OGH 5Ob146/72

OGH5Ob146/7226.9.1972

SZ 45/98

Normen

ABGB §364 Abs2
ABGB §364 Abs2

 

Spruch:

Ein Untersagungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB ist auch dann gegeben, wenn nur ein Teil einer Liegenschaft, ja selbst nur eine Wohnung oder ein Wohnungsteil, wegen seiner besonderen Lage zum Nachbargrundstück durch Einwirkungen von diesem derart beeinträchtigt wird, daß dadurch das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten wird

Die Bewohner einer verkehrsreichen und durch den Straßenlärm eher beeinträchtigten Wohngegend müssen nicht auch zusätzlich noch den Lärm einer automatischen Kegelbahn, besonders in den Nachtstunden, in Kauf nehmen, wenn eine solche zusätzliche Beeinträchtigung nach den örtlichen Verhältnissen von vornherein überhaupt nicht zu erwarten war

OGH 26. 9. 1972, 5 Ob 146/72 (OLG Graz 5 R 29/72; LGZ Graz 10 Cg 199/71)

Text

Mit der am 7. 12. 1966 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin als Eigentümerin einer im Grazer Stadtgebiet gelegenen Liegenschaft von den Beklagten, die auf der Nachbarliegenschaft eine Gastwirtschaft mit automatischer Kegelbahn betreiben, den Betrieb dieser Kegelbahn ua deshalb einzustellen, weil dieser Betrieb mit einer empfindlichen und gesundheitsstörenden Lärmbelästigung verbunden sei, die sich insbesondere in den auf der Liegenschaft der Klägerin errichteten Aufenthaltsräumen ihrer Angestellten und in der dort befindlichen Dienstwohnung des Franz G, eines leitenden Angestellten der Klägerin, auswirke. Nach mehrfachen Änderungen des Klagebegehrens war zuletzt über folgendes Haupt- und Eventualbegehren zu entscheiden:

"Die beklagten Parteien seien als Besitzer der auf der Liegenschaft in Graz, E-Gasse 20, befindlichen Kegelbahn schuldig, die unzumutbare Lärmeinwirkung von dieser Kegelbahn aus auf die Liegenschaft der klagenden Partei in Graz, E-Gasse 22, insbesondere auf die dort befindliche Dienstwohnung, zu unterlassen, dies vor allem zur Nachtzeit ab 20 Uhr." Das Eventualbegehren lautet: "Die beklagten Parteien seien als Besitzer der auf der Liegenschaft Graz, E-Gasse 20, befindliche Kegelbahn schuldig, die Lärmeinwirkung von dieser Kegelbahn aus auf die Liegenschaft der klagenden Partei in Graz, E-Gasse 22, insbesondere auf die dort befindliche Dienstwohnung, zu unterlassen, soweit diese Lärmeinwirkung in der Zeit ab 20 Uhr den Grundgeräuschpegel von 16 dB (A) um mehr als 10 dB (A) übersteigt."

Das Erstgericht wies mit Urteil ON 80 das Haupt- und das Eventualbegehren im wesentlichen mit der Begründung ab, daß ein Untersagungsanspruch der Klägerin nach § 364 Abs 2 ABGB nicht bestehe, weil es sich bei der Kegelbahn der Beklagten um einen gewerbebehördlich genehmigten Betrieb handle.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte diesen Aufhebungsbeschluß. Es müsse, so führte der Oberste Gerichtshof aus, noch geklärt werden, ob für das Gebäude der Klägerin eine Benützungsbewilligung zu Wohnzwecken erteilt worden sei sowie ob die vom Betrieb der Kegelbahn ausgehenden Lärmbelästigungen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die Lärmbelästigung die ortsübliche Benützung der Liegenschaft der Klägerin wesentlich beeinträchtige. Ein nach § 364a ABGB zu beurteilender Tatbestand liege nicht vor, weil nach den von den Beklagten vorgelegten Urkunden die Kegelbahn der Beklagten nicht als behördlich genehmigte Anlage anzusehen sei. Gegen die Formulierung des Klagebegehrens bestunden keine Bedenken, wenn es auch fraglich sei, ob das Haupt- und das Eventualbegehren nicht als eine Einheit zu verstehen sei.

