VwGH 2009/18/0523

VwGH2009/18/052321.1.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, Hofrat Dr. Enzenhofer, Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des Y S in W, geboren am 31. Dezember 1979, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Dezember 2009, Zl. E1/464.470/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Dezember 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 5. September 2002 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am 9. September 2002 einen Asylantrag gestellt. Das Verfahren sei mittlerweile durch die Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 3. April 2009 rechtskräftig negativ abgeschlossen worden. Gleichzeitig sei festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Gegen diese Entscheidung habe der Beschwerdeführer eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, deren Behandlung von diesem jedoch abgelehnt worden sei. Bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens sei der Beschwerdeführer im Bundesgebiet vorläufig aufenthaltsberechtigt gewesen.

Unter Hinweis auf die §§ 53 Abs. 1 und 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer befinde sich mittlerweile seit mehr als sieben Jahren in Österreich und habe familiäre Bindungen zu zahlreichen Verwandten im Bundesgebiet geltend gemacht. Er habe keine Sorgepflichten und habe seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung bestritten, nunmehr werde er von Verwandten unterstützt. Er sei krankenversichert und habe eine Arbeitsplatzzusage als Bäcker. Aus dem Asylverfahren ergebe sich, dass seine Eltern und vier Geschwister in der Türkei lebten.

Es sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Dagegen verstoße der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 3. April 2009 gravierend. Das Gewicht der aus seinem Aufenthalt resultierenden persönlichen Interessen sei dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer bisher lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung auf Grund eines Asylantrages, der sich als unberechtigt herausgestellt habe, verfügt habe. Während seines mehr als siebenjährigen Aufenthaltes habe der Beschwerdeführer lediglich im Jahr 2006 einen dreimonatigen Deutschkurs absolviert und versuche seit September 2009 wieder, im Rahmen eines Kurses Kenntnisse der deutschen Sprache zu erwerben. Dieser Umstand lasse keine sonderlichen Bemühungen um Integration erkennen. Familiäre Bindungen zu Eltern und Geschwistern, auch wenn diese - wie im gegenständlichen Fall - in räumlicher Entfernung lebten, erwiesen sich erfahrungsgemäß als weit stärker als Bindungen zu sonstigen Verwandten, die in unmittelbarer Umgebung lebten.

Laut Anfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger stehe der Beschwerdeführer in keinem sozialversicherungsrechtlich relevanten Arbeitsverhältnis, somit liege auch keine Integration in den heimischen Arbeitsmarkt vor.

Den Großteil seines fast 30-jährigen Lebens habe sich der Beschwerdeführer in der Türkei aufgehalten. Trotz mehr als siebenjähriger Abwesenheit vom Heimatland müsse auf Grund der Tatsache, dass in der Türkei die Eltern, ein Bruder und drei Schwestern lebten, von einer Bindung an den Heimatstaat ausgegangen werden.

Insgesamt betrachtet könne das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers nur als relativ gering erachtet werden.

Außer der strafrechtlichen Unbescholtenheit sprächen keine sonstigen besonderen Umstände, die die belangte Behörde hätten veranlassen können, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen, zu Gunsten des Beschwerdeführers. Auch aus der Tatsache der bestehenden Arbeitsplatzzusage könne für den Beschwerdeführer aktuell nichts gewonnen werden, da er mangels Aufenthaltsberechtigung und Arbeitserlaubnis keiner legalen Beschäftigung nachgehen könne.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass sein Asylantrag rechtskräftig abgewiesen und ihm bisher noch nie ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist. Im Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhalte und die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG und verweist diesbezüglich auf den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, auf seine guten Deutschkenntnisse, seine strafrechtliche Unbescholtenheit, sein Eingebundensein in eine Großfamilie mit zahlreichen österreichischen Staatsbürgern, das Vorliegen einer Arbeitsplatzzusage sowie auf "geordnete Lebensverhältnisse (Unbescholtenheit, Wohnung, Krankenversicherung, Arbeitsplatzzusage)".

Die beschriebenen Umstände sind allenfalls für die Beurteilung eines gemäß § 21 Abs. 1 NAG im Ausland gestellten Antrages auf Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung von Bedeutung, sie führen aber nur bei Erfüllung weiterer unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK bedeutsamer Voraussetzungen dazu, dass der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt vom Inland aus legalisieren könnte. Einem im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung könnte nur bei Vorliegen solcher humanitärer Gründe stattgegeben werden, die eine rasche bzw. sofortige Familienzusammenführung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben erfordern. Lägen solche Voraussetzungen für eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Hintanhaltung einer gegen Art. 8 EMRK verstoßenden Wartezeit vor, würde das sowohl eine Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG in Verbindung mit § 66 Abs. 1 FPG unzulässig machen, als auch einen im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung zum Erfolg führen. Diese Verknüpfung folgt aus dem engen Zusammenhang der Berücksichtigung humanitärer Gründe im Niederlassungsverfahren und im Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 2009, Zl. 2009/18/0414, mwN).

Im vorliegenden Fall macht der Beschwerdeführer nur familiäre Beziehungen zu Cousinen und Cousins, die teilweise die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, geltend. Dass der Beschwerdeführer mit einer oder einem dieser Verwandten im gemeinsamen Haushalt lebe oder eine besondere Nahebeziehung zu ihnen hätte, wird in der Beschwerde nicht vorgebracht. Dennoch geht die belangte Behörde - zutreffend - in Anbetracht der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit September 2002, der geltend gemachten familiären Beziehungen und seiner Deutschkenntnisse von einem mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG aus. Die aus der Dauer seines inländischen Aufenthaltes resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt nur auf Grund eines Asylantrages, der sich als unberechtigt herausgestellt hat, erlaubt war und seither unrechtmäßig ist. Zutreffend verweist die belangte Behörde auch darauf, dass der bestehenden Arbeitsplatzzusage mangels Aufenthaltsberechtigung und Arbeitserlaubnis des Beschwerdeführers keine wesentliche Bedeutung zukommt. Dass ein "Asylwerber auf Grund der österreichischen Rechtslage nicht arbeiten darf", der Beschwerdeführer arbeitsfähig und arbeitswillig sei und über eine entsprechende Berufsausbildung verfüge, vermag nichts an der unbestrittenen Tatsachenfeststellung der belangten Behörde zu ändern, dass der Beschwerdeführer in den heimischen Arbeitsmarkt nicht integriert ist. Die diesbezüglich behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt somit nicht vor.

Mit dem Hinweis, der Beschwerdeführer sei unbescholten, macht er keine Umstände geltend, die im angefochtenen Bescheid nicht schon berücksichtigt worden wären. Die Beschwerde bestreitet auch nicht die Bindung des Beschwerdeführers an seinen Heimatstaat auf Grund seines etwa 23-jährigen Aufenthaltes in der Türkei sowie seiner nach wie vor dort lebenden Eltern und vier Geschwister.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass die privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht höher zu bewerten seien als das gegenläufige öffentliche Interesse an der Einhaltung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, und die Erlassung der Ausweisung dringend geboten, somit gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, begegnet daher keinem Einwand. Entgegen der Beschwerdemeinung liegt - wie sich schon aus den obigen Ausführungen ergibt - auch kein relevanter Begründungsmangel vor.

3. Letztlich sind - entgegen der Beschwerdeansicht - auch keine Umstände ersichtlich, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von ihrem Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 21. Jänner 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte