin Actavis 75mg Retardkapseln, Wirkstoff Venlafaxin

 

* - Pantoprazol Actavis 40mg, magensaftresistente Tabletten, Wirkstoff Pantoprazol-Natrium- Sesquihydrat

 

* Pram 20mg, Filmtabletten, Wirkstoff Pram

 

* Trittico retard 150mg Tabletten, Wirkstoff Trazodonhydrochlorid sowie Saccharose

 

* VenlafaxinJanumet 50mg/1000mg Filmtabletten, Wirkstoff Sitagliptin/Metforminhydrochlorid

 

* Gliclazid Sandoz 30mg Tabletten, Wirkstoff Gliclazid

 

* - Forxiga 10mg Filmtabletten, Wirkstoffe:

Dapagliflozin-(2S)-Propan-1,2-diol (1:) 1 H2O entsprechende 10 mg Dapagliflozin

 

* Lendrom 0,25 mg Tabletten, Wirkstoff Brotizolam

 

* Simvastatin Sandoz 20 mg, Wirkstoff: Simvastatin

 

* Xanor 0,5 mg, Wirkstoff Alprazolam

 

I.6. Am 22.08.2016 wurde vom nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreter eine Vollmachtsbekanntgabe übermittelt. Ausgeführt wurde, dass die bP zwar Jesiden, aber keine Kurden wären, was fälschlicherweise in den Protokollen aufscheine. Darüber hinaus hätten die bP jetzt auf Google Maps den Heimatort gefunden und wurde ein Ausdruck beigelegt. Die bP hätten den Heimatort so gut wie nie verlassen, weshalb sie auch nur Kurmanschi sprechen könnten. Die bP wären Analphabeten und habe die bP 1 erst in Österreich einen Alphabetisierungskurs besucht. Nur die bP 1 könne etwas Arabisch. Im Heimatdorf hätten überdies nur 2 kurdische Familien und sonst nur Jesiden gelebt. Es wurde angeführt, dass die Heimatstadt XXXX in der Provinz XXXX , dem Bezirk XXXX liege. Sie liege an dem Fluß XXXX .

 

Es wurde beantragt, jeweils Sprachanalysen mit einem aus Syrien stammenden Jesiden, welcher gerichtlich zertifizierter Dolmetscher ist, durchführen zu lassen, wobei das Gespräch von Angesicht zu Angesicht zu führen sei. Vorgelegt wurde in diesem Zusammenhang eine nicht beglaubigte "Erklärung an Eides statt", dass XXXX (idF: A) Jeside sei, aus Armenien stamme, dort bis 2009 gelebt habe und Kurmanschi spreche. Er habe bemerkt, dass die bP 1 Wörter verwende, die er nicht verstehe. Würde die bP 1 aus Armenien stammen, müsste er armenische Ausdrücke verwenden, was nicht gegeben sei, weshalb A meine, die bP 1 komme nicht aus Armenien. Die bP 1 habe beim Telefonat mit dem Sprachinstitut viele Worte des Interviewers nicht verstanden.

 

Darüber hinaus wurde angeführt, die bP hätten einen Ausweis mit Lichtbild (Hawi) gehabt, aber nie einen Reisepass besessen.

 

I.7. Am 05.01.2017 wurden die bP 1 – 3 nochmals einvernommen. Am 23.06.2017 wurde die bP 2 in Anwesenheit der bP 3 nochmals einvernommen bzw. wurden die vorangegangenen Einvernahmen der bP 2 nochmals verlesen. Der bP 3 wurde aufgetragen, aktuelle medizinische Unterlagen vorzulegen.

 

I.8. Mit 19.01.2017 wurden medizinische Befunde betreffend die bP 3 vorgelegt. Es handelte sich dabei jedoch um bereits vorgelegte Unterlagen.

 

I.9. Die bP legten erstinstanzlich vor:

 

* Deutschkursbestätigungen "Grundversorgung Deutsch" bP 1-3

 

* Unterstützungsschreiben Flüchtlingsbetreuer

 

* Unterstützungsschreiben Fußballverein der bP 1

 

* Teilnahmebestätigung Abfalltrennung und Abfallvermeidung bP 1-3

 

* Unterstützungserklärung einer freiwilligen Deutschlehrerin der bP

 

* Deutschprüfungsnachweis A2 bP 2

 

* -Bestätigung der Gemeinde über die freiwillige Arbeit von bP 1

 

* - Bestätigung von XXXX über die Teilnahme am Projekt VINCIHand durch bP 1 der Tiroler Sozialdienste, im Original.

 

* - Geburtsurkunden bP 4 und 5

 

* - Anerkennung der Vaterschaft,

 

* - Auszug aus dem Geburteneintrag bP 4 und 5

 

* Empfehlungsschreiben von XXXX

 

bP 3:

 

* - Behandlungstermine im Therapiezentrum

 

* - Ärztlicher Kurzbericht wegen Diabetes des Bezirkskrankenhauses

 

* - Stationärer Arztbrief des Landeskrankenhauses

 

* - Therapievorschlag des Landeskrankenhauses

 

* - Ambulanter Arztbrief vom Bezirkskrankenhaus

 

* - Befund und Kumulativbefund

 

* Ärztlicher Kurzbericht Tumor

 

I.10. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die bP Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Des Weiteren wurde den Beschwerdeführern gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.). und sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 und Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde (Spruchpunkt V.). Zudem wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG gegen sie ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

 

I.10.1 Im Rahmen der Beweiswürdigung beurteilte die belangte Behörde das Vorbringen der bP, aus Syrien zu stammen, als unglaubwürdig.

 

Hinsichtlich der Würdigung des Vorbringens zur Staatsangehörigkeit und zum Fluchtvorbringen an sich wird die Beweiswürdigung der belangten Behörde zur bP 1 diesbezüglich nachstehend widergegeben, welche sich in leicht abgewandelter Form in allen Bescheiden der bP 1 – 3 findet. Hinsichtlich der bP 4 und 5 wurde darauf verwiesen, dass die bP 1-3 keine Verfolgung glaubhaft machen konnten und für die bP 4 und 5 keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden, sondern auf die Vorbringen von bP 1 – 3 verwiesen wurde.

 

I.10.2. Beweiswürdigung hinsichtlich bP 1:

 

"Die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht muss nicht nur behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden. Glaubhaftmachung bedeutet, die Behörde davon zu überzeugen, dass der behauptete Sachverhalt wahrscheinlich verwirklicht worden ist.

 

Ein Vorbringen wird dann glaubhaft sein, wenn es vier Grundanforderungen erfüllt:

 

1. Das Vorbringen ist genügend substantiiert. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.

 

2. Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

 

3. Das Vorbringen muss plausibel sein, dh. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist ua. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen und

 

4. der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.

 

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

 

Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte Ihre Identität nicht festgestellt werden. Soweit Sie namentlich genannt werden, legt das Bundesamt auf die Feststellung wert, dass dies lediglich Ihrer Identifizierung als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung im Sinne des § 38 AVG bedeutet.

 

Sie haben behauptet, dass Sie Staatsangehöriger von Syrien sind. Sie konnten jedoch keinerlei Dokumente vorlegen um Ihre Staatsangehörigkeit nachzuweisen. Zudem war Ihr Wissen über Syrien äußerst dürftig.

 

So gaben Sie zum Beispiel an, dass es in XXXX keinen Flughafen geben würde. Auch die Beschreibung Ihres Heimatdorfes viel äußerst oberflächlich aus.

 

Aufgrund dieser Umstände wurde bei Ihnen eine Sprachanalyse durchgeführt. Auch im Zuge der Sprachanalyse wurde eine Kenntniskontrolle durchgeführt. Sie wussten jedoch nichts über das von Ihnen behauptete Herkunftsland. Sie wussten nicht einmal die größten Städte, wussten keine Sehenswürdigkeiten, keine typischen Speisen, keine berühmten Personen und keine Gewässer. Die Sprachanalyse hat ergeben, dass Ihr sprachlicher Hintergrund in Armenien und nicht wie von Ihnen behauptet in Syrien liegt.

 

Allgemein wird zur Tätigkeit von SPRAKAB ausgeführt, dass Sprachanalysen dort von Migrations- und Polizeibehörden in Auftrag gegeben werden, um den sprachlichen Hintergrund einer Person feststellen zu können. Das Unternehmen hat ein umfangreiches Kontaktnetz an erfahrenen Sprachanalytikern aufgebaut und kann Sprachanalysen in den meisten Sprachen anbieten. Nicht nur das schwedische Staatliche Migrationsamt ist Kunde. SPRAKAB erstellt auch Sprachanalysen für Einwanderungs- und Polizeibehörden in vielen anderen Ländern und liefern Sprachanalysen auf Deutsch, Englisch und Französisch. Eine Sprachanalyse gibt Aufschlüsse über den sprachlichen Hintergrund einer Person. Die von SPRAKAB angewandte Methode ist langwierig erprobt und wird seit 12 Jahren angewandt. Das Resultat ist sehr verlässlich und ergibt auf der Grundlage einer linguistischen Analyse ein gutes Bild des sprachlichen Hintergrundes der Person. (http://www.sprakab.com/deutsch/ sprakanalys.htm)

 

SPRAKAB ist im Gegensatz zu Ihnen nicht am Verfahrensausgang - egal in welche Richtung auch immer - interessiert und daher kommt der durchgeführten Analyse aufgrund der oa. Ausführungen erhöhte Beweiskraft zu. Zudem ist aus Sicht der erkennenden Behörde davon auszugehen, dass das Institut um bestmögliche Objektivität und Unbefangenheit bemüht sein muss, da andernfalls die Analysen für die Verfahren vor den Behörden und Gerichten unbrauchbar wären und letzten Endes dieses Institut wohl nicht mehr mit der Erfüllung dieser Aufgabe betraut werden würde.

 

Bei der durchgeführten Analyse wurden sowohl die von Ihnen verwendete Sprache, als auch Ihr landeskundlich-kultureller Wissenstand überprüft und das beauftragte Sprachinstitut kam in seinem Analysebericht widerspruchsfrei und logisch nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass Ihr sprachlicher Hintergrund mit sehr hoher Sicherheit in Armenien, jedoch mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit in Syrien liegt.

 

Da aus dem Bericht der durchgeführten Sprachanalyse somit eindeutig hervorgeht, dass Ihr sprachlicher Hintergrund mit sehr hoher Sicherheit in Armenien liegt und Sie selbst im Zuge Ihres Asylverfahrens keine konkreten Angaben zu Ihrem Wohnort und dessen Umgebung, etc. tätigen konnten, steht für die erkennende Behörde fest, dass Sie Staatsangehöriger von Armenien sind.

 

Aufgrund des vorliegenden Beweismittels legt die erkennende Behörde der gegenständlichen Entscheidung somit die Feststellung zu Grunde, dass Sie Staatsbürger von Armenien sind.

 

Mit diesem Ergebnis der Sprachanalyse in der Einvernahme am 03.08.2016 konfrontiert, blieben Sie bei Ihrer Aussage syrischer Staatsangehöriger zu sein.

 

Es war Ihnen jedoch weder möglich unbedenkliche Dokumente oder Beweismittel in Vorlage zu bringen, die die von Ihnen angeführte Staatsangehörigkeit zu Syrien bestätigen würde. Ihre Angaben, bei welchen es sich um reine Behauptungen handelt, waren somit nicht geeignet das Ergebnis des Analyseberichtes in Zweifel zu ziehen bzw. diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegenzutreten, dieses sonst schlüssig zu entkräfteten oder Unschlüssigkeiten innerhalb der Analyse aufzuzeigen.

 

Die von SPRAKAB getätigten Ausführungen fanden zudem auch im Wesentlichen ihre Bestätigung in der bereits durchgeführten Einvernahme. Besonders wird auf den Umstand hingewiesen, dass es Ihnen nicht möglich war unbedenkliche Dokumente oder Beweismittel in Vorlage zu bringen, noch konkrete geografische Anhaltspunkte wie zB. größere Dörfer oder Orte zu benennen, konkrete Angaben zu der Umgebung Ihres Dorfes zu tätigen.

 

Die erkennende Behörde verkennt dabei keinesfalls, dass es sich bei Ihnen – laut eigenen Angaben – um einen Analphabeten handelt, welcher als Landwirt gearbeitet hätte und somit auch die an Ihre Person gestellte Erwartungshaltung nicht an den europäischen Maßstab angelehnt werden konnte. Es wäre jedoch auch von einem ungebildeten Menschen zu erwarten gewesen, dass er zumindest eine individuelle Darstellung der Geschehnisse, aufgrund welchem er schließlich geflüchtet wäre, sowie Angaben zum Leben in seinem Heimatdorf und den dortigen Traditionen, Gebräuchen und Feiern tätigen hätte können.

 

Die erkennende Behörde gelangt somit aufgrund Ihrer fehlenden Angaben, gestützt von dem Ergebnis der durchgeführten Sprachanalyse, zu dem Schluss, dass das von Ihnen vorgegebene Unwissen, von dem Versuch zeugt Ihre wahre Staatszugehörigkeit zu verschleiern und sich mit Ihren Angaben, Sie wären syrischer Staatsbürger, einen Vorteil im Asylverfahren zu erschleichen.

 

Aufgrund der oben angeführten Ausführungen steht für die erkennende Behörde zweifelsfrei fest, dass Sie nicht aus Syrien, sondern aus Armenien stammen.

 

Entsprechend der oben genannten Erwägungen wurden Ihre Angaben zu Ihrer Herkunft vollinhaltlich entkräftet, wobei Sie augenscheinlich, trotz entsprechender Belehrung, vorsätzlich – weiterhin - falsche Angaben zu Ihrer Herkunft machten.

 

Zum Antrag vom 22.08.2016 Ihres rechtsfreundlichen Vertreters wird auf die ausführliche Beweiswürdigung zum Sprachanalysebericht von Sprakab verwiesen. Es sind keinerlei Zweifel an der vorliegenden Sprachanalyse hergekommen und sind Sie und Ihr Vertreter dem Bericht auch nicht auf gleichwertiger bzw. höherwertiger Qualifikationsebene entgegen getreten und sieht die Behörde daher keinerlei Anlass das Ergebnis der Sprachanalyse, alleinig wegen Ihren aufgestellten nicht nachvollziehbaren Behauptungen und Erklärungen, in Bedenken zu stellen. Es wäre immer möglich, ein noch umfassenderes Gutachten in Auftrag zu geben, doch ist dies aus Gründen der Effizienz und Verfahrensökonomie nur dann zielführend, wenn berechtigte Zweifel am ursprünglichen Sprachanalysebericht aufgekommen wären, was jedoch nicht der Fall ist. Im Analysebericht ist vollständig und schlüssig dargelegt, weshalb Sie aus Armenien und nicht aus Syrien stammen.

 

Es steht Ihnen und Ihrem Vertreter jedoch jederzeit frei auf gleicher fachlicher Ebene entgegen zu treten.

 

Zur eidesstattlichen Erklärung eines Armeniers, dass Sie nicht aus Armenien stammen würden, weil Sie teilweise Wörter verwenden, die Herr XXXX nicht verstehen würde, ist anzuführen, dass es sich bei Herrn XXXX offensichtlich nicht um einen Sprachgutachter handelt und er somit auch nicht die Qualifikation besitzt das Herkunftsland festzustellen.

 

Der Analytiker hingegen wurde in Jerewan geboren und ist dort aufgewachsen. Zudem wurde der Analytiker Prüfungen unterzogen und ist genehmigt Sprachanalysen in den Sprachen Kurmandschi, Armenisch und Russisch durchzuführen, weshalb kein Zweifel an der vollen Unbefangenheit, der Objektivität und der fachlichen Qualifikation des Analytikers gegeben ist. Der Antrag Ihres Vertreters war somit abzuweisen.

 

Aus den angeführten Gründen wird Ihren Angaben zu Ihrer Person und Nationalität somit keine Glaubwürdigkeit zugesprochen, zumal Sie bewusst und in absichtlicher Täuschung mit falscher Identität aufgetreten sind. Sie wurden jedoch bereits bei Ihrer Asylantragstellung auf die erforderliche Wahrheits- und Mitwirkungspflicht im Asylverfahren aufmerksam gemacht.

 

Durch das Verschweigen bzw. Verheimlichen Ihrer tatsächlichen Herkunft haben Sie jedoch Ihre Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren erheblich verletzt. Diese mangelnde zumutbare und mögliche Mitwirkung im Verfahren wirkt sich auch auf die Beurteilung der generellen Glaubwürdigkeit der Person nachteilig aus.

 

Da kein qualifizierter Sachverhalt hervorkommt, welche die Ausnahmevermutung zuließe, dass Sie trotz Ihrer Abstammung aus Armenien nicht die armenische Staatsbürgerschaft besitzen sollten, ist letztlich festzustellen, dass Sie aus Armenien stammen und die armenische Staatsbürgerschaft besitzen.

 

Aufgrund Ihrer diesbezüglich glaubwürdigen Angaben und Ihrer diesbezüglichen Sprachkenntnissen, geht die erkennende Behörde davon aus, dass Sie zur Volksgruppe Yeziden angehören.

 

Die Feststellungen Ihren Gesundheitszustand betreffend gründen sich auf Ihre Angaben anlässlich der Einvernahmen vor dem BFA im Zuge derer Sie angaben, in der Lage zu sein, die jeweilige Einvernahme durchzuführen. Weiters gaben Sie an, an keinen physischen oder psychischen Problemen zu leiden. Ihre diesbezüglichen Angaben werden auch durch Ihr Verhalten während der Einvernahme, wo Sie zeitlich und örtlich orientiert waren, einen völlig normalen Eindruck machten, auf die Fragen klar und spontan antworteten und sich keinerlei Anzeichen ergaben, dass Sie psychisch beeinträchtigt wären, bestätigt.

 

Aus diesem Grunde hatten die vorangeführten Feststellungen zu Ihrer Erwerbfähigkeit zu erfolgen.

 

Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

 

Mit Ihren Angaben zu den Gründen Ihrer Ausreise vermochten Sie – wie nachstehend ausgeführt - eine Verfolgungsgefahr in der Heimat nicht glaubwürdig darzulegen. Die Behauptung einer konkreten Verfolgung in Ihrer Heimat kann nur als eine in den Raum gestellte Behauptung gewertet werden, der aufgrund der mangelnden Plausibilität und Nachvollziehbarkeit, wie nachstehend begründet, keine Glaubwürdigkeit geschenkt werden kann. Um den Erfordernissen der Glaubwürdigkeit zu genügen, muss das Vorbringen des Asylwerbers nämlich hinreichend substantiiert sein, weshalb eine bloß vage Schilderung entscheidender Umstände für eine Glaubhaftmachung der asylrechtlichen Relevanz der Erlebnisse des Antragstellers nicht ausreicht. Weiters muss das Vorbringen, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Überdies muss – wie bereits zuvor ausgeführt – das Vorbringen plausibel sein, das heißt mit den Tatsachen oder den allgemeinen Erfahrungen übereinstimmen.

 

Als glaubwürdig können Fluchtgründe im allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Antragsteller die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe der Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt. Die Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen wenn der Antragsteller während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängen, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollen und der Wirklichkeit nicht entsprechen.

 

Bereits Ihre Angaben den Staat Ihrer tatsächlichen Herkunft betreffend sind, wie oben ausgeführt, unglaubwürdig. Sie haben nämlich bereits bei der Stellung Ihres Asylantrages versucht, Ihre wahre Identität zu verschleiern und schon bei der Bekanntgabe Ihrer persönlichen Daten unrichtige Angaben gemacht. Infolgedessen kann schon allein aus diesen Gründen auch den vorgebrachten Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit geschenkt werden, da, wenn nicht einmal Ihre Angaben zur Herkunft als glaubwürdig anzusehen ist, wohl auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass Ihr übriges Vorbringen den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht.

 

Sie haben behauptet, dass Sie Syrien aufgrund des Krieges verlassen hätten.

 

Da wie bereits oben ausführlich erwähnt festgestellt wurde, dass Sie Staatsangehöriger von Armenien und nicht von Syrien sind, kann schon allein aus diesem Grund Ihrem Fluchtvorbringen keine Glaubwürdigkeit zugesprochen werden, da Sie sämtliche Angaben auf Syrien bezogen haben und trotz mehrmaligem Vorhalt bei Ihren Angaben geblieben sind. Hinsichtlich Armenien haben Sie keinerlei Asylgründe vorgebracht.

 

Es ist somit offensichtlich, dass Sie auf arglistige Weise wahre, schreckliche Ereignisse in Syrien dazu nutzen um daraus für sich – einen armenischen Staatsbürger – einen asylrelevanten Sachverhalt zu konstruieren, was Ihnen jedoch nicht gelang.

 

Gemäß der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es aber Aufgabe des Asylwerbers durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (Erk. des VwGH vom 25.03.1999, Zl. 98/20/0559).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage eines Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (Erk. des VwGH vom 24.06.1999, Zl. 98/20/0453; Erk. des VwGH vom 25.11.1999, Zl. 98/20/0357). Diesen Anforderungen vermochten Sie mit Ihrem Vorbringen nicht gerecht zu werden.

 

Weiters trat ganz deutlich im Laufe des Verfahrens hervor, dass Sie aus Armenien kommen und nicht wie von Ihnen behauptet, aus Syrien. Trotz dieser Offensichtlichkeit beharrten Sie darauf, dass Sie aus Syrien stammen würden und syrischer Staatsbürger wären. Sie wären nicht aus Armenien. Weitere Erklärungen oder Ausführungen dazu haben Sie im Rahmen dieser Einvernahme nicht angeführt. Sie zeigten mit Ihrem Verhalten und Ihrem Desinteresse deutlich, dass Sie offensichtlich nicht gewillt sind, am Verfahren mitzuwirken.

 

Dazu ist anzuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof eine erhöhte Mitwirkungspflicht eines Antragstellers im Ermittlungsverfahren dann für gegeben hält, wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand (wie beispielsweise familiäre oder finanzielle Situation) handelt, von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann. Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maß höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).

 

Beurteilt man nun Ihren Fall im Lichte der dargestellten Judikatur, so ist festzustellen, dass Sie Ihrer Mitwirkungspflicht und Ihrer Bescheinigungsobliegenheit nicht nachgekommen sind. Mangels Beibringung nationaler Identitätsdokumente oder sonstiger Bescheinigungsmittel konnte weder Ihre Identität, noch Ihr Fluchtgrund festgestellt werden. Letztlich sind Sie trotz mehrmaliger Hinweise auf die Wichtigkeit von Beweismittel sowie der Aufforderung zur Vorlage solcher, jegliches Bescheinigungsmittel für Ihre Identität Ihrer Person oder Richtigkeit Ihres ausreiserelevanten Sachvortrages schuldig geblieben bzw. zogen Sie sich auf den Standpunkt zurück, dass Ihre Angaben stimmen würden.

 

Mit Ihren Angaben vermochten Sie jedoch dem vom Gesetz geforderten Glaubhaftigkeitsanspruch nicht gerecht zu werden und musste Ihrem Vorbringen die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden, denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit - wenn er tatsächlich einer Verfolgungsgefährdung in seinem Heimatstaat unterliegt - zentral entscheidungsrelevante Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (vgl. Beschluss des VwGH 2000/01/0250 vom 7.6.2000).

 

Zusammengefasst kann aus Ihrer Geschichte und Ihrem Auftreten somit eindeutig geschlossen werden, dass Sie den gegenständlichen Asylantrag nur aus Zwecken der Aufenthaltserlangung in Österreich und unter Vortäuschung einer falschen Herkunft gestellt haben. Ihnen war es während des gesamten Verfahrens nicht möglich, auch nur annähernd den Eindruck zu erwecken, dass Ihre Angaben und die von Ihnen behauptete Herkunft und infolgedessen auch die sich auf diesen Staat beziehenden Fluchtgründe den Tatsachen bzw. der Wirklichkeit entsprechen.

 

Ihr Asylantrag beruht zweifellos auf einer vorsätzlichen Täuschung und stellt daher einen Missbrauch des Asylverfahrens dar. Sie wollten sich mit Ihrem Verhalten unter Vortäuschung einer falschen Nationalität offensichtlich Rechtsvorteile verschaffen.

 

Im gegenständlichen Fall ist letztlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass aufgrund der gehäuften Widersprüche (z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) und auftretender Unplausibilitäten (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093) Ihre Schilderungen mit der Tatsachenwelt nicht im Einklang stehen und letztlich als unglaubwürdig zu qualifizieren sind.

 

Zusammenfassend war daher zu befinden, dass die Geschichte wohl asylzweckbezogen angelegt, in dieser Form aber weder nachvollziehbar noch glaubwürdig war, und die von Ihnen geltend gemachte Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Vielmehr kann aus Ihrem Auftreten geschlossen werden, dass Sie den Asylantrag nur zum Zwecke der Aufenthaltserlangung in Österreich gestellt haben.

