AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:L506.2202109.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX , StA Pakistan, vertreten durch die BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.10.2021 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF) brachte am XXXX nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
Dabei führte er im Rahmen seiner Erstbefragung am XXXX zusammengefasst aus, dass er im August 2014 in XXXX mit vielen Anhängern der Partei „PAT“ an einer Revolutionsdemonstration gegen die Regierung teilgenommen habe. Es sei eine friedliche Demonstration gewesen. Als sie zum Regierungshaus des Premierministers gezogen seien, sei die Polizei gekommen und habe versucht, die Demonstration aufzulösen. Die Polizei habe Tränengas eingesetzt, scharf geschossen und die Teilnehmer geschlagen. Der BF sei gemeinsam mit einigen anderen Demonstranten festgenommen und in einen Keller verbracht worden. Sie seien dort misshandelt, geschlagen und gefoltert worden. Einige Leute seien ums Leben gekommen. Als sie die Polizei woanders hin transferieren gewollt habe, habe der BF flüchten können. Der Chef der Partei, welcher der BF angehöre, sei ein religiöser Gelehrter. Er habe eine „Fatwa“ gegen die Taliban ausgegeben, dass sie aufgrund ihrer Untaten keine Moslems seien. Seit der Herausgabe der „Fatwa“ bestehe für den BF und die Anhänger seiner Partei eine Bedrohung durch die Taliban. Von 2009 bis 2013 habe es Anschläge von Leuten der gegnerischen Parteien gegeben. Einmal sei auf den BF geschossen worden, er sei aber nicht getroffen worden. Weiters seien falsche Anzeigen gegen den BF erstattet worden. Aus Angst um sein Leben habe er dann beschlossen, Pakistan zu verlassen. (AS 13)
Der BF sei legal mit dem Flugzeug und seinem Reisepass aus Pakistan ausgereist. Der Pass sei beim Schlepper. (AS 9)
Im Rückkehrfall fürchte der BF um sein Leben. Die Taliban könnten ihn töten. Weiters habe er aufgrund der Demoteilnahme Angst vor der Regierung. Er könnte von der Polizei eingesperrt, gefoltert oder auch getötet werden. (AS 15)
2. Am 27.07.2016 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Dort gab der BF an, er stamme aus XXXX in Punjab, sei Moslem (Sunnit) und gehöre der Volksgruppe der Ansari an. Seinen Reisepass habe er in Libyen verloren bzw. sei er ihm weggenommen worden. (AS 53)
Zum Ausreisegrund befragt gab der BF im Wesentlichen an, dass er Mitglied der PAT sei. Bei ihm in der Ortschaft sei die Peoples Party (PP) tätig gewesen und auch die PAT. Dann habe es auch die Noon League bzw. Pakistani Moslem League Noon gegeben. Diese habe den BF gestresst, verfolgt und ihm Schwierigkeiten bereitet, weshalb er flüchten habe müssen. Zuerst hätten sie den BF misshandelt und dann versucht, ihn umzubringen. Der BF habe dann die Ortschaft verlassen. Sein Bruder habe nicht mitkommen können, weil er ein Kind habe. (AS 57f.)
Die Frage nach weiteren Gründen für die Asylantragstellung verneinte der BF. Nach allfälligen Problemen mit heimatlichen Behörden befragt, gab der BF an, misshandelt worden zu sein. Er habe dafür keine Beweise, vom BF wurden jedoch First Information Reports, FIRs (Kopien) vorgelegt, dort könne man nachschauen. Befragt, ob der BF jemals in Haft gewesen sei, gab er an, dass er drei-vier Mal inhaftiert gewesen sei. Der BF sei politisch verfolgt worden; wegen seiner Religion sei er nicht verfolgt worden, man könne jedoch verstehen, dass er wegen der Volksgruppe bzw. wegen der politischen Gesinnung verfolgt worden sei. (AS 55)
Im Rückkehrfall befürchte der BF, von den Männern, die ihn misshandelt haben, umgebracht zu werden, wenn nicht diese es tun würden, dann die Polizei. (AS 63)
3. Am 20.04.2018 erfolgte eine weitere Einvernahme des BF vor dem BFA.
Zu seinem Gesundheitszustand gab der BF an, Rückenschmerzen zu haben. Im Jahr 2017 sei er wegen Nierensteinen operiert worden und nehme deswegen Medikamente. Die Rückenschmerzen habe er aufgrund von Schlägen in Pakistan. Er habe auch dort Medikamente eingenommen, dann habe er keine Schmerzen mehr gehabt. Hier in Österreich sei er einmal die Treppe hinuntergefallen und seitdem habe er wieder Rückenschmerzen. (AS 132)
Der BF brachte vor, dass seine Probleme und die Verfolgung im Jahr 2009 angefangen haben. Er habe zur Partei PAT gehört. Der Chef der Partei sei Dr. Tahir ul Quadiri. Er habe gegen den Präsident Nawaz Sharif (Noon League) zum Streik aufgerufen. In Dorf des BF seien fast nur Anhänger der Noon League gewesen. Die ganzen Polizeistationen von Punjab würden ebenfalls zur Noon League gehören. Der BF habe Angst vor den Dorfleuten und den Polizisten gehabt. Es habe eine Schießerei von den Dorfleuten gegeben, sie hätten den BF erschießen wollen. Dr. Tahir ul Quadiri habe eine „Fatwa“ gegen die Taliban gemacht. Am 31.08.2014 in der Nacht, habe der BF bei einer Demonstration „Long March“ in XXXX teilgenommen. Sie seien Richtung Parlament gegangen. Es seien ca. 3000 Demo-Teilnehmer gewesen. Die Polizisten hätten sie geschlagen und sei auch auf sie geschossen worden. In der gleichen Nacht hätten die Polizisten alle festgenommen. Statt zu einer Polizeistation seien sie in einen Keller gebracht worden. Der BF habe es geschafft wegzulaufen. Der Bruder des BF habe ihn für ein paar Tage irgendwo versteckt und seinen Pass und einige Sachen vorbereitet und ihn dann nach Dubai geschickt. Dort habe sein Fluchtweg begonnen. (AS 134f.)
Im Weiteren wurde mit dem BF die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative erörtert, wozu vom BF angegeben wurde, im ganzen Land von der Polizei gesucht worden zu sein. Es gebe auch eine Anzeige gegen ihn. Er habe Probleme mit den Taliban, den Polizisten und der Nun League Partei. Er könne sich nicht vor diesen retten. (AS 136)
Im Rückkehrfall fürchte sich der BF vor der Polizei, der Noon League Partei und den Dorfbewohnern. (AS 137)
4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V) und dem BF eine Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI).
Beweiswürdigend führte das BFA aus, dass das Vorbringen des BF aufgrund höchst vager, unkonkreter, unnachvollziehbarer und widersprüchliche Angaben nicht glaubhaft ist.
So habe der BF angegeben, dass er der PAT-Partei und somit einer Minderheit in seinem Dorf angehöre, da die Mehrzahl der Dorfbewohner der NOON League-Partei anhängen würden. Da er jedoch den Hauptteil seines Lebens im Dorf verbracht habe, könne aus diesem Umstand kein Nachteil für den BF erkannt werden.
Weiters bestehe der begründete Verdacht, dass der BF sein vorgebrachtes Wissen über die Demonstration nur über Medien in Erfahrung gebracht habe. Laut Ausführungen des BF, habe er am 31.08.2014 bei einer Demonstration in Islamabad teilgenommen (Long March) und sei noch in derselben Nacht von der Polizei festgenommen worden, jedoch sei dem BF die Flucht gelungen und habe er sich einem weiteren Verfahren entziehen können. Dass der BF somit gewusst habe, dass die festgenommenen Demonstranten in einem Keller untergebracht worden seien, sei nicht nachvollziehbar. Es sei daher auch nicht davon auszugehen, dass der BF den vorgebrachten Sachverhalt tatsächlich selbst erlebt habe.
Dass der BF den vorgebrachten Sachverhalt (Demonstration) nicht selbst erlebt habe, begründe sich auch in der Tatsache, dass er eben diesen Fluchtgrund in der niederschriftlichen Einvernahme vom 27.07.2016 mit keinem Wort erwähnt habe. Der BF habe dort als Fluchtgrund lediglich Verfolgung durch Dorfbewohner der anderen Partei (Noon League) angegeben.
Der BF habe die gegen ihn gerichtete Gefahr nicht konkretisieren können, sondern habe widersprüchliche Angaben den Fluchtgrund betreffend gemacht. Überdies habe er keine neuen Beweismittel vorlegen können, die sein Vorbringen hätten untermauern können.
Die legale Ausreise aus dem Herkunftsstaat lasse weiters darauf schließen, dass der BF nicht zur Festnahme ausgeschrieben sei.
Es ist sei aufgrund der genannten Umstände zusammengefasst nicht davon auszugehen, dass das Vorbringen des BF der Realität entspricht. Dem BF sei es nicht gelungen begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen.
Das BFA führte weiter aus, dass eine Verfolgung des BF aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Fluchtgründen nicht habe festgestellt werden können.
Es gebe auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Pakistan einer Verfolgungsgefährdung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Aus dem Gesamtvorbingen des BF ergebe sich weiters, dass er grundsätzlich arbeitsfähig und arbeitswillig sei und sich somit seinen Lebensunterhalt in Pakistan durch Arbeit finanzieren könne. Darüber hinaus verfüge der BF auch über soziale und familiäre Anknüpfungspunkte im Heimatstaat. Auch habe der BF in Pakistan bereits Medikamente eingenommen und seien auch Medikamente gegen Blutarmut in Pakistan erhältlich.
5. Gegen diesen Bescheid des BFA wurde fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung der Verfahrensvorschriften erhoben.
Es wurden die Anträge gestellt, die Rechtsmittelbehörde möge
-) den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz Folge gegeben und diesem der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde;
-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat zuerkannt werde;
-) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur inhaltlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen
-) eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumen.
In der Beschwerde wird ausgeführt, dass der BF im August 2014 mit Anhängern der Partei PAT an einer Revolutionsdemonstration gegen die Regierung teilgenommen habe. Die Polizei habe versucht die Demonstration aufzulösen, indem sie Tränengas eingesetzt und die Demonstranten geschlagen habe. Der BF sei gemeinsam mit anderen Demonstranten festgenommen und in einen Keller eingesperrt worden. Dort seien sie geschlagen und gefoltert worden. Als sie die Polizei transferieren wollen habe, sei dem BF die Flucht gelungen. Der Chef der Partei des BF habe eine „Fatwa“ gegen die Taliban ausgegeben. Seither sei der BF wie die anderen Anhänger seiner Partei von den Taliban bedroht. Es seien falsche Anzeigen gegen den BF erstattet worden. Aus Angst vor der Polizei und den Taliban habe der BF Pakistan verlassen, da er sonst umgebracht worden wäre.
Der BF habe in der Einvernahme detaillierte Angaben über seine Fluchtgründe gemacht. Er habe seine Fluchtgeschichte chronologisch und vollständig wiedergeben. Die Angaben stimmen auch mit den allgemein zugänglichen Informationen und Medienberichten überein. Die belangte Behörde behaupte jedoch das Vorbringen des BF sei widersprüchlich und nicht nachvollziehbar ohne dies ausreichend zu begründen. Aus diesem Grund sei die Beweiswürdigung des Bescheides mangelhaft.
Zur sprachlichen und beruflichen Integration in Österreich sei zu erwähnen, dass der BF bemüht sei die deutsche Sprache zu erlernen. Überdies pflege der BF soziale Kontakte und habe er auch einen Freundeskreis in Österreich.
6. Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichen Verwaltungsakt langte am 27.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Am 28.06.2019 langten hg. Integrationsunterlagen zum BF, nämlich ein ÖSD Zertifikat A2 vom 11.07.2018, ein GISA Auszug sowie eine Verständigung des Magistrats der Stadt XXXX betreffend die Gewerbeberechtigung des BF für die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen und Anhänger, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.5000 kg nicht übersteigt und ein „Verteilvertrag“ zwischen dem BF und der PDW Zustellservice GmbH samt Bestätigung und Datenschutzinformation ein. (OZ 5)
Am 21.09.2021 legte der BF mehrere Lohnzettel (April bis August 2021), einen Rahmenwerkvertrag vom 24.08.2021 sowie eine Strafregisterbescheinigung vor. (OZ 11)
8. Am 05.10.2021 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der der BF und das BFA geladen wurden.
9. Am 5.11.2021 langten hg. verschiedene vom BF ausgestellte Rechnungen vom Mai, April, März, Februar und Jänner 2021 sowie vom Juli 2020 ein.
10. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
11. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde und durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.10.2021. Einsicht genommen wurde zudem in die aktuellen Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des BF.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Verfahrensbestimmungen
1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin
1.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.
1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.
2. Feststellungen (Sachverhalt):
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe Punjabi/ Ansari und moslemischen (sunnitischen) Glaubens. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX , im Distrikt XXXX. Er hat dort mit seinem Vater in einem Haus gewohnt, neun Jahre lang die Schule besucht und drei Jahre als Versicherungsvertreter (von 2011 bis 2014) gearbeitet.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.
Der Vater, zwei Brüder und vier Schwestern des Beschwerdeführers sind nach wie vor in Pakistan aufhältig. Seine Mutter ist bereits verstorben. Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen (1x wöchentlich) Kontakt zu seinen Familienangehörigen.
Der Beschwerdeführer nimmt keine Medikamente und steht nicht in ärztlicher Behandlung; er ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer reiste im September 2014 legal mit dem Flugzeug aus Pakistan XXXX aus und über Dubai, wo er sich circa neun Tage aufhielt, über Kairo nach Tobruk/Libyen, von wo er nach Italien gelangte. Der Beschwerdeführer hielt sich in verschiedenen Städten Italiens auf und reiste von dort schließlich illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
2.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Pakistan aufgrund der Zugehörigkeit zur Partei „PAT“ (Pakistan Awami Tehreek) Verfolgung bzw. Bedrohung jeglicher Art (insbesondere Gewaltübergriffen wie Schlägen, Misshandlungen und Schüssen) seitens der Polizei, der Taliban und der Bewohner seines Heimatdorfes (die gegnerischen Parteien angehören) ausgesetzt war oder pro futuro derartige Probleme zu gewärtigen hat.
Insbesondere kann nicht auch festgestellt werden, dass er wegen der Teilnahme an einer Revolutionsdemonstration gegen die Regierung von der Polizei beschossen, geschlagen, festgenommen, in einen Keller verbracht und misshandelt bzw. gefoltert worden ist, von der Polizei bzw. Privatpersonen mehrfach fälschlich angezeigt wurde und landesweit gesucht wird.
Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.
Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.
2.3. In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Verwandten oder sonstigen nahen Bezugspersonen.
Der Beschwerdeführer ist kein Mitglied in einem Verein. Er hat einen Freundeskreis, dem Personen unterschiedlicher Nationalitäten angehören. (Österreicher, Pakistani, Afghanen, Rumänen)
Der Beschwerdeführer verfügt über einfache Deutschkenntnisse. Er hat Deutschkurse besucht und Prüfungen abgelegt; zuletzt hat er am XXXX die ÖSD Zertifikat A2 Prüfung mit „gut bestanden“ absolviert. (OZ 5)
Der Beschwerdeführer bezog vom XXXX bis XXXX sowie vom XXXX bis zum XXXX verschiedene Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.
Seit XXXX ist der Beschwerdeführer als selbständiger Erwerbstätiger sozialversichert und verfügt seit diesem Tag über eine Gewerbeberechtigung für die „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“. Er war von Juni 2019 bis September 2021 als selbstständiger Paketzusteller für die XXXX tätig und hat 1200,- € netto verdient. Aktuell ist der BF bei der XXXX Funkbotendienste GesmbH als Zusteller beschäftigt. Der Beschwerdeführer ist selbsterhaltungsfähig.
Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf; er ist unbescholten.
Es konnten keine sonstigen maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.
2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:
1 Länderspezifische Anmerkungen
Letzte Änderung: 15.06.2021
Hinweis:
Die vorliegende Länderinformation geht nur eingeschränkt auf die Auswirkungen der COVID-19- Pandemie sowie auf eventuelle Maßnahmen dagegen ein. Solche Informationen werden, soweit vorhanden, in einem eigenen Kapitel zur Verfügung gestellt, sind jedoch aufgrund der Möglichkeit sich diesbezüglich rasch verändernder Entwicklungen im Land als Momentaufnahme zu sehen. Vereinzelt finden sich auch in den übrigen Kapiteln des Länderinformationsblatts Informationen zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie.
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.in t/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der Johns-HopkinsUniversität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740 fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu besuchen.
2 Covid-19
Letzte Änderung: 16.06.2021
In Pakistan wurden bisher mehr als 882.900 Infektionen mit dem Virus Covid-19 sowie mehr als 19.700 Todesfälle bestätigt (Stand 18.5.2021). Laut lokalen Medienberichten mit Verweis auf das Gesundheitsministerium, wurden bisher etwa 3,9 Millionen Menschen landesweit geimpft (Einwohner gesamt: 220 Millionen). Hauptsächlich wurden Personen, die im Gesundheitsbereich tätig sind und Personen über 50 Jahre geimpft. Am 17. Mai 2021 hat man mit der Impfregistrierung für die Altersgruppe der 30 bis 49-Jährigen begonnen. Am gleichen Tag hat Pakistan die Covid-Maßnahmen nach der landesweiten Sperre vom 8. bis 16. Mai gelockert und Geschäften, Märkten und Büros unter Einhaltung der Hygiene- undAbstandsregeln die Öffnung erlaubt. Märkte und Geschäfte dürfen nun wieder bis 20 Uhr öffnen. Das pakistanische National Command and Operation Center hat zudem festgehalten, dass touristische Aktivitäten im Land weiterhin untersagt seien. Öffentliche städtische und interprovinzielle Verkehrsmittel haben ihren Betrieb wieder aufgenommen, dürfen jedoch nur mit einer maximal 50 prozentigen Belegung operieren. Auch wenn sich die Covid-19-Situation aktuell etwas entspannt, warnen die Behörden, dass das Gesundheitssystem noch immer unter Druck stehe und Krankenhäuser stark belegt seien (ÖB
18.5.2021) .
Pakistan hat am2.2.2021 mit seinem nationalen Impfprogramm gegen das Coronavirus begonnen. In dem südasiatischen Land mit mehr als 220 Millionen Einwohnern werden zunächst Beschäftigte des Gesundheitswesens geimpft, gefolgt von älteren Menschen. Dazu waren etwa eine halbe Million Impfdosen des chinesischen Unternehmens Sinopharm mit einem Militärflugzeug aus Peking nach Pakistan gebracht worden. Das Land hat zudem 17 Millionen Impfdosen des Herstellers Astra Zeneca bestellt, die im Lauf des Monats Februar 2021 geliefert werden sollen. Nach einer einer Ende Januar 2021 veröffentlichten Umfrage des Instituts Gallup, will sich fast die Hälfte aller Pakistaner nicht impfen lassen (ÄfW 2.2.2021). Hinsichtlich anstehender
Impfungen hat die Regierung bei der COVAX-Organisation der UN um Unterstützung angesucht. Diese wird die Impfung von vorrangig zu impfenden Gruppen - etwa 20% der Bevölkerung - abdecken. Die Regierung führt außerdem Gespräche mit mehreren ImpfstoffhersteNern und mit Gebern (Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank) über die Beschaffung zusätzlicher Impfstoffe, die mit einem Budget von 250 Millionen US-Dollar finanziert werden sollen. Der Start der Impfkampagne wird für das zweite Quartal des Jahres 2021 erwartet(IMF 8.1.2021).
Am 24. März 2020 wurde von der Bundesregierung ein Hilfspaket im Wert von 1,2 Billionen PKR (ca. 6,2 Milliarden Euro) angekündigt, das inzwischen fast vollständig umgesetzt wurde. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. die Abschaffung der Importzölle auf medizinische Notfallausrüstung (kürzlich bis Dezember 2020 verlängert); Bargeldtransfers an 6,2 Millionen Tagelöhner (75 Mrd. PKR); Bargeldtransfers an mehr als 12 Millionen einkommensschwache Familien (150 Mrd. PKR); Unterstützung für KMUs und den Agrarsektor (100 Mrd. PKR) in Form eines Aufschubs der Stromrechnung, Bankkrediten sowie Subventionen und Steueranreizen. Das Konjunkturpaket sah außerdem Mittel für eine beschleunigte Beschaffung von Weizen (280 Mrd. PKR), finanzielle Unterstützung für Versorgungsunternehmen (50 Mrd. PKR), eine Senkung der regulierten Kraftstoffpreise (mit einem geschätzten Nutzen für die Endverbraucher in Höhe von 70 Mrd. PKR), Unterstützung für die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung (15 Mrd. PKR), Erleichterungen bei der Bezahlung von Stromrechnungen (110 Mrd. PKR), einen Notfallfonds (100 Mrd. PKR) und eine Überweisung an die National Disaster Management Aut- hority (NDMA) für den Kauf von COVID-19-bezogener Ausrüstung (25 Mrd. PKR) vor. Der nicht ausgeführte Teil des Hilfspakets wird auf das Jahr 2021 übertragen. Darüber hinaus enthält das Budget für das Jahr 2021 weitere Erhöhungen der Gesundheits- und Sozialausgaben, Zollsenkungen auf Lebensmittel, eine Zuweisung für das „COVID-19 Responsive and Other Natural Calamities Control Program“ (70 Mrd. PKR), ein Wohnungsbaupaket zur Subventionierung von Hypotheken (30 Mrd. PKR) sowie die Bereitstellung von Steueranreizen für den Bausektor (Einzelhandels- und Zementunternehmen), die im Rahmen der zweiten Welle bis Ende Dezember 2021 verlängert wurden (IMF 8.1.2021; vgl. WKO 18.2.2021).
Quellen:
• ÄfW - Ärztekammer für Wien (2.2.2021): Pakistan startet mit Coronaimpfung, https://www.medinl ive.at/gesundheitspolitik/pakistan-startet-mit-corona-impfungen , Zugriff 26.2.2021
• IMF - International Monetary Fund (8.1.2021): Policy Responses to COVID-19, Pakistan, https: //www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#P , Zugriff 28.1.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Bangkok [Österreich] (18.5.2021): Kurzbericht zur Entwicklung der Covid-19-Situation in Pakistan, per E-Mail, Zugriff 11.6.2021
• WKO - Wirtschaftskammer Österreich (18.2.2021): Coronavirus: Situation in Pakistan, https://ww w.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-pakistan.html, Zugriff 26.2.2021
3 Politische Lage
Letzte Änderung: 16.06.2021
Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa sowie dem Hauptstadtterritorium Islamabad (AA 26.3.2021). Die vormaligen FATA (FederallyAdministered Tribal Areas/ Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer
Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden (ET 25.5.2018). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir auf der pakistanisch verwalteten Seite des Kaschmir (AA 26.3.2021).
Pakistan ist eine föderale parlamentarische Republik. Bei den Parlamentswahlen 2018 gewann die Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf die meisten Sitze in der Nationalversammlung, und der Parteivorsitzende, Imran Khan, wurde Premierminister. Während unabhängige Beobachter technische Verbesserungen bei der Verwaltung des Wahlprozesses durch die pakistanische Wahlkommission feststellten, äußerten Beobachter, zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien Bedenken hinsichtlich der Einmischung von Militär und Geheimdiensten im Vorfeld der Wahlen, die zu ungleichen Wahlbedingungen führten. Einige politische Parteien behaupteten auch erhebliche Unregelmäßigkeiten am Wahltag (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 28.7.2018). Zudem wurde die Wahl überschattet von einer Reihe gewalttätiger Zwischenfälle in verschiedenen Provinzen; von Strafverfahren, die gegen Mitglieder der Regierungspartei eingeleitet worden waren; und vom Vorwurf des Premierministers, das Militär habe sich eingemischt (EASO 10.2019).
Neben den geopolitischen und geostrategischen Faktoren ist das Ungleichgewicht der Regierungsinstitutionen innerhalb des pakistanischen Staates Ursache für die kontinuierliche Regierungskrise und die strukturelle Gewalt im Land. Das pakistanische Militär spielt eine überaus wichtige und dominante Rolle in der Nuklearmacht Pakistan. Es ist disproportional groß (es vereinnahmt ein Viertel des gesamten Haushalts) und deshalb übermächtig, während die zivilen Institutionen, wie z.B. die Bürokratie, die Justiz, die Polizei und die politischen Parteien, permanent unterfinanziert sind. Die Interventionen des Militärs in Politik und Wirtschaft hat diese Organisation im Laufe der Geschichte immer stärker gemacht (GIZ 9.2020).
Seit 12. April 2021 brachen nach Verhaftung des Anführers der fundamentalistischen Partei Teh- reek-e-Labbaik Pakistan (TLP), mehrtägige und landesweite Proteste aus. Tausende Unterstützer der für die Förderung der Blasphemiegesetzgebung im Land bekannten TLP demonstrierten in den größeren Städten gegen die Position des französischen Präsidenten Macron in Reaktion auf die Enthauptung eines Lehrers in der Nähe von Paris im November 2020. Vielerorts kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. Am 16. April 2021 sperrte die pakistanische Internetregulierungsbehörde (Pakistan Telecommunication Authority, PTA) den Zugriff auf sämtliche soziale Netzwerke für mehrere Stunden zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, um über das Internet verbreitete neuerliche Aufrufe und Propaganda der TLP zu unterbinden. Am 18. April kam es zu weiteren Ausschreitungen in Lahore (Punjab), wo TLP-Anhänger auch ein Polizeirevier stürmten und ein halbes Dutzend Sicherheitskräfte als Geiseln nahmen (BAMF 19.4.2021).
Schließlich hat die Regierung die TLP, die als eine sunnitische politisch-religiöse HardlinerGruppe gilt und für ihre gewalttätige Unterstützung der drakonischen Blasphemiegesetze des Landes bekannt ist, verboten. Das Verbot kam drei Tage nachdem TLP-Anhänger aufgrund der Verhaftung von Anführer Saad Hussain Rizvi in ganz Pakistan auf die Straße gegangen waren (UCA News 16.4.2021; vgl. DW 15.4.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.3.2021): Pakistan: Politisches Porträt, https://www.ausw aertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/politisches-portraet/205010 , Zugriff
14.4.2021
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (Stand: 14.4.2021) Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/2049 74#content_0 , Zugriff 14.4.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021). Briefing Notes, https: //www.ecoi.net/en/document-search/?country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5 B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order =desc&content=briefing%20notes , Zugriff 22.4.2021
• DW - Deutsche Welle (15.4.2021): Pakistan protests: Why the Islamist TLP party is now a major political force, https://www.dw.com/en/pakistan-protests-why-the-islamist-tlp-party-is-now-a-major - political-force/a-57214719 , Zugriff 17.5.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2019): Pakistan Security Situation, https://www.ec oi.net/en/file/local/2019113/2019_EASO_Pakistan_Security_Situation_Report.pdf , Zugriff
22.4.2021
• ET - The Express Tribune (25.5.2018): Senate passes FATA-KP merger bill with 71-5 vote, https: //tribune.com.pk/story/1718734/1-ppp-pti-set-throw-weight-behind-k-p-fata-merger-bill-senate/, Zugriff 14.4.2021
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/pakistan/geschichte-staat/ , Zugriff
9.3.2021
• HRW - Human Rights Watch (28.7.2018): Controversial Election in Pakistan, https://www.hrw.org/ news/2018/07/28/controversial-election-pakistan , Zugriff 14.4.2021
• UCA News (16.4.2021): Pakistan bans TLP for engaging in terrorism, https://www.ucanews.com/ news/pakistan-bans-tlp-for-engaging-in-terrorism/92133#, Zugriff 17.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 14.4.2021
4 Sicherheitslage
Letzte Änderung: 23.06.2021
Die Sicherheitslage in Pakistan ist landesweit unterschiedlich und wird von verschiedenen Faktoren wie politischer Gewalt, Gewalt von Aufständischen, ethnischen Konflikten und konfessioneller Gewalt beeinflusst. Die Sicherheitslage im Inneren wird auch von Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Indien und Afghanistan beeinflusst, die gelegentlich gewalttätig werden (EASO 10.2020). Die Anzahl terroristischer Anschläge mit Todesopfern in Pakistan ist seit 2009 deutlich rückläufig (AA 14.5.2021; vgl. USDOS 24.6.2020). Kontinuierliche Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen (USDOS 24.6.2020). Trotzdem bleibt die Zahl terroristischer Anschläge auch weiterhin auf einem erhöhten Niveau. Schwerpunkte sind die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa (KP) und Belutschistan (inkl. Quetta). Es besteht weiterhin landesweit - auch in den Großstädten Islamabad, Lahore, Karachi, Multan und Rawalpindi - eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der Pakistanischen Taliban sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen - insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Anschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur, gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) sowie gegen ethnische Minderheiten (AA 14.5.2021).
Der Nationale Aktionsplan (NAP) wurde fast unmittelbar nach dem Anschlag auf die Army Public School (APS) im Dezember 2014 mit der Absicht eingeführt, einen sinnvollen Konsens zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus zu erreichen. Die 20 Aktionspunkte des NAP haben seither unterschiedliche Erfolge erzielt. Taktische Operationen in ganz Pakistan haben zu einem verbesserten allgemeinen Sicherheitsumfeld beigetragen, was sich in einem allmählichen Rückgang der Zahl gewalttätiger Vorfälle im ganzen Land seit dem Start des NAP zeigt. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass der NAP bei der Bekämpfung des gewalttätigen und gewaltfreien Extremismus im Land nur geringe Erfolge erzielt hat. Extremistische Literatur ist online und offline in Hülle und Fülle vorhanden und die Verherrlichung von Terroristen und ihren Taten geht weiter. Auch zur Unterstützung des politischen Versöhnungsprozesses in Belutschistan wurde bisher nichts Wesentliches unternommen (FES 12.2020; vgl. GIZ 9.2020).
Im Jahr 2020 verübten verschiedene militante, nationalistische/aufständische und gewalttätige sektiererische Gruppen in ganz Pakistan insgesamt 146 Terroranschläge. 220 Menschen kamen bei diesen Anschlägen ums Leben - ein Rückgang von 38% im Vergleich zu 2019. Eine Verteilung dieser Terroranschläge nach ihren Urhebern legt nahe, dass sogenannte religiös inspirierte militante Gruppen wie die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), ihre Splittergruppen Hizbul Ahrar und Jamaat-ul Ahrar, sowie andere militante Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Taliban-Gruppen, Lashkar-e-Islam und ISIS-nahe Gruppen die meisten Terroranschläge verübten. Anschläge nationalistisch aufständischer Gruppen der Belutschen und Sindhi verübten weitere Anschläge. In KP wurden dabei die meisten Terroranschläge in Pakistan verübt, mehrheitlich im Stammesgebiet Nord-Waziristan. Während die Mehrheit dieser Anschläge auf Sicherheitskräfte abzielte, waren auch Zivilisten, Stammesälteste, politische Führer/Mitarbeiter und Schiiten Ziele der Anschläge. Nach KP war die Provinz Belutschistan im Jahr 2020 am stärksten von Terrorismus durch verschiedene aufständische Gruppen der Belutschen wie die Baloch Liberation Army (BLA), die Balochistan Liberation Front (BLF), Lashkar-e-Balochistan, die Baloch Repu- blican Army (BRA) und die United Baloch Army (UBA) usw. betroffen (PIPS 2021; vgl. USDOS 30.3.2021, AA 29.9.2020).
Pakistan dient weiterhin als sicherer Hafen für bestimmte regional ausgerichtete terroristische Gruppen. Es erlaubt Gruppen, die gegen Afghanistan gerichtet sind, einschließlich der afghanischen Taliban und des mit ihnen verbundenen Haqqani-Netzwerks, sowie Gruppen, die gegen Indien gerichtet sind, einschließlich LeT (Lashkar-e Taiba) und der mit ihr verbundenen Frontorganisationen und JeM (Jaish-e Mohammad), von seinem Territorium aus zu operieren (USDOS 24.6.2020; vgl. CEP o.D.).
Das Militär und paramilitärische Organisationen führten mehrere Operationen zur Aufstandsbekämpfung und Terrorismusbekämpfung durch, um sichere Zufluchtsorte von Militanten zu beseitigen. Die 2017 begonnene Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs wurde das ganze Jahr 2020 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Anti-Terror-Kampagne, die darauf abzielt, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-17) zu konsolidieren, welche gegen aus- und inländische Terroristen in den ehemaligen FATA vorging. Die Polizei dehnte ihre Präsenz in ehemals unregierte Gebiete aus, insbesondere in Belutschistan, wo Militäroperationen zur Normalität geworden waren (USDOS 30.3.2021).
Der im März 2017 begonnene Bau eines befestigten Zaunes entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze sei nach pakistanischen Regierungsangaben fast fertiggestellt und soll planmäßig im April 2021 abgeschlossen sein (BAMF 1.3.2021).
Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen mit mind. einem Todesopfer in den Provinzen Pakistans 2019-2020 gemäß ACLED und UCDP
|
| 2019 |
| 2020 |
| ACLED | UCDP GED | ACLED | UCDP Candidate |
Azad Jammu and Kashmir | 52 | 8 | 45 | 29 |
Balochistan | 84 | 15 | 92 | 40 |
Gilgit-Baltistan | 1 | kA. | 1 | kA. |
Khyber Pakhtunkhwa | 224 | 46 | 107 | 63 |
Punjab | 111 | 6 | 28 | 5 |
Sindh | 116 | 2 | 45 | 10 |
Islamabad Capital Territory | 5 | 0 | 1 | 1 |
Insg. | 593 | 51 | 319 | 107 |
Quelle: ACLED o.D.; UCDP Candidate o.D.; UCDP GED o.D. Farbig hervorgehoben: Hauptstadtregion. UCDP weist sicherheitsrelevante Vorfälle in den ehem. FATA eigens aus, hier wurden sie zur besseren Vergleichbarkeit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hinzugezählt.
Anmerkung: ACLED und UCDP erfassen sicherheitsrelevante Vorfälle unter Verwendung festgelegter Kriterien und Methodologien mittels Medienbeobachtung, wobei sich die festgelegten Kriterien der beiden Organisationen voneinander unterscheiden. Dies trägt zur unterschiedlichen Höhe bei den dargestellten Fallzahlen bei (ACLED 2020; UCDP 2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.5.2021): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aus senpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_0, Zugriff 14.5.2021
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 14.4.2021
• ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (2020): ACLED Codebook, https://acledd ata.com/acleddatanew/wp-content/uploads/dlm_uploads/2019/01/ACLED_Codebook_2019FINAL .docx.pdf, Zugriff 10.3.2021
• ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (o.D.): ACLED Data, http://www.acleddata. com/data/, Zugriff 26.2.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.3.2021): Briefing Notes, https: //www.ecoi.net/en/document-search/?country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5 B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order =desc&content=briefing%20notes&page=2 , Zugriff 14.5.2021
• CEP - Counter Extremism Project (o.D.): Pakistan: Extremism and Terrorism, https://www.counte rextremism.com/countries/pakistan , Zugriff 28.4.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi .net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff
14.4.2021
• FES - Friedrich-Ebert-Stiftung (12.2020): Strengthening Governance in Pakistan Assessing the National Action Plan to counter Terrorism and Extremism, https://www.pakpips.com/web/wp-conte nt/uploads/2021/01/NAP-Final-from-Hamayun.pdf, Zugriff 9.3.2021
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/ , Zugriff 9.3.2021
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https://www.pa kpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf, Zugriff 2.3.2021
• UCDP Candidate - Uppsala Conflict Data Program (o.D.): UCDP Candidate Events Dataset Version 20.01.20.12 (global), https://ucdp.uu.se/downloads/ , Zugriff 2.3.2021
• UCDP GED - Uppsala Conflict Data Program (o.D.): UCDP Georeferenced Event Dataset (GED) Global version 20.1, https://ucdp.uu.se/downloads/ , Zugriff 4.3.2021
• UCDP - Uppsala Conflict Data Program (2020): UCDP Candidate Events Dataset CodebookVersion 1.1, https://ucdp.uu.se/downloads/candidateged/ucdp-candidate-codebook%201.1.pdf , Zugriff
10.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html , Zugriff 14.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 15.4.2021
4.1 Relevante Terrorgruppen
Letzte Änderung: 23.06.2021
Der pakistanische Staat hat den islamischen Extremismus als strategisches Instrument zur Förderung seiner Interessen in der Region immer wieder eingesetzt. Insbesondere hat er Aktivitäten militanter extremistischer Gruppen, die sich gegen indische Interessen richten, geduldet und manchmal auch unterstützt bzw. auch Gruppen unterstützt, die in Afghanistan operieren, um den indischen Einfluss dort zu unterbinden. Zu den extremistischen Gruppen, die Pakistan in der Vergangenheit toleriert oder unterstützt hat, gehören Lashkar-e-Taiba (LeT), Harakat-ul-Mujahideen (HuM), Hizb-ul-Mujahideen (HM), die Mullah-Nazir-Gruppe, Jaish-e-Mohammed (JeM) sowie die afghanischen Taliban und das mit ihnen verbundene Haqqani-Netzwerk. Den Großteil seiner Antiterroroperationen hat Pakistan auf Gruppen konzentriert, die den pakistanischen Staat herausfordern und stürzen wollen. Zu diesen Gruppen, die eine direktere Bedrohung für den Staat darstellen, gehören die Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP), eine Untergruppe der pakistanischen Taliban und die tödlichste der einheimischen pakistanischen Extremistengruppen; al-Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS); Jamaat-ul Ahrar (JuA); und Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) (CEP o.D.).
Die pakistanische Regierung setzt die Umsetzung des Antiterrorism Act von 1997, des National Counterterterrorism Authority (NACTA) Act, des Investigation for Fair Trial Act von 2014 und der Änderungen des Antiterrorism Act (ATA) von 2014 fort, die allen Strafverfolgungsbehörden, Staatsanwälten und Gerichten erweiterte Befugnisse in Terrorismusfällen einräumen. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten in ganz Pakistan CT-Operationen gegen staatsfeindliche Kämpfer durch. Das pakistanische Recht erlaubt präventive Inhaftierung, lässt die Todesstrafe für terroristische Straftaten zu und ermächtigt spezielle Anti-TerrorismusGerichte, über Terrorismusfälle zu verhandeln (USDOS 24.6.2020).
