OGH 2Ob377/50

OGH2Ob377/507.6.1950

SZ 23/195

Normen

ABGB §362
ABGB §1091
ABGB §1096
ABGB §1099
ABGB §1116
ABGB §1118
ABGB §1120
ABGB §1393
Mietengesetz §19
Mietengesetz §19 Abs2 Z3
Mietengesetz §21
ZPO §406
ABGB §362
ABGB §1091
ABGB §1096
ABGB §1099
ABGB §1116
ABGB §1118
ABGB §1120
ABGB §1393
Mietengesetz §19
Mietengesetz §19 Abs2 Z3
Mietengesetz §21
ZPO §406

 

Spruch:

Das Recht, den Mietvertrag aufzukundigen, seine vorzeitige Auflösung oder die Räumung des Objektes von einem unbefugten Benützer zu fordern, ist ein unabdingbarer und nicht abtretbarer Teil der Rechte des Bestandgebers und kann aus dem Komplex dieser Rechte nicht herausgenommen und abgesondert übertragen werden.

Entscheidung vom 7. Juni 1950, 2 Ob 377/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Kufstein; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Die Klägerin kundigte am 22. Juni 1949 einen vom Vorbesitzer der Liegenschaft abgeschlossenen Pachtvertrag auf; die Einverleibung ihres Eigentums an der Liegenschaft erfolgte erst während des Rechtsstreites.

Das Prozeßgericht erklärte die Kündigung für unwirksam.

Das Berufungsgericht hob unter Rechtskraftvorbehalt das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Sache an dieses zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und trug ihm eine neuerliche Entscheidung über die Berufung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Prozeßentscheidend ist nur die Vorfrage, ob die Aktivlegitimation der Klägerin gegeben ist.

In dieser Hinsicht ist dem Erstgericht zuzustimmen, wenn es fordert, daß die Aktivlegitimation nach dem Zeitpunkt der Klagsanbringung zu beurteilen ist. Denn es ist herrschende Lehre und Rechtsprechung, daß, abweichend von dem in § 406 ZPO. ausgesprochenen Grundsatz, die Wirksamkeit einer Kündigung nach den Voraussetzungen zur Zeit der Abgabe der Kündigungserklärung zu beurteilen ist. Dies gilt nicht nur für den Kündigungsgrund des Eigenbedarfes, sondern auch für das Vorliegen der Klagsvoraussetzungen (AnwZtg. 1932, S. 158 u. 200, RZ. 1932, S. 116, ZBl. 1931, Nr. 179). War die Aktivlegitimation im Zeitpunkt der Kündigung nicht gegeben, weil die Klägerin damals noch nicht bücherliche Eigentümerin des Bestandobjektes war, so kann es ihr nicht nützen, daß sie im Laufe des Rechtsstreites nach den erstgerichtlichen unbekämpften Feststellungen intabuliert wurde und dadurch nachträglich die Voraussetzungen für die aktive Klagslegitimation erwarb.

Es fragt sich darum weiter, ob nur der bücherliche Eigentümer (oder wer ihm gleichsteht) selbst oder durch einen gesetzlichen oder gewillkürten Stellvertreter einen Bestandvertrag aufkundigen könne oder ob das Recht zu kundigen einem Dritten zur Ausübung nicht in Vollmachtsnamen des Bestandgebers, sondern im eigenen Namen und zu eigenem Rechte abgetreten werden kann.

Das Berufungsgericht bejaht diese Frage unter Hinweis auf die Lehre (Klang, 1. Aufl., IV, S. 296, 2. Aufl., VI, S. 292 ff.) und die Entscheidungen GlUNF. 4953 und SZ. VI/114.

Weder aus Klang noch aus den analogen Ausführungen bei Ehrenzweig, II/1, S. 257, 445 läßt sich etwas für diese Ansicht gewinnen. Denn über die Zulässigkeit der Abtretung der Bestandrechte allein besteht kein Zweifel. Durch sie tritt der Zessionar allerdings in ein unmittelbares Verhältnis zum Bestandgeber, bzw. Bestandnehmer. Ist aber mit der Zession keine Schuldübernahme verbunden, so tritt im Hinblick auf den synallagmatischen Charakter des Bestandvertrages eine Spaltung des Schuldverhältnisses ein. Der Zessionar erlangt zwar zum Beispiel die Rechte des Mieters auf Benützung der Bestandsache, die damit verbundenen Pflichten zur Entrichtung des Bestandzinses verbleiben aber beim Mieter. Erst durch Hinzutritt des Bestandgebers, der den neuen Mieter als solchen annimmt und den bisherigen aus dem Schuldnexus entläßt, tritt der Zessionar mit vollen Rechten und Pflichten in die Rechtsstellung des früheren Mieters ein. Dasselbe gilt sinngemäß von der Abtretung der Rechte des Bestandgebers als einheitlicher Komplex, ohne daß der Zessionar in die dem Bestandgeber obliegenden Pflichten (§§ 1096, 1099 ABGB.) eintritt.