 

? Betreffend keine Frist zur freiwilligen Ausreise und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

 

Wie in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert, haben Sie versucht die Behörde über Ihre wahre Herkunft zu täuschen und hat sich Ihr Fluchtvorbringen als tatsachenwidrig erwiesen.

 

? Betreffend den Gründen für Erlassung eines Einreiseverbotes:

 

Dass Ihnen keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt wurde, fundiert auf dem unbestreitbaren Akteninhalt. Der Grund für die Nichteinräumung einer Frist zur freiwilligen Ausreise war, weil Sie die Behörde über Ihre wahre Herkunft zu täuschen versucht haben und Ihr Fluchtvorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

 

Wie bereits aus der umfassenden Beweiswürdigung zu den Ausreisegründen hervorgeht, haben Sie den Antrag auf internationalen Schutz offensichtlich unbegründet und missbräuchlich gestellt. Ihr Antrag diente ausschließlich nur dafür, um sich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu erwirken.

 

Dass Sie über keine Barmittel verfügen geht aus Ihren Angaben im Zuge der Einvernahme hervor und aus dem Auszug aus der Grundversorgung.

 

Dass Sie auch aktuell keine Möglichkeit haben legal ein Einkommen zu erhalten, ergibt sich aus dem Umstand, dass Sie über keine Beschäftigungsbewilligung verfügen und ausschließlich von der Grundversorgung leben. Ihr Lebensunterhalt ist auf Dauer nicht gesichert. "

 

I.10.3. Zusätzlich hielt die belangte Behörde betreffend die bP 3 im Rahmen der rechtlichen Ausführungen gerade betreffend deren vorgebrachter Erkrankung in deren Bescheid fest:

 

"Auch im Hinblick auf die gesundheitlichen Probleme – wobei Sie an Diabetes leiden und wegen eines Magentumors operiert wurden - ergibt sich kein Abschiebungshindernis, zumal Rückkehrer genauso wie alle anderen behandelt werden, und klinische und ambulante Behandlungsmöglichkeiten in Armenien grundsätzlich vorhanden sind.

 

Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen, kurz existenziellen Gesundheitsgefahren – was aber bei dem Antragsteller nicht der Fall ist.

 

Das folge schon aus dem der Vorschrift immanenten Zumutbarkeitsgedanken. Ein Anspruch bereits bei einer objektiv ertragbaren Gesundheitsverschlechterung stehe in keiner vertretbaren Relation zur Rechtsgutverletzung durch ungerechtfertigte Freiheitsentziehung oder Lebensbedrohung. Lasse sich eine Erkrankung zudem jedenfalls soweit behandeln, dass sie auf dem aktuell gegebenen Niveau gehalten und damit eine Verschlimmerung, erst recht bis hin zur existenziellen Gefahr, verhindert werden könne, fehlten die Voraussetzungen für einen zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz.

 

I.10.4. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

 

I.10.5. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

 

Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.

 

I.10.6. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde wiederum im Wesentlichen gleichlautend hinsichtlich der bP insbesondere zu Spruchpunkt V und VI Nachstehendes aus (zitiert aus Bescheid der bP 1):

 

Zu Spruchpunkt V.:

 

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

 

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BFA-VG) stammt,

 

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

 

3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

 

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat;

 

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

 

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

 

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abzunehmen.

 

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt das als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

 

Wie oben ausgeführt, liegen Ziffer 3 und 5 in Ihrem Fall und in den Fällen Ihrer Familienmitglieder vor.

 

Sie haben im Zuge des Asylverfahrens eine falsche Nationalität angegeben und die Behörde über Ihre tatsächliche Herkunft zu täuschen versucht. In diesem Zusammenhang ist zu sagen, dass Sie mit Ihrer Vorgangsweise vor den österreichischen Behörden absichtlich und offenkundig Rechtsvorteile zu verschaffen suchten.

 

Für die Behörde steht fest, dass für Sie und Ihre Familie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Da Ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist und Ihnen auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat droht, ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens tritt hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.

 

Zu Spruchpunkt VI.:

 

Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden (§ 53 Abs. 1 FPG).

 

Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist dieses vorbehaltlich Absatz 3 für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen, wobei bei der Bemessung der Dauer das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen einzubeziehen und zu berücksichtigen ist, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

 

.

 

(Anführung § 53 FPG sowie Art. 11 RückführungsRL)

 

Die Aufzählung des § 53 FPG ist demonstrativ und demnach nicht als enumerativ abschließend anzusehen, was auch eindeutig aus dem Gesetzestext hervorgeht, nachdem klar festgestellt wird, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit insbesondere gegeben ist, wenn einer der aufgezählten Tatbestände des § 53 Abs. 2 FPG vorliegt. Es sind daher weitere Verhaltensweisen, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden, jedenfalls auch geeignet ein Einreiseverbot zu rechtfertigen.

 

In systematischer und teleologischer Interpretation der Gesetze insbesondere der RückführungsRL ergibt sich in Ihrem Fall folgendes:

 

Soweit eine Rückkehrentscheidung ohne Frist zur freiwilligen Ausreise erlassen wird ist die Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu prüfen. Sie fallen unzweifelhaft unter den Anwendungsbereich des Artikels 11 der RückführungsRL (vgl auch Art 11 Abs 1 lit a RückführungsRL: Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher, falls keine Frist zur Ausreise eingeräumt wird).

 

Aus Artikel 7 Abs. 4 der RückführungsRL ergibt sich, dass wenn Fluchtgefahr oder ein Antrag auf Aufenthaltstitel als offensichtlich unbegründet oder missbräuchlich abgelehnt wurde oder die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt so kann keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt werden.

 

Ein Antrag auf internationalen Schutz ist aus Sicht der Behörde auch als Antrag auf einen Aufenthaltstitels im Sinne des Artikels 7 RückführungsRL zu interpretieren, da Sie nach einer positiven Erledigung Ihres Antrages auch eine Aufenthaltstitel gemäß des AsylG bekommen würden.

 

In Ihrem Fall wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt, weil Sie die Behörde über Ihre wahre Identität getäuscht haben und sich als Syrer ausgegeben haben und schon aus diesem Grund Ihr Asylantrag offensichtlich missbräuchlich stellten.

 

Zudem entspricht Ihr Fluchtvorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen. Ihr gesamtes Verhalten zeigt in aller Deutlichkeit, dass der gegenständliche Antrag einen Missbrauch des Asylsystems darstellt.

 

Gemäß § 55 Abs.1a FPG ist keine Frist zur freiwilligen Ausreise vorgesehen, im Falle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

 

In Zusammenschau der vorzitierten Bestimmungen ergibt sich für die erkennende Behörde unzweifelhaft, dass ein unbegründeter und missbräuchlicher Asylantrag vorliegt und jedenfalls auch eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit indiziert. Missbräuchliche und ungerechtfertigte Asylanträge blockieren das gesamte Asylsystem und stellen einen Missbrauch des Selben dar und sind jedenfalls als Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu werten. Nicht umsonst sieht der Gesetzgeber eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vor, um solche Personen so rasch wie möglich außer Landes zu bringen.

 

Ihr Fehlverhalten, nämlich die Stellung eines unbegründeten und missbräuchlichen Asylantrages, konnte in keine der oben genannten Ziffern des § 53 FPG subsumiert werden, ist jedoch geeignet die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden und widerläuft auch den Interessen des Art. 8 EMRK.

 

In Zeiten eines Migrationsstromes nach Mitteleuropa unter Missbrauch des Asylrechts als Einwanderungsrecht kann niemals als nur geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen gewertet werden. Hier sind nicht nur spezialpräventive sondern vor allem auch generalpräventive Überlegungen anzustellen. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH und VfGH steht fest, dass ein öffentliches Interesse daran besteht, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 2007/01/0479).

 

Ein Fehlverhalten kann auch dann zur Beurteilung der Gefährdungsprognose herangezogen werden, wenn diese nicht zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Bestrafung geführt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26.01.2010, 2008/22/0890, sowie schon zur Rechtslage nach dem FPG 1997 jenes vom 12.01.2000, 99/21/0357).

 

Da Sie offensichtlich nicht bereit sind die österreichische Rechtsordnung (Missbrauch des Asylsystems) zu achten und beachten, kann die Behörde nur zum Schluss kommen, dass Ihr Aufenthalt in Österreich jedenfalls eine Gefahr für die Öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Ihre Verhaltensweise zeigt eindeutig, dass Sie nicht gewillt sind, sich rechtskonform zu verhalten, dies lässt auch für die Zukunft nichts Gutes vermuten. Wenn Sie schon zum jetzigen Zeitpunkt, nicht bereit sind, sich den in Österreich festgelegten rechtlichen und gesellschaftlichen Regeln zu unterwerfen, so kann die Behörde nur eine negative Zukunftsprognose Ihre Person betreffend befunden. Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass gerade im Asylverfahren umfangreiche sowie mehrmalige Belehrungen in der Landessprache schriftlich wie auch mündlich erteilt werden. Zudem wurden Sie mehrmals in Anwesenheit eines Dolmetschers nachweislich mündlich belehrt. Dies alles hat Sie aber nicht davon abgehalten an Ihrem unbegründeten und missbräuchlichen Asylantrag festzuhalten.

 

Zudem fällt Ihr Fehlverhalten in den Geltungsbereich des § 53 Ab. 2 Z. 6

 

Im Falle der Mittellosigkeit eines Fremden bedarf es nicht der Feststellung weiterer Umstände, um eine negative Prognose für den weiteren Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet zu begründen (VwGH 13.12.2001, 2001/21/0158; 13.12.2002, 2000/21/0029).

 

Die Mittellosigkeit des Fremden ist im Hinblick auf die daraus resultierende Gefahr der illegalen Beschaffung der Mittel zum Unterhalt eine ausreichende Grundlage für das Gerchtfertigtsein der Annahme, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet (vgl. zB VwGH 14.04.1994, 94/18/0133). Dafür, dass die umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist nicht erforderlich, dass der Fremde tatsächlich bereits strafbare Handlungen begangen hat; bereits die Gefahr der finanziellen Belastung der öffentlichen Hand rechtfertigt die besagte Annahme (zB VwGH 13.10.2000, 2000/18/0147; 17.12.2001, 99/18/0182; 13.09.2006, 2006/18/0215).

 

Rührt daher der Unterhalt des Fremden bisher ausschließlich aus Mitteln der Grundversorgung her, darf die Behörde vom Fehlen einer Selbsterhaltungsfähigkeit ausgehen. Daran ändert auch eine für den Fremden abgegebene Unterstützungserklärung nichts (VwGH 21.03.2013, 2011/23/0360).

 

Sie haben bei Ihren Einvernahmen glaubhaft angegeben, dass Sie über keine Mittel zum Unterhalt verfügen und von der Grundversorgung leben. Sie haben keine Möglichkeit legal ein Einkommen zu erwerben und Ihr Unterhalt ist auf Dauer keinesfalls gesichert.

 

Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert gemäß § 53 Abs. 2 das Vorliegen einer Gefährdung für die Öffentlichkeit. Bei der Bemessung ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen genannten Tatbestandsvoraussetzungen an, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

 

Es ist festzuhalten, dass Sie konkret nicht in der Lage sind, die Mittel für Ihren Unterhalt aus Eigenem nachzuweisen. Ihr Unterhalt ist derzeit nur durch staatliche Unterstützung gewährleistet, in Ihrem Fall durch die Grundversorgung. In systematischer Interpretation der Gesetze ist festzuhalten, dass EWR Bürger, welche nicht in der Lage sind die Mittel für Ihren Unterhalt nachzuweisen und zum Bespiel die Mindestsicherung beziehen (vgl. §§ 53, 55 NAG), Gefahr laufen gem. § 66 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen zu werden. Wenn die Schwelle (Mittel für den Unterhalt) für eine Ausweisung bei EWR Bürgen dergestalt ist, so muss dies dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz bzw. dem Gebot der Gleichbehandlung von Fremden folgend auch für Drittstaatangehörige Gültigkeit haben. Das heißt, die Mittel aus der Grundversorgung sind nicht geeignet, die in § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG vorzuhaltende Mittellosigkeit, betreffend Begründung eines Einreiseverbot, zu entkräften. Der Umstand, dass Sie auch künftig nicht in der Lage sein werden, die Mittel für Ihren Unterhalt aus Eigenem und ohne staatliche Zuwendungen zu besorgen, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass Sie über kein Aufenthaltsrecht in Österreich verfügen und daher auch keiner legalen Beschäftigung nachgehen können. Im Zuge Ihrer Einvernahme haben Sie ebenfalls nichts vorgebracht, was die Behörde zur Ansicht kommen lässt, dass Sie künftig die Mittel für Ihren Unterhalt selbst erwirtschaften können.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Juni 2012, Zl. 2011/23/0305, mwN).

 

Bei der Beurteilung der Notwendigkeit sowie bei der Bemessung des Einreiseverbotes, kann sich die Behörde nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen zurückziehen, sondern ist insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich einzubeziehen (VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

 

Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, sind Ihre familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verletzt in Ihrem Fall Art. 8 EMRK nicht. Es muss daher nun, unter Berücksichtigung des in § 53 Abs. 2 FPG genannten Tatbestandes ebenso davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit Ihrem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.

 

Weiters hat die Behörde bei Ihrer Entscheidung Artikel 11 Abs 3 RückführungsRL zu berücksichtigen, wonach in Einzelfällen aus humanitären Gründen von der Verhängung eines Einreiseverbots abgesehen werden kann. Hier ist zu vermerken, dass humanitäre Gründe in Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung geprüft wurden. Dass dortige Prüfergebnis ist aus Sicht der erkennenden Behörde auch auf die humanitären Gründe Artikel 11 Abs. 3 RückführungsRL anzuwenden. Die humanitären Gründe des Artikel 11 Abs 3 RückführungsRL können nur so verstanden werden, dass sie deckungsgleich zu bewerten sind wie die Gründe für die Zuerkennung des humanitären Aufenthaltsrecht im Sinne des AsylG. Nachdem derartige Gründe nicht vorliegen, da sonst erstens eine Rückkehrentscheidung nicht zulässig und zweitens ein humanitäres Aufenthaltsrecht zu erteilen gewesen wäre, könne diese humanitären Gründe jedenfalls nicht vorliegen und daher ist auch in diesem Einzelfall nicht von der Verhängung eines Einreiseverbotes im Sinne des Aritkel 11 Abs 3 abzusehen.

 

Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie Ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte hat daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot ist daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

 

Das Einreiseverbot bezieht sich gem. § 53 Abs. 1 FPG auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, womit lt. VwGH vom 22.5.2013, 2013/18/0021 jene Staaten erfasst sind, für die die Rückführungsrichtlinie, (RL 2008/115/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger) gilt.

 

Demnach umfasst das Einreiseverbot alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer Irland und das Vereinigte Königreich. Umfasst sind allerdings weiters Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein.

 

Sie sind daher angewiesen, im festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet dieser Staaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten. Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages Ihrer Ausreise.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

 

Hinsichtlich der minderjährigen bP 4 und 5 wurde von der belangten Behörde festgehalten, dass die aufschiebende Wirkung den Beschwerden aberkannt wurden, da die Eltern die Behörde über die wahre Identität täuschten. Da sie sich als Syrer ausgegeben haben, sei schon aus diesem Grund von einer missbräuchlichen Asylantragstellung auszugehen. Zudem entspreche das Fluchtvorbringen der Eltern offensichtlich nicht den Tatsachen und zeige das gesamte Verhalten der Eltern in aller Deutlichkeit, dass gegenständliche Anträge Missbräuche des Asylsystems darstellen.

 

Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens der mj. bP bzw. das ihrer Eltern, der Lebensumstände sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe ergeben, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig ist, die von ihnen ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das Einreiseverbot sei daher zur Erreichung der in Art. 8 abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

 

I.11. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Im Wesentlichen wurde nach Darlegung allgemeiner rechtlicher und sonstiger Ausführungen vorgebracht, dass die belangte Behörde zu Unrecht Armenien als Herkunftsstaat angenommen und daher die auf Syrien bezogenen Fluchtgründe nicht berücksichtigt habe.

 

Es sei eine antizipierende Beweiswürdigung erfolgt, man habe die Niederschrift der bP 1 nicht in ihrem Bescheid angeführt, es bestünden Zweifel am Institut SPRAKAB

 

I.12. Mit Beschlüssen des BVwG vom 19.07.2017 wurde den Beschwerden gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

 

I.13. Am 21. bzw. 25.08.2017 langten die Unterlagen betreffend den gegen die bP 1 bis bP 3 angeregten Strafverfahren ein. Demnach wurden die gegen die bP wegen § 119 FPG und § 228 StGB geführten Verfahren gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt, weil nicht mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit nachweisbar war, dass die bP nicht aus Syrien kommen.

 

I.14. Mit Schreiben der rechtsfreundlichen Vertretung der bP vom 22.08.2017 wurden die Benachrichtigungen über die Einstellungen der Verfahren gegen die bP übermittelt. Unter einem wurde ausgeführt, dass die Staatsanwaltschaft "umfangreiche Ermittlungen" getätigt hätte und nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die bP aus Syrien stammen. Die Polizei hätte eine SPOK Anfrage durchgeführt und das Einwohnerregister in Armenien, wo die bP nicht aufschienen, überprüft. Auch der Dolmetscher bei der Beschuldigteneinvernahme habe zu Protokoll gegeben, dass die Sprache der bP einen arabischen Einschlag habe und es wahrscheinlich sei, dass sie aus Syrien stammten. Nochmals wurde der Antrag gestellt, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zumal die bP keine Staatsangehörigen im Zielstaat der Abschiebung wäre, von einer unmenschlichen Behandlung auch auszugehen wäre, und die bP auch noch nicht negativ in Erscheinung getreten wären und keinerlei öffentliche Interessen verletzt wären.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

II.1.1. Die beschwerdeführende Partei

 

Bei den beschwerdeführenden Parteien handelt es sich um armenische Staatsangehörige, welche der Gruppe der kurdischen Jesiden angehören. Die bP sind damit Drittstaatsangehörige.

 

Die beschwerdeführenden Parteien bP1 und bP2 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

 

Die b1 hatte lediglich wegen ab und zu auftretender Kopfschmerzen sowie Kreuzschmerzen Tabletten vom Arzt bekommen, aktuell nimmt sie keine ein. Die bP 2, 4 und 5 sind gesund.

 

Die bP 3 leidet an Zuckerkrankheit und wurde deshalb schon in Armenien behandelt. In Österreich erhielt sie Physiotherapie, Massagen und ist wegen Diabetes mellitus Typ 2 in ärztlicher Behandlung. Bei ihr wurde eine Thorakomyalgie diagnostiziert. Sie hielt sich von Ende Juni bis Ende Juli 2016 wegen eines Tumors im Magenantrum im Krankenhaus auf. Es wurde eine Magenresektion durchgeführt, der postoperative Verlauf blieb komplikationslos und bestand kein Anhaltspunkt für Malignität. Die Abschlusskontrolle erfolgte am 08.08.2016. Sie ist arbeitsfähig und hat zeitweise Reinigungsarbeiten in Österreich verrichtet im Flüchtlingsheim. Die von ihr benötigten Medikamente sind auch in Armenien erhältlich und stehen ihr in Armenien ausreichende medizinische Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.

 

Die Pflege und Obsorge der gesunden, minderjährigen bP4 – bP5 ist durch bP1 und bP2 gesichert.

 

Die bP haben über die im gegenständlichen Erkenntnis genannten Mitglieder der Kernfamilie hinausgehend keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.

 

Die bP 1 - bP 3 haben Deutschkurse besucht, die bP 1 und bP 2 haben die A2 Deutschprüfung abgelegt. Die bP 3 hat einen A1 Deutschkurs abgeschlossen.

 

Die bP verfügen in Österreich über keine eigenen, den Lebensunterhalt deckenden Mittel. Sie leben von der Grundversorgung. Die bP 1 und bP 2 haben im Flüchtlingsheim bei Hausmeistertätigkeiten ausgeholfen. Die bP 1 spielt in einem Fußballverein und hat bei der Gemeinde im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten mitgearbeitet. Die bP 1 ist darüber hinaus Mitglied der privaten Beschäftigungsinitiative XXXX . Die bP 3 führt Reinigungstätigkeiten im Flüchtlingsheim durch.

 

Die bP sind strafrechtlich unbescholten.

 

Die Identität der bP steht nicht fest und haben die bP über ihre Herkunft getäuscht und missbräuchlich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG unzulässig wäre. Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.

 

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Armenien

 

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 4.4.2017, Parlamentswahlen (relevant für Abschnitt 2/ Politische Lage).

 

Die regierende Republikanische Partei Armeniens gewann bei den Parlamentswahlen vom 2.4.2017 über 49% und die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Das Mitte-Rechts-Bündnis des russlandfreundlichen Oligarchen GagikTsarukyan erreichte 27%. Daneben schaffte das Bündnis Yelq und die nationalistische Armenische Revolutionäre Föderation den Einzug ins Parlament (EN 3.4.2017; vgl. PA 4.4.2017). Insbesondere die künftige Orientierung des Landes vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise zwischen einer EU-Annäherung einerseits und einem starken Bündnis mit Russland infolge des militärischen Konflikts mit Aserbaidschan andererseits dominierte thematisch den Wahlkampf (RFL/RL 3.4.2017).

 

Trotz der Einhaltung der Grundfreiheiten, der guten Administrierung der Parlamentswahlen unter Einführung neuer Technologien zur Verringerung der Wahlunregelmäßigkeiten wurden die Wahlen durch glaubwürdige Berichte über Stimmenkauf und Druckausübung auf WählerInnen, Beamte sowie Angestellte von Privatunternehmen überschattet. Dies trug laut OSZE zu einem allgemeinen Mangel an Vertrauen in die Wahlen bei (OSCE/ODIHR 3.4.2017). Laut Generalstaatsanwaltschaft lagen mehr als 220 Anklagen wegen Wahlbetrugs vor, denen nachgegangen wird (RFE/RL 3.4.2017).

 

Die Parlamentswahlen in Armenien haben die Stellung regierenden Staatschefs Serge Sargsyan und dessen Republikanische Partei an der Wende zu einem Verfassungswechsel gestärkt. Nach dem Ende von Sargsyan zweiter Amtszeit 2018 wechselt Armenien von einer semi-präsidentiellen zu einer parlamentarischen Demokratie. Es wird weithin angenommen, dass Sargsyan dann in das Amt des Premiers wechselt, der dann die zentrale Machtposition innehält (Standard 3.4.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

KI vom 2.8.2016, Geiselnahme in Polizeistation durch Regierungsgegner (relevant für Abschnitt 3/ Sicherheitslage)

 

Mitglieder der Oppositionsgruppe "Gründungsparlament" haben am 17.7.2016 in Jerewan eine Polizeistation besetzt und zeitweise mehrere Geiseln genommen, ein Polizist starb dabei (RFE/RL 17.7.2016). Die Geiselnehmer forderten die Freilassung von Schirajr Sefiljan, eines inhaftierten Oppositionsführers, und den Rücktritt des Staatspräsidenten. Sefiljan kritisiert vor allem das Verhalten der Regierung im Konflikt um die Region Berg-Karabach (DW 17.7.2016). In der darauffolgenden Woche kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Demonstranten verlangten eine Versorgung der Geiselnehmer mit Lebensmitteln, was die Polizei jedoch ablehnte. Nach offiziellen Angaben wurden 51 Personen verletzt und 136 verhaftet (NZZ 21.7.2016). Am 29.7.2016 kam es erneut zu Zusammenstößen zwischen Sympathisanten der Besetzer der Polizeistation und Sicherheitskräften, bei denen 75 Personen verletzt und 20 verhaftet wurden (RFE/RL 30.7.2016). Nach zwei Wochen endete der Konflikt um die besetzte Polizeistation mit der Kapitulation der bewaffneten Gruppe unter Führung von Varuzhan Avetisian (RFE/RL 1.8.2016, vgl. Spiegel online 31.7.2016).

