OGH 2Ob1/16k

OGH2Ob1/16k16.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. W***** D*****, vertreten durch DLA Piper Weiss‑Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. C***** D*****, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitinteresse 5.900 EUR), über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. September 2015, GZ 36 R 101/15t‑42, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 14. Jänner 2015, GZ 35 C 1618/13x‑31, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00001.16K.1116.000

 

Spruch:

 

Beiden Revisionen wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, die von ihrer Wohnung in *****, ausgehenden Rauch- und Geruchsimmissionen auf die Wohnung der klagenden Partei in *****, die durch das Rauchen von Zigarren bei offenem Fenster, auf der Terrasse oder bei Lüftung ins Freie entstehen, in folgenden Zeiträumen zu unterlassen:

(a) vom 1. Mai bis 31. Oktober jeden Jahres von 22:00 bis 6:00 Uhr, 8:00 bis 10:00 Uhr, 12:00 bis 15:00 Uhr und 18:00 bis 20:00 Uhr sowie

(b) vom 1. November bis 30. April jeden Jahres von 8:00 bis 9:00 Uhr, 13:00 bis 14:00 Uhr und 19:00 bis 20:00 Uhr.

Das darüber hinausgehende, auf zeitlich unbeschränkte Unterlassung gerichtete Hauptmehrbegehren wird abgewiesen.

In diesem Umfang wird auch das Eventualbegehren abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei anteilige Barauslagen von 962,50 EUR binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen werden die Verfahrenskosten aller drei Instanzen gegeneinander aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile wohnen in der Wiener Innenstadt im selben Wohngebäude. Der Kläger ist Mieter einer im 7. Stock gelegenen Wohnung, die Mietwohnung des Beklagten liegt schräg darunter im 6. Stock. Beide Wohnungen sind hof‑ bzw gartenseitig ausgerichtet und jeweils mit einer Terrasse (im Folgenden auch Loggia, Balkon) ausgestattet. Die Terrassen sind nur wenige Meter voneinander entfernt.

Der Beklagte ist Autor und arbeitet in seiner Wohnung. Er raucht täglich ein bis zwei Zigarren, wobei er für eine Zigarre 40 bis 45 Minuten benötigt. Eine Zigarre raucht er regelmäßig in der Nacht nach Beendigung seiner Arbeit, in der Regel zwischen Mitternacht und 2:00 Uhr früh. Der Beklagte raucht im Winter und bei Schlechtwetter bei geschlossenem Fenster und lüftet danach, im Sommer raucht er bei geöffnetem Fenster oder auf der Terrasse. Er praktiziert dies bereits seit mehreren Jahren und zwar schon deutlich länger, als der Kläger seine Wohnung bewohnt.

Der Kläger ist Nichtraucher und fühlt sich durch den Zigarrenrauch massiv beeinträchtigt. Er erwacht, wenn der Rauch durch das geöffnete Fenster oder die geöffnete Balkontüre in seine Wohnung, insbesondere in das Schlafzimmer eindringt. Auch wenn er daraufhin unverzüglich das Fenster schließt, bleibt der Zigarrenrauch über einen längeren, nicht exakt feststellbaren Zeitraum in der Wohnung wahrnehmbar. Der Kläger reagiert auf den Zigarrenrauch nicht übermäßig sensibel, vielmehr ist derartiger Rauchgeruch für den durchschnittlichen Nichtraucher auffällig und störend. Sein Vormieter löste aufgrund der von dem Zigarrenrauch ausgehenden Geruchsbelästigung und der Tatsache, dass seine Kinder nach dem Einzug in die Wohnung wiederholt an Atemwegserkrankungen litten, den Mietvertrag vorzeitig auf und zog wieder aus. Seit dem Umzug sind die Atemwegserkrankungen der Kinder „verschwunden“.

Bevor der Kläger die Wohnung anmietete, wusste er, dass der Beklagte in der schräg darunter liegenden Wohnung zumindest gelegentlich raucht. Er wusste aber nicht, wie häufig er raucht und dass sich der Rauch in die obere Wohnung ziehen würde. Nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger diesbezüglich Nachforschungen anstellte, etwa indem er die verantwortliche Mitarbeiterin der Hausverwaltung oder den Vormieter befragte. Es kann auch nicht festgestellt werden, wie das Ergebnis einer solchen Befragung gelautet hätte.

Der in die Wohnung des Klägers eindringende Zigarrenrauch ist für einen Nichtraucher jedenfalls auffällig wahrnehmbar:

- Wenn der Beklagte in seiner Wohnung bei geöffnetem Fenster raucht, tritt während des Rauchvorgangs, also für den Zeitraum von etwa einer dreiviertel Stunde, sowie für weitere zwei Stunden im Anschluss daran mit Zigarrengeruch belastete Luft aus der Wohnung des Beklagten aus und in einer deutlich wahrnehmbaren Konzentration in die Wohnung des Klägers ein, sofern dort das Fenster geöffnet ist.

- Raucht der Beklagte auf dem Balkon, sind die Nachwirkungen nach Ende des Rauchvorgangs in nicht näher quantifizierbarem Ausmaß deutlich kürzer, die Geruchsstoffkonzentration in der Luft, die in die Wohnung des Klägers eindringt, ist jedoch deutlich höher.

- Raucht der Beklagte bei geschlossenem Fenster und lüftet er anschließend, so tritt während des Lüftens geruchsbelastete Luft aus seiner Wohnung aus und beim Kläger ein.

Die Luftbewegungen, die zu einer derartigen Geruchsverbreitung führen, treten bei den im Raum Wien üblichen Wettersituationen durchwegs auf. Strömungsverhältnisse, die dazu führen, dass die geruchsbeladene Luft nicht auf‑, sondern absteigt, bilden in Wien eine – nicht quantifizierbare – Ausnahme.

Nicht festgestellt werden kann, dass der von den Zigarren des Beklagten ausgehende Rauch, der in die Wohnung des Klägers eindringt, dort zu einer gesundheitsschädlichen Schadstoffkonzentration führt. Nicht festgestellt werden kann auch, dass sich die Störung der Nachtruhe des Klägers, wenn er durch den Zigarrenrauch geweckt wird, negativ auf seine Gesundheit auswirkt.

In Wien existiert kein „Grundpegel“ für Rauchgeruch, insbesondere nicht für Zigarrengeruch. Dieser sehr spezifische Geruch ist auch neben Gerüchen wie Hausbrand oder Autoabgasen deutlich wahrnehmbar. Eine „Hintergrundbelastung“ durch Rauchgeruch ist auch im großstädtischen Bereich grundsätzlich nicht vorhanden, eine Ausnahme bilden Raucherlokale oder Gastgärten, in denen regelmäßig geraucht wird. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich in der von beiden Streitteilen bewohnten Wohnhausanlage oder den sie umgebenden Straßenzügen derartige Lokale befinden.

Ein Vertreter der Hausverwaltung unterfertigte am 28. 10. 2013 folgende „Abtretungserklärung“:

Die Vermieterin tritt hiermit unentgeltlich dem Mieter [Kläger] ihre vertraglichen Ansprüche aus dem Mietverhältnis mit dem Mieter [Beklagter] auf Unterlassung der in Punkt 3 und 4 der zum Vertragsbestandteil gemachten Hausordnung untersagten Verhaltensweisen ab, sowie auch ihre sonstigen Ansprüche aus welchem Rechtsgrund immer (insbesondere soweit sie als vertragliche Neben‑ oder Hauptpflichten des Mieters aus seinem Mietverhältnis mit der Vermieterin resultieren) auf Unterlassung der Verbreitung von Zigarrenrauch in einer Weise, dass andere Mieter beeinträchtigt werden.

Der Mieter nimmt hiermit die Abtretung an und ist berechtigt, im eigenen Namen und auf eigene Kosten diese Ansprüche gegenüber [Beklagten] gerichtlich geltend zu machen.

Der Kläger unterzeichnete diese Erklärung am 21. 11. 2013.

Der Kläger stellte das Hauptbegehren den Beklagten schuldig zu erkennen, die von dessen Wohnung ausgehenden, nach den örtlichen Verhältnissen das gewöhnliche Maß überschreitenden und die ortsübliche Benutzung der Wohnung des Klägers wesentlich beeinträchtigenden Einwirkungen auf die Wohnung des Klägers durch Rauch, insbesondere durch Zigarrenrauch, ab sofort zu unterlassen. Er formulierte ferner ein Eventualbegehren, wonach der Beklagte die von dessen Wohnung ausgehenden, den Kläger störenden Einwirkungen auf die Wohnung des Klägers durch Rauch, insbesondere durch Zigarrenrauch, ab sofort zu unterlassen habe.

