BVwG W138 2131127-1

BVwGW138 2131127-123.11.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W138.2131127.1.00

 

Spruch:

W138 2131127-1/13E

 

W138 2131137-1/13E

 

W138 2131130-1/12E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Klaus HOCHSTEINER über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2016, Zl. 1084754903/151203468, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.10.2017 zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Klaus HOCHSTEINER über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2016, Zl. 1084757502/151203476, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.10.2017 zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

III. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Klaus HOCHSTEINER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Mutter XXXX, diese vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2016, Zl. 1084758107/151203484, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.10.2017 zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF genannt) haben nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 28.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der BF statt.

 

Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) gab an, aus Afghanistan zu stammen und die letzten fünf Jahre vor ihrer Ausreise mit ihren drei Söhnen und ihrem Schwiegervater im Iran gelebt zu haben. Zu ihren Fluchtgründen befragt führte die BF1 aus, dass ihr Ehemann auf Grund "religiöser Probleme" ums Leben gekommen sei und die Familie daher in den Iran fliehen habe müssen. Jedoch seien sie auch dort von den Feinden ihres Mannes, bei denen es sich um die Brüder ihres Schwiegervaters handeln würde, verfolgt worden, sodass sie schließlich gezwungen gewesen seien, das Land zu verlassen. Da sie sich illegal im Iran aufgehalten hätten, hätten ihre Kinder nicht zur Schule gehen oder arbeiten dürfen.

 

Der Zweitbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2), bei dem es sich um den Sohn der BF1 handelt, brachte zu seinem Fluchtgrund befragt vor, dass die gesamte Familie vom Bruder seines Großvaters bis in den Iran verfolgt worden sei, wo sie illegal gelebt hätten. Im Iran hätten sie weder eine Schule besuchen, noch Arbeit finden können, sodass ihnen ein normales Leben dort nicht möglich gewesen sei.

 

Der Drittbeschwerdeführer (im Folgenden: BF3) gab zu seinen Fluchtgründen befragt lediglich an, dass sie familiäre Schwierigkeiten gehabt hätten, er jedoch nicht angeben könne warum, da er zum damaligen Zeitpunkt erst 10 Jahre alt gewesen sei. Auch er wies darauf hin, dass er im Iran auf Grund des illegalen Aufenthaltes seiner Familie dort weder die Schule besuchen noch zur Arbeit gehen konnte.

 

3. Am 24.05.2016 wurden die BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wiener Neustadt (im Folgenden: BFA), im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

 

Die BF1 gab an, dass sie im Dorf XXXX, im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX geboren worden sei, der Volksgruppe der Hazara angehöre und sich zum schiitisch-muslimischen Glauben bekenne. Als Kind sei sie mit ihrer Familie nach Kabul gezogen, wo sie den größten Teil ihres Lebens verbracht habe. Die letzten fünf Jahre vor ihrer Ausreise habe sie im Iran gelebt. Sie sei verwitwet und habe drei Söhne, von denen jedoch nur zwei mit ihr hier in Österreich seien. Ihr ältester Sohn sei an der türkisch-iranischen Grenze von der Polizei aufgegriffen worden und sein derzeitiger Aufenthalt nicht bekannt.

 

Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die BF1 zusammenfassend an, dass es zwischen ihrem Ehemann und seinem Onkel bzw. dessen Söhnen auf Grund von Erbstreitigkeiten zur Feindschaft gekommen sei. Der Großvater ihres Mannes sei gestorben und hätte ihrem Schwiegervater alles vererbt, woraufhin es zum Streit mit der Familie des Onkels ihres Ehemannes gekommen sei. Im Zuge einer Auseinandersetzung sei ihr Ehemann von seinen Cousins umgebracht worden, was von ihrem Schwiegervater zur Anzeige gebracht worden sei. Der Onkel ihres Mannes habe ihren Schwiegervater infolgedessen bedroht und von ihm verlangt, dass er die Anzeige zurücknehme. Daraufhin sei der Schwiegervater der BF1 mit ihr, ihren drei Söhnen und seiner Frau in den Iran geflohen, wo die Familie fünf Jahre lang gelebt habe. Ein Cousin ihres verstorbenen Mannes hätte sie schließlich im Iran ausfindig gemacht, ihren Schwiegervater bedroht und tätlich angegriffen, da dieser sich geweigert habe, den vom Cousin infolge der Erbrechtsstreitigkeiten erhobenen Besitzansprüchen Folge zu leisten und ihm die erforderlichen Dokumente auszufolgen. Im Falle der Rückkehr fürchte die BF1, dass sie und ihre Kinder getötet würden.

 

Der BF2 brachte hinsichtlich seiner Fluchtgründe vor, dass es in seiner Familie eine sunnitischen und einen schiitischen Teil gäbe. Als sein Urgroßvater verstorbei sei hätten ihn sein Vater und sein Großvater nach schiitischem Ritus begraben. Als der sunnitische Teil der Familie davon erfahren habe, sei es zum Streit gekommen und der Vater des BF2 umgebracht worden. Auf Grund der polizeilichen Anzeige seines Großvaters, die er sich zurückzunehmen weigerte, hätten die sunnitischen Mitglieder gedroht ihn und seine Enkel umzubringen, woraufhin er sich entschlossen habe, mit den BF in den Iran zu fliehen. Nachdem die Familie im Iran von zwei der Cousins seines Vaters aufgesucht und sein Großvater bedroht und zusammengeschlagen worden sei, habe dieser entschieden, dass die BF das Land verlassen müssten.

 

Der mj. BF3 führte zu seinen Fluchtgründen befragt aus, dass sein Vater Probleme mit seinen Cousins gehabt habe, da diese Sunniten und seine Familie sowie sein Vater Schiiten gewesen seien. Der BF3 bestätigte gemäß den Ausführungen seines Bruders (BF2), dass sein Urgroßvater von seinem Großvater und seinem Vater nach schiitischem Brauch begraben worden sei, woraufhin sein Vater von dem näher genannten Cousin umgebracht worden sei. Da sein Großvater sich geweigert habe, die von ihm gegen den Mörder seines Sohnes eingebrachte Anzeige zurückzunehmen, sei die Familie des BF3 von den Brüdern des Täters bedroht worden und daher gezwungen gewesen, in den Iran zu fliehen.

 

4. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Den BF wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

 

Die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz begründete das BFA, als folgend belangte Behörde, im Wesentlichen damit, dass der BF1 im Hinblick auf den von ihr vorgebrachten Fluchtgrund die Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen sei, da die Angaben nur sehr vage, widersprüchlich und in keiner Weise plausibel gewesen seien. Zudem hätten die Vorbringen der BF im Hinblick die gemeinsamen Fluchtgründe in wesentlichen Details nicht übereingestimmt. So spreche die BF1 davon, dass ein Erbschaftsstreit der Auslöser für die Ermordung ihres Ehemannes gewesen sei. Der BF2 und mj. BF3 hätten demgegenüber vorgebracht, dass Grund für die Auseinandersetzung die nach schiitischem Brauch erfolgte Bestattung ihres Urgroßvaters gewesen sei. Auch die Zahl der Täter, die die Familie im Iran aufgesucht haben sollen, sei von den BF unterschiedlich angegeben worden. Ferner sei von den BF zu keinem Zeitpunkt von einer sie betreffenden individuellen Gefährdung gesprochen worden, sodass eine solche vorliegend auch nicht zu erkennen gewesen sei. Eine Bedrohung oder Verfolgung aus Gründen der Blutrache bestünde nicht, da diese gemäß den länderspezifischen Informationen nicht an Frauen und Kindern verübt würde und zudem letztlich die BF2 und BF3 als Söhne des ermordeten Vaters Blutrache nehmen müssten.

 

Im Hinblick auf die Lage im Herkunftsstaat der BF sei davon auszugehen, dass diese im Stande seien in Kabul ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, da sie auf Grund ihres langen Aufenthaltes dort über soziale Anknüpfungspunkte verfügten, sodass insbesondere die beiden Söhne der BF1 bei einer Reintegration in den Arbeitsmarkt unterstützt würden. Nach Ansicht der belangten Behörde bestehe kein Zweifel daran, dass die BF in der Lage wären sich in ihrem Heimatland selbst zu versorgen.

 

5. Mit Verfahrensanordnung vom 05.07.2016 wurde den BF amtswegig ein Rechtsberater für eine allfällige Beschwerdeerhebung zur Seite gestellt.

 

6. Gegen die oben genannten Bescheide des BFA richten sich die fristgerecht erhobenen Beschwerden der BF in vollem Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts der Bescheide auf Grund Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die BF bringen dazu im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht nur unzureichend nachgekommen sei und den verfahrensgegenständlich maßgeblichen Sachverhalt nicht bzw. nur unvollständig erhoben habe. Als Spezialbehörde habe sie das ihr zugängliche Wissen von Amts wegen zu verwerten, was vorliegend jedoch unterblieben und somit das Verfahren insgesamt mangelhaft geblieben sei.

 

Im Hinblick auf die angenommenen sozialen Anknüpfungspunkte, insbesondere des BF2 und des mj. BF3 verkenne die belangen Behörde, dass diese Afghanistan als Kinder verlassen hätten und ihre gesamte persönliche Entwicklung und Sozialisierung im Iran erfahren hätten. Die belangte Behörde habe es insoweit unterlassen, die Auswirkungen der "Akkulturation" zu thematisieren, zumal den BF2 und mj. BF3 in Afghanistan kein soziales Netzwerk zur Verfügung stünde.

 

Im Hinblick auf die BF1 sei zudem wesentlich, dass diese gemäß den dazu auszugsweise zitierten Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes (Stand: Jänner 2012) in ihrem Herkunftsstaat als Teil einer sozialen Gruppe im Sinne der Genfern Flüchtlingskonvention anzusehen und als Frau in Afghanistan weitrechender Diskriminierung ausgesetzt sei.

 

Die belangte Behörde hätte daher davon ausgehen müssen, dass die BF eine Rückkehr nach Afghanistan aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung fürchten bzw. eine reale Gefahr für Leib und Leben bestünde und ihnen daher internationaler Schutz zu gewähren sei.

 

7. Die Beschwerden einschließlich des jeweils Bezug habenden Verwaltungsaktes wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 28.07.2016 übermittelt. In der Beschwerdevorlage verzichtete diese ausdrücklich auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung.

 

8. Mit Eingabe vom 31.07.2017 wurde ein ärztlicher Befund vom 09.11.2016 des näher bezeichneten Facharztes betreffend des psychischen Gesundheitszustandes der BF1 sowie eine Bestätigung des vom BF2 besuchten Deutschkurses vorgelegt.

 

9. Mit Urkundenvorlage vom 04.09.2017 übermittelten die BF ergänzende Unterlagen zu ihrer Integration in Österreich.

 

10. Am 25.10.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher die BF, deren rechtswirksam bevollmächtigter Vertreter sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen.

 

In ihrer Einvernahme gab die BF1 zusammengefasst an, dass sie als Frau in Afghanistan nie wirklich sicher gewesen sei und weder etwas lernen, noch arbeiten gehen habe können. Sie sei hauptsächlich von ihrem Schwiegervater unterdrückt worden, der ihr verboten habe außer Haus zu gehen oder mit der Frau des Nachbars zu sprechen. Sie habe auch nicht selbst einkaufen gehen oder ihre Kleidung aussuchen dürfen. Nach Europa habe sie ihr Schwiegervater wegen seinen Enkeln (BF2 und mj. BF3) geschickt. Auch könne sie sich nicht erinnern je alleine aus dem Haus gegangen zu sein. Hierzulande beschränkten sich ihre sozialen Kontakt auf andere Afghanen in ihrer Flüchtlingsunterkunft. Freunde aus Österreich habe sie nicht. Übereinstimmend mit ihren bisherigen Angaben bestätigte die BF1 Hazare zu sein, sich zum schiitisch-muslimischen Glauben zu bekennen und aus dem näher bezeichneten Distrikt in der Provinz Maidan Wardak zu stammen, jedoch in Kabul aufgewachsen zu sein. Afghanistan habe sie vor etwa 7 Jahren verlassen und sei in den Iran geflohen, wo sie mit ihren Söhnen, ihrem Schwiegervater und dessen Frau fünf Jahre lang gelebt habe. Ihr Schwiegervater habe nicht gemeinsam mit ihr und ihren Söhnen, sondern in einer getrennten Unterkunft gewohnt, um seine Enkel nicht zu gefährden. Im Iran hätten ihre Söhne gearbeitet und Besen geflochten, womit die Familie ihren Lebensunterhalt finanzieren konnte. Die Miete habe ihr Schwiegervater bezahlt.

 

Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die BF1 an, dass sie Afghanistan auf Grund von Feindschaften und Problemen mit den Cousins ihres Ehemannes verlassen habe. Der Onkel ihres Mannes sei Sunnite gewesen und nachdem es zum Zerwürfnis mit dessen Vater gekommen sei, nach Pakistan ausgewandert. Als der Großvater ihres Mannes verstorben sei, der von ihrem Mann und ihrem Schiegervater nach schiitischem Brauch beerdigt worden sei, sei der Onkel ihres Mannes zurückgekehrt und habe seinen Anteil an der Erbschaft gefordert. Da ihr Schiegervater sich geweigert habe ihm die geforderten Grundstücke zu überlassen, sei es zum Konflikt gekommen. Auf Grund der religiösen Probleme sowie der Differenzen hinsichtlich der Besitztümer sei es zu einem Streit gekommen, bei dem ihr Mann von seinen Cousins getötet worden sei. Der Vorfall, von dem ihr ihr Schwiegervater erzählt habe, habe sich einen Monat vor ihrer Flucht [in den Iran] ereignet. Die Cousins seien nach dem Tod ihres Mannes immer wieder gekommen und hätten von ihrem Schwiegervater die Herausgabe der Besitzurkunden der von ihm geerbten Grundstücke gefordert. Nachdem er von ihnen tätlich angegriffen und zusammengeschlagen worden sei, habe er entschieden, dass die Familie das Land verlassen und in den Iran auswandern müsse. Ein Zusammentreffen zwischen der Familie des Onkels ihres Mannes und ihren Söhnen habe es nie gegeben. Diese seien den Cousins ihres Mannes nie begegnet. Nur ihr Schwiegervater sei bedroht und angegriffen worden. Über Vorhalt, wonach die Söhne der BF1 deren gemeinsamen Fluchtgrund anders schilderten und die nach schiitischem Brauch erfolgte Beerdigung ihres Urgroßvaters als ausschlaggebend für den Streit nennen, gab die BF1 an, dass sie vermutlich von den Grundstücksstreitigkeiten nichts gewusst hätten.

 

Eine Woche vor ihrer Ausreise aus dem Iran hätten zwei der Cousins ihres Mannes ihren Schwiegervater dort aufgesucht und wieder zusammengeschlagen, da er sich nach wie vor weigerte ihren Forderungen Folge zu leisten und die Besitzpapiere auszufolgen. Daraufhin habe dieser entschieden, dass die BF1 und ihre Söhne das Land verlassen müssten.

 

Ihre Söhnen (BF2 und mj. BF3) hätten dieselben Fluchtgründe wie sie. Ihr Schweigervater habe sie außer Landes geschickt, da er nicht wollte, dass sie wie ihr Vater getötet würden.

 

Der BF2 gab in seiner Einvernahme an, dass sein Vater - als dieser noch am Leben gewesen sei - und sein Großvater in Afghanistan für den Lebensunterhalt der Familie gesorgt hätten. Im Iran sei der BF2 für den Lebensunterhalt der Familie aufgekommen. Sein Großvater hätte die Kosten für die Miete bezahlt und sie auch sonst finanziell unterstützt. Er sei in Kabul in dem näher bezeichneten Stadtteil laufgewachsen. Mit 12 Jahren habe er Afghanistan verlassen und sei mit seiner Familie in den Iran gegangen. Abgesehen vom Onkel und den Cousins seines Vaters habe er in seinem Heimatland keine Verwandten. Zu diesen hätte er jedoch - wie auch seit seiner Ausreise zu seinem Großvater - keinen Kontakt.

 

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF2 an, dass es ihm gegenüber zwar keinen Vorfall gegeben habe, er jedoch einer Bedrohung durch die Familie des Onkels seines Vaters ausgesetzt gewesen sei. Er bestätigte, dass dieser nach Pakistan ausgewandert und anlässlich der Beerdigung des Urgroßvaters des BF2 nach Afghanistan zurückgekehrt sei und Besitzansprüche auf das Erbe erhoben habe. Da sein Großvater sich geweigert habe dieses zu teilen, sei es zum Streit gekommen, bei dem sein Vater getötet worden sei. Der Vorfall sei von seinem Großvater zur Anzeige gebracht worden, woraufhin ihn der Onkel und die Cousins seines Vaters aufgesucht und gefordert hätten, dass er diese zurückziehe. Zudem hätten sie die Herausgabe der Besitzurkunden für die Grundstücke verlangt und gedroht ihn zu töten, sollte er nicht Folge leisten. Die BF selbst seien jedoch weder in Afghanistan noch im Iran jemals direkt bedroht oder angegriffen worden. Nachdem die Cousins seines Vaters seinen Großvater schließlich auch im Iran aufgesucht und von ihm die Herausgabe der Dokumente und Rücknahme der Anzeigegefordert hätten, habe sich dieser gezwungen gesehen die BF nach Europa zu schicken. Die Cousins seines Vaters hielten sich immer noch in Afghanistan auf. Zudem sei die Sicherheitslage schlecht. Die BF würden dort niemanden kennen und es sei schwierig Arbeit und Nahrung zu finden.