 

Quellen:

 

? DW – Deutsche Welle (17.7.2016): Blutige Geiselnahme in Armeniens Hauptstadt,

http://www.dw.com/de/blutige-geiselnahme-in-armeniens-hauptstadt/a-19406245 , Zugriff 28.7.2016

 

? NZZ – Neue Zürcher Zeitung (21.7.2016): Blutiges Patt in Armenien, http://www.nzz.ch/international/europa/proteste-und-geiselnahme-blutiges-patt-in-armenien-ld.106951 , Zugriff 28.7.2016

 

? RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (1.8.2016): Remaining Gunmen In Armenia Standoff Surrender, http://www.rferl.org/content/armenia-yerevan-standoff-police-killed/27890220.html , Zugriff 1.8.2016

 

? RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (17.7.2016): Armed Attackers Storm Yerevan Police Headquarters, http://www.rferl.org/media/video/armenia-police-hq/27863342.html , Zugriff 29.7.2016

 

? RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (30.7.2016): Dozens Injured In Police Clashes With Protesters In Yerevan, http://www.rferl.org/content/dozens-injured-police-protester-clashes-yerevan-/27889053.html , Zugriff 1.8.2016

 

? Spiegel online (31.7.2016): Armenien: Geiselnahme in Eriwan nach zwei Wochen beendet,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/armenien-bewaffnete-regierungsgegner-ergeben-sich-a-1105565.html , Zugriff 1.8.2016

 

KI vom 6.4.2016, Gefechte um Bergkarabach (relevant für Abschnitt 3/ Sicherheitslage)

 

Bei heftigen Gefechten vom 2.4 bis zum 5.4.2016, den schwersten seit 22 Jahren, zwischen den Nachbarländern Armenien und Aserbaidschan an der Frontlinie zu Bergkarabach kam es zu Opfern unter den militärischen Einheiten. Laut aserbaidschanischen Angaben starben auch Zivilisten. Während Vertreter der Internationalen Gemeinschaft inklusive Russlands als Schutzmacht Armeniens beide Seiten zur Deeskalation aufriefen, erklärten sowohl der türkische Staatspräsident Erdo?an als auch Ministerpräsident Davuto?lu mehrmals, Aserbaidschan bis zum Ende zu unterstützen (HDN 5.4.2016, vgl. Standard 3.4.2016, RFL/RL 4.4.2016). Das Verteidigungsministerium der de facto Republik Bergkarabach berichtete ebenfalls von zivilen Opfern (CN 2.4.2016). Am 5.4.2016 vereinbarten Aserbaidschan und Bergkarabach einen Waffenstillstand (Standard 5.4.2016). Im Zuge der viertägigen Kampfhandlungen starben mehr als 64 Menschen (Standard 5.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

KI vom 14.12.2015, Verfassungsreferendum (relevant für Abschnitt 2/ Politische Lage).

 

Am 6.12.2015 entschied sich die Mehrheit der ArmenierInnen in einem Referendum für die Änderung der Verfassung zugunsten eines parlamentarischen Systems, das Befugnisse des Präsidenten auf den Regierungschef übertragen würde. Die Opposition warf dem amtierenden Präsidenten Sarksyan, dessen letzte Amtszeit 2018 ausläuft, vor, das Amt des Regierungschefs anzustreben (Standard 7.12.2015). Laut zentraler Wahlkommission stimmten bei einer Wahlbeteiligung von 50,5 Prozent 63,5 Prozent für die Annahme der Verfassungsänderungen. Die Oppositionspartei Armenischer Nationalkongress warf der Regierung Wahlbetrug vor. Hunderte Demonstranten protestierten gegen den Ausgang (RFE/RL 7.12.2015). NGOs wie das Anti-Korruptions-Zentrum von Transparency International berichtete von massiven Unregelmäßigkeiten, darunter über 900 Verletzungen der Wahlordnung sowie Fälle von Einschüchterung (Caucasian Knot 9.12.2015, vgl. EN 7.12.2015).

 

Politische Lage

 

Armenien (arm.: Hayastan) ist knapp 29.800 km² groß und hat etwas über 3 Millionen Einwohner. Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier, 1,2% Jesiden, 0,4% Russen und Angehörige kleinerer Minderheiten wie Assyrer, Kurden oder Griechen (NSS-RA 2013, vgl. CIA 28.10.2015).

 

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik mit einem seit 1995 semi-präsidentiellen System (SPO 17.2.2014). Allerdings ist für den 6.Dezember 2015 ein Verfassungsreferendum vorgesehen, dass das Land in ein parlamentarisches System umwandeln soll, wobei der Präsident nicht mehr durch das Volk, sondern vom Parlament gewählt wird. Die Oppositionsparteien protestierten gegen die Verfassungsänderung, weil sie dahinter die Absicht einer Machtkonzentration der Regierungspartei unter dem jetzigen Staatspräidenten, Serzh Sarksyan, vermuten (RFE/RL 8.10.2015).

 

Das Einkammer-Parlament (Nationalversammlung) hat 131 Mitglieder und wird alle fünf Jahre gewählt. Dabei kommt eine Mischung aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht zur Anwendung. Die Parlamentswahlen vom 6.Mai 2012 ergaben folgende Stimmenverteilung:

Republikanische Partei 44,1%, Partei „Blühendes Armenien" 30,2%, Armenischer Nationalkongress 7,1%, Rechtsstaatspartei 5,5%, Armenisch-Revolutionäre Föderation (Daschnaken) 5,7%, Partei "Erbe" 5,8%. Dank der zusätzlich errungenen Direktmandate verfügt die Republikanische Partei über die absolute Mehrheit der Parlamentssitze. Gleichwohl bildete sie eine Koalition mit der Rechtsstaatspartei, die jedoch im April 2014 die Regierung verließ. Der einstige Koalitionspartner "Blühendes Armenien" war bereits 2012 in Opposition gegangen (AA 3 .2015a, vgl. RA-CEC 6.5.2012).

 

Obschon der Wahlkampf für die Parlamentswahlen kompetitiv verlief, und die mediale Wahlberichterstattung ausgewogen war, herrschte in der Öffentlichkeit ein Mangel an Vertrauen in die Integrität des Wahlprozesses, begleitet von Vorwürfen des Stimmenkaufs. Laut OSZE gab es Fälle von Missbrauch durch die Verwendung von Verwaltungsressourcen zugunsten der Republikanischen Partei, beispielsweise durch den Einsatz von Lehrern und Schülern im Wahlkampf (OSCE/ODHIR 26.6.2012).

 

Nach dem überraschenden Rücktritt von Premierminister Tigran Sargsyan Anfang April 2014 ernannte Präsident Serzh Sargsyan den bisherigen Parlamentspräsidenten Hovik Abrahamyan zu dessen Nachfolger. Im neuen Kabinett sind 12 der insgesamt 19 Minister parteilos. Viele stehen jedoch der Oppositionspartei "Blühendes Armenien" nahe (AA 3 .2015a, vgl. RFL/RL 3.4.2014).

 

Am 1.Jänner 2015 wurde Armenien offiziell Mitglied der von Russland angeführten Eurasischen Wirtschaftsunion, deren Zollverträge schrittweise bis 2022 implementiert werden sollen. Die Unterzeichnung im Oktober 2014 wurde von Protesten und scharfer Kritik begleitet. Gegner des Vertrages fürchten insbesondere ökonomische Nachteile sowie Einschränkungen der Meinungsfreiheit (CN 2.1.2015).

 

Aus armenischer Sicht stellte die Vorverlegung der türkischen Feierlichkeiten zum hundertjährigen Gedenken an die Schlacht bei Galipoli just auf den 24. April, den Tag des Genozids, eine Provokation dar. Der armenische Präsident warf der Türkei Geschichtsrevisionismus vor, mit dem Versuch durch die vorverlegte Galipoli-Gedenkveranstaltung vom Völkermord abzulenken. Sargsyan ordnete Mitte Februar 2015 daraufhin an, die noch nicht ratifizierten Zürcher Protokolle zur Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Jerewan und Ankara aus dem Parlament zurückzuziehen (NZZ 24.4.2015, vgl. RFE/RL 16.2.2015, Standard 24.4.2015).

 

Nichtsdestoweniger sprach sich Sargsyan in einem Interview mit der türkischen Zeitung Hürriyet Daily News am Vorabend der Gedenkfeiern für die Normalisierung der bilateralen Beziehungen ohne Vorbedingungen aus. Insbesondere die Öffnung der Grenze würde helfen, eine Atmosphäre des Vertrauens herzustellen und die regionale Wirtschaft zu fördern (HDN 24.4.2015).

 

Sicherheitslage

 

Kernproblem für die armenische Außenpolitik bleibt der Konflikt um Nagorny Karabach und die in diesem Zusammenhang geschlossenen Grenzen zu Aserbaidschan und zur Türkei. Seit dem Krieg um das überwiegend von Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach (1992-94) halten armenische Verbände rund 17% des aserbaidschanischen Staatsgebiets (Bergkarabach und sieben umliegende Provinzen) besetzt (AA 3 .2015b).

 

Der Territorialkonflikt um Nagorny Karabach zwischen Armenien und Aserbaidschan ist immer wieder durch Perioden von höherer bzw. niedrigerer Intensität gekennzeichnet. Eine Lösung zeichnet sich derzeit nicht ab, trotz gegenteiliger Beteuerungen seitens der Konfliktparteien (ICG 26.9.2013).

 

Im Februar 2015 stimmten die Vertreter der Minsker Gruppe, die seit 1994 unter der OSZE-Schirmherrschaft als diplomatisches Instrument zur Lösung des Konflikts dient, darin überein, dass sich die militärische Situation sowohl entlang der Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan als auch entlang der sogenannten Kontaktlinie (das heißt, der international nicht anerkannten Grenze zu Bergkarabach) verschlimmert habe. Im Jänner 2015 gab es mit zwölf Toten die höchste Zahl an Opfern seit dem Waffenstillstandsabkommen von 1994 (OSCE 7.2.2015).

 

Am 24.9.2015 wurden laut armenischer Seite durch aserbaidschanisches Gefechtsfeuer drei Zivilisten getötet und mehrere verletzt (RFE/RL 25.9.2015). Daraufhin kam es zu Grenzzusammenstößen in der Berg-Karabach-Region zwischen Aserbaidschan und Armenien, bei denen ein aserbaidschanischer und vier armenische Soldaten getötet wurden. Als Konsequenz drohte Baku, den vermeintlichen armenischen Angriff mit schweren Waffen zu vergelten (EN 27.9.2015; vgl. RFE/RL 26.9.2015). Auch Armenien drohte mit einer Eskalation des Konfliktes. Das armenische Verteidigungsministerium drohte am 26.9.2015 mit dem Einsatz von Artillerie und Raketen als Antwort auf den aserbaidschanischen Artillerieangriff (VK 26.9.2015, vgl. Eurasianet 27.9.2015).

 

Die Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zeigte sich über den Einsatz schwerer Waffen und die zivilen Opfer besorgt und erinnerte beide Seiten an die Verpflichtung der Genfer Konvention, die Sicherheit und den Schutz von Nicht-Kombattanten zu gewährleisten (OSCE 25.9.2015). Außerdem wurden beide Seiten aufgerufen, die OSZE-Mechanismen zu akzeptieren, die die Untersuchung von Verletzungen des Waffenstillstandes vorsehen (OSZE 26.9.2015).

 

Die Verletzung der Waffenruhe ist durch wechselseitige Schuldzuweisungen gekennzeichnet. Überdies droht Aserbaidschan angesichts der ausbleibenden diplomatischen Lösung, das umstrittene Territorium mit Gewalt zurückzuerobern (BBC 7.4.2015, vgl. RFE/RL 23.1.2015, FH 23.1.2014).

 

Aserbaidschan sieht für 2015 Militärausgaben von fünf Milliarden Dollar vor, was mehr als das Staatsbudget Armeniens ist. Russland ist der Hauptverbündete Armeniens in der Region und beliefert das Land mit Waffen im Gegenzug für das Beibehalten der russischen Militärpräsenz in Armenien (FPN 23.1.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

http://www.bbc.co.uk/news/world-europe-32202426#sa-ns_mchannel=rss &ns_source=PublicRSS20-sa, Zugriff 19.11.2015

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/285832/417673_de.html , Zugriff 19.11.2015

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regionale Problemzone Nagorny Karabach

 

Nagorny Karabach ist seit 1994 de facto unabhängig von Aserbaidschan. Nagorny Karabach wird von keinem Staat, auch nicht von Armenien völkerrechtlich anerkannt, doch sind die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zu Armenien sehr eng (AA 24.4.2015; vgl. FH 28.1.2015).

 

Nagorny Karabach ist isoliert. Finanziell und militärisch hängt es von Armenien ab. Die Einwohner besitzen armenische Pässe. Der internationale Flughafen in Stepanakert kann nicht benutzt werden, weil die aserbaidschanische Seite mit dem Abschuss der Flugzeuge droht (BBC 7.4.2015).

 

Als Resultat des armenisch-aserbaidschanischen Konflikts um die Region Nagorny Karabach halten die armenischen Separatisten den größten Teil Nagorny Karabachs sowie sieben weiterer aserbaidschanische Territorien unter ihrer Kontrolle. Laut dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (ICRC) galten mit Stand November 2014 4.620 Personen als vermisst. Der UNHCR bezifferte die Anzahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) auf aserbaidschanischer Seite auf rund 623.000 Personen (USDOS 25.6.2014).

 

Laut Angaben der selbsternannten Republik von Nagorny Karabach (auch Republik Artsach) umfasst das Gebiet mehr als 12.000 km², wobei hiervon 1041 km² unter aserbaidschanischer Okkupation stünden. Die Bevölkerung belief sich 2013 auf rund 147.000 Einwohner, wovon 95% Armenier sind, nebst Russen, Ukrainern, Griechen, Georgiern und Aseri (NKR 6.5.2015).

 

Politische Opposition wird unter den gegebenen Umständen des unsicheren Status von Nagorny Karabach im Allgemeinen als Zeichen der Illoyalität und als Sicherheitsrisiko betrachtet. Oppositionsgruppen sind in den letzten Jahren entweder verschwunden oder in die Regierung aufgenommen worden. Die meisten Medien werden von der Regierung kontrolliert. Die meisten Journalisten üben Selbstzensur aus, insbesondere wenn es um Themen geht, die den Friedensprozess betreffen

 

Die Justiz ist in der Praxis nicht unabhängig und Gerichte stehen unter dem Einfluss der Regierung sowie mächtiger politischer, wirtschaftlicher und krimineller Gruppen (FH 28.1.2015).

 

Die Meinungsfreiheit scheint unter der generellen Situation zu leiden. Obgleich keine offizielle Zensur besteht, gibt es keine Verbreitung von Ideen und Standpunkten, die in Opposition zur Regierung stehen. Die Situation hat sich jedoch seit der letzten Dekade deutlich verbessert. Durch ausländische Unterstützung insbesondere der EU konnten zahlreiche Initiativen im NGO- und Medienbereich umgesetzt werden (CSS 17.9.2014). Beispielsweise finanziert die EU "[D]ie Europäische Partnerschaft für die Friedliche Lösung des Konflikts um Berg-Karabach" - EPNK. Dieses seit 2010 bestehende Netzwerk von fünf europäischen Organisationen arbeitet mit NGOs Vorort in Bereichen wie Friedensdialog, Analyse und Forschung sowie Film und Medien zusammen (EPNK o.D.; vgl. EC 6.11.2012).

 

Die generelle Situation hinsichtlich politischer und ziviler Freiheiten hat sich laut den Vergleichszahlen von "Freedom House" seit 2012 nur unwesentlich verbessert. Sowohl die Versammlungs- als auch die Vereinigungsfreiheit sind durch das Gesetz eingeschränkt. Die wenigen NGOs leiden unter Mangel an finanziellen Mitteln und der Konkurrenz von staatlich finanzierten Gruppen. Allerdings wird den Gewerkschaften erlaubt, sich zu organisieren. Offiziell nicht registrierte religiöse Gruppen sind für ihre Aktivitäten bestraft worden, und Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen wurden inhaftiert (FH 28.1.2015, vgl. FH 2012).

 

Im Unterschied zur Republik Armenien, wo seit 2013 ein Zivildienst außerhalb der Armee geschaffen wurde, werden Wehrdienstverweigerer – insbesondere Zeugen Jehovas – mit Gefängnis bestraft. Aufsehen erregte der Fall des Zeugen Jehova, A. Avanesyan, der von Armenien an die nicht anerkannten Behörden Nagorny Karabachs ausgeliefert wurde, welche ihn in Folge zu 30 Monaten Gefängnis verurteilten (Forum 18 10.11.2014).

 

Die wirtschaftliche Situation in Bergkarabach ist nach allgemeiner Einschätzung besser als in

 

Armenien. In Bergkarabach gelten den armenischen Regelungen vergleichbare Vorschriften zur kostenlosen medizinischen Behandlung. Im Sozialbereich gibt es "behördliche" Unterstützung, u. a. für verwitwete oder ledige Rentner ohne Familie, Waisen und allein erziehende Mütter (AA 24.4.2015).

 

Am 3.Mai 2015 fanden Parlamentswahlen statt, die allerdings international nicht anerkannt werden. Laut offiziellen Angaben der Zentralen Wahlkommission übersprangen bei einer Wahlbeteiligung von rund 71% fünf Parteien die Fünf-Prozent-Hürde. Die Partei "Freies Heimatland" errang 47,4%; die "Demokratische Partei Artsachs" 19,1% und die Partei "Armenische Revolutionäre Föderation- Dashnaktsutyun" 18,8% der Stimmen. Die beiden Oppositionsparteien "Bewegung-88" und die "Partei der Nationalen Wiedergeburt" schafften gleichfalls den Einzug ins Parlament. Über hundert internationale Beobachter waren anwesend (CN 4.5.2015; vgl. CS.eu 4.5.2015). Aserbaidschan betrachtet die Wahlen als Verstoß sowohl gegen internationale Normen als auch gegen aserbaidschanisches Recht und drohte vorab mit Strafverfolgung gegen ausländische Wahlbeobachter (CN 1.5.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

http://www.bbc.co.uk/news/world-europe-32202426#sa-ns_mchannel=rss &ns_source=PublicRSS20-sa, Zugriff 19.11.2015

 

 

 

 

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/311131/449173_de.html , Zugriff 19.11.2015

 

 

 

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Im Rahmen der Strategie zur Justizreform (2012-16) wurde die Unabhängigkeit der Richter durch Festlegung der Pflichten der Selbstverwaltungsstrukturen gesetzlich gestärkt. Die Ernennung, Beurteilung und Beförderung von Richtern wurde transparenter gestaltet. Die formelle Rolle des Staatspräsidenten in der endgültigen Bestellung der Richter wurde in der Gesetzesreform jedoch bestätigt. Das öffentliche Misstrauen gegenüber dem Justizsystem und dessen Integrität besteht weiterhin (EC 25.3.2015).

 

Die Rechtsstaatlichkeit bleibt durch die mangelnde Gewaltenteilung geschwächt. Der starken Rolle des Präsidentenamtes, begleitet von einem ineffizienten Parlament, steht ein fügsames Justizwesen gegenüber. Der Mangel an Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz schwächt in weiterer Folge auch die Effizienz der staatlichen Verwaltung (BS 2014).

 

Trotz der verfassungsmäßig garantierten richterlichen Unabhängigkeit mangelt es an dieser in der Praxis. Die richterliche Unabhängigkeit wird durch externe Akteure sowohl der vollziehenden Gewalt als auch innerhalb des Justizsystems, etwa durch Richter der höheren Instanzen, beeinflusst (CoE-CommDH 10.3.2015).

 

Das Prinzip der "Telefonjustiz" - Machthaber nehmen Einfluss auf laufende Verfahren - ist in politisch heiklen Fällen nach wie vor verbreitet. Wenige Fortschritte wurden somit hinsichtlich des Grundrechts auf ein faires Gerichtsverfahren und des Zugangs zur Justiz erzielt (AA 24.4.2015).

 

Der Gerichtsbarkeit mangelt es nicht bloß an Vertrauen, sondern sie gilt auch als von Korruption durchdrungen und in enger Verbindung zur Exekutive stehend. Die Korruption in der Justiz wurde auch vom UN-Hochkommissar für Menschenrechte bei einem Besuch im Oktober 2014 kritisiert. Nur ein Viertel der Bevölkerung hat Vertrauen in die Justiz (FH 28.1.2015, vgl. BS 2014).

 

Im Dezember 2013 veröffentlichte der armenische Ombudsmann einen Sonderbericht, worin er nicht nur die unfairen und willkürlichen Entscheidungen der Gerichte kritisierte, sondern auch die grassierende Korruption im Justizwesen. Die Studie, basierend auf zahlreichen anonymen Interviews mit Richtern, Staats- und Rechtsanwälten, ergab, dass Richter oft bestochen werden. In der Regel werden zehn Prozent der Schadensersatzsumme verlangt (AL 10.12.2013).

 

So beschuldigte der Ombudsmann insbesondere das Kassationsgericht als eine kriminelle Struktur, die wirksam die Entscheidungen der meisten niederen Gerichte kontrolliert und auf diese Druck ausübt (USDOS 25.6.2015).

 

Der Justizrat ist für die Ernennung und Entlassung von Richtern zuständig. Dieser kann Richter wegen des Delikts eines Justizirrtums auch dann anklagen, wenn gegen das Ersturteil kein Einspruch erhoben wurde. Gegen die Entscheidungen des Justizrates kann keine Berufung eingelegt werden. Laut Ombudsmann wendet der Justizrat Disziplinarmaßnahmen gegen Richter willkürlich, unter Verletzung des Gesetzes, an (USDOS 25.6.2015, vgl. CoE-CommDH 10.3.2015).

 

Verfahren erfüllten üblicherweise die meisten Standards für einen fairen Prozess, jedoch waren sie der Sache nach oft unfair, da viele Richter sich veranlasst sehen, gemeinsam mit den Staatsanwälten Verurteilungen zu erwirken. Die Richter sträuben sich Expertisen von Polizeiexperten anzufechten, wodurch sie es dem Angeklagten erschweren, sich glaubwürdig zu verteidigen. Angeklagte und ihre Verteidiger verfügen kaum über die Möglichkeit, Regierungszeugen und Beweismittel der Polizei, die das Gereicht zumal als unanfechtbar ansieht, in Frage zu stellen (USDOS 25.6.2015, vgl. CoE-CommDH 10.3.2015).

 

Laut dem Menschrechtskommissar des Europarats werde überproportional, oft ohne richterlichen Bescheid, die Untersuchungshaft verhängt, welche zudem unverhältnismäßig lange sei. Ansuchen auf Freilassung auf Kautionen werden per se abgelehnt (CoE-CommDH 10.3.2015).

 

Überdies verabsäumten armenische Gerichte laut der Internationalen Föderation für Menschenrechte, wie eigentlich von Gesetz wegen vorgesehen, spezifische Fakten oder Erläuterungen zum jeweiligen Fall vorzulegen, warum die Untersuchungshaft als Zwangsmaßnahme anzuwenden sei. Stattdessen würden abstrakte Annahmen hinsichtlich des Fluchtrisikos oder der möglichen Behinderung weiterer Ermittlungen als Gründe angeführt (FIDH/CSI 5.5.2014).

 

Das Gesetz garantiert das Prinzip der Unschuldsvermutung, doch die Behörden respektieren dieses Recht nicht. Angeklagte, Strafverteidiger und die geschädigte Partei haben das Recht, gegen ein Gerichtsurteil in Berufung zu gehen. Es gibt keine Geschworenengerichtsbarkeit. Ein Einzelrichter entscheidet in allen Gerichtsverfahren außer bei Verbrechen, die mit lebenslanger Haftstrafe bedroht sind. Angeklagte haben das Recht, eine Rechtsberatung zu beanspruchen. Der Staat ist verpflichtet, auf Antrag einen Verteidiger zur Verfügung zu stellen. Außerhalb Jerewans wurde diese Verpflichtung aufgrund des Mangels an Verteidigern oft nicht eingehalten (USDOS 25.6.2015).

 

Quellen:

 

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/264696/391342_de.html , Zugriff 19.11.2015

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/300285/436948_de.html , Zugriff 19.11.2015

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Die Polizei führt willkürliche Festnahmen ohne Haftbefehl aus, schlägt Häftlinge während der Einvernahme und des Haftaufenthaltes und gebraucht Folter, um Geständnisse zu erwirken (FH 28.1.2015, vgl. AA 7.2.2014, HRW 29.1.2015).

 

Laut armenischem Ombudsmann gab es 2013 zahlreiche Beschwerden über Polizeigewalt, wobei lediglich vier Beschwerden von der Polizei registriert wurden. Zahlreiche Personen, darunter auch Jugendliche, seien von den Polizeistellen "eingeladen" und gegen deren Willen festgehalten worden, obwohl die Polizei keine solche Befugnis habe. Zu den positiven Entwicklungen zähle, dass 2013 141 Polizisten infolge der Untersuchung durch die Interne Sicherheitsabteilung für unrechtmäßiges Verhalten zur Verantwortung gezogen wurden (RA-HRD 2014).