Der Kläger stützte das Hauptbegehren auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere auf nachbarrechtliche Ansprüche (§ 364 Abs 2 ABGB), und das Eventualbegehren auf den ihm abgetretenen vertraglichen Unterlassungsanspruch des Vermieters aus dem Mietverhältnis mit dem Beklagten. Er brachte vor, der Beklagte rauche zu jeder beliebigen Tageszeit, mit besonderer Vorliebe aber in der Nacht. Der besonders penetrante Zigarrengeruch dringe unvermindert auf seine Loggia und von dort bei geöffneter Loggia-Tür oder bei geöffnetem Fenster in seine Wohnung ein. Für den Kläger sei damit – gerade auch in den heißen Sommermonaten – ein Schlafen bei geöffnetem Fenster und/oder geöffneter Loggia-Tür ausgeschlossen, wolle er nicht in seiner Nachtruhe gestört werden. Bereits in der Früh, etwa ab 8 Uhr, gelegentlich auch früher, rauche der Beklagte schon wieder eine Zigarre. Wolle der Kläger seine Wohnung lüften, müsse er sich nach den Rauchbedürfnissen des Beklagten richten; Frühstücken auf der Loggia komme nicht in Betracht. Zigarrenrauch sei erwiesenermaßen gesundheitsschädlich. Dennoch stehe der Beklagte auf dem Standpunkt, dass sein Rauchverhalten niemanden etwas angehe. Die Versuche des Klägers, die Unterlassung der Immissionen zu erreichen, seien erfolglos geblieben. Die Vermieterin habe dem Kläger schließlich ihren vertraglichen Unterlassungsanspruch aus dem Mietverhältnis mit dem Beklagten abgetreten.

Der Beklagte wandte ein, sein Zigarrenkonsum sei keinesfalls exzessiv und absolut üblich. Er bewirke keine rechtlich relevante Immission in der Wohnung des Klägers. Der Kläger habe schon vorher zweimal hofseitige Wohnungen in derselben Wohnanlage bewohnt und vor dem Bezug seiner nunmehrigen Wohnung vom Rauchverhalten des Beklagten Kenntnis gehabt. Der Beklagte sei berechtigt, sein Leben so zu gestalten, wie es ihm beliebe. Tabakkonsum sei kein rechtlich verpöntes, sondern ein sozialübliches Verhalten. Selbst wenn der Tabakrauch für den Kläger wahrnehmbar sein sollte, übersteige er keinesfalls das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß. Im großstädtischen Bereich sei jedenfalls damit zu rechnen, dass in Nachbarwohnungen sowie auch auf Balkonen geraucht werde. Von einer Gesundheitsschädigung könne keine Rede sein. Auch die ortsübliche Benutzung der Wohnung des Klägers werde nicht beeinträchtigt. Hingegen würde das Unterlassungsgebot zu einer unzumutbaren und wesentlichen Beeinträchtigung der Nutzbarkeit der Wohnung des Beklagten führen; er wäre durch ein Rauchverbot in seinen „eigenen vier Wänden“ in seiner Lebensgestaltungsfreiheit und in seinem durch Art 8 EMRK verbrieften Recht auf Achtung des Privat‑ und Familienlebens verletzt. Allfällige Unterlassungsansprüche der Vermieterin seien nicht selbständig abtretbar.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren des Klägers ab (1), gab aber dem Eventualbegehren statt (2).

Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass die vom Zigarrenkonsum des Beklagten ausgehende Rauch‑ bzw Geruchsimmission zwar nicht ortsüblich sei. Allerdings habe das Rauchverhalten des Beklagten bereits bestanden, als der Kläger seine Wohnung angemietet habe. Das Rauchverhalten sei daher prinzipiell unabhängig von der Ortsüblichkeit zu tolerieren, es sei denn, die Immission wäre gesundheitsschädlich und der Kläger habe sie nicht gekannt und auch nicht kennen müssen. Zur Gesundheitsschädlichkeit lägen nur Negativfeststellungen vor. Auch die weitere Negativfeststellung zur Frage, ob die Immissionsbelastung für den neu hinzugezogenen Kläger im Vorhinein erkennbar war, gehe zu Lasten des beweispflichtigen Klägers. Der Unterlassungsanspruch könne daher nicht auf § 364 ABGB gestützt werden.

Die Übertragung des Unterlassungsanspruchs der Vermieterin auf den Kläger sei – ebenso wie die eines Leistungsanspruchs – unbedenklich. Die Frage, ob und inwieweit die Hausordnung Inhalt des Mietvertrags mit dem Beklagten geworden sei, müsse nicht beantwortet werden. Aus § 1118 ABGB, der dem Bestandgeber ein Kündigungsrecht bei erheblich nachteiligem Gebrauch des Bestandobjekts einräume, sei als Minus ein Unterlassungsanspruch abzuleiten. Erheblich nachteiliger Gebrauch sei jedenfalls zu bejahen, wenn, wie hier, durch Zigarrenrauch andere Mieter „vertrieben“ und ihnen Gründe für eine vorzeitige Vertragsauflösung gegeben werden. Die Vermieterin erleide bei Leerständen einen Mietzinsausfall; gleiches gelte, wenn andere Mieter, die sich belästigt fühlten, den Mietzins mindern. Der Kläger habe daher gegen den Beklagten den wirksam auf ihn übertragenen Anspruch des Vermieters auf Unterlassung des erheblich nachteiligen Gebrauchs.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht gab nach dem Wortlaut seines Urteilsspruchs der Berufung des Klägers Folge und änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es „Punkt 1“ (Abweisung des Hauptbegehrens) ersatzlos aufhob und den Beklagten in „Punkt 2“ (Eventualbegehren) dazu verpflichtete, die von seiner Wohnung ausgehenden und wesentlich beeinträchtigenden Einwirkungen auf die Wohnung des Klägers, die durch das Rauchen von Zigarren bei offenem Fenster, im Freien oder bei Lüftung ins Freie in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr entstünden, zu unterlassen. Die Abweisung des Mehrbegehrens unterblieb. Der Beklagte wurde mit seiner Berufung „auf diese Entscheidung verwiesen“. Das Berufungsgericht sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei.

Zur Berufung des Klägers erörterte es, auch obligatorisch Berechtigten mit Sachinhabung stünden nachbarrechtliche Ansprüche zu. Das Erstgericht habe auf der Grundlage seiner Feststellungen zwar zutreffend ausgeführt, dass die durch den Zigarrenkonsum des Beklagten verursachte Rauch‑ bzw Geruchsimmission nicht als ortsüblich bezeichnet werden könne. Unzutreffend seien aber seine Überlegungen, mit denen es das auf § 364 ABGB gestützte Hauptbegehren des Klägers abgewiesen habe. Jene Fälle, in denen sich nach der Rechtsprechung neu Zugezogene mit den örtlichen Immissionsverhältnissen abzufinden hätten, seien mit dem vorliegenden Sachverhalt „nicht unbedingt vergleichbar“. Überdies könne das Kriterium der „örtlichen Verhältnisse“ nicht auf das Wohnhaus der Streitteile beschränkt werden. Vielmehr sei auf das jeweilige Stadtviertel abzustellen. In diesem herrsche kein „Grundpegel“ für Rauchgeruch, insbesondere für Zigarrengeruch. Schon deshalb könne der vom Erstgericht herangezogene Rechtssatz für den „neu hinzugekommenen Nachbarn“ auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden, zumal die Belastung durch Zigarrenrauch im Mietzins keine Berücksichtigung finde. Unerheblich sei, ob der Kläger bei Anmietung der Wohnung über das Rauchverhalten des Beklagten und das Eindringen des Rauches Bescheid gewusst habe.

