OGH 5Ob146/72 (RS0010653)

OGH5Ob146/7226.9.1972

Rechtssatz

Die vom Gesetz gebrauchten Ausdruck "örtlich" und "ortsüblich" sind nicht im Sinn einer politischen Gemeinde zu verstehen; die Beantwortung der Frage, ob die Beeinträchtigung des "nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß" übersteigt, ist auch nicht auf das beeinträchtigte Grundstück allein abzustellen, entscheidend sind vielmehr die Lage des beeinträchtigten Grundstückes zu jenem, von dem die Störung ausgeht, sowie die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Liegenschaften. Daraus folgt aber, dass ein Untersagungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB auch dann gegeben ist, wenn ein Teil einer Liegenschaft, ja selbst nur eine Wohnung oder ein Teil einer Wohnung, wegen ihrer besonderen Lage zum Nachbargrundstück durch Einwirkungen von diesem derart beeinträchtigt wird, dass die Beeinträchtigung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt.

Normen

ABGB §364 Abs2 A

5 Ob 146/72OGH26.09.1972

Veröff: SZ 45/98 = EvBl 1973/26 S 72 = MietSlg 24029

5 Ob 27/73OGH21.03.1973

Zweiter Rechtsgang zu 5 Ob 146/72

6 Ob 623/77OGH14.07.1977

Auch; Beisatz: "Laaer Festtage am Laaer Burgplatz". (T1) Veröff: SZ 50/107 = MietSlg 29041

3 Ob 591/87OGH14.12.1988

Vgl; Beisatz: Bei der Feststellung der Ortsüblichkeit sind die Verhältnisse des in Betracht kommenden Raumes maßgebend. Es kommt in erster Linie auf die Umgebung des gestörten Grundstückes an, doch sind auch aus weiterer Entfernung einwirkende Störungen einzubeziehen und daher nicht zu enge Grenzen zu ziehen. Unter besonderen Umständen kann auch schon ein einziger Großbetrieb den Charakter eines Raumes prägen. (T2); Veröff: SZ 61/273 = JBl 1989,578

2 Ob 576/92OGH28.10.1992
7 Ob 361/97gOGH26.11.1997

nur: Die vom Gesetz gebrauchten Ausdruck "örtlich" und "ortsüblich" sind nicht im Sinn einer politischen Gemeinde zu verstehen; die Beantwortung der Frage, ob die Beeinträchtigung des "nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß" übersteigt, ist auch nicht auf das beeinträchtigte Grundstück allein abzustellen, entscheidend sind vielmehr die Lage des beeinträchtigten Grundstückes zu jenem, von dem die Störung ausgeht, sowie die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Liegenschaften. (T3) <br/>Veröff: SZ 70/251

8 Ob 372/97gOGH26.11.1997

nur T3; Beisatz: Dicht verbautes, geschlossenes Siedlungsgebiet in der Wiener Innenstadt. (T4)

1 Ob 6/99kOGH21.12.1999

nur: Die vom Gesetz gebrauchten Ausdruck "örtlich" und "ortsüblich" sind nicht im Sinn einer politischen Gemeinde zu verstehen. (T5)<br/>Beisatz: Je nach Lage des Falles sind auch nur die Verhältnisse bestimmter Teile einer Gemeinde darunter zu verstehen, weil auf die Umstände in der unmittelbaren Umgebung des betroffenen Objekts abzustellen ist. Namentlich in größeren Städten ist der betroffene Stadtteil ("Viertel") maßgeblich, doch können einige Häuser oder Gassen noch nicht als eigenes Viertel angesehen werden. (T6) Beisatz: Im vorliegenden Fall sind demnach für die Ortsüblichkeit der Störung bzw die ortsübliche Nutzung die im Stadtkern von Wien (8. Wiener Gemeindebezirk) herrschenden Verhältnisse maßgeblich. Dem Umstand, dass sich die beiden Wohnungen im unmittelbarer Nähe einer stark befahrenen Straße befinden, ist deshalb keine wesentliche Bedeutung beizumessen, weil die durch den Straßenverkehr bewirkte Geräuschkulisse völlig anders geartet ist als die durch das Klavierspiel hervorgerufenen "Geräusche". (T7)<br/>Veröff: SZ 72/205

3 Ob 201/99aOGH26.04.2000

nur T3; Beisatz: Von einer ortsüblichen Benutzung kann dann nicht gesprochen werden, wenn diese nach öffentlichem Recht unzulässig ist beziehungsweise öffentlich-rechtliche Regelungen verletzt. Dies ist auch der Fall, wenn eine Anlage ohne die erforderliche Baugenehmigung beziehungsweise Benützungsbewilligung benützt wird. Vor Rechtskraft der entsprechenden Bewilligungen kann das Betreiben einer derartigen Anlage nicht als den örtlichen Verhältnissen entsprechend angesehen werden. (T8)<br/>Beisatz: Hier: Lautsprechanlage und Asphaltstockanlage. (T9)<br/>Beisatz: Wenn der betroffene Anrainer eine Lärmbelästigung durch mehr als drei Jahre unbeanstandet hinnimmt, ist die "Ortsüblichkeit" unter Berücksichtigung des neu hinzugekommenen Lärms zu beurteilen, damit besteht ein Anspruch auf Unterlassung der hiedurch verursachten Immissionen nicht mehr. (T10)

2 Ob 94/00pOGH21.12.2000

Vgl auch; Beisatz: Die "Ortsüblichkeit" ist nach den tatsächlichen Verhältnissen in der maßgebenden Umgebung zu beurteilen. In zeitlicher Hinsicht ist bei der Feststellung der Ortsüblichkeit auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung abzustellen. (T11)

