OGH 4Ob24/13b

OGH4Ob24/13b19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** V*****, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Verein K*****, vertreten durch Dr. Felix Haid, Rechtsanwalt in Eben im Pongau, wegen Unterlassung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 7. November 2012, GZ 22 R 335/12m-43, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 25. Juli 2012, GZ 11 C 256/11g-37, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 74,66 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Miteigentümerin einer Liegenschaft im Stadtgebiet (Flächenwidmung erweitertes Wohngebiet), auf der ein Wohnhaus errichtet ist. Sie fühlt sich als Bewohnerin einer Dachterrassenwohnung auf dieser Liegenschaft durch Schallimmissionen beeinträchtigt, die von einem Kleinfeldhartplatz ausgehen, der in der näheren Umgebung (ein dazwischenliegendes Betriebsgebäude) auf der Liegenschaft des Beklagten mit einem Wohnheim für etwa 200 Jugendliche oder junge Erwachsene (Schüler, Lehrlinge und Studenten) errichtet wurde. Während der durch eine Mittagspause unterbrochenen Spielzeiten von 9:00 bis 22:00 Uhr (Samstag bis 19:00 Uhr, Sonntag spielfrei) wird vor allem durch gegen den Fußballplatz einfassende Banden prallende Bälle ein Geräusch erzeugt, das den Grundgeräuschpegel in der Umgebung der Liegenschaften der Streitteile deutlich, in der Regel aber nicht über die Planungsrichtwerte gemäß Ö-NORM für Wohngebiete hinausgehend, erhöht.

Die Klägerin begehrte, dem Beklagten zu verbieten, durch den Betrieb eines Fußballplatzes Lärm zu verursachen, insbesondere durch das Abprallen von Bällen an der Umzäunung, soweit der Geräuschpegel von 41 dB (A) um mehr als 5 dB (A) überschritten wird. Sie sei in der ortsüblichen Nutzung ihrer Wohnung massiv beeinträchtigt.

Der Beklagte wendete ein, durch das Bespielen des Fußballplatzes werde der ortsübliche Geräuschpegel nicht überschritten, überdies werde die Nutzung der Wohnung der Klägerin nicht wesentlich eingeschränkt.

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil unter Einbeziehung der näheren Umgebung der klägerischen Liegenschaft und unter Berücksichtigung der Häufigkeit und Intensität der störenden Bandenschüsse gerade noch nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Nutzung für die Klägerin gesprochen werden könne.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der erhobene Lärmbasispegel nur eines von vielen Beurteilungskriterien wäre, weil die örtlichen Verhältnisse in Bezug auf den Tagesablauf und die Vielzahl möglicher Lärmquellen, aber auch wegen unterschiedlicher Witterungs- und Windverhältnisse ständigen Schwankungen unterliege. Nach der maßgeblichen objektiven Betrachtungsweise liege unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der örtlichen Verhältnisse im weiteren Sinn, der Schwankungen im Tagesablauf und je nach unterschiedlichen Witterungsbedingungen, keine nach § 364 Abs 2 ABGB untersagbare Immission vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, mit der sie ihr Unterlassungsbegehren weiter verfolgt, ist entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden, Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Fragen der Ortsüblichkeit betreffen regelmäßig den Einzelfall und werfen daher im Allgemeinen keine erheblichen Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO auf (6 Ob 105/11a mwN; vgl RIS-Justiz RS0014685).

Lärmeinwirkungen sind mittelbare Immissionen, die nur soweit, als sie das ortsübliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benutzung wesentlich beeinträchtigen, untersagt werden können. Der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB setzt daher voraus, dass die Beeinträchtigung (Immission) sowohl ortsunüblich als auch unzumutbar ist (4 Ob 99/12f; 6 Ob 105/11a, je mwN).

Der Maßstab der Wesentlichkeit der Einwirkung ist in erster Linie ein objektiver, der auf die Benützung der Nachbargrundstücke abstellt und daher von der Natur und Zweckbestimmung des beeinträchtigenden Grundstücks abhängig ist. Maßgeblich ist demnach nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern das eines Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des Gestörten befindet (RIS-Justiz RS0010607, RS0010557). Maßgebend sind die Lage des beeinträchtigten Grundstücks zu dem, von dem die Störung ausgeht, und die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Liegenschaften (RIS-Justiz RS0010678, RS0010653). Für die Ortsüblichkeit und deren Intensität können auch Ö-NORMEN als Anhaltspunkt dienen, Flächenwidmungsplänen kommt nur Indizfunktion für die in dem betreffenden Raum bestehenden Verhältnisse sowohl in Bezug auf Art und Ausmaß üblicher Immissionen als auch der Grundstücksnutzung zu (4 Ob 99/12f; 6 Ob 105/11a, je mwN). Bei der Beurteilung, ob ungebührlicherweise störender Lärm vorliegt, kommt es nicht bloß auf die Lautstärke an, zu beachten ist auch, ob die Beeinträchtigung häufig und lang andauernd erfolgt, maßgeblich ist weiters auch die Tageszeit (RIS-Justiz RS0037203; vgl RS0117954, RS0010557, RS0110281). Neben dem Grad und der Dauer der Einwirkung und ihrer Störungseignung sind auch das Herkommen und das öffentliche Interesse wesentlich (6 Ob 105/11a mwN).

Die Vorinstanzen haben die Abweisung des klägerischen Unterlassungsbegehrens nicht darauf gestützt, dass die beanstandeten Lärmimmissionen ortsüblich wären, sondern eine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung der klägerischen Liegenschaft verneint. Die hiebei nach den konkreten Umständen des Falls vorgenommene Abwägung bildet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang vor allem auch, dass der Fußballplatz nur zu eingeschränkten Zeiten benützt wird (der Sonntag ist gänzlich spielfrei, die die Klägerin besonders störende Lärmentwicklung in den Abendstunden ist durch das frühere Spielende am Samstag weiter eingeschränkt). Zwar werden die festgelegten Spielzeiten von den Schülern nicht immer eingehalten, die Benützung des Platzes vor 14:00 Uhr ist jedoch wegen der schulbedingten Abwesenheit der meisten Heimbewohner höchst selten. Zu berücksichtigen ist weiters, dass witterungsbedingt der Hartfeldplatz im Freien nicht durchgehend ganzjährig genutzt werden kann, sodass sich weitere zeitliche Einschränkungen ergeben. Auch wenn der Lärm auch noch bei geschlossenen Fenstern wahrgenommen wird, ist die Beeinträchtigung im Wohnungsinneren naturgemäß wesentlich geringer als auf der Dachterrasse, auf der die Lärmmessungen durchgeführt wurden. Selbst diese brachten im Wesentlichen keine Überschreitungen der auf die örtlichen Verhältnisse bezogenen Lärmschutznormen. Die von den Vorinstanzen ihrer Beurteilung der Nutzungsbeeinträchtigung als nicht wesentlich zugrunde gelegte Gesamtschau ist vertretbar.

Da die Klägerin sohin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermochte, war ihre Revision zurückzuweisen.

Da der Beklagte auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwies, hat ihm die Klägerin gemäß §§ 41 und 50 ZPO die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

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