Zu prüfen bleibe, ob die ortsübliche Nutzung der Wohnung des Klägers durch die Rauchimmissionen wesentlich beeinträchtigt werde. Dies sei im Allgemeinen zu bejahen, wenn die Nachtruhe wiederholt und empfindlich gestört werde. Im vorliegenden Fall werde der Kläger regelmäßig in der Zeit zwischen Mitternacht und 2:00 Uhr morgens durch den Zigarrenrauch geweckt, obwohl er nicht übermäßig sensibel auf Zigarrenrauch reagiere. Es scheine zielführend, die Grenzen des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigung nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu bestimmen. Dabei werde jedenfalls auf die Tages‑ und Nachtzeit, also die Ruhezeiten Bedacht zu nehmen sein. Abzuwägen bleibe, dass zur Nutzung einer Wohnung nicht nur ein regelmäßiges Lüften, sondern auch die Frischluftzufuhr gehöre. Zu berücksichtigen bleibe aber auch, dass das Rauchen grundsätzlich gesellschaftlich verbreitet und als üblich einzustufen sei.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts werde der Kläger durch die in der Nacht entstehende Geruchsbelästigung im Gebrauch seines Bestandobjekts wesentlich beeinträchtigt. Er werde hiedurch in seiner Nachtruhe empfindlich gestört. Die im Laufe des Tages entstehende Geruchsbelästigung werde dem Kläger hingegen zumutbar sein und könne nicht als wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung seines Bestandobjekts gewertet werden. Der Kläger sei daher nur berechtigt, das Unterlassen des Eintritts von Rauchimmissionen in seine Wohnung während der in Wien üblichen nächtlichen Ruhezeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr zu begehren. Eine Gesundheitsgefährdung des Klägers habe sich nicht ergeben.

Das Klagebegehren sei ausreichend bestimmt. Das Gericht sei befugt, im Urteilsspruch den Umfang der nicht hinzunehmenden Immissionsbelastung als Ergebnis seiner Interessenabwägung innerhalb der Grenzen des Begehrens näher zu determinieren. Da die Immission von Zigarrenrauch auf die Loggia und in die Wohnung des Klägers bloß zu Zeiten der Nachtruhe das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite und die ortsübliche Benutzung der Wohnung des Klägers wesentlich beeinträchtige, sei der Umfang des Unterlassungsanspruchs des Klägers in diesem Sinn festzulegen.

Die Berufung des Beklagten richte sich nur gegen die Stattgebung des Eventualbegehrens. Da das Berufungsgericht das Hauptbegehren für berechtigt erachte, sei die Entscheidung über das Eventualbegehren jedenfalls aufzuheben. Der Beklagte sei mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, inwieweit Rauchen bei geöffnetem Fenster oder auf der Loggia (dem Balkon) als Immission zu beurteilen sei, die eine über das ortsübliche Maß hinausgehende Beeinträchtigung der Nutzung einer Nachbarwohnung bewirken könne, und welche Grundsätze bei der Beurteilung einer Kollision der Mietrechte in dieser Frage von entscheidender Bedeutung seien.

Gegen dieses Berufungsurteil richten sich die Revisionen beider Parteien.

Der Kläger verweist darauf, dass sein Klagebegehren teilweise „de facto“ abgewiesen worden sei, und beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der gänzlichen Stattgebung seines Unterlassungsbegehrens, hilfsweise dahin, dass dem Unterlassungsbegehren neben den Nachtstunden auch für die „allgemeinen Ruhezeiten“, dies sei von 8:00 bis 10:00 Uhr, 12:00 bis 15:00 Uhr und „16 bis 18 Uhr“ (gemeint wohl: 18:00 bis 20:00 Uhr; siehe unten) stattgegeben werde. Mit weiteren Eventualbegehren werden Aufhebungsanträge gestellt.

Der Beklagte beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens.

In den Revisionsbeantwortungen wird jeweils beantragt, dem gegnerischen Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Die Revisionen sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Beide Rechtsmittel sind auch teilweise berechtigt.

Aus Zweckmäßigkeitsgründen werden die Revisionen gemeinsam behandelt.

Der Kläger macht geltend, die Voraussetzungen des § 364 Abs 2 ABGB seien auch außerhalb der vom Berufungsgericht angenommenen Zeiten von 22:00 bis 6:00 Uhr erfüllt. Während der Nachtruhezeiten sei ohnedies jegliche Störung zu unterlassen, daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass jegliche Störung in den Zeiten außerhalb der Nachtruhe zu tolerieren sei. Es könne nicht sein, dass der Beklagte in den verbleibenden 16 Stunden (6:00 bis 22:00 Uhr) das Recht habe, den Kläger ohne jede Rücksichtnahme in der ortsüblichen Benutzung seiner Wohnung einschließlich Loggia zu stören und ihm „seinen Zeitplan des Zigarrenkonsums zu oktroyieren“. Nach der Wertung des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 7 Ob 286/03i (Klavierspielen) und den Wertungen des Tabakgesetzes sei freier Zigarrenkonsum nicht unbeschränkt zulässig. Sollte er überhaupt zulässig sein, so sei er abgesehen von den Nachtstunden auf die Zeiten außerhalb der mittäglichen Ruhezeit (12:00 bis 15:00 Uhr) und der üblichen Essenszeiten (8:00 bis 10:00 Uhr, 12:00 bis 15:00 Uhr, 18:00 bis 20:00 Uhr) zu beschränken. Sollte nicht ein gänzliches Unterlassungsgebot ausgesprochen werden, ergebe sich aus einer derartigen zeitlichen Aufteilung ein ausgewogener Interessenausgleich. Im Übrigen hätte das Berufungsgericht im Umfang der „de facto“-Abweisung des Klagebegehrens im Zeitraum von 6:00 bis 22:00 Uhr über das Eventualbegehren absprechen müssen. Diesem wäre bei nicht gänzlichem Durchdringen mit dem Hauptbegehren aus den schon vom Erstgericht genannten Gründen stattzugeben gewesen.

Der Beklagte steht weiterhin auf dem Standpunkt, ihm zu einer bestimmten Zeit den Konsum eines legalen Genussmittels in seinem „aller privatesten Umfeld“ zu verbieten, begründe einen Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und Familienleben, der nur in ganz extremen Ausnahmefällen zulässig sei. Es stehe aber fest, dass für den Kläger keine Gesundheitsgefährdung bestehe. Der Beklagte lege kein unübliches Verhalten an den Tag. Dass er gerade zur Nachtzeit rauche, liege an seinen Arbeitszeiten und den damit einhergehenden Gewohnheiten, die er wegen eines über ihn verhängten Rauchverbots verändern müsste. Darin läge im Ergebnis eine „ganz massive Abwertung des Wohnwertes“ seiner Wohnung. Was andere als störend empfinden, sei sehr individuell. Während den Kläger der Tabakrauch störe, könnten andere durch Küchengerüche gestört werden. Der Kläger werde aber auch nicht im ortsüblichen Gebrauch seiner Wohnung gestört. Es wäre ihm ohne weiteres zumutbar, nicht bei geöffnetem Fenster zu schlafen. Es bleibe ausreichend Zeit seine Wohnung zu lüften, zumal er über ein weiteres Fenster verfüge. Nicht permanent ein Fenster geöffnet zu halten, stelle jedenfalls eine wesentlich geringere Beeinträchtigung dar, als über viele Stunden nicht rauchen zu dürfen, insbesondere zu jener Zeit, zu der es dem Beklagten aufgrund der zulässigen Gestaltung seiner Lebensverhältnisse besonders wichtig sei.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

I. Verfahrensrechtliches:

1. Sowohl das Haupt‑ als auch das Eventualbegehren des Klägers ist auf die zeitlich unbeschränkte Unterbindung des Eindringens von störendem Zigarrenrauch aus der Wohnung des Beklagten in die Wohnung des Klägers gerichtet. Trotz dieser inhaltlichen Identität der Begehren liegt eine Eventualklagehäufung vor, bei der ein Klageanspruch erstrangig und ein anderer Klageanspruch nur für den Fall der Erfolglosigkeit des erstrangigen Anspruchs gestellt wird (vgl RIS‑Justiz RS0074353). Von einer solchen ist nämlich auch dann auszugehen, wenn das idente Begehren auf unterschiedliche Klagegründe gestützt wird und der Kläger seinen Willen, dass das Gericht zuerst über den einen und dann erst über den anderen Klagegrund absprechen soll, in seinem Urteilsantrag durch Formulierung eines Haupt‑ und eines Eventualbegehrens gehörig zum Ausdruck bringt (vgl 1 Ob 177/05v; 4 Ob 240/07h; 3 Ob 5/16f).