 

Die Polizei ist, ebenso wie der Nationale Sicherheitsdienst (NSD), direkt der Regierung unterstellt. Allein der Präsident hat die Befugnis, die Leiter beider Behörden zu ernennen. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt. Für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für Nachrichtendienst und Grenzschutz ist der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch Verhaftungen durchführen dürfen. Fallweise treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird.

 

Der Polizeichef füllt in Personalunion die Funktion des Innenministers aus. Ein Innenministerium gibt es nicht mehr. Das Fehlen der politischen Instanz wird damit begründet, dass damit eine "Politisierung" der Sicherheitsorgane verhindert werden soll (AA 24.4.2015).

 

Der Polizei und dem Nationalen Sicherheitsdienst mangelt es an Ausbildung, Ressourcen und an Strukturen zur Vorbeugung von Misshandlungsfällen. Straffreiheit bleibt weiterhin ein Problem und es gibt keinen unabhängigen Mechanismus für Untersuchungen von Übergriffen durch die Polizei. Bürger können die Polizei vor Gericht in eingeschränktem Ausmaß anklagen. Korruption bei der Polizei bleibt weiterhin ein Problem (USDOS 25.6.2015).

 

Quellen:

 

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/300285/436948_de.html , Zugriff 19.11.2015

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/295465/430496_de.html , 19.11.2015

 

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Armenien ist Signatarstaat des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Die Verfassung verbietet die Anwendung von Folter. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass systematisch Folter praktiziert wird. Menschenrechtsorganisationen berichten aber immer wieder glaubwürdig von Fällen, bei denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu Folterungen gekommen sein soll. Es gibt keine Erkenntnisse über systematische Folterungen. Gleichwohl ist bekannt, dass festgenommene Personen in Polizeistationen mitunter geschlagen werden, etwa um Geständnisse zu erhalten. Betroffene beschweren sich nur selten, weil sie Repressalien befürchten (AA 24.4.2015).

 

Die meisten Fälle von Misshandlungen kamen in den Polizeistationen vor, die nicht unter öffentlicher Beobachtung standen, und nicht in Gefängnissen oder Hafteinrichtungen der Polizei, die solcher Beobachtung unterliegen (USDOS 25.6.2015).

 

Der Menschenrechtskommissar des Europarates zeigte sich besorgt, dass erzwungene Geständnisse regelmäßig bei Gericht Verwendung finden. Überdies gäbe es Fälle, bei denen Personen, die Beschwerde gegen Misshandlung während der Einvernahme einlegten, wegen Falschaussage verurteilt wurden (CoE-CommDH 10.3.2015).

 

Der armenische Ombudsmann kritisierte, dass die Rechtsorgane nicht adäquat auf Berichte über Folter antworteten, sondern sich überhaupt weigerten Untersuchungen durchzuführen. Gleichzeitig würde in Fällen, bei denen eine Untersuchung standfindet, oft nur oberflächlich und voreingenommen ermittelt (RA-HRD 26.6.2015).

 

Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den EGMR zu wenden. Abgesehen davon gibt es allerdings keinen Mechanismus, Folterverdachtsfälle gegenüber Beamten zu untersuchen, da beispielsweise Dienstaufsichtsbeschwerden nicht vorgesehen sind. Betroffene beschweren sich nur selten, weil sie Repressalien befürchten (AA 24.4.2015).

 

Die armenischen Behörden bekennen sich zum Ziel, die Standards des Europarats bezüglich des Vorgehens gegen Folter und Misshandlung einzuhalten. Gleichzeitig wurden 2014 Beschwerden über Folter und Misshandlungen während der Untersuchungshaft ignoriert, ohne dass entsprechende Untersuchungen eingeleitet wurden.

 

Das armenische Gesetz verbietet Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Allerdings sind greifbare Ergebnisse ausgeblieben, die das nationale Recht hinsichtlich der Kriminalisierung von Folter in Einklang mit Artikel 1 der Konvention gegen Folter bringen. Die gegenwärtige Definition von Folter in Armenien beinhaltet nicht Straftaten, welche durch Behördenvertreter begangen werden. Infolgedessen wurde niemand aus den Exekutiv- oder Sicherheitsorganen je wegen Folter verurteilt. Wenn es überhaupt zur Bestrafung oder Verurteilung kommt, dann für geringere Delikte, wie den Missbrauch der Amtsgewalt. In mehreren Fällen wurden verurteilte Beamte amnestiert (CoE-CommDH 10.3.2015, vgl. EC 25.3.2015).

 

Der Direktor des Civil Society Instituts und Mitglied des UN-Unterkomitees für die Folterprävention, Arman Danielyan, bezeichnete die Aussage des Justizministers als Hoffnungsschimmer, wonach der Folterbegriff im Strafrecht in Einklang mit dem Wortlaut der UN-Anti-Folterkonvention gebracht werden soll. Dies bedeute, dass auch bei Ausbleiben einer privaten Klage von Amtswegen ermittelt werden muss, wenn es sich um einen Fall von Folter handelt. Überdies sah er im Jahr 2014 eine gestiegene Bereitschaft seitens der Betroffenen, offiziell Beschwerden einzureichen. Insbesondere habe der Sonderermittlungsdienst (Special Investigation Service – SIS) verstärkt Aktivitäten gesetzt, wobei konkrete Resultate noch abzuwarten seien (HRA 16.1.2015).

 

Der Sonderermittlungsdienst, eine Beschwerdeeinrichtung zur Untersuchung von strafrechtlichen Vergehen von Behörden, berichtete für das Jahr 2014 von 546 Fällen, in denen ermittelt wurde. Dies bedeutete eine deutliche Steigerung gegenüber den Jahren 2012 und 2013, als lediglich 204 bzw. 239 Fälle behandelt wurden (SIS 26.1.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Korruption

 

Die Korruption in Armenien durchdringt alle Bereiche der Gesellschaft. Die öffentliche Verwaltung, speziell die Justiz, die Polizei, der Strafvollzug, das Gesundheitswesen und das öffentliche Beschaffungswesen sind anfällig. Eines der signifikantesten Korruptionsthemen ist die Vermengung von Politik und Geschäftswelt. Obgleich die Verfassung es Parlamentsmitgliedern verbietet ein Geschäft zu betreiben, wird dieses Verbot ignoriert. Mächtige Politiker und Offizielle kontrollieren wiederholt Privatfirmen via Strohmänner und Verwandte. In den Augen des US Department of State gehörten die systematische Korruption und der Mangel an Transparenz in der Regierung zu den signifikantesten Menschenrechtsproblemen im Jahr 2014. Das Gesetz sieht zwar strafrechtliche Sanktionen für Korruptionsdelikte von Beamten vor, doch setzt die Regierung das Gesetz nicht effektiv um, sodass viele Beamte, die sich korrupter Praktiken bedienen, straffrei gehen (USDOS 25.6.2015).

 

Korruption bis in die höchsten Instanzen ist weiterhin ein sehr verbreitetes Problem. So sind bei öffentlichen Ausschreibungen sogenannte "Kickback"-Zahlungen an die ausschreibenden Behörden üblich, um Aufträge zu erhalten (AA 24.4.2015).

 

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2014 belegte Armenien wie im Jahr davor Platz 94 von insgesamt 175 untersuchten Staaten (TI 2014).

 

Laut Transparency International ist die Schattenökonomie, die von Oligarchen beherrscht wird, ein spezielles Merkmal der Korruption in Armenien. Dieser Bereich macht 35 Prozent des BNP aus. Angesichts der Vermengung von Wirtschaft und Politik im Zeichen der Korruption, sei es nicht erstaunlich, dass 82 Prozent der ArmenierInnen glauben, dass Korruption im öffentlichen Sektor ein (ernsthaftes) Problem sei, wobei vor allem die Justiz und die Verwaltung betroffen seien. Nur 21 Prozent glauben andererseits, dass die Regierung effektiv in ihren Anti-Korruptionsbemühungen sei (TI 4.2015)

 

Im April 2014 wurde ein Strategiepapier für den Kampf gegen die Korruption angenommen, welches sich auf den Bildungs- und Gesundheitsbereich sowie auf die Staatseinnahmen konzentriert (EC 25.3.2015).

 

Der neue Anti-Korruptionsrat soll die Koordination von Anti-Korruptionsmaßnahmen vornehmen, die durch die unterschiedlichen Regierungsinstitutionen umzusetzen sind. Überdies soll der Rat Debatten und Diskussion organisieren sowie Empfehlungen an die Regierung geben. Unter dem Vorsitz des Premierministers sollen nebst Vertretern aus dem Justiz- und dem Finanzministerium sowie der Generalstaatsanwaltschaft auch die parlamentarische Opposition und die Zivilgesellschaft Vertreter entsenden (AL 19.2.2015).

 

Als Lichtblicke in Hinblick auf die Korruptionsbekämpfung und angesichts der mangelnden Gewaltenteilung werden die Kontrollkammer, die zentrale Wahlbehörde und die Ombudsmannstelle angesehen. Insbesondere letztere wird für ihren Mut, dem Druck staatlicher Stellen zu widerstehen, gelobt (TI 4.2015).

 

Unter Anführung erwähnter Missstände empfahl der UN-Ausschuss für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (CESCR) in seinem Bericht vom Juli 2014, die Effektivität der rechtlichen, strukturellen und politischen Maßnahmen seitens der Regierung, der öffentlichen Verwaltung und der Gerichtsbarkeit im Kampf gegen Korruption zu stärken, wozu auch die vermehrte Untersuchung und Bestrafung gehören (CESCR 16.7.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

 

Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen sind registriert. Diese haben Zugang zu Medien, Behörden und Vertretern internationaler Organisationen.

 

Die Arbeit der NGOs, die sich mit Themen wie Medien, Versammlungs- und Meinungsfreiheit oder Korruption beschäftigen, wird allerdings seitens der Exekutive nicht unterstützt. Gelegentlich werden Fälle bekannt, in denen NGOs behindert werden. So wird immer wieder berichtet, dass Menschenrechtsorganisationen der Zugang zu verwertbaren Informationen und Zahlen durch Behörden und Regierung erschwert wird (AA 24.4.2015).

 

Einige Regierungsmitglieder und Pro-Regierungsmedien titulierten NGOs, die aus dem Ausland finanziert wurden, wie beispielsweise bekannte Menschenrechtsgruppen und Anti-Korruptions-Wächter als "große Fresser" und Verräter, die die nationalen Interessen, die Sicherheit und die Traditionen unterminieren würden (USDOS 25.6.2015).

 

Im September 2014 initiierte die Regierung ein neues Gesetz über Öffentliche Organisationen. Zur Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs wurde eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern des Justizministeriums und zivilgesellschaftlicher Organisationen gebildet. Hierbei wurden zahlreiche öffentliche Diskussionen mit über 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen veranstaltet. Der Gesetzesentwurf erlaubt eine flexible Regulierung der öffentlichen Organisationen und stärkt deren Rolle. Durch die Festlegung der erlaubten Geschäftstätigkeiten, beispielsweise die Gründung einer Stiftung sowie einer gesteigerten Transparenz der staatlichen Finanzierung, sollen die Entwicklung, Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit gestärkt werden. Die Schaffung des neuen Gesetzes wurde seitens der EU durch das Programm: "Unterstützung für ein demokratisches Regieren in Armenien" mit rund 950.000 Euro gefördert (EC 25.3.2015, vgl. EU 10.4.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Ombudsmann

 

Das Büro des Ombudsmannes hat das Mandat die Menschenrechte und grundlegende Freiheiten vor dem Missbrauch durch die Regierung zu schützen. Die Effektivität ist durch die begrenzten finanziellen Mittel eingeschränkt. Eine Zusatzfinanzierung seitens der Regierung, um die Rolle als "Nationaler Präventiver Mechanismus (NPM) im Sinne des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe der Vereinten Nationen" auszuüben, blieb aus (USDOS 25.6.2015).

 

Die Verfassungsänderung im November 2005 hat die Institution einer vom Parlament gewählten Ombudsperson für Menschenrechte geschaffen. De facto muss die Ombuds-person einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen. Der Ombudsmann bemüht sich um die Stärkung der Institution sowie um die Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. So sollen regionale Büros aufgebaut werden. Mit 80 NGOs wurden "Memoranda of Understanding" zur vertieften Zusammenarbeit und konstruktivem Dialog gezeichnet. Im armenischen Haushalt 2015 sind insgesamt 481.300 Euro für die Arbeit der Ombudsperson eingeplant (2013: 440.000 Euro) (AA 24.4.2015).

 

Angesichts des Versagens der Justiz, was den Schutz der Bürger- und Menschenrechte anlangt, gilt die Ombudsmannsstelle als positive Ausnahme. Als einzige Institution stellt sie das staatliche Versagen beim Schutz und der Verletzung der bürgerlichen Freiheiten in Frage (BS 2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

Wehrdienst

 

Männer armenischer Staatsangehörigkeit unterliegen vom 18. bis zum 27. Lebensjahr der allgemeinen Wehrpflicht (24 Monate). Es besteht die Möglichkeit der Rückstellung aus sozialen Gründen (z.B. Hochschulstudium, pflegebedürftige Eltern, zwei oder mehr Kinder), die in Armenien beantragt werden muss. Männliche Armenier ab 16 Jahren sind zur Wehrregistrierung verpflichtet. Sofern sie sich im Ausland aufhalten und sich nicht vor dem Erreichen des 16. Lebensjahres aus Armenien abgemeldet haben, müssen sie zur Musterung nach Armenien zurückkehren; andernfalls darf ihnen kein Reisepass ausgestellt werden. Nach der Musterung kann die Rückkehr ins Ausland erfolgen. Ab dem 18. Lebensjahr muss entweder der Wehrdienst abgeleistet werden oder eine Rückstellung erfolgen. Die Einberufung zu jährlichen Reserveübungen ist möglich. Laut Informationen des Verteidigungsministeriums soll es für Personen mit legalem Daueraufenthalt im Ausland auf Antrag Befreiungsmöglichkeiten auch im wehrpflichtigen Alter geben: Eine interministerielle Härtefall-Kommission prüft die Anträge auf Befreiung vom Wehrdienst (AA 24.4.2015, vgl. OSCE 14.4.2014).

 

Menschenrechtsverletzungen in der Armee und Todesfälle ohne Bezug auf Kampfhandlungen sind weiterhin ein ernsthaftes Problem. Die Behörden zeigen erst in jüngster Zeit ein Problembewusstsein, indem sie beispielsweise die Ombudsmannstelle beauftragt haben, die Menschenrechtssituation in den Streitkräften zu beobachten (CoE-PA 27.8.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

Wehrersatzdienst

 

Die Anzahl der Wehrdienstverweigerer ist gering. Eine Ausnahme bilden die Zeugen Jehovas: Seit 1991 sind nach Angaben der Jerewaner Gemeinde der Zeugen Jehovas 481 Personen wegen Verweigerung des Wehr- bzw. des Wehrersatzdienstes innerhalb der militärischen Struktur verurteilt worden, von denen sich derzeit jedoch keiner mehr in Haft befindet. Hintergrund der Verweigerungen ist, dass bis zur vollständigen Umsetzung des Gesetzes über den alternativen Wehrdienst keine Möglichkeit geboten wurde, den Ersatzdienst außerhalb der militärischen Strukturen abzuleisten. Seitdem diese Möglichkeit geschaffen wurde, gibt es keine Ersatzdienstleistenden innerhalb des Militärs. Bei der "Wintereinberufung" 2013 wurden 72 Wehrdienstverweigerer erfasst.

 

2011 wurde erstmals drei zu einer Haftstrafe verurteilten Totalverweigerern eine Entschädigung in Höhe von 20.000 € durch den Europäischen Gerichtshof für Menschen-rechte zugesprochen. Das Urteil wurde umgesetzt (AA 24.4.2015).

 

Die Europäische Union bewertet die Entwicklungen seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Wehrersatzdienst im Jahr 2013 als positiv. Alle Ansuchen zur Überführung in den Zivildienst wurden positiv beantwortet. Die Zivildiener arbeiteten vorwiegend in Alters- und Waisenheimen sowie in psychiatrischen Anstalten (EC 25.3.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Wehrdienstverweigerung / Desertion

 

Wehrpflichtige, die sich zunächst ihrer Wehrpflicht entzogen haben, müssen trotz vorhandener Strafvorschriften grundsätzlich nicht mit einer Bestrafung rechnen, wenn sie sich nach Rückkehr bei der zuständigen Einberufungsbehörde melden. Auch bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Wehrdienstentzugs werden in solchen Fällen eingestellt. Männer über 27 Jahre, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, können gegen Zahlung einer Geldbuße die Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung erreichen (AA 24.4.2015).

 

Alle Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung angeklagt oder verurteilt waren, konnten sich nach der Gesetzesreform von 2013 für den Zivildienst entscheiden, wobei ihnen etwaige bereits abgeleistete Haftstrafen auf die Dauer des noch abzuleistenden Dienstes angerechnet wurden. Der Vorsitzende der Zivildienstkommission teilte Vertretern des Europarates mit, dass die Kriterien für die Wehrdienstverweigerung aus nicht-religiösen Gründen noch zu spezifizieren seien (CoE-PA 27.8.2014).

 

Quellen:

 

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Die Menschenrechtssituation stellte sich 2014 weiterhin uneinheitlich dar. Der Eingriff seitens der Behörden bei friedlichen Demonstrationen setzte sich fort. Folter und Misshandlungen bei Festnahmen bleiben ein Problem, während Untersuchungen in derartigen Fällen ineffizient sind. Journalisten sind weiterhin mit Druckausübung und Gewalt konfrontiert. Obgleich der Zivildienst eingeführt wurde, kommt es zu schweren Misshandlungen in der Armee. Von Zwangseinweisungen in psychiatrische Anstalten wird ebenso berichtet wie von Gewalt und Diskriminierung infolge der sexuellen Orientierung (HRW 29.1.2015, vgl. CoE-PA 27.8.2014).

 

Menschenrechte werden zum größten Teil durch die Sicherheitsorgane, politische Amtsträger und Privatpersonen aus dem Umfeld der sich über dem Gesetz wähnenden Oligarchen oder deren Strukturen verletzt (AA 24.4.2015).

 

Im Juni 2014 lobten die OSCE, Delegation der EU, die Vereinten Nationen und der Europarat in einer gemeinsamen Erklärung die armenische Regierung für die Verabschiedung des Menschenrechts-Aktionsplanes. Der Plan anerkenne, dass die Rechte vulnerabler Gruppen Schutz bedürfen und die Regierung aufgerufen sei, Bemühungen voran zu treiben, die gleiche Rechte und Chancen für alle sichern (OSCE 30.6.2014).

 

Allerdings kritisierte die Europäische Kommission, dass der Plan wichtige Bereiche, die Vorrang haben sollten, wie die Einhaltung der UN-Konvention gegen Folter, ausspare. Die Europäische Kommission beurteilte die Fortschritte im Bereich der Menschenrechte und der fundamentalen Freiheiten als beschränkt (EC 25.3.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/295465/430496_de.html , Zugriff 20.11.2015

 

 

Meinungs- und Pressefreiheit

 

Obgleich Kritik an der Regierung und Amtsträgern im Allgemeinen toleriert wird, sind gewisse Themen nach wie vor Tabu. Insbesondere Menschenrechtsaktivisten und Journalisten, die Minderheitenmeinungen zu kontroversen Themen wie den Nagorny Karabach-Konflikt oder Gender-Themen äußern, sind mit Einschüchterungen, Schikanen, Drohungen oder Tätlichkeiten konfrontiert (EC 25.3.2015, vgl. AA 24.4.2015).

 

Im September 2014 äußerte sich die OSCE Vertreterin für Medienfreiheit, Dunja Mijatovi?, besorgt über Attacken auf Journalisten und den Mangel an effektiven Maßnahmen, um das Klima der Straffreiheit zu beenden. Die Straffreiheit für solche Übergriffe würde das Gewaltpotential erhöhen und die Meinungs- und Medienfreiheit beeinträchtigen (OSCE-RFM 30.9.2014).

 

Laut dem "Komitee zum Schutze der Meinungsfreiheit" wurden 2014 77 Fälle der Verletzung der journalistischen Freiheiten gemeldet, im Vergleich zu 65 im Jahre 2013. Hiervon waren neun Fälle mit körperlicher Gewalt gegen Journalisten verbunden. Unter den 22 gerichtsanhängigen Fällen, die 2014 zugänglich gemacht wurden, befanden sich 17, in denen es um Beleidigung und Rufschädigung ging (CPFE 30.1.2015).

 

Die Medienfreiheit ist weiterhin unzureichend. Entwicklungen in Richtung einer Vielfalt im Bereich des Rundfunks und einer Transparenz hinsichtlich der Eigentümerstrukturen blieben aus (EC 25.3.2015).

 

Die meisten dominanten Rundfunkanstalten werden von der Regierung oder regierungsfreundlichen Einzelpersonen kontrolliert. Der Printmedienbereich ist klein und verringert sich, während die On-Line-Medien in ihrer Popularität und Zugänglichkeit wachsen. Fast alle Printmedien sind privat, und tendieren dazu, die politische und ideologische Richtung ihrer Eigentümer wiederzugeben (FH 28.4.2015).

 

Artikel 27 der Verfassung schützt die Meinung-, Informations- und Medienfreiheit. Es gibt offiziell keine Zensur. Viele Journalistinnen und Journalisten neigen aber zur Selbstzensur. Üble Nachrede und Verleumdung werden nach einer Gesetzesänderung nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Damit wurde eine langjährige Forderung der internationalen Gemeinschaft umgesetzt. Betroffenen steht stattdessen der zivilrechtliche Klageweg offen. Die Zahl der zivilrechtlichen Klagen gegen Medien und Journalisten hat in der Folge stark zugenommen, und es ergingen eine Reihe unverhältnismäßig hoher Geldstrafen (AA 24.4.2015, vgl. HRW 29.1.2015).

 

Mitte September beschrieb der Vorsitzende von CPFE, Ashot Melikyan, die Wirkung der neuen Gesetzlage entgegen den optimistischen Prognosen als wirkliche Hausausforderung für die Medien, denn Politiker und Wirtschaftstreibende würden objektive Kritik als Beleidigung und Verleumdung betrachten und versuchten mittels Klagen Rache an den Medien zu üben. Seit Beleidigung und Verleumdung als Delikte entkriminalisiert wurden, wären 126 Klagen gegen Medien und Journalisten eingereicht worden (CPFE 16.9.2015).

 

Im World Press Freedom Index 2014 der Organisation "Reporter ohne Grenzen" rangierte Armenien auf Platz 78 von 180 Ländern (RWB 2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/311939/450050_de.html , Zugriff 20.11.2015

 

 

 

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

 

Die Verfassung garantiert das Recht auf "friedliche, nicht bewaffnete, öffentliche Versammlungen". Mitte März 2008 erfolgte eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes mit weitreichenden Verbotsmöglichkeiten, die jedoch auf Druck des Europarates mit der Novellierung des Versammlungsgesetzes 2011 teilweise zurückgenommen wurden. Demonstrationen auf dem Opernplatz ("Platz der Freiheit") in Jerewan werden wieder regelmäßig genehmigt, insbesondere nach den Präsidentschaftswahlen im Februar 2013. Vertreter der Opposition haben teilweise mit Einschränkungen zu kämpfen. Die Interpretation des Gesetzes über die Versammlungsfreiheit erscheint mitunter willkürlich. Andererseits werden manche spontane Demonstrationen geduldet (AA 24.4.2015).

 

Das gegenwärtige Recht auf Versammlungsfreiheit entspricht den EUund anderen internationalen Standards. Trotz des Rechts auf Versammlungsfreiheit mischen sich die Behörden dahingehend ein, dass sie Zusammenkünfte nicht genehmigen, Demonstrationen auflösen oder Teilnehmer physisch attackieren bzw. festnehmen, wie dies auch 2014 der Fall war (EC 25.3.2015, vgl. FH 28.1.2015, FCO 28.1.2015).

 

Demonstrationen der Opposition werden zwar wieder regelmäßig genehmigt, die verfassungsmäßig garantierte Versammlungsfreiheit wird jedoch in der Praxis durch das Gesetz über administrative Haft und das Versammlungsgesetz spürbar eingeschränkt (AA 24.4.2015).