Nunmehr erkannte das Erstgericht die Beklagten als Besitzer der auf der Liegenschaft Graz, E-Gasse 20, befindlichen Kegelbahn schuldig, die unzumutbare Lärmeinwirkung von dieser Kegelbahn aus auf die Liegenschaft der Klägerin in Graz, E-Gasse 22, insbesondere auf die dort befindliche Dienstwohnung, zu unterlassen, soweit diese Lärmeinwirkung in der Zeit ab 20 Uhr den Grundgeräuschpegel von 16 dB (A) um mehr als 10 dB (A) übersteige.

Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß für das Hofgebäude der Klägerin, in dem sich die Dienstwohnung des Franz G befindet, die Benützungsbewilligung mit Bescheid vom 14. 1. 1955 erteilt wurde. Das Hofgebäude habe eine äußere Mauerstärke von nur 25 cm. Obwohl nach der damals geltenden Bauordnung eine äußere Mauerstärke von 38 cm vorgeschrieben war, wurde die Bauführung genehmigt. Die Außenmauer des Hofgebäudes, das sonst gewerblichen Zwecken dient, grenzt an das Gebäude der Beklagten, in dem die Kegelbahn errichtet ist. Die Baubewilligung für den Umbau dieses Gebäudes zu einer Kegelbahn wurde mit Bescheid vom 13. 8. 1965 unter der Voraussetzung erteilt, daß Schallschutzmaßnahmen getroffen würden, um ein Überschreiten der Lärmschwelle von 35 dzb zu verhindern. Mit Bescheid des Grazer Gewerbeamtes vom 7. 11. 1968 wurden den Beklagten aufgetragen, den Kegelbahnbetrieb wegen Lärmbelästigung des Franz G ab 22 Uhr einzustellen. Auf Berufung der Zweitbeklagten wurde die Sperrstunde der Kegelbahn mit 23 Uhr festgesetzt. Der Planverfasser dieser Kegelbahn schrieb am 20. 7. 1965 an die Klägerin, daß durch die den Beklagten aufgetragenen Sicherungsmaßnahmen der Maximallärm in der Wohnung des Franz G auf 16 Phon herabgesetzt worden sei. Das Hofgebäude der Klägerin mit der Wohnung des G liegt in einem mit Wohnungen dicht besiedelten Stadtteil von Graz. Die früher durch die E-Gasse führende Straßenbahnlinie wurde etwa im Oktober 1954 eingestellt. Im Schlafzimmer der Wohnung des G, das unmittelbar an die Kegelbahn anschließt, wurden zwischen 21 und 22 Uhr häufige Geräuschspitzen von 25 bis 27 dB (A) und sechs- bis zwölfmal in der Minute Geräuschspitzen von 32 bis 34 dB (A) gemessen. Um Mitternacht, also nach Einstellung des Kegelbahnbetriebes, beträgt der Grundgeräuschpegel in dieser Wohnung 16 dB (A). Der Straßenlärm (von am Haus der Klägerin vorüberfahrenden Kraftfahrzeugen) erreicht in der Wohnung des G bei geschlossenen Fenstern Werte bis zu 45 dB (A) und auch etwas darüber. Diese Störung ist jedoch besonders in den Nachtstunden durch genügende Zeitintervalle unterbrochen, während die Störungen durch den Kegelbahnbetrieb als häufig und durch die unmittelbare Aneinanderreihung der Geräuschspitzen als entscheidend anzusehen sind. Übersteigt der Grundgeräuschpegel in einem Wohnraum bei geschlossenen Fenstern zur Nachtzeit nicht 15 dB (A), ist dieser Raum als ruhig anzusehen. Die Grenze der zumutbaren Störung beträgt in einem solchen Fall 26 dB (A). Der Grundgeräuschpegel einer in einer verkehrsreichen Gegend gelegenen Wohnung beträgt 25 dB (A), die Grenze der zumutbaren Störung liegt für eine solche Wohnung bei 35 dB (A).