2. Der Kläger hat sein Hauptbegehren (insbesondere) mit nachbarrechtlichen Ansprüchen begründet, das Eventualbegehren hingegen mit dem ihm abgetretenen vertraglichen Unterlassungsanspruch des Vermieters aus dem Mietverhältnis mit dem Beklagten. Er hat sein in Haupt‑ und Eventualbegehren gegliedertes Unterlassungsbegehren somit auf unterschiedliche Klagegründe gestützt.

Das Erstgericht hat das Hauptbegehren abgewiesen (Punkt 1) und über das Eventualbegehren in stattgebendem Sinn entschieden (Punkt 2). Demgegenüber hielt des Berufungsgericht, wie sich aus den Entscheidungsgründen des zweitinstanzlichen Urteils unzweifelhaft ergibt, das Hauptbegehren für (teilweise) berechtigt, weshalb seiner Meinung nach die Entscheidung über das Eventualbegehren „jedenfalls aufzuheben“ sei. Mit diesem klaren und unmissverständlichen Entscheidungswillen steht jedoch der zweitinstanzliche Urteilsspruch nicht im Einklang, mit dem das Urteil des Erstgerichts in dessen Punkt 1, dies wäre die Entscheidung über das Hauptbegehren, „ersatzlos aufgehoben“, und Punkt 2, dies wäre die Entscheidung über das Eventualbegehren, abgeändert wurde.

3. Soll der vom Gericht gewollte, im Spruch aber nicht klar und eindeutig formulierte Inhalt der Sachentscheidung erkannt werden, sind auch die Entscheidungsgründe für die Auslegung der Tragweite des Spruchs heranzuziehen (3 Ob 53/14m; RIS‑Justiz RS0000300). Danach ist hier eindeutig und offenkundig, dass dem Berufungsgericht bei der Fassung des Spruchs seiner Entscheidung insofern ein Versehen unterlaufen ist, als es die erstgerichtlichen Spruchpunkte 1 und 2 vertauschte. Das Berufungsgericht hat inhaltlich nur über das Hauptbegehren entschieden. Davon gehen auch die Parteien in ihren Rechtsmitteln aus.

4. Zutreffend verweist der Kläger allerdings darauf, dass das Berufungsgericht dem auf zeitlich unbeschränkte Unterbindung des Eindringens von Zigarrenrauch in seine Wohnung gerichteten Hauptbegehren nur teilweise, nämlich für den Zeitraum von 22:00 bis 6:00 Uhr stattgab, während es das Mehrbegehren nicht im Spruch, eindeutig aber doch in den Gründen implizit abwies. Der Kläger macht geltend, dass das Berufungsgericht trotz der Teilabweisung des Hauptbegehrens nicht in dem davon betroffenen Umfang (Zeitraum 6:00 bis 22:00 Uhr) über das Eventualbegehren entschied. Er rügt damit einen Mangel des Berufungsverfahrens nach § 496 Abs 1 Z 1 ZPO.

5. Auf das Eventualbegehren ist einzugehen, falls der Kläger mit dem Hauptbegehren nicht oder nicht zur Gänze durchdringt. Im Fall der teilweisen Stattgebung des Hauptbegehrens ist im Auslegungsweg zu ermitteln, ob das Eventualbegehren nur für den Fall der gänzlichen Abweisung oder auch für den Fall der teilweisen Abweisung gestellt wurde (4 Ob 249/15v; RIS‑Justiz RS0037667).

Hier ergibt diese Auslegung, dass das Eventualbegehren auch für den Fall einer Teilabweisung des Hauptbegehrens gestellt wurde. Strebt doch der Kläger mit dem auf einen anderen Klagegrund gestützten Eventualbegehren ebenso wie mit dem Hauptbegehren die zeitlich unbeschränkte Stattgebung des behaupteten Unterlassungsanspruchs an. Daran hält er auch noch im Revisionsverfahren fest. Das Berufungsgericht hätte daher – ausgehend von seiner Rechtsansicht – prüfen müssen, ob der hilfsweise geltend gemachte Klagegrund die gänzliche Stattgebung des Unterlassungsbegehrens tragen könnte, anstatt die erstinstanzliche Entscheidung über das Eventualbegehren „ersatzlos aufzuheben“.

6. Die Berufungsentscheidung ist daher mit einem Mangel nach § 496 Abs 1 Z 1 ZPO behaftet. Dass diesem Mangel jedoch keine entscheidungsrelevante Bedeutung zukommt, wird im Folgenden noch zu zeigen sein.

II. Hauptbegehren:

1. Gesetzliche Regelung:

1.1 Gemäß § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen ua durch Rauch und Geruch insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.

1.2 Die Klage nach § 364 Abs 2 ABGB ist ein Anwendungsfall der negatorischen Eigentumsklage. Das Begehren geht auf Unterlassung des Eingriffs (9 Ob 48/12t; RIS‑Justiz RS0010526). Seit der Entscheidung des verstärkten Senats 7 Ob 654/89 SZ 62/204 wird der Abwehranspruch nicht nur dem Grundeigentümer und anderen am Grundstück dinglich Berechtigten, sondern auch bloß obligatorisch Nutzungsberechtigten, wie dem Bestandnehmer, zugebilligt (vgl RIS‑Justiz RS0010644, RS0010655; Eccher/Riss in KBB4 § 364Rz 15).

2. Keine unmittelbare Zuleitung:

2.1 Die zitierte gesetzliche Bestimmung unterscheidet zwischen unmittelbaren und mittelbaren Einwirkungen auf das Nachbargrundstück, je nachdem ob die Tätigkeit des einen Eigentümers (hier: Mieters) unmittelbar auf die Einwirkung gerichtet ist oder ob diese nur zufällig eintritt. Unmittelbare Zuleitungen sind somit solche, die durch eine „Veranstaltung“ bewirkt werden, die für eine Einwirkung gerade in der Richtung des Nachbargrundstücks (hier: Nachbarwohnung) hin ursächlich ist (1 Ob 92/02i; 1 Ob 279/02i; 1 Ob 169/06v SZ 2006/152; RIS‑Justiz RS0010635). Eine unmittelbare Zuleitung erfordert eine dem Liegenschaftseigentümer (Mieter) zuzurechnende Änderung der natürlichen Gegebenheiten, eben eine „Veranstaltung“, wodurch Immissionen auf das Nachbargrundstück geleitet werden. Nicht notwendig ist nach herrschender Rechtsprechung ein zielgerichtetes (absichtliches) Verhalten des Liegenschaftseigentümers (Mieters); stets ist aber vorausgesetzt, dass vom belangten Nachbarn überhaupt eine Veränderung der natürlichen Verhältnisse geschaffen wurde (vgl 1 Ob 92/02i; 1 Ob 169/06v SZ 2006/152; 8 Ob 22/14i; 1 Ob 126/15y; RIS‑Justiz RS0117337, RS0121625; aA zum Kriterium der Finalität Kerschner/Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 364 Rz 186 ff). Daran ist festzuhalten. Soweit aus der Entscheidung 7 Ob 101/07i RdU 2008/17 (Wagner) anderes abzuleiten wäre, wird ihr nicht gefolgt.

2.2 Der Oberste Gerichtshof hat im Zusammenhang mit der Zuleitung von Abwässern in mehreren Entscheidungen ausgeführt, es genüge, wenn der Eintritt von Wasser durch eine Anlage bloß ermöglicht werde. Auch wenn die konkrete Einwirkung an sich vom Willen des (störenden) Nachbarn unabhängig, aber eine unvermeidbare Folge seiner vermeidbaren Handlungen sei, könne sie untersagt werden (1 Ob 92/02i mwN; 1 Ob 169/06v SZ 2006/152 = RdU 2007/15 [insoweit zust Kerschner]). Die Unmittelbarkeit einer Zuleitung sei schon immer dann zu bejahen, wenn sie weder auf die unbeeinflusst gebliebenen natürlichen Gegebenheiten zurückzuführen sei, noch auf der Zwischenschaltung eines weiteren Mediums beruhe, wie das etwa beim Versickern des Wassers im Erdreich der Fall sei (1 Ob 92/02i; 1 Ob 169/06v SZ 2006/152; 1 Ob 263/06t).