 

Auch die Vereinigungsfreiheit hat Verfassungsrang. Die aktuelle Gesetzgebung entspricht im

 

Wesentlichen internationalen Standards, weist aber in der Umsetzung Defizite auf. Das Recht auf Streik gilt nicht uneingeschränkt. Bestimmten Berufsgruppen (z.B. Polizei) ist das Recht verwehrt, Gewerkschaften beizutreten. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit und der ungünstigen Wirtschaftslage machen Arbeitnehmer von ihrem Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, nur in geringem Umfang Gebrauch (AA 24.4.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/300285/436948_de.html , Zugriff 20.11.2015

 

Opposition

 

Die Opposition besteht aus dem Bündnis des Armenischen Nationalkongresses, der "Daschnakzutiun" (Armenische Revolutionäre Föderation, ARF) und der "Erbe"-Partei. Die Partei Bargavach Hayastan ("Blühendes Armenien") ging in die "konstruktive" Opposition. Es gibt immer wieder belastende Berichte in der Presse und von NGOs über Behinderungen und Ungleichbehandlungen der Oppositionsparteien durch die Behörden, z.B. bei Demonstrationen oder Wahlen (AA 24.4.2015).

 

Überdies gab es fortwährend Beschwerden, dass die Regierung ihre erheblichen administrativen und rechtlichen Ressourcen gebrauche, um finanzielle Zuwendungen an die Opposition zu verhindern. Die Unfähigkeit der Oppositionsparteien Gelder aufzutreiben, entweder durch staatliche Mittel oder durch private Spenden, die wegen des Drucks der Regierung auf potentielle Spender ausbleiben, marginalisiert die Oppositionsparteien noch mehr (USDOS 25.6.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Haftbedingungen

 

Überbelegung, inadäquate sanitäre Einrichtungen und medizinische Versorgung sowie Korruption sind die Hauptprobleme in armenischen Gefängnissen. In einigen Fällen sind die Gefängnisbedingungen lebensgefährlich (USDOS 25.6.2015, vgl. AA 24.4.2015).

 

Die Haftanstalten sind um durchschnittlich 20% (nach offiziellen Angaben: 8%) überbelegt. Menschenrechtsorganisationen haben Zutritt zu den Gefängnissen. Die Lage der Häftlinge hängt stark von jeweiligen Haftanstalt und dem Stand ihres Verfahrens (Untersuchungs- oder Strafhaft) ab (AA 24.4.2015).

 

Laut offizieller Statistik kamen in den ersten neun Monaten des Jahres 2014 29 Menschen (2013: 14) ums Leben, drei davon begingen Selbstmord. Menschenrechtsorganisationen führten dies vor allem auf schlechte bauliche Zustände, Überbelegung und die Vernachlässigung bei der Versorgung von Inhaftierten zurück. Hinzukam, dass angemessene Untersuchungen dieser Todesfälle ausblieben (USDOS 25.6.2015).

 

Die Ombudsmannstelle verzeichnete 2013 363 Fälle von Gewalt, wovon bloß in 3.4% ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Dies beweise laut Ombudsmann, dass die Fälle nur oberflächlich, z.B. ohne Befragungen oder Gegenüberstellungen, durchgeführt wurden (RA-HRD 2014).

 

Die Europäische Kommission bezeichnete die Fortschritte im Gefängnissystem, in welchem die unmenschliche Behandlung weiterhin besorgniserregend sei, als begrenzt. Die Eröffnung des ersten Trakts der neuen Strafanstalt in Armavir sollte das Problem der Überfüllung in den Haftanstalten mindern (EC 25.3.2015).

 

Anlässlich der Eröffnung von Armavir meinte Justizminister Hovhannes Manukyan, dass durch dessen Nutzung ein maximaler Schutz der Rechte der Insassen sowie die Verbesserung der Lebensbedingungen gewährleistet seien, wodurch die diesbezüglichen europäischen Standards erfüllt würden. Vorerst werden 400 und bis zur geplanten Fertigstellung Ende 2015 1.200 Häftlinge ihre Strafe in Armavir abbüßen (Tert.am 29.1.2014, vgl. AN 1.12.2014). Jede der Vier-Mann-Zellen hat eine Größe von 16-17 m² mit einem zusätzlichen Bad. Die Anstalt verfügt u.a. über ein eigenes Krankenhaus für bis zu 120 Insassen (HRA 1.12.2014).

 

Ende Oktober 2014 verkündete der Justizminister, Hovhannes Manukyan, dass um die Jahreswende 2015/16 ein Bewährungssystem eingeführt werden soll, wodurch die Strafanstalten um 25 bis 30% entlastet würden (Panorama 31.10.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Todesstrafe

 

Armenien hat im September 2003 das 6. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ratifiziert. Die Todesstrafe ist damit abgeschafft; dies ist in Artikel 15 der Verfassung verankert (AA 24.4.2015, vgl. DPF o.D.).

 

Quellen:

 

 

 

Religionsfreiheit

 

Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert (Art. 26) und darf nur durch das Gesetz und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist (AA 24.4.2015).

 

Reformen des Gesetzes über Gewissens- und Religionsfreiheit brachten 2011 Verbesserungen mit sich. Laut einer Fact-Finding-Mission der Parlamentarischen Versammlung des Europarates legt das Gesetz sowohl die Freiheit der Glaubens- und Religionsausübung als auch die damit verbundenen religiösen Veranstaltungen fest. Überdies verleiht es den religiösen Vereinen und Gruppen den Rechtsstatus, sofern sie über 25 Mitglieder verfügen, ohne dass eine Registrierung bzw. amtliche Genehmigung notwendig wären. Allerdings bestehen noch etliche Mängel im Gesetz insbesondere in Bezug auf die komplizierte und verwirrende Definition des Proselytismus (CoE-PA 27.8.2014).

 

Das Gesetz verbietet zwar Proselytismus, was so genanntes "soul hunting" und erzwungene Konversion beschreibt, doch eine nähere Definition besteht nicht. Diese Bestimmung betrifft alle Gruppen, auch die Armenisch-Apostolische Kirche (USDOS 14.10.2015).

 

Die Armenische Apostolische Kirche hat quasi den Status einer Staatskirche und nimmt eine faktisch privilegierte Stellung ein. In der Verfassung verankert, ist sie zwar formell anderen kirchlichen Organisationen gleichgestellt, allerdings genießt der Katholikos, das Oberhaupt der Kirche, besonderes Gehör bei Regierung und Bevölkerung. Vertreter religiöser Minderheiten beklagen, dass sie kaum Zugang zu den meist staatlich kontrollierten Medien erhalten, weshalb sie kaum eine Chance haben, gegen weit verbreitete Vorurteile und gelegentliche Hetzkampagnen durch private Organisationen anzugehen (AA 24.4.2015).

 

Der Unterrichtsplan enthält immer noch das Pflichtfach "Die Geschichte der Armenischen Kirche", was von vielen lokalen Experten als Indoktrinationsmittel gegenüber den Kindern verstanden wird. Die Regierung hat diesbezüglich bekräftigt, dieses Fach nicht streichen zu wollen (USDOS 14.10.2015)

 

Trotz gesetzlicher Verbesserungen, was die Rolle der religiösen Minderheiten anlangt, wie die Einführung des Zivildienstes für Zeugen Jehovas, bleibt die gesellschaftliche Akzeptanz von religiösen Minderheiten niedrig bzw. nicht zufriedenstellend (EC 25.3.2015, vgl. CoE-PA 27.8.2014, RA-HRD 2014).

 

Protestantisch-evangelikale Gruppen und Zeugen Jehovas, im Unterschied etwa zur alteingesessenen Evangelischen oder der Römisch-Katholischen Kirche, werden besonders angefeindet. Sowohl für Vertreter der Armenisch Apostolischen Kirche als auch für zahlreiche Medien gelten diese als anti-armenische, vom Ausland finanzierte Sekten, die sich des Proselytismus, des Abwerbens von Gläubigen, bedienen (oDem 24.9.2014).

 

Das Gesetz verbietet zwar Bekehrungen durch religiöse Minderheiten. Missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen werden jedoch staatlicherseits darin nicht behindert, wie dies etwa Vertreter der Zeugen Jehovas bestätigten. Im Laufe des Jahres 2014 kam es bisweilen zu Zwischenfällen – zwei Überfälle auf evangelische Kirchen in Armenien, die nach Aussagen von Kirchenvertretern nicht vollständig aufgeklärt wurden (AA 24.4.2015).

 

Vertreter der religiösen Minderheiten beschwerten sich hingegen, dass Baugenehmigungen für religiöse Einrichtungen verweigert würden. Vandalismus an bestehenden Gebäuden und gelegentlichen Manifestationen von Intoleranz würden behördlicherseits unzureichend verfolgt bzw. ignoriert (CoE-PA 27.8.2014). Diskriminierungen gegen religiöse Minderheitengruppen am Arbeitsplatz, in der Schule und in den Medien sind weiterhin vorhanden (EC 25.3.2015, vlg. USDOS 14.10.2015). Viele Medien stellten Minderheitenreligionen weiterhin als Sekten dar. In Rundfunkdiskussionen und Presseberichten brandmarkten Vertreter der Armenisch-Apostolischen Kirche die religiösen Minderheiten als Staatsfeinde (USDOS 14.10.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Religiöse Gruppen

 

Ungefähr 93% der Bevölkerung gehören der Armenisch-Apostolischen Kirche an. Die größte religiöse Minderheit sind die Jesiden. Als gleichzeitig ethnische Gruppe zählte die Gemeinschaft laut dem Zensus von 2011 35.300 Personen. Allerdings scheinen sich nicht mehr alle Jesiden über ihre Religion als solche zu definieren, sodass deren Anzahl in der Religionsstatistik geringer ausfällt als bei der Aufschlüsselung der Ethnien.

 

Nebst den rund 29.000 evangelischen Christen (ca. 1%) und rund 14.000 Katholiken gibt es eine Vielzahl kleinerer Religionsgemeinschaften, unter anderem Zeugen Jehovas (8.700) und Orthodoxe Christen (7.500). Über 110.000 haben kein Religionsbekenntnis bzw. gaben keines an (NSS-RA 2013).

 

Die Jesiden leben vor allem in landwirtschaftlichen Gebieten rund um den Berg Aragats, nordwestlich von Jerewan. Armenische Katholiken leben vorwiegend im Norden, die meisten Juden, Mormonen und orthodoxen Christen leben in Jerewan, ebenso wie kleine Gemeinden von überwiegend schiitischen Muslimen (USDOS 14.10.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Jesiden

 

Die Verfassung garantiert nationalen Minderheiten das Recht, ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprache zu bewahren, in der sie studieren und veröffentlichen dürfen. Zugleich verpflichtet ein Gesetz alle Kinder zu einer Schulausbildung in armenischer Sprache. So wird an einigen armenischen Schulen in jesidischen Gegenden (derzeit in 23 Dörfern) auch Unterricht in deren Muttersprache erteilt. Die hierfür seit 2005 vorhandenen Lehrbücher beziehen sich auf die Sprache und Literatur, stehen allerdings nur für die Jahrgangsstufen 1-6 zur Verfügung (AA 24.4.2015).

 

Die Sprache der Jesiden ist ein Dialekt des Kurdischen, das so genannte Kurmandschi (DE o.D.). Die Sprache wird mitunter auch als Ezdiki bezeichnet. Mehr noch als hinsichtlich der sprachlichen Identität besteht unter den Jesiden Uneinigkeit, was deren Beziehung zum Kurdentum anlangt. Manche sehen die Jesiden als eigene Ethnie und bezeichnen sich, was die Religion anlangt, nicht als Jesiden (ethnische Zugehörigkeit), sondern als Sharfadin (Rudaw 28.5.2014).

 

Die Anzahl der Jesiden ist seit der Unabhängigkeit merkbar gesunken. Umfasste die Gemeinschaft 1989 noch 52.000 Mitglieder oder 1,6% der Gesamtbevölkerung, waren es 2001 zur noch 40.600 oder 1,3%. Die letzte Volkszählung aus dem Jahr 2011 ergab mit rund 35.300 einen Tiefststand von rund 1,2% (EUI 2013).

 

Die Abwanderung erfolgte wie bei den ethnischen Armeniern laut Jesiden-Vertretern in erster Linie aus ökonomischen Gründen, vorwiegend in die Russische Föderation (panorama 5.9.2013).

 

Das Vorgehen des so genannten Islamischen Staates gegen die Jesiden im Irak führte 2014 zu Protestkundgebungen in Armenien. Armenische Jesiden-Vertreter verlangten Hilfe von der armenische Regierung (Epress.am 12.9.2014, vgl. AN 4.9.2014) und eine mögliche Ansiedlung von 30.000 Jesiden, die bereits vorwiegend in die Türkei geflüchtet waren. Laut Jesiden-Vertretern seien die armenischen als auch die Behörden der separatistischen Republik Nagorny Karabach dazu bereit (EN 18.9.2014, vgl. Tert.am 16.9.2014, Eurasianet 21.8.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ethnische Minderheiten

 

Nationale und ethnische Minderheiten sind integriert und im Rat der Nationalen Minderheiten organisiert (AA 3 .2015a). Vertreter der ethnischen Minderheiten berichten selten über offene Diskriminierung. Beschwerden gab es hinsichtlich des Unterrichts in der Muttersprache der Minderheiten (FH 28.1.2015).

 

Im Jänner 2015 bestätigte das Expertenkomitee des Europarats, dass Armenien rechtliches und institutionelles Rahmenwerk zum Schutze und Förderung von Minderheitensprachen entwickelt hat. Allerdings ist dessen Umsetzung noch nicht in allen Bereichen vollzogen worden (EC 25.3.2015).

 

Infolge der Kriegshandlungen Ende der achtziger und zu Beginn der neunziger Jahre leben heute nur wenige aserbaidschanische Volkszugehörige in Armenien, meist Ehepartner von Armeniern oder Abkömmlinge gemischter Ehen. Alle besitzen die armenische Staatsange-hörigkeit. Glaubhafte Berichte über staatliche Repressionen liegen nicht vor (AA 24.4.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/300285/436948_de.html , Zugriff 20.11.2015

 

Bewegungsfreiheit

 

Aufgrund des zentralistischen Staatsaufbaus der geringen territorialen Ausdehnung gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten gegenüber zentralen Behörden. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen (AA 24.4.2015).

 

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Es gab jedoch Einschränkungen vor allem im Zusammenhang mit Reisen zu oppositionellen Kundgebungen in der Hauptstadt. Um das Land vorübergehend oder dauerhaft zu verlassen, müssen sich Bürger eine Ausreisebewilligung besorgen. Ausreisebewilligungen für vorübergehende Reisen werden üblicherweise innerhalb eines Tages ausgestellt zum Preis von 1.000 Dram (ca. 2,44 USD) pro Gültigkeitsjahr (USDOS 25.6.2015).

 

Einschränkungen der Bewegungsfreiheit beziehen sich oft auf die Versammlungsfreiheit, indem der Zugang zu Örtlichkeiten seitens der Behörden behindert wird. Das Norwegische Helsinki Comittee sieht seit 2014 eine Zunahme der Einschränkungen der Bürgerfreiheiten, darunter auch der Bewegungsfreiheit (NHC 4.2.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

http://nhc.no/filestore/Publikasjoner/Rapporter/2014/Report_1_14_web.pdf , Zugriff 20.11.2015

 

 

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

 

Laut Schätzungen des Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) gab es mit Ende Dezember 2014 rund 8.400 Binnenflüchtlinge. Circa

2.600 stammen aus der armenischen Exklave Artsvashen, die vom aserbaidschanischen Staatsgebiet umgeben ist.

 

Während des Nagorny Karabach Konfliktes wurden ca. 65.000 Haushalte aus der Grenzregion evakuiert. Die meisten dieser Personen konnten in ihre Häuser zurückkehren, oder ließen sich woanders nieder. Einigen Binnenflüchtlingen und ehemaligen Flüchtlingen mangelt es an adäquaten Unterkünften und wirtschaftlichen Möglichkeiten (IDMC, o. D., vgl. USDOS 25.6.2015).

 

Seit 2002 führt die armenische Rote Kreuz Gesellschaft das UNHCR-geförderte Projekt "Stärkung von Asyl und lokaler Integration von Flüchtlingen in Armenien" durch. Hauptziel des Projektes ist die humanitäre Hilfe und Beratung von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen bei gleichzeitiger Förderung ihrer Eigenständigkeit und Integration. Im Rahmen des Projektes wurden Asylsuchende und Flüchtlinge aus Syrien, Iran, Irak, Libanon, Palästina, der Russischen Föderation, Georgien und weiteren Ländern unterstützt (IOM 8.2014).

 

Im Jahre 2014 wurden 226 Asylanträge gestellt und 136 Anträge positiv beschieden. Seit 2012, als man 579 Anträge registrierte, sind die Zahlen zurückgegangen (SMS 10.3.2015).

 

Laut Angaben der Migrationsbehörde wurden zwischen 1999 und 2014 etwa 3.000 Flüchtlinge offiziell mit einem Flüchtlingspass registriert. Bei 1.851 Personen handelt es sich um Flüchtlinge aus Aserbaidschan. Zwischen Januar und September 2014 wurden 90 Anträge auf Asyl für insgesamt 177 Personen gestellt. 75 Personen wurde der Flüchtlingsstatus gewährt. Bis zu 15.000 armenisch-stämmige Syrer und ihre Familienangehörigen flohen bisher vor dem Bürgerkrieg in ihrem Heimatland nach Armenien. Sie dürfen sich in Armenien ohne Registrierung oder Zeitbegrenzung aufhalten. Die wenigen Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge sind bei weitem nicht ausreichend. Flüchtlinge armenischer Volkszugehörigkeit haben einen Rechtsanspruch auf den Erwerb der armenischen Staatsangehörigkeit; dieses Recht wurde von fast allen Flüchtlingen armenischer Volkszugehörigkeit in Anspruch genommen (AA 24.4.2015).

 

Im Jahr 2015 suchten einige wenige jesidische Familien aus dem Irak Zuflucht in Armenien. Mit Hilfe der NGO Jesidische Nationale Union wurden die Flüchtlinge in Armenien versorgt und kamen in einem Dorf der jesidischen Minderheit in Armenien unter (IWPR 8.9.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Grundversorgung/Wirtschaft

 

Das verheerende Erdbeben von 1988, der Konflikt mit Aserbaidschan um die Region Bergkarabach (1988-1994), der Zusammenbruch des sowjetischen Wirtschaftssystems und die Unterbrechung der Energieversorgung in den 1990er Jahren führten zu einem drastischen Niedergang der armenischen Industriestruktur. Dies und die andauernde Isolation durch geschlossene Grenzen zur Türkei und zu Aserbaidschan belasten die armenische Wirtschaft bis heute (AA 3 .2015c).

 

Die Wirtschaft hat sich immer noch nicht zur Gänze von der tiefen Rezession, die durch die globale Wirtschaftskrise 2008 ausgelöst wurde, erholt. Damals fiel das Bruttonationalprodukt um 14,1%. Der steile Wirtschaftsabschwung 2009 ist der Hauptfaktor für die steigende Armut. Rund 1,2 Millionen Armenier leben von circa 3 Euro pro Tag. Die sozioökonomische Kluft hat zudem einen regionalen Aspekt. Durch die überproportionale Wirtschaftsaktivität in den urbanen Zentren hat sich die Einkommensschere zwischen Stadt und Land verstärkt. Der Zugang etwa zum Gesundheitswesen und zur Bildung sowie deren Qualität divergiert stark zwischen urbanen und ländlichen Regionen (BS 2014).

 

Laut Europäischer Kommission gab es 2014 weitere Fortschritte in der Wirtschaftspolitik im Makrobereich, der Armutsbekämpfung und der sozialen Kohäsion. Allerdings nahm die wirtschaftliche Aktivität 2014 infolge der ökonomischen Verlangsamung in Russland und der schwachen Nachfrage aus der Europäischen Union ab. Zu wenig würde unternommen, um die Wirtschaft zu diversifizieren. Es bestünde ein übermäßiges Vertrauen speziell in die Landwirtschaft und den Bergbau (EC 25.3.2015).

 

Zu den strukturellen Defiziten gehört nebst den abnehmenden Investitionen auch eine übermäßige Abhängigkeit von Überweisungen aus dem Ausland (BS 2014).

 

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zur Verbesserung der Lebenssituation bei. Die Gas- und Stromversorgung ist grundsätzlich gewährleistet. Leitungswasser steht dagegen in manchen Gegenden, auch in einigen Vierteln der Hauptstadt, insbesondere während der Sommermonate nur stundenweise zur Verfügung. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Angaben des nationalen Statistikamtes für das Jahr 2013 zufolge leben 32% der Armenier unterhalb der Armutsgrenze (2009: 34,1%). Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt. Das die Armutsgrenze bestimmende Existenzminimum beträgt in Armenien 56.600 armenische Dram (AMD) (ca. 110 Euro) im Monat, der offizielle Mindestlohn 50.000 AMD (derzeit ca. 96 Euro). Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass der Migrationsdruck anhält. In den ersten drei Quartalen 2014 haben 105.000 Menschen Armenien dauerhaft verlassen (1.-3. Quartal 2013: 120.998). Unter den Auswanderern sind auch viele Hochqualifizierte, wie etwa Ärzte oder IT-Spezialisten (AA 24.4.2015).

 

Laut Statistikamt betrug 2013 die Netto-Migrationsquote minus 8,1 pro 1.000 Einwohner, was eine deutliche Steigerung zu den Vorjahren indiziert (2012: -3,1; 2011: -1,2). Die Armenische Bevölkerung nahm im Zeitraum zwischen 2010 und 2014 um mehr als 230.000 Personen bzw. 7% ab (NSS-RA 2014a).

 

Das 2014 erreichte Wirtschaftswachstum von 3,4% ist nicht ausreichend für einen nachhaltigen Aufschwung der Ökonomie. Vor allem die drastische Anhebung des Gaspreises durch Russland, der Rückgang von Auslandsüberweisungen und die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland haben die Wirtschaft negativ beeinflusst. Die Inflationsrate lag 2014 offiziell bei 3% (AA 3 .2015c).

 

Die offizielle Arbeitslosenrate betrug 2013 16,2% und lag damit unter jener der Vorjahre (NSS-RA 2014b). Das Arbeitslosenamt meldete hingegen mit Stand 1.1.2015 17,1% Arbeitslose (SEA o.D.).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Sozialbeihilfen

 

Das soziale Sicherungssystem Armeniens wird derzeit durch den Staatshaushalt (Familien-und andere Beihilfen, Pensionen für Militärbedienstete, soziale Unterstützungsprogramme sowie seit 2003 auch Sozialrenten) sowie durch die staatliche Sozialversicherung (Staatsrenten, Arbeitslosenunterstützung und Beihilfen bei vorübergehender Berufsunfähigkeit oder Schwangerschaft) finanziert. Eine Reihe von Sozialprogrammen wird wesentlich durch Spenden unterstützt. Dies gilt insbesondere für öffentliche Arbeiten und Sozialversicherungsprogramme (IOM 8.2014).

 

Familienbeihilfen

 

Als bedürftig registrierte Familien können Familiensozialhilfe erhalten, sofern die errechnete Bedürftigkeit einen von der Regierung der Republik Armenien im Jahr 2005 festgelegten (und noch immer gültigen) Schwellenwert von 34,00 Punkten überschreitet.

 

Einmalige Beihilfen

 

Dies können Familien gewährt werden, deren Bedürftigkeitspunktzahl unter dem Mindestschwellenwert von 34,00 (jedoch über 0) liegt. Die Entscheidung über die Bedürftigkeit einer Familie obliegt dem Sozialrat. Des Weiteren wird Familien verstorbener Soldaten eine Beihilfe in Höhe der Familiensozialhilfe gewährt. Die Anerkennung des Anspruchs der einmaligen Beihilfe wird alle drei Monate geprüft. Die Summe beträgt 6.000 AMD (entsprechend dem Leistungsgrundbetrag).

 

Kindergeld

 

Kindergeld wird Personen gewährt, die Kinder unter zwei Jahren versorgen. Die monatlichen Leistungen für Personen, die Kinder unter zwei Jahren versorgen, belaufen sich auf etwa 3.000 Dram.

 

Mutterschaftsgeld

 

Derzeit bestehen in Armenien drei Arten von Beihilfen in Verbindung mit Kindsgeburten. Einerseits die einmalige Mutterschaftsbeihilfe von 50.000 Dram. Darüber hinaus gibt es eine monatliche Zahlung von ca. 18.000 Dram im Monat an alle erwerbstätigen Elternteile, die ein Kind (bis zum 2. Lebensjahr) versorgen und sich in einem teilweise bezahlten Mutterschaftsurlaub befinden. Außerdem haben Mütter das Recht auf einen Mutterschutzurlaub von 70 Tagen vor und 70 Tagen nach der Geburt. Dieser Zeitraum wird bei schwierigen oder Mehrlingsgeburten erhöht. In diesem Zeitraum wird das Gehalt weiterbezahlt und errechnet sich durch 100% des Durchschnittseinkommens, geteilt durch 30,4, multipliziert mit der Anzahl der Tage des Mutterschutzes. Anspruch auf Mutterschutz haben nur Frauen im formellen Sektor. Daher haben viele Frauen, die im informellen Sektor beschäftigt sind und Hausfrauen keinen Anspruch auf Mutterschutz (IOM 8.2014).