Die Entscheidung GlUNF. 4953 (vgl. auch GlU. 5505, 4736, 3429, GlUNF. 16.081, ZBl. 1922, Nr. 167, Stubenrauch, II, S. 804, Anmerkung 2) spricht wohl den Grundsatz aus, daß der Eigentümer einer Liegenschaft seine Vertragsrechte einem Dritten (hier dem Mieter eines ganzen Hauses, dem die Befugnis zur Aufkündigung der seinerzeit vom Hauseigentümer mit den Mietern der einzelnen Wohnungen abgeschlossenen Mietverträge eingeräumt worden war) übertragen könne. Aber dies beweist nichts für die hier abgelehnte Ansicht, weil die Inbestandnahme eines ganzen Hauses zum Zwecke der gewinnbringenden Weitervermietung einzelner Wohnungen oder Räume nicht Miete, sondern Pacht im Sinn des § 1091 ABGB. darstellt und der Pächter einem Unternehmer gleichzuhalten ist, der alle sonst dem Bestandgeber vorbehaltenen Rechte im eigenen Namen und zum eigenen Nutzen ausübt. Im übrigen ergibt die bezogene Entscheidung nichts für den vorliegenden Fall.

In SZ. VI/114 wird allerdings ausgesprochen, daß die Abtretung des Klagerechtes des Bestandgebers auf Räumung eines von einem Dritten zu Unrecht innegehabten Bestandobjektes an den Mieter statthaft sei. Aus der Begründung dieser Entscheidung (Ersparung eines sonst vom Eigentümer zu führenden Rechtsstreites durch Zession des Räumungsanspruches des Eigentümers) und aus dem Zeitpunkt ihrer Erlassung wird aber klar, daß es im Hinblick auf die damals noch überwiegende Ansicht, dem Mieter stehe kein quasi-dinglicher Rechtsschutz gegen dritte Störer seiner Bestandrechte zu, um einen Versuch handelt, auf dem Wege der Abtretung des Räumungsanspruches diese Frage zu lösen. Seither hat sich in der Lehre (Klang, 2. Aufl., VI, S. 23, Ehrenzweig, II/1, S. 447, Swoboda, Kommentar, S.

41) und Rechtsprechung (s. bei Klang, Anmerkung 162, 163, 165, SZ. XXI/32, 45, XXII/149 u. a. m.) die Ansicht durchgesetzt, daß dem Mieter, der sich bereits im Besitz der Bestandrechte befunden hat, ein unmittelbarer petitorischer, publizianischer Rechtsschutz gegen Dritte zusteht, die sich ohne Titel oder auf Grund eines schwächeren Titels in der Innehabung des Bestandobjektes befinden. Es bedarf darum nicht mehr der rechtlich gekünstelten und auch im Widerspruch mit der Idee der Universalität des Eigentumsrechtes und der Unzerteilbarkeit des Bestandverhältnisse als Rechtskomplex stehenden Konstruktion von der abgesonderten Übertragbarkeit des Kündigungs- (oder Räumungs-)anspruches.