2.3 Bei sinngemäßer Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall liegt nach Auffassung des Senats – entgegen Wilhelm (Immission Tabakrauch: Eigentumsfreiheitsklage, Persönlichkeitsschutz, ecolex 2015, 525 [zum gegenständlichen Fall]) – keine unmittelbare Zuleitung iSd § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB vor. Begreift man das Rauchen bei geöffnetem Fenster oder auf der Terrasse selbst als eine die natürlichen Verhältnisse verändernde „Veranstaltung“ im obigen Sinn, so gelangt der entweichende Rauch dennoch nicht unmittelbar, sondern nur über ein weiteres Medium, nämlich die aufsteigende Luft, auf die Terrasse bzw in die Wohnung des Klägers. Daran ändert nichts, dass sich der Zigarrenrauch infolge der Luftströmung zwangsläufig nach oben verbreitet. Bei anderer Sichtweise wäre auch die aus einer Nachbarwohnung stammende Geräuschimmission stets als unmittelbar zu werten, was jedoch der ständigen Rechtsprechung widerspricht (vgl 1 Ob 594/94 SZ 67/138; 1 Ob 6/99k SZ 72/205; 7 Ob 286/03i ua).

2.4 Somit handelt es sich um eine mittelbare Immission, für die die beiden in § 364 Abs 2 erster Satz ABGB genannten Kriterien maßgeblich sind. Diese müssen kumulativ vorliegen, sodass die örtlichen Verhältnisse in beiden Belangen zu beachten sind (5 Ob 173/15z; RIS‑Justiz RS0010587). Selbst übermäßige Immissionen sind daher zu dulden, wenn sie die ortsübliche Nutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch dann, wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstücks durch sie wesentlich beeinträchtigt wird (1 Ob 6/99k SZ 72/205; RIS‑Justiz RS0010587 [T4]).

3. Ortsüblichkeit:

3.1 Bei der Auslegung der Begriffe „örtliche Verhältnisse“ und „ortsübliche Benützung“ ist in größeren Städten der betroffene Stadtteil („Viertel“) maßgeblich, weshalb hier auf die in der Wiener Innenstadt herrschenden Verhältnisse abzustellen ist (vgl 1 Ob 6/99k SZ 72/205; 2 Ob 166/14x; RIS‑Justiz RS0010678, RS0010577). Entscheidend ist aber auch die Lage des beeinträchtigten Grundstücks zu jenem, von dem die Störung ausgeht (hier also die Lage der Wohnungen der Streitteile zueinander), weshalb ein Untersagungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB etwa auch dann bestehen kann, wenn eine Wohnung wegen ihrer besonderen Lage zur Nachbarwohnung durch Einwirkungen von dieser derart beeinträchtigt wird, dass die Beeinträchtigung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt (vgl 2 Ob 166/14x; RIS‑Justiz RS0010653). Die Frage, ob eine Immission (noch) als ortsüblich zu beurteilen ist, ist nicht allein aufgrund rein empirischer Ergebnisse, sondern auch anhand normativer Wertungen zu prüfen; die Ortsüblichkeit ist somit auch ein wertungsabhängiger Rechtsbegriff (1 Ob 6/99k SZ 72/205; 7 Ob 286/03i; RIS‑Justiz RS0010577 [T7]).

3.2 Nach einer Gesundheitsbefragung der Statistik Austria gilt im Jahr 2014 ca ein Viertel der österreichischen Bevölkerung als Raucher, wobei der Anteil der täglich Rauchenden ab 16 Jahren bei den Männern leicht rückläufig, bei den Frauen hingegen ansteigend ist (http://www.statistik.at/web_de/statistiken/gesundheit/gesundheitsdeterminanten/rauchen/index.html ; vgl Pittl/Gottardis, Zur Rechtswirksamkeit mietvertraglicher Rauchverbote, wobl 2016, 345 [346]; ebenso bereits Prader, Rauchen auf dem Balkon und im Garten, RdW 2012, 258). Rauchen ist gesellschaftlich nach wie vor verbreitet, wenngleich die allgemeine Akzeptanz gegenüber dem Rauchen rückläufig ist (vgl Buchleitner/Mrvošević, Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung Schaden zu!, ecolex 2015, 748). Dafür, dass die Anzahl der Raucher gerade in der Wiener Innenstadt geringer wäre, als es dem österreichischen Durchschnitt entspricht, gibt es keinen Hinweis. Es ist auch nicht anzunehmen, dass diese Personengruppe nur in Raucherlokalen oder im Freien, nicht aber in ihren Wohnungen rauchen würden. Ebenso entspricht es der Lebenserfahrung, dass Raucher nach dem Konsum ihrer Rauchwaren die eigene Wohnung lüften oder gleich ihren Balkon benützen, sofern ein solcher vorhanden ist. Nur unter diesem isolierten Gesichtspunkt wäre „Rauchen auf dem Balkon“ – zumindest was Zigarettenrauch anlangt – noch als ortsüblich zu tolerieren.

3.3 Die im Schrifttum (vgl etwa Prader, Rauchen auf dem Balkon und im Garten, RdW 2012, 259; Wilhelm, Immission Tabakrauch: Eigentumsfreiheitsklage, Persönlichkeitsschutz, ecolex 2015, 525 [zum gegenständlichen Fall]; ders Raucher‑ oder Nichtraucherschutz, ecolex 2016, 1) dagegen ins Treffen geführte Gesundheitsgefährdung der von den Rauchimmissionen Betroffenen, die Ortsüblichkeit jedenfalls ausschließen würde (1 Ob 6/99k SZ 72/205; 7 Ob 286/03i; 6 Ob 166/13z; 7 Ob 80/14m), hat das Erstgericht auf der Tatsachenebene verneint. Denn die „Negativfeststellung“, es könne nicht festgestellt werden, dass der in die Wohnung des Klägers eindringende Zigarrenrauch dort zu einer „gesundheitsschädlichen Schadstoffkonzentration“ führen würde, hat es im Rahmen seiner Beweiswürdigung damit begründet, dass „der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar darlegte, dass der aufgrund der großen Verdünnung der rauchbelasteten Luft die für die Gesundheitsschädlichkeit festgelegten Grenzwerte sicher nicht erreicht werden, zumal es sich auch nicht um eine Dauerexposition handelt“ (Seite 12 des erstinstanzlichen Urteils). In diesem Kontext kann die „Negativfeststellung“ aber nicht im Sinne eines „non liquet“ verstanden werden, weshalb sich insoweit auch keine Fragen der Beweislast stellen.

3.4 Ungeachtet dessen ist bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit der Immission durch Tabakrauch nicht allein auf das Verhalten der Raucher abzustellen, sondern auch auf die von Nichtrauchern in der Regel als unangenehm und störend empfundene Geruchsentwicklung, die gerade beim Rauchen am geöffneten Fenster oder auf dem Balkon – je nach Lage der Wohnungen zueinander – (weit) über das Ortsübliche hinausgehen kann (siehe oben 3.1). Es ist daher nicht wesentlich, ob auch auf anderen Balkonen in der Wohnanlage geraucht wird. Faktum ist, dass der Kläger unter den festgestellten Umständen dem von der Wohnung des Beklagten ausströmenden Tabakgeruch in einer Weise ausgesetzt ist, die in ihrer Dauer (bis zu fünfeinhalb Stunden täglich) und Intensität (Zigarre) nicht mehr als ortsüblich bezeichnet werden kann, zumal, wie das Erstgericht feststellte, kein „Grundpegel“ für Zigarrengeruch besteht.

4. Wesentliche Beeinträchtigung – Allgemein:

4.1 Zu prüfen ist somit die weitere Frage, ob die ortsübliche Benutzung der Mietwohnung des Klägers durch den Tabakgeruch wesentlich beeinträchtigt wird. Der Maßstab der Wesentlichkeit der Einwirkung ist ein objektiver. Bei dieser Beurteilung ist daher nicht auf das subjektive Empfinden (die besondere Empfindlichkeit) der betroffenen Person abzustellen, sondern auf das Empfinden eines Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des Gestörten befindet (5 Ob 173/15z; 4 Ob 43/16a; RIS‑Justiz RS0010607; auch RS0010557, RS0010583). Der im Nachbarrecht gebotene Interessenausgleich fordert von beiden Seiten gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz. Beim Zusammenleben mehrerer Personen in einem Haus sind dadurch bedingte Unannehmlichkeiten grundsätzlich in Kauf zu nehmen, es ist ein akzeptabler Ausgleich der gegenläufigen Interessen zu finden (5 Ob 173/15z; RIS‑Justiz RS0112954). Die Frage nach der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ist deshalb vom Standpunkt eines verständigen Durchschnittsmenschen aus zu beantworten, der auf die allgemeinen Interessen und gesellschaftlich bedeutsamen Gesichtspunkte wenigstens auch Bedacht nimmt (1 Ob 6/99k SZ 72/205; 9 Ob 62/09x; RIS‑Justiz RS0010607 [T6]; RS0112954 [T2]). Das schließt nicht aus, dass in die vorzunehmende Interessenabwägung die persönlichen Lebensumstände und individuellen Gewohnheiten aller Beteiligten einfließen können.