Folgend ein Auszug relevanter extremistischer Gruppen:
Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP): Die TTP (auch pakistanische Taliban genannt) wurde 2007 von Baitullah Mehsud gegründet, der 2009 durch einen US-Drohnenangriff getötet wurde. Die ursprünglichen Ziele der Organisation waren die Umsetzung der Scharia und die Vertreibung der Koalitionstruppen aus Afghanistan. Die TTP ist eine Dachorganisation, die aus 13 verschiedenen pakistanischen Taliban-Fraktionen gebildet wird - ungefähr die Hälfte aller pakistanischen Taliban-Fraktionen. Die TTP besteht aus ca. 3.000 bis 5.000 aktiven Kämpfern in Afghanistan. Während die TTP auf der anderen Seite der Grenze im Osten Afghanistans Zufluchtsorte unterhält, hat sie Schläferzellen und Sympathisanten in Pakistan zurückgelassen. Afghanistan ist die Operationsbasis, aber die Gruppe führt im Allgemeinen keine Angriffe in Afghanistan durch. Die TTP konzentriert sich auf den Kampf gegen die pakistanische Regierung (EASO 10.2020; vgl. CEO o.D., PIPS 2021).
Jamaat-ul Ahrar (JuA): Jamaat-ul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Angriffsziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Im August 2020 schloss sich JuA wieder der TTP an. Das Pakistan Institute for Peace Studies dokumentierte, dass die JuA im Jahr 2019 an einem Terroranschlag beteiligt war, verglichen mit 15 im Jahr 2018 (EASO 10.2020; vgl. PIPS 2021, CEP o.D.).
Islamic State Khorasan Province (ISKP): Die ersten Berichte über den ISKP (auch ISIS, ISIL, IS oder Daesh genannt) in Pakistan gehen auf Anfang 2015 zurück. Der ISKP sah eine weltweite Expansion des Kalifats vor und bezeichnete die Region Afghanistan, Pakistan, Iran und die zentralasiatischen Republiken als Wilayat Khorasan (ISKP - Islamischer Staat Provinz Khorasan). Im Mai 2019 kündigte der islamische Staat die Gründung des „Wilayat Pakistan" (Islamischer Staat - Provinz Pakistan, ISPP) an, nachdem er mehrere Angriffe in der Provinz Belutschistan für sich beansprucht hatte. Der ISKP hatte es geschafft, seinen Einfluss zu vergrößern, indem er taktische Bündnisse mit ähnlichen lokalen militanten Gruppen eingegangen war. Einem Bericht vom Januar 2020 zufolge ist der ISKP hauptsächlich in der Provinz Belutschistan präsent. Laut dem jährlichen Sicherheitslagebericht von PIPS 2019 haben die Sicherheitsbehörden mehrere Operationen in Belutschistan gegen den ISKP durchgeführt. Der ISKP ist für einige der tödlichsten Anschläge in Pakistan in den vergangenen zwei Jahren verantwortlich, darunter ein Anschlag auf eine Wahlkundgebung in Mastung, bei dem im Juli 2018 mehr als 130 Menschen getötet und 300 verletzt wurden (EASO 10.2020; vgl. CEP o.D., PIPS 2021).
Lashkar-e Jhangvi (LeJ): Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen. Laut PIPS war LeJ im Jahr 2019 für acht terroristische Angriffe in Pakistan verantwortlich, verglichen mit sieben solcher Angriffe im Jahr 2018. Fünf dieser Angriffe fanden in Karachi und drei in Belutschistan statt. In seinem jährlichen Sicherheitsbericht für 2019 erwähnte PIPS, dass mehrere Berichte darauf hindeuten, dass sich LeJ wieder auf Karachi konzentriert (EASO 10.2020; vgl. CEP o.D., PIPS 2021).
Nationale Bewegungen in Beluchistan: Der PIPS-Jahresbericht 2019 zur Sicherheitslage gab an, dass etwa sieben belutschische nationalistische Bewegungen in Belutschistan aktiv sind. Die operativen Fähigkeiten dieser Gruppen unterscheiden sich. Die Balochistan Liberation Army (BLA) ist eine bewaffnete nationalistische Bewegung der Belutschen. Ihr Ziel ist ein unabhängiges Belutschistan, frei von pakistanischer und iranischer Herrschaft. Wegen ihrer gewalttätigen Methoden, wie z.B. Bombenanschläge, wurde sie im April 2006 in Pakistan verboten. PIPS gab an, dass die BLA im Jahr 2019 27 terroristische Angriffe in Belutschistan durchführte, was eine leichte Steigerung im Vergleich zu 2018 darstellt, als sie 25 Angriffe durchführte. Im Juli 2019 wurde die Gruppe vom US-Außenministerium als terroristische Vereinigung eingestuft. Die Baloch Liberation Front (BLF) ist vor allem im so genannten Makran-Gürtel (Küstenregion von Beluchistan, Anm.) aktiv. Im Jahr 2010 wurde die Gruppe verboten. Laut PIPS hat sich die Führung der BLF in die Nachbarländer verlagert, was sich negativ auf ihre operativen Fähigkeiten auswirkt. Im Jahr 2019 übernahm die BLF die Verantwortung für 11 Terroranschläge im Vergleich zu 22 im Jahr 2018. Weitere belutschische Gruppen sind die Baloch Republican Army (BRA), die United Baloch Army (UBA) und die Baloch Raji Ajoi Sangar (BRAS) (EASO 10.2020; vgl. CEP o.D., PIPS 2021).
Quellen:
• CEP - Counter Extremism Project (o.D.): Pakistan: Extremism and Terrorism, https://www.counte rextremism.com/countries/pakistan , Zugriff 28.4.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi .net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff
28.4.2021
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https://www.pa kpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf, Zugriff 28.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter 1- Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html , Zugriff 28.4.2021
4.2 Belutschistan
Letzte Änderung: 23.06.2021
Nach Khyber Pakhtunkhwa war die Provinz Belutschistan im Jahr 2020 am stärksten von Terroranschlägen betroffen. Verschiedene aufständische Gruppen aus Belutschistan als auch religiös inspirierte militante Gruppen wie die TTP, Hizbul Ahrar, ISIS-Mitglieder und einige ähnliche, unbekannte Militante waren Berichten zufolge an den meisten Anschlägen in Belutschistan beteiligt. Insgesamt ereigneten sich Terroranschläge in 14 Bezirken der Provinz (PIPS 2021). Die aktivsten gegen den pakistanischen Staat gerichteten Terrorgruppen sind die pakistanischen Taliban (TTP) sowie belutschische Separatisten. Beide verübten 2020 eine Serie von tödlichen Anschlägen auf Sicherheitskräfte. Teile von Belutschistan und dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet sind weiter nicht gänzlich unter staatlicher Kontrolle (AA 29.9.2020).
Die Provinz Belutschistan ist mit vielfältigen Problemen konfrontiert, wie z.B. religiös motivierter Gewalt, militanten islamistischen Angriffen und einem separatistischen Aufstand. Diese Konflikte werden durch die Beteiligung mehrerer ausländischer Staaten, wie China, Indien und Iran, die ein wirtschaftliches oder politisches Interesse an der Provinz haben, zusätzlich erschwert. Der
Bau von Militärkasernen in Belutschistan und der Ausbau des Hafens Gwadar durch China wurden zum Anlass für Konflikte. Bewaffnete belutschische Gruppen konnten in den letzten zwei Jahren eine Reihe von gewaltsamen Angriffen auf chinesische Interessen in der Region verüben. Im Juni 2020 verschärften sich die Zusammenstöße zwischen dem pakistanischen Militär und den belutschischen Aufständischen aufgrund einer Zunahme von Anschlägen, die von belutschischen Gruppen verübt wurden. Die Armee führte eine Militäroperation - die Ground Zero Clearance Operation - durch, die darauf abzielte, die Stützpunkte militanter belutschischer Gruppen in den Grenzgebieten zum Iran zu zerstören (EASO 10.2020; vgl. GIZ 9.2020).
Angeheizt wird derAufstand in Belutschistan immer wieder durch gewaltsames Verschwindenlassen und außergerichtliche Tötungen (EASO 10.2020; vgl. HRCP 4.2020). Einige ethnische und religiöse Gruppen erklären, dass die Behörden ihre Mitglieder aufgrund ihrer politischen Zugehörigkeit oder ihres Glaubens inhaftiert haben. Im Rahmen des Gesetzespakets Aghaz-e-Haqooq („Beginn der Rechte") von 2009 für Belutschistan kündigte die Regierung eine allgemeine Amnestie für alle politischen Gefangenen, Führer und Aktivisten im Exil sowie für diejenigen an, die angeblich an „staatsfeindlichen" Aktivitäten beteiligt waren. Trotz der Amnestieangebote geht die illegale Inhaftierung von belutschischen Führern und das Verschwindenlassen von belutschischen Bürgern weiter. Die föderale Untersuchungskommission für erzwungenes Verschwindenlassen in Belutschistan erklärte, dass von 483 Fällen, die zwischen März 2011 und März 2020 gemeldet wurden, noch 164 Fälle anhängig sind. Menschenrechtsaktivisten hingegen sehen die Zahlen der Kommission als unzuverlässig und die Zahl der verbleibenden Fälle deutlich höher (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 15.4.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi .net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff
15.4.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http: //hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-2 0190503.pdf, Zugriff 9.3.2021
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/pakistan/geschichte-staat/ , Zugriff
9.3.2021
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https://www.pa kpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf, Zugriff 9.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 15.4.2021
4.3 Khyber Pakhtunkhwa
Letzte Änderung: 23.06.2021
Die Sicherheitslage hat sich in vier der sieben Bezirke der Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts (KPTDs) im Jahr 2020 weiter verschlechtert. Eine Zunahme an Vorfällen im Zusammenhang mit Aufständischen und den daraus resultierenden Opfern wurde in den Bezirken Bajaur, Khyber, Nord-Waziristan und Süd-Waziristan der KPTDs beobachtet. Insgesamt wurde im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg der militanten Vorfälle und der Opfer beobachtet, wobei Nord-Waziristan und Süd-Waziristan als am meisten betroffen gelten (FRC 1.2021; vgl. PIPS 2021). In den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 beobachtete PIPS insgesamt 100 Vorfälle, von denen 49 als terroristische Anschläge in der Provinz genannt wurden. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 fanden in folgenden Bezirken von KP die meisten terroristischen Angriffe statt: Nord-Waziristan, Bajaur und Peshawar (EASO 10.2020).
Andererseits führten die pakistanischen Sicherheitskräfte im Rahmen der laufenden Militäroperation mit dem Codenamen Radd-ul-Fasad im Jahr 2020 in den neu zusammengeschlossenen Bezirken nachrichtendienstliche Operationen (IBOs) durch, um der zunehmenden Militanz entgegenzuwirken. 2020 wurden insgesamt 28 IBOs verzeichnet. Obwohl IBOs in allen Stammesbezirken von KP durchgeführt wurden, blieben Nord-Waziristan, Süd-Waziristan, Khyber und Bajaur der Hauptfokus dieser Anti-Terrorismus (CT) Operationen (FRC 1.2021; vgl. PIPS 2021). Auf operativer Ebene leitete das Militär diese taktischen Operationen. Dadurch wurde die Fähigkeit der Militanten zur Ausführung größerer Angriffe im Laufe der Jahre reduziert. Allerdings gab es in letzter Zeit ein beunruhigendes Wiederaufleben dschihadistischer Militanter und sektiererischer Extremisten. In Gebieten von KP wie Nord-Waziristan und Bajaur, gab es in den letzten Monaten militante Aktivitäten, und sektiererische Extremisten haben auch in mehreren Städten Kundgebungen abgehalten. Seit dem Start des NAP hat die Regierung 18 Organisationen verboten und 88 Personen sanktioniert, ihr Eigentum beschlagnahmt und ihre Bankkonten eingefroren (FES 12.2020).
Quellen:
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi .net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff
9.3.2021
• FES - Friedrich-Ebert-Stiftung (12.2020): Strengthening Governance in Pakistan Assessing the National Action Plan to counter Terrorism and Extremism, https://www.pakpips.com/web/wp-conte nt/uploads/2021/01/NAP-Final-from-Hamayun.pdf, Zugriff 9.3.2021
• FRC - FATA Research Center (7.1.2021): Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts Annual Security Report 2020, https://frc.org.pk/news/kptds-annual-security-report-2020/ , Zugriff 9.3.2021
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https://www.pa kpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf, Zugriff 9.3.2021
4.4 Punjab und Islamabad
Letzte Änderung: 23.06.2021
Insgesamt fanden im Jahr 2020 in Punjab sieben (7) Terroranschläge statt, die fünf Todesopfer und 59 Verletzte forderten. Mit Ausnahme eines Anschlags, der von der aufständischen Gruppe der Belutschen (BLA) in Tehsil Sadiqabad im Bezirk Rahim Yar Khan im Süden des Punjab verübt wurde, konzentrierten sich alle anderen Anschläge auf Rawalpindi und wurden von den pakistanischen Taliban, einschließlich derTTP und ihrer Abspaltungen Jamaat-ul Ahrar und Hizb- ul Ahrar, die sich im August 2020 wieder der TTP anschlossen, verübt. Während fünf dieser Anschläge im Punjab offenbar Zivilisten zum Ziel hatten, richtete sich ein Anschlag gegen die Polizei und ein weiterer gegen eine Gaspipeline (PIPS 2021).
Quellen:
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https://www.pa kpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf, Zugriff 29.4.2021
4.5 Sindh
Letzte Änderung: 23.06.2021
Die Provinz Sindh liegt im Südosten Pakistans. Gemäß Zahlen der letzten Volkszählung von 2017 beträgt die Bevölkerung von Sindh 47,9 Millionen. Die Provinzhauptstadt Karatschi ist die größte Stadt Pakistans mit etwa 15 bis 20 Millionen Einwohnern. Aufgrund des wirtschaftlichen Potenzials der Stadt zieht Karatschi Migration aus allen wichtigen ethnischen und sprachlichen Gruppen Pakistans an. Die Bevölkerung besteht aus Muhajir und Paschtunen, Punjabi, Sindhi und Belutschen (EASO 10.2020).
In der Provinz Sindh gab es 18 Terroranschläge. Elf dieser Anschläge wurden von nationalistischen Aufständischen verübt, darunter zehn Anschläge der nationalistischen Sindhi-Gruppen Sindhudesh Revolution Army (SDRA) und Sindhudesh Liberation Army (SDLA), und ein Anschlag wurde von einer aufständischen Gruppe der Belutschen, BLA, auf die Börse von Karatschi verübt. Die Hälfte der aus Sindh gemeldeten Angriffe richtete sich gegen Sicherheits- und Ordnungskräfte (darunter ein Angriff, der sektiererisch motiviert war), weitere vier zielten auf Zivilisten, und zwei Angriffe trafen Mitglieder der sunnitischen Gemeinschaft (PIPS 2021).
Grundsätzlich besteht auch weiterhin landesweit - auch in Großstädten wie Karatschi - eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der Pakistanischen Taliban sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen, insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur, gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) sowie gegen ethnische Minderheiten. Gewaltkriminalität (Raub, Mord) wird im gesamten Land beobachtet, insbesondere auch in Karatschi. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und andere Straßenkriminalität kommen in Karatschi vor (AA 14.5.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.5.2021): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakista nsicherheit/204974#content_1, Zugriff 14.5.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI _Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 9.3.2021
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https://www.pa kpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf, Zugriff 9.3.2021
4.6 Kaschmir: Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das von Pakistan kontrollierte Gebiet von Kaschmir besteht aus Azad Jammu und Kaschmir (AJK; allgemein Azad Kaschmir genannt) und Gilgit-Baltistan. Die Mehrheit in AJK ist muslimisch. Das Territorium Kaschmir ist ein umstrittenes Gebiet, das zwischen Indien, Pakistan und China aufgeteilt ist, aber in seiner Gesamtheit von Pakistan und Indien beansprucht wird. Indien wirft Pakistan vor, militante Gruppen wie JeM, LeT und Hizb-ul-Mujahideen (HM) zu unterstützen, und dass diese ihre Operationsbasen in der Region AJK hätten. Das Gebiet ist weniger durch terroristische Anschläge als vielmehr durch die latent vorhandenen Spannungen (wiederholte Grenzverletzungen und Militäraktionen) zwischen Pakistan und Indien entlang der Line of Control (LoC), der provisorischen Grenze zwischen den beiden Staaten geprägt (EASO 10.2020).
Die Situation an der Grenze zu Indien bleibt dennoch volatil (EASO 10.2020). Mehrere in Pakistan ansässige extremistische Gruppen, darunter Lashkar-e-Taiba (LeT), Jaish-e-Mohammed (JeM), Harakat-ul-Mujahideen (HuM) und Hizb-ul-Mujahideen (HM), führen Angriffe auf indische Ziele im indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir durch, der 45% der gesamten Kaschmirregion ausmacht. So wurden bei einem Selbstmordattentat am 14. Februar 2019 im Pulwama-Distrikt von Jammu und Kaschmir mindestens 40 indische paramilitärische Polizisten getötet, und es kam zu Indiens erstem direkten Luftangriff auf Pakistan seit 1971, als das Land ein sogenanntes JeM-Ausbildungslager bombardierte (CEP o.D.).
Nach pakistanischen Angaben ist es an der LoC (Line of Control) im Jahr 2020 zu fast 3.000 Verletzungen des Waffenstillstands gekommen. Auf der pakistanischen Seite sind durch die Grenzkonflikte in diesem Jahr mehr als zwei Dutzend Menschen getötet und über 200 verletzt worden. Nach Militärangaben haben sich Indien und Pakistan mittlerweile darauf verständigt, den grundsätzlich geltenden Waffenstillstand an der durch Kaschmir verlaufenden Grenzlinie strikter einzuhalten. Auf beiden Seiten der Grenzlinie wurden 2020 durch Verstöße gegen den Waffenstillstand entlang der Line of Control Soldaten und Zivilisten getötet bzw. verletzt (BAMF
1.3.2021) .
In Islamabad, Gilgit-Baltistan und AJK wurden im Jahr 2020 keine terroristischen Anschläge verübt (PIPS 2021).
Quellen:
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.3.2021): Briefing Notes, https: //www.ecoi.net/en/document-search/?country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5 B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order =desc&content=briefing%20notes&page=2 , Zugriff 29.4.2021
• CEP - Counter Extremism Project (o.D.): Pakistan: Extremism and Terrorism, https://www.counte rextremism.com/countries/pakistan , Zugriff 29.4.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI _Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 28.4.2021
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https://www.pa kpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf, Zugriff 9.3.2021
4.7 NATO-Abzug Afghanistan - Mögliche Auswirkungen auf Pakistan
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan und Afghanistan teilen sich eine 2.640 Kilometer lange Landgrenze. Die mit dem NATO- Truppenabzug einhergehende Instabilität in Afghanistan könnte vor allem auf die pakistanischen Stammesgebiete deutliche Auswirkungen haben. Auch in der Vergangenheit war dieses Gebiet wiederholt Schauplatz von Kämpfen zwischen Extremisten und Sicherheitskräften, wobei es zur Vertreibung der lokalen Bevölkerung kam (z.B. Militäroperation im Swat-Tal 2009, Kämpfe in Nordwaziristan). Die Vertriebenen suchten vielfach Zuflucht in angrenzenden Gebieten, indem sie z.B. in Lagern oder bei Verwandten lebten. 2015 wurden von den Vereinten Nationen mehr als 1,2 Millionen Binnenvertriebene wegen Kämpfen in den Stammesgebieten registriert. Nach dem NATO-Truppenabzug könnten extremistische Gruppen, wie etwa die afghanischen Taliban, das Vakuum nutzen und die pakistanischen Stammesgebiete verstärkt als Rückzugsort nutzen und hierbei die lokale Bevölkerung vertreiben. Zudem ist es wahrscheinlich, dass afghanische Flüchtlinge in Pakistan nach dem NATO-Truppenabzug keine schnelle Heimkehr in Erwägung ziehen. In Pakistan leben bereits jetzt rund 2,8 Millionen dokumentierte und nicht dokumentierte afghanische Flüchtlinge. Nur etwa die Hälfte der Flüchtlinge sind registriert, der Rest lebt ohne Dokumente, hauptsächlich in den nordöstlichen Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Südwest- Belutschistan, die an Afghanistan grenzen. In der südlichen Provinz Sindh, deren Hauptstadt Karatschi ist, leben circa 500.000 afghanische Flüchtlinge. Laut dem UNHCR wurden seit 2002 mehr als 3,8 Millionen Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgeführt, aber viele kehrten aufgrund anhaltender Gewalt, Arbeitslosigkeit, mangelnder Bildung und medizinischer Einrichtungen nach Pakistan zurück. Nach dem Abzug der NATO-Truppen wird erwartet, dass nur ein kleiner Teil der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan in ihr Land zurückkehren wird. Insofern wird Pakistan auch in Zukunft eine anhaltend hohe Anzahl von afghanischen Flüchtlingen im Land beherbergen bzw. ist allenfalls mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Auch wenn Pakistan sich bei den Afghanistan-Friedensverhandlungen für einen zeitlichen Plan für die Rückkehr und Wiedereingliederung afghanischer Flüchtlinge in ihre Heimat einsetzt, ist die Umsetzung dieses Ziels wenig greifbar (VB 10.5.2021).
Quellen:
• VB - VB des BMI in Islamabad/Bangkok [Österreich] (10.5.2021): Bericht: NATO-Truppenabzug aus Afghanistan und mögliche Auswirkungen auf Pakistan, Auskunft per Email
5 Rechtsschutz, Justizwesen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, aber laut NGOs und Rechtsexperten unterliegt die Justiz oft externen Einflüssen, wie z.B. der Angst vor Repressalien durch extremistische Elemente in Terrorismus- oder Blasphemie-Fällen und der öffentlichen Politisierung von hochkarätigen Fällen. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichteten, dass Richter zögern, der Blasphemie beschuldigte Personen zu entlasten, weil sie Selbstjustiz befürchten (USDOS 30.3.2021). Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung trotz Bestehens des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology jedoch eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 12.2020).
Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht. Die fünf High Courts fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Bezirksgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll. Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court (FSC), das zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen wird und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in Teilen etwas entschärft wurden. In Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es derzeit noch eigene Justizsysteme (ÖB 12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Einzelpersonen können gegen Entscheidungen der FSC Berufung bei der Shariat Appellate Bench des Obersten Gerichtshofs einlegen, wobei noch eine weitere Berufung durch den Obersten Gerichtshof zugelassen werden kann. Im Zivil-, Straf- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts (USDOS 30.3.2021).
Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Gleichzeitig steht sie weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 29.9.2020).
De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für die meisten Pakistaner kaum eine Rolle. Rechtsstreitigkeiten werden nach Scharia-Recht oder nach lokalen Rechtsbräuchen gelöst. Im WJP Rule of Law Index belegt Pakistan Platz 120 von 128 untersuchten Staaten (AA 29.9.2020). Neben dem staatlichen Justizwesen bestehen also vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen. Hier drohen vor allem Frauen menschenunwürdige Bestrafungen (ÖB 5.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Berichte über Korruption im Justizsystem hielten sich hartnäckig, einschließlich Berichten, dass Gerichtsmitarbeiter Zahlungen verlangten, um Verwaltungsverfahren zu erleichtern. Untere Gerichte blieben Berichten zufolge korrupt, ineffizient und unterlagen dem Druck von höherrangigen Richtern sowie prominenten, wohlhabenden, religiösen und politischen Persönlichkeiten (USDOS 30.3.2021).
Die Regierung stellte staatlich finanzierten Rechtsbeistand für Gefangene zur Verfügung, die wegen Verbrechen angeklagt werden, für die eine Verurteilung die Todesstrafe beinhaltet. Für andere Fälle wird keine regelmäßige rechtliche Vertretung zur Verfügung gestellt. Die Verfassung erkennt das Recht auf Habeas Corpus an und erlaubt es den hohen Gerichten, die Anwesenheit einer Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, vor Gericht zu verlangen. Das Gesetz erlaubt es Bürgern, Habeas-Corpus-Petitionen bei den Gerichten einzureichen. In vielen Fällen, in denen es um das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen ging, versäumten es die Behörden, die Inhaftierten gemäß den Anordnungen der Richter vorzuführen (USDOS
30.3.2021) .
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local72 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 15.4.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 4.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 15.4.2021
5.1 Militärgerichte
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion auf einen Terrorangriff auf die Militärschule in Peschawar eine Verfassungsänderung, welche es Militärgerichten erlaubt, gegen unter Terrorverdacht stehende Zivilisten zu prozessieren. Nach einer Verlängerung des Mandats dieser Gerichte im Jahr 2017 endeten deren Tätigkeiten endgültig mit Ende März 2019 (ICJ 1.4.2019).
Ende März 2019 lief das Mandat der Militärgerichtshöfe für Terrorismusverfahren gegen Zivilisten aus, es existieren jedoch weiterhin sog. Anti Terrorism Courts (ATC) zur Verurteilung Terrorismusverdächtiger, die Angeklagten nur unzureichende Rechte einräumen (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Weiters werden dieATCs für die gerichtliche Verhandlung hochkarätiger Fälle benutzt, auch dann, wenn diese keine Verbindung zum Terrorismus hatten. Menschenrechtsaktivisten kritisieren dieses parallele System und behaupten, es sei anfälliger für politische Manipulation (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local72 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 29.4.2021
• ICJ - International Commission of Jurists (1.4.2019): Pakistan: as military courts lapse, Government must prioritize reform of the criminal justice system, https://www.icj.org/pakistan-as-military-courts - lapse-government-must-prioritize-reform-of-the-criminal-justice-system/#:~:text=Military%20cour ts%20were%20first%20empowered,a%20period%20of%20two%20years , Zugriff 30.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 29.4.2021
5.2 Informelle Rechtsprechungssysteme
Letzte Änderung: 24.06.2021
In ländlichen Gebieten Pakistans bestehen auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten Teilen des Landes, vor allem in den ehemals semi-autonomen Federally Adminis- tered Tribal Areas (FATA), der für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali eine bedeutende Rolle. Dieser wird bei Unrechtsfällen vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt. Streitigkeiten werden dort auf Basis des Paschtunwali von Stammesräten bzw. -gerichten (Jirgas) entschieden. Diese neben dem formellen Rechtssystem bestehenden ad hoc-Gerichte führen unter anderem zu einem Rechtspluralismus, der Opfer von Verfolgung, insbesondere Frauen, stark benachteiligt (ÖB 12.2020; vgl. AA 29.9.2020, USDOS 30.3.2021).
Informelle Konfliktlösungsmechanismen umfassen die traditionellen, tribal und patriarchalisch geprägten „Panchayat" (mehrheitlich in Punjab und Sindh vorzufinden) und „Jirga" (mehrheitlich in Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Balochistan vorzufinden). Diese informellen Mechanismen üben in vielen Fällen eine komplementäre Rolle zum formalen Rechtssystem aus. Andererseits stehen sie manchmal im Widerspruch zum formalen pakistanischen Gesetz, was durchaus auch zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen führen kann (GIZ 9.2020).
Besonders in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa ist es trotz gesetzlichen Verbots verbreitet, zur Beendigung von Blutfehden eine junge Frau (oft Mädchen unter 18 Jahren) als Blutzoll an eine verfeindete Familie zu übergeben. Jirgas sind in Pakistan generell auch außerhalb paschtuni- scher Gebiete nach wie vor weit verbreitet (neben den ehem. FATA auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa sowie im südlichen Punjab). Diese wenden neben Stammes- auch Schariarecht an. Ähnliche Systeme existieren auch unter Hindus (Panchayat); daneben üben in Sindh und Punjab vereinzelt Grundbesitzer zum Teil richterliche Funktionen aus. Als weitere sind die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung) zu nennen, die sich beide als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Act XLV of 1860) finden (ÖB 12.2020).
Sektion 302 des pakistanischen Strafgesetzbuchs (Pakistan Penal Code, PPC) sieht zwar hohe Haftstrafen für Verbrechen vor, die im Zusammenhang mit einer wahrgenommenen Verletzung der Familienehre begangen wurden. Allerdings enthält das Strafgesetz auch Erleichterungen. So können Erben/Nachkommen der Getöteten dem Täter verzeihen (Qisas, geregelt in Sektion 309 PPC) und/oder ein Blutgeld als Entschädigung akzeptieren (Diyat, geregelt in Sektion 310 PPC). Diese Rechtsprinzipien des islamischen Rechts ermöglichen es Nachkommen eines Verstorbenen, den Täter der Strafverfolgung zu entziehen. Da dieser in der Regel aus dem familiären Umfeld stammt, kann in der Mehrzahl der Fälle davon ausgegangen werden, dass der staatliche Strafanspruch nicht durchgesetzt wird (BAMF 5.2020).
Mit dem erklärten Ziel der Reduzierung von sog. Ehrenmorden verabschiedete das pakistanische Parlament am 6.10.2016 ein Änderungsgesetz zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozessordnung. Damit alleine ist jedoch keine grundlegende Verbesserung der Situation aufgrund des 2004 verabschiedeten Honour Killing Act eingetreten (AA 29.9.2020). Traditionelle Gesetze zur Entschädigung für körperlichen Schmerz oder Sachbeschädigung (Qisas und Diyat) erlauben weiterhin Vereinbarungen zwischen den beiden Parteien, die auf Vergebung, Entschädigung oder anderen Formen der Beilegung beruhen, die oft gegen die Interessen der Frauen wirken (DAFT 20.2.2019).
Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas verhängte Strafen wie die Hergabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren Fortbestand allerdings bisher nicht verhindern konnte (ÖB 12.2020).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 10.3.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Länderreport 24 Pakistan Lage der Ahmadis und Schiiten sowie Ehrverbrechen im Kontext der islamisch geprägten Strafgesetzgebung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031016/laenderreport-24-pakistan.pdf , Zugriff 10.3.2021
• DAFT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): Country Information Report Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=8b1bb51cc9&country%5B% 5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=12005&srcIdOperator=should&useSynonyms =Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc , Zugriff 10.3.2021
• GIZ- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/pakistan/geschichte-staat/ , Zugriff
10.3.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 4.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 19.4.2021
5.3 Justizwesen in den ehemaligen FATA
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die 31. Verfassungsänderungsgesetz vom 25.5.2018 sieht die Zusammenlegung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) sowie der Stammesgebiete unter Provinzverwaltung (KP, Belutschistan und Punjab) vor. Dadurch soll das gesamte pakistanische Rechts- und Justizsystem landesweit ausgeweitet werden (ÖB 12.2020). Nach dem Aufheben der Frontier Crimes Regulation (FCR) trat die FATA Interim Governance Regulation 2018 (FIGR) für die Tri- bal Districts der Provinz Khyber Pakhtunkhwa in Kraft (FRC 15.1.2019; vgl. Dawn 31.10.2018). Diese sieht eine (bis zu) zweijährige Übergangsphase für die endgültige Zusammenlegung der FATA mit KP vor (ÖB 12.2020).
Die Ausweitung des Rechtssystems auch auf die Tribal Districts bleibt eine Herausforderung. Die Umstellung trifft auf starken Widerstand von Stammeseliten. Diese praktizieren ihre Form der Justiz seit Jahrhunderten und müssen auf das formelle Recht erst eingeschult werden. Außerdem muss eine Infrastruktur für Gerichte und andere Behörden aufgebaut werden (FRC 15.1.2019). Trotz der Aufhebung der FATA-Interims-Governance-Verordnung und des Rechtskodex der Frontier Crimes Regulations in den ehemaligen FATA waren Urteile durch informelle Justizsysteme eine gängige Praxis. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass die Art und Weise, wie Jirgas und Panchayats vorgehen, verfassungswidrig ist. Gleichzeitig schränkte das Gericht ihre Zuständigkeit ein - und zwar auf Schlichtung, Mediation, Verhandlung oder Versöhnung bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen. Die betroffenen Parteien müssen der Zuständigkeit zustimmen (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• Dawn (31.10.2018): Court declares Fata interim regulation unconstitutional, https://www.dawn.c om/news/1442474 , Zugriff 14.5.2021
• FRC - FATA Research Center (15.1.2019): Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts Annual Security Report 2018, http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2019/01/1-Revied-Draft-of-Security-Report-20 18-converted-final.pdf , Zugriff 14.5.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 14.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 29.4.2021
5.4 Politischer und rechtlicher Aufbau Gilgit-Baltistan und Azad-Jammu Kaschmir
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan kontrolliert die Gebiete Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK) auf der pakistanischen Seite Kaschmirs (AA 26.3.2021). Die Gebiete haben eine gewählte Versammlung und eine Regierung mit begrenzter Autonomie (FH 4.3.2020; vgl. UKHO 12.2020). Ihnen fehlen jedoch die parlamentarische Vertretung und andere Rechte pakistanischer Provinzen. Weder AJK noch Gilgit-Baltistan sind im pakistanischen Parlament vertreten. Die pakistanischen Bundesinstitutionen haben einen überwiegenden Einfluss auf die Sicherheit, auf Justiz und auf die meisten wichtigen politischen Angelegenheiten. Die Politik innerhalb der beiden Gebiete wird sorgfältig gesteuert, um die Idee eines eventuellen Beitritts Kaschmirs zu Pakistan zu fördern. Die Bundesregierung, die Armee und die Geheimdienste sind in AJK und Gilgit-Baltistan sehr präsent (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Die Gilgit-Baltistan Government Order 2018, die von der Bundesregierung eingeführt wurde, machte den administrativen Einfluss des Staates in der entmachteten Region Gilgit-Baltistan noch stärker und zog immense Kritik von politischen Parteien und der Öffentlichkeit nach sich (HRCP 4.2020). Gemäß einer Entscheidung des pakistanischen Supreme Court vom Jänner 2019 kann die Region so lange nicht als verfassungsmäßiger Teil Pakistans anerkannt werden, bis der Kaschmir-Konflikt gelöst ist (FH
4.3.2020) .
Beide Gebiete haben nominell unabhängige Justizsysteme, aber die Bundesregierung spielt bei Richterbesetzungen eine gewichtige Rolle. Bei politisch heiklen Fällen dürfen die Gerichte von Gilgit-Baltistan und AJK nicht unabhängig von der pakistanischen Exekutive agieren. Gilgit-Balti- stan und AJK haben beide ein Oberstes Berufungsgericht und einen Obersten Gerichtshof. Der Höchstrichter und die Richter des Berufungsgerichts werden durch den Premierminister Pakistans auf Empfehlung des Gouverneurs ernannt. Das Justizsystem in beiden Territorien umfasst grundlegende Rechte und Garantien, darunter Strafverteidiger und Berufung (FH 4.3.2020).
Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie jede politische Aktivität, die als konträr zur pakistanischen Kaschmirpolitik angesehen wird, sind eingeschränkt. Es gibt Berichte zu willkürlichen Verhaftungen, Folter und Todesfällen in Gewahrsam durch die Sicherheitskräfte, insbesondere gegen Unabhängigkeitsbefürworter und Aktivisten (FH 4.3.2020).
Eine aussagekräftige Dokumentation zur formellen Beurteilung der Menschenrechtslage in AJK ist nicht verfügbar, da es in AJK keine ausgewiesenen Menschenrechtsgruppen oder Einzelpersonen gibt, die Menschenrechtsverletzungen überwachen (HRCP 4.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.3.2021): Pakistan: Politisches Porträt, https://www.ausw aertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/politisches-portraet/205010 , Zugriff
14.5.2021
• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Pakistani Kaschmir, https://www. ecoi.net/de/dokument/2030907.html, Zugriff 14.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http: //hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-2 0190503.pdf, Zugriff 29.4.2021
• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (12.2020): Country Policy and Information Note Pakistan: Political parties and affiliation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041947/Pakistan-Political_parti es_and_affiliation-CPIN.v1.0_December_2020_.pdf , Zugriff 29.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 29.4.2021
6 Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht, Geheimdiensten (AA 29.9.2020), dem Heer sowie militärischen und paramilitärischen Hilfstruppen wie dem Frontier Corps (FC) und den Rangers, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sowie bei der Grenzsicherung (EASO 10.2020).
Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte v.a. in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa regelmäßig menschenrechtsrelevante Verletzungen. Ein nach wie vor ungelöstes, tabuisiertes Problem sind in diesem Zusammenhang die sog. enforced disappearances, das „Verschwindenlassen“ von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen (AA 29.9.2020).
In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen (AA 29.9.2020). Zum geringen Ansehen der Polizei tragen Korruptionsanfälligkeit, unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam Genommenen ebenso bei (AA 29.9.2020; vgl. HRCP 4.2020).
Straflosigkeit ist bei den Sicherheitskräften ein erhebliches Problem. Die Regierung bietet nur begrenzt Schulungen an, um die Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu erhöhen (USDOS 30.3.2021).