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, daß die Benützung der Liegenschaft der Klägerin zu Wohnzwecken wegen der erteilten baubehördlichen Benützungsbewilligung als ortsüblich anzusehen sei. Die geringere als seinerzeit vorgeschriebene Wandstärke der Außenmauer des Gebäudes sei deshalb für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung. Die Wohnung des G befinde sich in einer ruhigen Lage, weil sie in einem akustisch geschlossenen Hof liege. Für sie betrage daher die Grenze der zumutbaren Geräuschbelästigung 26 dB (A). Da durch den Betrieb der Kegelbahn der Beklagten diese Grenze in der Zeit nach 20 Uhr häufig erreicht und sechs- bis zwölfmal in der Minute im Mittel um 7 dB (A) überschritten werde, übersteige die von der Liegenschaft der Beklagten ausgehende Lärmeinwirkung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß und beeinträchtige die ortsübliche Benützung des Grundstückes der Klägerin wesentlich, weshalb der geltend gemachte Untersagungsanspruch der Klägerin gegeben sei. Das Haupt- und das Eventualbegehren müßten als Einheit verstanden werden, weshalb die entsprechende Neufassung des Urteilsspruches zulässig gewesen sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf; es verwies die Rechtssache abermals unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung zurück.

Das Berufungsgericht billigte zwar die im Berufungsverfahren nicht ausdrücklich bekämpfte Auffassung des Erstgerichtes, daß beide Beklagte als Eigentümer der Liegenschaft, von der die behauptete Störung ausgehe, zur Klage passiv legitimiert seien und daß die Benützung der Liegenschaft der Klägerin zu Wohnzwecken wegen der baubehördlichen Benützungsbewilligung als ortsüblich zu gelten habe. Es vertrat auch die Meinung, daß durch den von den Beklagten im fortgesetzten Verfahren zusätzlich vorgelegten Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 6. 7. 1971 keine Genehmigung der Kegelbahn als Betriebsanlage nach §§ 25 ff GewO ausgesprochen worden sei, sowie daß die von der Berufung behaupteten Feststellungsmängel in bezug auf die Erfüllung der den Beklagten im Baubewilligungsbescheid, betreffend die Kegelbahn, erteilten Auflagen nicht vorlägen. Ebenso hielt das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichtes für unbedenklich, daß sich die Beklagten nicht auf die geringere Mauerstärke des Hofgebäudes der Klägerin berufen könnten, weil dieses baubehördlich bewilligt worden sei.