 

Der mj. BF3 bestätigte in seiner Einvernahme zu seinen Fluchtgründen befragt, dass seine Familie ihr Heimatland wegen den Cousins seines Vaters verlassen habe müssen. Einen konkreten Vorfall ihm, seiner Mutter oder seinem Bruder gegenüber konnte auch er nicht angeben.

 

Den BF wurden die aktuellen Länderberichte der Staatendokumentation zur Lage in Afghanistan (Stand 22.06.2017, aktualisiert am 25.09.2017), das Gutachten Mag. Karl Mahringer vom 05.03.2017 einschließlich Aktualisierung vom 15.05.2017, das Gutachten Mag. Zerka Malyar zu Blutrache und Ehrenmord in Afghanistan vom 27.07.2009 sowie ein Auszug aus Judikaturbeispielen zur Lage der Hazara zur schriftlichen Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen angeboten. Diese ließen die BF jedoch fruchtlos verstreichen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person der BF1:

 

Die BF1 wurde am XXXX geboren, ist Staatsangehörige von Afghanistan und führt den Namen XXXX. Sie gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Ihre Muttersprache ist Farsi. Die BF1 wurde im Dorf XXXX im XXXX in der Provinz XXXX geboren. Als Kind ist sie mit ihrer Familie nach Kabul gezogen, wo sie aufgewachsen und den überwiegenden Teil ihres Lebens verbracht hat.

 

Die BF1 ist verwitwet und die leibliche Mutter des BF2 und mj. BF3. Zudem hat sie noch einen dritten Sohn, dessen aktueller Aufenthalt derzeit unbekannt ist. Die BF1 hat in Kabul gemeinsam mit ihrem Ehemann, ihren drei Söhnen und ihren Schwiegereltern im Stadtteil XXXX gewohnt. Im Jahr 2010 ist die BF1, nach dem Tod ihres Ehemannes, mit ihrem Schwiegervater, dessen Frau und ihren drei Söhnen in den Iran ausgewandert, wo sie fünf Jahre lang bis zu ihrer Ausreise in XXXX gelebt hat.

 

Zu Ihrem Schwiegervater hat die BF1 aktuell keinen Kontakt. Es kann nicht festgestellt werden, wo sich die Schwiegereltern der BF1 derzeit aufhalten. Die Cousins ihres Mannes väterlicherseits leben nach wie vor in Kabul. Auch zu diesen hat die BF1 jedoch keinen Kontakt. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Onkel ihres Ehemannes väterlicherseits noch am Leben ist und sich nach wie vor in Kabul aufhält. Andere Angehörige in Afghanistan hat die BF1 nicht.

 

Die BF1 verfügt über keine Schul- oder Berufsausbildung und ist nahezu Analphabetin. In ihrem Herkunftsstaat hat sich die BF1 um den Haushalt und die Erziehung der Kinder gekümmert und gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter Wolle gesponnen.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF in Kabul über keinerlei soziale Kontakte verfügt.

 

Die BF1 hat ein beeinträchtigtes Seh- und Hörvermögen und muss eine Brille sowie ein Hörgerät tragen. Eine Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit besteht nicht. Zudem leidet sie an Panikattacken und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Das psychische Beschwerdebild der BF1 wird medikamentös behandelt. Die BF1 leidet weder an einer lebensbedrohlichen Erkrankung noch macht ihr Gesundheitszustand eine Krankenbehandlung in Österreich erforderlich.

 

Die BF1 hat im Zeitraum vom 19.12.2016 bis 03.02.2017 einen Deutschkurs für das Sprachniveau A0 besucht. Eine Bestätigung des erfolgreichen Abschlusses desselben liegt nicht vor. Zudem hat die BF1 eine Wert- und Orientierungskurs für Asylwerber absolviert. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte festgestellt werden, dass sich die BF1 auf Deutsch nicht verständigen kann.

 

Die BF1 ist strafrechtlich unbescholten.

 

Sie lebt gemeinsam mit dem BF2 und dem mj. BF3 in einer Flüchtlingsunterkunft und wird im Rahmen der Grundversorgung betreut.

 

Die BF1 geht keiner Beschäftigung nach, verfügt über keine Einstellungszusage und besitzt keine Deutschkenntnisse. Ihre Freizeit verbringt sie größtenteils in der Flüchtlingsunterkunft und kümmert sich um den Haushalt und ihre beiden Söhne. Die sozialen Kontakte der BF1 beschränken sich auf andere Bewohner in ihrer Flüchtlingsunterkunft, die ebenfalls aus Afghanistan stammen. Die BF1 hat weder nähere persönliche Verbindungen zu anderen Personen in Österreich noch - abgesehen von ihren beiden Söhnen - hier familiäre Anknüpfungspunkte. Die tägliche Erledigung, wie Einkäufe und Arztbesuche absolviert die BF1 nicht alleine, sondern in Begleitung anderer Afghanen oder ihrer Söhne.

 

1.2. Zur Person des BF2:

 

Der am XXXX geborene BF2 führt den Namen XXXX, ist der Sohn der BF1 und Bruder des mj. BF3. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Die Muttersprache des BF2 ist Dari. Er ist in Kabul geboren und hat dort bis zu seinem 12. Lebensjahr gemeinsam mit seiner Mutter, seinen beiden Brüdern, seinem Vater sowie seinen Großeltern im Stadtteil XXXX gelebt. Im Jahr 2010 ist er nach dem Tod seines Vaters mit seiner Mutter, seinen Großeltern und seinen beiden Brüdern in den Iran gezogen. Dort hat er 5 Jahre lang mit seiner Familie in XXXX gewohnt bevor er den Iran schließlich verlassen hat und nach Österreich gekommen ist.

 

Der BF2 besitzt keine Schul- oder Berufsausbildung. Er hat im Iran als Besenbinder gearbeitet und mit seinem Einkommen für den Lebensunterhalt seiner Familie gesorgt. Die Miete für das Haus in dem die Familie in XXXX gelebt hat, wurde von seinem Großvater übernommen. In Afghanistan war die wirtschaftliche Situation der Familie gut.

 

In Afghanistan leben nach wie vor die drei Cousins seines Vaters. Zu diesen hat der BF2 jedoch keinen Kontakt.

 

Seit seiner Ausreise aus dem Iran ist auch der Kontakt zu seinem Großvater abgebrochen.

 

Der BF2 ist jung, arbeitsfähig, gesund, nimmt keine Medikamenten, hat keine Kinder und ist ledig.

 

Der BF2 hat den Deutschkurs für das Sprachniveau A1 abgeschlossen und besitzt Grundkenntnisse der Deutschen Sprache. Zudem hat er einen Werte- und Orientierungskurs absolviert.

 

In seiner Freizeit spielt der BF2 regelmäßig mit Freunden Fußball. Nähere soziale Kontakte zu anderen Personen in Österreich besitzt der BF2 nicht.

 

Der BF2 geht aktuell keiner Beschäftigung nach und verfügt über keine Einstellungszusage. Er lebt gemeinsam mit seiner Mutter (BF1) und seinem minderjährigen Bruder (BF3) in einer Flüchtlingsunterkunft und wird im Rahmen der Grundversorgung betreut.

 

Der BF2 ist strafrechtlich unbescholten.

 

1.3. Zur Person des BF3:

 

Der mj. BF3 wurde am XXXX geboren, führt den Namen XXXX und ist der minderjährige Sohn der BF1 und Bruder des BF2. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, schiitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache des mj. BF3 ist Dari.

 

Der mj. BF3 wurde in Kabul geboren und hat dort gemeinsam mit seiner Mutter, seinem Vater und seinen zwei Brüdern bis zu seinem 10. Lebensjahr gelebt. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2010 ist der mj. BF3 gemeinsam mit seiner Mutter, seinen beiden Brüdern und seinen Großeltern in den Iran gezogen, wo er fünf Jahren lang bis zu seiner Ausreise mit ihnen in XXXX gelebt hat.

 

Er besitzt keine Schul- oder Berufsausbildung.

 

Der mj. BF3 ist völlig gesund, nimmt keine Medikamente und steht auch nicht in ärztlicher Behandlung. Er ist ledig, arbeitsfähig und hat keine Kinder. Der mj. BF3 hat bereits am Erwerbsleben teilgenommen und gemeinsam mit seinem Bruder (BF2) im Iran als Besenbinder gearbeitet.

 

Der mj. BF3 besucht in Bruck an der Leitha die Schule und besitzt Grundkenntnisse in Deutsch. Die Deutschprüfung für das Sprachniveau B1 hat der mj. BF3 nicht bestanden. Seine sozialen Kontakte beschränken sich auf seine Schulkollegen und andere Gleichaltrige, mit denen er seine Freizeit verbringt. Nähere persönliche Verbindungen zu anderen Personen in Österreich besitzt der mj. BF3 nicht.

 

Der mj. BF3 hat in Österreich, abgesehen von seiner Mutter (BF1) und seinem Bruder (BF2), keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte.

 

Der mj. BF3 geht keiner geregelten Beschäftigung nach und besitzt auch keine Einstellungszusage. Er wohnt gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder in einer Flüchtlingsunterkunft und wird im Rahmen der Grundversorgung betreut.

 

1.4. Zu den Fluchtgründen der BF

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Ehemann der BF1 bzw. Vater der BF2 und mj. BF3 von seinen Cousins im Zuge eines Streits umgebracht worden ist.

 

Zudem kann nicht festgestellt werden, dass der Großvater bzw. Schwiegervater der BF in Afghanistan von der Familie des Onkels des Ehemannes bzw. Vaters der BF bedroht oder tätlich angegriffen worden ist. Auch kann nicht festgestellt werden, dass er von den Cousins des Vaters bzw. Ehemannes im Iran gefunden worden und von ihnen bedroht und zusammengeschlagen worden sei.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF jemals persönlich einer Bedrohung oder Verfolgung durch den Onkel des Vaters der BF 2 und mj. BF3 bzw. des Ehemannes der BF1 oder dessen Cousins ausgesetzt gewesen wären oder nach einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe durch diese zu befürchten hätten.

 

Auch kann nicht festgestellt werden, dass die Cousins des Vaters der BF2 und mj. BF3 bzw. des Ehemannes der BF1 sich den Taliban oder einer anderen aufständischen Gruppe angeschlossen haben.

 

Zudem kann nicht festgestellt werden, dass die BF jemals einer konkret gegen sie gerichteten Bedrohung oder Verfolgung auf Grund von Blutrache ausgesetzt gewesen wären oder sie im Falle einer Rückkehr eine solche zu befürchten hätten.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF in deren Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor einer konkreten individuellen Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verlassen haben oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätten.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF2 und mj. BF3 in Afghanistan einer konkreten asylrelevanten Gefahr ausgesetzt sind oder eine solche im Falle ihrer Rückkehr zu erwarten hätten.

 

Zudem kann nicht festgestellt werden, dass die BF1 als Frau und damit auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu dieser sozialen Gruppe jemals einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder im Falle einer Rückkehr eine solche zu befürchten hätte.

 

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die BF1 in Kabul bereits vor ihrer Ausreise aufgrund ihres Geschlechts asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war bzw. im Herkunftsstaat auch bei einer Rückkehr allein aufgrund ihres Geschlechts einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

 

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass die BF1 seit ihrer Einreise in Österreich im Sommer 2015 eine Lebensweise angenommen hat, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt und einer "westliche Lebensführung" entspricht bzw. aufgrund ihres mehrjährigen Aufenthaltes im Iran im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer Gefahr ausgesetzt ist.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. der Gefährdung ihres Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wären oder der Gefahr ausgesetzt, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

 

Die BF haben den überwiegenden Teil ihres Lebens in Kabul verbracht. Sie sprechen die Landessprache und sind mit den örtlichen Gegebenheiten sowie den gesellschaftlichen Gepflogenheiten in ihrem Herkunftsland vertraut. Die BF2 und mj. BF3 haben bereits am Erwerbsleben teilgenommen und im Iran als Besenbinder gearbeitet, womit die Familie ihren Lebensunterhalt finanziert hat. Sie sind selbständig in der Lage einer Beschäftigung nachzugehen und eine Anstellung etwa als Hilfsarbeiter zu finden.

 

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass die BF1-BF3 bei einer allfälligen Rückkehr nach Kabul, Herat und Mazar-e Sharif mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden.

 

Die BF halten sich seit August 2015 im Österreichischen Bundesgebiet auf, wo sie am 28.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben. Deren Aufenthalt ist nicht nur geduldet.

 

Die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK oder für eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz liegen bei den BF nicht vor. Sie haben in Österreich bis auf einige Bekanntschaften keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte. Ein Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich besteht nicht.

 

1.5. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

 

1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand 22.06.2017 aktualisiert am 25.09.2017):

 

Sicherheitslage

 

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten - gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

 

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

 

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA - Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP - Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

 

High-profile Angriffe:

 

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

 

Hauptstadt Kabul

 

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

 

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

 

Taliban

 

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

 

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

 

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal'ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha' al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

 

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

 

[...]

 

Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

 

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

 

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

 

Religionsfreiheit

 

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

 

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

 

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

 

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9 .2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

 

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

 

Blasphemie - welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

 

Schiiten

 

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9 .2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 8.11.2016).

 

Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.8.2016).

 

Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

 

Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 8.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9 .2016).

 

Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 8.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein - dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.8.2016).

 

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.8.2015).

 

Ethnische Minderheiten

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

 

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9 .2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

 

Hazara

 

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9 .2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9 .2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

 

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9 .2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

 

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

[...]

 

Frauen

 

Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9 .2016).

 

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 (BFA Staatendokumentation 3.2014).

 

Bildung

 

Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung - auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015). Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (SIGAR 4.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004).

 

Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht (AF 2015). Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (USAID 19.12.2016).

 

Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014 - 2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren

63.911 Frauen (CSO 2016).

 

Frauenuniversität in Kabul

 

Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (The Economist 13.8.2016; vgl. auch:

MORAA 31.5.2016).

 

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (Khaama Press 18.10.2015; vgl. auch:

University Herold 18.10.2015); im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren (University Herold 18.10.2015).

 

Berufstätigkeit

 

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9 .2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vgl. auch: AF 7.12.2016).

 

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vgl. auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).

 

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).

 

Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein (USDOS 13.4.2016).

 

Frauen im öffentlichen Dienst

 

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Die von Präsident Ghani bewirkten Wahlreformen sehen zudem Frauenquoten von 25% der Sitze für Provinz- und Distriktratswahlen vor; zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Independent Election Commission) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung hat derzeit vier Ministerinnen (von insgesamt 25 Ministern) (AA 9 .2016). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UN Women 2016). Frauen in hochrangigen Regierungspositionen waren weiterhin Opfer von Drohungen und Gewalt (USDOS 13.4.2016).

 

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women's Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit seiner Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9 .2016).

 

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Strafverfolgung und Unterstützung

 

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 9 .2016). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten, und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 9 .2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen und nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9 .2016)

 

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 9 .2016). Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen, hatte positive Auswirkungen (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). In der patriarchalischen Gesellschaft Afghanistans trauen sich Frauen selbst oftmals nicht, an Polizisten zu wenden (Sputnik News 14.6.2016).

 

Anlässlich des dritten "Symposium on Afghan Women's Empowerment" im Mai 2016 in Kabul bekräftigte die afghanische Regierung auf höchster Ebene den Willen zur weiteren Umsetzung. Inwieweit sich dies in das System an sich und bis in die Provinzen fortsetzt, ist zumindest fraglich (AA 9 .2016).

 

Das EVAW-Gesetz wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 9 .2016; UN Women 2016); und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Dennoch ist eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern noch ausständig und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden (AA 9 .2016). Das Gesetz kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe für den Täter vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten das Gesetz als unislamisch. Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und seine tatsächliche Anwendung ist begrenzt (USDOS 13.4.2016). Außerhalb der Städte wird das EVAW-Gesetz weiterhin nur unzureichend umgesetzt (AA 9 .2016). Laut Angaben von Human Rights Watch, verabsäumte die Regierung Verbesserungen des EVAW-Gesetzes durchzusetzen. Die Regierung verabsäumt ebenso die Verurteilung sogenannter Moral-Verbrechen zu stoppen, bei denen Frauen, die häuslicher Gewalt und Zwangsehen entfliehen, zu Haftstrafen verurteilt werden (HRW 27.1.2016). Die Regierung registrierte 5.406 Fälle von Gewalt an Frauen, 3.715 davon wurden unter dem EVAW-Gesetz eingebracht (USDOS 13.4.2016). Einem UNAMA-Bericht zufolge, werden 65% der Fälle, die unter dem EVAW-Gesetz eingebracht werden (tätlicher Angriff und andere schwerwiegende Misshandlungen) durch Mediation gelöst, während 5% strafrechtlich verfolgt werden (HRW 27.1.2016).

 

Die erste EVAW-Einheit (Law on the Elimination of Violence Against Women) wurde im Jahre 2010 durch die afghanische Generalstaatsanwaltschaft initiiert und hat ihren Sitz in Kabul (USDOS 13.4.2016). Die Generalstaatsanwaltschaft erhöhte weiterhin die Anzahl der EVAW-Einheiten. Mit Stand September 2015 existieren sie mittlerweile in 20 Provinzen. In anderen Provinzen wurde Staatsanwälten durch die Generalstaatsanwaltschaft Fälle zur Behandlung zugeteilt. Im März hielt das Büro der Generalstaatsanwaltschaft das erste nationale Treffen von EVAW-Staatsanwälten ab, um die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen EVAW-Einheiten in den Provinzen zu fördern und gemeinsame Probleme zu identifizieren (USDOS 13.4.2016). Ein im April veröffentlichter Bericht der UNAMA zu Erfahrungen von 110 rechtssuchenden Frauen im Justizsystem; zeigte, dass sich die Effektivität der Einheiten stark unterschied, diese aber dennoch Frauen, die Gewalt erlebt hatten, ermutigten ihre Fälle zu verfolgen (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: UNAMA 4.2015).