 

Senioren und Behinderte

 

Die sozialen Unterstützungsprogramme für Senioren und Behinderte basieren auf den Anforderungen des Gesetzes über die soziale Absicherung behinderter Personen in Armenien. Hierzu zählen die Vorbeugung von Behinderungen, die medizinische und soziale Rehabilitation und Prothesen sowie insbesondere prothetische und orthopädische Unterstützung behinderter Personen, die Bereitstellung von Rehabilitationsmitteln und soziale Dienste für Senioren und Behinderte.

 

Bereits personalisierte Pensionisten können einen Preisnachlass von den öffentlichen Versorgungseinrichtungen (einschließlich Preisnachlässe für Gas und Strom) fordern. Alleinstehende Pensionisten über 70 Jahre und alleinstehende behinderte Erwachsene können Pflegeleistungen beim "In-house Social Service Center for lonely old and disabled persons" beantragen.

 

Alleinstehende Frauen

 

Alleinstehende Frauen können eine Familienbeihilfe erhalten, wenn sie die entsprechende Punktzahl erreichen. Derzeit gewährt die armenische Regierung dieser Bevölkerungsgruppe keine Sozialleistungen (IOM 8.2014).

 

Renten

 

Personen, die 63 Jahre (bei Frauen beginnt der Grundrentenanspruch mit 59) und älter sind und mindestens fünf Jahre gearbeitet haben, erhalten Anspruch auf eine Altersrente. Darüber hinaus besteht für Frauen eine Alterstabelle, nach der sich das Alter bis zur Anspruchsberechtigung pro Jahr um sechs Monate erhöht, bis das 63. Lebensjahr erreicht wird. Personen im Alter von 55 Jahren, die 25 Jahre gearbeitet und hiervon 15 Jahre besonders schwere Arbeit geleistet haben, können eine Vorzugsrente beanspruchen. Die armenische Regierung hat eine Liste der betreffenden Positionen und Tätigkeiten veröffentlicht. Bis zum Erreichen des Rentenalters besteht eine Alterstabelle. Personen, die mindestens 35 Jahre gearbeitet haben und durch den Arbeitgeber gekündigt wurden (mit Ausnahme bei Austritten aufgrund von Verstößen gegen Arbeitsvorschriften) und innerhalb von 30 Tagen nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis bei dem zuständigen Arbeitsamt einen Antrag gestellt haben, erfüllen die Voraussetzungen um eine Pension zu erhalten. Im Fall einer Berufsunfähigkeitspension für die Altersgruppe ab 30 Jahre muss die betreffende Person mindestens 5 Arbeitsjahre vorweisen können (IOM 8.2014).

 

Arbeitslosenunterstützung

 

Als arbeitssuchend gelten alle Personen ab 16 Jahren, die sich ungeachtet ihrer Beschäftigung bei den staatlichen Arbeitsämtern arbeitssuchend melden. Der Status des Arbeitssuchenden wird allen arbeitslosen Jobsuchern zuerkannt, die das arbeitsfähige Alter erreicht haben und keine gesetzlichen Leistungen beziehen, sofern sie mindestens 1 Jahr gearbeitet haben und sich beim Arbeitsamt anmelden. Die Mindestbezugsdauer beläuft sich auf sechs, die maximale Bezugsdauer auf zwölf Monate. Die Arbeitslosenbeihilfe beträgt 18.000 Dram pro Monat (IOM 8.2014).

 

Sie beträgt 60% des staatlich garantierten Mindestlohnes. Während des Besuchs von Weiterbildungsmaßnahmen erhalten Teilnehmende 120% des Arbeitslosengeldes. Nichtbezugsberechtigte Arbeitslose bekommen im Fall von Trainingsmaßenahmen ebenfalls eine Unterstützung, nämlich im Ausmaß von 50% des Mindestlohnes (SEA o.D.).

 

Gemäß den von der armenischen Regierung vorgegebenen Verfahren kann Arbeitslosen, deren Zahlungsanspruchsfrist abgelaufen ist, sowie Arbeitssuchenden, die nicht als arbeitslos gelten und daher gemäß diesem Gesetz keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben, finanzielle Hilfe gewährt werden. Die armenische Regierung bestimmt den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung (IOM 8.2014).

 

Quellen:

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Das Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung regelt den Umfang der kostenlosen ambulanten oder stationären Behandlung bei bestimmten Krankheiten und Medikamenten sowie zusätzlich für bestimmte sozial bedürftige Gruppen (z.B. Kinder, Flüchtlinge, Invaliden). Es hängt allerdings von der Durchsetzungsfähigkeit und Eigeninitiative der Patienten ab, ob es gelingt, ihr Recht auf kostenlose Behandlung durchzusetzen. Nichtsdestotrotz ist die Qualität der medizinischen Dienstleistung weiterhin häufig von "freiwilligen Zuzahlungen" bzw. "Zuwendungen" an den behandelnden Arzt abhängig, auch bei Abschluss einer privaten Krankenversicherung. In letzter Zeit erschienen in der Presse Artikel mit Informationen über die kostenlose Behandlung; immer mehr Patienten bestehen erfolgreich auf diesem Recht. Die Behandlung in der Poliklinik des jeweiligen Wohnbezirks ist grundsätzlich kostenlos.

 

Die Kliniken sind finanziell unzureichend ausgestattet, um ihren Betrieb und die Ausgabe von Medikamenten sicherzustellen. Daher sind die Kliniken auch in Fällen, in denen sie eigentlich zu kostenloser Behandlung verpflichtet sind, gezwungen, von den Patienten Geld zu nehmen. Da dies ungesetzlich ist, erhalten die Patienten jedoch keine Rechnungen. Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten: Nicht immer sind alle Präparate vorhanden, obwohl viele Medikamente in Armenien in guter Qualität hergestellt und billig verkauft werden (AA 24.4.2015).

 

Die primäre medizinische Versorgung wird in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren/Feldscher-Stationen erbracht. Das Verhältnis der Ärzte zur Einwohnerzahl beträgt: ein Arzt pro 1.200 bis 2.000 Einwohner und ein Kinderarzt für 700 bis 800 Kinder (IOM 8.2014).

 

Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist. Darüber hinaus finden sich in der Hauptstadt sechs Kinder-und Mutterschaftskrankenhäuser. Die meisten Krankenhäuser sind staatlich. Derzeit bestehen vier private Krankenhäuser und ein teilweise privates Hospital. Des Weiteren gibt es ein privates Diagnosezentrum in Jerewan, das zu 80% im privaten Sektor aktiv ist. Ein fundamentales Problem der primären medizinischen Versorgung betrifft die Zugänglichkeit, die für einen großen Teil der Bevölkerung extrem schwierig geworden ist. Dieser Teil der Bevölkerung ist nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Die Reformen haben den Patienten bereits die freie Wahl des Arztes garantiert. Das Recht der freien Arztwahl sollte auch die Qualität der Behandlung verbessern, da das Einkommen des Arztes jetzt die Anzahl der von ihm behandelten Patienten reflektiert. Für die Ärzte besteht nun ein höherer Anreiz, die Patienten zufriedenzustellen (IOM 8.2014).

 

Quellen:

 

 

 

Behandlungsmöglichkeiten von bestimmten Krankheit und Leiden

 

Insulinabgabe und Dialysebehandlung erfolgen im Prinzip kostenlos:

Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist zwar beschränkt, aber gegen Zahlung ist eine Behandlung jederzeit möglich. Die Dialysebehandlung kostet ca. USD 50 pro Sitzung. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Jerewan möglich, auch in den Städten Vanadzor und Gyumri sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet.

 

Die größeren Krankenhäuser sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung des posttraumatischen Belastungssyndroms (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos (AA 24.4.2015).

 

Die öffentlichen Sozialpflegedienste in Armenien sind sehr begrenzt. Der private Sektor ist an der Erbringung dieser Leistungen nicht beteiligt. Es gibt nur ein einziges Krankenhaus für geistig und körperlich behinderte Menschen und keine Pflegeheime für Patienten, die eine dauerhafte, langfristige Betreuung benötigen. Es gibt keine Vorkehrungen für eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen und keine Tagespflegeeinrichtungen für Patientengruppen mit speziellen Bedürfnissen und ebenfalls kein Sozialarbeiternetzwerk. Es gibt sieben regionale psychiatrische Kliniken, die lediglich eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen bei nur geringer medizinischer Versorgung bieten.

 

Medizinisch-soziale Einrichtungen des Ministeriums für Arbeit und Soziales:

 

 

 

 

 

 

 

Quellen:

 

 

 

Behandlung nach Rückkehr

 

Rückkehrer werden nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt.

 

Es werden nur die von den armenischen Botschaften ausgestellten Heimreisedokumente oder Pässe anerkannt. Eine Rückreise ohne Vorlage eines dieser Dokumente ist nicht möglich. In Einzelfällen sind Rückführungen auch ohne die Feststellung der richtigen Identität möglich. In diesen Fällen werden Heimreisedokumente nach Autorisierung durch das Außenministerium auf Alias-Personalien ausgestellt (AA 24.4.2015).

 

Aufgrund fehlender finanzieller Mittel gibt es zurzeit kein staatliches Programm zur Vorbereitung auf die Unterbringung von Heimkehrern in Armenien. Eine vorübergehende Unterkunft (maximal 2 Monate) kann den Flüchtlingen, die einen Antrag auf Asyl gestellt haben, von der Migrationsbehörde der Republik Armenien zur Verfügung gestellt werden. Jeder Fall wird jedoch ausführlich geprüft und die endgültige Entscheidung über die Bereitstellung der Unterkunft erfolgt nach dem Kollegialprinzip (IOM 08.2014).

 

Quellen:

 

 

 

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass den bP in ihrem Heimatland Armenien eine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr nach Armenien der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wären.

 

Weiters konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Armenien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die bP als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Abschiebung der bP nach Armenien zulässig und möglich ist.

 

2. Beweiswürdigung:

 

II.2.1. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

 

II.2.2. Die Feststellungen zur Person der bP ergeben sich – vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und (fehlenden) Ortskenntnissen bzw. aus den beiden jeweils betreffend bP 1 und bP 2 eingeholten Sprachanalysen und Kenntniskontrollen.

 

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der bP nicht festgestellt werden. Soweit diese namentlich genannt werden, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung der bP als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

 

Anzuführen ist, dass es der bP aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit möglich wäre, ihre Identität bei entsprechender Mitwirkung im Verfahren zu bescheinigen.

 

Der Umstand, dass die Identität bis dato nicht festgestellt werden konnte ist letztlich auf die mangelnde Mitwirkung der bP an der Identitätsfeststellung zurückzuführen und sind alle daran anknüpfenden Konsequenzen daher von der bP zu vertreten.

 

II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten – von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen – diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten –immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen –allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werdenaufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).

 

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348).

 

Die bP 1-3 traten auch den Quellen und deren Kernaussagen zu Armenien nicht konkret und substantiiert entgegen. Soweit Berichte zu Syrien beantragt wurden und Ausführungen zu einer etwaigen Rückkehr nach Syrien getroffen wurden, ist festzuhalten, dass Syrien eben gerade nicht als Herkunftsstaat der bP angenommen werden konnte und daher auf diese Berichte und Ausführungen nicht näher einzugehen ist. Hinsichtlich einer etwaig nicht vorhandenen Rückkehrmöglichkeit nach Armenien ist festzuhalten, dass diesbezüglich gemäß wiedergegebenen Feststellungen zu Rückkehrern nach Armenien von einer Reintegration auszugehen ist, auch keine systematische und relevante Verfolgung von (kurdischen) Jesiden vorliegt und die bP hierzu keine fundierten Aussagen trafen. Generell muss festgehalten werden, dass Jesiden in Armenien keiner relevanten Verfolgung oder Diskriminierung unterliegen (vgl. Länderfeststellungen hierzu).

 

II.2.4.1. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist.

 

Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten -–z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461)- zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

 

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

 

Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [numehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

 

II.2.4.2. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn diese anführt, dass von einer armenischen Staatsangehörigkeit der bP auszugehen ist.

 

II.2.5. Auch das BVwG geht davon aus, dass die bP über ihre Identität und Herkunft getäuscht haben und sie als armenische Staatsangehörige anzusehen sind, welche sich in Armenien auch als Jesiden in die Gesellschaft wieder eingliedern können.

 

II.2.5.1. Im Allgemeinen ist das Vorbringen eines Asylwerbers dann glaubhaft, wenn es vier Grunderfordernisse erfüllt (diesbezüglich ist auf die Materialien zum Asylgesetz 1991 [RV270 Blg. NR. 18. GP; AB 328 Blg NR 18. GP] zu verweisen, die wiederum der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entnommen wurden):

 

Das Vorbringen des Asylwerbers ist genügend substantiiert. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

 

Das Vorbringen muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist ua. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen.

 

Der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet einsilbig und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.

 

Weder die bP 1 noch die bP 2 erfüllten diese vorgenannten Kriterien für die Erstattung eines glaubwürdigen Vorbringens vor der belangten Behörde. Vielmehr zeichnete sich das Vorbringen dadurch aus, dass es in den relevanten Teilen vage und ausweichend gestaltet wurde. Ihr Vorbringen erfüllte nicht die Anforderungen der Realkennzeichen eines den Tatsachen entsprechenden Vorbringens, die bP versuchten zwar, das Vorbringen in den Kernpunkten aufeinander abzustimmen, verwickelten sich aber in Widersprüche sowie Unplausibilitäten und ergaben jeweils drei voneinander unabhängige Sprachanalysen und Überprüfungen von Kenntnissen zur behaupteten Herkunftsregion bei den bP 1, 2 und 3, dass sie nicht aus Syrien sondern Armenien stammen.

 

II.2.5.2. Völlig zu Recht hielt die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung fest, dass die bP keine konkreten Angaben zur Situation in Syrien machen konnten.

 

Sie konnten im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde tatsächlich weder konkrete Angaben zu allgemein bekannten Umständen der in der Umgebung ihres angeblichen Heimatdorfes liegenden Städte, insbesondere auch zur Stadt Qamischli machen. Auch die Angaben der bP hinsichtlich ihrer Stammeszugehörigkeit wichen voneinander ab und konnten sie generell keine tiefergehenden Fragen zur jesidischen Religion beantworten. So wurden die Fragen nach dem Datum einer großen jesidischen Feier nicht beantwortet, keine der bP 1 – bP 3 konnte Feierlichkeiten in Lalisch genau beschreiben oder den Namen des dort beerdigten Scheichs nennen. Auch die Angaben zum angeblichen Fluchtgrund blieben absolut undetailliert und vage.

 

Aufgrund des dürftigen Wissens der bP über Syrien in Verbindung mit dem Umstand, dass die bP keine Identitätsdokumente oder andere Beweismittel vorlegen konnten, wurden von der Behörde Sprachanalysen hinsichtlich der bP 1, 2 und 3 durchgeführt. Auch im Zuge der Kentnisskontrollen war das Wissen der bP über Syrien als Mangelhaft zu bezeichnen. Sie wussten ua. nicht einmal die größten Städte, wussten keine Sehenswürdigkeiten, keine typischen Speisen, keine berühmten Personen und keine Gewässer. Die Sprachanalysen haben ergeben, dass der sprachlicher Hintergrund in Armenien und nicht wie von den bP behauptet in Syrien liegt.

 

II.2.5.3. Bereits in den vom BFA herangezogenen Sprachanalysen beim Institut Sprakab gelangte das Institut aufgrund der dabei mit den bP 1, 2 und 3 geführten Gespräche gemäß Sprachanalyseberichten zu der Einschätzung, dass der sprachliche Hintergrund der bP mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Armenien liegt und die Wahrscheinlichkeit für den angegebenen sprachlichen Hintergrund Syrien demgegenüber sehr gering ist. Die bP sprechen demnach Kurmandschi auf muttersprachlichem Niveau und entspricht das von den bP gesprochene Kurmandschi nicht der in Syrien gesprochenen Variante. Es wurden phonologische, grammatikalische und lexikalische Merkmale angeführt, welche die bP aufweisen und die nicht dem in Syrien gesprochenen Kurmandschi entsprechen. Andererseits wies der Sprachgebrauch der bP phonologische, grammatikalische und lexikalische Merkmale auf, welche dem in Armenien gesprochenen Kurmandschi entsprechen.

 

Auch die Kenntniskontrolle von Sprakab ergab, dass die bP 1, 2 und 3 keine allgemeinen Fragen zu ihnen normalerweise bekannt sein müssenden Umstände in der Herkunftsregion beantworten konnten bzw. falsch beantworteten. Beispielhaft sei am Rande noch erwähnt, dass die bP 1 behauptete, dass ihr Heimatdorf 40 – 50 km von der syrisch/türkischen Grenze entfernt liegen würde und die bP 3 demgegenüber angab, sie hätten zu Fuß die Grenze überquert. Gemäß dem vorgelegten Google Maps Auszug liegt der nunmehr behauptete Herkunftsort ca. 3 km von der türkisch/syrischen Grenze entfernt.

 

Die Sprachanalyseberichte von Sprakab wurden jeweils von denselben Analytikern und Sprachanalysten erstellt, deren Profil in den Gutachten angeführt ist. Dass bezüglich dieser Analysen die Werdegänge der Experten nicht den bP übermittelt wurden bzw. speziell mit ihnen erörtert wurden, stellt letztlich keinen Verfahrensmangel dar, da einerseits die bP die Möglichkeit gehabt hätten, hier in anonymisierter Form Einsicht zu nehmen und andererseits diese "Gutachten" bzw. Analysen letztlich als sonstige Beweismittel auch ihre Wertigkeit haben und entsprechend in dieser Entscheidung berücksichtigt werden.

 

Diesen Berichten kommt wesentliche Beweiskraft zu und kann diesen Berichten von Sprakab vollinhaltlich gefolgt werden. Gerade die Sprachgutachten ergeben schlüssig, ausführlich und sehr deutlich, dass die bP eben keine Kenntnisse zu der von ihnen behaupteten syrischen Herkunftsregion haben. Die Behauptung, lediglich die bP 1 könne geringfügig Arabisch bzw. sie wären Analphabeten, kann nur als bloßer Versuch der bP gewertet werden, ihre mangelnden Arabischkenntnisse zu verschleiern.

 

Darüber hinaus wurden diese Analysen gerade unter Berücksichtigung des Bildungsniveaus der bP und der behaupteten Umstände des Aufwachsens und der dortigen Lebensverhältnissen bzw ihrer Behaupteten mangelnden Schulbildung erstellt und wird dies auch konkret in den Analysen angeführt.

 

Dass diese Analysen nicht sorgfältig erstellt worden wären, kann vor dem Hintergrund der im Akt erliegenden, oben zusammenfassend wiedergegebenen Analysen nicht erkannt werden.

 

Aufgabe dieser Berichte war auch nicht eine Analyse, aus welcher Region die bP stammen (vgl. vorgelegten Bericht zu Sprachgutachten), sondern vielmehr eine Analyse, woher sie nicht stammten und diesbezüglich ergeben die Analysen eindeutig, dass die bP nicht aus der von ihnen angegebenen Herkunftsregion stammen.

 

II.2.5.4. Zu den Sprachanalysen und Kenntniskontrollen an sich ist ist auf die ausführliche Würdigung der belangten Behörde, welche oben im Verfahrensgang widergegeben wurde, zu verweisen und ergänzend bzw. zusammenfassend festzuhalten:

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Oktober 2001, 99/17/0372 (vgl. auch VwGH vom 13.09.2004, Zl 2002/17/0141), ausgeführt hat, bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen.

 

In der Begründung muss angegeben werden, welche Beweismittel herangezogen wurden, welche Erwägungen maßgebend waren, ein Beweismittel dem anderen vorzuziehen und welche Auswertungen mit welchen Ergebnissen die Würdigung des Beweismittels ergeben hat (vgl. VwGH vom 26.05.1997, Zl. 96/17/0459). Zu den widersprechenden Beweisergebnissen muss im einzelnen Stellung genommen werden und schlüssig dargelegt werden, warum der Beweiswert eines Beweismittels höher einzuschätzen war als der des anderen, und welche Schlüsse (mit welchen Gründen) aus dem als maßgebend erachteten Beweisergebnis gezogen werden. Auch der im Prozess der freien Beweiswürdigung durchschrittene Gedankengang und die hiebei gewonnenen Eindrücke, die dafür maßgebend waren, eine Tatsache als erwiesen oder als nicht gegeben anzunehmen, sind in der Begründung darzulegen. Im Zuge der Beweiswürdigung, also bei der Frage, ob einem konkreten Beweismittel - entgegen anderen Beweisergebnissen - Beweiswert zukommt oder nicht, kann auch von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen ausgegangen werden.

 

Das Sprachgutachten unterliegt daher der freien Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts. Der Wert eines Beweismittels muss stets nach seiner Beweiskraft, dh nach der Schlüssigkeit der Aussagen, beurteilt werden (VwGH vom 19.12.1996, 93/06/0229).

 

Wie bereits dargelegt waren die bP nicht gewillt, tatsächlich ihren Herkunftsstaat preiszugeben. Sie konnten auch keine schlüssigen Angaben zum behaupteten Herkunftsstaat Syrien bzw. zum angeblichen Herkunftsdorf machen.

 

Den Sprachanalysen von der Organisation SPRAKAB, Skandinavisk Sprakanalys AB in Stockholm Schweden kann gefolgt werden. Der durchführende Analytiker hat einen Hintergrund, welcher grundsätzlich seine Seriosität und Eignung als Sprachgutachter belegt.

 

Die Methode der Sprachanalyse zur (Negativ‑) Feststellung des Herkunftslandes ist bereits vom Verwaltungsgerichtshof als unbedenklich angesehen worden (vgl etwa Beschluss des VwGH vom 22.08.2007 zu Zl. 2007/01/0899-3 zum Bescheid des UBAS vom 02.07.2007 zu GZ 301.230-C1/17 E-XV/53/06). Sie ist jedoch einer besonders sorgfältigen Überprüfung zu unterziehen, da es zu Unschärfen und fehlerhaften Einschätzungen kommen kann. Eine allgemeine Ablehnung dieses Instituts als vollkommen untauglich entspricht aber nicht der Praxis im österreichischen Asylverfahren und auch der Einschätzung des BVwG. So ist in Einzelfällen jedenfalls die Bestimmung der Herkunftsregion bzw. des Herkunftsstaates durch Sprachanalysegutachten möglich.

 

Bereits in der Entscheidung des AsylGH vom 18.08.2010, A2 411.421-2/2010 wurde festgehalten, dass es zwar grundsätzlich zutreffend ist, dass Sprachanalysegutachten oft geeignet sind, die Herkunft oder die Hauptsozialisation eines Beschwerdeführers aus einem bestimmten Gebiet auszuschließen, dass es aber in viel weniger Fällen möglich ist, auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine andere Herkunftsregion, beziehungsweise einen anderen Herkunftsstaat zu bestimmen. Im dieser Entscheidung des Asylgerichtshofes zugrunde liegenden Fall ist dies aber möglich gewesen. Das Gutachten hatte eindeutig ergeben, dass der Beschwerdeführer Englisch in einer Weise sprach, wie eine Person aus dem südlichen Teil Nigerias und dass der Beschwerdeführer auch über Kompetenz in der Sprache Igbo, die im Süden Nigerias verbreitet ist, verfügte. Andererseits hatte das Gutachten ebenso ergeben, dass der Beschwerdeführer keine Kompetenz in der Sprache verfügte, die er angeblich im Sudan gesprochen hatte.

 

Im gegenständlichen Fall wurde gerade auch die armenische Herkunft der bP mit der höchsten Stufe der Wahrscheinlichkeit angenommen, weshalb diese Sprachanalyseergebnisse von Sprakab an sich zur Bestimmung des Herkunftsstaates der bP geeignet ist.

 

Soweit in der Beschwerde hierzu eine andere Entscheidung des Asylgerichts zitiert wird, ist dazu festzuhalten, dass es keinerlei Bindungswirkungen zwischen Entscheidungen gibt und jede Entscheidung eine Einzelfallentscheidung ist.

 

Zur Beweiskraft der Sprachanalysen wird auf die Arbeitsweise des genannten Institutes hingewiesen, wozu auf die hierzu ausführlichen, im Internet öffentlich zugänglichen Erklärungen (vgl. http://www.sprakab.se/Language_analysis.html ; AsylGH v. 20.1.2010, GZ. E10 250407-0/2008 mwN) verwiesen wird.