Insgesamt sind die Polizeikapazitäten in Pakistan begrenzt, was auf fehlende Ressourcen, schlechte Ausbildung, unzureichende und veraltete Ausrüstung und konkurrierenden Druck von Vorgesetzten, politischen Akteuren, Sicherheitskräften und der Justiz zurückzuführen ist. In der öffentlichen Wahrnehmung ist ein hohes Maß an Korruption bei der Polizei weitverbreitet [siehe Kapitel Korruption], insgesamt ist das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit gering. Inländische und internationale Beobachter sehen das Militär als eine der fähigsten Organisationen in Pakistan. Es verfügt über erhebliche Macht und dominiert die Außen- und Sicherheitspolitik. Militärangehörige werden gut bezahlt, und eine Karriere beim Militär ist hoch angesehen, nicht nur wegen der Vorteile, sondern auch wegen des hohen gesellschaftlichen Ansehens und der Verbindungen, die Militärangehörige genießen (DFAT 20.2.2019).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local72 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 30.4.2021
• DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): Country Information Report Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=8b1bb51cc9&country%5B% 5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=12005&srcIdOperator=should&useSynonyms =Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc , Zugriff 30.4.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi .net/en/file/local/2040057/10_2020_EAS0_C0I_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff
30.4.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http: //hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-2 0190503.pdf, 30.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 15.4.2021
7 Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 24.06.2021
Folter ist gemäß pakistanischer Verfassung verboten und wird seitens der Regierung offiziell verurteilt (AA 29.9.2020), allerdings enthält das Strafgesetzbuch keinen speziellen Abschnitt gegen Folter. Das Strafgesetzbuch verbietet kriminelle Gewaltanwendung und Übergriffe; es gab jedoch Berichte, dass Sicherheitskräfte, einschließlich der Geheimdienste, Personen in Gewahrsam gefoltert und misshandelt haben (USDOS 30.3.2021; vgl. OMCT 3.2021, HRW
13.1.2021) . Folter im Polizeigewahrsam ist jedoch bislang nicht strafbar. Die Strafverfolgung ist landesweit generell so unzureichend, dass bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge Täter so gut wie nie verurteilt wurden. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die im Februar 2020 eingebrachte „Torture and Custodial Death (Prevention and Punishment) Bill", die Folter erstmalig zum Straftatbestand machen würde, kommt im parlamentarischen Verfahren aktuell nicht vom Fleck (AA 29.9.2020).
Folter durch die Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden ist in Pakistan so endemisch und systematisch, dass sie weitgehend gängige Praxis ist. Folter wird als unvermeidlicher Teil der Strafverfolgung in Pakistan akzeptiert, und Folterern wird Straffreiheit gewährt durch eine Kombination aus soziokultureller Akzeptanz, fehlenden unabhängigen Aufsichts- und Ermittlungsmechanismen, weit verbreiteten Befugnissen zur Festnahme und Inhaftierung, Verfahrenslücken und unwirksamen Schutzmaßnahmen, einschließlich des Versäumnisses Pakistans, Folter unter Strafe zu stellen (OMCT 3.2021).
Artikel 156(d) der Polizeiverordnung 2002 sieht Strafen gegen jeden Polizeibeamten vor, der einer Person in seinem Gewahrsam „Gewalt oder Folter" zufügt. Die Vorschrift bestraft jedoch nur Handlungen von Polizeibeamten und erstreckt sich nicht auf andere Beamte und enthält keine Definition von Folter. Die Polizeiverordnung von 2002 wurde erlassen, um ein System der unabhängigen Überwachung der Arbeit der Polizei einzuführen. Die Verordnung sah die Einrichtung von Rechenschaftsmechanismen für die Meldung von Polizeimissbrauch vor. Auf Bezirks- und Provinzebene wurden einige Kommissionen für öffentliche Sicherheit und Polizeibeschwerden eingerichtet. In Ermangelung funktionierender Überwachungsstellen, die Beschwerden über Folter entgegennehmen können, müssen sich die Opfer an die Polizei wenden, um einen First Information Report (FIR) zu registrieren. Allerdings werden solche Beschwerden gegen Foltervorwürfe durch die Polizei von dieser selbst durchgeführt. Die Polizei kann sich jedoch weigern, Anzeigen gegen andere Mitglieder der Polizei zu erstatten. Ist dies der Fall, kann das Opfer die Angelegenheit vor einen Friedensrichter bringen, der aber nur anordnen kann, dass die Polizei die Anzeige erstattet (OMCT 3.2021).
Das Strafgesetzbuch verbietet kriminelle Gewaltanwendung und Übergriffe; es gab jedoch Berichte, dass Sicherheitskräfte, einschließlich der Geheimdienste, Personen in Gewahrsam gefoltert und misshandelt haben. Straflosigkeit ist ein erhebliches Problem bei Sicherheitskräften - aufgrund von Politisierung, Korruption und einem Mangel an effektiven Mechanismen zur Untersuchung von Übergriffen. Die Regierung bietet begrenzt Schulungen an, um die Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu erhöhen (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 30.4.2021
• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043507.html , Zugriff 16.4.2021
• OMCT -World Organisation Against Torture (3.2021): Criminalising Torture in Pakistan:The Need for an Effective Legal Framework, https://www.omct.org/site-resources/images/Pakistan-report.pdf , Zugriff 22.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 14.4.2021
8 Korruption
Letzte Änderung: 24.06.2021
Von der international tätigen Compliance-Plattform wird das Risiko, mit Korruption konfrontiert zu werden, für folgende Bereiche als hoch eingestuft: Justizsystem, Polizei, öffentlicher Dienst, Steuer-, Grund- und Zollverwaltung sowie öffentliche Beschaffung (GAN Integrity 10.2020).
Nach den Effizienz- und Disziplinarvorschriften muss sich ein Beamter einer Untersuchung stellen, wenn er der Korruption oder finanzieller Unregelmäßigkeiten beschuldigt wird. Eine Person, die wegen Korruption verurteilt wird, muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren, einer Geldstrafe oder beidem rechnen, und die Regierung kann sich alle Vermögenswerte aneignen, die durch korrupte Mittel erlangt wurden (USDOS 30.3.2021). Das Gesetz sieht also strafrechtliche Sanktionen für Korruption von Amtsträgern vor, die Regierung setzt das Gesetz im Allgemeinen aber nicht effektiv um (USDOS 30.3.2021; vgl. GAN Integrity 10.2020).
Korruption ist in Politik und Regierung allgegenwärtig (GIZ 9.2020) und verschiedene Politiker und Inhaber öffentlicher Ämter sind mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, darunter Bestechung, Erpressung, Nepotismus, Klientelismus und Veruntreuung. Die unteren Instanzen des Justizsystems sind korrupt, ineffizient und dem Druck von höherrangigen Richtern sowie prominenten, wohlhabenden, religiösen und politischen Persönlichkeiten ausgesetzt (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020).
Pakistan nimmt im Corruption Perceptions Index von Transparency International 2020 Platz 124 von 180 Ländern ein (2019:120) (TI 1.2021). Das National Accountability Bureau (NAB) dient als höchste Antikorruptionsbehörde mit dem Auftrag, Korruption durch Sensibilisierung, Prävention und Durchsetzung zu beseitigen. Das NAB und andere Ermittlungsbehörden führen Untersuchungen zu Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche durch. Die Regierung setzte im Laufe des Jahres ihre Korruptionsermittlungen und die strafrechtliche Verfolgung von Führern der Oppositionsparteien fort, wobei gegen den ehemaligen Premierminister Nawaz Sharif und den ehemaligen Präsidenten Asif Ali Zardari sowie gegen führende Mitglieder anderer
Oppositionsparteien, einschließlich der JUI-F, öffentlichkeitswirksame Klagen erhoben wurden (USDOS 30.3.2021).
Das NAB schüchtert weiterhin politische Gegner und Kritiker der Regierung ein, schikaniert sie oder nimmt sie in Haft. Im Februar kritisierte die Europäische Kommission das NAB wegen politischer Voreingenommenheit. Seit den Wahlen 2018 sind demnach nur sehr wenige Fälle von Ministern und Politikern der Regierungspartei verfolgt worden, was als Ausdruck der Parteilichkeit des NAB angesehen wird. Im Juli entschied der Oberste Gerichtshof Pakistans, dass das NAB bei der Verhaftung von zwei Oppositionspolitikern, die für 15 Monate ohne glaubwürdige Anklage festgehalten wurden, das Recht auf ein faires Verfahren und einen ordnungsgemäßen Prozess verletzt hatte (HRW 13.1.2021).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local72 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 15.4.2021
• GAN Integrity (last updated 10.2020): Pakistan Corruption Report, https://www.ganintegrity.com/p ortal/country-profiles/pakistan/, Zugriff 16.4.2021
• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043507.html , Zugriff 16.4.2021
• GIZ- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/ , Zugriff 15.4.2021
• TI - Transparency International (1.2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://www.transpar ency.org/en/cpi/2020/index/pak, Zugriff 9.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 15.4.2021
9 NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Letzte Änderung: 24.06.2021
Zivilgesellschaftliche Menschenrechtsorganisationen können sich in Pakistan betätigen (AA
29.9.2020) . In den meisten Teilen Pakistans werden Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in einem angemessenen Maße gewahrt (BS 29.4.2020). Die NGO Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) befasst sich mit der Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Neben der HRCP beschäftigt sich eine Vielzahl weiterer Organisationen und engagierter Einzelpersonen mit verschiedenen Aspekten des Schutzes der Menschenrechte (AA 29.10.2020).
Die Regierung schränkt jedoch zunehmend die Arbeitsmöglichkeiten von NGOs ein, insbesondere von solchen, deren Arbeit Unzulänglichkeiten oder Verfehlungen der Regierung, des Militärs oder der Geheimdienste aufdeckt oder die zu Themen im Zusammenhang mit Konfliktgebieten oder Lobbyarbeit arbeiten. Diese Gruppen sehen sich mit zahlreichen Vorschriften in Bezug auf Reisen, Visa und Registrierung konfrontiert, die ihre Bemühungen um Programme und die Beschaffung von Mitteln behindern (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).
Zudem ist sowohl für Menschenrechts- als auch für Hilfsorganisationen die Arbeit nicht nur in den ehemaligen Stammesgebieten (FATA) sondern auch in Belutschistan nur sehr eingeschränkt möglich. Mehrere Entführungen und Ermordungen von Aktivisten in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass die meisten Organisationen ihre Arbeit in diesen Landesteilen eingestellt haben (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021).
Entführungen und gewaltsames Verschwindenlassen von Personen finden in fast allen Gebieten des Landes statt. Die unabhängige NGO Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) schätzt, dass mindestens 2.100 politische Dissidenten und Rechtsaktivisten im Lande vermisst werden, obwohl die tatsächliche Zahl höher sein könnte (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 30.4.2021
• BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Pakistan, https://www.ecoi.net /en/file/local/2029416/country_report_2020_PAK.pdf, Zugriff 16.4.2021
• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043507.html , Zugriff 16.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 16.4.2021
10 Ombudsmann
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das Amt eines Föderalen Ombudsmannes (Wafaqi Mohtasib) wurde 1983 geschaffen. Der Ombudsmann führt unabhängige Ermittlungen zu Beschwerden über Fehlleistungen der Bundesverwaltung („maladministration") durch. Die Einschaltung des Ombudsmannes ist kostenlos und steht jedem Menschen offen. Der Ombudsmann behandelt jedoch keine Beschwerden, die laufende Gerichtsverfahren, ausländische Angelegenheiten oder Verteidigungsangelegenheiten betreffen. Es gibt unabhängige Ombudsmänner für Steuer-, Versicherungs- und Bankangelegenheiten, sowie bei Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz (FOP o.D.).
Weiters gibt es Ombudsmänner, die von den Provinzen eingesetzt werden und die für Beschwerden gegen die Provinzverwaltungsbehörden zuständig sind (OM PJ o.D.; vgl. OM KP o.D., OM SD o.D.). Es gibt einen Ombudsmann für Gefängnisinsassen mit einem zentralen Büro in Islamabad, sowie mit Büros in jeder Provinz. Das Sekretariat des föderalen Ombudsmannes für den Schutz vor Belästigung ist durch einen Gesetzesbeschluss des Parlaments im März 2010 eingerichtet worden. Das Gesetz verlangt die Einrichtung von zuständigen Ombudsman-Institutionen in jeder Provinz (USDOS 30.3.2021; vgl. Dawn 3.1.2019).
Quellen:
• Dawn - (3.1.2019): KP gets first anti-harassment ombudsperson, https://www.dawn.com/news/14 55134 , Zugriff 16.4.2021
• FOP - Federal Ombudsman of Pakistan [Pakistan] (o.D.): Register „About Us“, https://www.mo htasib.gov.pk/Detail/N2ExMmNlYmYtZTY1OS00OWI5LWE2YzQtZWQwZTg0ZTk5NTdi und https://www.mohtasib.gov.pk/SiteImage/Downloads/Annual%20Reports/annual_report_2020.pd f, Zugriff 16.4.2021
• M KP - Provincial Ombudsman Khyber Pakhtunkhwa [Pakistan] (o.D.): Welcome to Ombudsman Office Peshawar, Khyber Pakhtunkhwa, https://www.ombudsmankp.gov.pk/ , Zugriff 16.4.2021
• OM PJ - Office of the Ombudsman Punjab [Pakistan] (o.D.): Ombudsman’s Message, http://www. ombudsmanpunjab.gov.pk/ , Zugriff 16.4.2021
• OM SD - Provincial Ombudsman (Mohtasib) Sindh [Pakistan] (o.D.): Message from the Mohtasib- e-Aala Sindh (Ombudsman Sindh), http://www.mohtasibsindh.gov.pk/ , Zugriff 16.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 16.4.2021
11 Wehrdienst und Rekrutierungen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die pakistanische Armee ist eine Freiwilligenarmee und umfasst die Teilstreitkräfte Heer (mit Nationalgarde), Marine (mit Maritime Security Agency) und Luftwaffe (Pakistan Fiza’ya) (CIA 15.4.2021; vgl. AA 29.9.2020). Das Alter für den freiwilligen Militärdienst beträgt 16 bis 23 Jahre. Soldaten unter 18 Jahre können nicht im Kampf eingesetzt werden. Armeeangehörige bleiben bis zum Alter von 45 Jahren Reservisten (Offiziere bis 50) und Frauen dienen in allen drei Teilstreitkräften (CIA 15.4.2021). Angehörige religiöser Minderheiten sind in der Armee deutlich unterrepräsentiert, ihre Karrierechancen sind geringer, außerdem fürchten sie Diskriminierung (AA 29.9.2020).
Aufgrund des Status als Freiwilligenarmee in Verbindung mit dem herrschenden Ehrenkodex sind Fälle von Fahnenflucht extrem selten. Im Militärstrafrecht ist in folgenden Fällen die Todesstrafe vorgesehen: Feigheit vor dem Feind, Weitergabe einer Parole an unbefugte Personen, Meuterei oder Gehorsamsverweigerung, Fahnenflucht oder Hilfe zur Fahnenflucht. Das Militär verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit, die in den drei Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine unterschiedlich gehandhabt wird. Urteile der militärischen Gerichtsbarkeit gegen Militärangehörige sind nicht vor zivilen Gerichten anfechtbar. Gefängnisstrafen sind in Militärgefängnissen zu verbüßen (AA 29.9.2020).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 16.4.2021
• CIA - Central Intelligence Agency [USA] (15.4.2021): The World Factbook - Pakistan, https://www. cia.gov/the-world-factbook/countries/pakistan/#military-and-security, Zugriff 16.4.42021
12 Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 24.06.2021
Generell ist der Schutz der Menschenrechte in der pakistanischen Verfassung verankert und die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Darunter fallen Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (AA 29.9.2020).
Dennoch kommt es regelmäßig zu Verletzungen der verfassungsmäßig garantierten Menschenrechte wie z.B. die Schikanierung und Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern, Anwälten und Journalisten, weil sie Regierungsbeamte und die Politik kritisierten. Die Behörden setzen drakonische Gesetze zur Terrorismusbekämpfung ein, um abweichende Meinungen zu unterdrücken, und gehen streng gegen zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen vor, die sich kritisch zu Regierungsmaßnahmen oder -politik äußern. Frauen, religiöse Minderheiten und Transgender-Personen sind weiterhin Gewalt, Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt, wobei die Behörden es oft versäumen, angemessenen Schutz zu bieten oder die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Die Regierung versäumte es, die Strafverfolgungsbehörden für schwerwiegende Übergriffe zur Rechenschaft zu ziehen - selbst als neue Vorwürfe über Folter und außergerichtliche Tötungen aufkamen. Die pakistanischen Behörden gehen hart gegen Mitglieder und Anhänger von Oppositionsparteien vor. Mehrere Oppositionsführer - darunter ehemalige Staatsoberhäupter und Kabinettsminister - werden weiterhin wegen politisch motivierter Korruptionsvorwürfe strafrechtlich verfolgt (HRW 13.1.2021).
Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen gilt als weit verbreitet. Bei 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden [siehe Kapitel Todesstrafe]. Verschwindenlassen zählt zu den drängendsten und eklatantesten Menschenrechtsverletzungen in Pakistan - auch weil der Staat (v. a. Militär/Nachrichtendienste, insb. ISI) oftmals als Täter auftritt und seiner Schutzverantwortung nicht gerecht wird. Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form von polizeilichen Auseinandersetzungen vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Als Beispiel hierfür dienen die Blasphemie-Fälle (AA 29.9.2020).
Der Einsatz von Verschwindenlassen zur Bestrafung von Dissens kommt immer verbreiteter zur Anwendung, wobei auch schon Menschen von Geheimdiensten am helllichten Tag aus städtischen Zentren entführt wurden. In den vergangenen Jahren gehörten zu den Opfern des gewaltsamen Verschwindenlassens Menschenrechtsverteidiger, politische Aktivisten, Studenten und Journalisten, die außerhalb ihrer Gemeinschaften kaum bekannt waren (AI 7.4.2021; vgl. HRCP 4.2020).
Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche Akteure tragen ebenfalls zu Menschenrechtsproblemen bei - wenn auch in geringerem Maße als vor 2020. Nichtsdestotrotz tragen Gewalt, Missbrauch sowie soziale und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen und andere nichtstaatliche Akteure, zu einer Kultur der Gesetzlosigkeit bei. Es mangelte an staatlicher Rechenschaftspflicht, und Übergriffe bleiben oft ungestraft, was eine Kultur der Straflosigkeit unter den Tätern - ob offiziell oder inoffiziell - fördert. Die Behörden bestrafen nur selten Regierungsbeamte für Menschenrechtsverletzungen (USDOS 30.3.2021).
Ein eigenständiges Ministerium für Menschenrechte wurde im Jahr 2015 neu eingerichtet. Die ständigen Ausschüsse des Senats und der Nationalversammlung für Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechte führen Anhörungen zu einer Reihe von Menschenrechtsproblemen durch (USDOS 30.3.2021).
Die COVID-19-Pandemie stellt die wirtschaftliche und soziale Lage im Land vor neue Herausforderungen. In diesem Zusammenhang wird das Vorgehen gegen Beschäftigte im Gesundheitssektor genannt. Nach friedlichen Protesten wegen der Zustände in den Krankenhäusern wurden mehrere Dutzend Personen für mehrere Stunden vorübergehend festgenommen: allein am 6. April 2020 etwa mehr als 50 Menschen nach friedlichen Protesten in Quetta (Belutschistan). Auch war diese Personengruppe an ihrem Arbeitsplatz gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt. Des Weiteren wird die Verfolgung von religiösen Minderheiten nach den Blasphemiegesetzen genannt, sowie die von nichtstaatlichen Akteuren verübten, strafrechtlich häufig nicht verfolgten, gewaltsamen Übergriffe aus religiösen Motiven oder wegen des Geschlechts (BAMF 19.4.2021).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 30.4.2021
• AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048601 .html, Zugriff 22.4.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021). Briefing Notes, https: //www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=ab7209f5eb&country%5B%5D=pak&countryOperat or=should&srcId%5B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicat ionDate&sort_order=desc , Zugriff 14.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http: //hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-2 0190503.pdf, Zugriff 30.4.2021
• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043507.html , Zugriff 10.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 22.4.2021
13 Meinungs- und Pressefreiheit
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das Gesetz sieht Meinungsfreiheit vor, auch für die Presse, aber es gibt verfassungsmäßige Einschränkungen. Darüber hinaus führen Drohungen, Schikanen, Entführungen, Gewalt und
Tötungen dazu, dass Journalisten und Redakteure Selbstzensur üben (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020). Ein Klima der Angst behindert weiterhin die Medienberichterstattung über Übergriffe sowohl der staatlichen Sicherheitskräfte als auch militanter Gruppen. Journalisten, die Drohungen und Angriffen ausgesetzt sind, haben zunehmend zur Selbstzensur gegriffen. Medien werden von den Behörden unter Druck gesetzt, Regierungsinstitutionen oder die Justiz nicht zu kritisieren. In mehreren Fällen im Jahr 2020 blockierten staatliche Aufsichtsbehörden Kabelbetreiber und Fernsehsender, die kritische Programme ausgestrahlt hatten (HRW 23.1.2021; vgl. RSF 20.4.2021). Die gesetzlichen Bestimmungen erlauben zwar den Bürgern, öffentlich Kritik an der Regierung zu üben, aber Gerichtsentscheidungen haben die Verfassung dahingehend ausgelegt, dass Kritik am Militär und an der Justiz verboten sei (USDOS 30.3.2021).
Der Einfluss des militärischen Establishments und des Nachrichtendienstes (ISI) hat zugenommen. Es hat viele Fälle von Zensur gegeben. Journalisten, die Themen aufgriffen, die vom Militär als tabu erachtet wurden, wurden vom Nachrichtendienst (ISI) organisierten Schikanierungskam- pagnen ausgesetzt (RSF 20.4.2021). Generell gibt es eine Vielzahl von Einzelinterventionen im Medienbereich und gegen einzelne unliebsame Journalisten. Unabhängige Berichterstattung aus Gebieten, in denen sich die pakistanische Armee oder Geheimdienste im Einsatz befinden, wird grundsätzlich stark reglementiert oder unterbunden. Dies gilt zuletzt besonders für die früheren Stammesgebiete FATA. Das Militär und Geheimdienste zwingen Journalisten zu Selbstzensur (AA 29.9.2020; vgl. ÖB 12.2020). Die Behörden haben die Kontrolle über Medien verschärft. Medienmitarbeiter berichten über zunehmende Nötigung und Zensur. Zwar wurde dies seitens der Regierung verneint, Journalisten, die kritische Beiträge veröffentlichen, sind jedoch Schikanen, Einschüchterungen, Zensur und sogar Verhaftungen ausgesetzt (AI 7.4.2021; vgl. USDOS 30.3.2021).
Internet und soziale Medien haben in den vergangenen Jahren weiteren Raum für eine kritische journalistische Debatte geschaffen, die jedoch zunehmend eingeschränkt wird. Im Rahmen des seit 2016 geltenden und sehr vage gefassten Prevention of Electronic Crimes Act 2016 ist die Pakistan Telecommunication Authority (PTA) befugt, jegliche Inhalte zu löschen, die im Sinne des Gesetzes als falsch erachtet werden. Dazu gehören u.a. Inhalte, die sich gegen den Islam, gegen die Integrität, Sicherheit und Verteidigung Pakistans richten bzw. bei Hassreden. Von diesen Befugnissen, insbesondere zur Blockade von Internetseiten, macht die pakistanische Regierung umfangreich Gebrauch. Ende Jänner 2020 beschloss die Regierung neue, restriktive Richtlinien zur Kontrolle sozialer Medien (AA 29.9.2020).
Angriffe auf Journalisten gehen primär von Extremisten aber auch regelmäßig von staatlichen Akteuren aus. Besonders seitens des Militärapparats wird (gelegentlich in Verbindung mit Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung) Druck auf Medien ausgeübt. Trotzdem werden pakistanische Medien in der tagespolitischen Berichterstattung unter den freiesten in Asien eingestuft (ÖB 12.2020).
Um im pakistanisch verwalteten Kaschmir zu publizieren, mussten die Medienbesitzer die Erlaubnis des Kaschmir-Rates und des Ministeriums für Kaschmir-Angelegenheiten einholen, und die Journalisten mussten sich weitgehend auf Informationen verlassen, die von der Regierung und dem Militär bereitgestellt wurden. Es gab Beschränkungen für die Übertragung von Inhalten indischer Medien (USDOS 30.3.2021).
Blasphemiegesetze schränken das Recht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf Angelegenheiten der Religion und der religiösen Lehre ein. Nach dem Strafgesetzbuch beinhalten die Strafen für eine Verurteilung wegen Blasphemie die Todesstrafe für „Schändung des Propheten Mohammed", lebenslange Haft für „Schändung, Beschädigung oder Entweihung des Korans" und 10 Jahre Haft für „Beleidigung der religiösen Gefühle eines anderen". Die Gerichte setzen die Blasphemiegesetze auch durch, und obwohl die Behörden noch keine Person wegen Blasphemie hingerichtet haben, führen Anschuldigungen wegen Blasphemie oft zu Selbstjustiz und Lynchjustiz durch den Mob. Die Regierung schränkt einige sprachliche und symbolische Äußerungen auf der Grundlage der Bestimmungen über Hassreden und Terrorismus ein (USDOS
30.3.2021) .
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local72 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 30.4.2021
• AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048601 .html, Zugriff 14.4.2021
• HRW - Human Rights Watch (23.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043507.html , Zugriff 1.3.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 4.5.2021
• RSF - Reporters Sans Frontieres (20.4.2021): RSF 2021 Index: Censorship and disinformation virus hits Asia-Pacific, https://www.ecoi.net/en/document/2049673.html#alert , Zugriff 27.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 22.4.2021
14 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Letzte Änderung: 24.06.2021
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung gewährleistet, können aber aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden (USDOS
30.3.2021) . Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung oder durch Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten (AA 29.9.2020). Die HCRP (Human Rights Commission of Pakistan) berichtet von Hindernissen Gewerkschaften zu gründen, Beschränkungen und Möglichkeiten der Auflösung von Streiks und der Möglichkeit seine Arbeit zu verlieren, was die gewerkschaftliche Organisation von Arbeitnehmern auf allen Ebenen erschwert. Infolgedessen blieb der Spielraum für Tarifverhandlungen über menschenwürdige Löhne und sichere Arbeitsbedingungen begrenzt (HRCP 30.4.2020; vgl. FH 2020). Das Versäumnis der Regierung, Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und friedliche Demonstranten zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, führt de facto zu Einschränkungen der Versamm- lungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020)
Obwohl für die ehemaligen FATA derselbe Rechtsrahmen gilt wie für den Rest des Landes, verhängen die zivilen und militärischen Behörden weiterhin Kollektivstrafen im Rahmen der Westpakistanischen Verordnung zur Aufrechterhaltung des Friedens und von Abschnitt 144 des Strafgesetzbuches. Diese Regeln ermöglichen es den Behörden effektiv, die langjährige Praxis der Aussetzung des Versammlungs- und Rederechts in den neu zusammengelegten Gebieten fortzusetzen (USDOS 30.3.2021). Im Laufe des Jahres 2019 schränkten die Behörden die Versammlungsfreiheit für einige Gruppen ein, obwohl sie sich gegenüber anderen Demonstrationen, einschließlich der Demonstrationen der politischen Opposition und der religiösen Rechten, als relativ tolerant erwiesen (FH 2020). So ist es beispielsweise den Ahmadi-Muslimen im Allgemeinen untersagt, Konferenzen und Versammlungen abzuhalten (USDOS 30.3.2021).
Opposition
Politische Parteien können weitgehend frei operieren. Jedoch üben Militär und Geheimdienste Druck auf unllebsame Parteien aus - so etwa vor den Nationalversammlungswahlen. Mehrere große Parteien, zahlreiche kleinere Parteien und Unabhängige nehmen an den Wahlen teil und sind im Parlament und in den Provinzparlamenten vertreten. Die politische Opposition wird nicht eingeschränkt. Allerdings werden politische Auseinandersetzungen mitunter auch mit Gewalt ausgetragen (FH 2020; vgl. AA 29.9.2020).
Die Regierung setzte im Laufe des Jahres 2020 ihre Korruptionsuntersuchungen und die selektive strafrechtliche Verfolgung von Führern oppositioneller politischer Parteien fort, wobei gegen den ehemaligen Premierminister Nawaz Sharif und den ehemaligen Präsidenten Asif Ali Zardari Klagen erhoben wurden (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 23.1.2021, AA 29.9.2020). Insgesamt hat der Staat den Raum zur öffentlichen kritischen Debatte und für die Zivilgesellschaft in Pakistan weiter eingeschränkt („shrinking space“). Aktuelles Beispiel ist der Umgang mit der PTM („Bewegung zum Schutz der Paschtunen“), die sich im Frühling 2018 als friedliche Protestbewegung gegen die Diskriminierung von Paschtunen in Pakistan formiert hatte. Der Sicherheitsapparat geht teils mit harter Hand gegen die Bewegung vor, immer wieder kommt es zu zeitweiligen Verhaftungen ihrer Führer (AA 29.9.2020).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local72 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 30.4.2021
• FH - Freedom House (2020): Freedom in the World 2019 - Pakistan, https://freedomhouse.org/c ountry/pakistan/freedom-world/2020 , Zugriff 14.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (30.4.2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-20 19-20190503.pdf , Zugriff 30.4.2021
• HRW - Human Rights Watch (23.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043507.html, Zugriff 3.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 15.4.2021
15 Haftbedingungen
Letzte Änderung: 24.06.2021
DieBedingungen in den Gefängnissen sind oft extrem schlecht. Überbelegung bleibt ein ernstes Problem, vor allem aufgrund struktureller Probleme im Strafrechtssystem, die wiederum zu einer hohen Rate an Untersuchungshäftlingen führen. Nach Angaben der Strafvollzugsbehörden waren im August 2020 landesweit 82.139 Gefangene in 116 Gefängnissen inhaftiert. Die vorgesehene Kapazität dieser Gefängnisse beträgt 64.099, womit die Belegung 28% über der Kapazität liegt (USDOS 30.3.2021). Die Gefängnisse in Pakistan sind nach wie vor sehr stark überbelegt, mit einer Belegungsrate von 133,8%. Der Anteil der Untersuchungs- und Strafgefangenen an der gesamten Gefängnispopulation beträgt 62,1%. Überbelegung, unhygienische Bedingungen und schlechte medizinische Einrichtungen für Gefangene blieben ein ständiges Problem, was ihre Anfälligkeit für Tuberkulose, HIV/AIDS und Hepatitis, neben anderen Krankheiten (HRCP 2020). Die Verhältnisse in Pakistans Gefängnissen sind also generell sehr schlecht. Nach Feststellung von UNODC und der NGO HRCP sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Dies gilt besonders für zum Tode verurteilte Strafgefangene. Die medizinische Versorgung ist auch hinsichtlich der Behandlung psychisch kranker Häftlinge unzureichend (AA 29.9.2020). Die unzureichende Ernährung und medizinische Versorgung in den Gefängnissen führt weiterhin zu chronischen Gesundheitsproblemen. Unterernährung bleibt ein Problem, insbesondere für Insassen, die nicht in der Lage sind, ihre Ernährung durch Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. In vielen Einrichtungen sind die sanitären Anlagen, die Belüftung, die Beleuchtung und der Zugang zu Trinkwasser unzureichend (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020).
Im Laufe des Jahres 2020 setzten die Gefängnisabteilungen von Punjab, Sindh und Khyber Pakhtunkhwa den Bau ihrer eigenen Gefängnisakademien fort und konzentrierten sich dabei auf moderne Gefängnismanagementtechniken, die die Menschenrechte fördern und gewalttätigem Extremismus entgegenwirken (USDOS 30.3.2021). Es gibt Ombudspersonen für Gefangene, mit einer Zentralstelle in Islamabad und Büros in jeder Provinz. Die Generalinspektoren der Gefängnisse besuchen in unregelmäßigen Abständen die Haftanstalten, um die Bedingungen zu überwachen und Beschwerden zu bearbeiten. Laut Gesetz müssen die Gefängnisbehörden den Gefangenen und Inhaftierten erlauben, sich ohne Zensur bei den Justizbehörden zu beschweren und eine Untersuchung glaubwürdiger Vorwürfe über unmenschliche Bedingungen zu verlangen. Es gibt jedoch Berichte, wonach Gefangene davon absehen, Beschwerden einzureichen, um Vergeltungsmaßnahmen der Gefängnisbehörden zu vermeiden. Internationalen Organisationen wird der Zugang zu Gefängnissen in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan untersagt (USDOS
30.3.2021) .
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 14.4.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2020): State of Human Rights in 2019, http: //hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-2 0190503.pdf, Zugriff 14.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 14.4.2021
16 Todesstrafe
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Todesstrafe wird in Pakistan vollstreckt. Der Staat veröffentlicht keine offizielle Statistik zur Todesstrafe. Die Todesstrafe kann bei 27 verschiedenen Straftatbeständen verhängt werden, darunter Blasphemie, Mord, Hochverrat, Spionage, Besitz von und Handel mit mehr als einem Kilogramm Rauschgift, Vergewaltigung und terroristischer Anschlag mit Todesfolge. Zum Tode Verurteilten stehen als Rechtsmittel der normale gerichtliche Instanzenweg bis zum Obersten Gerichtshof (Supreme Court) und anschließend die Möglichkeit eines Gnadengesuchs an den Staatspräsidenten offen. Seit Aufhebung des Moratoriums hat der Staatspräsident jedoch in keinem Fall einem Gnadengesuch stattgegeben. Im Falle der Aburteilung ziviler Terrorverdächtiger hat sich der Oberste Gerichtshof durch Entscheidung vom 5.8.2015 das Recht vorbehalten, Urteile der Militärgerichte nach bestimmten Kriterien zu überprüfen (AA 29.9.2020).
In Pakistan wurden zum ersten Mal seit der Wiederaufnahme im Dezember 2014 keine Hinrichtungen gemeldet (AI 4.2021; vgl. HRCP 3.5.2021). Gemäß Daten aus Presseberichten wurde die Todesstrafe im Jahr 2020 an mindestens 177 Personen verhängt - ein deutlicher Rückgang gegenüber mindestens 578 Personen im Jahr 2019 (HRCP 3.5.2021). Auch Amnesty International verzeichnete im Jahr 2020 eine deutlich geringere Anzahl von Todesurteilen als in den Vorjahren - allerdings zählt die Organisation nur 49. Der Rückgang könnte mit einer Lücke in den Gerichtsverfahren aufgrund der Covid-19-Pandemie zusammenhängen. Zwei der registrierten Todesurteile wurden wegen „Blasphemie“ verhängt, 19 von Anti-Terrorismus-Gerichten und sieben von Model Criminal Trial Courts, speziellen Gerichten, die 2019 eingerichtet wurden, um den Rückstau an Strafverfahren abzuarbeiten (AI 4.2021.
Am 17. Juni hob das Oberste Gericht von Peshawar die Verurteilungen von 196 Personen auf, die von Militärgerichten angeklagt und in den meisten Fällen zum Tode verurteilt worden waren (AI 4.2021).
Das Gesetz verbietet die Anwendung der Todesstrafe für Minderjährige, dennoch verurteilen Gerichte Kinder nach dem Antiterrorismusgesetz zum Tode. Dabei erschwert der Mangel an zuverlässigen Unterlagen die Bestimmung des Alters möglicher Minderjähriger (USDOS 30.3.2021).
Seit 1990 verbietet § 295 PPC (Pakistan Penal Code) das absichtliche Verletzen religiöser Objekte oder Gebetshäuser, die Entweihung des Korans und die Beleidigung des Propheten Mohammed. Diese Rechtsnorm sieht selbst bei unbeabsichtigter Erfüllung des Tatbestands der Prophetenbeleidigung die Todesstrafe vor. Oftmals wird erstinstanzlich auf Druck von Extremisten die Todesstrafe verhängt, diese wurde bislang jedoch noch nie vollstreckt und häufig durch ein höheres Gericht wieder aufgehoben (AA 29.9.2020).
Die Regierung stellt einen staatlich finanzierten Rechtsbeistand für Gefangene zur Verfügung, die wegen Verbrechen angeklagt sind, für die eine Verurteilung die Todesstrafe beinhaltet. In anderen Fällen bietet sie keine regelmäßige rechtliche Vertretung an. Die Verfassung erkennt das Recht auf Habeas Corpus an und erlaubt es den hohen Gerichten, die Anwesenheit einer Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, vor Gericht zu verlangen. Das Gesetz erlaubt es Bürgern, Habeas-Corpus-Petitionen bei den Gerichten einzureichen. In vielen Fällen, bei welchen es um das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen geht, versäumen es die Behörden, die Inhaftierten gemäß den Anordnungen der Richter vorzuführen (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local72 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 30.4.2021
• AI - Amnesty International (4.2021): Death Sentences and Executions 2020, https://www.ecoi.net /en/file/local/2049793/ACT5037602021ENGLISH.PDF , Zugriff 30.4.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.5.2021): State of Human Rights in 2020, http: //hrcp-web.org/hrcpweb/state-of-human-rights-in-2020/, Zugriff 14.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 30.4.2021
17 Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 24.06.2021
Laut provisorischer Volkszählung von 2017 sind 96% der ca. 210 Millionen Einwohner Pakistans Sunniten oder Schiiten. Laut Regierungsangaben setzen sich die restlichen 4% aus Ahmadi Muslimen, Christen, Hindus, Zoroastriern, Bahai, Sikhs, Buddhisten, Kalasha, Kihal und Jainis- ten zusammen. Ca. 80-85% der muslimischen Einwohner Pakistans sind Sunniten und 15-20% Schiiten (USDOS 10.6.2020; vgl. CIA 4.5.2021). Laut Verfassung sind Angehörige der Qadiani oder der Lahori-Gruppe (Ahmadis) keine Muslime (USDOS 10.6.2020; vgl. ACCORD 3.2021).
Artikel 2 der pakistanischen Verfassung erklärt den (sunnitischen) Islam zur Staatsreligion. Artikel 227 der pakistanischen Verfassung bindet das Rechtssystem an das islamische Recht. Der Shari’ah Act 1991 hat die Scharia zum höchsten Gesetz in Pakistan gemacht. Somit sind alle Gesetze in Pakistan im Einklang mit der Scharia auszulegen (BAMF 5.2020; vgl. USDOS
10.6.2020) . Grundsätzlich hat jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu bestimmen und diese auch zu wechseln. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert die freie Religionsausübung (AA 29.9.2020).
Allerdings werden Mitglieder von religiösen Minderheiten regelmäßig Opfer von religiös motivierten Übergriffen, die vor allem von sunnitisch-extremistischen Gruppierungen verübt oder veranlasst werden. Die Provinzen Belutschistan und Sindh verzeichnen die meisten Vorfälle. Radikal-islamistische Gruppierungen in Pakistan stellen nicht die einzige Gefahr für religiöse Minderheiten dar. Diese sehen sich zusätzlich einer existenziellen Bedrohung durch Organisationen ausgesetzt, die religiöse Intoleranz politisch instrumentalisieren, indem sieAnschuldigungen wegen Verstoßes gegen Religionsstraftaten, wie etwa die in Pakistan strafbare „Prophetenbeleidigung“ oder Gotteslästerung (Blasphemie), auffallend häufig gegen Angehörige religiöser Minderheiten vorbringen. Die zumeist haltlosen Anschuldigungen haben nicht nur strafrechtliche Verfolgung und teilweise jahrelange schuldlose Inhaftierung zur Konsequenz, sondern werden auch zum Anlass genommen, Menschenmengen gegen die Beschuldigten oder deren Gemeinschaft zu mobilisieren (BAMF 5.2020; vgl. USDOS 10.6.2020).
