VwGH Ra 2016/20/0149

VwGHRa 2016/20/014930.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag.a Ortner, in der Revisionssache *****, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Juni 2016,

  1. 1.) Zl. L519 2117254-1/23E, 2.) Zl. L519 2117260-1/18E und
  2. 3.) Zl. L519 2117257-1/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG, den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
FrPolG 2005 §46;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
MRK Art3;
VwGG §41 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
FrPolG 2005 §46;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
MRK Art3;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheiden vom 20. Oktober 2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge auf internationalen Schutz der Revisionswerber, die Staatsangehörige Armeniens sind, gemäß den §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach den §§ 55 und 57 AsylG 2005, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), erklärte die Abschiebung der Revisionswerber nach Armenien gemäß § 46 FPG für zulässig und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise.

Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber wies das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3 Zur Zulässigkeit der Revision wird im Wesentlichen geltend gemacht, weder die vom Bundesverwaltungsgericht, noch die von den Revisionswerbern eingeholten Erkundigungen zur medizinischen Versorgung in Armenien würden Sachverständigenbeweise darstellen; vielmehr handle es sich nach ständiger Rechtsprechung "bei Stellungnahmen und Berichten (...) um Beweismittel eigener Art". Die Revisionswerber hätten durch ihre ergänzende Stellungnahme die Ausführungen in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation - betreffend die Verfügbarkeit und die Kosten des Medikaments Betaferon zur Behandlung des an Multipler Sklerose erkrankten Erstrevisionswerbers - entkräftet. Dennoch habe es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen, weitere Auskünfte, insbesondere ein beantragtes Sachverständigengutachten, einzuholen. Zudem würden Feststellungen zur Frage fehlen, welche gesundheitlichen Auswirkungen eine Abschiebung (vor allem für den Erstrevisionswerber) hätte; den Feststellungen könne zwar entnommen werden, dass das zur Behandlung des Erstrevisionswerbers eingesetzte Medikament in Armenien vorhanden sei; es stehe jedoch unzweifelhaft fest, dass dieser aufgrund der erheblichen Kosten und der ökonomischen Situation der Revisionswerber im Falle einer Abschiebung nicht weiter behandelt werden könnte.

4 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat oder in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. Februar 2016, Ra 2016/19/0024, und vom 11. November 2015, Ra 2015/20/0196 bis 0198, jeweils mwN).

5 Soweit die Revision sinngemäß ins Treffen führt, der festgestellte Sachverhalt sei hinsichtlich der Verfügbarkeit und der Kosten des zur Behandlung des Erstrevisionswerbers eingesetzten Medikaments (Betaferon) in Armenien nicht in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden, ist zu entgegnen, dass das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung überdies zugrunde legte, dass zur krankheitsmodifizierenden Behandlung von Multipler Sklerose auch ein anderes Medikament (Mitoxantron), welches zudem weitaus günstiger sei, im Herkunftsstaat des Erstrevisionswerbers verfügbar sei. Dieser Feststellung wird in der Revision jedoch nicht entgegengetreten. Auf der Grundlage dieser Feststellungen zur medizinischen Versorgung in Armenien vermag die Revision eine Abweichung von den oben dargestellten Leitlinien der hg. Rechtsprechung nicht aufzuzeigen.

6 Wenn zur Zulässigkeit der Revision ferner vorgebracht wird, es könne "bereits den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes entnommen werden, dass den Revisionswerbern im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention" drohe, so kann dem schon vor dem Hintergrund, dass dem Fluchtvorbringen der Revisionswerber vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der (in der Revision nicht bekämpften) Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit versagt wurde, nicht gefolgt werden.

7 Die Revisionswerber machen schließlich geltend, die Lage in Armenien habe sich seit der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses geändert; aufgrund dieser geänderten Verhältnisse habe sich auch die medizinische Versorgung verschlechtert und daher sei eine Beschaffung von Medikamenten "nicht einmal mehr kostenintensiv" möglich. Der Berücksichtigung dieses Vorbringens steht bereits das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegen.

8 Die Revision war sohin gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 30. September 2016

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