Es fand jedoch noch als klärungsbedürftig, ob die Lärmeinwirkung der Kegelbahn das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite. Es komme nicht auf die Hoflage der Wohnung des G an, sondern darauf, welche Lärmeinwirkungen in jenem Stadtteil, in dem diese Wohnung gelegen sei, ab 20 Uhr als ortsüblich angesehen werden müßten. Hierbei könne allerdings auf die Richtwerte der Önorm B 8115, Schallschutz und Hörsamkeit im Hochbau, zurückgegriffen werden. Es sei jedoch zu beachten, daß ein Untersagungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB schon dann gegeben sei, wenn die Belästigung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite, während es nicht notwendig sei, daß die Beeinträchtigung den Grad der Unzumutbarkeit oder Gesundheitsstörung erreiche bzw daß der von der Nachbarliegenschaft ausgehende Lärm den Grundgeräuschpegel um mindestens 10 dB (A) erhöhe und damit die Lautheit verdopple. Es sei daher zunächst die ortsübliche Lautheit und sodann festzustellen, ob die von der Kegelbahn ausgehende Lärmeinwirkung die ortsübliche Benützung der Liegenschaft der Klägerin zu Wohn- oder Schlafzwecken wesentlich beeinträchtige. Daraus werde sich allenfalls die Notwendigkeit einer neuerlichen Präzisierung des Klagebegehrens ergeben. Ebenso sei bei der Urteilsfällung zu berücksichtigen, daß die Unterlassung der Lärmeinwirkung auf die Liegenschaft der Klägerin schlechthin begehrt werde, daß aber die behauptete Beeinträchtigung offenbar nur für die Dienstwohnung des G zutreffe, während eine wesentliche Beeinträchtigung der übrigen Liegenschaft, soweit diese zu gewerblichen Zwecken benützt werde, kaum in Betracht komme. Im übrigen hatte das Berufungsgericht aber gegen die vom Erstgericht gewählte Fassung des Urteilsspruches keine Bedenken.

Infolge Rekurses beider Parteien hob der Oberste Gerichtshof den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes auf und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Beklagten auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Allerdings vermag der Oberste Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung einem Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht entgegenzutreten, wenn das Berufungsgericht, ausgehend von einer richtigen rechtlichen Beurteilung der Sache, das Verfahren noch ergänzungsbedürftig findet. Im vorliegenden Fall kann nun dem Berufungsgericht zwar nicht der Vorwurf gemacht werden, daß es die Voraussetzungen des nachbarlichen Untersagungsrechtes nach § 364 Abs 2 ABGB nicht erkannt hätte - daß die für eine Unterlassungsklage erforderliche regelmäßige Wiederkehr der Immission und die Wiederholungsgefahr (vgl SZ 32/88 und SZ 35/28) gegeben ist, war schon bisher nicht strittig und bedurfte daher keiner ausdrücklichen Erörterung -, es ist jedoch auch die Beantwortung der Frage, ob Feststellungsmängel vorliegen oder ob die Sache auf Grund der von der ersten Instanz getroffenen Feststellungen spruchreif ist, das Ergebnis der rechtlichen Beurteilung der Sache. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht die im Berufungsverfahren bekämpften Feststellungen des Erstrichters übernimmt. Erscheinen ihm nämlich die Feststellungen bedenklich, hat es die Beweise zu wiederholen und, soweit seine abweichenden Feststellungen die Ergänzung des Verfahrens notwendig machen, auch die ergänzenden Feststellungen selbst zu treffen. Daraus folgt, daß ein nicht auf Verfahrensmängeln beruhender Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes dann nicht haltbar ist, wenn die Sache auf Grund der Feststellungen des Erstrichters spruchreif ist.