Die Bestimmungen des Blasphemie-Gesetzes gelten weiterhin. Diese bieten einen Vorwand für Gewalt gegen religiöse Minderheiten und macht letztere anfällig für willkürliche Verhaftung und Verfolgung. Auf Blasphemie steht zwingend die Todesstrafe, und Ende 2020 saßen immer noch 40 Menschen in der Todeszelle. Mitglieder der Ahmadia-Religionsgemeinschaft sind nach wie vor ein Hauptziel für Verfolgungen nach den Blasphemiegesetzen sowie nach speziellen Anti- Ahmadi-Gesetzen. Militante Gruppen und die islamistische politische Partei Tehreek-e-Labbaik (TLP) beschuldigen Ahmadis, sich „als Muslime auszugeben“. Das pakistanische Strafgesetzbuch wiederum erachtet „sich als Muslime ausgeben“ als Straftatbestand. Im Mai 2020 schloss die Regierung Ahmadis von der neuen Nationalen Kommission für Minderheiten aus, welche eigentlich die Rechte der Minderheiten des Landes schützen soll (HRW 13.1.2021; vgl.GIZ
9.2020) .
Während die vagen und weit gefassten Blasphemiegesetze in den vergangenen Jahren dazu benutzt wurden, die am stärksten marginalisierten Menschen in der Gesellschaft ins Visier zu nehmen, wurde ihre Anwendung 2020 auf Künstler, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten ausgeweitet (AI 7.4.2021).
Für Apostasie - Abfall vom Islam - gibt es in Pakistan keine strafrechtliche Bestimmung. Allerdings wird Apostasie von vielen Klerikern als Form der Blasphemie erachtet und kann daher die Todesstrafe nach sich ziehen. Die Gesellschaft akzeptiert Apostasie in keiner Weise (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 10.6.2020, BAMF 5.2020). Die systematische Durchsetzung von Blasphemie- und Anti-Ahmadiyya-Gesetzen und das Versäumnis der Behörden, auf Zwangskonversionen religiöser Minderheiten - einschließlich Hindus, Christen und Sikhs - zum Islam einzugehen, schränkt die Religions- und Glaubensfreiheit stark ein (USCIRF 4.2020).
Die Regierung setzt ihren 2014 begonnenen National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus und sektiererischen Extremismus und Hassreden fort. Organisationen der Zivilgesellschaft und Religionsführer erklären, dass sich die Sicherheit an religiösen Orten durch verstärkte Schutzmaßnahmen der Sicherheitskräfte wesentlich gebessert hat. Die US-Regierung setzt die Ausbildung für Polizeibeamte bezüglich Menschenrechte und dem Umgang mit religiösen Minderheiten fort (USDOS 10.6.2020).
Laut Vertretern der Minderheitsreligionsgemeinschaften hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen prinzipiell nicht daran, Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden, jedoch verweigern lokale Behörden Ahmadis regelmäßig notwendige Baubewilligungen. Die Religionszugehörigkeit wird in Reisepässen angegeben und das religiöse Bekenntnis muss am Antragsformular für Identitätskarten angegeben werden (USDOS 10.6.2020).
Gemäß Verfassung dürfen Personen bei der Anstellung im öffentlichen Dienst nicht wegen ihrer Religion diskriminiert werden. Im Bundesdienst gilt eine 5%-Quote für Minderheiten. Diese Quote wird laut Minderheitenvertretern nicht durchgesetzt. Die meisten Minderheitengruppen berichten dementsprechend von Diskriminierungen bei Anstellungen und Beförderungen im öffentlichen Dienst sowie bei der Aufnahme an Hochschulen. Auch im Militärdienst gibt es zwar keine offiziellen Hinderungsgründe, allerdigs steigen Angehörige von religiösen Minderheiten nur selten in einen höheren Dienstgrad als Oberst auf. Minderheitenvertreter berichten, dass die Regierung bei der Sicherung von Minderheitenrechten auf Bundes- und Provinzebene inkonsequent ist und Minderheiten vor gesellschaftlicher und staatlicher Diskriminierung nicht ausreichend geschützt werden (USDOS 10.6.2020).
Der Oberste Gerichtshof richtete einen Sondergerichtsausschuss zwecks Anhörung von Petitionen im Zusammenhang mit Rechten von Minderheiten ein und ernannte einen Kommissar, der die Umsetzung von Urteilen durch den Gerichtshof selbst überwachen soll. Während das Ministerium für Recht und Justiz offiziell für die Gewährleistung der gesetzlichen Rechte aller Bürger verantwortlich ist, übernimmt das Ministerium für Menschenrechte in der Praxis weiterhin die Hauptverantwortung für den Schutz der Rechte religiöser Minderheiten. Die National Commission on Human Rights (NCHR) ist ebenfalls mit der Untersuchung von Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen beauftragt. Sie hat aber zu wenig Macht, um Forderungen durchzusetzen. Zudem blieb die NCHR für eine zweite Amtszeit von vier Jahren ohne neues Mandat und am Jahresende 2019 ohne neue Kommissare (USDOS 10.6.2020).
Nach Angaben der Nationalen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden (NCJP) haben sich während der COVID-19-Pandemie Vorfälle gehäuft, bei denen Christen und andere religiöse Minderheiten bei der Verteilung von Schutzausrüstungen und humanitären Hilfen benachteiligt worden sind. Aus entsprechenden Berichten geht hervor, dass islamische Organisationen und Moscheegemeinden Christen bei der Verteilung von Lebensmitteln und anderen Nothilfen in ländlichen Gebieten der Provinz Punjab zurückgewiesen hätten. Am 5. Mai 2020 hat die Nationalversammlung die Gründung einer Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities, NCM) beschlossen. Diese soll für die Überwachung der Rechte von religiösen Minderheiten im muslimischen Land zuständig und Anlaufstelle für Beschwerden sein. Auch kann diese Kommission, die aus Interessenvertretern der Christen, Hindus, Sikhs, Zoroastern und Anhängern der polytheistischen Religion der Kalasha besteht, Gesetzesvorschläge einbringen. Vertreter der Ahmadiyya-Gemeinschaft, die Schätzungen zufolge bis zu fünf Millionen im Land lebende Mitglieder hat, sind hingegen nicht vertreten. Zur Begründung wurde von staatlicher Seite ausgeführt, dass Ahmadis nicht als „Minderheit“ zu definieren seien (BAMF 5.2020).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 30.4.2021
• ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (3.2021): Pakistan: Religious Minorities, https://www.ecoi.net/en/file/local/2047750/ACCORD-Pakistan-Rel igious-Minorities-March-2021.pdf, Zugriff 11.5.2021
• AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048601 .html, Zugriff 30.4.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Länderreport 24 Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031016/laenderreport-24-pakistan.pdf , Zugriff 30.4.2021
• CIA - Central Intelligence Agency [USA] (4.5.2021): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.go v/the-world-factbook/countries/pakistan/#people-and-society, Zugriff 11.5.2021
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/pakistan/geschichte-staat/ , Zugriff
9.3.2021
• HRW - Human Rights Watch (23.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043507.html , Zugriff 3.3.2021
• USCIRF - US Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2020): Annual Report on Religious Freedom 2019 - Pakistan https://www.uscirf.gov/sites/default/files/Pakistan.pdf , Zugriff
30.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031283.html , Zugriff am 30.4.2021
17.1 Muslime
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die beiden Hauptzweige des Islams, das Schiitentum und das Sunnitentum, teilen sich in Pakistan in mehrere Untergruppen auf. Bei den Sunniten sind dies die Barelvis [auch Ahle Sunnat wal Jama’at] mit ungefähr 60 % Anteil; die Deobandis mit ungefähr 35 % und mit ca. 5 % die Ahl-e Hadith (Salafi). Religiöse Intoleranz und Gewalt findet auch zwischen den muslimischen Denominationen und innerhalb der sunnitischen Konfession statt, z. B. zwischen der Barelvi- Sekte, die erheblichen Sufi-Einfluss aufweist und der Deobandi-Sekte, die islamistisch geprägt ist (BFA 10.2014; vgl. ACCORD 3.2021).
Die schiitische Bevölkerung Pakistans wird auf 20 bis 50 Millionen Menschen geschätzt. Die Mehrheit der Schiiten in Pakistan gehört den Zwölfer-Schiiten an, andere Subsekten sind Niza- ri-Ismailiten, Daudi Bohras und Sulemani Bohras. Die Schiiten sind im ganzen Land verteilt und stellen in der semi-autonomen Region Gilgit-Baltistan die Bevölkerungsmehrheit. Viele urbane Zentren in Pakistan beheimaten große Schia-Gemeinden. Manche Schiiten leben in Enklaven in den Großstädten, sind aber ansonsten gut integriert (UKHO 6.2020). Mitglieder der schiitischen Bevölkerungsgruppen, insbesondere der ethnischen Hazara, werden durch die mit den Sicherheitsmaßnahmen einhergehenden Einschränkungen, die wegen der auf sie verübten Übergriffe getroffen worden sind, erheblich in ihrem Alltagsleben eingeschränkt. In Quetta, der Hauptstadt der Provinz Belutschistan, leben Hazara in „Hazara Town" genannten Enklaven. Aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen und der damit einhergehenden faktischen Abgeschiedenheit herrschen dort prekäre Verhältnisse, die zusätzlich von ökonomischer Ausbeutung gekennzeichnet sind (BAMF 5.2020). Abgesehen von den Hazara unterscheiden sich Schiiten weder körperlich noch sprachlich von den Sunniten. Schiitische Muslime dürfen ihren Glauben frei ausüben. Es gibt keine Berichte über systematische staatliche Diskriminierung gegen Schiiten. Schiiten sind in der Regierung und im öffentlichen Dienst gut vertreten (UKHO 6.2020). Die öffentliche Wahrnehmung von Schiiten in Pakistan ist tendenziell besser als in manchen Ländern des Mittleren Ostens und des Maghreb mit mehrheitlich sunnitischer Bevölkerung. Allerdings werden Schiiten von einem nicht unerheblichen Bevölkerungsanteil - tendenziell Deobandis - und radikal-isla- mistischen sunnitischen Gruppierungen als Glaubensabtrünnige bzw. Ungläubige angesehen (BAMF 5.2020).
Obwohl der Terrorismus in den letzten Jahren zurückgegangen ist, bleibt Pakistan eine Basis für extremistische Gruppen wie die pakistanischen Taliban und Lashkar-e-Jhangvi. Diese Gruppen haben neben Nicht-Muslimen oft auch schiitische und sufische Muslime im Visier (USCIRF
4.2020) . Religiös/konfessionell motivierte bzw. intrakonfessionelle Gewalt führen weiterhin zu zahlreichen Todesfällen. Die meisten Opfer finden sich unter schiitischen und sunnitischen Muslimen, die von radikalen sunnitischen oder anderen islamistischen Terrororganisationen attackiert werden. Zu vielen Anschlägen auf Schiiten bekennt sich die radikal-sunnitische, anti- schiitische Terrororganisation Lashkar-e-Jhangvi (AA 29.9.2020; vgl. UKHO 6.2020).
Es gibt zwar keine Berichte über eine systematische Diskriminierung schiitischer Muslime durch den Staat, aber es gibt Berichte über willkürliche Verhaftungen während der Muharram (islamische religiöse Feier) im Zusammenhang mit Verstößen gegen die öffentliche Ordnung (UKHO
6.2020) . Einige Bundes- und Provinzbehörden schränken rund um das schiitische Muharram- Fest die Bewegungsfreiheit von Klerikern, die dafür bekannt sind, konfessionelle Gewalt zu propagieren, ein (USDOS 10.6.2020; vgl. HRCP 3.2019). Rund um schiitische Prozessionen in größeren Städten in den Provinzen Punjab, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan kommen zusätzliche Sicherheitskräfte zum Einsatz - darunter etwa auch für schiitische Hazara-Gemein- schaften in Quetta (USDOS 10.6.2020).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 11.5.2021
• ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (3.2021): Pakistan: Religious Minorities, https://www.ecoi.net/en/file/local/2047750/ACCORD-Pakistan-Rel igious-Minorities-March-2021.pdf, Zugriff 11.5.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Länderreport 24 Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031016/laenderreport-24-pakistan.pdf , Zugriff 11.5.2021
• BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation [Österreich] (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives, https://www.ecoi.net/en/file/local/1095862/1729_141 3272641_pakistan.pdf , Zugriff 11.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hr cp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 11.5.2021
• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (6.2020): Country Policy and Information Note Pakistan: Shia Muslims, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032936/Pakistan-Background_and_IFA-CPIN-v1 .0_June_2020_.pdf, Zugriff 11.5.2021
• USCIRF - US Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2020): United States Commission on International Religious Freedom 2020 Annual Report Pakistan, https://www.ecoi.n et/en/file/local/2028972/Pakistan.pdf, Zugriff 11.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031283.html , Zugriff am 11.5.2021
17.1.1 Ahmadis
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Glaubensgemeinschaft der Ahmadiya teilt sich in die Qadiani-Gruppe (Ahmadiya Muslim Jamaat) und die wesentlich kleinere Lahore-Gruppe (Ahmadiya Anjuman Ischa'at-i-Islam Laho- re) (BFA 10.2014). Es gibt keine zuverlässigen Statistiken zur Anzahl der in Pakistan lebenden Mitglieder der Ahmadiya-Gemeinschaft. Der größeren Qadiani-Gruppe gehören in Pakistan schätzungsweise 600.000 bis 5 Millionen Mitglieder an; viele Ahmadis lassen sich nicht registrieren. Die Mitgliederzahl der kleineren Lahore-Gruppe wird auf rund 30.000 Anhänger weltweit geschätzt, von ihnen sollen 5.000 bis 10.000 Mitglieder in Pakistan leben. Das Hauptquartier der Ahmadi in Pakistan befindet sich in Rabwah (offizieller Name Chenab Nagar). 90-95 % der Einwohner der Stadt, ca. 60.000-70.000 Menschen, sind Ahmadis. Weitere wichtige Ansiedlungen der Ahmadis befinden sich in Sialkot, Quetta, Multan, Rawalpindi, Karatschi, Lahore und Faisalabad, sowie weiters auch Khewra, Sarghoda, Bhalwal, Shahpur, Gujaranwala (UKHO
3.2019) .
Die islamische Religionsgemeinschaft der Ahmadiya wird von muslimischen Geistlichen in Pakistan nicht als muslimisch anerkannt. Durch Änderung der Verfassung 1974 wurde diese Lehrmeinung Verfassungsgrundsatz. Durch diese speziell gegen sie gerichtete, diskriminierende Gesetzgebung haben Ahmadis zwar den Status einer religiösen Minderheit, gleichzeitig ist es ihnen aber ausdrücklich verboten, sich als Muslime zu bezeichnen oder auszugeben. Dieses Verbot ist im Pakistanischen Strafgesetzbuch (§ 298c PPC) niedergelegt und mit einer Strafandrohung von maximal drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert (AA 29.9.2020). Sämtliche Publikationen der Ahmadiya-Gemeinschaft sind in Pakistan verboten. Ahmadis können grundsätzlich keine nach außen wirksamen, öffentlichen Versammlungen abhalten (BAMF 5.2020).
Eine objektiv meinungsbildende Auseinandersetzung mit der Gemeinschaft kommt im öffentlichen Diskurs nicht vor. Vielmehr wird eine gegen Ahmadis gerichtete Rhetorik in sozialen und Printmedien, bei Versammlungen oder Freitagsgebeten sowie im Alltag auf Plakaten verbreitet (BAMF 5.2020). Der weitaus größte Teil der Ahmadis lebt friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammen, berichtet wird aber weiterhin über Fälle von Repressionen Dritter gegen Ahmadis (AA 29.9.2020). Gesellschaftliche Diskriminierung und Anti-Ahmadi-Propaganda sind weit verbreitet. Der Einsatz von Hassreden gegen Ahmadis wird von den Medien oftmals unkritisch behandelt. Gegen Ahmadi-Geschäftsleute aller gesellschaftlichen Klassen erfolgen auch Kampagnen zum wirtschaftlichen Ausschluss bis hin zu Morddrohungen (UKHO 3.2019; vgl.GIZ
9.2020) .
Die Diskriminierung der religiösen Minderheit der Ahmadis durch das Verhalten der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung hält an. Vereinzelt kommen auch Maßnahmen staatlicher Stellen vor (AA 29.9.2020). Die Ahmadis werden wegen der rechtlichen Diskriminierung und wachsenden religiösen Intoleranz als vulnerabelste Gruppe in Pakistan erachtet. Sie sind einem hohen Risiko staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dadurch werden ihre Möglichkeiten zur freien Religionsausübung und zur politischen und sozialen Partizipation eingeschränkt. Auch das Risiko sozialer Diskriminierung und Gewalt gegen Ahmadis ist aufgrund großer Protestveranstaltungen der Khatm-e-Nabuwat-Bewegung in den Jahren 2017 und 2018 gestiegen (DFAT 20.2.2019). Mitglieder der Ahmadi erfahren wegen ihres Glaubens also sowohl staatliche als auch gesellschaftliche Diskriminierung und Verfolgung in Form von Übergriffen auf Einzelpersonen, deren Eigentum sowie auf Gemeindeeinrichtungen. In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu Angriffen auf Gebetsstätten der Gemeinschaft (BAMF 5.2020; vgl. BAMF 19.4.2021). Der inkonsequente Schutz und die offizielle Diskriminierung von Ahmadis besteht weiterhin. Die Polizei ist beim Schutz vor bzw. beim Ermitteln in Fällen von Gewalt gegen Ahmadis ineffektiv. Aus Angst vor einer Verfolgung aufgrund der Anti-Ahmadi- oder Blasphemiegesetze zögern Ahamdis oft, Vorfälle der Polizei zu melden. Der Staat scheint weder willig noch fähig, wirksamen Schutz zu bieten (UKHO 3.2019).
Die Blasphemie-Gesetzgebung wird dazu benutzt, die Angehörigen dieser Minderheit aus den verschiedensten Motiven unter Druck zu setzen, die nur zum Teil einen religiösen Hintergrund haben. Oft geht es auch um Streitigkeiten zwischen Nachbarn oder Geschäftsleuten und vor allem um Auseinandersetzungen um Grundbesitz (AA 29.9.2020). Während die Behörden Schritte unternommen haben, um einige Personen vor unbegründeten Anschuldigungen der Blasphemie zu schützen, halten sich die erstinstanzlichen Gerichte weiterhin bei Blasphemiefällen nicht an grundlegende Beweisstandards (UKHO 3.2019).
Der Personalausweis (Computerized National Identity Card / CNIC) identifiziert dessen Besitzer nicht als Ahmadi, da diese Information nicht auf der Karte angegeben ist. Bei Beantragung der CNIC muss die eigene Religion angegeben werden. Personen, die sich als Muslime verzeichnen lassen wollen, müssen eine Deklaration unterschreiben, in der sie den Propheten der Ahmadis verurteilen (UKHO 3.2019). Im Reisepass wird als Religionszugehörigkeit „Ahmadi" angegeben, wenn der Antragsteller sich als solcher deklariert (USDOS 10.6.2020).
Ahmadis sind derzeit nicht im Parlament vertreten, weil sie sich selbst als Muslime verstehen und deshalb nicht für die Listenplätze der Parteien für nichtmuslimische Minderheiten kandidieren (AA 29.9.2020). Viele Ahmadis boykottieren den politischen Prozess und nahmen an den Parlamentswahlen 2018 nicht teil (USDOS 10.6.2020).
Es ist möglich, dass ein Nicht-Ahmadi-Muslim Ahmadi-Muslim wird. Es kommt zwar gelegentlich vor, aber nicht mehr so regelmäßig und so häufig wie in der Vergangenheit. Es gibt keine besondere Zeremonie, die mit dem Übertritt in die Ahmadi-Gemeinschaft verbunden ist, aber es gibt definitiv ein Verfahren. Dieses Verfahren war in der Vergangenheit präzise und offen, aber da die pakistanischen Gesetze Konvertierungen behindern, ist es nicht mehr möglich, das Verfahren in Pakistan akribisch zu befolgen. In einer sicheren Bekehrungssituation erhält die Person ein Baiat-Formular (Initiationsformular), das ausgefüllt und unterschrieben werden muss. Dieses Formular wird danach vom Präsidenten des Ortsverbandes der Gemeinschaft (je nach Struktur des Ortsverbandes als lokaler Sadr oder Amir bezeichnet) beglaubigt und vom Distriktpräsidenten (Amir) gegengezeichnet. Letzterer leitet es an den Hauptsitz der Gemeinschaft in Rabwah weiter. Anschließend wird das Formular an Hazrat Khalifa tul Masih (Oberster Leiter der weltweiten Ahmadiya-Muslimischen Jamaat) in Großbritannien zur Genehmigung geschickt. Die Genehmigung wird anderweitig an alle Betroffenen übermittelt. Unter den gegenwärtigen
Umständen ist es in Pakistan nicht mehr möglich, die einzuführende Person schriftlich zu informieren, wie es in der Vergangenheit in der Gemeinschaft üblich war. In problematischen Situationen wird ein Teil des Verfahrens beiseite gelegt und der Person mitgeteilt, dass ihre Initiation akzeptiert wurde und er oder sie sich als Ahmadi-Muslim betrachten sollte. Schließlich ist der Glaube eine Sache des Glaubens und des Herzens. Der Beitritt zur Ahmadiya-Gemein- schaft durch Unterzeichnung eines Einweihungsformulars ist nur ein Verwaltungsverfahren, das unter Umständen geändert werden kann (VB 3.10.2020).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 11.5.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Länderreport 24 Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031016/laenderreport-24-pakistan.pdf , Zugriff 11.5.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021). Briefing Notes, https: //www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=ab7209f5eb&country%5B%5D=pak&countryOperat or=should&srcId%5B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicat ionDate&sort_order=desc , Zugriff 4.5.2021
• BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation [Österreich] (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives, https://www.ecoi.net/en/file/local/1095862/1729_141 3272641_pakistan.pdf , Zugriff 11.5.2021
• DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): DFAT Country Information Report Pakistan, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-pakistan.pdf , Zugriff 11.5.2021
• GIZ- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/ , Zugriff 4.3.2021
• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (3.2019): Country Policy and Information Note Pakistan: Ahmadis, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachm ent_data/file/790304/CPIN-Pakistan-Ahmadis-v4.0_Mar_19.pdf, Zugriff 11.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031283.html , Zugriff am 11.5.2021
• VB - VB des BMI in Islamabad [Österreich] (3.10.2020): Übertritt eines Moslems zur Ahmadiya- Gemeinschaft, Auskunft per E-Mail
17.2 Christen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Mit Juli 2020 wurde die christliche Bevölkerung Pakistans auf ca. 1,59%, also ca. 3,7 Millionen Menschen, geschätzt. Die Provinz Punjab hat dabei den größten Christenanteil, wobei die Mehrheit von ihnen in und um Lahore lebt (UKHO 2.2021). Etwa 60% der Christen sind Katholiken, 40% gehören protestantische Konfessionen an (AA 29.9.2020).
Die Verfassung besagt, dass Minderheiten gleichberechtigte Bürger Pakistans sind und sich frei zu ihrer Religion bekennen und ihre Gebetsstätten besuchen können. Es gibt keine Gesetze, die Christen diskriminieren, wenngleich eine umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung fehlt. Christen haben ihre eigenen Gesetze bezüglich Ehe und Scheidung. Christliche Feste werden offiziell anerkannt und gefeiert. Christen haben im Allgemeinen Zugang zu ihren Gebetsstätten. Religiöse Symbole und Dekorationen werden offen zur Schau gestellt und Bibeln und andere christliche Literatur werden in christlichen Buchläden verkauft. Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten und interreligiöse Harmonie konzentriert sich zwar hauptsächlich auf muslimische Angelegenheiten, unterstützt aber auch religiöse Minderheiten finanziell. Im Oktober 2020 kündigte die Regierung einen Plan zur Einrichtung von Räten für interreligiöse Harmonie im ganzen Land an, um religiöse Toleranz zu fördern (UKHO 2.2021).
Die meist der sozialen Unterschicht angehörende christliche Minderheit in Pakistan wird folglich weniger durch staatliche Gesetze, als durch ein in Teilen der pakistanischen Gesellschaft bestehendes Klima der Intoleranz diskriminiert - und wird dabei auch Opfer religiös motivierter Gewalt. Diskriminierung im wirtschaftlichen Bereich, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt ist weit verbreitet. Es gibt so gut wie keine christliche Mittelschicht, dafür eine breite Unterschicht, die sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlägt. Auf dem Lande befindet sich die Mehrzahl der Christen als einfache Pächter in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Großgrundbesitzern. Christen werden überdurchschnittlich oft Opfer von Vorwürfen bzgl. Blasphemie sowie von radikalislamischer Gewalt (AA 29.9.2020).
Die Blasphemiegesetze, die schwere Strafen nach sich ziehen, gelten für alle religiösen Gruppen, werden unverhältnismäßig oft gegen religiöse Minderheiten, einschließlich der Christen, eingesetzt. Es gibt Berichte über Christen, die unter den Blasphemiegesetzen verhaftet und angeklagt wurden. Zwischen 2001 und 2019 gab es 16 Verurteilungen von Christen wegen Blasphemie. Während die Verurteilungen im Jahr 2020 weitergingen, wurde 2015 berichtet, dass über 80 % der Blasphemie-Fälle in der Berufung aufgehoben wurden. Freisprüche erfolgen jedoch oft erst nachdem der Angeklagte bereits Jahre im Gefängnis verbracht hat (UKHO
2.2021) .
Es gibt regelmäßig Berichte, wonach christliche Frauen und Mädchen, meist im Alter zwischen 12 und 25, Opfer von Entführungen, Zwangskonvertierungen zum Islam und Zwangsverheiratungen mit muslimischen Männern werden (UKHO 9.2018; vgl. AA 29.9.2020). Anders als in den vergangenen Jahren gab es 2019 keine Berichte über Christen, die im Visier bewaffneter, religiös motivierter Gruppen standen. Die Zahl solcher Angriffe ging also weiter zurück, was mit einem allgemeinen Rückgang der Zahl an Terroranschlägen einherging. Allerdings variieren die Daten zu religiös motivierten Angriffen, da es bei den relevanten Organisationen keine einheitliche Definition derartiger Angriffe gibt (USDOS 10.6.2020).
Speziell im Hinblick auf Christen wird für die Sicherheit der Kirchen durch die Polizei gesorgt, was das Risiko von Angriffen verringert und manchmal die eigenen Sicherheitsvorkehrungen der Gemeinden ergänzt. Die Regierung hat auch Schritte unternommen, um die Möglichkeiten von Terrorgruppen einzuschränken, die sich speziell gegen die allgemeine Öffentlichkeit und religiöse Minderheiten richten (UKHO 2.2021).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 11.5.2021
• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (2.2021): Country Policy and Information Note Pakistan: Christians and Christian converts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2046017/Country_informati
on_and_guidance_Christian_and_Christian_converts Pakistan February_2021.pdf, Zugriff
1.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031283.html , Zugriff am 11.5.2021
17.3 Hindus
Letzte Änderung: 24.06.2021
Laut Angaben des pakistanischen Statistikbüros sind 1,6% der ca. 207 Millionen Einwohner Pakistans Hindus [ca. 3,3 Millionen]; der Bevölkerungsanteil der Hindus in Sindh liegt bei 6,51% (PBS o.D.). Nach Angaben des Pakistan Hindu Council wird die Zahl der Hindus in Pakistan hingegen auf acht Millionen bzw. 4% der Bevölkerung geschätzt. Demnach leben 94% davon im Sindh, und die Hindus machen dort 17% der Gesamtbevölkerung aus (PHC o.D.).
Viele Hindus leben in der südlichen Provinz Sindh in schuldknechtschaftlichen Arbeitsbeziehungen zu ihren jeweiligen Großgrundbesitzern (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Sie sind zwar keiner systematischen Verfolgung von staatlicher Seite ausgesetzt, jedoch kommt der Staat seiner Schutzpflicht nicht ausreichend nach bzw. finden Hindus in ländlichen Regionen, wo Großgrundbesitzer einer Strafverfolgung entgehen können, nur begrenzten staatlichen Schutz. Ungefähr 80% der hinduistischen Frauen besitzen keinen Personalausweis und können damit ihr aktives Wahlrecht nicht wahrnehmen. Generell werden Hindus aber weniger durch staatliche Gesetze, als durch ein in Teilen der pakistanischen Gesellschaft bestehendes Klima der Intoleranz diskriminiert. Sie werden dabei auch Opfer religiös motivierter Gewalt (AA 29.9.2020).
Entführungen von hinduistischen Mädchen zum Zweck von Lösegeldforderungen sowie zur Zwangskonvertierung kommen im unteren Sindh häufig vor. Entführte Mädchen werden oft verheiratet und zum Islam zwangskonvertiert (DFAT 20.2.2019; vgl. BAMF 26.4.2021). Der Hindu Marriage Act 2017, welcher den Sindh Hindus Marriage Act 2016 komplementiert, kodifiziert erstmalig das Eherecht und die Registrierung von Ehen unter Hindus. Er gilt als politisches Zeichen gegen eine weitere Marginalisierung religiöser Minderheiten (AA 29.9.2020) und soll die Praktiken erzwungener Ehen und Konversionen, von denen Hindus überproportional betroffen sind, einschränken (DFAT 20.2.2019; vgl. USDOS 10.6.2020).
Im August 2019 legten Vertreter der muslimischen, hinduistischen, christlichen, Sikh- und Baha’i- Gemeinschaften dem Premierminister eine Resolution vor, in der sie zusätzlichen Schutz für religiöse Minderheiten und Frauen forderten. Die Resolution forderte u.a. die landesweiteAnhebung des Mindestheiratsalters für Frauen von 16 auf 18 Jahre, die Einrichtung eines Ministeriums für religiöse Minderheiten, und eine 5%-Quote bei nationalen und internationalen Bildungsstipendien für Minderheiten, Verhinderung der Diskriminierung von Minderheiten, und einen besonderen Schutz hinsichtlich des Missbrauchs der Blasphemie-Gesetze (USDOS 10.6.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber _die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stan d_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 12.5.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (26.4.2021): Briefing Notes, https:
//www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw17-2021.pdf? blob=publicationFile&v=3 , Zugriff 12.5.2021
• DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): DFAT Country Information Report Pakistan, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-pakistan.pdf , Zugriff 12.5.2021
• PBS - Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (o.D.): Population by Religion, https://www.pbs.gov . pk/content/population-religion , Zugriff 12.5.2021
• PHC - Pakistan Hindu Council (o.D.): Hindu Population, https://pakistanhinducouncil.org.pk/hindui sm/hindu-population-pk/, Zugriff 12.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 12.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031283.html , Zugriff am 12.5.2021
17.4 Konversion und Apostasie
Letzte Änderung: 24.06.2021
Grundsätzlich hat jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu bestimmen. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert zumindest verfassungsrechtlich die freie Religionsausübung. Die gesellschaftliche Realität sieht allerdings anders aus. Die Rechtsordnung schränkt nicht die Freiheit ein, die Religion zu wechseln. Im Gegensatz zu anderen islamischen Ländern, in denen Apostasie - der Abfall vom Islam - in Anlehnung an den Koran mit dem Tode bestraft wird, gibt es in Pakistan keine entsprechende strafrechtliche Bestimmung. Die Gesellschaft akzeptiert Apostasie aber in keiner Weise. Personen, die sich vom Islam abwenden, vertreten dies in aller Regel nicht öffentlich. Eine eventuelle Gefahr für Leib und Leben besteht v. a. dann, wenn sich der Betroffene besonders exponiert (AA 29.9.2020; vgl UKHO 2.2021). Es besteht die Gefahr, dass extremistische religiöse Gruppen, die von Fällen (angeblicher) Blasphemie oder Apostasie erfahren, an Muslimen oder Angehörigen religiöser Minderheiten Lynchjustiz üben (AA 29.9.2020).
Die Situation ist für eine Person, von der bekannt ist, dass sie vom Islam zum Christentum konvertiert ist, viel schwieriger als für eine Person, die als Christ geboren wurde. In Pakistan ist es selten, dass eine Person offen zum Christentum konvertiert, da es wahrscheinlich ist, dass die Konversion einer Person innerhalb ihrer Gemeinschaft bekannt wird, was mögliche Auswirkungen hat. Im Allgemeinen ist die Gesellschaft extrem feindselig gegenüber Konvertiten zum Christentum. Ein Mullah kann eine Fatwa erlassen, die ein Todesurteil gegen einen Konvertiten fordert, der als Abtrünniger betrachtet wird. Menschen, von denen bekannt ist, dass sie zum Christentum konvertiert sind, erleiden Gewalt, Einschüchterung und schwere Diskriminierung durch nichtstaatliche Akteure. Eine solche Behandlung ist in ganz Pakistan weit verbreitet (UKHO 2.2021).
Die Ehe eines nicht-muslimischen Paares wird ungültig, wenn die Frau zum Islam konvertiert; hingegen bleibt die Ehe gültig, wenn der Mann zum Islam konvertiert. Kinder, die einer nichtmuslimischen Ehe entstammen, gelten als illegitim und verlieren ihren Erbanspruch, wenn die
Mutter zum Islam konvertiert. Die einzige Möglichkeit, die Ehe und die Kinder zu legitimieren ist, dass der Mann ebenfalls zum Islam konvertiert. Konvertieren beide muslimischen Eltern zu einer anderen Religion, werden deren Kinder als illegitim angesehen. Der Regierung wäre es erlaubt, die Vormundschaft für diese Kinder zu übernehmen (USDOS 10.6.2020).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local72 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 12.5.2021
• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (2.2021): Country Policy and Information Note Pakistan: Christians and Christian converts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2046017/Country_informati
on_and_guidance_Christian_and_Christian_converts Pakistan February_2021.pdf, Zugriff
2.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031283.html , Zugriff am 12.5.2021
17.5 Blasphemiegesetze
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan gehört zu den Ländern mit den schärfsten Blasphemiegesetzen. Der überwiegende Teil der pakistanischen Gesellschaft unterstützt diese. Seit 1990 verbietet § 295a des Strafgesetzbuches das absichtliche Verletzen religiöser Objekte oder Gebetshäuser, § 295b die Entweihung des Koran und § 295c die Beleidigung des Propheten Mohammed. Die letztgenannte Norm sieht selbst bei unbeabsichtigter Erfüllung des Tatbestands der Prophetenbeleidigung die Todesstrafe vor. In den meisten Fällen wird auf Druck von Extremisten im erstinstanzlichen Urteil die Todesstrafe verhängt; Berufungsgerichte heben solche Urteile aber oft wieder auf (AA 29.9.2020). So wurde bislang kein Todesurteil in einem Blasphemiefall vollstreckt (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB
12.2020) .
Während die vagen und weit gefassten Blasphemiegesetze in den vergangenen Jahren dazu benutzt wurden, die am stärksten marginalisierten Menschen in der Gesellschaft ins Visier zu nehmen, wurde ihre Anwendung 2020 auf Künstler, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten ausgeweitet (AI 7.4.2021). Denn Blasphemiegesetze schränken das Recht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf Angelegenheiten der Religion und der religiösen Lehre ein. Die Gerichte setzen die Blasphemiegesetze durch, und obwohl die Behörden noch keine Person wegen Blasphemie hingerichtet haben, führen Anschuldigungen wegen Blasphemie oft zu Selbstjustiz und Lynchjustiz durch den Mob (USDOS 30.3.2021).
Das Risiko, Opfer eines Blasphemievorwurfs zu werden, hängt von einer Reihe von Faktoren ab und muss von Fall zu Fall beurteilt werden. Zu den relevanten Faktoren gehören der Wohnort, ob es sich um ein städtisches oder ländliches Gebiet handelt, und das Bildungsniveau der Person, ihr finanzieller und beruflicher Status und das Ausmaß öffentlicher religiöser Aktivitäten wie Predigten. Diese Faktoren sind nicht erschöpfend. Nichtstaatliche Akteure, die Blasphemiegesetze gegen Christen anwenden, sind oft durch Bosheit, persönliche oder geschäftliche Streitigkeiten,
Auseinandersetzungen um Land und Eigentum motiviert. Auch bestimmte politische Ereignisse können solche Anschuldigungen auslösen (UKHO 2.2021). Oft stehen also persönliche Motive hinter den Vorwürfen. Echte Beweise liegen in den seltensten Fällen vor. Die Verurteilungen wegen angeblicher Blasphemie stützen sich oft ausschließlich auf Zeugenaussagen (BAMF
5.2020) . Insgesamt ist zu beobachten, dass zwar Muslime die numerische Mehrheit der wegen Blasphemie Inhaftierten bilden, dass aber gleichzeitig religiöse Minderheiten im Verhältnis zu ihrem geringen Anteil an der Bevölkerung überproportional betroffen sind (USDOS 30.3.2021).
NGOs berichen, dass viele der Blasphemie beschuldigte Personen für längere Zeit in Einzelhaft bleiben, manchmal für mehr als ein Jahr. Die Regierung behauptet, diese Behandlung diene der Sicherheit des Einzelnen angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass Gefangene, die der Blasphemie beschuldigt werden, Bedrohungen durch die allgemeine Gefängnisbevölkerung ausgesetzt sind (USDOS 30.3.2021). Außerdem können Personen, denen „Prophetenbeleidigung“ vorgeworfen wird, kaum Rechtsbeistand finden. Pflichtverteidiger lehnen die Annahme der Fälle nicht selten ab oder verfolgen das Mandanteninteresse aus Furcht vor persönlichen Konsequenzen nicht ernsthaft (BAMF 5.2020).