4.2 Aus den Feststellungen des Erstgerichts ergibt sich, dass das Empfinden des in der Wohnung des Klägers deutlich und (pro Zigarre) mitunter mehrere Stunden lang wahrnehmbaren Zigarrengeruchs als schwere Beeinträchtigung nicht auf einer besonderen Sensibilität des Klägers beruht, sondern dass derartiger Rauchgeruch für den durchschnittlichen Nichtraucher auffällig und störend ist (offensichtlich gilt dies bis zu einem gewissen Maß auch für den durchschnittlichen Raucher, der ansonsten seine Rauchwaren ja nicht bevorzugt auf dem Balkon oder bei geöffnetem Fenster konsumieren würde [so zutreffend Iro, Rauchen auf dem Balkon, RdW 2013, 315]). Der auf die Terrasse und in die Wohnung des Klägers (ein‑)dringende Zigarrengeruch bewirkt unter diesen Umständen jedenfalls eine wesentliche Beeinträchtigung des ortsüblichen Gebrauchs dieser Wohnung.

4.3 Voraussetzung dafür, dass es zu einer solchen wesentlichen Beeinträchtigung kommen kann, ist das zeitliche Zusammentreffen des Zigarrenkonsums mit der Terrassennutzung und/oder dem Offenhalten von Terrassentür und/oder Fenster durch den Kläger. So wie der Beklagte für sich grundsätzlich zu Recht in Anspruch nimmt, seine Wohnung im Rahmen des Mietvertrags nach seinen persönlichen Vorlieben und Bedürfnissen nutzen zu können, trifft dies ebenso auf den Kläger zu. Allerdings führen nur die Gewohnheiten des Beklagten zu einer ortsunüblichen wesentlichen Störung des Nachbarn, nicht aber umgekehrt. Unter diesen Vorzeichen gilt es im Sinne des oben Gesagten, einen angemessenen Interessenausgleich zu schaffen.

5. Wesentliche Beeinträchtigung – Nachtstunden:

5.1 In Fällen behaupteter Geräuschimmissionen hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach die Auffassung vertreten, dass es bei der Lärmerregung nicht nur auf die Lautstärke, Häufigkeit und Dauer ankommt, sondern auch auf die Tageszeit (RIS‑Justiz RS0037203), weil der Lärm einer bestimmten Intensität mitunter tagsüber noch nicht, wohl aber zur Nachtzeit als besonders störend empfunden wird. Für die Bestimmung der „Nachtzeit“ könne als Richtschnur dienen, dass die Bevölkerung vorwiegend die Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr für die Nachtruhe in Anspruch nimmt (vgl 1 Ob 594/94 SZ 67/138; 2 Ob 55/99y; 3 Ob 93/14v; vgl auch RIS‑Justiz RS0037171). Dabei wurde auch den öffentlich‑rechtlichen Vorschriften, die der Erregung (die Nachtruhe) störenden Lärms entgegenwirken sollen, wesentliche Bedeutung zuerkannt (RIS‑Justiz RS0037188).

5.2 Öffentlich‑rechtliche Vorschriften, die das Rauchen in privaten Räumen einschließlich dazugehöriger Terrassen und Balkone verbieten oder beschränken würden, existieren zwar nicht (vgl die Bestimmungen über den Nichtraucherschutz in den §§ 12 ff des Tabak‑ und Nichtraucherinnen‑ bzw Nichtraucherschutzgesetzes – TNRSG idF BGBl I 2016/22).

Die der soeben erörterten Rechtsprechung zu entnehmende Wertung, dass (vor allem) die als besonders belastend empfundene Störung der Nachtruhe untersagt werden soll, ist aber dennoch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Im Ergebnis macht es keinen Unterschied, ob die Störung der Nachtruhe durch Lärm oder – wie hier festgestellt wurde – durch eine intensive Geruchsbelästigung hervorgerufen wird. Für den Zeitraum von 22:00 bis 6:00 Uhr muss daher eine Abwägung zwischen dem Bedürfnis des Klägers, in seiner Nachtruhe nicht gestört zu werden, und dem Bedürfnis des Beklagten, seinen Arbeitstag mit einer nächtlich konsumierten Zigarre zu beenden, zugunsten des Klägers ausfallen. Die Möglichkeit, in seiner hof‑ bzw gartenseitig ausgerichteten Wohnung bei geöffnetem Fenster schlafen zu können, darf durch den Zigarrengeruch nicht eingeschränkt werden.

Nichts anderes folgt im Übrigen aus der Wertung des TNRSG: Sollen Nichtraucher schon in öffentlichen Räumen, Gaststätten etc geschützt werden, so ist ihnen dieser Schutz umso mehr in ihrer Wohnung zu gewähren (vgl Wilhelm, Raucher‑ oder Nichtraucherschutz, ecolex 2016, 1).

5.3 Allerdings wird sich die wesentliche Beeinträchtigung durch den von außen eindringenden Zigarrengeruch in den Nachtstunden auf jene Jahreszeit beschränken, in der der durchschnittliche Wohnungsmieter, der auch in diesem Zusammenhang als Maßstab dient, üblicherweise bei geöffnetem Fenster oder geöffneter Terrassentür schläft (auch der Kläger hat ja die Beeinträchtigung vor allem in den „heißen Sommermonaten“ beklagt). Bei objektiver Sichtweise wird sich dieser Zeitraum längstens auf die Monate von Mai bis einschließlich Oktober erstrecken, während der „Durchschnittsmensch“ von November bis Ende April die Nachtstunden in geschlossenen Räumen verbringt. Besondere Umstände bei beiden Parteien, die eine andere Regelung nahelegten, sind nicht erkennbar.

5.4 Somit lässt sich als Zwischenergebnis für die Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr festhalten, dass es – vorbehaltlich des noch Folgenden – vom 1. Mai bis 31. Oktober jeden Jahres bei der vom Berufungsgericht gefundenen Regelung zu bleiben hat, nicht aber auch vom 1. November bis 30. April. In diesem Zeitraum liegt während der Nachtstunden keine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung der Mietwohnung des Klägers vor.

6. Wesentliche Beeinträchtigung – Tageszeit:

6.1 Was nun die restlichen Tageszeiten anlangt, kann zunächst abermals auf die zu „Musikimmissionen“ ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zurückgegriffen werden. Exemplarisch für das Bemühen um einen angemessenen Interessenausgleich sind jene Entscheidungen, denen – ausgehend vom Maßstab des „verständigen Durchschnittsmenschen“ – die Beeinträchtigung eines Eigentümers oder Mieters durch stundenlanges Klavierspielen in einer benachbarten Wohnung zugrunde lagen. Dabei soll auch auf die „üblichen Ruhezeiten“ tagsüber Bedacht zu nehmen sein (vgl 1 Ob 6/99k SZ 72/205; 7 Ob 286/03i wobl 2004/78 [Vonkilch] = immolex 2004/97 [Iby]; dazu auch Illedits, OGH klärt die Ortsüblichkeit des Klavierspiels in Wohnräumen im städtischen Gebiet, wobl 2004, 300; RIS‑Justiz RS0110281).

6.2 Da die angesprochene Wertung des TNRSG auch für die Tageszeiten gilt, der Nichtraucher also auch tagsüber vor eindringendem Rauch geschützt werden soll, kann der anzustrebende Interessenausgleich – ähnlich wie bei den „Musikimmissionen“ – auch zu diesen Zeiten nur durch eine zeitliche Regelung erreicht werden. In der Literatur gibt es zwar Stimmen, die dem Tabakrauch emittierenden Nachbarn jegliche Akzeptanz absprechen (vgl etwa Wilhelm, Raucher- oder Nichtraucherschutz, ecolex 2016, 1 [zum gegenständlichen Fall]; Buchleitner/Mrvošević, Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung Schaden zu!, ecolex 2015, 749: „keine berücksichtigungswürdigen Allgemeininteressen“). Diese Auffassung widerspricht aber dem nachbarrechtlichen Rücksichtnahmegebot.