Ebenso ist die Beantwortung der Frage, ob die festgestellten Einwirkungen vom Nachbargrund das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstückes der Klägerin wesentlich beeinträchtigen, das Ergebnis der rechtlichen Beurteilung der Sache. Das Erstgericht hat festgestellt, daß die Liegenschaft der Klägerin in einem mit Wohnungen dicht besiedelten Stadtteil gelegen ist und daß für das darauf errichtete Hofgebäude die baubehördliche Bewilligung zur Benützung für Wohnzwecke erteilt wurde. Es ist daher die Annahme der Untergerichte, daß die Benützung der Liegenschaft der Klägerin zu Wohnzwecken durchaus ortsüblich ist, nicht rechtsirrig, selbst wenn die übrige Liegenschaft der Klägerin und andere Liegenschaften in der Umgebung auch teilweise oder ganz gewerblich genutzt werden sollten. Weiter wurde als erwiesen angenommen, daß der durch den Betrieb der Kegelbahn von der Liegenschaft der Beklagten ausgehende Lärm in der Dienstwohnung des G auf der Liegenschaft der Klägerin in der Zeit zwischen 21 und 22 Uhr mit einer Lautstärke von 25 bis 34 dB (A) wahrzunehmen ist, während der Grundgeräuschpegel dieser Wohnung nach Einstellung des Kegelbahnbetriebes nur 16 dB (A) beträgt. Allerdings wurde auch festgestellt, daß der Straßenlärm in diese Wohnung bei geschlossenen Fenstern mit besonders bei Nacht seltenen Geräuschspitzen bis zu 45 dB (A) und darüber eindringt; die hiedurch verursachten Störungen werden jedoch durch genügende Zeitintervalle unterbrochen, während die Störungen durch den Kegelbahnbetrieb wegen der unmittelbaren Aneinanderreihung der Geräuschspitzen als entscheidend (besonders störend) anzusehen sind. Diese Feststellungen sind für die Beurteilung der Einwirkung des Lärms der Kegelbahn auf die Liegenschaft der Klägerin insofern von Bedeutung, als nach den weiteren Feststellungen des Erstrichters der Grundgeräuschpegel in einer als ruhig anzusehenden Wohnung 15 dB (A) nicht übersteigt und die Steigerung des Grundgeräuschpegels in einer solchen Wohnung auf 26 dB (A) bereits als unzumutbar anzusehen ist, während für in einer verkehrsreichen Gegend gelegene Wohnungen der Grundgeräuschpegel 25 dB (A) beträgt und die Grenze der zumutbaren Störung bei 35 dB (A) liegt. Es ist nun freilich richtig, daß es sich bei den hier angegebenen Werten des Grundgeräuschpegels einer Wohnung in ruhiger bzw verkehrsreicher Lage und der Grenze der zumutbaren Lärmbeeinträchtigung nicht um Werte handelt, die auf allgemein verbindlichen Vorschriften beruhen; sie sind jedoch, wenn man den Ausführungen des in erster Instanz vernommenen Sachverständigen folgt und sie mit den Richtwerten der als Empfehlung des zuständigen Fachnormenausschusses zu wertenden Önorm B 8115 vergleicht, durchaus geeignet, die Lärmeinwirkung der Kegelbahn auf die Liegenschaft der Klägerin zu beurteilen.

Der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß es auf die Hoflage der Wohnung G nicht ankomme und daß der geltend gemachte Untersagungsanspruch der Klägerin bestenfalls nur für jenen Teil ihrer Liegenschaft gegeben sein könnte, in dem sich diese Dienstwohnung befindet, kann nicht beigetreten werden. Ob die vom Nachbargrund einwirkende Belästigung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt und die ortsübliche Benützung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigt, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (ebenso 5 Ob 337/71). Freilich sind die vom Gesetz gebrauchten Ausdrücke "örtlich" und "ortsüblich" nicht iS einer politischen Gemeinde zu verstehen, die Beantwortung der Frage, ob die Beeinträchtigung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt, ist auch nicht auf das beeinträchtigte Grundstück allein abzustellen, entscheidend sind vielmehr die Lage des beeinträchtigten Grundstückes zu jenem, von dem die Störung ausgeht sowie die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Liegenschaften. Daraus folgt aber, daß ein Untersagungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB auch dann gegeben ist, wenn nur ein Teil einer Liegenschaft, ja selbst nur eine Wohnung oder ein Teil einer Wohnung wegen ihrer besonderen Lage zum Nachbargrundstück durch Einwirkungen von diesem derart beeinträchtigt wird, daß die Beeinträchtigung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt.