 

Der UN-Sonderberichterstatter zu Gewalt an Frauen berichtet von Frauen in Afghanistan, die das formelle Justizsystem als unzugänglich und korrupt bezeichnen; speziell dann wenn es um Angelegenheiten geht, die die Rechte von Frauen betreffen - sie bevorzugen daher die Mediation (USDOS 13.4.2016).

 

Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission (Afghanistan Independent Human Rights Commission - AIHRC), veröffentlichte einen Bericht, der 92 Ehrenmorde auflistete (Berichtszeitraum: März 2014 - März 2015), was eine Reduzierung von 13% gegenüber dem Vorjahr andeutete. Diesem Bericht zufolge wurden auch 67% der Täterbei Vergewaltigung oder Ehrenmord verhaftet; 60% wurden verurteilt und bestraft (USDOS 13.4.2016).

 

Wenn Justizbehörden das EVAW-Gesetz beachten, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten. Staatsanwält/innen und Richter/innen in abgelegenen Provinzen ist das EVAW-Gesetz oft unbekannt, andere werden durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt um Täter freizulassen. Berichten zufolge, geben Männer, die der Vergewaltigung bezichtigt werden, oft an, das Opfer hätte dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, was zu "Zina"-Anklagen gegen die Opfer führt (USDOS 13.4.2016).

 

Im Juni 2015 hat die afghanische Regierung den Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der VN-SR-Resolution 1325 auf den Weg gebracht (AA 9 .2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Dennoch war bis November 2016 kein finales Budget für den Umsetzungsplan aufgestellt worden (HRW 12.1.2017).

 

Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

 

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord (AA 9 .2016). In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 dokumentierte die AIHRC 2.621 Fälle häuslicher Gewalt - in etwa dieselbe Zahl wie im Jahr 2015; obwohl angenommen wird, die eigentliche Zahl sei viel höher (HRW 12.1.2017). Die AIHRC berichtet von mehr als 4.250 Fällen von Gewalt an Frauen, die in den ersten neun Monaten des afghanischen Jahres (beginnend März 2015) gemeldet wurden (USDOS 13.4.2016). Diese Fälle beinhalten unterschiedliche Formen von Gewalt: physische, psychische, verbale, sexuelle und wirtschaftliche. In den ersten sechs Monaten des Berichtszeitraumes wurden 190 Frauen und Mädchen getötet; in 51 Fällen wurde der Täter verhaftet (Khaama Press 23.3.2016).

 

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der zina gewertet) (AA 9 .2016).

 

Ehrenmorde

 

Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Die AIHRC gab bekannt, zwischen März 2014 und März 2015 92 Ehrenmorde registriert zu haben (USDOS 13.4.2016).

 

Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist Misstrauen in das juristische System durch einen Großteil der afghanischen Bevölkerung (Khaama Press 23.3.2016).

 

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Medizinische Versorgung - Gynäkologie

 

Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22 % (überwiegend in den Städten und gebildetere Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten. Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 9 .2016).

 

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 9 .2016)

 

Kinder

 

Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Mädchen waren unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen (AA 9 .2016). Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen (USAID 19.12.2016). Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab. Aber auch geografisch gibt es Unterschiede. Den geringsten Mädchen-Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Helmand, Uruzgan, Zabul und Paktika) (AA 9 .2016).

 

Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können. Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, das Gewaltpotenzial einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen. Das Curriculum für angehende Lehrer beinhaltet immerhin Handreichungen zur Vermeidung eines gewaltsamen Umgangs mit Schülern (AA 9 .2016).

 

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Kinderarbeit

 

Das Arbeitsgesetz in Afghanistan setzt das Mindestalter für Arbeit mit 18 Jahren fest, erlaubt 14 -Jährigen als Lehrlinge zu arbeiten, sowie 15-Jährigen (und älter) "einfache Arbeit" zu verrichten. Ebenso dürfen 16- und 17-Jährige bis zu 35 Stunden pro Woche arbeiten. Unter 14-Jährigen ist es unter gar keinen Umständen erlaubt zu arbeiten. Das Arbeitsgesetz verbietet die Anstellung von Kindern in Bereichen, die ihre Gesundheit gefährden. In Afghanistan existiert eine Liste, die gefährliche Jobs definiert - dazu zählen:

Arbeit in Bergbau, Betteln, Abfallentsorgung und Müllverbrennung, arbeiten an Schmelzöfen, sowie großen Schlachthöfen, arbeiten mit Krankenhausabfall oder Drogen, arbeiten als Sicherheitspersonal und Arbeit im Kontext von Krieg (USDOS 13.4.2016).

 

Afghanistan hat die Konvention zum Schutze der Kinder ratifiziert. Kinderarbeit ist in Afghanistan somit offiziell verboten. Dennoch haben im Jahr 2014 laut AIHRC (Children's Situation Summary Report vom 14. Dezember 2014) 51,8% der Kinder auf die ein oder andere Weise gearbeitet. Viele Familien sind auf die Einkünfte, die ihre Kinder erwirtschaften, angewiesen. Daher ist die konsequente Umsetzung eines Kinderarbeitsverbots schwierig. Es gibt allerdings Programme, die es Kindern erlauben sollen, zumindest neben der Arbeit eine Schulausbildung zu absolvieren. Auch ein maximaler Stundensatz und Maßnahmen zum Arbeitsschutz (wie z. B. das Tragen einer Schutzmaske beim Teppichknüpfen) wurden gesetzlich geregelt. Der Regierung fehlt es allerdings an durchsetzungsfähigen Überprüfungsmechanismen dieser gesetzlichen Regelungen. 6,5 Millionen Kinder gelten als Gefahren ausgesetzt (AA 9 .2016). Allgemein kann gesagt werden, dass schwache staatliche Institutionen die effektive Durchsetzung des Arbeitsrechts hemmen und die Regierung zeigt nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien (USDOS 13.4.2016).

 

Kinderarbeit bleibt ein tiefgreifendes Problem. Das Arbeitsministerium verweigerte Schätzungen zu den Zahlen der arbeitenden Kinder in Afghanistan und begründete dies mit fehlenden Daten und Mängeln bei der Geburtenregistrierung. Dies schränkte, die ohnehin schwachen Kapazitäten der Behörden bei der Durchsetzung des Mindestalters für Arbeit ein. Berichten zufolge, wurden weniger als 10% der Kinder bei Geburt registriert. In einem Bericht der AIHRC, gaben 22% der Befragten an, arbeitende Kinder zu haben. Kinder sind bei der Arbeit einer Anzahl von Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt; Berichte existieren wonach Kinder sexuellem Missbrauch durch erwachsene Arbeiter ausgesetzt waren (USDOS 13.4.2016).

 

Das Gesetz besagt, dass die Verhaftung eines Kindes als letztes Mittel und nur für die kürzest mögliche Zeit vorgenommen werden soll. Berichten zufolge mangelt es Kinder in Jugendhaftanstalten landesweit an Zugang zu adäquatem Essen, Gesundheitsvorsorge und Bildung. Verhafteten Kindern wurden oftmals Basisrechte wie z.B. die Unschuldsvermutung, das Recht auf einen Anwalt, oder das Recht auf Information über die Haftgründe usw., sowie das Recht nicht zu einem Geständnis gezwungen zu werden, verwehrt. Das Gesetz sieht eine eigene Jugendgerichtsbarkeit vor, limitierte Ressourcen ermöglichten bisher aber nur Jugendgerichte in sechs Gebieten: Kabul, Herat, Balkh, Kandahar, Jalalabad und Kunduz. In anderen Provinzen, in denen keine speziellen Gerichte existieren, fallen Kinder unter die Zuständigkeit allgemeiner Gerichte. In manchen Fälle nahmen die Behörden die Opfer, als zu bestrafende wahr, da sie Schande über die Familie gebracht haben, indem sie Missbrauch anzeigten. In manchen Fällen wurden misshandelte Kinder von den Behörden verhaftet, wenn sie nicht zu ihren Familien zurückgebracht werden konnten und keine anderen Zufluchtsstätten existierten. Auch gab es Vorwürfe wonach die Behörden Kinder oft stellvertretend für verwandte Täter verhafteten (USDOS 13.4.2016).

 

Bildungssystem in Afghanistan

 

In Afghanistan gibt es zwei parallele Bildungssysteme. Religiöse Bildung liegt in der Verantwortung des Klerus in den Moscheen, während die Regierung kostenfreie Bildung an staatlichen Einrichtungen bietet. Im Alter von 7 bis 13 Jahren gehen die Schüler in die Primärschule. Darauf folgen 3 Jahre Mittelschule. Studieninteressenten müssen am Ende dieses Abschnitts ein Examen bestehen. In der Sekundarschule haben die Schüler/innen die Wahl entweder für 3 weitere Jahre den akademischen Weg einzuschlagen, welcher weiter zur Universität führen kann; oder Themen wie angewandte Landwirtschaft, Luftfahrt, Kunst, Handel etc. zu lernen. Beide Programme enden mit einem "Bacculuria"-Examen. Aus- und Weiterbildung: Bildungseinrichtungen umfassen auch Berufsschulen, technische Hochschulen und tertiäre Institute wie das Kabul Polytechnic Institute. Viele Einrichtungen, unter der Leitung des Ministeriums für Arbeit und Soziales, bieten Trainings an. Auch das Ministerium für Bildung betreibt eine Abteilung für Weiterbildung (41 Schulen), die Unterstützung bieten. Diese fokussieren sich hauptsächlich auf Mechanik, Tischlerei, Sanitär, Metallarbeiten, Friseur, Schneiderei und Bürotätigkeiten. Öffentliche Schulen und Kindergärten sind bis zum Universitätslevel kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten müssen bezahlt werden.

Kinderbetreuung: Es gibt einige staatlich finanzierte und verwaltete Kindergärten. Diese gewähren Kindern von Mitarbeiter/innen kostenfreien Zugang (IOM 2016).

 

Viele Kinder sind unterernährt. Ca. 10% (laut offizieller Statistik 91 von 1.000, laut Weltbank 97 von 1.000) der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Straßenkinder gehören zu den am wenigsten geschützten Gruppen Afghanistans und sind jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt (AA 9 .2016).

 

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Grundversorgung und Wirtschaft

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).

 

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11 .2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

 

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11 .2016).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11 .2016).

 

Projekte der afghanischen Regierung:

 

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens' Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

Medizinische Versorgung

 

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9 .2016).

 

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].

 

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9 .2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9 .2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

 

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9 .2016).

 

Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf

45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken (WB 2.11.2016). Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 2.11.2016). Bei 34% der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge, verwenden 23% der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (USDOS 13.4.2016).

 

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

 

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und somit müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst (IOM 21.9.2016). Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte, sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar (IOM 2016).

 

Medikamente

 

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (IOM 2016). Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 13.4.2016).

 

Beispiele für Behandlung psychischer Fälle in Afghanistan

 

In öffentlichen und privaten Kliniken ist beispielsweise paranoide Schizophrenie behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patient/innen nichts für ihre Aufnahme bezahlen. Die Patient/innen müssen ihre Medikamente in außenstehenden Apotheken kaufen (IOM 11.10.2016). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn Patient/innen kein unterstützendes Familienumfeld haben. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt", oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Krankenhäuser in Afghanistan

 

Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und je nach gesundheitlicher Beschwerde einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt (IOM 2016).

 

In Kandahar eröffnete eine pädiatrische Abteilung im Mirwais Krankenhaus, mit dem Ziel die extrem hohe Säuglingssterberate zu reduzieren: unter anderem verdoppelte sich die Zahl der Säuglingsschwestern; die neue Brutkasteneinheit unterstützt die Spezialist/innen der Neonatalogie (The Guardian 1.12.2016).

 

Krankenhäuser in Kabul:

 

* Antani Hospital Address: Salan Watt, District 2, Kabul Tel: +93 (0)20 2201 372

 

* Ataturk Children's Hospital Address: Behild Aliabaad (near Kabul University), District 3, Kabul Tel: +93 (0)75 2001893 / +93 (0)20 250 0312

 

* Ahyaia Mujadad Hospital Address: Cinema Pamir, 1st District, Kabul Tel: +93(0)20 2100436

 

* Centre Poly Clinic Address: District 1, Cinema Pamir, Kabul Tel:

+93 (0)202100445

 

* Istiqlal Hospital Address: District 6, Kabul Tel: +93 (0)20 2500674

 

* Ibnisina Emergency Hospital Address: Pull Artal, District 1, Kabul

Tel: +93 (0)202100359

 

* Jamhoriat Hospital Address: Ministry of Interior Road, Sidarat

Square, District 2,Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375

 

* Malalai Maternity Hospital Address: Malalai Watt, Shahre Naw,

Kabul Tel: +93(0)20 2201 377

 

* Noor Eye Hospital Address: Cinema Pamir, Kabul Tel: +93 (0)20 2100 446

 

* Rabia-i-Balki Maternity Hospital Address: Frosh Gah, District 2, Kabul Tel: +93(0)20 2100439

 

* Tuberculosis Hospital Address: Sana Turiam, Dar-ul-Aman, District 6, Kabul Tel:+93 (0)75 201 4842

 

Beispiele für Nichtregierungsorganisationen vor Ort:

 

Ärzte ohne Grenzen (MSF)

 

In Helmand besteht das größte Krankenhaus im südlichen Afghanistan, welches von Ärzten ohne Grenzen (MSF) geführt wird. Als eines der wenigen Krankenhäuser in der Provinz, hat das Krankenhaus 300 Betten. Etwa 700 afghanische Mitarbeiter/innen und 25 Ausländer/innen arbeiten in den Abteilungen des Krankenhauses, zu diesen zählen unter anderem die Pädiatrie, die Intensivmedizin, die Orthopädie, erste Hilfe und Operationen. Die Behandlung in diesem Krankenhaus ist kostenfrei, sofern man es schafft einen Platz zu bekommen (Time 31.8.2016).

 

Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC)

 

Zugang zu Gesundheitsbehandlung bleibt schwierig in jenen Gegenden, in denen die Sicherheitslage schwach ist.

 

Das ICRC:

 

 

 

 

 

 

 

 

Telemedizinprojekt durch den Mobilfunkanbieter Roshan

 

Das Telemedizinprojekt, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialist/innen im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden arme Patient/innen auf dem Land von Expert/innen diagnostiziert. Die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie ermöglicht es afghanischen Ärzten im Institut zudem, durch komplizierte Behandlungen geleitet zu werden, für die sie sonst nicht die Expertise hätten (Good Impact 17.12.2016).

 

Rückkehr

 

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

 

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).

 

Afghanische Rückkehrer/innen, afghanische Flüchtlinge und nicht registrierte Afghan/innen

 

Iran

 

Seit 1. Jänner 2016 sind insgesamt 461.112 nicht-registrierte Afghan/innen aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt. In der zweiten Jännerwoche 2017 sind insgesamt 9.378 nicht registrierte Afghan/innennach Afghanistan durch Herat oder Nimroz zurückgekehrt; von diesen sind 3.531 freiwillig und 5.847 im Zuge von Abschiebungen zurückgekehrt - 2% der nicht registrierten Afghan/innen, die in den Transitzentren in Herat oder Nimroz ankamen, wurden von IOM unterstützt. Dazu zählten 101 UMF (Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge), denen IOM eine besondere Unterstützung zukommen ließ, inklusive medizinischer Behandlung, sichere Unterkünfte und die Suche nach Familienangehörigen (IOM 15.1.2017).

 

Ein UNHCR-Vertreter berichtete, dass afghanische Flüchtlinge in Gegenden zurückkehrten, in denen der Friede wieder hergestellt wurde. Dennoch sei es schwierig, alle afghanischen Flüchtlinge eines Jahres zu verteilen, da der Iran afghanische Migrant/innen zurückschickt und Afghanistan eine Anzahl wohnungsloser Menschen hat, die zusätzlich die Situation verkomplizieren (Pakistan Observer 2.1.2017). Die IOM-Transitzentren in Grenznähe bieten elementare Unterkünfte, Schutz für unbegleitete Minderjährige, Haushaltsgegenstände (Töpfe und Pfannen), sowie Transportmöglichkeiten für Familien, um sich in ihren Wunschgebieten ansiedeln zu können (DAWN 12.1.2017).

 

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

 

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

 

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9 .2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

 

Staatliches Pensionssystem

 

Es ist nur ein öffentliches Rentensystem etabliert. Das übliche Rentenalter liegt zwischen 63 und 65 Jahren, hängt jedoch vom Einzelfall ab. Personen, die in Afghanistan gearbeitet haben, haben Zugang zu Rentenzahlungen. Es gibt keine Einschränkungen, die einzige Voraussetzung ist, dass die Person mehr als 32 Jahre gearbeitet hat und zwischen 63-65 Jahren alte ist. Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen werden als vulnerabel/schutzbedürftig eingestuft. Sie können Sozialhilfe beziehen und zumindest körperlich benachteiligte Menschen werden in der Gesellschaft respektvoll behandelt. Schwierig ist es allerdings mit mental erkrankten Menschen, diese können beim Roten Halbmond und in entsprechenden Krankenhäusern (Ali Abad Mental Hospital, siehe Kontakte) behandelt werden (IOM 2016).

 

Es gibt keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Arbeitsministerium und der NGO ACBAR (www.acbar.org ) angeboten (IOM 2016).

 

Erhaltungskosten in Kabul

 

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

 

1.5.2. Auszug Gutachten von Mag. Karl MAHRINGER vom 05.03.2017:

 

II. Wie stellen sich die Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte in diesen Städte, differenziert anhand folgender Kriterien, dar?