 

Es ist dem Auftrag an den Gutachter immanent, dass er aufgrund seiner ständig angewandten Methoden als Fachmann mit Spezialwissen zu einem Ergebnis gelangt. Letztlich können auch nur die Eckpfeiler der Ergebniserlangung überprüft werden, da nicht in jedem einzelnen Fall jeder einzelne Prüfungsschritt - schon mangels entsprechender Sachkunde durch das entscheidende Gericht - überprüft werden kann.

 

Auch Hintergrundinformationen über die bP wurden von den Analysten auch jedenfalls berücksichtigt. Gewisse Angaben zum Profil des Probanden werden zu Beginn jedes Interviews aber auch genau abgeklärt. Dazu gehören nicht nur Herkunftsregion und gesprochene Sprachen, sondern auch ethnische Zugehörigkeit, Herkunft der Familie, Ausbildung und ausgeübter Beruf. Das bedeutet, dass auch die Themen des Gesprächs dem Bildungsniveau und sozialen Hintergrund des Probanden angepasst und seine Kenntnisse und Sprachkompetenz eben im Hinblick auf seine Biographie evaluiert werden (vgl. hierzu die Fragestellungen hinsichtlich Viehhaltung, da die bP 1 angegeben hatte, als Hirte gearbeitet zu haben).

 

Soweit in der Beschwerde und deren Ergänzung ausgeführt wird, dass den Sprachgutachten keine ausreichende Beweiskraft zukomme und diese durch weitere Nachforschungen untermauert hätten werden müssen, ist festzuhalten, dass das BVwG von der Unbedenklichkeit der Sprachgutachten ausgeht. In den Sprachanalysen und Kenntniskontrollen ist konkret dargelegt, aufgrund welcher Methoden und Umstände die Feststellungen getroffen wurden, dass die bP mit dem höchsten Grad der feststellbaren Wahrscheinlichkeit gemäß SPRAKAB aus Armenien stammen und mit dem geringsten Grad an feststellbarer Wahrscheinlichkeit gemäß SPRAKAB. In den Analysen von Sprakab wird festgehalten, dass gemäß den Beurteilungskriterien die Passage "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" den höchsten Grad für die Einschätzung des sprachlichen Hintergrundes darstellt.

 

Dass die Sprachanalyse über das Telefon abgewickelt worden ist und nicht sehr lange gedauert hat, kann für sich genommen die Informationen über die Integrität und Seriosität des verwendeten Sprachinstitutes nicht entscheidend in Zweifel ziehen (vgl. AsylGH 24.06.2009, A2 267.718-2/2008; Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch VfGH 28.01.2010, U 2341/09-12). Die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde gehen damit ins Leere.

 

Die Einschätzung durch die Analysten hinsichtlich des syrischen bzw. armenischen Hintergrundes wurden auch nicht nur aufgrund weniger Wörter und Redewendungen, sondern aufgrund zahlreicher, beispielhaft angeführten von der bP verwendeten Wörter aus dem Sprachgebrauch der bP in phonologischer, prosodischer, morphologischer, syntaktischer und lexikalischer Hinsicht im Rahmen von ca. 30 minütigen Gesprächen getroffen.

 

Aufgrund der Angaben zur Qualifikation der prüfenden Linguistin und generell zu den regelmäßigen Qualitätskontrollen der Analytiker bei Sprakab wird von einer Qualifikation der Analysten ausgegangen und kann auch davon ausgegangen werden, dass der vor einigen Jahren durch die Medien gegangene Vorfall der falschen Einschätzung des Herkunftsstaates einer Person zu noch strengeren Kontrollen geführt hat (vgl. mit Beschwerde vorgelegtes Beweismittel). Zu dem mit der Beschwerde vorgelegten Beweismittel wird schließlich festgehalten, dass es sich dabei um eine zusätzliche Sprachanalyse in einem Asylverfahren handelt, welche jedoch letztlich zum selben Ergebnis wie die Sprachanalyse von Sprakab gelangt. Es wird auch nicht verkannt, dass es sich um eine Sprachanalyse und nicht ein Gutachten im eigentlichen Sinn handelt. Jedoch geht auch aus dem vorgelegten Bericht hervor, dass diese "laienhafte, auf Lebenserfahrung und Intuition gründende Meinung von Sprechern" als "durchaus wertvoll" eingeschätzt werden.

 

An dieser Stelle sei erwähnt, dass entgegen den Ausführungen in der Beschwerde, die eidesstattliche Erklärung von A nicht als gleichwertiges, "laienhaftes" und gegenteiliges belegendes Beweismittel angesehen werden kann. Der armenische Landsmann der bP, dessen Asylantrag am Rande ergänzt wegen Unglaubwürdigkeit abgewiesen wurde, bestätigt nicht auf gleichem fachlichen Niveau wie ein Sprachanalyst von Sprakab (welcher mit derartigen Analysen seinen Lebensunterhalt verdient, nicht voreingenommen in eine Richtung ist bzw. die Probanden nicht kennt), eine vermutetet Herkunft der bP 1. Vielmehr ist dabei von einem Gefälligkeitsschreiben einer Person aus dem Umkreis der bP 1 auszugehen. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde wurde dieser Umstand auch in der Beweiswürdigung der belangten Behörde hierzu erörtert (vgl. oben: Zur eidesstattlichen Erklärung eines Armeniers, dass Sie nicht aus Armenien stammen würden, weil Sie teilweise Wörter verwenden, die Herr XXXX nicht verstehen würde, ist anzuführen, dass es sich bei Herrn XXXX offensichtlich nicht um einen Sprachgutachter handelt und er somit auch nicht die Qualifikation besitzt das Herkunftsland festzustellen. )

 

Als nichts anderes als ein "sonstiges Beweismittel" wird die Sprachanalyse letztlich gesehen, welcher aber aus den genannten Gründen eine hohe Beweiskraft und jedenfalls höhere Beweiskraft als einer nicht notariell beglaubigten, einfach auf einem Zettel von einem ehemaligen Asylwerber niedergeschriebenen Meinung, zukommt. Im Hinblick auf den vorgelegten Aufsatz betreffend Sprakab bleibt festzuhalten, dass das BVwG nicht verkennt, dass es in allen Bereichen zu menschlichen Fehlleistungen, somit auch zu falschen Sprachgutachten kommen kann. Hier nun jedoch einen einzigen Fall als Aufhänger zu verwenden, um eine generelle Fehlerhaftigkeit von Sprachanalysen zu belegen, erscheint im Hinblick auf ca. 40.000 Sprachgutachten durch Sprakab zwischen dem Gründungsjahr 2000 und dem Jahr 2008 nicht sachgerecht.

 

Im Lichte der oa. Ausführungen wird den Ergebnissen der eingeholten Sprach- und Kenntnisanalysen hoher Beweiswert beigemessen und kommt das BVwG zum Schluss, dass die bP nicht aus Syrien, sondern aus Armenien stammen und mangels Hinweise auf das Gegenteil davon auszugehen ist, dass sie die armenische Staatsbürgerschaft besitzen.

 

Im gegenständlichen Fall ergaben die Analysen von Sprakab wiederum mit der höchsten Wahrscheinlichkeit, dass die bP aus Armenien stammen und mit der geringsten möglichen Wahrscheinlichkeit, dass sie aus Syrien stammen. Auch die Kenntniskontrollen von drei unabhängigen Analysen sowie in den Einvernahmen vor der belangten Behörde legten dar, dass die bP 1, 2 und 3 keine hinreichenden Kenntnisse über Syrien besitzen, vielmehr indizierte diese geradezu – wie auch das Gesamtverhalten der bP – dass sie ihre Herkunft verschleiern wollen.

 

II.2.5.5. Auch ein Bescheid, in dem die Fragen an den BF nicht wiedergegeben, sondern in dem nur der wesentlichen Inhalte der Aussagen zusammengefasst werden, ist tauglich. Es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, alle Einvernahmen der bP in deren Bescheide vollständig wörtlich wiederzugeben. Es liegt damit aufgrund des Umstandes, dass wohl versehentlich die Einvernahme der bP 2 in den Bescheid der bP 1 kopiert wurde und damit nicht die der bP 1 darin enthalten ist, keine Nichtigkeit des Bescheides vor. Ähnlich wie in den Vorschriften betreffend dem BVwG hat die Behörde in der Entscheidung offen zu legen, von welchem Vorbringen es bei der rechtlichen Beurteilung ausgegangen ist.

 

Hingewiesen wird darauf, dass das BVwG den an eine Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts zu stellenden Anforderungen gerade nicht gerecht wird (vgl. VwGH vom 16.12.2014 Zl. Ra 2014/19/0101), wenn es anstatt dessen lediglich im Rahmen der Darstellung des bisherigen Verfahrensganges die von der Verwaltungsbehörde angefertigte Niederschrift wörtlich integriert (vgl. dazu, dass die bloße Inklusion von Aktenteilen den Anforderungen an eine Begründung nicht genügt, etwa VwGH vom 29. April 2008, 2006/21/0332, und vom 20. November 2008, 2006/21/0203, sowie ausführlich zur Entscheidungsbegründung das E vom 21. Oktober 2014, Ro 2014/03/0076, in dem u.a. auch festgehalten wurde, dass die bloße Zitierung von Beweisergebnissen, wie etwa von Aussagen, weder erforderlich noch hinreichend ist) oder das Vorbringen bloß grob kursorisch wiedergegeben wird.

 

Es kann auch nicht erkannt werden, was genau die bP mit antizipierender Beweiswürdigung meinen, da nicht festgehalten wird, in welchem Zusammenhang der belangten Behörde ein derartiges Vorgehen vorzuwerfen gewesen wäre.

 

Schließlich kann auch nicht erkannt werden, dass aufgrund der Einstellung der Strafverfahren gegen die bP ein neuer Sachverhalt hervorgekommen wäre. So ist es nicht verwunderlich, dass die bP mit den hier in Österreich verwendeten Identitäten nicht im armenischen Meldesystem aufscheinen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie sich ihrer eigenen Identität bedienen. Aus vielfachen Verfahren betreffend Reisepässen ist bekannt, dass gerade um derartige Überprüfungen zu vermeiden, falsche Identitätsdaten bekannt gegeben werden. Jedenfalls kann alleine aus dem Umstand, dass die bP unter den von ihnen in Österreich behaupteten Daten im armenischen Meldesystem nicht aufscheinen, noch nichts für sie gewonnen werden. Auch ist der Maßstab im Strafrecht ein anderer und erfolgte die Einstellung des Verfahrens letztlich alleine aufgrund des Umstandes, dass "nicht mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit nachweisbar" war, dass die bP nicht aus Syrien kommen. Die bP kommen jedoch mit im Asylverfahren ausreichender maßgeblichen Wahrscheinlichkeit nicht aus Syrien.

 

II.2.5.6. Da somit von der belangten Behörde bereits zu Recht von einer armenischen Staatsangehörigkeit ausgegangen wurde, ist das im Hinblick auf den Staat Syrien getätigte Vorbringen mangels Herkunftsstaates an sich nicht zu prüfen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Zu A)

 

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

 

II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

 

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

(2) (3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

 

1.-dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

 

2.-der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

 

..."

 

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag der bP inhaltlich zu prüfen ist.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

II.3.2.2. Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen der bP zum behaupteten Herkunftsstaat insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr "Status eines Asylberechtigten"] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

 

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die von der bP behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

 

II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

 

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

 

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

 

1.-der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

2.- wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden.

 

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

"

 

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

 

Art. 2 EMRK lautet:

 

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

 

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

 

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

 

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

 

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

 

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

 

Art. 3 EMRK lautet:

 

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

 

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

 

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

 

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

 

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

 

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

 

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

 

Gem. der Judikatur des EGMR muss die bP die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

 

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

 

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

 

II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtssprechung folgende Überlegungen angestellt:

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der bP (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

 

Da sich der Herkunftsstaat der bP nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die bP als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der bP in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

 

Weitere, in der Person der bP begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Zur individuellen Versorgungssituation der bP wird weiters festgestellt, dass diese im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Bei den bP 1 und 2 handelt es sich um mobile, junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen.

 

Die bP 1 und 2 sind zur Pflege und Obsorge der minderjährigen bP verpflichtet. Die Existenzsicherung der Minderjährigen bP ist damit durch die Eltern, hinsichtlich derer von einer gemeinsamen Ausreise auszugehen ist, gesichert.

 

Einerseits stammen die bP aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

 

Auch steht es den bP 1, 2 und 3 frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das –wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

 

Darüber hinaus ist es den bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

 

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht über eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

 

Die Zumutbarkeit der Annahme einer –ggf. auch unattraktiven-Erwerbsmöglichkeit wurde bereits beispielsweise im Erk des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010 mwN bejaht.

 

Im vorliegenden Fall konnten auch seitens der bP keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Armenien belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich.

 

Soweit die beschwerdeführende Partei 3 ihren Gesundheitszustand thematisiert wird Folgendes erwogen:

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Armenien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngere diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab:

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands zumeist außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Wie bereits erwähnt, geht der EGMR weiters davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet und kann nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen {EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964 ("St. Kitts-Fall")}. Im Zusammenhang mit einer Erkrankung des Beschwerdeführers nahm der EGMR außerordentliche, ausnahmsweise vorliegende Umstände im "St. Kitts-Fall" an. Im Mai 1997 hatte der EGMR die Abschiebung eines HIV-infizierten Drogenhändlers, welcher laut medizinischen Erkenntnissen auch in Großbritannien bei entsprechender Behandlung nur mehr ca. 8 – 14 Monate zu leben gehabt hätte und sich somit im fortgeschrittenen Krankheitsstadium befand, aus Großbritannien auf seine Heimatinsel St. Kitts/kleine Antillen (Karibik) als "unmenschliche Behandlung" im Sinne des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention angesehen. Die im zitierten Erkenntnis beschriebene außergewöhnliche, exzeptionale Notlage ( er hätte dort keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Betreuung, nicht einmal zu einem Pflegebett gehabt hätte und wäre so qualvollst, einsam und in extremer Armut gestorben) die ihn dort erwarte, würde seine Lebenserwartung deutlich reduzieren und ihn psychischem und physischem Leiden aussetzen. Diese Abschiebung war daher in diesem Einzelfall unzulässig (EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964).

 

Ähnlich entschied die Europäische Kommission für Menschenrechte 1998 im Falle eines AIDS-Kranken aus der Demokratischen Republik Kongo (B.B. gegen Frankreich, 9.3.1998, Nr. 30930/96). Auch die Kommission stellte auf die fortgeschrittene Erkrankung, die fehlende Behandlungsmöglichkeit in der Heimat mit der großen Gefahr opportunistischer Erkrankungen, fehlende familiäre Bindungen und die Übernahme der (medizinischen) Verantwortung Frankreichs durch die Behandlung ab und bejahte ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK.

 

In der Entscheidung vom 15.2.2000 (S.C.C. gegen Schweden, Nr. 46553 /99) kam der EGMR zu einer entgegen gesetzten Auffassung. Die Antragstellerin stammte aus Sambia. Sie machte geltend, es sei im Jahr 1995 eine HIV-Infektion bei ihr festgestellt worden, mit einer Therapie habe man im Jahr 1999 begonnen. Der EGMR verneinte eine Verletzung von Art. 3 EMRK unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass erst kürzlich mit einer Therapie begonnen worden sei, dass Verwandte in Sambia lebten und dass nach Vortrag der schwedischen Botschaft die Behandlung von AIDS in Sambia möglich sei.

 

Auch in seiner sonstigen, dem in die Literatur unter der "St. Kitts-Fall" bekannten Fall nachfolgenden Rechtsprechung hat der EGMR (unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen konkreten Umstände) in keinem Fall eine derart außergewöhnliche – und damit vergleichbare – Situation angenommen (vgl. z.B. EGMR 10.11.2005, Paramsothy gegen die Niederlande [Erkrankung an Posttraumatischem Stresssyndrom], EGMR 10.11.2005, Ramadan gegen die Niederlande, Nr. 35989/03 [Erkrankung an Depression, teils mit psychotischer Charakteristik], EGMR 27.09.2005, Hukic gegen Schweden, Nr. 17416/05 [Erkrankung am Down-Syndrom], EGMR 22.09.2005, Kaldik gegen Deutschland, Nr. 28526 [Erkrankung an Posttraumatischem Stresssyndrom mit Selbstmordgefahr], EGMR 31.05.2005, Ovdienko gegen Finnland, Nr. 1383/04 [Erkrankung an schwerer Depression mit Selbstmordgefahr], EGMR 25.11.2004, Amegnigan gegen die Niederlande, Nr. 25629/04 [HIV-Infektion], EGMR 29.06.2004, Salkic gegen Schweden, Nr. 7702/04 [psychische Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen], EGMR 22.06.2004, Ndangoya gegen Schweden, Nr. 17868/03 [HIV-Infektion], EGMR 06.02.2001, Bensaid gegen Vereinigtes Königreich [Erkrankung an Schizophrenie]).

 

Die genannten allgemeinen Ausführungen gelten auch beim Vorliegen psychischer Erkrankungen bzw. Störungen. Zur Verdeutlichung der vom EGMR gesetzten Schwelle sei hier aus der Application no. 7702/04 by SALKIC and others against Sweden zitiert, wo es um die Zulässigkeit der Abschiebung schwer traumatisierter und teilweise suizidale Tendenzen aufweisende Bosnier nach Bosnien und Herzegowina ging, wobei hier wohl außer Streit gestellt werden kann, dass das bosnische Gesundheitssystem dem schwedischen qualitätsmäßig erheblich unterliegt:

 

"Das Gericht ist sich bewusst, dass die Versorgung bei psychischen Problemen in Bosnien-Herzegowina selbstverständlich nicht den gleichen Standard hat wie in Schweden, dass es aber dennoch Gesundheitszentren gibt, die Einheiten für geistige Gesundheit einschließen und dass offensichtlich mehrere derartige Projekte am Laufen sind, um die Situation zu verbessern. Auf jeden Fall kann die Tatsache, dass die Lebensumstände der Antragsteller in Bosnien-Herzegowina weniger günstig sind als jene, die sie während ihres Aufenthaltes in Schweden genossen haben, vom Standpunkt des Art. 3 [EMRK] aus nicht als entscheidend betrachtet werden (siehe, Bensaid gegen Vereinigtes Königreich Urteil, oben angeführt, Art. 38).

 

Abschließend akzeptiert das Gericht die Schwere des psychischen Gesundheitszustandes der Antragsteller, insbesondere den der beiden Kinder. Dennoch mit Hinblick auf die hohe Schwelle, die von Art. 3 [EMRK] gesetzt wurde, besonders dort, wo der Fall nicht die direkte Verantwortlichkeit des Vertragsstaates für die Zufügung von Schaden betrifft, findet das Gericht nicht, dass die Ausweisung der Antragsteller nach Bosnien-Herzegowina im Widerspruch zu den Standards von Art. 3 der Konvention stand. Nach Ansicht des Gerichtes zeigt der vorliegende Fall nicht die in seinem Fallrecht festgelegten außergewöhnlichen Umstände auf (siehe, unter anderem, D. gegen Vereinigtes Königreich, oben angeführt, Art. 54). Dieser Teil des Antrages ist daher offenkundig unbegründet."

 

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

 

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter wären als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.

 

In der Beschwerdesache AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04, stellte der EGMR fest, dass in Togo eine grundsätzliche adäquate Behandlung der noch nicht ausgebrochenen AIDS-Erkrankung gegeben ist und erklärte die Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig.

 

In der Entscheidung RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande vom 10.11.2005, Rs 35989/03 wurde die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Mazedonien für zulässig erklärt, da Psychotherapie eine gängige Behandlungsform in Mazedonien ist und auch verschiedene therapeutische Medizin verfügbar ist, auch wenn sie nicht dem Standard in den Niederlanden entsprechen möge.

 

In der Beschwerdesache NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03, sprach der EGMR aus, dass in Tansania Behandlungsmöglichkeiten auch unter erheblichen Kosten für die in 1-2 Jahren ausbrechende AIDS-Erkrankung des Beschwerdeführers gegeben seien; es lagen auch familiäre Bezüge vor, weshalb die Abschiebung für zulässig erklärt wurde.

 

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".

 

Die bP haben letztlich selbst nicht schlüssig dargelegt, dass eine Überstellung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich wäre bzw. sie die in den Feststellungen festgehaltenen Erkrankungen in Armenien nicht behandeln lassen könnten.

 

Im vorliegenden Fall konnten seitens der bP – insbesondere wurde die bP 3 bereits operiert, in guten Zustand entlassen, es wurde die Abschlussuntersuchung durchgeführt und wird sie nunmehr lediglich medikamentös behandelt –keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Armenien belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich.

 

In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass der EGMR es für eine Art. 3 EMRK-konforme Überstellung ausreicht, dass Behandlungsmöglichkeiten [für Traumatisierte, hier aufgrund der identischen Interessenslage jedoch analog anwendbar] im Land der Überstellung verfügbar sind (vgl. Paramasothy v. Netherlands 10.11.2005; Ramadan Ahjeredine v. Netherlands, 10.11.2005, Ovidienko

v. Finland 31.5.2005; Hukic v. Sweden, 27.9.2005), was im Herkunftsstaat hinsichtlich der von der bP vorgebrachten Erkrankung offensichtlich der Fall ist (Vgl. etwa den öffentlich zugänglichen WHO Mental Health Atlas 2005 [vgl. die bereits erörterte Berichtslage zum Gesundheitswesen im Herkunftsstaat.)

 

Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso im h. Erk. vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E zitierte Auskunft des Bundesministeriums für Inneres Abt. II/3/C, Fremdenpolizeiliche Zwangsmaßnahmen, in welcher mitgeteilt wurde, dass, wenn im Voraus bekannt sei, dass eine Problemabschiebung bevorstehe, vom Zeitpunkt der Festnahme an ein Amtsarzt bei der Amtshandlung zugegen sei. Für solche Fälle habe sich auch der stellvertretende Chefarzt des Bundesministeriums für Inneres bereit erklärt, für die ärztliche Versorgung zu sorgen. Es könne also davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen (bei Charterabschiebungen, , sei dies Standard) von Beginn der Amtshandlung bis zur Übergabe der betreffenden Person an die Behörden des Heimatlandes eine ärztliche Versorgung gewährleistet sei. Auch sei es bei derartigen Charterabschiebungen gängige Praxis, dass Vertreter des Menschenrechtsbeirates sowohl bei den Kontaktgesprächen als auch im Rahmen der Flugabschiebung als Beobachter dabei seien. Transporte von Kindern würden auch von speziell ausgebildeten weiblichen Beamten begleitet. Auch könne die hauseigene Psychologin des Bundesministeriums für Inneres beigezogen werden und mitfliegen, wenn man von dem Abschiebungsvorgang rechtzeitig Kenntnis erlange.

 

Im gegenständlichen Fall sei auch auf das Erk. des AsylGH GZ E10 258.448-3/2009-9E (die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde an den VfGH wurde mit Beschluss vom 3.9.2009, U1302/09-10 mit Verweisen auf seine bisherige Judikatur abgelehnt) und die dort getroffenen Aussagen zur grundsätzlichen Unbeachtlichkeit von psychischen Erkrankungen vor dem Hintergrund der in Armenien bestehenden Behandlungsmöglichkeiten verwiesen (vgl. auch die getroffenen Feststellungen zur medizinischen Behandelbarkeit in den Länderfestsgtellungen sowie die armenische Essential Drug List). Der Einwand der bP ist daher unbeachtlich.

 

Es sei darauf hingewiesen, dass die hier vertretene Rechtsansicht im Allgemeinen und in Bezug auf die Republik Armenien in Besonderen jüngst durch den Beschluss des VwGH vom 30.9.2016, Ra2016/20/0149 - 0151-8 [Zurückweisung der Revision]) bestätigt wurde.

 

Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in ihrem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.

 

II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

 

II.3.4.1. Gesetzliche Grundlagen:

 

§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:

 

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer

Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

 

§ 55 AsylG 2005, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK:

 

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

 

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

 

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

 

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

 

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

 

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

§ 57 AsylG 2005, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:

 

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

 

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

 

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

 

§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:

 

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

 

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

 

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

 

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

 

§ 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln:

 

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels

gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

 

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

 

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

 

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

 

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

 

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

 

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

 

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

 

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

 

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

 

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

 

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

 

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

 

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

 

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

 

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

 

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

 

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

 

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

 

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

 

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

 

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben."

 

§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:

 

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit

Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

 

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

 

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

 

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

 

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

 

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

 

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

 

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

 

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.

 

§ 46 FPG, Abschiebung

 

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

 

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1.-die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

 

2.-sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

 

3.-auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

 

4.-sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt.