Blasphemie-Vorwürfe geben immer wieder Anlass oder Vorwand für Mob-Gewalt oder Mordanschläge. Eine Person, die einmal wegen Blasphemie verurteilt worden ist, wird auch nach einem Freispruch durch ein Berufungsgericht vielfach von extremistischen Organisationen verfolgt. Insbesondere bei Angehörigen religiöser Minderheiten geraten zudem auch Familienangehörige von Angeklagten häufig ebenfalls ins Visier von Extremisten und erhalten z.B. anonyme Drohungen (AA 29.9.2020). Die Polizei griff in der Vergangenheit bei mehreren Gelegenheiten ein, um die Gewalt eines Mobs gegen Personen zu unterdrücken, die der Blasphemie beschuldigt wurden. Allerdings werden von der Polizei bei Ermittlungen in Blasphemie-Fällen nicht immer die richtigen Verfahren angewandt, untergeordnete Gerichte wenden nicht immer die richtigen Beweisstandards an und Richter zögern oft, Blasphemie-Fälle zu entscheiden, weil sie gewalttätige Vergeltung fürchten (UKHO 2.2021). Häufig erhebt die Polizei gegen Personen, die falsche Blasphemievorwürfe äußern, keine Anklage (USDOS 10.6.2020).
Besonders radikal tritt in der Öffentlichkeit die Gruppe Tehreek-e -Labbaik Pakistan (TLP) sowohl für die Beibehaltung der Blasphemie-Gesetzgebung als auch in Zusammenhang mit BlasphemieAnschuldigungen auf. In den letzten drei Jahren hat die TLP regelmäßig Kundgebungen in der Hauptstadt Islamabad und in der punjabischen Provinzhauptstadt Lahore abgehalten (BAMF
5.2020) .
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local72 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 12.5.2021
• AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048601 .html, Zugriff 14.4.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Länderreport 24 Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031016/laenderreport-24-pakistan.pdf , Zugriff 12.5.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 12.5.2021
• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (2.2021): Country Policy and Information Note Pakistan: Christians and Christian converts, https://www.ecoi.net/en/fNe/local/2046017/Country_informati
on_and_guidance_Christian_and_Christian_converts Pakistan February_2021.pdf, Zugriff
2.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031283.html , Zugriff am 12.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 22.4.2021
18 Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan hat eine pluralistische Gesellschaft mit unzähligen religiösen und ethno-linguistischen Identitäten. Die pakistanischen Minderheiten lassen sich im Wesentlichen in die Kategorien „ethnisch und sprachlich“ sowie „religiös" einteilen. Der Begriff „Minderheit“ wird in der Verfassung der Islamischen Republik Pakistan von 1973 an mehreren Stellen verwendet, es gibt jedoch keine Definition dieses Begriffs. Aufeinanderfolgende Bundesregierungen haben die Position vertreten, dass Minderheiten innerhalb Pakistans notwendigerweise religiös sind und dass es keine ethnischen oder sprachlichen Minderheiten oder indigene Völker gibt. Zu den ethnischen Minderheiten, die auch offiziell anerkannt sind, gehören Sindhis (14,1%), Paschtunen oder Pakh- tuns (15,42%, Volkszählung 2006), Mohajirs (7,57%), Belutschen (3,57%). Zu den religiösen Minderheiten gehören Christen (1,59%, Volkszählung 1998), Ahmadis (0,22%, Volkszählung 1998), Hindus (1,6%, Volkszählung 1998), Schiiten, Isma’ilis, Bohras, Parsen und Sikhs. Zu den am stärksten marginalisierten Gruppen gehören die Hazaras, eine ethnische Gruppe mongolisch-türkischer Herkunft, die eine persische Sprache spricht (MRGI 6.2019).
Vier große und zahlreiche kleine und kleinste ethnische Gruppen finden sich in Pakistan. Zu den großen gehören die Punjabis, Sindhis, Baluchis und Paschtunen. Soziale Beziehungen und Gruppierungen sind in Pakistan stark vertikal, also hierarchisch orientiert. Typisch für das hierarchische Prinzip in südasiatischen Gesellschaften ist auch das Kastensystem, das zwar abgeschafft wurde, aber immer noch in der Gesellschaft vorzufinden ist. Besonders bei den Paschtunen in Khyber Pakhtunkhwa und den Baluchen in Baluchistan, aber auch in den Provinzen Sindh und Punjab, finden sich noch Stammesstrukturen, die zu hierarchischen Verhältnissen führen können (GIZ 9.2020).
Quellen:
• MRGI - Minority Rights Group International (6.2019): Pakistan, https://minorityrights.org/country/p akistan/, Zugriff 12.5.2021
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/ , Zugriff 12.5.2021
18.1 Belutschen
Letzte Änderung: 24.06.2021
DieBelutschen sind die Ureinwohner von Belutschistan, das zwischen der pakistanischen Provinz Belutschistan und dem iranischen Belutschistan aufgeteilt ist. Die Mehrheit der Belutschen lebt in der Provinz Belutschistan in Pakistan. Belutschistan ist die größte aller Provinzen des heutigen Pakistans. Die sozioökonomischen Bedingungen der Belutschen sind miserabel, über 50% leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Belutschen sind mehrheitlich Sunniten und folgen der Hanafi-Rechtsschule (MRGI aktualisiert 6.2018).
Etwa sieben belutschische Aufstandsgruppen sind in Belutschistan aktiv, wobei die Belutschi- sche Befreiungsarmee (BLA) und die Belutschische Befreiungsfront (BLF) als die Hauptakteure von Aufständischen gelten (PIPS 2020). Die BLA kämpft für mehr Autonomie der Provinz Belutschistan und für die Eindämmung des chinesischen Einflusses in der Region; sie wurde 2006 von Pakistan und im Juli 2019 von den USA als terroristische Vereinigung eingestuft (BAMF 8.7.2019).
Menschenrechtsorganisationen berichten, dass einige Behörden belutschische Menschenrechtsaktivisten sowie belutschische Nationalisten willkürlich oder ohne Haftbefehl verschwinden lassen oder diese verhaften. Im Rahmen des Gesetzespakets Aghaz-e-Haqooq („Beginn der Rechte") von 2009 für Belutschistan kündigte die Regierung eine allgemeine Amnestie für alle politischen Gefangenen, Führer und Aktivisten im Exil sowie für diejenigen an, die angeblich an „staatsfeindlichen" Aktivitäten beteiligt waren. Trotz dieser Amnestieangebote setzt sich die illegale Inhaftierung von belutschischen Führern und das Verschwindenlassen von belutschischen Bürgern (darunter Terrorverdächtige aber auch etwa Lehrer, Menschenrechtsaktivitsten und Politiker) fort. Die föderale Untersuchungskommission für erzwungenes Verschwindenlassen in Belutschistan gibt an, dass von 483 Fällen, die zwischen März 2011 und März 2020 gemeldet wurden, noch 164 Fälle anhängig seien. Menschenrechtsaktivisten erklären, dass die Zahlen der Kommission unzuverlässig sind und die Zahl der verbleibenden Fälle höher ist als berichtet. Eine Gruppe gibt an, dass von den mehr als 5.000 seit 2018 verschwundenen Personen nur 450 wieder gefunden wurden (USDOS 30.3.2021).
Die Klagen der Belutschen rühren von ihren wirtschaftlichen Entbehrungen her. Belutschistan verfügt über wirtschaftliche Ressourcen, die von den aufeinanderfolgenden Bundesregierungen ausgebeutet wurden, ohne dass der Beitrag Belutschistans zur nationalen Wirtschaft gebührend gewürdigt oder in Form von Geld oder finanziellen Maßnahmen entschädigt wurde (MRGI aktualisiert 6.2018).
Quellen:
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (8.7.2019): Briefing Notes, Dokument liegt im Archiv der Staatendokumentation auf, Zugriff 12.5.2021
• MRGI - Minority Rights Group International (aktualisiert 6.2018): Pakistan - Baluchis; https://minori tyrights.org/minorities/baluchis-2/, Zugriff 12.5.2021
• PIPS - Pak Institute of Peace Studies (2020): Pakistan Security Report 2019, https://www.pakpips. com/web/wp-content/uploads/2020/03/sr2019full.pdf, Zugriff 12.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 12.5.2021
18.2 Hazara
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Hazara sind eine ethnische Gruppe eurasischer Herkunft und überwiegend schiitische Muslime. Sie unterscheiden sich äußerlich von den meisten anderen Pakistanis (EASO 8.2015). Die meisten praktizieren den schiitischen Islam, aber einige wenige sind Sunniten. Die Hazaras unterscheiden sich von anderen Schiiten in Pakistan durch ihre Sprache und ihre Gesichtszüge. Die meisten Hazaras leben in Afghanistan, aber auch in Pakistan gibt es eine große Hazara- Bevölkerung (MRGI 6.2019). Quellen schätzen die Zahl der Hazara in Pakistan auf 600.000 bis eine Million Menschen, die sich hauptsächlich in Quetta (Hauptstadt von Belutschistan) und Karatschi konzentrieren. Viele Hazara sind aufgrund der dort gegen sie gerichteten Gewalt von Quetta in andere pakistanische Städte gezogen, allen voran nach Karatschi. Innerhalb Quettas leben Hazara vor allem in zwei Enklaven (UKHO 11.2019).
Hazara sehen sich aufgrund ihrer Religion einem Risiko von Angriffen durch Aufständische ausgesetzt. Ihre eindeutige Identität erhöht dieses Risiko. Sicherheitsmaßnahmen in und um die Hazara-Enklaven in Quetta verringern das Risiko eines Angriffs, obwohl Bewegungen außerhalb dieser Gebiete, selbst unter Bewachung, dieses Risiko erhöhen. Insgesamt ist jedoch die Zahl der Sicherheitsvorfälle und der Opfer in den Hazara-Enklaven im Vergleich zu der in Pakistan lebenden Bevölkerung gering. Hazara, die außerhalb von Quetta und Belutschistan leben, neigen dazu, unter der Allgemeinbevölkerung zu leben, um das Risiko einer ethnischer Zuordnung und von Angriffen zu verringern (UKHO 11.2019; vgl. MRGI 6.2019).
Trotzdem sind Hazara aufgrund der Bedrohungslage weitgehend auf zwei von Hazara bewohnte Enklaven in Quetta beschränkt. Dies beschränkt erheblich ihre Möglichkeiten, sich frei zu bewegen, Arbeit zu finden oder eine höhere Bildung zu erlangen. Hazara berichten, dass die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen ihre Wohngebiete in Ghettos verwandelt haben, was wiederum zu wirtschaftlicher Ausbeutung geführt hat. Hazara geben an, dass Regierungsbehörden sie bei der Ausstellung von Personalausweisen und Pässen diskriminieren. Die Behörden sorgten für mehr Sicherheit bei schiitischen religiösen Prozessionen, beschränkten die öffentlichen Gottesdienste jedoch auf die Hazara-Enklaven (USDOS 30.3.2021; vgl. HRCP 4.2020).
Es sind einige höher gebildete Hazara beim Staat angestellt. Einige führen Geschäfte außerhalb der Enklaven. Innerhalb ihrer Enklaven haben sie Zugang zu Ausbildungsstätten und medizinischer Versorgung. Von staatlicher Seite gibt es keine diskriminierenden Gesetze, Richtlinien oder Vorgehen gegen die Hazara aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer Religion (UKHO 11.2019).
Quellen:
• EASO - European Asylum Support Office (8.2015): EASO Länderinformationen (COI) - Pakistan Länderüberblick, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/BZ0415498DEN1.pdf , Zugriff 12.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http: //hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-2 0190503.pdf, Zugriff 12.5.2021
• MRGI - Minority Rights Group International (6.2019): Pakistan, https://minorityrights.org/country/p akistan/, Zugriff 12.5.2021
• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (11.2019): Country policy and information note Pakistan: Hazaras, https://assets.publishing.service.gov.uk/govemment/uploads/system/uploads/attac
hment_data/file/851253/Pakistan_-_Hazaras_-_CPIN_-_v2.1 November_2019_.pdf, Zugriff
12.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 12.5.2021
18.3 Paschtunen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Viele Pakistanis assoziieren die Aktivitäten von Aufständischen im Land mit Paschtunen, die auf beiden Seiten der pakistanisch-afghanischen Grenze leben (DW 20.3.2017). Weil die pakistanische Taliban-Bewegung vornehmlich eine paschtunische Bewegung ist, sind viele Paschtunen durch eine Art Sippenhaft als „Islamisten“ oder „militante Kämpfer" gebrandmarkt worden (EASO 10.2018). Zudem hegen Teile der pakistanischen Elite Ressentiments gegen die Paschtunen, weil diese zur Gründungszeit Pakistans separatistischen Bestrebungen anhingen. Dabei hat die Idee einer Vereinigung der paschtunisch besiedelten Gebiete zu einem „Groß-Paschtunistan“ unter den pakistanischen Paschtunen aufgrund der schlechten Wirtschaftslage in Afghanistan kaum noch Anhänger (DW 20.3.2017).
Im Zuge des Kampfes gegen islamistische Aufständische kam es seitens der Sicherheitskräfte zu einem ethnischen Profiling von Paschtunen, insbesondere von Angehörigen einkommensschwacher Gruppen (DW 20.3.2017). Im Rahmen des „Kriegs gegen den Terrorismus“ kam es zu Übergriffen an sowie zu Verschleppungen und außergerichtlichen Tötungen von Paschtunen (EASO 10.2018).
Im Jahr 2018 erlebte Pakistan den Aufstieg des Pashtun Tahafuz Movement (Pashtun Protection Movement / PTM). Diese Bürgerrechtsbewegung fordert Schutz und Rechte für die paschtunische Minderheit im Land. Hierzu gehören etwa die Aufklärung von außergerichtlichen Tötungen, ein Ende willkürlicher Angriffe und Misshandlungen, die Rückkehr verschwundener Personen und die Räumung von Landminen in den ehemaligen Stammesgebieten (EASO 10.2019; vgl. AI 27.5.2019; UKHO 12.2020). Der Bewegung PTM geht es vornehmlich um die Aufklärung von an Paschtunen im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung begangenen Menschenrechtsverletzungen durch das Militär, vorwiegend im Gebiet entlang der afghanischen Grenze. Kritik am einflussreichen Militär ist in Pakistan jedoch heikel. Gegen Mitglieder des PTM wird nicht selten der Vorwurf der Terrorismusfinanzierung und Unterstützung der pakistanischen Taliban (Tehreek-e-Taliban Pakistan, TTP) erhoben (BAMF 19.4.2021).
Ab Frühjahr 2019 haben die pakistanischen Behörden ihr Vorgehen gegen die PTM intensiviert. Die Behörden setzen ihre Maßnahmen gegen Mitglieder der PTM fort. Es kam mitunter zur Folterung und zur Tötung von Führungsmitgliedern der PTM. In einem Fall, namentlich am 26.5.2019 in Nord-Waziristan, kam es bei einer Demonstration auch zur Tötung von 13 PTM-De- monstranten. Nach diesem Ereignis ging die Regierung hart gegen die PTM vor und verhaftete viele Führungskräfte der Gruppe sowie Unterstützer der Basis. PTM-Aktivisten konnten zwar viele dieser Verhaftungen vor Gericht erfolgreich anfechten; allerdings werden einige der danach Freigelassenen seither vermisst (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 27.5.2019).
Im Laufe des Jahres (2020) mobilisierte die PTM ihre überwiegend ethnischen paschtunischen Anhänger zur Teilnahme an Sitzstreiks und Demonstrationen, um Gerechtigkeit zu fordern und gegen Übergriffe der staatlichen Sicherheitskräfte zu protestieren. Nach der Zusage der Regierung, 2019 härter gegen die PTM vorzugehen, ging die Zahl der Proteste und Kundgebungen landesweit zurück. Die PTM-Aktivisten arbeiteten weiter, wenn auch nach der Verhaftung der meisten der wichtigsten Anführer der Bewegung unter viel größerer Beobachtung (USDOS 30.3.2021; vgl. AI 27.5.2019).
Quellen:
• AI - Amnesty International (27.5.2019): Pakistan: Investigate North Waziristan killings, https://ww w.amnesty.org/en/latest/news/2019/05/pakistan-investigate-north-waziristan-killings/, Zugriff
12.5.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021): Briefing Notes - Paki
stan, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes /2021/briefingnotes-kw16-2021.pdf? blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 14.5.2021
• DW - Deutsche Welle (20.3.2017): Why Pakistan associates terrorism with Pashtuns and Afghans, https://www.dw.com/en/why-pakistan-associates-terrorism-with-pashtuns-and-afghans/a-380243 38 , Zugriff 14.5.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2019): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019113/2019_EASO_Pakista n_Security_Situation_Report.pdf, Zugriff 12.5.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/en/file/local/1446962/1226_1539768050_p akistan-security-situation-2018.pdf , Zugriff 12.5.2021
• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (12.2020): Country Policy and Information Note Pakistan: Political parties and affiliation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041947/Pakistan-Political_parti es_and_affiliation-CPIN.v1.0_December_2020_.pdf , Zugriff 14.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 12.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html , Zugriff 14.5.2021
19 Relevante Bevölkerungsgruppen
19.1 Frauen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Rolle der Frau in Pakistan wird in erster Linie von einer islamischen Gesellschaft geprägt, in der weite Teile einer sehr konservativen Denkweise anhängen. Dem setzen sich vor allem Frauen aus der wirtschaftlichen Oberschicht entgegen, denen es z.T. gelingt, wichtige Positionen in Staat und Gesellschaft zu erringen (AA 29.9.2020). Das Gesetz verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, aber die Behörden setzen diese Bestimmung nicht durch. Frauen sind mit Diskriminierung im Beruf, Erb-, Familien- und Eigentumsrecht sowie im Justizsystem konfrontiert (USDOS 30.3.2021). Dies gilt unter anderem aufgrund der Anwendung der Scharia, die in Teilen des materiellen und prozessualen Rechts vorrangig zur Anwendung kommt (AA
29.9.2020) . Das Familienrecht gibt klare Richtlinien mit Bezug auf Schutz für Frauen im Falle einer Scheidung, Unterhaltsleistungen, sowie das Sorgerecht für minderjährige Kinder vor (USDOS 30.3.2021). Rechtliche Bestimmungen, die Frauen benachteiligen, finden sich u. a. im pakistanischen Strafgesetz, dem Staatsangehörigkeitsrecht und in der Gesetzgebung zum Schutz der Frau (AA 29.9.2020).
Frauen nehmen als Mitglieder politischer Parteien aktiv am politischen Geschehen teil. In ländlichen Gebieten halten kulturelle und traditionelle Barrieren Frauen oft davon ab, zu wählen. Gemäß dem 2017 verabschiedeten neuen Wahlgesetz müssen Frauen mindestens 5% der Kandidatenplätze einer Partei bekommen. Wenn weniger als 10% der Frauen ihre Stimme abgeben, wird davon ausgegangen, dass die Frauenstimmen unterdrückt wurden, wobei dann das Ergebnis für den betreffenden Wahlkreis annulliert wird. Es gibt 60 Sitze in der Nationalversammlung und 17 Sitze im Senat, die für Frauen reserviert sind. Die Behörden reservierten 132 der 779 Sitze in den Provinzversammlungen für Frauen und ein Drittel der Sitze in den Gemeinderäten. Frauen beteiligten sich aktiv als Parteimitglieder, aber sie waren nicht immer erfolgreich bei der Sicherung von Führungspositionen innerhalb der Parteien, abgesehen von den Frauenflügeln (USDOS 30.3.2021).
Gewalt gegen Frauen und Mädchen - einschließlich Vergewaltigung, Mord, Säureangriffe, häusliche Gewalt und Zwangsverheiratung - ist nach wie vor ein ernstes Problem in ganz Pakistan (HRW 23.1.2021). Hunderte von Fällen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen wurden im Laufe des Jahres gemeldet. Nur wenige, wenn überhaupt, wurden die Täter zur Rechenschaft gezogen (AI 7.4.2021). Auch Kinderheirat ist nach wie vor ein ernstes Problem in Pakistan: 21% der Mädchen werden vor dem 18. Lebensjahr verheiratet, 3% vor dem 15. Frauen, die religiösen Minderheiten angehören, sind besonders gefährdet, zwangsverheiratet zu werden. Die Regierung hat wenig getan, um solche Zwangsheiraten zu verhindern (HRW 23.1.2021).
Der Strafrahmen für Vergewaltigung reicht von 10 bis 25 Jahren Haft sowie einer Geldstrafe bis hin zur Todesstrafe. Das Gesetz stellt Vergewaltigung in der Ehe nicht ausdrücklich unter Strafe. Im Jahr 2016 wurde die gesetzliche Definition von Vergewaltigung, die bis dahin den Geschlechtsverkehr mit einem Mädchen unter 16 Jahren umfasste, auch auf Buben erweitert. Obwohl Vergewaltigungen häufig vorkommen, werden sie nur selten angezeigt, und bei Anzeigen sind Strafverfolgungen selten. Die Polizei nimmt manchmal Bestechungsgelder von Tätern an, missbraucht oder bedroht Opfer. Manchmal wird von Opfern verlangt, die Anzeige fallen zu lassen - insbesondere wenn es sich bei den mutmaßlichen Tätern um einflussreiche Gemeindeführer handelt. Darüber hinaus werden Vergewaltigungsvorwürfe oft durch außergerichtliche Maßnahmen gelöst, wobei das Opfer gezwungen wird, den Täter zu heiraten. Im Jahr 2016 verabschiedete das Parlament ein neues Anti-Vergewaltigungsgesetz, das die Abnahme von DNS, den Datenschutz des Opfers und das Recht auf juristische Vertretung vorsieht. Die Zahl an medizinischen Tests nach einer Vergewaltigung nimmt zu, in vielen Gebieten ist das medizinische Personal jedoch dazu nicht ausreichend geschult (USDOS 30.3.2021). Bei Vergewaltigung kann sowohl nach pakistanischem Strafgesetzbuch als auch nach den „Hudood"-Verordnungen durch eine Anzeige und unter Beiziehung forensischer und medizinischer Indizien das Gerichtsverfahren eröffnet werden. Über die Anklage entscheidet ein Richter (AA 29.9.2020).
Ehebruch wurde aus den Hudood-Verordnungen (diese Gesetze von 1979 sehen die Anwendung von Körperstrafen des islamischen Strafrechts für eine Reihe von Straftaten vor, z.B. Diebstahl) entfernt und als „Unzucht" in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Ehebruch wird mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe und Geldstrafe geahndet, die hierfür vorgesehene Todesstrafe wird nicht mehr verhängt. Für eine Anzeige werden hohe verfahrensrechtliche Hürden aufgestellt. Eine Verhaftung kann nur auf richterliche Anordnung erfolgen; Freilassung auf Kaution ist möglich (AA 29.9.2020).
Kein spezifisches Bundesgesetz verbietet häusliche Gewalt, die weit verbreitet ist. Die Polizei kann Taten häuslicher Gewalt gemäß den allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches zu Körperverletzung als Straftat anklagen. Streit um die Mitgift oder andere Familienstreitigkeiten führen manchmal zum Tod oder zur Verstümmelung durch Verbrennung oder Säure (USDOS 30.3.2021). Frauen sind ernsten Schwierigkeiten ausgesetzt, Misshandlungen anzuzeigen. Polizei und Gerichte sind abgeneigt, Fälle häuslicher Gewalt zu verfolgen, da diese als Familienprobleme angesehen werden. Statt Anzeigen aufzunehmen, ermutigt die Polizei die Streitparteien, sich zu versöhnen und schickt Missbrauchsopfer regelmäßig zu den sie misshandelnden Familienangehörigen zurück. Um den sozialen Normen entgegenzuwirken, die Opfer davon abhalten, geschlechtsspezifische Gewalt anzuzeigen, wurden Frauenpolizeistationen mit weiblichen Angestellten eingerichtet. Sie sollen Frauen einen sicheren Zufluchtsort für Anzeigen bieten. Den Einrichtungen mangelt es aber an Personal und Ausstattung (USDOS 30.3.2021). In den Provinzen Sindh (2013), Belutschistan (2014) und Punjab (2016) wurden Gesetze gegen häusliche Gewalt verabschiedet (Dawn 13.2.2019).
Die Regierung unterhält ein Krisenzentrum für Frauen in Notlagen, das misshandelte Frauen an NGOs zur Unterstützung weitervermittelt. Weiters gibt es zahlreiche staatliche Shaheed-Ben- azir-Bhutto-Frauenschutzzentren, die temporären Schutz, rechtliche Hilfe sowie medizinische und psychologische Betreuung bieten. Von diesen werden die Frauen in eines von landesweit mehreren hundert, von den Provinzen verwalteten Dar-ul-Aman (Frauen- und Kinderzentren) weitergeleitet. Dort wird Unterkunft und medizinische Versorgung gewährt, allerdings gibt es keine rechtliche oder psychologische Beratung. Viele der staatlichen Zentren sind überfüllt und nicht ausreichend mit Ressourcen und Personal ausgestattet. Es gibt Fälle, in denen Frauen in staatlichen Schutzhäusern missbraucht, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder gedrängt wurden, zu ihren Misshandlern zurückzukehren. Manchmal wurde Frauen in Zentren zur Prostitution gezwungen (USDOS 30.3.2021).
NGOs gewähren nicht nur Schutz in Frauenhäusern, sondern leisten auch Rechtsbeistand, engagieren sich für eine Ausbildung der Frauen und versuchen, eine gütliche Verhandlungslösung herbeizuführen und in weiterer Folge eine Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen (ÖB
12.2020) . Z.B. bietet die private Edhi Foundation Unterstützung in vielen sozialen Bereichen - u.a. auch Unterkunft für Frauen, die häuslicher Gewalt entkommen sind. In landesweit 18 sogenannten Edhi Homes sind 8.500 Personen untergebracht (Edhi o.D.).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local72 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Behcht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 14.4.2021
• AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048601 .html, Zugriff 14.4.2021
• Dawn - (13.2.2019): Domestic violence, https://www.dawn.com/news/1463533 , Zugriff 14.5.2021
• Edhi Foundation - (o.D.): Edhi Homes & Orphanage Centres, https://edhi.org/edhi-homes-orphan age-centres/, Zugriff 14.5.2021
• HRW - Human Rights Watch (23.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043507.html , Zugriff 3.3.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 26.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 12.5.2021
19.2 Blutfehden, Ehrverbrechen und andere relevante traditionelle Praktiken
Letzte Änderung: 24.06.2021
Blutracheist vor allem im ländlichen Bereich Pakistans noch immer ein verbreitetes Phänomen. Die meisten Fälle dürfte es in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa geben, Blutfehden kommen aber auch in den ländlichen Gebieten Sindhs und Punjabs vor. Auslöser für Blutfehden zwischen Familien sind Ehrverletzungen, die aus einem Mord eines Angehörigen, der Respektlosigkeit gegenüber einem weiblichen Familienmitglied, einer Beleidigung, Verletzung von Eigentumsrechten (Bewässerungskanäle, Land) etc. bestehen können. Das Konzept der Ehre (ghairat), das vor allem in der paschtunischen Bevölkerung Khyber Pakhtunkhwas besonders stark ausgeprägt ist, verlangt es, eine Ehrverletzung zu rächen. Blutfehden führen oft dazu, dass Familien über Generationen miteinander verfeindet sind und in ständiger Angst davor leben, dass eines ihrer Familienmitglieder aus Rache getötet wird (ÖB 12.2020).
In den einstigen, seit 2018 in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliederten Stammesgebieten FATA, die bisher de facto nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion unterliegen, hat sich ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes paralleles Rechtssystem mit den im übrigen Staatsgebiet verbotenen „Jirga“-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Während sich männliche Angeklagte mit Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden. 2017 wurde die Rechtsprechung in den Stammesgebieten jedoch dem Peshawar High Court unterworfen. Der Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen in den ehemaligen Stammesgebieten und die Umsetzung des Reformprozesses stehen jedoch noch ganz am Anfang (AA 29.9.2020).
Eine wesentliche Neuerung ist die Abschaffung des Konzepts der Vergebung (diyat). Bis zur Einführung des Gesetzes konnte die Familie der Ermordeten dem Täter vergeben, was zur automatischen Straffreiheit des Täters führte und damit einer strafrechtlichen Verfolgung ent- gegenständ. Der Implementierung der Anti Honour Killings Bill steht die große Bedeutung des informellen Justizwesens in vielen ländlichen und von Stammesstrukturen geprägten Teilen Pakistans entgegen (ÖB 12.2020).
Das Gesetz über Ehrenmorde aus dem Jahr 2004 (Honour Killing Act), sowie das Gesetz zur Verhütung frauenfeindlicher Praktiken aus dem Jahr 2011 und das Strafrechtsänderungsgesetz (Straftaten im Namen oder unter dem Vorwand der Ehre) aus dem Jahr 2016 stellen „Ehrentötungen“ (Karo Mari) unter Strafe (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Unter „Ehrenmord“ wird der Mord an Männern oder Frauen verstanden, die beschuldigt werden, soziale Tabus gebrochen zu haben. Frauen und Mädchen, die beispielsweise angeblich Kontakt zu fremden Männern haben, eine unerlaubte Beziehung unterhalten, sich einer Zwangsheirat widersetzen oder vergewaltigt wurden, laufen Gefahr, von ihren Angehörigen getötet oder mittels ätzender Chemikalien schwer verletzt zu werden (BAMF 5.2020).
Gemäß Angaben einer Quelle werden jedes Jahr etwa 1.000 Frauen bei sogenannten Ehrenmorden getötet (HRW 23.1.2021). Eine andere Quelle berichtet, dass trotz der bestehenden Gesetze 2020 Hunderte von Frauen Opfer sogenannter Ehrenmorde wurden. Viele Fälle werden zudem nicht gemeldet und bleiben ungestraft - nicht zuletzt, weil sich viele dieser Verbrechen innerhalb der Familie zutragen. In vielen Fällen gestatten die Behörden den an dem angeblichen „Ehrenverbrechen“ beteiligten Männern zu fliehen. Polizei und NGOs berichteten, dass die zunehmende Berichterstattung in den Medien es den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht, gegen derartige Verbrechen vorzugehen (USDOS 30.3.2021).
Blutfehden führen oft dazu, dass Familien über Generationen miteinander verfeindet sind und in ständiger Angst davor leben, dass eines ihrer Familienmitglieder aus Rache getötet wird. Besonders in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa ist es üblich, zur Beendigung von Blutfehden eine junge Frau (oft Mädchen unter 18 Jahren) als Blutzoll an eine verfeindete Familie zu übergeben. Die Zwangsverheiratung eines Mädchens kann dabei nicht nur als Sühne für einen erfolgten Mord, sondern auch für andere Ehrverletzungen, die von dessen Vater, Bruder oder Onkel begangen wurden, erfolgen. Der Criminal Law (Third Amendment) Act 2011 stellt diese Praxis des badla-a-sulh (auch: wanni oder swara; Gabe eines Mädchens/einer Frau zur Beilegung von Streitigkeiten) unter Strafe von bis zu sieben Jahren Haft. Auch Zwangsverheiratung ist darin mit bis zu sieben Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Trotz des Verbots ist die Praxis noch immer weit verbreitet. Es fehlen offizielle Statistiken, laut der NGO CAMP dürften aber 20% aller Fälle von Gewalt gegen Frauen auf swara/wanni zurückzuführen sein. Es gibt allerdings eine Reihe von NGOs, die sich um solche Frauen kümmern, sowie staatliche Einrichtungen wie Crisis Center for Women in Distress und Shaheed Benazir Bhutto Centers for Women, die jeweils einer kurzfristigen Erstbetreuung dienen, wie auch rund 200 Frauenhäuser (Dar-ul- Aman). Ferner können sich Opfer allenfalls direkt an die Human Rights Cell des Supreme Court wenden (ÖB 12.2020).
Das Gesetz zur Bekämpfung der Ausbeutung und Diskriminierung von Frauen („Prevention of Anti-Women Practices Act“) vom 15.11.2011 zielt v.a. auf Zwangsehen, den Brauch der „Verheiratung mit dem Koran“ und den Ausschluss vom Erbrecht ab (AA 29.9.2020).
Sogenannte „verbotene" Eheschließungen (gegen den Willen der Eltern geschlossene Ehen bzw. Liebesehen; Anm.) sind gemäß pakistanischer Rechtsordnung gültig; auch Frauen können grundsätzlich ohne Einwilligung der Eltern heiraten. Arrangierte Ehen, die allerdings nicht mit Zwangsehen gleichzusetzen sind, sind besonders in ländlichen Gebieten sowie innerhalb der unteren Mittelschicht sowie der Arbeiter- und Bauernklasse nach wie vor üblich. Als Problem könnte sich bei diesen „verbotenen" Ehen allerdings die Anwendung der Hudood Ordinances wegen Unzucht erweisen, wobei die Polizei hier häufig nicht auf den Schutz der Betroffenen, sondern vielmehr auf deren Verfolgung bedacht ist. Es existieren in Pakistan keine Institutionen, die vom Staat dezidiert zum Schutz von Personen, die eine solche Art Ehe schlossen, eingerichtet wurden (ÖB 12.2020).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 10.5.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Ländereport 24 Pakistan,
https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Laenderreporte/20 20/laenderreport-24-pakistan.pdf? blob=publicationFile&v=3 , Zugriff 10.5.2021
• HRW- Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043507.html , Zugriff 10.5.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 10.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 10.5.2021
19.3 Kinder
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan hat das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes ratifiziert. Allerdings mangelt es nach wie vor an einer adäquaten Umsetzung. Menschenrechtsorganisationen sind mit den Berichten der Regierung an das Committee on the Rights of the Child (CRC) nicht zufrieden und erstellen eigene Schattenberichte. Als Erfolge listet das CRC u.a. die folgenden Entwicklungen auf: verbesserte Geburtenregistrierung (aber immer noch nur rund 30%); Bemühungen gegen Prügelstrafen in Schulen; Verabschiedung des Criminal Law (Third Amendment) Act 2011 zur härteren Bestrafung bestimmter Formen von Kinderzwangsheirat (Wanni, Swara, Budla-a- sulh); Einrichtung von nationalen und regionalen Kinderschutzzentren, Rehabilitationszentren für ehemalige Kinderarbeiter und Unterkünfte für Waisenkinder (Pakistan Sweet Homes) (ÖB
12.2020) .
Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist im häuslichen Bereich weit verbreitet, diesbezüglich gibt es keine Gesetzgebung. Außerdem werden solche Fälle nur sehr selten der Polizei gemeldet (ÖB 12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Junge Mädchen und Buben, die als Hausangestellte arbeiten, werden misshandelt und haben lange Arbeitszeiten bei ihren Arbeitgebern. Viele dieser Kinder sind Opfer von Menschenhandel (USDOS 30.3.2021). Die Kinderrechtsorganisation
Sahil meldete von Jänner bis Juni 2020 durchschnittlich mehr als sechs Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch pro Tag in ganz Pakistan (HRW 23.1.2021).
Die Strafen für Kinderehen wurden 2017 deutlich auf fünf bis zehn Jahre Haft verschärft. Bundesgesetze legen das Heiratsalter auf 18 Jahre für Männer und 16 für Frauen fest. Gemäß Provinzgesetz liegt im Sindh das Heiratsalter für beide Geschlechter bei 18 Jahren. Trotz Verbots kommen Kinderehen vor. Es werden viele Fälle angezeigt, aber die Strafverfolgung bleibt eingeschränkt. Gemäß einer repräsentativen landesweiten Erhebung waren fast ein Viertel aller Frauen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet (USDOS 30.3.2021).
Die Verfassung sieht vor, dass für alle Kinder zwischen dem 5. und 16. Lebensjahr eine Schulpflicht samt kostenlosem Schulbesuch besteht. Dennoch stellen die staatlichen Schuleinrichtungen den Eltern oft Kosten für Bücher, Schuluniformen und andere Materialien in Rechnung. Für ehemals binnenvertriebene Kinder ist es schwierig, nach der Rückkehr in die ehemaligen Konfliktzonen Bildungseinrichtungen zu besuchen. Mehr als 1.800 Schulen in den ehemaligen FATA bleiben (Stand 2018) wegen Beschädigungen oder Sicherheitsbedenken geschlossen. Für die Regierung hat der Wiederaufbau der Schulen Priorität und die Zahl der Kinder, die nicht zur Schule gehen, hat sich verringert (USDOS 30.3.2021).
Aufständische Gruppierungen entführen Buben und Mädchen oder bezahlen Eltern Geld, um diese Kinder ab einem Alter von zwölf Jahren als Späher, Kämpfer oder als Selbstmordattentäter einzusetzen. Oftmals werden die Kinder sexuell und körperlich missbraucht und unter psychischen Druck gesetzt, um sie zu überzeugen, dass die Handlungen, die sie begehen, gerechtfertigt sind. Die Regierung betreibt in Swat eine Einrichtung zur Wiedereingliederung ehemaliger Kindersoldaten, die dort auch Bildung erhalten (USDOS 30.3.2021). Schon vor der Covid-19-Pandemie gingen in Pakistan über 5 Millionen Kinder im Grundschulalter nicht zur Schule, die meisten von ihnen Mädchen. Gründe dafür sind bei Mädchen der Mangel an Schulen, Kosten, Kinderheirat, schädliche Kinderarbeit und geschlechtsspezifische Diskriminierung. Schulschließungen zum Schutz vor der Ausbreitung von Covid-19 betrafen fast 45 Millionen Schüler; schlechte Internetverbindungen innerhalb des Landes behinderten den Onlineunterricht (HRW 23.1.2021).