6 Ob 109/02aOGH20.06.2002

Auch; nur T3; Beisatz: Die Ortsüblichkeit ist auch in zeitlicher Hinsicht zu beurteilen und kein starrer, sondern ein dem Wandel der Zeit unterworfener Begriff. (T12); Veröff: SZ 2002/85

5 Ob 65/03zOGH08.04.2003

Auch; nur: Die Beantwortung der Frage, ob die Beeinträchtigung des "nach den örtlichen Verhältnissen gewöhliche Maß" übersteigt, ist auch nicht auf das beeinträchtigte Grundstück allein abzustellen. (T13)<br/>Beisatz: Die Umgebung, die der in § 364 Abs 2 ABGB verwendete Begriff "Ort" umschreibt, lässt sich im Regelfall nicht auf das emittierende und das oder die davon wesentlich beeinträchtigte (beeinträchtigen) Grundstück (Grundstücke) reduzieren. Die "örtlichen Verhältnisse" sind weiträumiger zu verstehen; es geht um Gebietsteile beziehungsweise Stadtteile ("Viertel") mit annähernd gleichen Lebensbedingungen und Umweltbedingungen. (T14)<br/>Beisatz abweichend zu T10: Die Rechtsansicht, schon das mehrjährige Hinnehmen einer Immissionsbeeinträchtigung durch den betroffenen Anrainer (der vielleicht als einziger von mehreren Nachbarn des emittierenden Grundstücks Abwehransprüche geltend macht) könne die nicht rechtzeitig abgewehrten Einwirkungen ortsüblich machen, ist abzulehnen. (T15)<br/>Veröff: SZ 2003/36

7 Ob 286/03iOGH14.01.2004

nur T5; Beis wie T6; Beisatz: Hier 11. Wiener Gemeindebezirk. (T16)<br/>Beisatz: Die Beurteilung einer Immission als ortsüblich erfolgt auf der Grundlage eines Vergleichs der Benützung des störenden (nicht des betroffenen) Grundstücks mit anderen Grundstücken des betreffenden Gebietes. In der Regel hängt die Ortsüblichkeit von Immissionen in dem zu betrachtenden Raum davon ab, ob schon eine größere Anzahl von Grundstücken (hier Wohnungen) dieses Gebietes so genutzt wird, dass Einwirkungen von ihnen ausgehen, die den zu beurteilenden Immissionen entsprechen. (T17)

4 Ob 13/09dOGH24.03.2009

Auch; nur T3; Beis wie T14

7 Ob 192/09zOGH17.03.2010

Auch; Beisatz: Hier: Eingehen auf gegenteilige Judikatur (vgl T10, T15) erübrigt sich hier. (T18); Beis wie T11

6 Ob 105/11aOGH16.06.2011

Vgl auch; Beis wie T17

4 Ob 99/12fOGH12.06.2012

Auch; nur T3; Beis wie T14; Beisatz: Hier: Hühner- und Hahnhaltung in dörflich-ländlichem Siedlungsgebiet. (T19)

4 Ob 24/13bOGH19.03.2013

Vgl; Beisatz: Flächenwidmungsplänen kommt nur Indizfunktion für die in dem betreffenden Raum bestehenden Verhältnisse sowohl in Bezug auf Art und Ausmaß üblicher Immissionen als auch der Grundstücksnutzung zu. (T20)<br/>Beisatz: Hier: Beeinträchtigung durch Lärmimmissionen, die von einem Kleinfeldhartplatz (Fußballplatz) ausgehen. (T21)

7 Ob 71/14pOGH21.05.2014

Auch; Beisatz: Die Ortsüblichkeit ist nach den tatsächlichen Verhältnissen in der maßgebenden Umgebung zu beurteilen. (T22)

2 Ob 166/14xOGH08.06.2015

Auch; nur T3; Beis wie T14; Beisatz: Hier: Selbst ausgehend von ortsüblichem Lärm im städtischen Ballungsgebiet durch Verkehr etc ist bei Wohnungslage in einem ruhigen Innenhof der von angrenzenden Proberäumen von den stundenlangen Proben diverser Heavy‑Metal- und Hardrockgruppen ausgehende Lärm nicht als ortsüblich anzusehen und gemessen an den sonstigen ortsüblichen Lärmimmissionen als besonders „lästig“ im Sinne der aufgezeigten Judikatur einzustufen. (T23)

2 Ob 67/18vOGH25.04.2018

Vgl; Beis wie T17

8 Ob 61/19gOGH24.09.2019

Vgl; nur T3; Beis wie T17; Beisatz: In der Regel hängt die Ortsüblichkeit von Immissionen in dem zu betrachtenden Raum davon ab, ob schon eine größere Anzahl von Grundstücken dieses Gebietes so genutzt wird, dass Einwirkungen von ihnen ausgehen, die den zu beurteilenden Immissionen entsprechen. (T24)<br/>Beisatz: Unter besonderen Umständen können aber auch etwa schon ein einziger Großbetrieb, eine große Sportanlage oder Bahnanlagen den Charakter eines Raumes prägen. (T25)<br/>Beisatz: Hier: Gondelseilbahn. (T26)

1 Ob 198/19bOGH19.11.2019

Vgl; Beis wie T14; Beis wie T17; Beis wie T22; Beisatz: Hier: Geruchsbeeinträchtigung; Küchendunst; Buschenschank; Weingärten. (T27)

1 Ob 62/20dOGH28.04.2020

Vgl auch; Beis wie T14; Beis wie T17; Beis wie T20; Beis wie T22

6 Ob 60/20xOGH23.04.2020

Vgl; nur Beis wie T11

Dokumentnummer

JJR_19720926_OGH0002_0050OB00146_7200000_002

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