6.3 Der deutsche Bundesgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 16. 1. 2015, V ZR 110/14 (NJW 2015, 2023 = ZW 2015, 331 [Derleder] = LMK 2015, 371622 [Roth] = FD-MietR 2015, 369297 [Bub/Bernhard]) bei vergleichbarer Rechtslage einen nahezu identischen Sachverhalt zu beurteilen. Im dortigen Anlassfall lagen die Balkone zweier Mietwohnungen übereinander, die Kläger fühlten sich durch den mehrmals täglich aufsteigenden Zigarrettenrauch im Gebrauch ihrer Wohnung gestört. Die Unterlassungsklage war auf die Untersagung des Rauchens auf dem Balkon während bestimmter Stunden gerichtet.

Der Bundesgerichtshof bejahte im Gegensatz zu den Vorinstanzen die Möglichkeit, die begehrte Unterlassung zu erwirken, hielt das Verfahren aber noch für ergänzungsbedürftig. Soweit hier von Bedeutung, ging er in den Gründen seiner Entscheidung davon aus, dass deutlich (intensiv) wahrnehmbarer Tabakrauch zwar als wesentliche Beeinträchtigung des Gebrauchs der klägerischen Wohnung anzusehen sei. Allerdings bestehe der Unterlassungsanspruch nicht uneingeschränkt, weil der gestörte Mieter auf das Recht des anderen Mieters Rücksicht nehmen müsse, seine Wohnung vertragsgemäß zu nutzen, wozu grundsätzlich auch das Rauchen in der Wohnung und auf dem Balkon gehöre. Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme erfordere – wenn den Parteien eine Verständigung untereinander nicht möglich sei – eine Gebrauchsregelung für die Zeiten, in denen beide Mieter an der Nutzung ihrer Balkone interessiert seien. Dem Mieter seien Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen könne, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen seien, in denen er auf dem Balkon rauchen dürfe.

6.4 Diese Erwägungen, die mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den „Musikimmissionen“ in Einklang gebracht werden können, sind auch im vorliegenden Fall tragfähig. Das bedeutet:

(a) Die Erwirkung eines zeitlich unbeschränkten Rauchverbots gegenüber dem Beklagten kommt tagsüber wegen des auch vom Kläger zu beachtenden nachbarrechtlichen Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme nicht in Betracht.

(b) Der Kläger bemängelt in seinem Rechtsmittel aber zu Recht, dass er sich nach der zweitinstanzlichen Entscheidung bei der Nutzung seiner Terrasse, beim Lüften oder dem Offenhalten des Fensters zwecks Frischluftzufuhr tagsüber ganz an das nicht berechenbare Rauchverhalten des Beklagten anpassen müsste, wenn er das Eindringen des beeinträchtigenden Zigarrengeruchs in seine Wohnräume verhindern will. Das kann durch eine Zeitabschnittsregelung verhindert werden, wie sie der Kläger in seinem Rechtsmittel als Eventualantrag begehrt.

(c) Der Kläger orientiert sich dabei an den üblichen „Ruhe- und Essenszeiten“, also den Zeiten von 8:00 bis 10:00 Uhr, 12:00 bis 15:00 Uhr und 18:00 bis 20:00 Uhr (bei der in seinem Revisionsantrag enthaltenen Zeitgabe „16 bis 18 Uhr“ handelt es sich um ein offenkundiges Versehen; vgl bereits Seite 13). Das entspricht nach der Lebenserfahrung den Gewohnheiten des maßgeblichen „Durchschnittsmenschen“. Gründe, die im konkreten Fall ein Abweichen von dieser Durchschnittsbetrachtung rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Die restlichen Zeitabschnitte (insgesamt neun Stunden) stünden dem Beklagten für die Befriedigung seines Rauch‑ und Lüftungsbedürfnisses zur Verfügung, wobei aber auf die festgestellten „Nachwirkungen“ pro gerauchter Zigarre Bedacht zu nehmen ist. Dem Kläger ist beizupflichten, dass damit ein ausgewogener Interessenausgleich erzielt werden kann, während der in der Revisionsbeantwortung des Beklagten vertretenen Ansicht, für eine Ausweitung der „üblichen Ruhestunden“ auf den Morgen und den Abend gebe es keine Grundlage, aus den obigen Gründen nicht gefolgt werden kann.

6.5 Diese Beurteilung gilt aber wieder nur für jene Jahreszeit, in der von einem durchschnittlichen Wohnungsmieter die Nutzung der Terrasse zur Einnahme der Mahlzeiten und die Mittagsruhe bei geöffnetem Fenster oder geöffneter Terrassentür üblicherweise zu erwarten ist. Auch hier werden dies bei objektiver Sichtweise nur die Monate von Mai bis einschließlich Oktober sein. In der restlichen Zeit von November bis Ende April muss dem Kläger aber noch Gelegenheit zu geben sein, seine Wohnung unbeeinträchtigt vom Zigarrenrauch des Beklagten zu lüften bzw Frischluft zuzuführen. Dafür wird für den durchschnittlichen Bewohner am Morgen, zu Mittag und am Abend je eine Stunde ausreichend sein.

6.6 Als weiteres Zwischenergebnis ist daher für die Zeit von 6:00 bis 22:00 Uhr festzuhalten, dass der Kläger – vorbehaltlich des noch Folgenden – mit seinem Unterlassungsbegehren wie folgt durchdringt:

- vom 1. Mai bis 31. Oktober jeden Jahres für die Zeiten 8:00 bis 10:00 Uhr, 12:00 bis 15:00 Uhr und 18:00 bis 20:00 Uhr.

- vom 1. November bis 30. April jeden Jahres für die Zeiten 8:00 bis 9:00 Uhr, 13:00 bis 14:00 Uhr und 19:00 bis 20:00 Uhr.

Während der übrigen Zeiten liegt keine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung seiner Mietwohnung vor.

7. Zum behaupteten Verstoß gegen Art 8 EMRK:

7.1 Zentrales Argument in der Revision des Beklagten ist die behauptete Grundrechtswidrigkeit eines ihm für seine Privaträume samt Außenflächen auferlegten Rauchverbots. Es ist daher zu prüfen, ob das soeben gewonnene Ergebnis einen unzulässigen Eingriff in das in Art 8 Abs 1 EMRK verankerte Grundrecht auf Achtung des Privatlebens begründen würde. Zu diesem gehört das Recht auf freie Gestaltung der Lebensführung (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 § 22 Rz 13), das der Beklagte zu seinen Lasten beeinträchtigt sieht.

7.2 Grundfreiheiten und Menschenrechte richten sich primär an den Staat, während sie im Privatrecht ihre Verwirklichung im Allgemeinen in Form der mittelbaren Drittwirkung finden. Soweit das nicht durch besondere einfachgesetzliche Normen geschieht, transportiert § 16 ABGB die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte in das Privatrecht. Sie dienen damit nicht nur der Absicherung von fundamentalen Freiheiten und Rechten der Bürger gegenüber der Staatsmacht, sondern haben darüber hinaus auch Auswirkungen auf das Verhältnis der Bürger untereinander, indem die durch sie verkörperten Wertungen bei der Auslegung und Lückenfüllung privatrechtlicher Beziehungen zu berücksichtigen sind (4 Ob 186/09w SZ 2009/166; RIS‑Justiz RS0008993 [T7]). Zu diesen Grundrechten zählt auch der Schutz des Privat‑ und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK (RIS‑Justiz RS0008993 [T8]).

7.3 Ein dem Beklagten auferlegtes Immissionsverbot greift mittelbar in den von Art 8 Abs 1 EMRK umfassten Schutzbereich ein, da der Beklagte sein Leben nicht mehr nach seinen eigenen Vorstellungen leben darf (vgl Pittl/Gottardis, Zur Rechtswirksamkeit mietvertraglicher Rauchverbote, wobl 2016, 345 [348]).

Dem steht aber dasselbe Grundrecht des Klägers gegenüber, der sein Leben rauchfrei gestalten will und dessen Recht auf freie Lebensgestaltung ebenso beeinträchtigt wäre, würde dem Beklagten der unbeschränkte Tabakkonsum in seinen Wohnräumen gestattet sein. Der Kläger ist auch in seinem ebenfalls durch Art 8 Abs 1 EMRK geschützten Recht auf Achtung der Wohnung beeinträchtigt, das auch vor Einwirkungen durch Lärm, Gestank oder andere Emissionen schützt (RIS‑Justiz RS0125212; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 § 22 Rz 34).