Es gibt mehrere Hilfs- und Kinderrechtsorganisationen, die in den meisten größeren Städten Pakistans tätig sind. Allerdings gibt es nach wie vor kein Pflegeelternmodell. Private Waisen- und Schutzhäuser entsprechen oft nicht den erforderlichen Qualitätsstandards (ÖB 12.2020).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 10.5.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 10.5.2021
• HRW - Human Rights Watch (23.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043507.html , Zugriff 3.3.2021
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 12.5.2021
19.4 Sexuelle Minderheiten und Geschlechteridentität
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das pakistanische Strafgesetzbuch kriminalisiert weiterhin gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen und setzt Männer, die Sex mit Männern haben und Transgender-Personen dem Risiko polizeilicher Übergriffe und anderer Gewalt und Diskriminierung aus (HRW 23.1.2021). Homosexualität ist gem. § 377 PPC („gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr“) verboten; für eine Verurteilung ist der Beweis des Geschlechtsaktes zwingend erforderlich. Das Strafmaß beträgt im Regelfall zwei bis zehn Jahre Haft, in besonders schweren Fällen bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Allerdings sind keine Strafverfahren gegen männliche oder weibliche Homosexuelle, die Beziehungen auf einvernehmlicher Basis unterhalten, bekannt. Diese können aber leicht Opfer von Erpressungen seitens der Polizeibehörden werden, sofern ihre Beziehungen bekannt werden. Homosexualität ist in Pakistan gesellschaftlich nicht akzeptiert, wird aber im privaten Bereich toleriert (AA 29.9.2020). Das pakistanische Gesetz schreibt also strafrechtliche Sanktionen für gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen vor. Doch obwohl es sich um eine Straftat handelt, wird Homosexualität im Land nur selten strafrechtlich verfolgt (GIZ 9.2020).
Im Jahr 2018 verabschiedete das Parlament das Transgender Persons (Protection of Rights) Act, das einen umfassenden Schutz für Transgender-Personen vorsieht. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof Pakistans in einem historischen Urteil von 2009 zugunsten von Bürgerrechten für Transgender-Bürger entschieden, und weitere Gerichtsurteile bestätigten und erhöhten diese Rechte. Allerdings hat Pakistan keine Bürgerrechtsgesetze, die Diskriminierung oder Belästigung aufgrund der sexuellen Orientierung verbieten. Weder gleichgeschlechtliche Ehen noch bürgerliche Vereinigungen genießen rechtliche Anerkennung und werden kaum jemals im politischen Diskurs erwähnt (GIZ 9.2020).
Diskriminierung und Missbilligung der LGBT-Gruppen und das damit verbundene soziale Stigma sind meist auf religiöse und patriarchalische Überzeugungen zurückzuführen. Dennoch sind Angehörige sexueller Minderheiten in der Lage, sich zu organisieren, zu verabreden und sogar als Paar zusammenzuleben - aber meist nur insgeheim (GIZ 9.2020). Gewalt und Diskriminierung gegen Angehörige sexueller Minderheiten halten an. Die Verbrechen werden oft nicht gemeldet, und die Polizei unternimmt im Allgemeinen wenig, wenn sie Meldungen erhält. Die Gesellschaft grenzt Transgender, Eunuchen und Intersexuelle generell aus. Die Behörden verweigern Transgender-Personen oft ihren Anteil am Erbe sowie den Zugang zu Schulen und Krankenhäusern. Außerdem haben sie Schwierigkeiten dabei, Unterkünfte anzumieten. Es gibt zwar Gemeinschaften von bekennenden Transgender-Frauen, diese werden aber marginali- siert und häufig Ziel von Gewalt und Belästigung (USDOS 30.3.2021). Nach Angaben lokaler Menschenrechtsgruppen wurden seit 2015 in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa mindestens 65 Transgender-Frauen getötet (HRW 23.1.2021).
Im Jahr 2018 verabschiedet das Parlament das Transgender Persons (Protection of Rights)- Gesetz. Das Gesetz gewährt Transgender-Personen das Recht, entsprechend ihrer selbst wahrgenommenen geschlechtlichen Identität anerkannt zu werden. Es sieht Grundrechte vor und verbietet Belästigung und Diskriminierung von Transgender-Personen in den Bereichen Beschäftigung, Wohnung, Bildung, Gesundheitsversorgung und anderen Diensten. Es gibt jedoch kein solches Gesetz, das die Rechte von lesbischen, schwulen oder bisexuellen Personen schützt. Im Mai 2020 startete die Polizei in Rawalpindi ein Pilotprojekt zum Schutz von Transgender-Personen. Das Projekt mit dem Namen Tahafuz Center wurde am 12. Mai eröffnet und umfasst den ersten Transgender-Opferschutzbeauftragten, der ebenfalls ein Mitglied der Transgender-Ge- meinschaft ist (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 14.5.2021
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/ , Zugriff 4.3.2021
• HRW - Human Rights Watch (23.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043507.html , Zugriff 4.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 14.5.2021
20 Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das Gesetz gewährleistet Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein. In einigen Teilen des Landes behindern die Behörden aus Sicherheitsgründen routinemäßig die interne Mobilität (USDOS 30.3.2021).
Es gibt einige gesetzliche Beschränkungen für Reisen und die Möglichkeit, den Wohnsitz, den Arbeitsplatz oder die Hochschuleinrichtung zu wechseln. Die Behörden behindern in einigen Teilen des Landes aus Sicherheitsbedenken routinemäßig Reisen bzw. interne Bewegungen. Das Hauptinstrument zur Einschränkung von Auslandsreisen ist die Exit Control List (ECL), die namentlich genannte Personen von der Nutzung der offiziellen Ausreisepunkte des Landes ausschließt. Sie soll sowohl jene umfassen, die eine Sicherheitsbedrohung darstellen, als auch jene, gegen die ein Gerichtsverfahren läuft. Regelmäßig wird die ECL allerdings als Mittel zur Kontrolle Andersdenkender eingesetzt (FH 3.3.2021).
Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein sogenanntes No-Objection-Certificate einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind
oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Strafverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 30.3.2021). Die NGO HRCP gibt an, dass Dissidenten und Mitglieder der politischen Opposition, die auf die Exit Control List gesetzt wurden, daran gehindert werden, ins Ausland zu reisen. Offizielle Bewegungsbeschränkungen wurden für Personen verhängt, die an politischen Kundgebungen und Protestkundgebungen teilnahmen. Der visumfreie Kartapur-Korridor, der Gurdwara Darbar Sahib im pakistanischen Punjab mit Dera Baba Nanak im indischen Punjab verbindet, wurde geöffnet (HRCP 4.2020).
Quellen:
• FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2052851.html, Zugriff 9.6.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http: //hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-2 0190503.pdf, Zugriff 10.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 10.5.2021
20.1 Meldewesen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan verfügt über eines der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA) (PI 1.2019). Die Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa, Punjab und Sindh sowie das Hauptstadtterritorium Islamabad haben ein System für die Registrierung der Bewohner. In den Provinzen Azad-Jammu und Kaschmir, Gilgit-Baltistan und den ehemaligen FATA konnten laut IRBC keine Infos über solche Registrierungssyteme gefunden werden. In allen vier Provinzen besteht jedoch eine Meldepflicht. Die Gesetze werden allerdings nur lückenhaft umgesetzt, aber Vergehen werden in allen Provinzen streng geahndet. Die zuständige Behörde zur Erhebung der Meldedaten ist die Polizei. Die Bezirksleiter der Polizei sind für die lückenlose Erfassung der Bewohner in ihren Bezirken verantwortlich (IRB 23.1.2018).
Bei gemieteten Räumlichkeiten ist es die Pflicht des Mieters oder Vermieters oder auch des Immobilienhändlers, der Polizei zusammen mit dem Mietvertrag vollständige Angaben über den Mieter zu machen. In den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa müssen zusätzlich noch zwei Referenzpersonen genannt werden, die den Bewohner identifizieren können. Hotels sind verpflichtet, Informationen über ihre Gäste zu übermitteln sowie diese Informationen zu archivieren und für die Polizei jederzeit einsehbar zu halten (IRB 23.1.2018).
Quellen:
• PI - Privacy International (1.2019): State of Privacy Pakistan, https://privacyinternational.org/state -privacy/1008/state-privacy-pakistan , Zugriff 10.5.2021
• IRB - Immigration and Refugee Board [Kanada] (23.1.2018): Pakistan: Tenant registration systems, including implementation; whether authorities share information on tenant registration (2015-De- cember 2017), https://www.refworld.org/docid/5aa8d84a7.html , Zugriff 10.5.2021
21 IDPs und Flüchtlinge
21.1 IDPs
Letzte Änderung: 24.06.2021
In seinem „2020 Global Report on Internal Displacement" gab das International Displacement Monitoring Centre (IDMC) an, dass sich die Gesamtzahl der konflikt- und gewaltbedingten Binnenvertriebenen in Pakistan zum 31. Dezember 2019 auf 106.000 beläuft. Daneben kommt es immer wieder zu innergemeinschaftlichen Konflikten, die ebenfalls Ursache von Vertreibungen sein können. Bis zum 9. Juli 2020 galten noch 16.780 Familien als vertrieben. Die meisten davon sind aus dem Stammesgebiet Nord-Waziristan gefolgt vom Stammesgebiet Khyber (EASO
10.2020) .
Seit 2008 kam es aufgrund von militanten Aktivitäten und Militäroperationen in Khyber Pakhtunkhwa und den ehemaligen FATAzu großen Bevölkerungsverschiebungen. Die Rückkehr wurde unter verbesserten Sicherheitsbedingungen fortgesetzt. Die Regierung und UN-Organi- sationen wie der UNHCR, UNICEF und das Welternährungsprogramm arbeiten zusammen, um den vom Konflikt Betroffenen zu helfen und jene zu schützen, die im Allgemeinen bei Gastfamilien, in gemieteten Unterkünften oder - in geringerem Umfang - in Lagern leben (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB 12.2020).
Rund ein Drittel der registrierten IDPs hatte Schätzungen von UNOCHA zufolge Anfang 2016 keinen Zugang zu Trinkwasser, zwei Dritteln fehlte es an ausreichender Nahrung; weitere Problembereiche betrafen die oft unzureichende Unterbringung, die mangelnden Bildungs- (69 % der minderjährigen IDPs gehen nicht zur Schule) und Gesundheitseinrichtungen sowie generell die ungenügende Infrastruktur (Stromversorgung, sanitäre Einrichtungen, etc.). Aktuelle Zahlen dazu liegen nicht vor, aufgrund der großen Zahl an Rückkehrern kann aber von einer Verbesserung der humanitären Lage ausgegangen werden (ÖB 12.2020).
Es gibt keine Berichte über unfreiwillige Rückkehrer. Berichten zufolge wollen viele Binnenvertriebene in ihre Heimat zurückkehren, trotz des Mangels an lokaler Infrastruktur, Unterkünften und verfügbaren Dienstleistungen sowie der strengen Kontrolle, die die Sicherheitskräfte durch umfangreiche Kontrollpunkte über die Bewegungen der Rückkehrer ausüben. Andere IDP-Fami- lien zögern ihre Rückkehr hinaus oder entscheiden sich dafür, dass einige Familienmitglieder in den besiedelten Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa bleiben, wo ein regulärer Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung und anderen sozialen Diensten möglich ist. Für Binnenvertriebene, die nicht zurückkehren wollen oder können, koordiniert die Regierung die Unterstützung mit den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen (USDOS 30.3.2021). Die geordnete Rückführung der IDPs in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an Infrastruktur und privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 29.9.2020).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local72
038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 7.5.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi .net/en/fNe/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff
7.5.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 7.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 7.5.2021
21.2 Afghanische Flüchtlinge
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan beherbergt drei Kategorien von Afghanen: (1) registrierte Bevölkerung (Inhaber einer gültigen POR (Proof of Registration)-Karte) - 1,435.445 Millionen; (2) neu dokumentierte Inhaber afghanischer Staatsbürgerkarten - 0,75 Millionen sowie (3) Afghanen ohne Papiere (übrig) - 0,75 Millionen (Schätzung) (VB 6.5.2021; vgl. UNHCR last updated 31.12.2020). Nach anderen Angaben besitzen 800.000 afghanische Staatsangehörige eine Afghan Citizen Card (ACC), die ihnen einen legalen Aufenthaltstitel bietet (AA 29.9.2020). Der größte Teil der Flüchtlinge lebt in den zwei am schwächsten entwickelten Provinzen Khyber Pakhtunkhwa (58%) und Belutschistan (23%). Knapp 70% leben außerhalb der Flüchtlingslager und setzen die bereits belasteten lokalen Systeme öffentlicher Dienstleistungen (Bildung, Gesundheit) und den Arbeitsmarkt zusätzlich unter Druck (UNHCR 6.7.2020). Anläßlich der Covid-19-Krise kam es zu einer realtiv umfassenden und ebenso ungeregelten Rückreisewelle von Pakistan nach Afghanistan, weshalb die genauen Zahlen derzeit schwer zu eruieren sind (ÖB 12.2020).
Am 15. April 2021 wurde der Beginn der Umsetzung des DRIVE-Programmes (Documentation Renewal and Information Verification Exercise) eingeläutet. Hierbei handelt es sich um ein Programm der pakistanischen Regierung, das gemeinsam mit UNHCR in den nächsten (zumindest) sechs Monaten umgesetzt werden soll. Ziel dabei ist es, dass afghanische Flüchtlinge in Pakistan, die bisher Inhaber einer Proof of Registration (POR)-Karte mit Ablaufdatum 31. Dezember 2015 waren, eine neue Registrierungskarte ausgestellt bekommen. Registrierte Flüchtlinge erhalten sogenannte neue „Smartcards“, die die Fähigkeit haben, auch biometrische Daten zu speichern. Diese Karten, die zwei Jahre gültig sind, sind auch technologisch kompatibel mit Systemen, die in Pakistan zur Verifizierung von Identitäten von Staatsangehörigen für den Zugang zu Dienstleistungen verwendet werden. Bei der Neuausstellung werden zudem Fertigkeiten, das Bildungsniveau sowie die sozioökonomischen Umstände afghanischer Flüchtlinge erfasst, um dieser Personengruppe - laut Behördenangaben - eine gezieltere Unterstützung in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Lebensunterhaltzukommen zu lassen. Ziel des DRIVE-Programms ist es, dass in einer landesweiten Überprüfung 1,4 Millionen afghanischen Flüchtlingen in Pakistan derartige neue Smartcards ausgestellt werden (VB 6.5.2021; vgl. UNHCR 15.4.2021). Aufgrund der COVID-19-Situation wurde für etwa drei Millionen afghanische Flüchtlinge eine Verlängerung des Aufenthalts für ein Jahr (bis zum 30. Juni 2021) beschlossen. Dabei sind auch die ungefähr 1,4 Millionen afghanischen Flüchtlinge mit der POR-Karte erfasst (VB 6.5.2021).
Die Regierung arbeitet mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um mindestens 1,4 Millionen Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen, Asylbewerbern und anderen betroffenen Personen Schutz und Hilfe zu bieten. In Ermangelung eines nationalen Rechtsrahmens für Flüchtlinge führt der UNHCR im Rahmen seines Mandats die Bestimmung des Flüchtlingsstatus durch. Es gibt kein formales Dokument, das es Flüchtlingen erlaubt, legal zu arbeiten, aber es gibt kein Gesetz, das es Flüchtlingen verbietet, im Land zu arbeiten. Viele Flüchtlinge arbeiten als Tagelöhner oder auf informellen Märkten, und die lokalen Arbeitgeber beuten die Flüchtlinge auf dem informellen Arbeitsmarkt oft mit niedrigen oder unbezahlten Löhnen aus. Frauen und Kinder sind besonders gefährdet und nehmen unterbezahlte und unerwünschte Arbeit an. Ein Drittel der registrierten afghanischen Flüchtlinge lebt in einem der 54 Flüchtlingsdörfer, die restlichen zwei Drittel leben in den Aufnahmegemeinden in ländlichen und städtischen Gebieten. Es gibt keine Berichte über Flüchtlinge, denen der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen aufgrund ihrer Nationalität verweigert wurde. Im Jahr 2019 erlaubte die Regierung afghanischen Flüchtlingen, mit ihren POR-Karten Bankkonten zu eröffnen (USDOS 30.3.2021).
Die Lage registrierter Flüchtlinge ist aufgrund ihres legalen Aufenthaltsstatus in der Regel geprägt von höherer Rechtssicherheit und einem verbesserten Zugang zu Unterstützungsangeboten des UNHCR sowie zu bestimmten Dienstleistungen (Bildung, Gesundheit). Fälle zwangsweiser Rückführungen von PoR-Karteninhabern nach Afghanistan sind nicht bekannt, bei ACC- Karteninhabern und nicht-dokumentierten afghanischen Staatsangehörigen finden diese jedoch statt (AA 29.9.2020).
IOM Pakistan sammelt Daten über die Abwanderung undokumentierter afghanischer Migranten an den Grenzübergängen Torkham und Chaman. Während des Berichtszeitraums (11.-24. April 2021) wurden 13% der Rückkehrer als schutzbedürftige Personen eingestuft, hauptsächlich ältere Menschen und chronisch Kranke. In Pakistan waren die von den Rückkehrern angegebenen Hauptbeschäftigungen: ungelernte Arbeitskräfte (65%), Facharbeiter (29%), Geschäftsleute (3%) und Studenten (3%). Die durchschnittlichen Kosten für die Reise von Pakistan nach Afghanistan beliefen sich auf 11.330 PKR (61,14 EURO) pro Familie. Die drei größten Herausforderungen, die die Rückkehrer in Afghanistan erwarteten, waren: sich um den Lebensunterhalt kümmern (26%), sich in einer neuen Stadt einleben (26%) und Einkommensmöglichkeiten finden (26%) (IOM 30.4.2021).
(reliefweb: BI-WEEKLY FLOW MONITORING REPORT) Quellen:
• [noitemsep]
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net /en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_LageJn_derJslamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2 020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 6.5.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf , Zugriff
26.4.2021
- IOM - International Organization for Migration (30.4.2021): Flow Monitoring - Spontaneous Returns of Undocumented Afghans from Pakistan (11 - 24 April 2021), https://reliefweb.int/re port/pakistan/flow-monitoring-spontaneous-returns-undocumented-afghans-pakistan-11-24- april-2021, Zugriff 7.5.2021
- UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (15.4.2021): Pakistan launches 'drive' to issue smartcards to registered Afghan refugees, https://www.unhcr.org/news/press /2021/4/6077e1044/pakistan-launches-drive-issue-smartcards-registered-afghan-refugees. html , Zugriff 6.5.2021
- UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (last updated 31.12.2020): Operational Portal Refugee Situation Pakistan, https://data2.unhcr.org/en/country/pak , Zugriff
6.5.2021
- UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (6.7.2020): The Support Platform for the Solutions Strategy for Afghan Refugees: a Partnership for Solidarity and Resilience, https://reliefweb.int/report/afghanistan../support-platform-solutions-strategy-afghan-refugees -partnership-solidarity-and , Zugriff 7.5.2021
- USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 7.5.2021
- VB des BMI in Islamabad/Bangkok [Österreich] (6.5.2021): Anfrage der BFA Staatendokumentation: Afghanische Flüchtlinge in Pakistan, Auskunft per Email
22 Grundversorgung
Letzte Änderung: 24.06.2021
In Pakistan gibt es über 63 Millionen Arbeitskräfte mit einer Arbeitslosenquote von fast 6%. Die Mehrheit der Arbeiter und Arbeiterinnen ist im Dienstleistungssektor (38%) und in der Landwirtschaft (37%) beschäftigt. 60% der Arbeitskräfte des Landes sind in der Provinz Punjab konzentriert. Insgesamt arbeiten fast 72% der Erwerbstätigen im informellen Sektor. Der pakistanische Arbeitsmarkt wurde durch Nachfrage- und Angebotsschocks als Folge der COVID-19-Krise hart getroffen. Das Center for Labor Research (CLR) schätzt die strukturelle Arbeitslosigkeit in Pakistan auf drei bis fünf Millionen, die temporäre Arbeitslosigkeit als Folge der Pandemie auf 10,5 Millionen (IOM 30.3.2021).
Pakistan gehört zu den Entwicklungsländern, in denen die Urbanisierung schnell voranschreitet. In wirtschaftlicher Hinsicht führen das rasche Bevölkerungswachstum und Covid-19 zu steigendem Druck auf Ressourcen, Beschäftigungsmöglichkeiten, Einkommensverteilung, Armut und sozialen Schutz (IOM 30.3.2021). Derzeit machen der landwirtschaftliche Sektor ca. ein Fünftel, der industrielle Sektor etwa ein Viertel, Handel und Dienstleistung ca. 50% des BIP aus. Trotz des geringsten Anteils am BIP ist der landwirtschaftliche Sektor immer noch sehr wichtig, weil mehr als 40% der Bevölkerung in diesem Sektor direkt beschäftigt sind und die Existenz von mehr als 60% der ländlichen Bevölkerung direkt oder indirekt von diesem Sektor abhängt. Neben den verheerenden Wettereinflüssen, wie Flut auf der einen und Dürre auf der anderen Seite, führt u.a. der Mangel an modern-technologischem Feldmanagement und Weiterverarbeitungsmöglichkeiten zu einer verhältnismäßig niedrigen Produktivität in diesem Sektor. Gepaart mit anderen soziopolitischen Faktoren führt dies zudem zu einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung im Land (GIZ 9.2020).
Nach Angaben des Pakistan Bureau of Statistics stieg der Verbraucherpreisindex zwischen Mai 2019 und Mai 2020 um 8,2%. Die Lebensmittelinflation ist um 10,94% für städtische Verbraucher und 13,73% für ländliche Verbraucher seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie angestiegen. Insgesamt ist die Ernährungsunsicherheit sehr hoch - 20 bis 30% der Bevölkerung (40 bis 62 Millionen Menschen) sind in irgendeiner Form von Ernährungsunsicherheit betroffen. Schätzungsweise 36,43 Millionen Menschen sind dauerhaft und chronisch von Ernährungsunsicherheit bedroht. Weitere 2,45 Millionen Menschen könnten infolge widriger Umstände in Ernährungsunsicherheit geraten (IOM 30.3.2021).
Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Eine hohe Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen - vor allem auf dem Land - führte zur verstärkten Arbeitsmigration in große Städte und traditionell auch in die Golfstaaten. Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten und Gastarbeitern nach Pakistan belaufen sich gegenwärtig auf ca. 5% des BIP (LIPortal 9.2020). Die pakistanische Regierung bietet Projekte zur Unterstützung von Arbeitslosen an, z. B. das PM Youth Business Program oder PM Youth Loan Programs. Es gibt auch eine Arbeitslosenunterstützung für Absolventen & MA-Pass-Studenten im Punjab und ein spezielles Programm für wissenschaftliche Talente für Absolventen. Eine weitere Möglichkeit wird durch ein Darlehen von 500.000 bis 1.000.000 PKR (2.683 bis 5.366 Euro) geboten, um ein Unternehmen zu gründen, mittels Projekten, die jährlich von der Regierung sowie durch staatliche und private Banken angekündigt werden. Weiters gibt es für die Unterstützung von Arbeitslosen zwei bestehende Mechanismen: Das Tameer-e-Pakistan-Programm wird als Maßnahme zur Armutsbekämpfung initiiert, um mehr Einkommensquellen für die Armen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen; das Programm zur Unterstützung von kleinen und mittleren Betrieben vor allem durch Gewährung von Steuerbefreiungen (IOM 30.3.2021; vgl. IOM 2019).
Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit deutlich gesteigert, doch sind diese weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben betragen 0,92% des Bruttoinlandsprodukts (LIPortal
9.2020) . Im aktuellen Human Development Index 2020 von UNDP, der 189 Staaten umfasst und Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Einkommen im internationalen Vergleich misst, liegt Pakistan auf Rang 154 (Rang 152 im Jahr 2019) (UNDP 15.12.2020).
Quellen:
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan -Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/pakistan/wirtschaft-entwickl ung/#c39827 , Zugriff 7.5.2021
• IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): INFORMATION on the socio-economic situation in Pakistan, Email 30.3.2021
• IOM - International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Pakistan 2019, https: //files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 7.5.2021
• UNDP - United Nations Development Programme (15.12.2020): Human Development Report 2020, http://hdr.undp.org/en/2020-report , Zugriff 31.3.2021
22.1 Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die pakistanische Verfassung garantiert „soziale Gerechtigkeit" für alle ohne Diskriminierung. Das DWCP (decent work country programme) (2016-22) soll die Herausforderung angehen, die bestehenden Sozialschutzsysteme zu erweitern und nachhaltiger zu gestalten. Die bestehenden Sozialschutzsysteme schließen die Beschäftigten in der informellen Wirtschaft aus indem sie nur die Bedürfnisse der Beschäftigten in der formellen Wirtschaft abdecken. Die am stärksten benachteiligten Gruppen - wie arme Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Wanderarbeiter - bleiben oft in einem andauernden Kreislauf von Armut und Verwundbarkeit gefangen (ILO o.D.).
Auch wenn Pakistan bei der Armutsbekämpfung wichtige Fortschritte gemacht hat, gibt es weiterhin erhebliche Unterschiede in den Armutsraten zwischen ländlichen (30,7%) und städtischen Gebieten (12,5%), wobei die Armut in den städtischen Gebieten schneller zurückgegangen ist. Traditionelle Geldtransferprogramme hatten einen beträchtlichen Anteil an den Sozialschutzausgaben für Arbeitnehmer des formellen Sektors, und es gab eine erhebliche Verlagerung von Sicherheitsnetzen zu den Nicht-Armen (TWB 15.12.2020).
Auf Bundesebene wurde mit dem Benazir Income Support Programme Act (2010) BISP eine autonome Struktur etabliert, deren Umsetzungskompetenz sich auf das gesamte Land erstreckt. Das Planning & Development Department (P&DDs) jeder Provinz ist die Verwaltungsabteilung, die für die Koordination des Sozialschutzes in der Provinz verantwortlich ist. In allen vier Provinzen gibt es Sozialabteilungen, die für viele Initiativen im Zusammenhang mit der Pflege, der sozialen Fürsorge und der Unterstützung von Menschen mit Behinderungen zuständig sind. Sozialschutzprogramme in Pakistan umfassen z.B. das Government Servants’ Pension-cum-Gratuity Scheme für Beamte, die Employees’ Old Age Benefits Institution (EOBI) mit Programmen wie dem Old Age Pension, Invalidity Pension, Survivors’ Pension and Old Age Grants. Weiters sind Einrichtungen wie der Workers’Welfare Fund, Zakatand Ushr, welches Sozialhilfe für die Armen und Ausgegrenzten bietet, Bait-ul-Maal, welches finanzielle Unterstützung und Sachleistungen für die „bedürftigen Armen", insbesondere für Minderheiten, die von Zakat nicht bedient wurden, bietet, und das BISP zu nennen (ILO 2019).
Das BISP - Pakistans größte einzelne Sicherheitsnetz- und bedingungslose Geldtransferinitiative - konzentriert sich auf die Unterstützung und Stärkung armer Frauen (ILO 2019). Es zielt auf verarmte Haushalte insbesondere in abgelegenen Regionen ab. Durch Vergabe von zinsfreien Krediten an Frauen zur Unternehmensgründung, freie Berufsausbildung, Versicherungen zur Kompensation des Verdienstausfalles bei Tod oder Krankheit des Haupternährers und Kinderunterstützungsgeld sollen insbesondere Frauen sozial und ökonomisch gestärkt werden (ILO 2017; vgl. TWB 15.12.2020). Die wohl bedeutendste Sicherheitsnetz-Initiative ist das bedingungslose Geldtransferprogramm der Bundesregierung im Rahmen des BISP. Dieses sieht einen Zuschuss von 1.600 PKR/Pakistanische Rupie (ca. 9 Euro) pro Monat für Haushalte vor, die im nationalen Register einen Wert von unter 16 PMT(Proxy Means Test-PMT; Berechnung zur Armutsschwelle) aufweisen (ILO 2019). Weitere verfügbare Leistungen sind Wohnkolonien für Arbeiter in Industriegebieten, die vom Workers’ Welfare Fund bereitgestellt werden. Konsumgüter werden im ganzen Land in speziellen Verkaufsstellen der Utility Stores Corporation und in den vom Workers’ Welfare Fund betriebenen Fair-Price-Shops in Industriegebieten zu ermäßigten Preisen angeboten (ILO 2019).
Pensionsberechtigt sind Männer ab 60 und Frauen ab 55 Jahren mit mindestens 15 Beitragsjahren. Im Pensionssystem sind Angestellte von Unternehmen mit mehr als fünf Personen erfasst (SSA o.D.). Die Pensionsberechtigung ist auf den formellen Sektor beschränkt (HRCP 3.2019).
Wie für Personen im erwerbsfähigen Alter gibt es auch für ältere Menschen in Pakistan keine universellen Systeme. Alle Staatsbediensteten erhalten bei Eintritt in den Ruhestand eine Rente, ebenso wie die Mitarbeiter von Unternehmen, die bei der Employees’ Old Age Benefits Institution (ESSI) registriert sind. Die ESSI der Provinzen bieten auch eine Renteneinrichtung für die Familien von Arbeitnehmern, die bei Arbeitsunfällen ums Leben kommen. Die Sozialversicherungseinrichtungen der Provinzen für Arbeitnehmer bieten eine Reihe von Dienstleistungen für gering bezahlte Arbeitnehmer in Wirtschaftsunternehmen an. Finanziert durch eine Abgabe - d.h. eine zusätzliche Abgabe von 6-7% der Lohnsumme, die vom Arbeitgeber gezahlt wird - auf die Lohnsumme, die bei der Regierung hinterlegt wird, bieten die ESSIs Mutterschafts- und Krankheitsleistungen, Leistungen bei Invalidität und Verletzungen sowie Leistungen für Witwen/Witwer.
Die Sozialämter in allen Provinzen verwalten eine Reihe von Diensten für bedürftige Erwachsene, darunter Zentren für Frauen, die Missbrauch und/oder häusliche Gewalt überlebt haben, Heime für ältere Menschen und Heime für Personen mit besonderen Bedürfnissen. Die Hochschulbildung wird von der Higher Education Commission (HEC) unterstützt, die eine Reihe von Stipendienprogrammen für Studenten aus entlegenen Gebieten und solche, die einen Bedarf an Unterstützung nachweisen können, finanziert. Mehrere Bait-ul-Maal-Programme sind ebenfalls relevant, wie z.B. finanzielle Unterstützung, Heiratszuschüsse und Bildungsstipendien - ebenso wie Bildungsstipendien, die von Zakat-Abteilungen angeboten werden (ILO 2019).
Der staatliche Wohlfahrtsverband überprüft anhand spezifischer Kriterien, ob eine Person für den Eintritt in das Sozialversicherungssystem geeignet ist. Die Sozialversicherung ist mit einer Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Sektor verknüpft (IOM 2019).
Die Ausgaben für Pensionen sind im öffentlichen Sektor Pakistans recht hoch. Der pakistanische Entwurf des Nationalen Rahmenwerks für Sozialschutz nennt einen Wert von 3,9% des BIP für die Ausgaben für den Sozialschutz auf nationaler Ebene. Nach einer konservativen Schätzung belaufen sich die Ausgaben der Bundesregierung für den Sozialschutz in einem repräsentativen Jahr auf etwa 405,6 Mrd. PKR (ca. 2 Milliarden Euro). Insgesamt werden die Ausgaben der Bundesregierung für den Sozialschutz durch das BISP dominiert. Zwei Komponenten des Programms (Bedingungslose Geldtransfers und Waseela-e-Taleem) machen fast 98% der Gesamtausgaben im Rahmen der föderalen Sozialhilfeprogramme aus (ILO 2019).
Die Edhi Foundation ist - nach eigenen Angaben - die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edhi o.D.).
Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Bezirken der vier Provinzen - inklusive Azad Jammu und Kaschmir - aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).
Type of Programme | Name of Institution | Name of Programme | Beneficiaries since inception/total enrolled | Annual expenditure25 (PKR million) |
Social assistance | Benazir Income Support Programme | Unconditional Cash Transfer | 5,783,389 | 115,000 |
|
| Waseela-e-Taleem | 1,863,549 | 5,600 |
| Pakistan Bait-ul-Maal | Individual Financial Assistance |
| 1,264 |
|
| Special Friends |
| 69 |
|
| Sweet Homes | 3,145 | 272 |
|
| School for Rehabilitation of Child Labour | 10,000 | 318 |
|
| Child Support Programme | 31,438 | 148 |
|
| Great Homes | 61 | 19 |
|
| Vocational Training Centres | 157 | 182 |
| Worker's Welfare Fund | Range of benefits |
| 360 |
| Subtotal |
| 7,691,739 | 123,233 |
Social insu ra nee | Employees' Old Age Benefits Institution | Old Age Pension | 248,740 | 11,279 |
|
| Survivors' Pension | 148,829 | 6,327 |
|
| Invalidity Pension | 5,660 | 245 |
|
| Old Age Grant | 2,231 | 71 |
| Benevolent Fund | Range of grants | 649,000 | 13,875 |
| Pensions |
|
| 245,000 |
| Subtotal |
| 1,054,460 | 276,797 |
Vocational training | NAVTTC | Youth Skills Development Programme | 25,252 | 2,630 |
Health care | Prime Ministers National Health Programme |
| 1,500,000* | 3,000 |
| Grand Total |
|
| 405,659 |
Tab.: Leistungsempfänger und Ausgaben für Sozialschutz auf Bundesebene (Anm.: Auf Provinzebene gibt es zusätzliche Programme) (ILO 2019)
Quellen:
• Edhi - Edhi Foundation (o.D.): About Edhi Foundation, https://edhi.org/about-us/ , Zugriff 10.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hr cp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 7.5.2021
• ILO - International Labour Organization (o.D.): Social security in Pakistan, https://www.ilo.org/isla mabad/areasofwork/social-security/lang--en/index.htm , Zugriff 7.5.2021
• ILO - International Labour Organization (2019): Mapping Social Protection Systems in Pakistan, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---asia/---ro-bangkok/---ilo-islamabad/documents/public ation/wcms_737630.pdf, Zugriff 7.5.2021
• IOM - International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Pakistan 2019, https: //files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 10.5.2021
• NRSP - National Rural Support Programme [Pakistan] (o.D.b): About NRSP, http://www.nrsp.org.p k/about.html , Zugriff 15.10.2020
• SSA- Social Security Administration [USA] (o.D.): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/asia/paki stan.html , Zugriff 10.5.2021
WB - World Bank (15.12.2020): Responsive Social Protection Program and Systems to Serve Pakistan's Poorest People, https://www.worldbank.org/en/results/2020/12/09/responsive-social-pr otection-program-and-systems-to-serve-pakistans-poorest-people , Zugriff 7.5.2021
23 Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 24.06.2021
Der Gesundheitssektor des Landes ist gleichermaßen durch ein Stadt-Land-Gefälle in der Gesundheitsversorgung und ein Ungleichgewicht bei den Arbeitskräften im Gesundheitswesen gekennzeichnet, mit einem Mangel an medizinischen Fachkräften, Krankenschwestern, Sanitätern und qualifiziertem Gesundheitspersonal, insbesondere in den Randgebieten (TSOP 2020). Generell wurde einmehrstufiges System öffentlicher Gesundheitseinrichtungen eingerichtet. Dieses soll eine grundlegende Gesundheitsversorgung zu minimalen Kosten auf ambulanter Basis bieten. Die Gesundheitsversorgung liegt in erster Linie in der Verantwortung der Provinzregierungen. Generell sollen die Leistungen in den Notfallzentren der Krankenhäuser kostenlos sein. Die Bundesregierung betreibt außerdem ein kostenloses Impfprogramm im ganzen Land und stellt ein Netzwerk von Lady Health Workers (LHWs) zur Verfügung. Diese Fachkräfte für die medizinische Grundversorgung arbeiten auf Gemeindeebene und bieten Beratung und grundlegende Dienstleistungen in den Bereichen medizinische Grundversorgung, Familienplanung und Krankheitsprävention an. Während die offizielle Politik zur Gesundheitsversorgung in Pakistan bekräftigt, dass alle diese Leistungen verfügbar sein müssen, sind die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen in der Praxis eher schlecht ausgestattet. Die Personalausstattung - insbesondere die Anwesenheit von Ärzten - ist in vielen Einrichtungen unsicher. Eine dringende Herausforderung ist der schlechte Zustand von Ausrüstung und Test- bzw. Analysemöglichkeiten (ILO 2019).
Insgesamt basiert das System der Gesundheitsversorgung in Pakistan auf zwei Hauptsäulen, zu denen öffentliche und private Gesundheitseinrichtungen gehören - wobei in den privaten, anders als in den öffentlichen, entsprechende Kosten für die Behandlung anfallen. Die von der Regierung neu ins Leben gerufene „Sehat Insaaf Card"-Initiative bietet der allgemeinen Bevölkerung aus dem unteren sozioökonomischen Sektor die Möglichkeit, ihre privaten Krankenhauskosten von der Regierung übernehmen zu lassen. Die „Sehat Insaaf Card" ist für jeden erhältlich, der unterhalb der Armutsgrenze lebt (d.h. mit einem Einkommen von weniger als 2 US-Dollar (1,68 Euro) pro Tag) und ist ein Jahr gültig. Die Karte deckt die kostenlose Behandlung von fast allen wichtigen Krankheiten ab und bietet auch eine individuelle Finanzhilfe für Personen mit schweren Krankheiten/Behinderungen, Witwen und Invaliden mit unterhaltsberechtigten Kindern, Waisen, Studenten mit nachgewiesenen und beständigen akademischen Leistungen und mittellose Personen. COVID-19-Tests in ausgewiesenen Testeinrichtungen des öffentlichen Sektors werden kostenlos angeboten, in privaten Testeinrichtungen sind sie jedoch kostenpflichtig (IOM 30.3.2021).
Trotz gegebener Verbesserungen (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Etwa 73% der Bevölkerung sind ohne staatliche Krankenversicherung; 57% in den Städten und 83% am Land (ILO 2017). Die Mensehen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vgl. HRCP 3.2019). Zugänglichkeit und Leistbarkeit für Gesundheitsdienste sind insbesondere für die ländliche Bevölkerung problematisch, da es einen ernsten Mangel an qualifiziertem Gesundheitspersonal und unzureichende Finanzierung der primären Versorgungsebene gibt (IJARP 10.2017).