 

a) erwerbsfähige Rückkehrer ohne relevante Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

b) erwerbsfähige Rückkehrer mit grundlegender Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

c) erwerbsfähige Rückkehrer mit fundierter Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

Die afghanische Verfassung sieht ein Grundrecht auf kostenfreie Ausbildung inklusive Internate und Verpflegung vor (Grundschule) bis zum BA vor, aber es gibt keine Berufsschule; es gibt jedoch Berufsgymnasien vergleichbar unseren berufsbildenden Höheren Schulen. Es ist aber davon auszugehen, dass dieser Verfassungsgrundsatz zurzeit nur in den Städten wirksam ist. In allen Gesprächen konnte kein Unterschied hinsichtlich der Schul- und oder Berufsausbildung in Fragen der Arbeitsmarktchancen festgestellt werden, unabhängig ob Schul- und oder Berufsausbildung, es hängt vom Einsatz des Arbeitssuchenden oder seiner Kontakte ab ob er Arbeit findet.

 

In vielen Handwerksberufen herrscht noch eine zunftähnliche Struktur vor. In allen Bereichen fehlt es an qualifizietren Bewerbern. Die berufliche Ausbildung in Handwerksbetrieben erfolgt in diesen Zünften.

 

Afghanistan hat auch ein Gesetz für einen Mindestlohn. Dieser beträgt zurzeit Afghani 5000 (entspricht am 2/20/2017 ca. 75$) monatlich und gilt nur für Arbeiter im öffentlichen Sektor, der private Sektor hat keinen Mindestlohn, wobei aber im Arbeitsrecht vorgesehen, ist das der Lohn für Arbeiter im privaten Sektor nicht kleiner sein soll als für Arbeiter im öffentlichen Sektor.

 

Viele Organisationen bieten bereits Arbeitsplätze über das Internet an. Fast alle Arbeitsplätze, der internationalen Gemeinschaft, für Afghanen werden öffentlich übers Internet angeboten.

 

Die Unterscheidung der Verdienstmöglichkeiten erfolgt in der Regel nicht über die berufliche oder schulische Ausbildung sondern über die Arbeitgeber. In den Städten Kabul (besonders bemerkbar), Herat und Mazar-e Sharif gibt es einen Drang der Arbeitssuchenden zu den internationalen Organisationen, internationalen Firmen und ausländischen NGO¿s da diese sehr oft ein Mehrfaches des vergleichbaren Lohnes im afghanischen, privaten Sektor bezahlen (Anzahl der NGO¿s Anlage 5).

 

d) Fragestellung a) bis c), wenn bereits Arbeitserfahrung (in oder außerhalb Afghanistans) gesammelt wurde (etwa: Landwirtschaft, handwerkliche Tätigkeit, Fabrikarbeit, Verkaufstätigkeit, Gelegenheitsarbeit)?

 

Arbeitserfahrungen sind auch in Afghanistan ein Vorteil bei der Arbeitssuche wobei, viele Unternehmen die Erfahrung machen, das Rückkehrer zu hohe Erwartungen hinsichtlich des Einkommens und ihrer Kenntnisse haben. Mehrere Gesprächspartner aus der Wirtschaft berichteten von Erfahrungen mit Rückkehrern. Deren Erfahrung ist, dass Rückkehrer ihre Unterstützung im Ausland ohne Arbeit, vergleichen mit den afghanischen Lohn und damit argumentieren warum sie für einen so geringen Lohn (afghanischer Standard) arbeiten sollten, wenn sie im Ausland ein mehrfaches ohne Arbeit bekommen.

 

e) Besteht die Möglichkeit der Verrichtung allenfalls minderqualifizierter Tätigkeit auch für jene Rückkehrer, die über keine hinreichende Schul- und/oder Berufsausbildung oder Arbeitserfahrung verfügen?

 

Es gibt auch die Möglichkeit für Rückkehrer ohne Ausbildung, die staatlichen Behörden stellen viele Mitarbeiter mit geringer oder keiner Qualifikation zum Mindestlohn an. Des Weiteren gibt es eine Vielzahl von Arbeitsmöglichkeiten im privaten Sektor. Arbeitsmöglichkeiten für minderqualifizierte Rückkehrer bedarf besonderer Anstrengungen der Arbeitsuchenden.

 

[...]

 

b) ist die Sicherung existenzieller Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit (differenziert nach den Gruppen II.a) bis c)) realistisch?

 

Bei entsprechenden Anstrengungen des Rückkehrers ist dies ohne Einschränkungen möglich. Die Arbeitssuche ist in den Städten einfacher als auf dem Land. Eine Unterstützung öffentlicher Institutionen (Vergleichbar mit dem AMS in Österreich) gibt es nicht. Eine Differenzierung nach Gruppen ist nicht notwendig und für alle Gruppen sind Möglichkeiten der Existenzsicherung gegeben.

 

[...]

 

d) Erscheint es realistisch, auch von Verwandten Unterstützung zu bekommen, zu denen seit langem oder bisher noch gar kein Kontakt bestand?

 

Grundsätzlich möglich, allerdings im Bereich der Sachleistungen wie Unterkunft, Essen und nur für eine beschränkten Zeitraum. Festgestellt konnte in diesen Zusammenhang in Gesprächen werden, das der Kontakt zwischen Familienmitgliedern und Verwanden nie abreißt. Mit großer Überzeugung konnten in Afghanistan verbleibente Familien immer erklären wo deren Verwandte und Familienmitglieder in Ausland gerade sind, welchen Status im Asylverfahren diese gerade haben etc. Viele Afghanen sind mit ihren sich im Ausland aufhaltenden Familienmitgliedern und Verwandten im permanenten Kontakt.

 

VI. a) Inwiefern unterscheidet sich die Lebenssituation aus dem Ausland zurückkehrender Afghanen von der in Kabul ansässigen Bevölkerung?

 

Es kann kein Unterschied der Lebensumstände festgestellt werden. In Gesprächen mit freiwilligen, allein reisenden, männlichen Rückkehrern konnte allerdings entnommen werden, dass je länger die Abwesenheit von Afghanistan dauerte, desto schwieriger war die Rückintegration. Die Gesprächspartner erwähnten wiederholt wie schwierig es war nach der Rückkehr nach Afghanistan sich an die unterschiedlichen Standards der Infrastruktur zu gewöhnen. Rückkehrer in Herat und Mazar e Sharif sahen ihre Rückkehr einfacher als in Kabul. Alle Gesprächspartner bemängelten das Fehlen von Informationen über Ansprechpartner in den Zielstädten. Für alle war die Einreise am Flughafen problemlos.

 

b) Verunmöglicht die Unkenntnis der örtlichen/infrastrukturellen Gegebenheiten (etwa Rückkehrer, die sich noch nie zuvor in afghanischen Großstädten aufgehalten haben; lange Abwesenheit aus Afghanistan) eine Existenzsicherung?

 

Auch wenn die Rückkehrer noch nie zuvor in einer afghanischen Großstadt länger gelebt hatten ergab sich aus der Rückkehr in eine afghanische Großstadt kein Problem. Die Tatsache noch nie in einer afghanischen Großstadt gelebt zu haben hatte keinen Einfluss auf die Existenzsicherung.

 

Aus den Gesprächen mit Rückkehrer konnte festgestellt werden, dass die Arbeitssuche in der Großstadt einfacher war als in ländlichen Gebieten, die soziale Integration in den ländlichen Gebieten einfacher war. Die Aneignung von Kenntnissen der örtlichen Gegebenheiten und der vorhandenen Infrastruktur erfolgte innerhalb kürzester Zeit. Für die Rückkehrer war die Ankunft in einer afghanischen Großstadt, auch wenn diese ursprünglich aus ländlichen Gebieten kamen, keine besondere Erschwernis. In diesem Zusammenhang sei auf die afghanische Binnenmigration verwiesen. Binnenmigration, ländliche Gebiete nach nächster größerer Stadt gefolgt von Distriktstadt und über Provinzhauptstadt nach Kabul.

 

VII. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Rückkehrsituation je nach Zugehörigkeit zu bestimmten Volksgruppen (Paschtunen/ Hazara/Tadschiken/Usbeken/Aimaken/ Turkmenen/Belutschen) variiert bzw. die Existenzsicherung für Angehörige einer bestimmten Volksgruppe ungleich schwieriger ist?

 

Übereinstimmend haben die Gesprächspartner diese Frage verneint. Obwohl sich die die verbindliche Akzeptanz des Paschtu Wali in der Auflösung befindet und nur noch in den ländlichen Gebieten seine volle Wirkung entfaltet kann, wirkt der Familienzusammenhalt bei den Pashtunen noch immer. Bei den Hazara kann man ein verstärktes "Wir" Gefühl feststellen. Obwohl sich die Hazara als Einheit sehen und der Unterschied zwischen Zwölfer und Siebener Schia in Afghanistan nicht wahrnehmbar ist, so muss festgestellt werden, das die Siebener Schia - Ismailiten des Agha Khan, auf allen Eben bestens organisiert und vernetzt sind. Es ist allgemeines Verständnis, sich zuerst innerhalb der eigenen Ethnie zu helfen.

 

Gemäß der afghanischen Verfassung sind alle Afghanen gleich und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie ist kein Grund zur Benachteiligung. In der Praxis allerdings ist der Zusammenhalt zuerst zwischen den Ethnien gegeben. Am Beispiel der Ministerien soll dies veranschaulicht werden. Der Minister des MoRR ist Hazara, folglich sind die meisten Mitarbeiter im MoRR Hazara. Dies ist aber nicht gleichbedeutend dass, das Ministerium nicht nur Hazara Rückkehrer betreuen würde. Pashtunische Minister haben hauptsächlich pashthunische Mitarbeiter etc. (Ein System vergleichbar mit dem ehemaligen Proporzsystem der verstaatlichen Industrie in Österreich).Die afghanischen Gesprächspartner sahen dies nicht als generelle Benachteiligung.

 

[...]

 

Gutachten

 

[...]

 

II. Wie stellen sich die Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte in diesen Städte, differenziert anhand folgender Kriterien, dar?

 

a) erwerbsfähige Rückkehrer ohne relevante Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

b) erwerbsfähige Rückkehrer mit grundlegender Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

c) erwerbsfähige Rückkehrer mit fundierter Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

Eine differenzierte Beantwortung von a) bis c) ist nicht möglich und hat keine Auswirkung auf die Möglichkeiten. Die Verdienstmöglichkeiten für männliche Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte sind ohne Einschränkung in den Punkten a) bis c) gegeben.

 

1.5.3. Auszug Aktualisierung des Gutachten von Mag. Karl MAHRINGER vom 15.052017:

 

[...]

 

Die Ergebnisse der ersten Befragungen von freiwilligen afghanischen Rückkehrern aus Österreich lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

 

 

 

 

 

 

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass das Rückkehrprogram bisher als Erfolg zu bewerten ist und die Feststellungen des Gutachtens vollinhaltlich bestätigt werden.

 

1.5.4. Auszug aus dem Gutachten Mag. Zerka Malyar vom 27.07.2009 zu Blutrachen und Ehrenmord in Afghanistan:

 

[...]

 

Die Blutrache oder Vendetta ist ein Prinzip zur Sühnung von Verbrechen, bei dem Tötungen durch Tötungen gerächt werden. Sie stellt die Ultima Ratio der Konfliktbewältigung innerhalb der Fehde dar.

 

[...]

 

Bei der Blutrache straft die Familie des Opfers den Täter und seine Familie aus der Absicht heraus, die vermeintlich verlorene Familienehre wiederherzustellen. Unter Familie ist dabei mancherorts nicht nur die biologische Verwandtschaft zu verstehen, sondern auch ein Clan oder eine Verbrecherbande. Ein Ausgestoßener, für den sein Clan keine Blutrache üben würde, ist in diesem System schutzlos.

 

[...]

 

Als häufigste Auslöser werden bei den Afghanen Sar, Zan und Zamin, (Kopf, Frau und Land) genannt.

 

Sar (Kopf) umfasst die ersten drei Normen [...]: Tötungsdelikte, Körperverletzungen und Verstöße gegen die Ehre des Individuums oder Gemeinwesens.

 

[...]

 

Beispiel: Ein geerbtes Grundstück wird nicht den gesetzlichen Grundlagen und der Scharia konform geteilt oder der bewegliche und nicht bewegliche Nachlass eines Verstorbenen nicht gerecht unter seinen Erben verteilt, sondern ungerechterweise von einem Verwandten gewaltsam an sich genommen. Wenn die Erben erwachsen sind, fühlt sich der Verwandte, der ihnen Unrecht getan hat, gefährdet und tötet die rechtmäßigen Erben. Im umgekehrten Fall wird der Verwandte, wenn er sich weigert, den nun erwachsenen Erben das ihnen zustehende Rechtsgut zurückzugeben, von diesen getötet. Nach diesen Tötungen beginnt die Blutrache, das heißt, der Täter wird von der Gegner-Familie getötet oder er wird fliehen und die Ortschaft verlassen. Das ist meistens der Fall, wenn der Täter behördlich nicht festgenommen und gerichtlich verfolgt wird.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Herkunft der BF (BF1-BF3), zu ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, ihrer familiären Situation in Afghanistan und Österreich sowie ihrem Ausbildungsstand ergeben sich aus den diesbezüglich gleichbleibendem und glaubwürdigen Vorbringen BF im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde sowie der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Auch haben alle drei BF übereinstimmend angegeben im Jahr 2010, nach dem Tod ihres Vaters bzw. Ehemannes, Afghanistan verlassen zu haben und gemeinsam mit ihren Groß- bzw. Schwiegereltern in den Iran gegangen zu sein, wo sie fünf Jahre lang gelebt haben, bevor sie schließlich im Sommer 2015 nach Österreich gekommen sind. Die Tötung des Ehemannes der BF1 bzw. des Vater der BF2-BF3 durch die Cousins konnte jedoch nicht festgestellt werden. Die Feststellung, wonach der Aufenthalt des dritten Sohnes der BF1 und Bruders der BF2 und BF3 derzeit unbekannt ist, ergibt sich ebenfalls aus den insoweit korrespondierenden Angaben der BF.

 

In ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde hat die BF1 angegeben, dass der Onkel ihres Ehemannes bereits sehr betagt sei und sie nicht wisse, ob er überhaupt noch lebe. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der Tatsache, dass sie zu diesem - wie von ihr angegeben - keinen Kontakt hat - konnte daher nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, ob er sich immer noch in Kabul aufhält.

 

Auch konnte keiner der BF einen Kontakt zu deren Groß- bzw. Schwiegervater bestätigen oder angeben, wo sich diese aktuell aufhalten. Dem insoweit gleichbleibenden Vorbringen der BF folgend war zudem festzustellen, dass sie abgesehen von den Cousins ihres Vaters bzw. Ehemannes, die nach wie vor in Kabul leben, zu den jedoch kein Kontakt besteht, keine weiteren Verwandten in Afghanistan haben.

 

Angesichts der Tatsache, dass die BF1 seit Kind in Kabul gelebt und erst nach dem Tod ihres Ehemannes und im Alter von 40 Jahren Afghanistan verlassen und gemeinsam mit ihrer Familie in den Iran gezogen ist, konnte nicht festgestellt werden, dass sie in Kabul über keinerlei soziale Kontakte verfügt. Selbst wenn man annähme, dass sie - wie von ihr angegeben - das Haus nur selten verlassen und überwiegend im Familienverband gelebt hat, kann nach der Lebenserfahrung nicht darauf geschlossen werden, dass sie tatsächlich über keinerlei soziale Verbindungen in Afghanistan bzw. Kabul mehr verfügt. Das diesbezügliche Vorbringen in der Beschwerde bezieht sich lediglich auf den BF2 und mj. BF3.

 

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF, insbesondere jenem der BF1, gründen sich auf deren Angaben im gerichtlichen und behördlichen Verfahren sowie auf den dazu mit Eingabe von 31.07.2017 sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten medizinischen Unterlagen (Beilage./A). Wie diesen zu entnehmen ist, wird das psychische Beschwerdebild der BF1 medikamentös behandelt, sodass von dessen Therapierbarkeit auszugehen war und damit eine lebendbedrohliche Erkrankung oder nachhaltige schwere gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Behandlung in Österreich erforderlich machen würde, nicht festzustellen war. Auch wenn die BF1 eine Sehhilfe sowie ein Hörgerät benötigt, war eine Kommunikation mit ihr sowohl im behördlichen als auch im gerichtlichen Verfahren ohne Einschränkung möglich, sodass diesbezüglich keine (wesentliche) Beeinträchtigung festzustellen war. Hinzu kommt, dass gemäß den herkunftslandbezogenen Länderfeststellungen Kabul über auf psychische Erkrankungen spezialisierte Gesundheitseinrichtungen verfügt, sodass eine fachspezifische Behandlung der BF1 gewährleistet ist. Die Hör- und Sehdefizite können durch entsprechende Behelfe letztlich vollständig ausgeglichen werden.

 

Dass die BF strafgerichtlich unbescholten sind ergibt sich aus der Einsichtnahme ins österreichische Strafregister.

 

Die Feststellung, wonach sowohl der BF2 als auch der mj. BF3 bereits am Erwerbsleben teilgenommen und im Iran als Besenbinder gearbeitet haben, ergibt sich zum einen aus dem Vorbringen der BF1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Protokoll Seite (PS) 8). Zum anderen wurde dies auch vom mj. BF3 in seiner mündlichen Einvernahme in der Beschwerdeverhandlung bestätigt (vgl. PS 21). Von der BF1 und dem BF2 wurde auch übereinstimmen angegeben, dass deren Groß- bzw. Schwiegervater im Iran die Miete für das Haus in dem sie dort wohnten bezahlt hat.