 

(2a) Das Bundesamt ist berechtigt, Personen, für die das Bundesamt ein Ersatzreisedokument bei der zuständigen ausländischen Behörde für die Abschiebung einzuholen hat, vorzuladen. § 19 Abs. 2 bis 4 AVG gilt.

 

(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.

 

(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.

 

(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.

 

(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.

 

§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise

 

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich

eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

 

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

 

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

 

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.

 

II.3.4.2. Die gegenständlichen, nach nicht rechtmäßiger Einreise in Österreich bzw. nach Geburt in Österreich gestellten Anträge auf internationalen Schutz waren abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel der drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fallen die bP nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

 

Es liegen keine Umstände vor, dass den bP allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

II.3.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

 

Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

 

Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Art 8 EMRK fallen, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74; VfSlg 16.777/2003; ferner Gül gg Schweiz, ÖJZ 1996, 593; 5. 2 2004, 60457/00, Kosmopoulou gg Griechenland; 18. 1. 2007, 73819/01, Estrikh gg Litauen). Umgekehrt werden Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

 

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

 

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).

 

II.3.4.4. Die bP haben in Österreich über die im gegenständlichen Erkenntnis genannten Mitglieder der Kernfamilie hinausgehend keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit zweieinhalb Jahren bzw. ihrer Geburt im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie leben von der Grundversorgung und haben die bP 1, 2 und 3 Deutschkurse besucht, die bP 1 und 2 die Prüfung A2 abgelegt und besucht die bP 1 einen Fußballverein. Sie sind strafrechtlich unbescholten und haben Kontakte in ihrer Wohnsitzgemeinde. bP 1 hat über die Gemeinde Arbeiten verrichtet, die bP haben Hausmeistertätigkeiten im Heim durchgeführt.

 

Folgt man Chvosta, welcher, soweit ersichtlich im Schrifttum bisher unwidersprochen ausführte und dem sich auch das erkennende Gericht im gegenständlichen Fall anschließt, dass [Anmerkung: bei damaligen Ausweisungen von Asylwerbern nach § 10 AsylG; hier wohl sinngemäß anwendbar] ab einer Verfahrensdauer von 6 Monaten jedenfalls ein Eingriff in das Privat- und Familienleben anzunehmen sein wird, der eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach sich zieht (Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74), so geht das erkennende Gericht im gegenständlichen Fall davon aus, dass ein sich auf die Verweildauer im Bundesgebiet begründetes Privatleben ergibt.

 

Die Rückkehrentscheidung stellt somit einen Eingriff in das Recht auf das Privatleben dar.

 

II.3.4.5. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

 

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.

 

Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-VG in der Form des AsylG 2005 idF BGBl 29/2009 entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog") im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch

 

 

Ebenso bereits vor Inkrafttreten des durch BGBl I 38/2011 in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG eingefügten lit. i, welcher der nunmehrigen Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, S. 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).

 

Ein mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden soll daher als zusätzliche Tatsache bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK berücksichtigt werden, andererseits stellte der VfGH in seinem Erkenntnis v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 unmissverständlich fest, dass die zeitliche Komponente dann in den Hintergrund tritt, wenn sich die Verweil- bzw. Verfahrensdauer aus dem Verhalten der beschwerdeführenden Partei ergibt (vgl. hierzu auch Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

II.3.4.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

 

 

Die bP sind seit zweieinhalb Jahren in Österreich aufhältig. Sie reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und konnten ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz vorübergehend legalisieren. Hätten sie diese unbegründeten Anträge nicht gestellt, wären sie vom Anfang an rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig gewesen und wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würden.

 

 

Die bP verfügen über keine familiären und die bereits beschriebenen privaten Anknüpfungspunkte.

 

 

Die bP begründeten ihr Privat- bzw. Familienleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt der bP zum Zeitpunkt der Begründung der familiären Anknüpfungspunkte ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des mittlerweile rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens beschränkt.

 

Letztlich ist auch festzuhalten, dass die bP nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise die bestehenden Bindungen zur Gänze abzubrechen. So stünde es ihnen frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74 mwN). Ebenso stünde es ihnen frei, sich nach ihrer Ausreise – wie jeder andere Fremde auch – um eine legale Einreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen.

 

Das ho. Gericht verkennt zwar nicht, dass sich die Kinder das Verhalten der Eltern im Rahmen der Interessensabwägung gemäß Art. 8 EMRK nicht im vollen Umfang subjektiv verwerfen lassen müssen, doch ist dieses Verhalten dennoch nicht unbeachtlich. Hier sei etwa auf eine Zusammenschau der Erkenntnisse des VfGH vom 12.6.2010 U 614/10 (Beschwerdeführerin wurde 1992 geboren, war zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich minderjährig, hatte zumindest am Anfang ihres Aufenthaltes in Österreich keinen Einfluss auf das bzw. die Asylverfahren, entzog sich aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Alter der mündigen Minderjährigkeit und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge), U613/10 (Beschwerdeführerin wurde 1962 geboren, war während des gesamten Verfahrens handlungsfähig und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge) und den Beschluss des selben Tages U615/10 ua (minderjährige Asylwerber während des gesamten Asylverfahrens, welche auf den Verlauf des Verfahrens bzw. der Verfahren keinen Einfluss hatten) verwiesen. In diesen Verfahren stellte der VfGH in Bezug auf die 1962 geborene Beschwerdeführerin im vollen Umfang und in Bezug auf die 1992 geborene Beschwerdeführerin (Tochter der 1962 geborenen Beschwerdeführerin) in einem gewissen eingeschränkten Umfang fest, dass sich diese das Verhalten, welches zum langen Aufenthalt in Österreich führten, zurechnen lassen müssen und es daher nicht zu ihren Gunsten im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK geltend gemacht werden kann. Obwohl die minderjährigen Beschwerdeführer auf das Verhalten ihrer 1962 geborenen Mutter und 1992 geborenen Schwester keinerlei Einfluss hatten und ihnen deren Verhalten, insbesondere jenes der Mutter nicht subjektiv vorgeworfen werden konnte, wurde die Behandlung derer Beschwerden dennoch mit Beschluss U615/10 ua. abgewiesen. Im Lichte der Erk. des VfGH B 950-954/10-08, S. 19, bzw. v. 10.03.2011, B1565/10, wo die Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer in Österreich aufgrund den Beschwerdeführern nicht zurechenbarer Dauer der Asylverfahren als wesentliches Argument für eine Interessensabwägung zu Gunsten der Beschwerdeführer herangezogen wurde, ist ableitbar, dass in den in Beschluss U615/10 genannten Fällen trotz fehlender subjektiver Vorwerfbarkeit des Verhaltens der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Verfahrensdauer aufgrund deren Minderjährigkeit und des Verhaltens der Mutter gerade dieses Verhalten der Mutter im Rahmen der Interessensabwägung in Bezug auf die minderjährigen Kinder dennoch eine Rolle spielte, sie sich dieses zwar nicht vorwerfen aber in einem gewissen Umfang zurechnen lassen mussten, da ansonsten davon auszugehen gewesen wäre, dass ein mit den in den Erk. des VfGH B 950-954/10-08, S. 19, bzw. v. 10.03.2011, B1565/10 beschriebener Fällen vergleichbarer Fall vorliegen würde und zu einer vergleichbaren Entscheidung geführt hätte.

 

Auch ist zu bedenken, dass es aus dem fremdenpolizeilichen Blickwinkel nicht primär auf die subjektive Vorwerfbarkeit, sondern auf die objektive Zurechenbarkeit des beschriebenen Verhaltens ankommt.

 

 

Die beschwerdeführenden Parteien sind –in Bezug auf ihr Lebensaltererst einen kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig, haben hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und waren die volljährigen bP im Asylverfahren nicht in der Lage, ihren Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen, wenngleich im Verfahren hervorkam, dass zumindest die bP 1 und 2 die deutsche Sprache nunmehr so weit beherrschen, dass eine gewisse Verständigung im Alltag möglich ist bzw. die A2 Deutschprüfung abgelegt haben und die bP 3 einen Deutschkurs besucht hat.

 

Ebenso geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, dass die bP selbsterhaltungsfähig wären bzw. die bP 1, 2 und 3 ernsthafte Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit unternommen hätten. Eine AMS-Absage wurde nicht vorgelegt und hat die bP 1 lediglich in der Gemeinde mitgearbeitet, die bP 1 betätigt sich gemeinnützig bei XXXX bzw. haben die bP im Heim Hausmeisterdienste übernommen. Die bP 1 spielt Fußball bei einem Verein.

 

Betreffend der von der bP 1 vorgelegte Anstellungszusage wird auf die ständiger höchstgerichtlicher Judikatur verwiesen, wonach einer Einstellungszusage nur ein untergeordneter Wert zukommt (vgl. Erk. des VwGH 21.1.2010, 2009/18/0523; 29.6.2010, 2010/18/0195; 17.12.2010, 2010/18/0385; 22.02.2011, 2010/18/0323)

 

Die Unterstützungsschreiben der Heimleitung, der Deutschlehrerin, einer weiteren Lehrerin und der Apothekerin und des Fußballvereins sind insbesondere vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich die bP erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhalten (zweieinhalb Jahre) und die persönlichen Bindungen bereits unter diesem Aspekt als nicht besonders eng angesehen werden können. Überdies bestehen die Kontakte der bP überwiegend aus Personen, welche sich in ihrer Heimatgemeinde für Flüchtlinge einsetzen wollen bzw. Freiwillige, welche mit ihnen Deutsch lernen oder sie im Rahmen von Projekten unterstützen und ist die diesbezügliche Integration der bP daher nicht auf ihre eigene Initiative zurückzuführen, wenngleich die Leistungen der Personen anerkannt werden und festzuhalten ist, dass die bP zumindest diese Angebote (vgl. Abfalltrennung) angenommen haben. Es wird auch nicht verkannt, dass die bP freundlich sind und hilfsbereit sind und bei gemeinnützigen Projekten kurzzeitig helfen.

 

Der Aspekt der sozialen Vernetzung, welche sich aus den vorgelegten Schreiben ergibt, ist gerade im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer noch nicht besonders berücksichtigungswert. Die in diesen Schreiben betonte Integration der bP sowie die Deutschkenntnisse werden nicht verkannt.

 

Für eine nachhaltige Integration in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und sozialer Hinsicht sind diese privaten Anknüpfungspunkte allerdings – vor allem in Zusammenhang mit der geringen Aufenthaltsdauer - auf jeden Fall deutlich zu wenig. Werte wie Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft etc. sind nicht als Zeichen besonderer Integration anzusehen und werden gerade für Personen, die sich in Österreich auf Dauer niederlassen wollen, vom erkennenden Gericht als selbstverständlich vorausgesetzt.

 

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die –hier bei weitem nicht vorhandenen-Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

 

Die bP verbrachten den überwiegenden Teil ihres Lebens in Armenien, wurden dort sozialisiert und kann angenommen werden, dass sie die dortige Sprache beherrschen bzw. beherrschen sie jedenfalls kurdisch-kurmanji. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Armenien noch Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- und/oder Bekanntenkreises der bP existieren, da nichts darauf hindeutet, dass die bP vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätten. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es den bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

 

Zu den minderjährigen bP ist festzustellen, dass schon aufgrund ihres geringeren Alters und der Aufenthaltsdauer in Österreich die Abwägung zwischen den Bindungen zum Herkunftsstaat und den nunmehrigen Bindungen zu Österreich anders zu werten sein wird, als im Hinblick auf die Eltern. Hier wird von geringeren Bindungen zum Herkunftsstaat und stärkeren Bindungen zu Österreich auszugehen sein. In die Überlegungen hat auch einzufließen, dass sie über ihr Umfeld bzw. ihre Eltern die Kultur und Sprache ihres Herkunftsstaates auch über den Zeitpunkt der Ausreise hinaus vermittelt bekamen. Auch kann aufgrund der Sprachkenntnisse der Eltern davon ausgegangen werden, dass im Familienverband zumindest noch teilweise mit den Eltern in der Sprache des Herkunftsstaates kommuniziert wird und somit dieser "Vermittlungseffekt" bis in die Gegenwart nachwirkt. Ebenso befinden sich die minderjährigen bP in einem Alter erhöhter Anpassungsfähigkeit (vgl. Dr. Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74 mwN) und haben diese auch ihre Anpassungs- und Integrationsfähigkeit durch die vorgelegten Bescheinigungsmittel zur ihrer Integration in Österreich bzw. das hier nicht widerlegte Vorbringen bewiesen. Es kann daher angenommen werden, dass es ihnen unter Nutzung dieser Fähigkeiten gelingt, sich spiegelbildlich betrachtet, ebenso wie in die österreichische auch in die Gesellschaft ihres Herkunftsstaats vollständig zu integrieren.

 

 

Die bP sind strafrechtlich unbescholten.

 

Die Feststellung, wonach die bP strafrechtlich unbescholten sind, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Relativiert zu sehen ist dies zusätzlich hinsichtlich der minderjährigen und strafunmündigen bP. Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält, als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten der bP ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

 

 

Die bP 1-3 reisten schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein.

 

Soweit die minderjährigen bP keinen Einfluss auf das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertretung im Zusammenhang mit der Einreise hatten, wird auf die bereits getroffenen Ausführungen in Bezug auf die Zurechenbarkeit des Verhaltens der gesetzlichen Vertretung auf die Kinder verwiesen.

 

 

Den bP musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz nur ein vorübergehender ist und ein weiterer Aufenthalt mangels entsprechenden Aufenthaltstitels verwehrt wird. Ebenso indiziert die rechtswidrige und schlepperunterstützte Einreise den Umstand, dass den bP die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass sie in diesem Fall diese weitaus weniger beschwerliche und kostenintensive Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätten.

 

In Bezug auf die minderjährigen bP wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zur Zurechenbarkeit des Verhaltens ihrer Eltern verwiesen.

 

 

Ein derartiges Verschulden kann aus der Aktenlage nicht entnommen werden bzw. wird auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung verwiesen, wonach die bP die Verzögerung des Verfahrensabschlusses durch Angabe einer falschen Identität verursacht haben.

 

Aufgrund der oa. Umstände ist im Rahmen einer letztlich Gesamtschau festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens beim Vorhandensein entsprechender Ressourcen denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens der bP, sowie ihrem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass ein Sachverhalt vorliegt, welcher wohl eher dem entspricht, der vom VfGH seinem Verfahren Gz. U 613/10-10 zu prüfen war, als jenen in seinem Erkenntnissen B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, weshalb letztlich nicht davon auszugehen ist, dass die zeitliche Komponente dermaßen in den Vordergrund tritt, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen der bP auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

 

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

 

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine (damals) Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

 

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

 

Es ist nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

 

Gem. Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privatund/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs 2 leg cit genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich –abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.

 

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für den Beschwerdeführer grundsätzlich nicht mehr möglich seinen Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem Beschwerdeführer gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus offen steht, sodass ihn mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Rückkehrentscheidung betreffend des Fremden bedarf.

 

Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist der Beschwerdeführer somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

 

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der (damals) Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

 

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

 

Der Rechtssprechung des EGMR folgend (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisung- bzw. Rückkehrentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Praxis hinsichtlich Rückkehrentscheidungen der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

 

Wenn man – wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt – dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

 

In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bewirkt.

 

Der GH führte weiters –wiederum auf seine Vorjudikatur verweisendaus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Im geschilderten Fall wurde letztlich dennoch eine Entscheidung zu Gunsten der Beschwerdeführer getroffen, weil es der Erstbeschwerdeführerin grundsätzlich möglich gewesen wäre, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, weil sie mit dem Vater des Zweitbeschwerdeführers, einem Staatsbürger der Niederlande vom Juni 1994 bis Jänner 1997 eine dauerhafte Beziehung führte. Es war daher der Fall Erstbeschwerdeführerin trotz ihres vorwerfbaren sorglosen Umganges mit den niederländischen Einreisebestimmungen von jenen Fällen zu unterscheiden, in denen der EGMR befand, dass die betroffenen Personen zu keinem Zeitpunkt vernünftiger Weise erwarten konnten, ihr Familienleben im Gastland weiterzuführen. Ebenso wurde in diesem Fall der Umstand des besonderen Verhältnisses zwischen dem Kleinkind und der Mutter besonders gewürdigt.

 

Weiters wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:

 

Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.

 

Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

 

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.

 

Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.

 

II.3.4.7. Letztlich ist festzustellen, dass eine Gegenüberstellung der von den bP in ihrem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen der bP am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führen würde.

 

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die bP erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

 

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

 

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration der bP in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht sind nicht erkennbar. Die bP halten sich erst einen kurzen Zeitraum in Österreich auf, sind auf die Grundversorgung angewiesen und eine gesellschaftliche Integration im beachtlichen Ausmaß ist nicht erkennbar. Für die bP spricht damit lediglich, dass sie Deutschkurse besuchen und dabei sind, sich vorwiegend über Freiwillige in die Ortsgemeinde zu integrieren.

 

Aufgrund der Sozialisation im Herkunftsstaat ist davon auszugehen, dass im Vergleich mit dem bisherigen Leben in Österreich die Beziehungen zu Armenien eine Integration in Österreich bei weitem überwiegen.

 

Insbesondere aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer der bP in Österreich sind zum Entscheidungszeitpunkt keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten, dauernden Integration hervorgekommen, dass allein aus diesem Grunde die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig zu erklären wäre.

 

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration der bP in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht sind nicht

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der bP im Bundesgebiet das persönliche Interesse der bP am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

II.3.4.8. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Armenien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in den gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt.

 

II.3.4.9. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

 

II.3.5 Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass die bP im Falle einer Rückkehr nach Armenien dort mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wären. Auch die Voraussetzungen für die getroffene Rückkehrentscheidung liegen vor.

 

II.3.6. Einreiseverbot

 

II.3.6.1. Rechtliche Bestimmungen

 

§ 53 BPG lautet:

 

"Einreiseverbot

 

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

(1a) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

 

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

 

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

 

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

 

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

 

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

 

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

 

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

 

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

 

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

 

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

 

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

 

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

 

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

 

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

 

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

 

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."

 

Artikel 11 Rückführungsrichtlinie lautet:

 

(1) Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher,

 

a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder

 

b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde.

 

In anderen Fällen kann eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen.

 

(2) Die Dauer des Einreiseverbots wird in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt.

 

(3) Die Mitgliedstaaten prüfen die Aufhebung oder Aussetzung eines Einreiseverbots, wenn Drittstaatsangehörige, gegen die ein Einreiseverbot nach Absatz 1 Unterabsatz 2 verhängt wurde, nachweisen können, dass sie das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter uneingeschränkter Einhaltung einer Rückkehrentscheidung verlassen haben.

 

"

 

II.3.6.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum früher geltenden § 63 FPG (IdF vor dem FrÄG 2011), der die Festlegung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes regelte, war ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet), wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.

 

§ 53 Abs. 3 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Gericht diese auch nach wie vor als anwendbar.

 

Aus der Formulierung des § 53 Abs. 2 FPG ergibt sich, dass die dortige Aufzählung nicht als taxativ, sondern als demonstrativ bzw. enumerativ zu sehen ist ("Dies ist insbesondere dann anzunehmen, "), weshalb die bB in mit den in Z 1 – 9 leg. cit expressis verbis nicht genannten Fällen, welche jedoch in ihrer Interessenslage mit diesen vergleichbar sind, ebenso ein Einreisverbot zu erlassen.

 

Da die aktuelle Formulierung des § 53 FPG auch der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie, RL 2008/115/EG vom 18.12.2008 dient (vgl. RV 1078 XXIV GP : "Mit dem vorgeschlagenen § 53 wird Art. 11 der RückführungsRL Rechnung getragen ") und europarechtlichen Grundsätzen folgend nationale Rechtvorschriften richtlinienkonform zu interpretieren sind (vgl. Art. 11 der Rückführungsrichtlinie, RL 2008/115/EG vom 18.12.2008: " Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. In anderen Fällen kann eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen."), ist der belangten Behörde zu folgen, wenn sie davon ausgeht, dass aufgrund des Umstandes, dass im gegenständlichen Fall keine Frist für die freiwillige Ausreise (vgl. Beschluss über die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG) besteht, ein unter §§ 53 Abs. 1 iVm Abs.2 FPG zu subsumierender Sachverhalt vorliegt, auch wenn dieser in Abs. 2 leg cit nicht expressis verbis aufgezählt wird.

 

II.3.6.3. Die belangte Behörde ist im gegenständlichen Fall daher auch aus diesem Blickwinkel berechtigt gewesen, die Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot zu verbinden.

 

II.3.6.4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde auch initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Juni 2012, Zl. 2011/23/0305, mwN).

 

Die bP haben in keiner Weise dargelegt, dass sie über entsprechende Mittel verfügen würden, um ihren Unterhalt zu sichern. Es ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde im Ergebnis davon ausging, die bP den Besitz der erforderlichen Mittel für ihren Unterhalt nicht nachgewiesen haben, zumal sich aus dem festgestellten Sachverhalt zweifelsfrei ergibt, dass die bP ausschließlich auf die Leistungen Dritter bzw. der öffentlichen Hand (Grundversorgung) angewiesen sind.

 

Im gegenständlichen Fall ist auch zu bedenken, dass aus der sich aus dem rechtskräftig negativen Abschluss des Asylverfahrens ergebenen Mittellosigkeit der bP die Gefahr einer illegalen Mittelbeschaffung bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiert und daher auch aus diesem Aspekt eine Gefährdungsannahme nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt ist (vgl. das Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0152). Dass die Mittellosigkeit wie in der Beschwerde ausgeführt an ein rechtskonformes Verhalten der bP anknüpfen würde, kann insbesondere vor den bekannten Arbeitsmöglichkeiten von Asylwerbern (Saisonbeschäftigungen etc) nicht erkannt werden

 

Die bP zeigen auch keine Gründe auf, wonach die Ermessensübung –wenn man davon ausgeht dass eine solche vorliegt und sie nicht ohnehin zur Erlassung eines Einreiseverbotes verpflichtet war- durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. Den Ausführungen dahingehend, dass die bP unverschuldet unabschiebbar werden würden, ist zu entgegnen, dass gerade durch die bP ihre Identität offengelegt werden könnte, und sie somit Reisedokumente für ihr Heimatland erlangen könnten. Dass ein "aufenthaltsrechliches Nirvana" entstehen würde, kann nicht angenommen werden.

 

Da die belangte Behörde auch nicht einmal die Hälfte des in § 53 Abs. 2 FPG genannten Rahmens – nämlich eine Dauer von 2 Jahren bei möglichen 5– ausschöpfte, kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass die Dauer des verhängten Einreiseverbotes als unverhältnismäßig lange angesehen werden muss, sondern ist wohl viel mehr davon auszugehen, dass die belangte Behörde den ihr zur Verfügung stehenden Rahmen nicht voll ausschöpfte und hier zu Gunsten der bP agierte.

 

Eine entsprechende Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK wurde bereits durchgeführt, ebenso wurde bereits dargelegt, welchen öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK der Aufenthalt der bP im Bundesgebiet widerspricht und gelten die zur Rückkehrentscheidung angestellten Überlegungen hier sinngemäß. Ebenso sinngemäß sind die Ausführungen zur Zurechenbarkeit des Verhaltens der Eltern bei den Kindern zu sehen und müssen sich diese auch im Rahmen der Verhängung des Einreiseverbotes das Verhalten der Eltern zurechnen lassen.

 

II.3.7. Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass die bP im Falle einer Rückkehr in den Irak dort mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Im Übrigen war im Sinne des §§ 57 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005 idgF, § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG BGBl I Nr. 87/2012 idgF und §§ 46, 52 Abs. 2 und 9, 55 FPG BGBl 100/2005 idgF eine Rückkehrentscheidung zu treffen.

 

Ebenfalls erließ die bP zu Recht ein Einreiseverbot im beschriebenen Umfang.

 

II.3.8. Zur Entscheidungsbegründung Beschluss A) – Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung]:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG regelt, dass das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen hat. Ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - wie er etwa in § 13 Abs. 3 und 4 und § 22 Abs. 1 und 3 VwGVG sowie § 30 Abs. 2 VwGG vorgesehen ist - ist in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG ist somit unzulässig (vgl. zum Ganzen den Beschluss des VwGH vom 13. September 2016, Fr 2016/01/0014, sowie dem folgend die Beschlüsse des VwGH vom 19. Juni 2017, Fr 2017/19/0023 und 0024, und vom 27. Juni 2017, Fr 2017/18/0022).

 

Die Anträge der bP auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden waren daher zurückzuweisen.

 

Zu jeweils B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulement-schutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.

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