Als Reaktion auf die schlechte Qualität der Dienstleistungen in den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen hat die Regierung Systeme der Sozialversicherung eingeführt, um die Bereitstellung der grundlegenden Gesundheitsversorgung zu unterstützen. Das jüngste Beispiel ist das Prime Minister’s National Health Programme (PM-NHP), das 2018 in 23 Bezirken in Betrieb genommen wurde und auf 40 Bezirke ausgeweitet werden soll. Das Programm, das zwei Arten von Versicherungsschutz bietet, wird von der pakistanischen Provinzregierung und der Bundesregierung gemeinsam finanziert. Bis heute hat das Programm 1,5 Millionen Familien eingeschrieben. Das PM-NHP deckt Familien ab, die unter eine bestimmte Armutsgrenze im Haushaltsregister fallen. Letzteres wird von der wichtigsten Sozialschutzinitiative der Regierung, dem Benazir Income Support Programme, geführt. Die Programme zur Armutsbekämpfung - wie die Zakat-Initiative und Pakistan Bait-ul-Maal - bieten auch Unterstützung für die grundlegende Gesundheitsversorgung. Sie tun dies in Form von Mitteln, die den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden; die Krankenhäuser entscheiden dann ihrerseits, welche Patienten für die Versorgung in Frage kommen (ILO 2019).
In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt (AA 29.9.2020). In Punjab wurde im Februar 2019 mit der Verteilung von Krankenversicherungskarten in 36 Bezirken der Provinz begonnen. Die Krankenversicherung umfasst die Behandlung von acht Krankheiten (z.B. Kardiologie, Neurologie usw.) bis zu einem Grenzwert von 720.000 PKR (ca. 3.800 Euro). Die Krankenversicherung gilt sowohl für die öffentlichen als auch privaten Krankenhäuser (HRCP 4.2020).
Es gibt staatliche Sozialleistungen für Angestellte in Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern und bis zu einem Gehalt von 18.000 PKR (ca. 96 Euro) pro Monat (22.000 PKR/ca. 116 Euro in Punjab) sowie für von ihnen abhängige Personen. Ausgenommen von den Sozialleistungen sind Mitarbeiter in Familienbetrieben und Selbständige. Für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und der Eisenbahn sowie Mitglieder der Armee, der Polizei und der örtlichen Verwaltung gibt es eigene Systeme. Begünstigte erhalten allgemeinmedizinische Leistungen, Medikamente, Krankenhausbehandlungen und Krankentransporte. Während der Krankheit werden 75% des Gehalts weiterbezahlt (100% bei Tuberkulose und Krebs; in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa generell 50% Gehaltsfortzahlung). Die Begünstigung setzt sich bei Beendigung des Dienstverhältnisses für sechs Monate oder für die Dauer der Krankheit (je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt) fort (SSA 3.2019). Das staatliche Wohlfahrts-Programm Bait- ul-Mal vergibt Unterstützungsleistungen und fördert die Beschaffung von Heilbehelfen (PBM o.D.). Die nichtstaatliche EntwicklungshilfeorganisationAga Khan Development Network betreibt landesweit 450 Kliniken, fünf Krankenhäuser sowie ein Universitätskrankenhaus in Karatschi und fördert zahlreiche Projekte auf lokaler Ebene, um den Zugang zur Grundversorgung zu verbessern (AKDN o.D.).
In Pakistan sind etwa 400 qualifizierte Psychiater tätig. Die meisten Psychiater gibt es in Städten, obwohl im ganzen Land auch Stellen für Bezirkspsychiater geschaffen wurden. Der Mental Health Atlas 2017 der WHO berichtet, dass es nur vier große psychiatrische Krankenhäuser im Land gibt, mit 344 stationären Einrichtungen und 654 psychiatrischen Einheiten in allgemeinen Krankenhäusern (TSOP 2020). Der Mangel an Psychiatern in peripheren Regionen sowie die Kosten der Behandlung sind für durchschnittliche Menschen unleistbar (Dawn 13.5.2019; vgl. Dawn 15.7.2019).
Die Telefonseelsorge Talk2Me ist kostenlos und rund um die Uhr erreichbar und führt 75-90 psychologische Beratungen pro Woche durch (Dawn 13.5.2019). Die Menschen sind aber eher zurückhaltend, wenn es darum geht, zu offenbaren, dass sie eine psychische Krankheit haben. Denn psychische Gesundheitsprobleme sind ein Tabuthema, über das man nicht spricht. Dies wirkt sich ungünstig auf die Qualität der Versorgung von Menschen aus, die an psychischen Krankheiten leiden. Scham aufgrund von psychischen Problemen sowie Vorurteile gegenüber Patienten und Familien halten Menschen davon ab, psychologische Hilfe und psychiatrische Versorgung in Anspruch zu nehmen (TSOP 2020). Zudem genießt die psychische Gesundheit keine hohe Priorität. Außerdem ist durchaus üblich, sich bei körperlichen oder psychischen Erkrankungen an spirituelle oder traditionelle Heiler zu wenden, da die Menschen psychische Erkrankungen in der Regel als Folge übernatürlicher Einflüsse wahrnehmen. So genannte Glaubensheiler sind eine wichtige Quelle für die Versorgung von Menschen mit psychischen Problemen in Pakistan, insbesondere für Frauen und Menschen mit geringer Bildung (TSOP 2020).
Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt, wobei diese für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind. In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten in Rede stehenden Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wiez.B. Insulin, können in denApotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden (AA 29.9.2020).
Programme or agencyAype of benefit | Preventive | Maternal and child health | Medical cover | Special needs |
Federal Government, Ministry of Health | Expanded Programme for Immunization | Lady Health Worker Programme | Public health facilities Prime Ministers National Health Programme |
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Government of KP |
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| Sehat Sahulat Insaf Programme | Artificial Limbs Workshop |
Provincial Population Welfare Departments |
| Family Health Clinics Mobile Health Centres |
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ESSIs Call provinces) |
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| Dispensaries, clinics and hospitals for long-term workers in registered enterprises |
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Zakat and Ushr Department, Government of Sindh |
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| Limited health care Provision at the facility level for poor patients |
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Zakat and Ushr Department, Government of Punjab |
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| Small amount for the Leprosy Grant |
Zakat and Ushr Department Government of KP |
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| Limited medical assistance for major diseases |
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Pakistan Bait-ul- Maal |
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| Limited medical assistance grants |
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Tab.: Key initiatives for essential health care (ILO 2019)
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in derIslamischen Republik Pakistan (Stand Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Behcht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 14.5.2021
• AKDN - Aga Khan Development Network (o.D.): Pakistan - Health, https://www.akdn.org/where-w e-work/south-asia/pakistan/health-pakistan , Zugriff 10.5.2021
• Dawn (15.7.2019): Pakistan's silent suicide problem, https://www.dawn.com/news/1494208/pakist ans-silent-suicide-problem , Zugriff 15.10.2020
Dawn (13.5.2019): Why are more Pakistanis taking their own lives?, https://www.dawn.com/news/ 1481826/why-are-more-pakistanis-taking-their-own-lives , Zugriff 15.10.2020
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http: //hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-2 0190503.pdf, Zugriff 10.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hr cp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 15.10.2020
• IJARP - International Journal of Advanced Research and Publications (10.2017): Healthcare System of Pakistan, http://www.ijarp.org/published-research-papers/oct2017/Healthcare-System-Of-P akistan.pdf , Zugriff 15.10.2020
ILO - International Labour Organization (2019): Mapping Social Protection Systems in Pakistan, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---asia/---ro-bangkok/---ilo-islamabad/documents/public ation/wcms_737630.pdf, Zugriff 10.5.2021
• ILO - International Labour Organization (2017): World Social Protection Report 2017-19 - Universal social protection to achieve the Sustainable Development Goals, https://www.ilo.org/wcmsp5/gro ups/public/---dgreportsasia/---dcommro-bangkok/---publilo-islamabad/documents/publication/wc ms_604882737630.pdf, Zugriff 15. 10.2020
• IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): INFORMATION on the socio-economic situation in Pakistan, per Email
• Kujri Zohra, Zahra Shaheen Premani, Yasmin Mithani (2016): Analysis of the Health Care System of Pakistan: Lessons Learnt and Way Forward, https://pdfs.semanticscholar.org/178f/79039bb1c5 cb826d957d27825f8a692020c9.pdf , Zugriff 15.10.2020
• PBM - Pakistan Bait-ul-Mal [Pakistan] (o.D.): HowTo Get Assistance, http://www.pbm.gov.pk/for ms.html , Zugriff 14.5.2021
• SSA - Social Security Administration [USA] (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/asi a/ssptw18asia.pdf, Zugriff 14.5.2021
• TSOP - Taiwanese Journal of Psychiatry (2020): Mental Health Care in Pakistan, https://e-tjp.org/arti cle.asp?issn=1028-3684;year=2020;volume=34;issue=1;spage=6;epage=14;aulast=Javed;type=3 , Zugriff 10.6.2021
23.1 Poliomyelitis
Letzte Änderung: 07.06.2021
Diese Krankheit kommt nur noch in zwei Ländern vor-Afghanistan und Pakistan - wobei letzteres mit einem Anstieg der Fälle in den letzten Monaten zu kämpfen hat. Pakistan hat seit Anfang des Jahres 2020 68 Polio-Fälle registriert. Jegliche Hoffnung, die Zahlen bis 2020 zu senken, wurde mit dem Ausbruch der Coronavirus-Krise im März zunichte gemacht. Experten befürchten, dass es in Pakistan in den kommenden Monaten zu mehr Poliofällen kommen könnte, da die Regierung zwischen April und Juli 2020 landesweite Polio-Kampagnen ausgesetzt hat, um sich auf die Bemühungen zur Eindämmung von COVID-19 zu konzentrieren. Die landesweiten Kampagnen zur Ausrottung der Kinderlähmung wurden im August 2020 wieder aufgenommen (DW 15.9.2020).
Im Jahr 2019 kam es landesweit zu sieben terroristischen Angriffen auf Polio-Impfteams mit insgesamt 15 Toten (PIPS 5.1.2020; vgl. DW 15.9.2020). Es gibt darüberhinaus einen gewissen Widerstand gegen die Verabreichung von Impfstoffen in der Bevölkerung (HRCP 4.2020; vgl. DW
15.9.2020) . Andererseits gibt es auch religiöse Führer, welche die Impfkampagnen unterstützen (Dawn 21.9.2020).
Quellen:
• Dawn - (21.9.2020): 'Polio vaccine critical foryour child's health': Religious leaders dispel rumours, endorse inoculation, https://www.dawn.com/news/1580325/polio-vaccine-critical-for-your-childs-h ealth-religious-leaders-dispel-rumours-endorse-inoculation , Zugriff 10.5.2021
• DW - Deutsche Welle (15.9.2020): Why polio continues to be a health risk in Pakistan, https: //www.dw.com/en/why-polio-continues-to-be-a-health-risk-in-pakistan/a-54934680 , Zugriff
10.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http: //hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-2 0190503.pdf, Zugriff 10.5.2021
• PIPS - Pak Institute for Peace Studies (5.1.2020): Pakistan Security Report 2019, https://www.pa kpips.com/web/wp-content/uploads/2020/01/sr2019.pdf, Zugriff 10.5.2021
24 Rückkehr
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten nationalen Ersatzdokument möglich, nicht aber mit europäischen Passersatzdokumenten (AA 29.9.2020). Für pakistanische Staatsangehörige gibt es keine Einreisebeschränkungen, wenn sie freiwillig zurückkehren wollen (IOM 30.3.2021). Freiwillige Rückkehrer mit gültigen Reisedokumenten werden von den Grenzbehörden wie alle anderen Pakistani, die aus dem Ausland einreisen, behandelt. Zwangsweise Rückgeführte werden von den Grenzbehörden befragt, um herauszufinden, ob die Person illegal aus Pakistan ausgereist ist bzw. ob strafrechtliche Vorwürfe vorliegen. Wenn keine Vorwürfe vorliegen, wird die Person normalerweise nach einigen Stunden entlassen (DFAT 20.2.2019).
Zurückgeführte haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags weder mit staatlichen Repressalien noch mit gesellschaftlicher Stigmatisierung zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Die pakistanischen Behörden erfragen lediglich, ob die Rückkehrer Pakistan auf legalem Weg verlassen haben (AA 29.9.2020). Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani nämlich mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance (1979) oder gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt. Es sind vereinzelte Fälle an den Flughäfen Islamabad, Karatschi und Lahore bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder in geringer Höhe verlangt wurden. Rückkehrende, die nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen, um Schmiergelder zu zahlen, werden oft inhaftiert (ÖB 12.2020). Nach anderen Angaben werden Personen, die illegal ausgereist sind, verhaftet und normalerweise nach einigen Tagen bei Bezahlung einer Strafe entlassen. Bei strafrechtlichen Vorwürfen oder wenn im Ausland eine Straftat begangen wurde, wird die Person verhaftet (DFAT 20.2.2019).
Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. das European Return and Reintegration Network (ERRIN), sollen hier Unterstützung leisten (AA29.9.2020). Derzeit gibt es keine von IOM Österreich durchgeführten Reintegrationsprojekte in Pakistan. Allerdings können freiwillige Rückkehrer aus Österreich nach Pakistan durch das ERRIN-Projekt unterstützt werden. Dieses wird von einer NGO in Pakistan durchgeführt und bietet freiwillig und zwangsweise rückgeführten Personen Wiedereingliederungshilfe an, abhängig von ihrer Berechtigung, die von dem jeweiligen europäischen Land festgelegt wird. Einige Organisationen helfen bei der Gründung von Kleinunternehmen, indem sie finanzielle Unterstützung für Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, in Form von Krediten oder Mikrokrediten unterstützen, z. B. die KASHF-Stiftung oder die Jinnah Welfare Society (IOM 30.3.2021).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 10.5.2021
• DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): DFAT Country Information Report Pakistan, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-pakistan.pdf , Zugriff 10.5.2021
• IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): Information on the socio-economic situation in Pakistan, per Email
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 10.5.2021
25 Dokumente
Letzte Änderung: 07.06.2021
Pakistan verfügt über eines der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA). Über 96% der Bürger Pakistans verfügen über biometrische Personalausweise. Die 2012 eingeführte Smart National Identity Card (SNIC) hat auf einem Chip zahlreiche biometrische Merkmale gespeichert und soll bis 2020 die älteren Versionen der NIC vollständig ersetzen. Eine SNIC wird benötigt, um beispielsweise Führerschein oder Reisepass zu beantragen, ein Bankkonto zu eröffnen und eine SIM-Karte oder Breitbandinternet zu erhalten (PI 1.2019).
Dokumentenfälschungen sind in Pakistan ein weit verbreitetes Phänomen, v.a. von manuell angefertigten Dokumenten. Um gefälschte Dokumente zu erlangen, werden meist Bestechungsgelder bezahlt und/oder politischer Einfluss bzw. Kontakte von Familie und Freunden genutzt. Manche Dokumente sind sogar online oder in Märkten erhältlich. Folgende Dokumente werden regelmäßig gefälscht: Zeugnisse, akademische Titel, Empfehlungsschreiben, Geburts-, Todes-, Heirats- und Scheidungsurkunden, finanzielle Belege/Bestätigungen bzw. Kontoauszüge, Besitzurkunden, polizeiliche Dokumente (u.a. First Information Reports / FIRs), Einreise- und Ausreisestempel in Reisepässen sowie ausländische Visa. Überprüfungen der Echtheit von Dokumenten sind zwar möglich, allerdings bestehen in diesem Zusammenhang mehrere Herausforderungen: Vielfach sind Dokumente zwar nicht komplett gefälscht, aber wurden nicht ganz richtig ausgestellt; von verspäteten Eintragungen oder Änderungen sollte z.B. von den Behörden eine Kopie gemacht werden, was nicht immer der Fall ist; in manchen Städten (insbesondere in Gujranwala, Gujrat und Sialkot) kennen die zuständigen Beamten die zu überprüfenden Personen und nehmen Bestechungsgelder an. Es kommt auch vor, dass Auskünfte verweigert werden. Darüber hinaus werden mitunter auch vermeintlich echte und in die Register eingetragene Urkunden ausgestellt, die jedoch inhaltlich nicht oder nur zum Teil richtig sind (z.B. Heiratsurkunden). Die Überprüfungen erfolgen relativ aufwändig über die lokalen Vertrauensanwälte (hoher administrativer Aufwand) (ÖB 12.2020).
Angesichts weit verbreiteter Korruption und des unzureichenden Zustands des Zivilstandswesens ist es einfach, fiktive oder verfälschte Standesfälle (Geburt, Tod, Eheschließung) in ein echtes Personenstandsregister eintragen zu lassen und auf der Basis dieser Eintragung formal echte Urkunden ausgestellt zu bekommen. Merkmale auf modernen Personenstandsurkunden und Reisepässen zur Erhöhung der Fälschungssicherheit können bereits bei der Dateneingabe durch korruptionsanfällige Verwaltungsbeamte mühelos unterlaufen werden. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein-)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. FIR) dann formal echt sind. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder dank Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 29.9.2020).
Quellen:
• AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local72 038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelev ante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020. pdf, Zugriff 10.5.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 10.5.2021
• PI - Privacy International (1.2019): State of Privacy Pakistan, https://privacyinternational.org/state -privacy/1008/state-privacy-pakistan , Zugriff 10.5.2021
In Österreich gibt es mit Stand 30.11.2021, 13:49 Uhr, 1.159.995 bestätigte Fälle (verabreichte Impfungen: 13.822.465) von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 12.492 Todesfälle; in Pakistan wurden bislang 1.284.840 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen (verabreichte Impfungen: 123.032.063), wobei 28.728 Todesfälle bestätigt wurden.
3. Beweiswürdigung:
Der behördliche Bescheid basiert grundsätzlich auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und fasst in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen. Das BFA hat sich mit dem individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und in zutreffenden Zusammenhang mit der allgemeinen Situation des Beschwerdeführers gebracht und gelangt auch das erkennende Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis.
3.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
3.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft des BF ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben, an denen auf Grund seiner Sprachkenntnisse, sowie Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten auch nicht zu zweifeln war.
Die Identität konnte aufgrund der Vorlage geeigneter Dokumente (pakistanischer Personalausweis, ausgestellt von der Pakistanischen Botschaft in Wien am XXXX ) festgestellt werden.
Die Feststellungen zu seiner Herkunftsregion, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu den familiären und privaten Verhältnissen des BF im Herkunftsstaat und zu seiner Situation in Österreich gründen sich auf die in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben des BF, die vorgelegten Unterlagen sowie auf eine hg. Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister und in das Grundversorgungsbetreuungsinformationssystem.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des BF ergibt sich aus den unwiderlegten aktuellen Angaben des BF in der hg. Verhandlung.
Dass der BF arbeitsfähig ist, ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere seiner Berufstätigkeit als Versicherungsvertreter in Pakistan und der vorgelegten Gewerbeberechtigung sowie seiner selbstständigen Tätigkeit als Paketzusteller in Österreich. Es sind keine Hinweise ersichtlich, weshalb der BF keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können sollte.
Die Feststellungen hinsichtlich der Reiseroute des BF, dem Aufenthalt in Dubai sowie in Italien und seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet sowie des Datums seiner Asylantragstellung in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt bzw. aus den Angaben des BF.
Dass der BF in Österreich keine Familienangehörigen oder sonstige nahe Bezugspersonen hat, ergibt sich aus seinen eigenen in diesem Punkt glaubwürdigen Angaben.
Dass der BF in Österreich Deutschkurse besucht hat und zuletzt die Deutschprüfung auf A2 Niveau mit „gut bestanden“ absolviert hat, ergibt sich aus den glaubwürdigen Angaben des BF und den damit übereinstimmenden, vom BF vorgelegten Unterlagen. (vgl. AS 125: Anmeldebestätigung Deutschkurs A2 der AWZ XXXX GmbH, AS 156: Rechnung Deutsch Integrationskurs A1 der XXXX Volkshochschulen, OZ 5: ÖSD Zertifikat A2) Die erkennende Richterin konnte sich ferner in der mündlichen Verhandlung von den einfachen Deutschkenntnissen des BF einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.
Die Feststellungen zur selbständigen Erwerbstätigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit des BF konnten anhand der vom BF vorgelegten Dokumente, unter anderem einer Verständigung des Magistrats XXXX betreffend die Gewerbeberechtigung zur Güterbeförderung des BF (OZ 5), eines GISA-Auszuges (OZ 5), eines Verteilvertrages zwischen dem BF und der XXXX Zustellservice GmbH (OZ 5), eines Rahmenwerkvertrages zwischen dem BF und der XXXX Funkbotendienste GesmbH (OZ 11), verschiedenen Lohnzetteln des BF von April bis August 2021 (OZ 11) und den damit übereinstimmenden Angaben des BF getroffen werden. Nach der hg. Verhandlung legte der BF weitere diesbezügliche Unterlagen vor.
Die Feststellung zum Bezug von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung vom XXXX bis XXXX sowie vom XXXX bis zum XXXX resultiert aus einer Einsichtnahme in das Betreuungsinformationssystem des Bundes.
Die festgestellte Unbescholtenheit des BF basiert auf dem hg. erstellten aktuellen Strafregisterauszug.
3.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:
3.3.1. Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht auf seinen Angaben in der Erstbefragung, in den Einvernahmen vor dem BFA sowie auf den Ausführungen in der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht.
3.3.2. Die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen sind als unglaubwürdig zu qualifizieren. Der BF hat zu den Gründen für seine Ausreise im Wesentlichen zusammengefasst Probleme mit der Polizei, den Taliban und mit Privatpersonen (Bewohnern seines Heimatdorfes, die den gegnerischen Parteien angehören) aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Pakistan Awami Tehreek (kurz: PAT), geltend gemacht. Insbesondere sei der BF aufgrund der Teilnahme an einer Revolutionsdemonstration gegen die Regierung von der Polizei beschossen, geschlagen, in einen Keller verbracht und gefoltert worden und hätten ihn ferner auch die Dorfbewohner verfolgt und misshandelt und seien mehrere falsche Anzeigen gegen ihn erstattet worden. Sämtliche Ausreisegründe des BF wurden seitens des BFA als unglaubwürdig qualifiziert und teilt die erkennende Richterin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Ansicht des BFA.
3.3.3. Das BFA hat grundsätzlich ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Entsprechend der Ansicht des BFA erachtet die erkennende Richterin die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen im Ergebnis für unglaubwürdig und bestätigt, dass der BF in weiterer Folge keine Verfolgung im Sinne der GFK hinsichtlich seiner Person glaubwürdig vorgebracht hat.
3.3.4. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.
Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH, 25.03.1999, 98/20/0559).
Seitens des Höchstgerichtes wurde auch in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH, 24.06.1999, 98/20/0453; 25.11.1999, 98/20/0357).
Der VwGH hat in ständiger Judikatur erkannt, dass für die Glaubhaftmachung der Angaben des Fremden es erforderlich ist, dass er die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, 95/21/0294, 95/18/1291) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, 93/18/0289), wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des „Glaubhaft-Seins“ der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 23.01.1997, 95/20/0303,0304).
Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 11.11.1991, 91/19/0143, 13.04.1988, 86/01/0268).
Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).
Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation des Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.
Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden (VwGH v. 29.06.2000, 2000/01/0093).
Ferner ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG (Anm.: bzw. nach dessen Nachfolgerbestimmung § 3 AsylG) bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen die Annahme sprechen (vgl. zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts (1991), 137 f, s. a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck, AsylG 1997, RZ 314, 524).
Kriterien der Glaubhaftmachung finden sich exemplarisch auch in Art. 4 Abs. 5 der StatusRL (Richtlinie 2004/83/EG ), worin folgende Faktoren angeführt werden:
- dass der Antragsteller sich offensichtlich bemüht hat, seinen Antrag zu substantiieren;
- dass alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;
- dass festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;
- dass der Antragsteller internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war.
- dass die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist.
3.3.5. Zu den seitens des Beschwerdeführers geltend gemachten ausreisekausalen Vorfällen:
Das BFA führte in nachvollziehbarer Weise aus, weshalb der BF eine konkret individuell gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung nicht vorbringen habe können. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass die widersprüchlichen, äußerst vagen und unschlüssigen Angaben sein Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft erscheinen hätten lassen. Die in das hg. Erkenntnis aufgenommene Beweiswürdigung (AS 208 ff) des BFA ist schlüssig und plausibel und schließt sich die erkennende Richterin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den diesbezüglichen Ausführungen des BFA an.
3.3.5.1. Lt. beweiswürdigenden Ausführungen des BFA hält das geltend gemachte ausreisekausale Vorbringen des BF, wonach er aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der „PAT“ sowohl von der Polizei, den Taliban als auch den Anhängern der gegnerischen Parteien verfolgt und bedroht und dabei insbesondere geschlagen, misshandelt, beschossen, aufgrund einer Demonstrationsteilnahme in einen Keller gesperrt und gefoltert sowie mehrmals fälschlich angezeigt worden sei, einer Glaubwürdigkeitsprüfung nicht stand und teilt das erkennende Gericht die behördliche Ansicht vollinhaltlich.
Zwar schilderte der BF im Verfahren zumindest im Kern gleichbleibende Ausreisegründe und gab jeweils seine Mitgliedschaft bei der politischen Partei „PAT“ als Grund für diverse Verfolgungshandlungen seitens staatlicher Stellen (insbesondere der Polizei), seitens der Taliban und der Bewohner seines Heimatdorfes, die Anhänger gegnerischer Parteien seien, an.
In wesentlichen Punkten weist das Vorbringen des BF jedoch eklatante Widersprüche und Ungereimtheiten auf und war der BF darüber hinaus auch nicht in der Lage, seine vagen Behauptungen zu konkretisieren, weshalb insgesamt von der Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens des BF auszugehen ist. Da die Erörterung sämtlicher vom BF vorgebrachten widersprüchlichen Angaben jedoch den Rahmen der hg. Beweiswürdigung sprengen würde, wird lediglich auf die wesentlichsten Aspekte Bezug genommen.
Zunächst ist anzuführen, dass nicht davon auszugehen ist, dass der BF tatsächlich Angehöriger der PAT ist. Zwar wurde vom BF eine Mitgliedsbestätigung (siehe AS 69) vorgelegt, jedoch ist unter Einbeziehung der nachfolgend zu erörternden Angaben des BF und Zugrundelegung der Länderinformationen zur Dokumentenfälschung in Pakistan und der Tatsache, dass die Bestätigung laut Angaben des im Rahmen der Beschwerdeverhandlung anwesenden Dolmetschers weder eine Unterschrift, noch ein Kreuz bei einer der vier möglichen „Abteilungen“ enthält, davon auszugehen, dass es sich bei dem Dokument um eine Fälschung handelt. Auch das Ausstellungsdatum am 03.01.2015 und somit weit nach vermeintlichem Beginn der Mitgliedschaft und auch nach der Ausreise des BF bestärkt die Zweifel an der Authentizität des Dokuments.
Gegen die Mitgliedschaft des BF bei der PAT sprechen aber vor allem dessen eigene Angaben, sein kaum vorhandenes Wissen über die Partei und sein Unvermögen, seinen eigenen Tätigkeitsbereich konkret und gleichbleibend zu beschreiben.
In der hg. Verhandlung zur „PAT“ befragt bzw. aufgefordert etwas über diese Partei, deren jahrelanges aktives Mitglied er nach eigenen Angaben gewesen sei, zu erzählen, beschränkte sich die Antwort des BF auf lediglich fünf äußerst kurze und allgemein gehaltene Sätze. So erklärte der BF, dass die Partei 1989 von Tahir-ul-Qadri gegründet worden sei, um den armen Leuten in Pakistan zu helfen und ihnen Unterkunft und Essen zu besorgen. Zu den Zielen gehöre ferner die Gerechtigkeit für die Menschen, der leichte Zugang zur Justiz und zu Schulen. Weiters sei die Partei gegen die Taliban und das Zinssystem. Dies sei nach den Informationen des BF alles. (vgl. VHS, S 6)
Diese bloße Aufzählung von Schlagworten lässt jedoch nicht den Rückschluss darauf zu, dass sich der BF tatsächlich mit der Partei, deren Ausrichtung, Struktur, grundsätzlichen Forderungen, Ideologien, Zielen und deren Weg, diese zu erreichen, auseinandergesetzt hat und aktives sowie überzeugtes Mitglied gewesen ist, wäre er ansonsten in der Lage dazu ausführlichere Angaben zu machen. Vor allem wären dem BF die Hauptziele der Partei (Anmerkung: laut Wikipedia die Rückbesinnung auf den Islam zu fördern und eine Einheit unter den Muslimen zu bilden) bekannt und wäre er imstande gewesen, den aktuellen Präsidenten Qazi Zahid Hussain zu nennen und nähere Angaben zum 186 Seiten umfassenden Manifest der Partei (vgl.: Pakistan Awami Tehreek - Wikipedia), welches sieben Prioritäten, beispielsweise die vom BF angesprochene Bildung und Armut enthält, zu tätigen.
Die Nennung des Gründungsjahres sowie weniger vager Stichworte ist hingegen jeder Person bereits nach kurzer Recherche möglich und müsste der BF, der seit dem Jahr 2008 bzw. 2009/2010 aktives Mitglied dieser Partei sein will, zu umfassenderen Angaben in der Lage sein, was jedoch, wie sich in der hg. Verhandlung zeigte, nicht der Fall war.
Gerade vom BF, der nach eigenen Angaben nahezu der Einzige aus seinem Dorf gewesen sei, der der PAT angehörte und sich durch den Beitritt vermeintlichen Gefahren ausgesetzt habe, wäre zu erwarten, dass er sich die Entscheidung, dieser beizutreten, umfassend überlegt hat und vor seiner Entscheidung nähere Informationen über die Parteien gesammelt hat, wäre es ansonsten naheliegend, sich wie die Mehrheit der Personen aus seinem Dorf der PLM-N oder PTI anzuschließen. Eine derartige Beschäftigung und Auseinandersetzung mit bzw. eine Überzeugung von der Partei konnte den Antworten des BF jedoch nicht entnommen werden. Insbesondere war der BF in der hg. Verhandlung auch nicht in der Lage, seinen Entschluss, sich der PAT anzuschließen näher zu begründen, sondern meinte – der Frage ausweichend – dass es im Dorf zwei bis drei Personen gegeben habe, wobei einer namens XXXX einen höheren Posten bekommen habe. Auch nach Wiederholung bzw. Erörterung der Frage, antwortete der BF bloß vage mit: „Den Menschen zu helfen war unser Ziel.“ ohne näher anzuführen, warum er glaube, dass dies durch die Mitgliedschaft bei der PAT erreicht werden könne oder woher die Motivation sich dieser anzuschließen überhaupt stamme. (VHS, S 8) Wie der BF auf die PAT gekommen und sein Interesse bzw. seine Überzeugung entstanden ist, konnte er mit diesen Aussagen nicht darlegen, weshalb seine Mitgliedschaft auch deshalb in Frage zu stellen ist.
Schließlich konnte der BF auch nicht gleichbleibend angeben, ab wann er Mitglied der Partei sei, sondern meinte vor dem BFA, bereits seit 2008 Mitglied zu sein, während er hg. angab, der PAT erst zwischen 2009 und 2010 beigetreten zu sein. Auch das Unvermögen des BF konkrete und vor allem auch gleichbleibende Angaben hinsichtlich des Beitrittszeitpunkts zur PAT zu machen, stellt unter Berücksichtigung der dadurch aufgetretenen Probleme ein weiteres Indiz dar, das gegen die Glaubwürdigkeit des BF und seines Vorbringens spricht.
Vor allem aber wirft die Beschreibung seines eigenen Tätigkeitsbereichs erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Mitgliedschaft des BF bei der PAT auf.
Vor dem BFA nach seiner Funktion innerhalb der Partei befragt, gab der BF vage an „Arbeiter“ gewesen zu sein, wobei zu seinen Aufgaben das Melden von Problemen beim Vorsitzenden der Ortschaft gehört habe. (vgl. AS 59) Nähere Ausführungen dazu macht der BF nicht. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung erwähnte der BF diese Tätigkeit hingegen nicht mehr, sondern gab zu seinem Aufgabenbereich befragt, an, Leute motiviert zu haben, an Versammlungen der Partei teilzunehmen. Von der erkennenden Richterin daraufhin aufgefordert diese Tätigkeit genauer zu beschreiben, war der BF jedoch nicht in der Lage, Details über die Art und Weise, wie er seine Tätigkeit ausgeübt habe, zu nennen und gab auch keine persönlichen oder konkreten Erfahrungen in diesem Zusammenhang (zB über die Auswahl der Personen, welche er angesprochen habe, konkrete Veranstaltungen, zu denen er diese mitgenommen habe, Zeit die er dafür aufgewendet habe, Angaben zu sonstigen Mitgliedern mit denen er zusammengearbeitet habe etc.) wieder, was abermals darauf schließen lässt, dass er die von ihm behauptete politische Funktion nicht innehatte, er keinen Aktivitäten für die Partei nachging und die damit im Zusammenhang stehenden Probleme nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. (vgl. VHS, S 7)
Dass der BF in seinem Heimatstaat keinerlei asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ergibt jedoch in erster Linie aus der divergierenden und äußerst vagen sowie detailarmen Darstellung der gegen ihn gesetzten Verfolgungsmaßnahmen.
Der BF stellte verschiedene Angriffe und Bedrohungen durch die Polizei, die Dorfbewohner sowie Angehörige der Taliban in den Raum ohne nähere Umstände wie persönliche Empfindungen, Ängste, Begebenheiten oder den Hergang bestimmter Vorfälle konkret zu beschreiben. Er beschränkte sich in seinen Schilderungen durchwegs auf das Aufstellen vager Behauptungen, war jedoch weder vor dem BFA noch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung in der Lage, diese zu untermauern und persönlich erlebte Geschehnisse lebensnah, ausführlich und vor allem auch gleichbleibend und stringent zu schildern.
So erklärte der BF im Rahmen der Erstbefragung als auch in der zweiten Einvernahme vor dem BFA am 20.04.2018, am 31. August 2014 in XXXX an einer vom Präsident der PAT organisierten Demonstration (Long March) gegen die Regierung bzw. den damaligen Regierungschef Nawaz Sharif (PLM-N) teilgenommen zu haben. In der gleichen Nacht seien sie von den Polizisten geschlagen, beschossen, festgenommen und in einen Keller gebracht worden, wobei dem BF die Flucht gelungen sei. (AS 13, 134f)
Während der BF im Rahmen der Erstbefragung dazu noch ausführte, in dem Keller misshandelt, geschlagen und gefoltert worden zu sein, machte er in der Einvernahme vor dem BFA diesbezüglich keine Angaben mehr (vgl. AS 135), was angesichts der Tatsache, dass es sich bei diesem Ereignis wohl um ein besonders einschneidendes und gleichsam einprägsames Erlebnis gehandelt habe, das für das Asylverfahren des BF von besonderer Relevanz ist, nicht nachvollziehbar ist und bereits erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des BF und seines diesbezüglichen Vorbringens aufwirft.
Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass der BF – wie auch bereits das BFA in seinen beweiswürdigenden Ausführungen darlegte – die Demonstrationsteilnahme per se in seiner Einvernahme vor dem BFA am 27.07.2016 mit keinem Wort erwähnte, sondern – nach seinen Ausreisegründen befragt – lediglich Schwierigkeiten mit bzw. Misshandlungen durch die Dorfbewohner vorbrachte und weitere Fluchtgründe dezidiert ausschloss. (AS 57,59) Zwar berichtete der BF im Rahmen der selben Einvernahme, am 31. August in der Nacht inhaftiert gewesen zu sein, aus welchem Grund es zur Festnahme gekommen sei, erklärte der BF jedoch ebenso wenig wie die sonstigen Umstände, insbesondere den Ort und die Dauer der Festnahme oder ob es währenddessen zu Misshandlungen bzw. sonstigen Gewaltanwendungen gegen die Festgenommen gekommen sei. (AS 55)
Da vor allem Ereignisse – wie Schüsse, Schläge und Misshandlungen durch Polizisten während einer Demonstrationsteilnahme und anschließenden Festhaltung in einem Keller –, die mit massiven Emotionen verknüpft sind bzw. die dazugehörigen Bilder sehr nachhaltig im Gedächtnis haften, ist hier ein normalpsychologisches Vergessen als Erklärung für die divergierenden und nicht kompatiblen Angaben keine wahrscheinliche Erklärung (Prim. Dr. Adelheid Kastner, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Gutachten vom 24.04.2014 zu L506 1420860)
Nach hg. Ansicht hat diese gutachterliche Feststellung Allgemeingültigkeit und kann auch auf das gegenständliche Verfahren umgelegt werden, weshalb die widersprüchlichen Angaben des BF bzw. das Unterlassen jeglicher Angaben zu den behaupteten Vorfällen, eindeutig gegen die tatsächliche Existenz der betreffenden Vorkommnisse spricht.
Untermauert wird diese Ansicht der erkennenden Richterin ferner dadurch, dass der BF, hg. über Aufforderung, alle Gründe für seine Ausreise von sich aus und so genau als möglich zu schildern, die Demonstrationsteilnahme zwar kurz ansprach (VHS, S 5), jedoch auf konkrete Nachfrage hin, was dort passiert sei, bloß ausweichend antwortete und die Hintergründe der Demonstration sowie deren vagen Ablauf erklärte, anstatt persönliche Erlebnisse darzulegen und insbesondere konkrete gegen den BF gesetzte Bedrohungen bzw. Gewaltübergriffe, wie Schläge und Schüsse sowie Gefühle der Angst oder Panik konkret und ausführlich zu beschreiben. (Vgl. VHS, S 7 u. 8: VR: Sie berichteten in der EB, vor dem BFA und heute von einer Demonstrationsteilnahme im Jahr 2014. Können Sie genauer schildern, was dort passiert ist?
BF: Es war der 17. Juni 2014 in MODELTOWN Lahore. Die Polizei hat 14 unschuldige Parteimitglieder unserer Partei ermordet, darunter eine schwangere Frau. Gegen diese Aktion, gegen die Polizei hat unsere Partei Proteste begonnen. Gegen die Regierung haben wir von Lahore nach Islamabad einen Protest gestartet, wir wollten von Lahore nach Islamabad marschieren. Von allen Orten sollten sich die Parteimitglieder sammeln und dort mitgehen. BF schweigt.)