 

Die Feststellung, wonach die wirtschaftliche Situation der Familie der BF in Afghanistan gut war, folgt den Angaben des BF2 und der BF1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Die Länderfeststellungen gründen auf dem Länderinformationsblatt des BFA, Stand 22.06.2017, dem Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Mag. Karl Mahringer (im Folgenden: "Mahringer" oder der "Sachverständige" genannt) vom 05.03.2017 (im Folgenden: "GA Mahringer" genannt) sowie der dazu erstatteten Aktualisierung vom 15.05.2017, dem Gutachten zu Blutrachen und Ehrenmord in Afghanistan von Mag. Zerka Malyar vom 27.07.2009 und den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Afghanistan kommt den Aussagen von Mahringer besondere Glaubwürdigkeit zu.

 

Auf Grund der widersprüchlichen, teilweise vagen und gemäß der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nachvollziehbaren Angaben, insbesondere der BF1, konnte der von den BF als primär fluchtauslösend angegebene Grund, nämlich die behauptete Bedrohung durch die Familie des Onkels ihres Ehemannes bzw. Vaters infolge von Erbschaftsstreitigkeiten und der im Rahmen dessen erhobenen Besitzansprüche, nicht als glaubwürdig erachtet werden.

 

Vor diesem Hintergrund konnte daher auch nicht festgestellt werden, dass der Vater bzw. Ehemann der BF seinen Cousins anlässlich eines Streits über das Erbe umgebracht worden sei.

 

Dies auf Grund folgender Erwägungen:

 

Dazu ist zunächst hervorzuheben, dass keiner der BF über eigene Wahrnehmungen, was die angebliche Ermordung des Ehemannes/Vaters anbelangt, verfügt. Sämtliche Angaben dazu beschränken sich auf Schilderungen des Groß- bzw. Schwiegervaters. Auch versuchte offensichtlich keiner der BF, nachdem ihnen die Nachricht vom Tod des Vaters durch den Großvater überbracht worden ist, die genauen Umstände, wie sich der Vorfall zugetragen habe, zu erfragen. In ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde gab die BF1 dazu lediglich an, dass ihr Schwiegervater gesagt habe, dass ihr Mann mit einem Messer umgebracht worden sei (vgl. AS 35). Nachgefragt, warum die BF1 die Nachricht vom Tod ihres Mannes ohne den genauen Hergang zu kennen, einfach hingenommen habe, zog sich diese im gesamten Verfahren mehrfach auf ihre Schwerhörigkeit zurück und versuchte dies damit zu erklären, dass ihr Schwiegervater deswegen auch sonst nicht besonders viel mit ihr gesprochen habe, was angesichts der Tatsache, dass die Ermordung des Ehemannes als signifikant einschneidendes Erlebnis anzusehen ist, nicht zu überzeugen vermag. Dass sie sich mit der Todesnachricht ohne weiteres Nachfragen schlicht abfindet, kann auch unter Berücksichtigung der patriarchalischen Strukturen der afghanischen Gesellschaft daher nicht als glaubwürdig erachtet werden.

 

Die BF schildern zudem den Grund für den Tod ihres Mannes bzw. Vaters wiederholt in unterschiedlichen Varianten. So gab der BF2 an, dass sein Vater getötet worden sei, da er sich im Zuge des Streits mit seinen Cousins vor den Großvater gestellt habe und seine Cousins ihn überhaupt nicht töten hätten wollen. Die BF1 erklärt demgegenüber, dass die Cousins ihren Ehemann getötet hätten, da er der Erbe seines Vaters sei und er daher nach dessen Tod, die Besitztümer die dieser wiederum von seinem Vater (dem Urgroßvater der BF2 und mj. BF3) erhalten hätte, erben würde (vgl. PS 12, 18). Von den BF2 und mj. BF3 wurde in ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde an keiner Stelle erwähnt, dass Erbschaftsstreitigkeiten infolge der erhobenen Besitzansprüche ihres Großonkels Auslöser für den Streit der Familien und schließlich des Tod des Vaters gewesen seien, sondern lediglich die nach schiitischem Ritus vorgenommenen Beerdigung ihres Urgroßvaters angegeben. Darauf angesprochen, dass deren Mutter den Grund für den entstandenen Konflikt völlig anders geschildert habe, gab der BF2 in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde an, dass dies unmöglich sei und er sich ganz sicher sei (vgl. AS 43). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht findet die nach schiitischer Tradition vorgenommene Beerdigung schließlich seitens des BF2 überhaupt keine Erwähnung mehr und werden nur noch - korrespondierend zu den Angaben seiner Mutter - die behaupteten Erbschaftsstreitigkeiten als Auslöser für die Feindschaft der Familien dargestellt. Das Bundesverwaltungsgericht vermag sich in Gesamtschau der erhobenen Beweise und des abgeführten Verfahrens sowie der eigenen Wahrnehmung in der mündlichen Beschwerdeverhandlung in diesem Zusammenhang nicht des Eindrucks zu erwehren, dass die Angaben der BF im Hinblick auf das Fluchtvorbringen zur Plausibilisierung desselben (nachträglich) in Übereinstimmung gebracht wurden. Dies gilt etwa auch für die Anzahl der Cousins des Vaters, die den Großvater im Iran attackiert haben sollen. Der angebliche Tod des Ehemannes/Vaters wurde in der mündlichen Verhandlung von BF1 und BF2 gänzlich emotionslos angegeben.

 

Zudem scheint es nicht lebensnah, dass - sollte sich der Tod des Vaters bzw. Ehemannes tatsächlich ereignet haben - keiner der BF, weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren von sich aus mit einem Wort jemals ein Begräbnis oder ähnliches erwähnt, was die mangelnde Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens zusätzlich untermauert.

 

Ferner nicht plausibel seitens der BF erklärt werden konnte, warum deren Groß- bzw. Schiegervater nach der Ermordung seines Sohnes unbehelligt nach Hause gehen konnte und - mangels gegenteiliger Angaben - auch offensichtlich keinerlei Folgen aus dem Streit davongetragen hatte. Der Versuch des BF2 dies damit zu erklären, dass die Leute Vorort dies verhindern konnten, überzeugt nicht. Dies auch da sich die angebliche Tötung ein Monat vor der Flucht ereignet haben soll, der Großvater aber dennoch ausreisen konnte.

 

In der mündlichen Verhandlung schildert die BF1 sodann erstmals, entgegen der bisherigen Ausführungen der BF, wonach der Vorfall von deren Groß- bzw. Schwiegervater zur Anzeige gebracht worden sei, dass ihr Ehemann diese erstattet habe (vgl. AS 35). Da seine Cousins jedoch "Verbindungen zu den Taliban" gehabt hätten, habe ihr Mann nichts erreichen können. Dies ist insoweit grob widersprüchlich, als gemäß den herkunftslandbezogenen Länderfeststellungen genau das Gegenteil der Fall ist und die Polizei bzw. die Regierungsbehörden den Taliban als Konfliktpartei gegenüber stehen, sodass bei Personen, die in Verbindung mit den Taliban stehen, gerade nicht davon auszugehen ist, dass die Sicherheitskräfte von einer weiteren Verfolgung Abstand nehmen. Tatsächlich muss insoweit angenommen werden, dass die BF1 durch die Erwähnung der Taliban und die angeblich bestehende Verbindung der Cousins ihres Ehemannes zu ihnen versucht, die offensichtlich nicht bestehende Bedrohungssituation dadurch zu potenzieren, sodass sie sich insoweit ein gesteigertes Vorbringen vorwerfen lassen muss. Dass dies, wie die BF1 auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu erklären versucht, anlässlich ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde nicht protokoliert worden sei, muss angesichts der zwei Stunden dauernden Befragung und der wiederholt im Rahmen dessen gestellten Kontrollfragen, als Schutzbehauptung angesehen werden.

 

Vor diesem Hintergrund konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Cousins des Vaters bzw. des Ehemannes der BF deren Groß- bzw. Schwiegervater in XXXX ausfindig gemacht und ihn bedroht und zusammengeschlagen hätten. Auch bei diesem Vorfall war wiederum keiner der BF dabei, sondern beruhen sämtliche Angaben dazu ebenfalls nur auf den angeblichen Schilderungen des Groß- bzw. Schiegervaters. In diesem Zusammenhang in keiner Weise nachvollziehbar sind die Angaben des BF2, wonach die Cousins seines Vaters von seinem Großvater im Stadtteil XXXX in XXXX gesehen worden seien und es daraufhin eine Auseinandersetzung gegeben habe. Sollte die Bedrohungssituation tatsächlich wie von den BF geschildert derart erheblich gewesen und sie und der Großvater wiederholt mit dem Tod bedroht worden sein, sollte er ihren Forderungen nicht Folge leisten und die Grundstückspapiere heraus geben bzw. die Anzeige gegen den Mörder seines Sohnes zurückziehen, so ist es nur wenig plausibel, dass der Großvater sich dennoch öffentlich einer direkten Konfrontation ausgesetzt hat. Auch hat XXXX mehr als 3 Millionen Einwohner und ist es nicht glaubwürdig, dass die Cousins den Großvater zufällig auf einem Markt entdeckten.

 

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass angesichts der Tatsache, dass keiner der BF jemals persönlich einer Bedrohung oder Verfolgung durch die Familie des Onkels ihres Vaters bzw. Ehemannes ausgesetzt war (die BF2 und mj. BF3 sind den Cousins ihres Vaters gemäß den Angaben der BF1 auch niemals begegnet), zumal das Vorbringen dazu sich ausschließlich auf die angeblichen Behauptungen ihres Groß- bzw. Schwiegervaters stützt sowie dem Umstand, dass weder die angeblichen Gründe für die Ermordung des Vaters noch der tatsächliche Hergang von den BF im Verfahren übereinstimmend wiedergegeben wird oder auf persönlicher Wahrnehmung beruht, dem Fluchtvorbringen im Hinblick auf die behauptete Bedrohungssituation von Seiten der Familie des Onkels insgesamt die Glaubwürdigkeit zu versagen war. Entsprechendes gilt für den behaupteten, ebenfalls nur vom Grußvater erzählten Zwischenfall im Iran, der als endgültig fluchtauslösend dargestellt wurde.

 

Festzustellungen zum Verbleib der Grundbuchsrollen, die die Eigentumsverhältnisse im Hinblick auf die behauptet Erbschaft nachweisen, waren vor diesem Hintergrund somit mangels Entscheidungswesentlichkeit sohin entbehrlich.

 

Das Bundesverwaltungsgericht legt dabei keineswegs das geringe Substrat des Parteivorbringens im Hinblick auf eine drohende Verfolgung "gegen" die BF aus.

 

Es ist jedoch zu beachten, dass das Parteivorbringen im vorliegenden Fall praktisch als einziges Beweismittel zur Verfügung steht. Dieses Vorbringen reicht hier jedoch mangels anderer objektiver Beweise oder Indizien für sich genommen nicht aus, um es einer Schlüssigkeits- und Plausibilitätskontrolle im Hinblick auf das tatsächliche Vorliegen eines individuellen asylrelevanten Gefährdungspotentials der BF zu unterziehen.

 

Mangels näherer Substantiierung weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren oder weiteren Anhaltspunkten konnte daher auch keine asylrelevante Verfolgung aus Gründen der (antizipierten) Blutrache von Seiten der Familie des Onkels, die die BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr zu befürchten hätten, festgestellt werden. Wie in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde zutreffend aufgegriffen, wären angesichts der Ermordung ihres Vaters gemäß den herkunftslandbezogenen Länderfeststellungen letztlich der BF2 und mj. BF3 gehalten Rache an dessen Cousins zu üben, um den Tod ihres Vaters zu sühnen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Familie des Onkels einer solch befürchteten Blutrache durch die BF, durch die Tötung der BF zu entgehen versuchen würde.

 

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie dem vor dem Bundesverwaltungsgericht abgeführten Verfahren und im Besonderen der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass die BF ausreichend Zeit und Gelegenheit hatten, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel und geeignete Nachweise zur Untermauerung ihres Vorbringens vorzulegen. Sie wurden auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung ihrer Fluchtgründe aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

 

Dass die BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären, konnten diese in einer Gesamtschau ihrer Angaben vor der belangten Behörde sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht glaubhaft darlegen, womit dieses Vorbringen den gegenständlichen Feststellungen nicht zu Grunde gelegt werden konnte.

 

Zur behaupteten geschlechtsspezifischen Verfolgung der BF1 bzw. der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen, die in Afghanistan Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind ist hinsichtlich der von der BF1 behaupteten Unterdrückung von Seiten ihres Schwiegervaters festzuhalten, dass ausgehend von der Tatsache, dass dieser die Ausreise der BF1 und seiner Enkel organisiert sowie finanziert und ihnen damit ein Leben außerhalb der afghanischen Wertegesellschaft ermöglicht hat, nicht davon auszugehen ist, dass die BF1 tatsächlich in derart maßgeblicher Intensität von Repressionen und Zwang betroffen war, dass insoweit eine Asylrelevanz angenommen werden müsste. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Behauptung der BF1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wonach ihr kaum erlaubt worden sei außer Haus zu gehen oder mit der Frau der Nachbarn zu sprechen. Das dazu erstattete Vorbringen in der Beschwerde blieb insoweit unsubstantiiert und setzt sich an keiner Stelle mit der konkreten Situation der BF1 auseinander, sodass eine tatsächliche bestehende Bedrohung oder Verfolgung nicht angenommen werden konnte.

 

Dass die BF1 seit ihrer Einreise in Österreich im Sommer 2015 eine "westliche" Lebensführung und damit eine Lebensweise angenommen hätte, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde konnte nicht festgestellt werden. Auch aus dem in der mündlichen Beschwerdeverhandlung von der BF1 gewonnenen persönlichen Eindruck ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte, wonach eine Entfremdung der BF1 im Hinblick auf die afghanische Wertegesellschaft angenommen werden müsste, sodass eine Reintegration nicht möglich bzw. nicht zumutbar wäre.

 

Auch aus den Ausführungen der BF1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich ihres Lebens in Österreich geht nicht hervor, dass sie einer derart unabhängige Lebensweise verinnerlicht habe, dass ein nachhaltiger und endgültiger Bruch mit den in ihrem Heimatstaat bestehenden Wertesystem und den gesellschaftlichen Strukturen zu erkennen wäre. Die BF1 kümmert sich, wie auch bisher in Afghanistan bzw. dem Iran, um den Haushalt und die Einkäufe. Bei Entscheidungen, die von ihren Söhnen eigenständig getroffen werden, steht sie ihnen - gemäß eigenen Angaben - allenfalls beratend zur Seite. Selbst unter Berücksichtigung der auf Grund der Schwerhörigkeit der BF1 vorliegenden Einschränkungen, ist es ihr nicht gelungen - auch nach mehr als zweijährigem Aufenthalt in Österreich - sich auch nur rudimentäre Deutschkenntnisse anzueignen. Auch die sozialen Kontakte der BF1 bestehen fast ausschließlich zu Personen aus ihrem Herkunftsland. Die BF1 verbringt ihre Freizeit überwiegend alleine und ist weder Mitglied in einem Verein noch engagiert sie sich ehrenamtlich. Der grundsätzliche, erstmals in der Beschwerdeverhandlung vorgebrachte Wunsch nach Bildung und Arbeit kann jedenfalls keineswegs als alleinig ausschlaggebendes Motiv für eine dem Werteverständnis Afghanistans widerstreitende Orientierung angesehen werden, aus der eine Verfolgung im Heimatland abzuleiten wäre. Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wird auch nicht verkannt, dass in Afghanistan Bildung für Frauen mit Einschränkungen verbunden sein kann. Festzuhalten ist jedoch, dass den aktuellen Länderberichten zu entnehmen ist, dass sich der Zugang zu Bildung auch für Frauen bzw. Mädchen in den letzten Jahren erheblich verbessert hat. So unterliegen Frauen in Afghanistan diesbezüglich keinem generellen grundsätzlichen Verbot.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich die BF1 auf Grund ihrer körperlichen Einschränkungen und des psychischen Beschwerdebildes mitunter in ihrer Möglichkeit zur Sozialisierung eingeschränkt sieht. Wie sie in ihrer Einvernahme in der Beschwerdeverhandlung jedoch angegeben hat, nimmt sie an von ihren Betreuerinnen veranstalteten Festen teil und steht in Kontakt zu anderen Personen in ihrer Flüchtlingsunterkunft, die ebenfalls aus Afghanistan stammen, sodass eine maßgebliche Deprivation auf Grund ihres Gesundheitszustandes nicht angenommen werden kann und sie aus eigenem die tradierten Gewohnheiten ihres Heimatlandes auch in Österreich übernimmt.

 

Aufgrund der Angaben der BF1 ist auch nicht der Eindruck entstanden, dass diese die traditionellen sozialen Normen (in einer landesweit üblichen und weit verbreiteten Form) in ihrem Herkunftsstaat grundlegend und nachhaltig ablehnt oder bis zu ihrer Ausreise aus dem Iran und von einem intensiven und nachhaltigen Streben nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit in Lebensführung und Beruf erfüllt war. Substanzielle Probleme mit den sozialen Normen im Iran bzw. in Afghanistan hatte die BF1 nicht, sondern lebte dort entsprechend integriert. Diese Einstellung der BF1 hat sich seit der Einreise nach Österreich weder substanziell noch nachhaltig geändert, weshalb das Risiko einer Verfolgung aufgrund einer ostentativen Ablehnung der gesellschaftlichen Normen ihres Herkunftsstaates jedenfalls derzeit nicht vorliegt.