Betrachtet man die Frage nur vom obligationsrechtlichen Standpunkt und losgelöst von der Frage, ob der Bestandgeber in concreto auch Eigentümer des Bestandobjektes ist oder dingliche Rechte, z. B. Fruchtgenußrechte, an ihm besitzt, so kann man dem Bestandgeber, und das gilt dann sinngemäß auch vom Unterbestandgeber, wohl das Recht einräumen, seine Mietzinsforderung abzutreten. Denn hier handelt es sich um eine reine Geldforderung, die sich nur durch ihren Rechtsgrund von anderen auf eine Summe Geldes gerichteten Forderungen unterscheidet, bei ungeschützten Bestandverträgen frei negotiabel, sonst aber in den Grenzen des § 42 MietG. auch abtretbar, verpfändbar und pfändbar ist. Das Recht, den Mietvertrag aufzukundigen, seine vorzeitige Auflösung zu fordern oder die Räumung des Objektes von einem unbefugten Benützer zu fordern, ist ein unabdingbarer und nicht abtretbarer Teil der Rechte des Bestandgebers, das aus dem Komplex dieser Rechte nicht herausgenommen und abgesondert übertragen werden kann. Gilt dies schon für die nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch zu beurteilenden Bestandverträge, so findet dieser Satz um so mehr auf mietengeschützte Verträge Anwendung. Denn das Mietengesetz und die anderen Schutzvorschriften gehen von dem Vorliegen eines persönlichen Naheverhältnisses zwischen Bestandgeber und Bestandnehmer aus und erheben in einzelnen Fällen die besonderen Rücksichten auf die Person des Bestandgebers und seiner familiären oder vermögensrechtlichen Interessen zum Range von Kündigungsgrunden. Ob diese Interessen vorliegen und ob sie verletzt sind, vermag aber nur der Bestandgeber selbst zu entscheiden, allenfalls sein gesetzlicher oder gewillkürter Vertreter, kein Dritter. Es wurde dem Schutzgedanken des Mietengesetzes widersprechen, wollte man die Verletzung der Interessen eines außenstehenden, am Mietvertrag völlig unbeteiligten und auch zum Bestandgeber in keinem nahen familienrechtlichen Verhältnis stehenden Dritten als Kündigungsgrund ansehen und z. B. dem Dritten zufolge Zession des Kündigungsrechtes zugestehen, einen Bestandvertrag gemäß § 19 Abs. 2 Z. 3 MietG. aufzukundigen, weil sich der Mieter diesem Dritten gegenüber einer strafbaren Handlung gegen Eigentum, Sittlichkeit oder körperliche Sicherheit schuldig gemacht hat.

Noch deutlicher wird dieser Gedankengang, wenn man vom Normalfall ausgeht, daß der Bestandgeber zugleich auch Eigentümer des Bestandobjektes ist. Aus dem Eigentumsrechte fließt allerdings auch die Befugnis, einen Dritten, der keinen Titel zur Benützung eines Teiles des Hauses besitzt, durch Räumungsklage aus dem Objekt zu entfernen. Allein diese Befugnis kann nicht für sich allein, losgelöst vom Eigentumsrechte, abgetreten werden, weil sie kein für sich veräußerliches Recht im Sinne des § 1393 ABGB. darstellt (vgl. EvBl. 1948, Nr. 923). Nur das Eigentumsrecht ist ganz oder teilweise (§ 362 ABGB.) veräußerlich, nicht aber die aus dem Eigentum ableitbaren einzelnen Befugnisse und unselbstandigen Ansprüche. Ein solches unselbständiges Recht ist aber auch das Recht auf Räumung gegen den unbefugten Benützer.

Alle diese für den Räumungsanspruch aufgestellten Sätze sind sinngemäß auch auf das Kündigungsrecht anwendbar, und zwar auch dann, wenn der Bestandgeber nicht auch gleichzeitig Eigentümer des Bestandobjektes ist, wie etwa der Unterbestandgeber oder der Pächter eines für den Betrieb eines Fremdenbeherbergungsgewerbes gepachteten Objektes.

Es besteht aber auch kein wirtschaftliches oder rechtspolitisches Bedürfnis nach Zulassung einer Abtretung von Kündigungs-(oder Räumungs-)ansprüchen. Jenes rechtspolitische Moment, welches der Entscheidung SZ. VI/114 zugrunde lag, ist mit der Zulassung eines quasi-dinglichen Rechtsschutzes für den Bestandnehmer weggefallen. Der außerbücherliche Erwerber einer Liegenschaft wird in aller Regel mit der Anbringung einer Kündigung bis zur Verbücherung seiner Kaufrechte warten können. Wäre dies aber ausnahmsweise einmal aus besonderen Gründen unzweckmäßig oder untunlich, so kann ihn der Veräußerer, solange er noch im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, unschwer bevollmächtigen, in seinem Namen die Aufkündigung anzubringen.

Die hier abgelehnte Konstruktion ist also nicht nur mit dem System der gesetzlichen Regelung des Bestandvertrages, vor allem dem Mietengesetz, unvereinbar, sondern auch unnötig, weil der von ihr angestrebte Zweck unter Festhaltung der Schranken des Gesetzes auch anders ohne weiteres erreichbar ist.

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