Auch auf erneute Nachfrage, ob der BF noch weitere Angaben zur Demonstration machen könne, meinte er lediglich, dass er vom 14. bis zum 19. August teilgenommen habe – womit er den Beginn seiner Demonstrationsteilnahme änderte und die Dauer im Gegensatz zur behördlichen Einvernahme von 13/14 Tagen auf maximal fünf Tage verkürzte (vgl. AS 135: BF gab an vom 18. oder 19. August bis zum 31. August 2014 Teilnehmer der Demonstration gewesen zu sein) – und berichtete vage von Angriffen seitens der Regierung und einer Auseinandersetzung zwischen den Demonstranten und der Polizei, ohne diese näher zu definieren. Auch die Festnahme durch die Polizei brachte der BF erst nach kurzem Schweigen bzw. Nachdenken vor; dass er von Polizisten mit Stangen geschlagen wurde, erwähnte der BF erst nach mehrmaliger Nachfrage durch die erkennende Richterin. (VHS, S 8) Die zaghafte Erzählweise und bloß oberflächliche, emotionslose Schilderung vermitteln nicht den Eindruck, dass der BF von tatsächlich persönlich erlebten Ereignissen spricht, sondern eine einstudierte, für das Asylverfahren konstruierte, Geschichte wiedergibt.
Dazu ist weiters hervorzuheben, dass der BF in der hg. Verhandlung aussagte, dass er nach der Festnahme drei oder vier Stunden an einem Platz festgehalten worden sei, vor der Verbringung in einen Keller jedoch gemeinsam mit drei bis vier weiteren Personen flüchten habe können (VHS, S 8), womit er eine Unterbringung und Misshandlung im Keller, die er noch im behördlichen Verfahren angegeben hatte, selbst ausschloss. Trotz Vorhalts dieses Widerspruchs durch die erkennende Richterin war der BF auch nicht in der Lage, diese Divergenzen plausibel zu entkräften, sondern behauptete zuerst, dies auch heute so wie in der Erstbefragung gemeint zu haben und bei der Demonstration geschlagen worden zu sein, änderte – nach Wiederholung und Erörterung der Frage – sein Vorbringen jedoch ab und gab an, auch im Keller geschlagen worden zu sein. (VHS, S 12) Dies widerspricht jedoch wiederum deutlich den schriftlichen Ausführungen des BF in seinem undatierten ‚Persönlichen Schreiben an die Republik Österreich‘ wonach er am 31. August anlässlich der Demonstrationen habe flüchten können, sonst hätte man ihn sicher misshandelt und gefoltert (AS 91). Die soeben dargelegte Vorgehensweise des Modifizierens seiner widersprüchlichen Angaben, spricht besonders gegen die persönliche Glaubwürdigkeit der Angaben des BF.
Im genannten Schreiben führt der BF auch aus, von verschiedenen Personen misshandelt, und schwer verletzt worden zu sein, sodass er fast gestorben wäre.
Schwere Verletzungen, an denen er fast gestorben wäre, erwähnte der BF jedoch in der hg. Verhandlung nicht. (VHS 8: Es waren keine schweren Verletzungen. VHS 11: Wann war das und was hatten Sie für Verletzungen? BF: Ich wurde mit Stangen geschlagen, auf den Rücken- und Hinterkopfbereich. Nachgefragt, das war 2012. Nachgefragt, BF wiederholt seine Angaben. Nachgefragt, am rechten Arm hatte ich eine Verletzung mit dem Messer und sie hat geblutet).
Ergänzend ist auch darauf zu verweisen, dass der BF vor dem erkennenden Gericht ausdrücklich verneinte, je in Haft gewesen zu sein, vor dem BFA hingegen erklärte, drei bis vier Mal inhaftiert gewesen zu sein (vgl. AS 55, VHS, S 9), worin ein weiterer eklatanter Widerspruch in einem zentralen Teil des Vorbringens des BF gelegen ist, den dieser mit seiner unsubstantiierten Erklärung: „Ich habe damals gesagt, sie haben drei bis vier Mal eine falsche Anzeige gegen mich erstattet. Aber ich bin nicht festgenommen worden.“ nicht auszuräumen vermochte.
Nach hg. Ansicht sind genannten Widersprüche gravierend und wirken sich besonders zu Lasten der Glaubwürdigkeit der Angaben aus, kann doch erwartet werden, dass der BF gerade hinsichtlich ihn persönlich betreffender Verfolgungshandlungen und einschneidender Ereignisse wie etwa Eingriffe in die persönliche Freiheit gleichbleibende Angaben macht, was angesichts der aufgezeigten Divergenzen jedoch zu verneinen ist. Dass der BF tatsächlich an einer Demonstration der PAT teilnahm und von Polizisten angegriffen (geschlagen, beschossen), festgenommen oder misshandelt worden ist, ist unter Berücksichtigung der gravierend widersprüchlichen und vagen Angaben des BF nicht anzunehmen und festzuhalten, dass auch die vom BF als Konsequenz der Demonstrationsteilnahme behauptete polizeiliche Suche nach ihm – ohne auf die in diesem Zusammenhang vom BF getätigten vagen, unschlüssigen Angaben näher einzugehen – in weiterer Konsequenz gleichermaßen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann.
Im Übrigen weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass dem Beschwerdeführer die legale Ausreise aus Pakistan auf dem Luftweg mit einem Flugzeug ohne wesentliche Probleme gelang, was gegen die behauptete staatliche Verfolgung spricht. Andernfalls hätte der Beschwerdeführer damit rechnen müssen, dass er auf die Fahndungsliste gesetzt und bei der Ausreisekontrolle festgenommen wird. Dass derartiges nicht erfolgte, spricht daher gegen eine Verfolgung durch staatliche Organe. Auch die problemlose Ausstellung eines Personalausweises durch die pakistanische Botschaft in Österreich am XXXX spricht gegen eine staatliche Verfolgung des BF, hätte dieser doch im Falle staatlicher Verfolgung von einer Kontaktaufnahme zur Botschaft seines Heimatstaates Abstand genommen.
Was die vom BF behaupteten Probleme mit den Dorfbewohnern betrifft, ist anzuführen, dass der BF auch in diesem Zusammenhang bloß unpräzise und widersprüchliche Angaben tätigte, weshalb auch diesem Vorbringen kein Glaube geschenkt werden kann.
Wie bereits erwähnt, brachte der BF in der behördlichen Einvernahme vom 27.07.2018 „Schwierigkeiten“ mit den Dorfbewohnern, die Angehöriger der gegnerischen Parteien seien, als einzige Grund für die Ausreise vor. Die Dorfbewohner hätten den BF immer gestresst, ihn verfolgt, misshandelt und versucht ihn umzubringen. Konkrete Vorfälle schilderte der BF jedoch auch diesbezüglich nicht und war auch auf nähere Nachfrage hin nicht imstande, die behauptete Bedrohung bzw. Misshandlung anschaulich zu beschreiben.
Illustrativ seien dazu folgende Passagen der behördlichen Niederschrift zitiert (AS 61, 63):
LA: Sie haben angegeben, dass Sie misshandelt wurden. Wer war das und wann war das?
VP: Es gibt 5-6 Leute, die anderen Namen weiß ich nicht. Qamar Zaman, Arbar Mushtaq, Kamran Afzal, Tariq, die restlichen weiß ich jetzt nicht. Es war 2010, seit dem verfolgen sie mich auch. Es war 2010.
LA: Schildern Sie mir die Tat von 2010?
VP: Diese Leute haben auf mich geschossen. Aber die Kugel hat jemand anderen getroffen. Die haben gegen mich dann einen FIR dann gemacht, dass ich dann geschossen hätte. Der getroffen wurde, wegen ihm wurde ich dann auch freigelassen beim Gericht. Er wurde verletzt. Die anderen zwei Namen sind mir jetzt eingefallen.
…
LA: Beschreiben Sie die Misshandlungen!
VP: Sie haben mich geschlagen, sie haben auch einmal versucht mich umzubringen. Einmal wollten sie mich eben umbringen. Es gibt auch einen Medizinischen Bericht, einen habe ich retten können.
…
LA: Wo wurden Sie misshandelt?
VP: In meinem Dorf.
Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass bei tatsächlicher Existenz der seitens des BF geschilderten Geschehnisse es dem BF ein Anliegen gewesen wäre, diese von sich aus genauer darzulegen. Eine derartige Vorgangsweise entspricht auch den aus mehr als zwanzigjähriger Tätigkeit im Asylverfahren resultierenden Erfahrungswerten der erkennenden Richterin und werden gerade freie, emotionale Erzählungen unter Nennung zahlreicher Details auch als sog. „Realkennzeichen“ einer glaubwürdigen Darlegung in einschlägiger Literatur und Fortbildungsveranstaltungen zur Thematik „Glaubwürdigkeitsprüfung“, welche die erkennende Richterin besuchte, genannt.
Bei Durchsicht der behördlichen Einvernahmeprotokolle und nach Durchführung der hg. mündlichen Verhandlung fällt jedoch auf, dass der BF an keiner Stelle in der Lage war, seine Ausreisegründe von sich aus und unter Nennung von Details und Gefühlslagen darzulegen. Die Angaben des BF sind durchwegs als abstrakt und emotional distanziert zu werten und beschränkte sich der Beschwerdeführer in seiner Beschreibung vielfach auf die Nennung allgemeiner Worte der „Verfolgung“ und „Misshandlung“ ohne ihnen selbständig einen individuellen Inhalt zu geben und Situationen nachvollziehbar und lebendig zu darzustellen.
Auch aus dieser Sicht ist dem BFA, welches in der betreffenden Einvernahme durch zahlreiche Fragen versuchte, den vom BF geltend gemachten Sachverhalt zu erhellen, beizupflichten, dass den Angaben des BF die Glaubwürdigkeit zu versagen war, da der BF eben solche Realkennzeichen bei der Darlegung seiner Ausreisegründe nicht aufwies.
Dazu ist ferner anzuführen, dass der BF die Misshandlungen durch die Dorfbewohner im Rahmen der hg. mündlichen Beschwerdeverhandlung von sich aus nicht erwähnte, sondern zu seinen Ausreisegründen befragt, lediglich allgemein angab, dass die Leute aus seinem Dorf, die der PLM-N angehören, die Mitglieder der PAT „bedrohen“ würden, ohne nähere Angaben zu machen und konkrete Vorfälle zu schildern. Erstmals brachte der BF überdies vor, dass die Angehörigen der PLM-N sowie der PTI auch seinen Vater „stören“ würden, führte aber auch hier nicht aus, wie sich diese Störungen genau darstellen. (VHS, S 5)
Auch stellte sich heraus, dass das „Stören“ des Vaters durch die Dorfbewohner/Nachbarn auf einem Grundstücksstreit beruht und in keinem näheren Zusammenhang mit dem BF und seiner vermeintlichen Mitgliedschaft bei der PAT steht, für das Asylverfahren des BF somit auch nicht weiter von Relevanz sind. (vgl. VHS, S 5, 15: VR: Sie gaben an, die Nachbarschaftsprobleme resultieren aus einem Grundstücksstreit. Was hat das mit Ihnen zu tun? BF: Wenn sie uns das einzige Haus wegnehmen, wohin sollen wir gehen?)
Dass der BF von den Leuten der PLM-N auch verletzt worden sei, erklärte er schließlich erst nachdem er von der erkennenden Richterin auf die von ihm vorgelegten medizinischen Unterlagen (AS 79,81) angesprochen worden war. Der BF konnte jedoch weder seine Verletzungen, noch die Art und Weise, wie ihm diese zugefügt wurden, konkret beschreiben, sondern gab an: „Ich wurde mit Stangen geschlagen, auf den Rücken-und Hinterkopfbereich. Nachgefragt, das war 2012. Nachgefragt, BF wiederholt seine Angaben. Nachgefragt, am rechten Arm hatte ich eine Verletzung mit dem Messer und sie hat geblutet.“ (VHS, S 11) Ebensowenig vermochte er, die vor dem BFA behauptete Misshandlung – auf Nachfrage durch die erkennende Richterin – näher schildern: „Es war 2012 und ich habe versucht, gegen diese Personen eine Anzeige zu erstatten. Ich habe auch die Bestätigungen meiner Verletzungen vorgelegt. Die Polizei hat die Anzeige nicht angenommen. Ich habe eine Bestätigung erhalten, dass ich Anzeige erstatten wollte, aber die Polizei hat die Anzeige nicht angenommen. Nachgefragt, ich habe die Bestätigung der Polizei schon vorgelegt.“ (VHS, S 14).
Gerade persönlich erlittene Misshandlungen und davongetragene Verletzungen, die durch Angriffe mit Stangen bzw. – wie hg. erstmal behauptete – mit einem Messer entstanden seien, sollten jedoch derart tief im Gedächtnis verankert sein, dass der BF jederzeit, spontan und gleichbleibend darüber berichten kann, was jedoch abermals nicht der Fall war und ebenfalls gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben des BF und der von ihm behaupteten Geschehnisse spricht.
Die vom BF vorgelegten medizinischen Unterlagen, die nicht näher definierte Verletzungen des BF am Arm sowie im Kopfbereich dokumentieren, jedoch laut Angaben des Dolmetschers kein Ausstellungsdatum enthalten, können auch im Fall ihrer Echtheit, mit Ausnahme des Umstandes, dass der BF tatsächlich einmal an den genannten Stellen verletzt war und behandelt wurde, sein geltend gemachtes Vorbringen zu Problemen mit den Dorfbewohnern nicht stützen, da darin nicht zu erkennen ist, woher die Verletzungen letztendlich stammen, sodass das kausale Vorkommnis für die Arm-und Kopfverletzungen auch nicht feststellbar ist.
Auch aus den weiteren vom BF vorgelegten Beweismitteln, bei denen es sich um bloße Kopien/Scans von First Information Reports (FIRs), handelt, und zum Teil auch nur schwer leserlich sind, kann keine Verfolgungs-/Bedrohungssituation für den BF abgeleitet werden. Zum einen ist deren Echtheit sowie Richtigkeit aufgrund des schon in den Länderfeststellungen erwähnten weit verbreiteten Phänomens der Urkundenfälschung in Pakistan und der Tatsache, dass die FIRs keinen Stempel enthalten, obwohl derartige Schriftstücke laut Angaben des Dolmetschers und den hg. Erfahrungen in der Regel zwei Mal abgestempelt werden, stark in Zweifel zu ziehen. Im Lichte der bisherigen Ausführungen zu den vagen und widersprüchlichen Angaben des BF ist davon auszugehen, dass es sich um derart gefälschte Unterlagen handelt. Zum anderen ist festzuhalten, dass eine Überprüfung der vorgelegten Dokumente auch nicht möglich ist, da es sich lediglich um Kopien, die zwar jeglicher Manipulation, jedoch keiner Verifizierung zugänglich sind, handelte.
Auch die Angaben des BF, wann er sein Dorf verlassen habe will, sind nicht miteinander in Einklang zu bringen, erklärte er doch in der hg. Verhandlung, nach seiner Demonstrationsteilnahme im August bis 30. August in einem Hotel in Rawalpindi gewesen zu sein und schloss über Nachfragen ausdrücklich aus, danach nochmals in seinem Dorf gewesen zu sein. In der behördlichen Einvernahme gab der BF hingegen an, sein Dorf am 1. November 2014 gänzlich verlassen zu haben (AS 63), worin ein wesentlicher Unterschied gelegen ist, der einmal mehr gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben des BF spricht.
Zum anderen war der BF nicht in der Lage, schlüssige Angaben im Hinblick auf die Gründe bzw. die Motivation hinter der falschen Anzeigenerstattung und der daraus resultierenden Ermittlungstätigkeit (vgl. VHS, S 11: VR: Gab es, abgesehen von diesen FIRs, weitere Ermittlungen gegen Sie? BF: Sie wollen mich einfach töten.) zu machen und konnte der BF auch nicht näher darlegen, was ihm vorgeworfen werde und wann die FIRs genau erstattet worden seien, was ebenfalls gegen die Echtheit der Schriftstücke spricht.
Abgesehen davon, stammen diese Dokumente laut Angaben des Dolmetschers in der hg. Verhandlung großteiles aus dem Jahr 2010 und erklärte der BF hg. schließlich, dass sämtliche bis auf ein Verfahren bereits gerichtlich entschieden worden seien bzw. der BF die jeweiligen Strafen bezahlt habe (VHS, S 12), weshalb sich daraus auch keine konkrete Gefahr für den BF ergibt.
Ergänzend darf noch angeführt werden, dass ebenfalls gegen die Glaubwürdigkeit des BF spricht, dass er in der Einvernahme vor dem BFA am 20.04.2018 behauptete, dass die Polizei gemeint hätte, dass alle Angehörigen der Volksgruppe der Ansari verhaftet werden, seine Aussage hg. jedoch revidierte und erklärte, dass dies ein Missverständnis gewesen sei und es nur Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Kasten geben würde. (AS 134, VHS, S 15)
Eigene Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit verneinte der BF in der hg. Verhandlung dezidiert (VHS 14).
Die erkennende Richterin lässt zwar nicht unberücksichtigt, dass im Zuge von Einvernahmen, in denen ein Dolmetscher zwischengeschaltet ist, grundsätzlich Missverständnisse und Fehler nicht auszuschließen sind, doch kann im gegebenen Fall nicht von einer fehlerhaften Übersetzung bzw. Protokollierung ausgegangen werden, da der BF im Rahmen der Einvernahme selbst angab, den Dolmetscher sehr gut zu verstehen (AS 132), nach Rückübersetzung der Niederschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben durch seine Unterschrift bestätigte (AS 138) und auch am Beginn der mündlichen Beschwerdeverhandlung angab, zu seinen Angaben im behördlichen Verfahren nichts anzumerken oder zu ändern zu haben. (VHS, S 4)
Es entsteht hier der unzweifelhafte Eindruck, dass der BF mit seiner Behauptung, aufgrund seiner Volksgruppe willkürlicher Inhaftierung ausgesetzt zu sein, nur eine weitere persönliche Bedrohung zum Ausdruck bringen wollte, die tatsächlich jedoch nicht gegeben ist.
Sofern der BF überdies bei Schilderung seines ausreisekausalen Vorbringens wiederholt eine Bedrohung durch „die Taliban“ behauptete, da der Parteiführer eine „Fatwa“ gegen diese herausgegeben habe, ist anzuführen, dass der BF vor dem erkennenden Gericht konkrete Probleme mit den Taliban ausdrücklich verneinte (vgl. VHS, S 14), weshalb eine persönliche Verfolgung des BF durch die „Taliban“ ebenfalls als ausgeschlossen betrachtet werden kann.
Nicht von sich aus, sondern erst über Befragen, ob seine Demonstrationsteilnahme Folgen bzw. ein Verfahren nach sich zog, erklärte der BF, während seines Aufenthaltes im Hotel in Rawalpindi zu Hause von der Polizei gesucht worden zu sein. Das Unterlassen der betreffenden Angaben in der hg. Verhandlung erklärte der BF damit, nicht danach gefragt worden zu sein. Im Lichte dessen, dass durch wiederholtes Nachfragen in der hg. Verhandlung versucht wurde, die Angaben des BF zu vervollständigen bzw. zu erhellen, ist diese Antwort des BF als Schutzbehauptung zu qualifizieren. Überdies kann nicht nachvollzogen werden, dass eine polizeiliche Suche im Falle des tatsächlichen Bestehens einer solchen, nicht eigenständig seitens des BF angegeben wird, sodass einmal mehr von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des BF auszugehen ist.
Letztendlich kann dem Vorbringen des BF auch deshalb die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden, da er vor seiner Einreise in Österreich bereits sichere Länder durchreiste, ohne dort jedoch einen Asylantrag zu stellen.
So ist seitens des erkennenden Gerichts darauf hinzuweisen, dass es gegen die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht, dass sich der BF vor seiner Weiterreise nach Österreich etwa neun Tage in Dubai und vier bis fünf Tage in Italien aufgehalten hat, ohne jedoch dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben (AS 11). Aus welchen Gründen er dies unterlassen hat, wurde von ihm nicht substantiiert angeführt, sondern meinte der BF lediglich, dass sein Bruder mit dem Schlepper Österreich als Zielland ausgemacht habe. (VHS, S 5)
In diesem Zusammenhang ist auf die Richtlinie 2011/95/EU des Rates vom 13.12.2011 (in Kraft seit 9. Jänner 2012, Umsetzung bis 21. Dezember 2013) über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Statusrichtlinie) zu verweisen, welche in ihrem Art 4 Abs. 5 lit d vorsieht, dass dann, wenn für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise fehlen, diese Aussagen keines Nachweises bedürfen, wenn der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war. Wendet man diese sekundärrechtliche Norm im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung auf das gegenständliche Verfahren an, so ergibt sich um Umkehrschluss, dass gegenständlich jedenfalls - glaubwürdige - Beweise erforderlich gewesen wären.
Der BF musste auf seiner Reise nach Österreich sohin auch durch andere als sicher geltende Staaten reisen und wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen schon dort um Schutz anzusuchen. Durch das Unterlassen kann geschlossen werden, dass er andere Motive als jene der Schutzsuche hat.
Es ist aus der Aktenlage nachvollziehbar, dass der BF nunmehr Präferenzen hat in Österreich zu leben. Zur Erreichung dieses Zieles scheut der BF offensichtlich nicht davor zurück im Asylverfahren - trotz ergangener Belehrung und Aufforderung die Wahrheit zu sagen und Hinweis auf nachteilige Folgen im Falle wahrheitswidriger Angaben - über persönliche und für das Verfahren maßgebliche Umstände zu täuschen. Die generelle persönliche Glaubwürdigkeit des BF ist daher im Verfahren auch aus diesem Grund zu verneinen. Warum er angesichts der von ihm skizzierten Bedrohungslage im Herkunftsland nicht zumindest versucht hat, möglichst zeitnah zur Einreise ein Schutzansuchen in Italien, wo er sich seinen Angaben zufolge ein paar Tage aufgehalten hat, zu stellen, erweist sich als nicht plausibel erklärbar. Würde man doch bei begründeter Furcht vor Verfolgung des vom BF geschilderten Ausmaßes annehmen können, dass von Asylwerbern die nächste Gelegenheit genützt wird, um Schutz zu ersuchen, was jedoch nicht geschehen ist.
Bestätigung findet die hg. Ansicht, wonach sämtlichen zur Begründung seines Asylantrages angegebenen Gründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen ist, letztlich in der Vorgehensweise des BF selbst, der sich seinen Angaben zufolge, während seines Aufenthaltes in Österreich und seines Asylverfahrens von sich aus an die pakistanische Botschaft in Wien gewendet hat, um sich einen pakistanischen Personalausweis ausstellen zu lassen. Gefragt nach allfälligen Problemen erklärte der BF, dass es bei der Ausstellung zu keinen gekommen sei. (VHS, S 4)
Dass der BF offensichtlich keine Bedenken hatte, sich während seines Asylverfahrens und trotz der darin angegebenen Gründe, an die Behörden seines Herkunftsstaates zu wenden, untermauert die hg. Ansicht zur Unglaubwürdigkeit der Angaben des BF einmal mehr.
3.3.6. In einer Gesamtschau dieser Erwägungen ist somit auch aus Sicht des erkennenden Gerichtes die behauptete Verfolgung des BF, er habe in seiner Heimat aufgrund der Zugehörigkeit zur PAT Probleme mit den Taliban, den Anhängern der gegnerischen Parteien und (seit der Teilnahme an einer Demonstration gegen die Regierung) vor allem auch mit der Polizei, die ihn im Zuge von mehreren Vorfällen beschossen, geschlagen ,in einen Keller gesperrt und gefoltert sowie mehrmals fälschlich angezeigt hätten, angesichts eines widersprüchlich dargestellten und unsubstantiierten Vorbringens nicht als glaubwürdig zu qualifizieren.
Eine individuelle Verfolgung vor der Ausreise bzw. folgerichtig auch die Gefahr einer solchen für den Fall einer Rückkehr konnte der Beschwerdeführer daher letztlich nicht glaubhaft darlegen und war insoweit – der belangten Behörde im Ergebnis folgend – zu den obigen Feststellungen zu gelangen.
3.3.7. Das erkennende Gericht schließt sich letztlich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Ausführungen des BFA vollinhaltlich an, wonach der BF aufgrund seines unglaubwürdigen Vorbringens zu den Vorkommnissen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft machen konnte.
3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid bzw. Erkenntnis angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Es wurden dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Auch ist auszuführen, dass die dem BF zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des BF in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann, weshalb gemäß hg. Ansicht nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des BF unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu § 52 AVG).
Überdies handelt es sich bei den seitens des BFA dem Verfahren zugrunde gelegten Quellen und den hg. Quellen um Berichte staatlicher oder staatsnaher Institutionen, denen aufgrund ihrer Verpflichtung zu Objektivität und Unparteilichkeit keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann.
Weder der BF noch seine Vertretung traten diesen in der hg. Verhandlung entgegen.
Die unstrittigen Feststellungen zu aktuell vorliegenden Zahlen in Verbindung mit der Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den notorischen unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen, wie etwa der Johns Hopkins Universität, Corona Resource Center, in Baltimore, Maryland (darauf ua verweisend: https://www.ages.at ).
3.5. Zur Beschwerde des BF:
3.5.1. Da die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen aufgrund der dargelegten beweiswürdigenden Überlegungen und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG insgesamt als unglaubwürdig zu qualifizieren waren, wird zur Vermeidung von Wiederholungen nicht weiter auf die Ausführungen in der Beschwerde, welche die Glaubwürdigkeit des Vorbringens voraussetzen, eingegangen.
4. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
4.1. Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:
4.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
4.1.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht der erkennenden Richterin die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund, nicht gegeben. Der BF vermochte keine asylrelevante Verfolgung darzutun. Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist es dem BF nicht gelungen, eine solche glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen fluchtkausalen Angaben des Asylwerbers nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0380).
4.1.3. Auch das Vorliegen eines Nachfluchtgrundes ist im gegenständlichen Fall zu verneinen. Nach den getroffenen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass pakistanische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.
4.1.4. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.
4.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
4.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände („exceptional circumstances“) vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter „außergewöhnlichen Umständen“ können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr („real risk“) – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
4.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind.
Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.
4.2.2.1. Bei dem BF handelt es sich um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich, warum er als Erwachsener in Pakistan selbst keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können sollte. Er ist in Pakistan aufgewachsen, ist dort neun Jahre zur Schule gegangen und hat auch mehrjährige Berufserfahrung als Versicherungsvertreter. Er hat jedenfalls die überwiegende Zeit seines Lebens in Pakistan verbracht. Der BF wurde in Pakistan sozialisiert und es ist nicht hervorgekommen, dass er in Pakistan keine familiären und privaten Anknüpfungspunkte mehr hat. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr bei Bedarf auch im Rahmen seines Familienverbandes – sein Vater und seine Geschwister (zwei Brüder, vier Schwestern) leben in Pakistan und hat der BF zu diesen regelmäßigen Kontakt (einmal wöchentlich) – eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zu Teil wird.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.
Letztlich war zu berücksichtigen, dass der BF den ihm zur Kenntnis gebrachten und der Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichten zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr nach Pakistan nicht substantiiert entgegengetreten ist und in weiterer Folge auch nicht dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit der BF durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemein existenten Notlage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Insgesamt kann im Lichte der genannten Feststellungen, welche sich neben medizinischer Versorgung auch auf die allgemeine Grundversorgung der Bevölkerung beziehen, und keine Rückschlüsse auf einen Zusammenbruch des Wirtschaftssystems oder des Gesundheitssystems zulassen, dennoch keine allgemeine prekäre Lage festgestellt werden, welche eine Rückkehr des BF nach Pakistan verunmöglichen würde.
Auch aus den aktuellen, in das Verfahren integrierten Quellen zur COVID19-Pandemie ergibt sich keine Rückehrgefährdung des BF im Sinne eines realen Risikos, ist doch aufgrund des Alters und des Gesundheitszustandes des BF nicht darauf zu schließen, dass dieser Angehöriger einer Risikogruppe ist. Abgesehen davon hat der BF im Rahmen der hg. Verhandlung angegeben, am 02.10.2021 bereits eine Covid-Teilimpfung erhalten zu haben.
Bei COVID 19 handelt es sich um keine wahrscheinlich tödlich verlaufende, die Schwelle des Art 3 EMRK tangierende Krankheit und hat der BF, der in Österreich bereits eine Impfung erhalten hat, zu den diesbezüglichen hg. Feststellungen auch kein Vorbringen erstattet, aus dem sich in diesem Zusammenhang ein reales Risiko im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat ergeben würde.
Insgesamt kann sohin im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund der COVID 19-Pandemie im Herkunftsstaat des BF und seiner Ausführungen in der hg. Verhandlung weder auf eine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Krankheitsverlaufes beim BF noch insgesamt auf eine allgemeine oder medizinische unzureichende Versorgungslage geschlossen werden.
Ferner ist auf die Judikatur des EGMR zu verweisen, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09).
Auch ist diesbezüglich zu betonen, dass eine schwierige Lebenssituation insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht ausreicht, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH 27.05.2019 Ra 2019/14/0153-8, VwGH 12.03.2020 Ra 2019/01/0347-8).
Dazu jüngst auch VwGH vom 23.06.2020, Ra 2020/20/0188-3, Rz 17 – 19 hinsichtlich der Ausführungen zur aktuellen Covid-Pandemie: es reicht nicht, wenn eine Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (VwGH 22.4.2020, Ra 2020/18/0098, mwN).
Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates des BF (die Todesstrafe wurde zwar nicht abgeschafft, es bestehen jedoch keine glaubhaften Hinweise, dass der BF einen Sachverhalt verwirklichte, welcher in Pakistan mit der Todesstrafe bedroht ist) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.
Auf die Ausführungen zur Allgemeinsituation im Herkunftsstaat des BF sei an dieser Stelle verwiesen und festgehalten, dass auch das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Sicherheitslage in Pakistan instabil ist und Pakistan mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert ist, wobei die Zahl der Anschläge zuletzt zurückgegangen ist und sich die allgemeine Sicherheitslage verbessert hat. Ebenso wird von Seiten der erkennenden Richterin die schwierige Situation der Binnenflüchtlinge anerkannt.
Der BF, der aus dem Punjab stammt, hat aber nicht dargetan, inwiefern er von der prekären Sicherheitslage bzw. der humanitären Situation der Binnenflüchtlinge konkret betroffen ist. Von einer allgemeinen, das Leben eines jeden Bürgers betreffenden, Gefährdungssituation im Sinne des Art. 3 EMRK ist jedenfalls nicht auszugehen.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die pakistanischen Behörden grundsätzlich fähig und auch willens sind, Schutz vor strafrechtswidrigen Übergriffen zu gewähren. Ein lückenloser Schutz ist in Pakistan ebenso wie in allen anderen Ländern der Erde aber nicht möglich.
Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 52a BFA-VG z.B. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in Pakistan gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen (http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und vertretung/rueckkehrhilfe/).
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Situation in Pakistan schlechter ist als in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. in Österreich, aus den Berichten geht aber keinesfalls hervor, dass sie dergestalt ist, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhaltes abgeleitet werden.
Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Auf Grund der eben dargelegten Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat erübrigt sich eine weitere Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005.
4.2.3. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
4.3. Zu den Spruchpunkten III.-V. des angefochtenen Bescheides (zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung - § 57 AsylG sowie § 52 FPG):
4.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
4.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
4.3.2.1. Der BF befindet sich seit Dezember 2014 im Bundesgebiet, wobei sein Aufenthalt nicht in obigem Sinne geduldet ist. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.
4.3.3. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
4.3.3.1. Der BF ist als Staatsangehöriger von Pakistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.
4.3.4. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
4.3.4.1. Der BF hat keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des BF auf Schutz des Familienlebens.
4.3.4.2. Zum Privatleben des BF in Österreich ist Folgendes festzuhalten: die rund siebenjährige Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet seit seiner illegalen Einreise und Asylantragstellung am XXXX wird dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem BF bewusst gewesen sein.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH). Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).
Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.
In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.
Der BF beherrscht die deutsche Sprache auf einfache Art und Weise. Er hat Deutschkurse besucht und eine ÖSD Deutschprüfung auf A2 Niveau abgelegt.
Zwar stellt der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich dar, dennoch ist auf die diesbezügliche höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehende Integrationsmerkmale verfügt und diesen nur untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 06.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).
Im Übrigen ist anzuerkennen, dass der BF in Österreich seit mehr als zwei Jahren berufstätig und dadurch auch selbsterhaltungsfähig ist. Zuvor befand er sich in staatlicher Grundversorgung.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass das Bemühen des BF, in Österreich beruflich Fuß zu fassen nicht unberücksichtigt bleibt, es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass daraus allein nicht auf eine hinreichende berufliche Integration geschlossen werden kann. Zwar kommt dieser Tätigkeit des BF im Rahmen der Interessensabwägung eine Bedeutung zu, es ist aber zu bedenken, dass der BF sich während der Aufnahme dieser Tätigkeit seines unsicheren Aufenthaltes in Österreich bewusst sein musste und er diese im Verhältnis zu seiner Aufenthaltsdauer noch nicht lange ausübt. Diesbezüglich ist auch hervorzuheben, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612 und VwGH 29.06.2010, 2010/18/0195 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Ferner ist die rezente Judikatur des VwGH heranzuziehen, wonach trotz siebenjährigem Aufenthalt, sehr guten Deutschkenntnissen, der Beziehung zu einer Österreicherin und intensiven Bindungen zu österreichischen Freunden und Glaubensgemeinschaft und der Tätigkeit als Zeitungsverkäufer spätestens vor dem Hintergrund der Rückkehrentscheidung durch das BFA dem Revisionswerber hätte klar sein müssen, dass es keine gesicherte Grundlage für seinen Aufenthalt in Österreich gibt. Angesichts der verwandtschaftlichen Beziehungen des Revisionswerbers im Herkunftsstaat und dessen Verlassen im Erwachsenenalter kann nicht von einer kompletten Entwurzelung ausgegangen werden.
Auch die Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsstaat – letztlich Folge des seinerzeitigen ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von Subsidiärschutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassen des Herkunftsstaats sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 17.04.2020, Ra 2020/21/0083-6).
Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die rezente höchstgerichtliche Judikatur zur Zurückweisung einer Revision im Falle eines Asylwerbers mit mehr als siebenjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet, abgeschlossener Lehre und Berufstätigkeit als Koch, Deutschkenntnissen auf dem Niveau B2, einem sozialen Netz an Freunden, 10monatiger eheähnliche Beziehung, keinen Kontakten zur Familie im Herkunftsstaat, Unbescholtenheit sowie Selbsterhaltungsfähigkeit während des Großteils des Verfahrens.
Der VwGH hob besonders hervor, dass maßgeblich relativierend einzubeziehen sei, dass sich der Asylwerber seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müsse und verneinte auch angesichts der obzitierten integrationsbegründenden Faktoren die Existenz von ‚außergewöhnlichen Umständen‘ (VwGH 04.02.2020, Ra 2020/14/0026-5 mit Verweis auf VwGH 12.12.2019, Ra 2019/14/0242; 25.06.2019, Ra 2019/14/0260, VwGH 02.12.2019, Ra 2019/14/0408).
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Zurückweisung der Revision durch den VwGH auch bei rd. sechsjährigem Aufenthalt des BF im Bundesgebiet (VwGH 12.08.2020, Ra 2020/14/0322-6).
Auf die strengen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG zuletzt verweisend: VwGH 16.07.2020, Ra 2020/21/0133.
Bei einer relativ kurzen Aufenthaltsdauer (hier: knapp unter 5 Jahren) wäre eine außergewöhnliche Integration notwendig (VwGH 13.01.2021, Ra 2020/14/0571).
Sofern der BF angibt, in Österreich über soziale und freundschaftliche Kontakte zu verfügen, ist anzuführen, dass ein Abhängigkeitsverhältnis zu diesen Personen anhand des Vorbringens des BF nicht erkannt werden konnte. Soweit der BF über private Bindungen in Österreich verfügt, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr nach Pakistan gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahestehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten. Auch der Verwaltungsgerichtshof führt zur sozialen Integration wie folgt aus: Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. VwGH 31.1.2013, 2011/23/0519).
Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine Entwurzelung vom Herkunftsland stattgefunden hat und bestehen nach wie vor Bindungen des BF zu Pakistan, wo sein Vater und seine Geschwister leben. Der BF steht zu seinen Familienangehörigen auch in regelmäßigem Kontakt.
Weitere ausgeprägte private und persönliche Interessen hat der BF im Verfahren nicht dargetan. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben. Der BF hat andererseits den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, wurde dort sozialisiert und spricht die Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso war festzustellen, dass er dort über Bezugspersonen in Form seiner Angehörigen verfügt. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.
Der Umstand, dass der BF in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).
Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten eines Fremden ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).
Private Interessen von Fremden am Verbleib im Gastland sind jedenfalls weniger stark zu gewichten, wenn diese während eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz begründet werden, da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht von vornherein von einem positiven Ausgang des Verfahrens ausgehen konnte und sein Status bis zum Abschluss des Verfahrens ungewiss ist. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055 mwN).
Angesichts der - somit in ihrem Gewicht erheblich geminderten - Gesamtinteressen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich neben den gefährdeten Sicherheitsinteressen insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrages verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.09.2007, B 1150/07).
4.3.4.3. Der sohin relativ schwachen Rechtsposition des BF im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.
4.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
4.3.5.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.
4.3.6. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, war die Frist mit 14 Tagen festzulegen.
Festzuhalten ist im Zusammenhang mit der vierzehntägigen Frist zur Ausreise, dass die Vollziehung der Außerlandesbringung zum Kompetenzbereich des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gehört, sodass naturgemäß die aktuellen Gegebenheiten in Bezug auf die Covid-19-Pandemie seitens des BFA zu berücksichtigen sind.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Themen Glaubwürdigkeitsprüfung, wohlbegründete Furcht, Verfolgung, Glaubhaftmachung und Refoulementschutz, Rückkehrentscheidung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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