 

Zudem ist festzuhalten, dass auf Grund der der Volljährigkeit des BF2 und der unmittelbar bevorstehenden Erreichung derselben durch den BF3, die BF1 über männliche Verwandte in ihrem unmittelbarem Umfeld als Kernfamilie verfügt, sodass sie bei einer Rückkehr nach Kabul nicht auf sich alleine gestellt wäre, sondern ihr im Rahmen des Familienverbands Unterstützung seitens ihrer Söhne zukommt.

 

Der von der BF1 gepflegte Lebensstil verletzt daher die herrschenden sozialen Normen in Afghanistan nicht in einem Ausmaß, dass ihr bei einer Rückkehr (unter Beibehaltung des Lebensstils) Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention drohen würde.

 

Vor diesem Hintergrund ist auch nicht davon auszugehen, dass die BF1 bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer geschlechtsspezifischen Verfolgung ausgesetzt wäre.

 

Wie die obigen Ausführungen deutlich machen, konnte auch hinsichtlich des BF2 und mj. BF3 mangels glaubwürdiger Darstellung keine asylrechtlich relevante Verfolgung oder Bedrohung von Seiten der Familie des Onkels ihres Vaters, weder auf Grund der behaupteten Erbstreitigkeiten bzw. religiösen Differenzen noch auf Grund einer infolge antizipierter Blutrache bestehenden Gefährdung, angenommen werden.

 

Zu dem nicht weiter substantiierten Beschwerdevorbringen, wonach der mj. BF3 sich seit seinem 10. Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan aufgehalten und seine gesamte Sozialisierung und persönliche Entwicklung im Iran erfahren habe, ist zunächst festzuhalten, dass insoweit an keiner Stelle die näheren Umstände dargelegt werden, in welcher Form der mj. BF3 eine konkret und individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung aus diesem Grund zu erwarten hätte und worin diese bestünde. Auch der mj. BF3 selbst hat dazu im gesamten Verfahren keinerlei Angaben gemacht. Allein der pauschale Verweis, wonach er im Iran eine "Akkulturation" erfahren habe, ohne jedoch darzulegen, welche Repressionen er in seinem Heimatland konkret zu befürchten hätte, reicht nicht um eine asylrechtlich relevante Verfolgung, die den insoweit notwendigen Grad an Intensität erreicht, annehmen zu können. Der Umstand, dass die BF fünf Jahre lang im Iran gelebt haben, stellt keine ausreichend tragfähige Basis für die Annahme einer Lebensweise dar, die nicht mit der Wertegesellschaft in Afghanistan korrespondiert, zumal es sich hier um den identen Kulturkreis handelt.

 

Vor dem Hintergrund, dass wie oben angeführt vom Vorhandensein sozialer Kontakte seitens der BF1 auszugehen ist, vermochte auch das Vorbringen, dass der BF2 und mj. BF3 im Kindesalter Afghanistan verlassen haben, nicht ins Gewicht zu fallen, da insoweit davon ausgegangen werden kann, dass ihnen - jedenfalls von Seiten ihrer Mutter - ein soziales Solidarnetz zur Verfügung steht.

 

Hinzu kommt, dass alle drei BF einen Großteil ihres Lebens in Afghanistan verbracht haben und mit den landesspezifischen Gepflogenheiten sohin vertraut sind. Wie dargelegt, reicht ein nur 5 Jahre dauernder Aufenthalt im Iran nicht aus, um von einer der afghanischen Wertgesellschaft widerstreitenden Lebensweise ausgehen zu müssen. Hinzu kommt, dass der mj. BF3 während seines fünfjährigen Aufenthaltes im Iran ausschließlich im Familienverband, gemeinsam mit seinen Geschwistern, seiner Mutter und seinen Großeltern gelebt hat. Er hat im Iran auch weder die Schule besucht, noch sind im gesamten Verfahren Anhaltspunkte für eine besonders intensive gesellschaftliche Integration dort und eine daraus folgende der afghanischen Wertegesellschaft widersprechende Entwicklung hervorgekommen. Dies wurde auch an keiner Stelle vom mj. BF3 selbst behauptet. Wie dargelegt beleibt das Beschwerdevorbringen diesbezüglich nur allgemein und wird an keiner Stelle konkretisiert.

 

Auch haben der BF2 und mj. BF3 in Österreich keine nennenswerten Kontakte geknüpft, dass eine signifikante Entfremdung im Hinblick auf ihren Herkunftsstaat angenommen werden müsste, die eine Reintegration in Afghanistan ausschließen bzw. unzumutbar machen würde.

 

Zudem kann in Zusammenschau mit den persönlichen Umständen des fast volljährigen BF3, insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass dieser bereits am Erwerbsleben teilgenommen und - gemäß den Angaben seiner Mutter - gemeinsam mit seinem Bruder im Iran Besen geknüpft hat, auch von keiner besonderen, auf Grund seiner Alters bestehenden Gefährdungssituation des BF3 ausgegangen werden. Eine besonders potenzierte Vulnerabilität, die ihm ein Leben im urbanen Raum - dies im Familienverband - unmöglich machen würde, ist daher nicht zu erkennen. Auch unter Berücksichtigung der herkunftslandbezogenen Länderfeststellungen zur Situation von Kindern in Afghanistan ist festzuhalten, dass hinsichtlich der in diesem Zusammenhang bestehenden Gefährdungspotentiale nicht an einer starren Grenze zwischen Minderjährigen und Volljährigen gehaftet werden kann. Vor diesem Hintergrund, ist eine besonders potenzierte Gefahrenlage auf Grund altersbedingten Risikos nicht zu erkennen.

 

Konkrete, die Minderjährigkeit des BF3 betreffende Fluchtgründe wurden von ihm im Verfahren auch nicht vorgebracht und haben sich auch sonst keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, insoweit eine asylrelevante Bedrohung oder Verfolgung von maßgeblicher Intensität annehmen zu müssen. Schon die Tatsache, dass sowohl der BF2 als auch der mj. BF3 im Iran, ohne je von Repression oder altersbedingter Gewalt und Ausbeutung betroffen gewesen zu sein, schon als Kinder bzw. Jugendliche im Stande waren sich derart schnell und ohne jegliche soziale oder - abgesehen von der Kernfamilie, die dort jedoch selbst fremd war - familiäre Anknüpfung in den Arbeitsprozess zu integrierten, zeigt deutlich auf, dass vorliegend von einer entsprechenden Eigenständigkeit ausgegangen werden kann und daher im Falle der Rückkehr keine spezifische Gefährdungslage, insbesondere des minderjährigen BF3 zu erwarten ist.

 

Zudem ist festzuhalten, dass der mj. BF3 bei einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat, nicht auf sich alleine gestellt wäre, sondern gemeinsam mit seinem volljährigen Bruder (BF2) und seiner Mutter (BF1) im Familienverband leben kann, sodass auch vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen ist, dass der mj. BF3 im Falle seiner Rückkehr dem Risiko ausgesetzt wäre, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

 

Die Feststellung, wonach der BF2 und mj. BF3 arbeitsfähig sind und im Stande sind, einer Beschäftigung nachzugehen sowie bereits am Erwerbsleben teilgenommen haben, ergibt sich sohin ebenfalls aus deren eigenen Angaben sowie jenen ihrer Mutter (BF1), die in ihrer mündlichen Einvernahmen vor dem Bundesverwaltungsgericht - wie bereits festgehalten - darauf verwies, dass beide damals minderjährigen Söhne im Iran als Besenbinder gearbeitet haben und damit den Lebensunterhalt der Familie finanzieren konnten (vgl. PS 8). Auf Grund des Umstands, dass die Söhne der BF1 trotz ihres illegalen Aufenthaltes dort dennoch in der Lage waren eine Anstellung zu finden und mit ihrem Verdienst für ein ausreichendes Auskommen der Familie zu sorgen, kann daher davon ausgegangen werden, dass diese über die notwendige Selbständigkeit verfügen, um auch in ihrem Herkunftsland eine Anstellung zu finden. Vor dem Hintergrund der nahezu erreichten Volljährigkeit des BF3 ist daher davon auszugehen, dass der BF2 und BF3 im Stande sind in Afghanistan allenfalls mit Hilfsarbeit (wie bereits im Iran) die Existenzgrundlage der Familie zu sichern, zumal sie beide über Arbeitserfahrung verfügen. Auch die BF1 hat angegeben, dass sie in Afghanistan Wolle geflochten hat. Eine Erwerbstätigkeit ist auch bei ihr daher nicht ausgeschlossen. Angesichts dessen vermag der Umstand, dass der Vater bzw. Ehemann der BF bzw. deren Groß-/Schwiegervater, die in Afghanistan für den Lebensunterhalt der Familie gesorgt haben, wobei auch sie lediglich Hilfstätigkeiten ausgeübt haben, dazu nicht (mehr) beitragen können, nicht ins Gewicht zu fallen und eine drohende Notlage der Familie zu begründen.

 

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben und der Integration der BF in Österreich, ihren Deutschkenntnissen ergeben sich aus den dazu im behördlichen und gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen sowie den diesbezüglichen eigenen Angaben.

 

Dass die BF bei einer allfälligen Rückkehr nach Kabul nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergibt sich aus einer Zusammenschau der wiedergegebenen Länderberichte zu Kabul insbesondere dem GA Mahringer und den festgestellten persönlichen Umständen und familiären Verhältnissen der BF. Beim BF2 und BF3 handelt es sich um arbeitsfähige junge Männer, bei denen die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann.

 

Wie festgestellt, hat der BF2 (sowie auch sein minderjähriger Bruder BF3) bereits am Erwerbsleben teilgenommen. Er konnte somit unter Beweis stellen, dass er - ungeachtet der fehlenden Schulbildung - für sich und seine Familie eine Existenzgrundlage sichern kann. Mit seiner Berufserfahrung ist es dem BF2 den Länderberichten zufolge durchaus möglich, zumindest Hilfstätigkeiten in Kabul zu verrichten. Der BF2 ist somit in der Lage (wie auch bereits davor im Iran) die Existenzgrundlage auch für seine Mutter (BF1) und seinen (noch) minderjährigen Bruder (BF3) zu sichern. Aber auch der BF3 hat bereits am Erwerbsleben teilgenommen und zum Familienunterhalt beigetragen. Auch ihm ist es daher auf Basis der Länderberichte möglich zumindest Hilfstätigkeiten, wie bereits im Iran, zu verrichten. Selbst wenn man daher das Fehlen sozialer Anknüpfungspunkte in Kabul annehmen wollte, wobei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen ist, dass sich nach wie vor die Cousins seines Vaters dort aufhalten und die behauptete Feindschaft der Familie gemäß den Feststellungen nicht zu folgen war, so ist bereits auf Grund des zwischen den BF bestehenden Familienverbandes eine umfassende gegenseitige Unterstützung gewährleistet, sodass die Gefährdung in eine existentielle Notlage zu geraten oder Opfer von Gewalttaten zu werden, insbesondere im Hinblick auf die BF1 sowie den BF3, nicht ersichtlich. Zudem steht den BF im Falle der Rückführung die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Rückkehrunterstützung zur Verfügung, sodass eine Erstversorgung der BF in deren Herkunftsstaat gewährleistet ist.

 

Auch sprach sich die BF1 in ihrer Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich für ein selbstbestimmtes Leben ihrer Söhne aus. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der BF3, welcher knapp vor Erreichen seines 18 Lebensjahres steht, bei einer Rückkehr nach Afghanistan Opfer von Kinderarbeit oder misshandelt werden würden.

 

Auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz (www.sv.justiz.gv.at ) werden folgende Fachgebiete des länderkundigen Sachverständigen Mahringer für Afghanistan aufgelistet:

 

"Flüchtlingswesen: Ein umfassender Ansatz ist hier erforderlich. Ausgehend aus der klassischen Länderkunde (inkl. Recherche in den Herkunftsländern - Schwerpunkt Afghanistan, Irak, Syrien), der Risikoanalyse, der Betreuung der Flüchtlinge entlang der "Supply Chain" bis zu den Zielländern, der Asylprozess und die Rückführung der abgelehnten Asylanten sowie deren Reinintegrierung in den Herkunftsländern sowie der Integration in den Zielländern. Die Risikoanalyse umfasst sowohl die Bewertung des Herkunftslandes als auch die Risiken während der Flucht (inkl. Schlepperwesen) bis hin zum Bedrohungspotenzial im Zielland. Das Leistungsangebot umfasst sowohl Evaluierung stattgefundener Vorgänge als auch Lösungsvorschläge. Überprüfung von Standards, Mittelverwendung etc.

Entwicklungshilfe: Evaluierung von Entwicklungshilfeprojekte vor Projektbeginn als auch nach Projektabschluss, Benchmark Analyse, Effizientsanalysen, Studien zur Entwicklungshilfe. Analyse und Kontrolle der Mittelverwendung als auch der auftragsgemäße Verwendung. Nachhaltige Entwicklungshilfe-Konzepte. Finanzmanagement. Krisen- und Katastropenmanagement. Bewertung von Zusammenarbeit mit anderen Entwicklungsorganisationen und NGO¿s. Internationale Vernetzung von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, Ökonomische und rechtliche Bewertung"

 

Aufgrund dieser Angaben auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz besteht kein Zweifel daran, dass Mahringer die notwendigen bzw. angegebenen Qualifikationen hat und daher für das Verfassen des GA Mahringer befähigt ist.

 

Die Erhebungen, Befragungen und Recherchen wurden nach den glaubwürdigen Angaben des Sachverständigen persönlich unter Zuhilfenahme je eines erfahrenen und absolut verlässlichen Mitarbeiters für Kabul, Mazar- e Sharif und Herat durchgeführt.

 

Es wurde auf umfangreiche Dokumente und Studien diverser Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen zurückgegriffen. Der Sachverständige kann zudem auf langjährige Erfahrung (seit 1976) in Afghanistan verweisen, sowohl im Bereich der öffentlichen Verwaltung, der Entwicklungshilfe, des Flüchtlingswesens als auch dem privatwirtschaftlichen Sektor. Außerdem wurden in Afghanistan durch den Sachverständigen umfangreiche Befragungen und Erhebungen (600 Afghanen wurden im Rahmen eines über einen Monat dauernden Aufenthaltes in Afghanistan in Kabul, Mazare-e-Sharif und Herat (je 200 Personen) mittels Fragebogen zu ihrer subjektiven Sicht der Situation in Afghanistan sowohl aus der Sicht der Rückkehrer als auch der in Afghanistan Lebenden befragt) durchgeführt und dokumentiert. Der Sachverständige führt wohl zu Recht aus, dass es einen großen Unterschied der Bewertung aus subjektiver Sicht der Afghanen und den Erhebungen und Berichten der internationalen Gemeinschaft, welche in der Regel von westlichen Standards ausgeht, gibt. Es besteht kein Grund an den Angaben und Schlussfolgerungen im GA Mahringer zu zweifeln.

 

Selbst wenn bei dem GA Mahringer die Anforderungen an ein Gutachten nicht gegeben sein sollten (wovon das BVwG nicht ausgeht), würde es sich bei dem GA Mahringer um ein sonstiges Beweismittel handeln, welches aufgrund der Expertise des Sachverständigen und den durchgeführten umfangreichen Befragungen und Erhebungen vor Ort als glaubwürdig erachtet wird. Aus dem GA Mahringer ergibt sich jedenfalls zweifelsfrei, dass derzeit keine exzeptionellen Umstände in Kabul anzunehmen sind, wonach darauf zu schließen wäre, dass die BF dort keine Lebensgrundlage vorfinden und von ihnen die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in den dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016).

 

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Zu A):

 

1. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 Statusrichtlinie [RL 2011/95/EU ] verweist.). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (in der Fassung des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen -asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

 

Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

 

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

 

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560). So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (VwGH 08.07.1993, 92/01/1000; 30.11.1992, 92/01/0832; 20.05.1992, 92/01/0407; 19.09.1990, 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat, spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, 92/01/0181). Auch unbestrittenen Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen ( VwGH 21.06.1994, 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH 23.01.1997, 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (siehe auch VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).

 

Es entspricht der ständigen Judikatur des VwGH, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen -unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650).

 

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

 

Wie sich aus den im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellten Erwägungen ergibt, ist es den BF im vorliegenden Fall nicht gelungen, eine individuell gegen sie gerichtete Verfolgung oder Bedrohung aufgrund eines Konventionsgrundes im Sinne der GFK glaubhaft zu machen:

 

Hinsichtlich der BF1 ist zunächst festzuhalten, dass bloß die Tatsache, dass diese eine afghanische Frau ist, für sich alleine genommen ohne Berücksichtigung ihrer konkreten und individuellen Lebensumstände im Herkunftsstaat, ihrer persönlichen Einstellung und Wertehaltung, ihrem bisherigen Verhalten sowie ohne gesamtheitliche Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihres individuellen Fluchtvorbringens nicht ausreicht, um mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung ausschließlich aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgehen zu können (siehe dazu u.a. AsylGH 13.11.2009, C9 317335-1/2008; AsylGH 15.02.2013, C1 422494-1/2011; BVwG 19.02.2014, W123 1437699-1/3E). Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Frauen in Afghanistan haben sich keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass sich - laut jüngsten Länderberichten - die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert hat (vgl. II.1.2.).