7.4 Kommt es zwischen Betroffenem und Eingreifer zu einer Kollision ein‑ und desselben Grundrechts, so ist der Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte nur durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung zu gewinnen, bei welcher das Interesse am gefährdeten Gut stets auch die Interessen der Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden müssen (4 Ob 186/09w SZ 2009/166; RIS‑Justiz RS0008990; Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 16 Rz 12).

Die vorzunehmende Interessenabwägung führt hier zu dem Ergebnis, dass der mit einem Immissionsverbot mittelbar verbundene Eingriff in das Grundrecht auf Seiten des Beklagten weniger schwer wiegt als der Eingriff in das Grundrecht auf Seiten des Klägers ohne dieses Verbot. Diese Wertung kommt schon in der einfachgesetzlichen Bestimmung des § 364 Abs 2 ABGB zum Ausdruck, deren Ziel die Regelung kollidierender Rechte ist (vgl RIS‑Justiz RS0010501). Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das geschützte Grundrecht des Beklagten liegt durch die zu treffende Regelung daher nicht vor, zumal es dem Beklagten unbenommen ist, jederzeit in seinen Wohnräumen bei geschlossenen Fenstern zu rauchen.

8. Neu hinzukommender Nachbar:

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass neu hinzukommende Nachbarn sich mit einer im Gebiet vorherrschenden Immission grundsätzlich abfinden müssen, zumal in immissionsbelasteten Gebieten auch die Grundstückspreise entsprechend niedriger sind (2 Ob 57/09k; 8 Ob 59/15g; RIS‑Justiz RS0112502).

Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall zutreffend nicht für anwendbar erachtet und die gegenteilige Rechtsansicht des Erstgerichts korrigiert. Dem hält der Beklagte in seinem Rechtsmittel nichts mehr entgegen. Es bedarf daher auch keines Eingehens auf die in Teilen der Lehre an dieser Rechtsprechung geäußerte Kritik (zuletzt etwa Wilhelm, Immission Tabakrauch: Eigentumsfreiheitsklage, Persönlichkeitsschutz, ecolex 2015, 525 [zum gegenständlichen Fall]).

III. Eventualbegehren:

1. Anzuknüpfen ist an die Ausführungen in Punkt I. Da der Kläger mit seinem Hauptbegehren nur teilweise durchdringt, ist aus den dort genannten Gründen zu prüfen, ob er mit Hilfe des Eventualbegehrens die gänzliche Untersagung des beanstandeten Rauchverhaltens des Beklagten erwirken kann. Er beruft sich dazu auf Unterlassungsansprüche der Vermieterin, die ihm diese, vertreten durch die Hausverwaltung, mit Erklärung vom 28. 10. 2013 abgetreten hat. Der Beklagte hat dagegen eingewendet, dass diese Unterlassungsansprüche nicht selbständig abtretbar seien. Dieser Einwand ist berechtigt.

2. Ein Mietvertrag ist ein Dauerschuldverhältnis mit wechselseitigen Rechten und Pflichten. Die gesetz- oder vertragswidrige Verwendung des Mietgegenstands gibt dem Vermieter das Recht auf Kündigung des Mietvertrags, wenn wichtige wirtschaftliche Interessen beeinträchtigt sind und deshalb der Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs gemäß § 1118 erster Fall ABGB bzw § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG verwirklicht ist (RIS‑Justiz RS0021031, RS0070348). Ist die Verwendung des Mietgegenstands zwar vertragswidrig, die Interessenbeeinträchtigung aber nicht „erheblich“, steht dem Vermieter ein Unterlassungsanspruch zu (vgl 1 Ob 117/00p; 3 Ob 87/10f mwN [widmungswidriger Gebrauch]).

3. Das Erstgericht hat den Kündigungstatbestand mit obiger Begründung als erwiesen und den Unterlassungsanspruch als Minus zum Kündigungsrecht angesehen. Diesem Ansatz folgt auch der Kläger in seiner Revision. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber das Recht, einen Mietvertrag aufzukündigen und die Räumung des Objekts zu fordern, ein unabdingbarer und nicht abtretbarer Teil der Rechte des Bestandgebers, der aus dem Komplex dieser Rechte nicht herausgenommen und abgesondert übertragen werden kann (2 Ob 377/50 SZ 23/195; 4 Ob 79/08h SZ 2008/179; RIS‑Justiz RS0010335; Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB4 V § 1116 Rz 19). Die Abtretung eines solchen Rechts wäre wirkungslos (4 Ob 79/08h SZ 2008/179). In der Entscheidung 2 Ob 377/50 SZ 23/195, auf welche diese Rechtsprechung zurückgeht, wurde dies auch damit begründet, dass die aus dem Eigentum ableitbaren einzelnen Befugnisse und unselbständigen Ansprüche für sich keine veräußerlichen Rechte iSd § 1393 ABGB sind.

4. Um solche unselbständige Ansprüche handelt es sich aber auch bei den Unterlassungsansprüchen des Vermieters wegen Verletzung der Hausordnung und „aus welchem Rechtsgrund immer“, die mit besagter „Abtretungserklärung“ auf den Kläger übertragen werden sollten. Auch diese können nicht selbständig abgetreten werden, die Abtretungserklärung ist wirkungslos. Dem Wortlaut der Erklärung zufolge ist die Abtretung auf die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche „im eigenen Namen und auf eigene Kosten“ des Klägers gerichtet, ohne dass diesem irgendwelche materiellen Rechte aus dem Mietverhältnis, insbesondere Rechte auf den vertragsgemäßen Gebrauch des Bestandobjekts durch den Beklagten, zustehen würden. Diese verbleiben vielmehr ausschließlich (weiterhin) bei der Vermieterin.

5. Die Prozessstandschaft ist die Prozessführung im eigenen Namen über ein fremdes Recht. Das Gesetz kann sie zwar anordnen und ordnete sie in manchen Fällen auch an, unzulässig ist nach österreichischem Recht aber die gewillkürte Prozessstandschaft, weil die Klagebefugnis als unverzichtbarer öffentlich-rechtlicher Anspruch nicht von dem ihr zugrunde liegenden materiellen Recht abtrennbar ist (1 Ob 40/01s SZ 74/81; RIS‑Justiz RS0032788, RS0053157; Nunner‑Krautgasser in Fasching/Konecny³ II/1 vor § 1 ZPO Rz 124 ff).

6. Durch die „Abtretungserklärung“ der Vermieterin wurde auch hier nur eine gewillkürte und daher unzulässige Prozessstandschaft begründet. Dem Kläger mangelt es deshalb hinsichtlich des Eventualbegehrens an der aktiven Klagslegitimation. Die Entscheidung 3 Ob 140/11a, auf die sich der Kläger in erster Instanz zur Entkräftung des Einwands des Beklagten berief (AS 54), hatte einen nicht vergleichbaren Fall zum Gegenstand (gesetzlich vorgesehene Abtretung von Ansprüchen der Wohnungseigentümer an die Eigentümergemeinschaft gemäß § 18 Abs 2 erster Satz WEG idF WRN 2006).

IV. Ergebnis und Kosten:

1. Aus den angeführten Gründen erweisen sich beide Revisionen als teilweise berechtigt. Der Beklagte erreicht eine Reduzierung des Unterlassungsgebots für die Nachtstunden, während der Kläger eine Ausweitung auf die festgelegten Tageszeiten erwirkt. Das angefochtene Urteil ist daher wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern. Diesem war eine deutlichere Fassung zu geben (RIS‑Justiz RS0041254). Der ständigen Rechtsprechung zu § 364 Abs 2 ABGB zufolge ist dem Beklagten die Einwirkung auf die Nachbarwohnung durch die von seiner Wohnung ausgehenden Immissionen zu verbieten. Wie er dies erreicht, bleibt ihm überlassen.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 43 Abs 1 und 2 zweiter Fall, 50 ZPO.

Während der Umfang des Prozesserfolgs des Klägers betreffend die Jahreshälfte von Mai bis einschließlich Oktober auf richterlichem Ermessen beruht, ist der Beklagte betreffend die zweite Jahreshälfte weit überwiegend durchgedrungen. Diese besonderen Umstände des konkreten Falls rechtfertigen die Annahme annähernd gleichteiligen Obsiegens, sodass, abgesehen von den dem Kläger anteilig zu ersetzenden Pauschal‑ und Sachverständigengebühren des erstinstanzlichen Verfahrens, mit Kostenaufhebung vorgegangen werden kann.

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