VwGH 2009/18/0414

VwGH2009/18/041426.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des JMN in W, vertreten durch Mag. Dr. Thomas Bollmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Juni 2009, Zl. E1/226.113/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. Juni 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein liberianischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei eigenen Angaben zufolge am 23. Februar 2003 illegal nach Österreich eingereist und habe am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug mit Bescheid des Asylgerichtshofes vom 20. März 2009 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe während seines Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz, jedoch zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel verfügt und sei nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens im Bundesgebiet verblieben.

Der Beschwerdeführer halte sich sohin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG vorlägen. In einem solchen Fall könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem die Bestimmung des § 66 leg. cit. nicht entgegenstehe.

Der Beschwerdeführer lebe seit mehr als sechs Jahren in Österreich, daher sei davon auszugehen, dass mit der vorliegenden Maßnahme ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden sei. Dieser Eingriff erweise sich jedoch als dringend geboten. Der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Gegen diese Regelung habe der Beschwerdeführer, der seinen Aufenthalt trotz rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages fortgesetzt habe, in gravierender Weise verstoßen. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei daher von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Eine Legalisierung seines Aufenthaltes könne er gemäß § 21 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nur vom Ausland aus erwirken.

Der Beschwerdeführer behaupte zwar, "einen bedeutenden Freundeskreis, bestehend aus österreichischen Staatsbürgern" sowie Deutschkenntnisse zu haben, nenne jedoch weder die Namen seiner Freunde noch lege er entsprechende Nachweise vor. Auch die Behauptung, er verfüge über keine verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Verbindungen mehr in seinem Heimatland, sei wenig glaubwürdig. Zu dem von ihm geschilderten Bedrohungsszenario in seinem Heimatland sei zu bemerken, dass mit der vorliegenden Ausweisung nicht ausgesprochen werde, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er allenfalls abgeschoben werde.

Allfällige Aufenthaltstitel gemäß § 44 Abs. 4 NAG seien von der Aufenthaltsbehörde zu erteilen. Das Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen könne im gegenständlichen Verfahren nicht beurteilt werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe mit Schreiben vom 23. Juli 2009 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt. "Nach herrschender höchstgerichtlicher Rechtsprechung liegt ein rechtmäßiger Aufenthalt auch schon während der Antragstellung und Erteilung eines Aufenthaltstitels vor, sodass eine Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG nicht mehr erfolgen kann."

Der Verweis der belangten Behörde auf § 21 NAG sei unrichtig, weil unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich gemäß § 72 Abs. 1 NAG iVm § 74 NAG, eine Inlandsantragstellung möglich sei. Die belangte Behörde hätte daher überprüfen müssen, ob die Voraussetzungen des § 21 NAG iVm den §§ 72 und 74 NAG vorlägen und ob somit ein rechtmäßiger Aufenthalt vorliege.

Dem ist - abgesehen davon, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides gestellt und erstinstanzlich bereits abgewiesen wurde - zu erwidern, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers erst mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels und nicht schon nach der Stellung eines darauf abzielenden Antrages rechtmäßig ist. Auch die Möglichkeit eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen (§§ 72 bis 74 NAG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) kann den Aufenthalt des Fremden nicht legalisieren. Ebenso führt die Anhängigkeit eines solchen Verfahrens zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2008/18/0094, mwN). Von daher erweist sich auch die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den maßgeblichen Sachverhalt, dass eine Erstantragstellung im Inland gemäß § 74 NAG möglich sei, nicht ausreichend festgestellt, als nicht zielführend.

2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ihm bisher noch nie ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist. Im Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhalte und die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

3. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch unter dem Blickwinkel der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG iVm Art. 8 Abs. 2 EMRK und bringt vor, der Beschwerdeführer habe Integrationskurse besucht, Deutschkurse abgelegt, sei berufstätig und unbescholten und habe die Hauptschule samt polytechnischem Lehrgang erfolgreich absolviert. "Bei ordnungsgemäßer Rechtsanwendung hätte die Überprüfung des Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eine derartige Integration in sozialer und beruflicher Hinsicht ergeben und in Folge der Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Erstantragstellung nach § 72 NAG in Österreich vorgelegen sind und somit eine Ausweisung nach § 53 FPG, liegen dessen Voraussetzungen offensichtlich nicht vor, nicht erfolgen durfte."

Die beschriebenen Umstände sind allenfalls für die Beurteilung eines gemäß § 21 Abs. 1 NAG im Ausland gestellten Antrages auf Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung von Bedeutung, sie führen aber nur bei Erfüllung weiterer unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK bedeutsamer Voraussetzungen dazu, dass der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt vom Inland aus legalisieren könnte. Einem im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung könnte nur bei Vorliegen solcher humanitärer Gründe stattgegeben werden, die eine rasche bzw. sofortige Familienzusammenführung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben erfordern. Liegen die Voraussetzungen für eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Hintanhaltung einer gegen Art. 8 EMRK verstoßenden Wartezeit vor, so würde das sowohl eine Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG iVm § 66 Abs. 1 FPG unzulässig machen, als auch einen im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung zum Erfolg führen. Diese Verknüpfung folgt aus dem engen Zusammenhang der Berücksichtigung humanitärer Gründe im Niederlassungsverfahren und im Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2008/18/0094, mwN).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer familiäre Bindungen im Bundesgebiet nicht geltend gemacht und auch seine behaupteten privaten Bindungen zu "einem bedeutenden Freundeskreis, bestehend aus österreichischen Staatsbürgern" - laut unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid - während des Verwaltungsverfahrens nicht näher konkretisiert. In Anbetracht der aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit Februar 2003 und seiner behaupteten - jedoch nicht nachgewiesenen - Berufstätigkeit ableitbaren Integration ist mit der Ausweisung ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG verbunden. Die aus der Dauer seines inländischen Aufenthaltes resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt nur auf Grund eines Asylantrages, der sich als unberechtigt herausgestellt hat, erlaubt war und seither unrechtmäßig ist. Im Hinblick darauf kommt auch der von ihm behaupteten Erwerbstätigkeit keine wesentliche Bedeutung zu. Auch mit dem Hinweis, dass der Beschwerdeführer unbescholten sei und seinen Hauptschulabschluss sowie den polytechnischen Lehrgang erfolgreich absolviert habe, macht er keine Umstände geltend, die seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich maßgeblich verstärken könnten.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass die privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht höher zu bewerten seien als das gegenläufige öffentliche Interesse an der Einhaltung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, und die Erlassung der Ausweisung dringend geboten, somit gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, begegnet daher keinem Einwand. Von daher erweist sich auch die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe bei ihrer Beurteilung nach § 66 FPG den Sachverhalt nicht ausreichend festgestellt, als nicht zielführend.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 26. November 2009

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