 

Bezogen auf Afghanistan führt die Eigenschaft des Frau-Seins an sich gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht zur Gewährung von Asyl. Lediglich die Glaubhaftmachung einer persönlichen Wertehaltung, die sich an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert, wird als asylrelevant erachtet. In diesem Zusammenhang führte der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 12.06.2015, 573/2015-9, aus:

 

"Die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten hängt davon ab, mit welchen Konsequenzen die Asylwerberin aufgrund ihrer Haltung im Herkunftsstaat zu rechnen hat und ob diese als Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen sind. Nach einer Stellungnahme des UNHCR von Juli 2003 sollten afghanische Frauen, von denen angenommen wird, dass sie soziale Normen verletzen oder dies tatsächlich tun, bei der Rückkehr nach Afghanistan als gefährdet angesehen werden. Diese Kategorie könnte Frauen einschließen, die westliches Verhalten oder westliche Lebensführung angenommen haben, was als Verletzung der sozialen Normen angesehen werde und ein solch wesentlicher Bestandteil der Identität dieser Frauen geworden sei, dass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen (zur Indizwirkung dieser konkreten Empfehlung VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182 mwN). Daraus leitet der VwGH ab, dass einer afghanischen Frau Asyl zu gewähren ist, wenn der von ihr vorgebrachte "westliche Lebensstil" in Afghanistan einer zu den herrschenden politischen und/oder religiösen Normen eingenommenen oppositionellen Einstellung gleichgesetzt wird und ihr deshalb Verfolgung droht. Es komme aus asylrechtlicher Sicht nicht darauf an, ob sich eine Asylwerberin den gesellschaftlichen Normen ihres Heimatstaates anzupassen hat oder nicht (VwGH 06.07.2011, 2008/19/0994; 16.01.2008, 2006/19/0182)."

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden (vgl. etwa VwGH vom 28.05.2014, 2014/20/0017-0018). Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen (VwGH 22.03.2017, 2016/17/0388).

 

Wie im Rahmen der Beweiswürdigung aufgezeigt konnte im Falle der BF1 jedoch nicht festgestellt werden, dass diese seit ihrer Einreise nach Österreich im Sommer 2015 eine Lebensweise angenommen hat, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde, somit eine "westliche" Lebensführung angenommen hat, der ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität wurde und mit dem sie mit den sozialen Gepflogenheiten des Heimatlandes brechen würden. Den bisherigen Aktivitäten bzw. der Lebensweise der BF1 seit ihrer Einreise ist vielmehr gerade nicht zu entnehmen, dass diese einen derartigen "westlichen", selbstbestimmen Lebensstil anstrebt oder bereits pflegt. Auch eine entsprechende innere Wertehaltung konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Infolgedessen verletzt die BF1 mit ihrer Lebensweise die herrschenden sozialen Normen in Afghanistan nicht in einem Ausmaß, dass ihr bei einer Rückkehr (unter Beibehaltung des derzeitigen Lebensstils) eine Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention drohen würde. Soweit in Afghanistan vorherrschende Kleidungsvorschriften ins Kalkül zu ziehen sind, kam im Verfahren hervor, dass der westliche Stil, sich zu bekleiden, kein wesentlicher Teil ihrer Identität geworden ist, da sie nicht geschminkt ist und sich, abgesehen vom Kopftuch, nach wie vor wie in Afghanistan und Kabul nicht unüblich kleidet.

 

Im Hinblick auf das Fluchtvorbringen der BF betreffend der Bedrohung Seitens der Familie des Onkels ihres Vaters, die behauptungsgemäß der Grund für das Verlassen ihres Heimatstaates war, konnten keine Umstände, die auf eine diese individuell und konkret betreffende maßgebliche Verfolgung hindeuten oder eine wohlbegründete Furcht erklären könnten - wie oben dargetan - festgestellt werden.

 

Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die BF von den Cousins ihres Vaters bzw. Ehemannes aufgrund der von diesen erhobenen Erbschaftsansprüche persönlich bedroht worden seien, käme diesem Vorbringen keine asylrelevante Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK zu, weil es diesbezüglich an einem kausalen Zusammenhang zu einem Konventionsgrund, nämlich der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung mangelt. Die behauptete Bedrohung der BF ist ausschließlich privater Natur. Private Streitigkeiten um Besitzansprüche sind nach der einschlägigen Judikatur des VwGH per se jedoch grundsätzlich nicht asylrelevant (vgl. VwGH 26.02.2002, 99/20/0571).

 

Auch aus der von den BF im Verfahren behaupteten Familienfehde - wollte man diese als glaubhaft erachten - auf Grund der Tatsache, dass ein Teil der Familie sich zum sunnitisch-muslimischen und der andere Teil - so auch die BF - sich zum schiitisch-muslimischen Glauben bekennt, kann keine Gefährdungslage von maßgeblicher Intensität, der die BF ausgesetzt sind, abgeleitet werden. Insoweit fehlt es ebenfalls an einer konkret gegen sie gerichteten Bedrohung oder Verfolgung durch die Familie des Onkels wegen ihrer Religionszugehörigkeit. Wie die BF1 in ihrer Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht mehrfach betont hat, waren weder sie noch ihre Söhne jemals unmittelbar einer Verfolgung durch die Familie des Onkels ihres Mannes ausgesetzt. Selbst unter Annahme einer Bedrohungssituation wäre diese jedoch nicht aus religiösen Motiven heraus anzunehmen, sondern auf Grund der Seitens der Familie des Onkels erhobenen Erbansprüche, die diese gemäß dem Vorbringen der BF1 damit begründeten, dass ihr Ehemann und ihr Schwiegervater Schiiten gewesen seien und daher nichts erben dürften. Die allenfalls religionsbedingten Differenzen sind damit nicht auf Grund der Religionszugehörigkeit der Familie der BF per se entstanden, sodass es selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens an einer asylrechtlich relevanten Verfolgung fehlt.

 

Dass die BF jemals auf Grund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder ihrer Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen wären, wurde von ihnen weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren behauptet. Auch ergaben sich, den Länderfeststellungen folgend, im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die BF als Angehörige der Volksgruppe der Hazara sowie der Religionsgemeinschaft der Schiiten aktuell alleine wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit und/oder wegen ihrer Glaubensrichtung - unabhängig von individuellen Aspekten - einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären. Sie selbst haben während des gesamten Verfahrens niemals persönliche Probleme aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara bzw. aufgrund ihrer schiitischen Glaubensrichtung dargetan. Eine individuelle Betroffenheit aufgrund einer konkret gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung haben sie nicht behauptet, wodurch es aber bereits an einer zentralen Voraussetzung für eine mögliche Asylgewährung mangelt. Gemäß den vorliegenden Erkenntnisquellen hat sich seit dem Ende der Talibanherrschaft die Situation der schiitischen Muslime sowie der Volksgruppe der Hazara nachhaltig und wesentlich verbessert. Vor diesem Hintergrund ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für die Annahme einer im Herkunftsland der BF auf Grund generalisierender Merkmale - etwa der Zugehörigkeit zur Volkgruppe der Hazara oder der Glaubensrichtung der Schiiten - unabhängig von individuellen Aspekten bestehenden Verfolgung, die über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinaus geht. Eine asylrechtlich Relevante Verfolgung kann sohin auch in diesem Punkt nicht angenommen werden.

 

Die in Afghanistan immer wieder bestehende Diskriminierung der schiitischen Hazara und die beobachtete Zunahme von Übergriffen gegen Hazara erreichen gegenwärtig nicht ein Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan lebende schiitische Hazara wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten, zumal die Gefährdung dieser Minderheit angesichts der in den Länderberichten dokumentierten allgemeinen Gefährdungslage in Afghanistan, die in vielen Regionen für alle Bevölkerungsgruppen ein erhebliches Gefahrenpotential mit sich bringt, (derzeit) nicht jenes zusätzliche Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Hazara anzunehmen

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, dass die BF als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara bzw. der Religionsgemeinschaft der Schiiten im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:

 

Der Verwaltungsgerichtshof judizierte in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Es ist daher anzunehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof, sollte er der Auffassung sein, dass eine Gruppenverfolgung - auch lokal - in Afghanistan aktuell festzustellen wäre, in der zahlreich zu Afghanistan ergangenen Judikatur dies auch festgestellt hätte (siehe auch BVwG 16.06.2016, W159 2105321-1/8E).

 

Auch der EGMR sprach in seiner Entscheidung vom 12.07.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, aus, dass weder die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche zu einem derart hohen Risiko führen würde, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bestehe.

 

Es ist daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die BF aktuell wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit und/oder wegen ihrer Glaubensrichtung in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären, zumal es auch keine von Amts wegen aufzugreifenden Hinweise darauf gibt. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht, um eine Verfolgungsgefahr anzunehmen (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 23.09.1998, 98/01/0224; 26.11.1998, 98/20/0309, u.v.a.).

 

Eine altersspezifische Gefährdung des BF3 auf Grund seiner Minderjährigkeit wurde im gesamten Verfahren weder von ihm noch von seiner Mutter behauptet. Auch ergaben sich fallbezogen in Gesamtschau des Vorbringens der BF keine konkreten Hinweise darauf, wonach auf Grund das Alters des BF3 eine asylrelevante Verfolgung, die das insoweit erforderliche Maß an Intensität erreicht, im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland droht. Die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung muss zudem jedenfalls in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen stehen (VwGH 28.04.2015, Ra 2015/18/0026), was sich schon aus der Definition des Flüchtlingsbegriffs in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ergibt. Auch Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) verlangt eine Verknüpfung zwischen den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen einerseits und den Verfolgungsgründen andererseits. Vorliegend fehlt es daher bereits an der notwendigen Konnexität zu einem Konventionsgrund der GFK, zumal insbesondere auch die Zugehörigkeit des BF3 zu einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich etwa jener der Minderjährigen, als wesentlicher Faktor für die Bedrohung der Lebensgrundlage des BF3 bzw. für eine existenzielle Bedrohung im Hinblick auf seine Versorgung und Sicherheit in Afghanistan fehlt. Die Eigenschaft des Alters stellt weder ein besonders geschütztes unveräußerliches Merkmal dar, noch macht sie den Fremden zum Mitglied einer von der Gesellschaft insgesamt hinreichend unterscheidbaren und deutlich identifizierbaren Gruppe (dies ist bereits dem Umstand des Alterns an sich geschuldet). Hinweise darauf, dass gerade der BF3 aufgrund von Eigenschaften, die ihn von anderen in Afghanistan aufhältigen Personen unterscheiden würden, von Risiken auf Grund seines (noch) minderjährigen Alters eher oder besonders betroffen wäre, haben sich im Verfahren nicht ergeben. Eine Verfolgungsgefahr ist zudem nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 23.09.1998, 98/01/0224; 26.11.1998, 98/20/0309, u.v.a.). Dass im Falle des BF3 eine mehr als nur entfernte Möglichkeit einer Verwirklichung der genannten Risiken bzw. einer Verfolgung bestünde, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

Im Fall des fast 18-jährigen BF3 kann in Gesamtschau der Umstände somit nicht davon ausgegangen werden, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, die im Übrigen im Familienverband erfolgen würde, gegenwärtig einer spürbar stärkeren, besonderen Gefährdung ausgesetzt wäre.

 

Mangels Vorliegens einer Bedrohung oder Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention fehlt es insoweit an der potenzierten Gefährdungslage die nicht bloß in der abstrakten Möglichkeit besteht.

 

Hinsichtlich des in der Beschwerde nicht näher substantiierten Vorbringens, wonach der BF3 im Iran sozialisiert sei, da er sein Heimatland im Alter von 10 Jahren verlassen habe und daher eine "Akkulturation" im Hinblick auf Afghanistan bestünde, wurde seitens des BF3 nicht dargelegt, aus welchem Grund er insoweit im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungsgefahr zu gewärtigen hätte. Auch ergaben sich im gesamten Verfahren keinerlei Hinweise, wonach er auf Grund seines Aufenthaltes im Iran eine derartige Lebensweise angenommen hätte, die im Übrigen die Schwelle der Unveräußerlichkeit erreicht, dass eine asylrechtliche Relevanz angenommen werden müsste, sodass es auch hier an dem notwendigen Bezug zu einem der in der GFK angeführten Gründe fehlt.

 

Zu vorgebrachten Problemen der Familie im Iran (keine Arbeits- und Aufenthaltsberechtigung; keine Schulbesuche), ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG 2005 die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nur vorsieht, wenn dem Fremden im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Der Herkunftsstaat ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt; nur im Falle der Staatenlosigkeit gilt der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes als Herkunftsstaat. Auf Grund der afghanischen Staatsangehörigkeit der BF kann somit ein Vorbringen im Hinblick auf den Iran bereits dem Grunde nach außer Betracht bleiben (vgl. VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).

 

Abschließend ist festzuhalten, dass die allgemeine Lage in Afghanistan auch nicht dergestalt ist, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste (vgl. etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, 1500/11-6). Im Urteil vom 09.04.2013, H. und B. gg. das Vereinigte Königreich, Zl. 70073/10 u. 44539/11, hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgehalten, dass in Afghanistan derzeit keine Situation allgemeiner Gewalt herrscht ("Consequently, the Court does not consider that there is currently in Afghanistan a general situation of violence such that there would be a real risk of ill-treatment simply by virtue of an individual being returned there.") und Personen, die nur ein sogenanntes "low profile" aufweisen, selbst nach vorhergehender Tätigkeit für internationale Truppen oder internationale Organisationen nicht generell eine gezielte Verfolgung durch Taliban befürchten müssen.

 

Auch hat der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, auf die Rechtsprechung des EGMR in jüngst ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßen würde; unter Bezugnahme auf die Urteile des EGMR jeweils vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande S.D.M. Nr. 8161-07; A.G.R. Nr. 13442-08; A.W.Q. und D.H., Nr. 25-077/06; S.S., Nr. 39575/06; M.R.A. ua., Nr. 46856-07 (vgl. auch VwGH 18.03.2016, 2015/01/0255; VwGH 13.09.2016, 2016/01/0096).

 

Zu der in der Beschwerde behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften ist festzuhalten, dass im Hinblick auf das Verfahren vor der belangten Behörde keinerlei Anhaltspunkte dafür hervor gekommen sind, dass diese willkürlich oder rechtswidrig entschieden hätte. Sämtliche entscheidungswesentlichen Tatsachen wurden von der belangten Behörde vollständig ermittelt und ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt. Den BF wurde ausreichend Möglichkeit eingeräumt ihr Fluchtvorbringen vollständig darzulegen und gegebenenfalls ergänzende Beweismittel vorzulegen. Die maßgebenden Erwägungen von denen sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung leiten ließ, sind im angefochtenen Bescheid umfassend dargelegt. Vor diesem Hintergrund ergeben sich für das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der in der Beschwerde geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Verfahrens keine Anhaltpunkte. Vielmehr wurde den in § 18 AsylG 2005 in Verbindung mit § 39 Abs. 2 und § 45 Abs. 2 AVG normierten Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung und der Erforschung der materiellen Wahrheit umfassend entsprochen. Die belangte Behörde hat insoweit vollständig die spezifische Situation der BF, insbesondere im Hinblick auf Alter, Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, persönliche Verhältnisse und das Behauptete Risiko der Verfolgung gewürdigt und sich mit ihrem Fluchtvorbringen konkret auseinandergesetzt und unter Zugrundelegung der aktuellen Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsland der BF sämtliche wesentlichen Tatsachen bei ihrer Entscheidung ins Kalkül gezogen. Angesichts dessen, war daher der Verfahrensrüge der BF der Erfolg zu versagen.

 

Sonstige asylrelevante Gründe für eine mögliche Verfolgung wurden nicht vorgebracht und ergeben sich für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht aus der Akten- und Berichtslage. Mangels Bestehens einer maßgeblich wahrscheinlichen und aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, kann daher der Beschwerde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 nicht stattgegeben werden.

 

Da keinem der BF bei einer Einzelprüfung des Antrages der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, war für die BF auch im Rahmen des Familienverfahrens nichts zu gewinnen.

 

2. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, 95/18/0049; 05.04.1995, 95/18/0530; 04.04.1997, 95/18/1127; 26.06.1997, 95/18/1291; 02.08.2000, 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).

 

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. jüngst VwGH 21.02.2017; Ra 2016/18/0137, VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11 mwN sowie die Rechtsprechung des EGMR und EuGH).

 

Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN; 08.09.2016, Ra 2016/20/006; VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich;

vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453;

09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059).

 

Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137).

 

In seinen jüngst ergangenen Erkenntnissen (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11; 20.09.2017, Ra 2017/19/0190-11) hat der VwGH zur spezifischen Situation von Afghanistan erneut auf seine Vorjudikatur und die Rechtsprechung des EGMR in zuvor ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan und die Berichtslage zu Kabul nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstößt.

 

Ebenso sprach der VwGH im zitierten Erkenntnis (19.06.2017, 2017/19/0095) aus, dass nicht verkannt werde, dass die Lage in Afghanistan sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage in einzelnen Landesteilen als auch der wirtschaftlichen Situation angespannt sei. Davon zu unterscheiden ist nach der Judikatur des VwGH aber das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert (19.06.2017, Ra 2017/19/0095 sowie 20.09.2017, Ra 2017/19/0190-11). Eine schwierige Lebenssituation für den Asylwerber im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, primär gestützt auf mangelnde tragfähige Beziehungen und/oder fehlende Ortskenntnisse in Großstädten, oder eine schwierige Situation bei der Wohnraum- oder Arbeitsplatzsuche, reicht nach der Judikatur des VwGH explizit nicht aus, um die Voraussetzungen zur Erlangung von subsidiärem Schutz glaubhaft zu machen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11; sowie 20.09.2017, Ra 2017/19/0190-11).

 

Der EGMR hat diese Rechtsprechung in jüngst ergangenen Urteilen im Hinblick auf die aktuelle Lage in Afghanistan ausdrücklich bestätigt (vgl. die Urteile jeweils vom 12. Jänner 2016, jeweils gegen Niederlande: S.D.M., Nr. 8161/07; A.G.R., Nr. 13442/08; A.W.Q. und D.H., Nr. 25077/06; S.S., Nr. 39575/06; M.R.A. ua., Nr. 46856/07).

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, ausgeführt hat, reicht es für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan nicht aus, bloß auf die allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu verweisen. Hinsichtlich der Sicherheitslage geht der Verwaltungsgerichtshof von einer kleinräumigen Betrachtungsweise aus, wobei er trotz der weiterhin als instabil bezeichneten Sicherheitslage eine Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere nach Kabul, im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage als nicht grundsätzlich ausgeschlossen betrachtet (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118-5; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11).

 

Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013; U1674/12; 12.06.2013, U2087/2012; 13.09.2013, U370/2012).

 

Neben der Sicherheitslage im Herkunftsland können das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK relevant sein. Dies insbesondere dann, wenn es sich um Antragsteller handelt, bei denen individuelle Gründe bestehen, die die Annahme einer besonderen Schutzbedürftigkeit rechtfertigen, wie z.B. Personen mit Erkrankungen, Familien mit Kleinkindern oder schwangeren Frauen (VfGH 14.12.2011, U2495/2010 mit Verweis auf VfGH 07.10.2010, U694/2010).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH 23.03.2017, Ra 2017/20/0038, mwN).

 

Bei der Einzelfallprüfung hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Übersiedlung nach Kabul kommt den Fragestellungen, ob der Asylwerber bereits vor seiner Flucht in Kabul gelebt hat, ob er dort über soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, die es ihm ermöglichen, seinen Lebensunterhalt zu sichern, oder ob er auch ohne solche Anknüpfungspunkte seinen Lebensunterhalt derart sichern kann, dass er nicht in eine Art. 3 EMRK widersprechende, aussichtslose Lage gelangt, maßgebliches Gewicht zu (vgl. dazu VfGH 13.03.2013, U 2185/12; 13.03.2013, U 1416/12; 06.06.2013, U 241/2013; 07.06.2013, U 2436/2012; 12.06.2013, U 2087/2012; 13.09.2013, U 370/2012; 11.12.2013, U 2643/2012).

 

Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit der BF aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung die BF in ihrem Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würden.

 

Zunächst kann vor dem Hintergrund der Feststellungen nicht gesagt werden, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0443). Es bestehen keine begründeten Anhaltspunkte dafür, dass die BF mit der hier erforderlichen Wahrscheinlichkeit befürchten müssten, in Afghanistan Übergriffen von im gegebenen Zusammenhang interessierender Intensität ausgesetzt zu sein.

 

Wie dargestellt haben sowohl der BF2 als auch auch der BF3 bereits am Erwerbsleben teilgenommen und sind schon als damals Minderjährige im Iran und trotz des illegalen Aufenthaltes im Rahmen ihrer Tätigkeit als Besenbinder in der Lage gewesen, für den Lebensunterhalt der Familie aufgekommen. Die BF1 hat ferner angegeben, dass sie mit ihrer Schiegermutter Wolle gesponnen hat, sodass insoweit von einer gewissen handwerklichen Fähigkeit ausgegangen werden kann. Alle BF sprechen die Landessprache und sind mit den örtlichen Gegebenheiten in Kabul, wo sie den Großteil ihres Lebens verbracht haben, sowie den gesellschaftlichen Gepflogenheiten in ihrem Herkunftsstaat vertraut. Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist festzuhalten, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden.

 

Wie festgestellt leben die BF, auch in Österreich nach wie vor im gemeinsamen Familienverband, sodass im Falle der Rückführung nach Kabul eine gegenseitige Unterstützung und im Rahmen dessen eine Grundversorgung zur Befriedigung der existenziellen Bedürfnisse - wie dies bereits im Iran von der Familie gelebt wurde - gewährleitstet ist. Alle BF sind im Stande im Rahmen ihrer Fähigkeiten zur wirtschaftlichen Lage ihrer Familien, sei es durch Hilfstätigkeiten der beiden Söhne oder die Handarbeiten der Mutter, beizutragen. Auf Grund der Tatsache, dass die Familie (BF1 - BF3) im Iran über einen Zeitraum von fünf Jahren in der Lage war, ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch die vom BF2 und BF3 ausgeübte Tätigkeit als Besenbinder, was jener eines Hilfsarbeiters gleichkommt, zu finanzieren, kann daher davon ausgegangen werden, dass dies auch im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan möglich und den BF zumutbar ist. Jedenfalls der BF2 und BF3 sind in der Lage durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten für ein ausreichendes Auskommen der Familie zu sorgen und daher nicht der Gefahr ausgesetzt sind, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

 

Der Umstand, dass der BF3 noch minderjährig ist, vermag nichts daran zu ändern, zumal er selbst bereits über mehrjährige Berufserfahrung verfügt, um im Stande zu sein, einer Beschäftigung nachzugehen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere vor dem Hintergrund der afghanischen Gesellschaft etablierten Strukturen, zu berücksichtigen, dass die Teilnahme am Erwerbsleben (sei es innerhalb des Familienverbandes oder außerhalb desselben) generell wesentlich früher stattfindet, als dies etwa im westlichen Kulturkreis der Fall ist. Vor diesem Hintergrund entspricht daher eine strenge Zäsur im Hinblick auf das Alter bzw. die erreichte Volljährigkeit nicht der vorherrschenden sozio-ökonomischen Lage im Herkunftsstaat bzw. dem traditionell etablierten Solidarsystem in Afghanistan, das besonders stark innerhalb der Familie greift, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass der BF2 und BF3 bereits als Minderjährige für das Einkommen der Familie gesorgt haben. Vor diesem Hintergrund ist daher selbst unter der Annahme der nunmehr fehlenden Unterstützung von Seiten des Groß-/Schwiegervaters bzw. das Vaters/Ehemannes die Gefahr einer existenzbedrohenden Notlage angesichts des zwischenzeitig erreichten Alters des BF2 und BF3 nicht zu erkennen. Dass sowohl der BF2 als auch der BF3 über die notwendige Selbständigkeit verfügen, um in der Lage zu sein einer Beschäftigung nachzugehen, ergibt sich zum einen auf Grund der Tatsache, dass sie selbst im Iran, wo sie sich - wie betont - illegal aufgehalten haben im Stande waren eine Arbeit zu finden. Zum anderen konnten sie sich auch in Österreich innerhalb kurzer Zeit in einem ihnen völlig fremden Kulturkreis einfügen. In diesem Zusammenhang ist letztlich auch kein signifikanter, eine exzeptionelle Gefährdungslage begründender Unterschied im Hinblick auf die reale Gefahr einer existenzbedrohenden Notlage zwischen einem 18-jährigen und einem gerade noch 17-jährigen zu erkennen.

 

Eine besondere Vulnerabilität des BF3 und eine auf Grund seiner Minderjährigkeit potenzierte Gefahrenlage auf Grund der Vielzahl von Risiken, die - wie die herkunftslandbezogenen Länderfeststellungen aufzeigen - vor allem Kinder betreffen, sind daher vorliegend nicht gegeben, sodass kein gefahrenerhöhendes Moment hinsichtlich des BF3 bezogen auf die allgemeine Sicherheitslage und unter Berücksichtigung der Risiken, die Minderjährige in Afghanistan ausgesetzt sind, abzuleiten ist (vgl. VfGH 11.10.2017, E 1803-1805/2017-17).

 

Die BF verfügen daher in Kabul über ausreichend Unterstützung im Rahmen des wechselseitigen familiären Solidarsystems und haben zudem die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Rückkehrhilfe, sodass eine Erstversorgung gewährleistete ist. Zudem ist davon auszugehen, dass ihnen soziale Kontakte nach wie vor zur Verfügung stehen. Wie festgestellt sind der BF2 und der BF3 vollständig gesund sowie arbeitsfähig und damit im Stande für sich und ihre Mutter eine Existenzgrundlage aufzubauen und ihre Grundbedürfnisse - trotz ihrer fehlenden Schulbildung - durch Hilfstätigkeiten nachhaltig zu sichern.

 

Nach den Ausführungen des Sachverständigen im GA Mahringer ist die Sicherung existenzieller Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit in Afghanistan - bei entsprechenden Anstrengungen des Rückkehrers - "ohne Einschränkungen möglich", wobei gleichzeitig festgehalten wurde, dass die Arbeitssuche in den Städten einfacher als auf dem Land ist. Zudem sind Arbeitserfahrungen (die der BF2 und BF3 aufweisen) ein Vorteil bei der Arbeitssuche. Der Sachverständige geht sogar davon aus, dass es auch für Rückkehrer ohne Ausbildung eine Vielzahl von Arbeitsmöglichkeiten im privaten Sektor gibt. Der Sachverständige konnte in allen Gesprächen keinen Unterschied hinsichtlich der Schul- und oder Berufsausbildung in Fragen der Arbeitsmarktchancen feststellen, unabhängig ob Schul- und oder Berufsausbildung vorliegt; es hängt allein vom Einsatz des Arbeitssuchenden oder seiner Kontakte ab, ob er Arbeit findet. Der Sachverständige führt ferner an, dass allein die Tatsache, noch nie in einer afghanischen Großstadt gelebt zu haben, keinen Einfluss auf die Existenzsicherung der Rückkehrer hatte.

 

Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass die BF bereits unmittelbar nach ihrer Rückkehr und noch bevor der BF2 bzw. der BF3 in der Lage wären, selbst für den Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnten. Dafür, dass die BF in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach sich aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG 1997 ergibt (vgl. etwa VwGH 30.1.2001, Zl. 2001/01/0021).

 

Im Hinblick auf den Gesundheitszustand der BF1 bezogen auf die bestehenden Schwerhörigkeit und Sehschwäche sowie das diagnostizierte psychische Beschwerdebild, das medikamentös therapierbar ist, ist festzuhalten, dass es sich dabei - wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt -weder um eine schwere noch lebensbedrohliche Erkrankung handelt, sodass die BF1 keiner akuten Behandlungsbedürftigkeit in Österreich unterliegt. Wie sich aus den herkunftslandbezogenen Länderfeststellungen ergibt, verfügt Kabul zudem über die spezialisierte Gesundheitseinrichtungen zur Behandlung psychisch Kranker, sodass eine medizinische Versorgung im Heimatland der BF1 im notwendigen Umfang gewährleistet ist. Die Seh- und Hörschwäche sind durch die entsprechenden Behelfe - wie schon bisher erfolgt - zu kompensieren.

 

Aus den Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz und Stadt Kabul - andere Regionen Afghanistans kommen im gegenständlichen Verfahren nicht in Betracht - kann nicht abgeleitet werden, dass für jede dort lebende oder dorthin zurückkehrende Person das reale Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie Protokoll Nr. 6 zur EMRK geschützten Güter mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit droht, dass dies zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen müsste. Kabul verfügt über eine vergleichsweise gute Infrastruktur mit einem Flughafen, der für den zivilen Flugverkehr geeignet ist.

 

Die afghanische Regierung hat die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. Seit August 2008 liegt die Sicherheitsverantwortung für den städtischen Bereich der Provinz Kabul nicht länger in den Händen von ISAF, sondern bei der afghanischen Armee und Polizei. Diesen ist es nach anfänglichen Schwierigkeiten im Jahr 2010 gelungen, Zahl und Schwere sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich zu reduzieren, auch wenn es dort zu vereinzelten Anschlägen kommt. Die positive Entwicklung der Sicherheitslage in Kabul erlaubt es mittlerweile sogar, in Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung sowie nationalen und internationalen Sicherheitskräften mit dem Rückbau von Betonbarrieren und Verkehrsbeschränkungen zu beginnen. Die für die Bevölkerung deutlich spürbare Verbesserung der Sicherheitslage im Stadtbereich Kabuls geht weniger zurück auf eine Verminderung der Bedrohung (Anschlagsversuche, Eindringen von Aufständischen usw.), als vielmehr auf die Verbesserung vorbeugender Sicherheitsmaßnahmen. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter sind dennoch auch künftig nicht auszuschließen.

 

Kabul ist eine für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt. Innerhalb Kabuls existieren in verschiedenen Vierteln freilich unterschiedliche Sicherheitslagen. Aus den entsprechenden Länderberichten ergibt sich, dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGOs ereignen. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt

 

Kabul als ausreichend sicher zu bewerten ist.

 

Im gegenständlichen Fall haben sich in einer Gesamtschau der Angaben des BF und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für die BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage in Afghanistan reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028; konkret zu Afghanistan: z.B. Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 29.06.2010, BVerwG 10 C 10.09; weiters EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, 10611/09, Rz 84; 20.12.2011, J.H. gg. Vereinigtes Königreich, 48839/09, Rz 55).

 

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass den BF eine Rückkehr in die Stadt Kabul, aber auch nach Herat oder Mazar-e-Sharif möglich und auch zumutbar ist.

 

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilpersonen und insbesondere den BF3 auf Grund seiner Minderjährigkeit eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

 

Das Vorbringen der BF vermag sohin insgesamt auch keine Gefahren iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 darzutun.

 

3. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

 

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

 

nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

 

nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

 

dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre, ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

 

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

 

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

 

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

 

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

 

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, so ist gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht, zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

 

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

 

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

 

Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelte § 55 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

 

dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

 

der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

 

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

 

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

 

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das BFA einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde; § 73 AVG gilt.

 

Gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 hat das BFA über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

der Grad der Integration,

 

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

 

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (Vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 1150/07-9).

 

Die BF haben einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz gestellt, aufgrund dessen sie sich gegenwärtig in Österreich aufhalten. Sie fallen somit nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

 

Im Hinblick auf einen allfälligen Eingriff in das Privatleben der BF ist zu berücksichtigen, dass sie sich erst seit der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz am 28.08.2015, somit zum Entscheidungszeitpunkt knapp über zwei Jahre, rechtmäßig in Österreich befinden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Privatleben der BF in einem Zeitpunkt entstand, in dem sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein mussten (vgl. EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562). Ihr Aufenthalt in Österreich war nur aufgrund der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht unrechtmäßig. Die BF mussten sich auch bewusst sein, dass ihr Aufenthalt lediglich an die Dauer des Asylverfahrens geknüpft und ein weiterer Verbleib im Bundesgebiet vom Erfolg seines Antrages abhängig sein würde. Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts wird das Interesse eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht maßgeblich relativiert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hat, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich auszugehen (vgl. z.B. VwGH 8.7.2009, 2008/21/0533).

 

Die BF halten sich, wie ausgeführt, seit August 2015 in Österreich auf. Im Hinblick auf diese Zeitspanne von etwas mehr als zwei Jahren könnte selbst unter Miteinbeziehung integrativer Merkmale - wie etwa Sprachkenntnisse, soziale Kontakte, Unbescholtenheit und ein allfälliges Engagement in gemeinnützigen Organisationen - eine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" noch nicht angenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; vgl. auch VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörige geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, 2008/21/0533; VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354).

 

Im Erkenntnis vom 12.06.2013, U485/2012, (VfSlg. 19752) befasste sich der Verfassungsgerichtshof mit einem Sachverhalt, in dem der Beschwerdeführer selbstständig illegal nach Österreich eingereist war, sich drei Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hatte und nie über einen anderen als den Aufenthaltsstatus eines Asylwerbers verfügt hatte. Dazu erwog er:

 

"Die Dauer des vorliegenden Asylverfahrens übersteigt mit drei Jahren nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die vom Asylgerichtshof angesprochenen öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthalts im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Ausweisung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z85 f.).

 

Es ist dem Asylgerichtshof auch darin zuzustimmen, dass sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein musste. Daher ist dem Asylgerichtshof aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, wenn er davon ausgeht, dass auch die im vorliegenden Fall unbestritten weitreichenden Integrationsschritte des Beschwerdeführers dennoch gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens zurücktreten müssen. Auch führen im vorliegenden Fall weder die Dauer des Asylverfahrens noch sonstige Umstände dazu, dass den in Österreich entstandenen Bindungen des Beschwerdeführers ein so weitgehender Verlust derjenigen zu seinem Herkunftsstaat gegenübersteht, dass die Ausweisung unverhältnismäßig ist (vgl. VfSlg 18.223/2007, 18.388/2008; EGMR, 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva ua., Appl. 50.435/99, newsletter 2006, 26 [Z40])."

 

Die BF haben keine familiäre oder sonstige Bezugsperson in Österreich. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt berücksichtigungswürdige besondere Integration der BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar. Dies ergibt sich vorrangig aus der nur kurzen Aufenthaltsdauer von knapp über zwei Jahren. Etwaige zwischenzeitliche Integrationsschritte können insbesondere angesichts dessen und der familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat daran nichts Substanzielles ändern. Ein etwaiges zwischenzeitlich begründetes Familienleben wäre angesichts des kurzen Aufenthalts und des Wissens über die erstinstanzliche Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz nicht schützenswert und würde einer Rückkehrentscheidung demnach nicht entgegenstehen.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG überwiegt das öffentliche Interesse an der Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer dessen persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet deutlich. Daher liegt durch die Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, rechtfertigen würden. Wie ausgeführt gibt es auch keinen Hinweis, dass solche seit der Beschwerdeverhandlung entstanden sein könnten. Die den BF in der Beschwerdeverhandlung eingeräumte Möglichkeit zur aktuellen Situation in Afghanistan auf Grundlage der in das Verfahren einbezogenen Länderberichte haben dies ungenützt verstreichen lassen.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung der BF nach Afghanistan ist somit gegeben.

 

Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

 

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 52 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 9 und 55 Abs. 1 FPG idgF sowie §§ 55 und 57 AsylG idgF als unbegründet abzuweisen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revisionen:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. zur Bedingung der "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627 und zum Kriterium der "westlichen Orientierung" VwGH 06.07.2011, 2008/19/0994; 16.01.2008, 2006/19/0182 sowie zur Indizwirkung der UNHCR-RL VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

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