Bei der Beurteilung, ob eine beanstandete Einwirkung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt, kommt es nicht nur auf die Intensität, sondern auch auf die Art dieser Einwirkung und den Grad ihrer Störungseignung an. So wurde bereits ausgesprochen, daß die Bewohner von Weinbau- und Weinausschankgegenden die zeitweise Beeinträchtigung ihrer Nachtruhe durch den von Buschenschenken ausgehenden Lärm in Kauf nehmen müssen, sofern er nicht das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitet (SZ 25/221). In gleicher Weise müssen die Inhaber von Grundstücken, die in der Nähe eines Marktes liegen, den mit der nächtlichen Anlieferung und dem Abladen der Ware notwendig verbundenen Lärm in Kauf nehmen; in Gegenden, in denen zur Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses Straßen gebaut, erweitert oder repariert werden müssen, haben die Nachbarn auf die Dauer dieser Arbeiten Beeinträchtigungen durch die damit verbundenen Einwirkungen (Erschütterungen, Lärm und ähnliches) zu ertragen, wenn diese Einwirkungen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht überschreiten. Je nachdem, wo diese Arbeiten auszuführen sind (zB in einem freien oder verbauten Gelände, in einem "Erholungsdorf"), wird zu beurteilen sein, welche Straßenbaumaschinen eingesetzt werden können und welche sonstigen Vorkehrungen zu treffen sind, damit die durch die Bauarbeiten bewirkte Beeinträchtigung der Nachbarn nicht deren Untersagungsrecht begrundet (in diesem Sinn 5 Ob 120/70). Darüber hinaus kommt diesen Nachbarn aber in jedem Falle noch ein Untersagungsrecht wegen von anderen Störungsquellen ausgehenden Einwirkungen zu, wenn diese zusätzlichen Einwirkungen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten, also geeignet sind, in der betreffenden Gegend als besonders störend empfunden zu werden, weil sie dort weder typisch noch von vornherein zu erwarten sind. Daß in der Umgebung der Liegenschaften der Streitteile etwa andere Kegelbahnen oder ähnliche lärmverursachende Einrichtungen zur öffentlichen Belustigung (wie etwa im "Wurstelprater") ansässig wären, wurde nicht einmal behauptet. Es kann nun nicht gesagt werden, daß die Bewohner einer verkehrsreichen und durch den Straßenlärm eher beeinträchtigten Wohngegend auch den zusätzlichen Lärm einer automatischen Kegelbahn, besonders in den Nachtstunden, in Kauf nehmen müßten, wenn eine solche zusätzliche Beeinträchtigung nach den örtlichen Verhältnissen überhaupt nicht von vornherein zu erwarten ist. Umso weniger entspricht die Beeinträchtigung der infolge ihrer Hoflage geradezu als ruhig anzusehenden Wohnung des G durch den Lärm der in dem unmittelbar angrenzenden Gebäude der Nachbarliegenschaft eingerichteten Kegelbahn den "örtlichen Verhältnissen". Es bestehen deshalb keine Bedenken, jede wesentliche Beeinträchtigung der Bewohnbarkeit der Wohnung des G durch den von der Kegelbahn ausgehenden Lärm als eine das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitende und daher rechtswidrige Einwirkung (vgl Klang[2] II 172) zu beurteilen.

Darauf, ob die den Beklagten im Baubewilligungsbescheid aufgetragenen Schallschutzmaßnahmen bei der Errichtung der Kegelbahn eingehalten wurden, kommt es nicht an. Im übrigen ist die Meinung der Beklagten in ihrem Rekurs unrichtig, daß die Verwaltungsbehörde eine Lärmgrenze von 35 dB (A) für zulässig erachtete. In diesem allerdings noch nicht rechtskräftigen Bescheid vertrat die Verwaltungsbehörde den Standpunkt, daß der durch den Betrieb der Kegelbahn der Beklagten in den Nachtstunden verursachte Störlärm für die Bewohner des Nachbarobjektes nicht zumutbar sei. Es kommt auch entgegen der Meinung der Beklagten nicht darauf an, ob der Grundgeräuschpegel der Wohnung des G früher, etwa durch den Drei-Schichten-Betrieb einer in der Nähe der Liegenschaft der Streitteile gelegenen Fabrik, lauter als gegenwärtig war. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob der von der Liegenschaft der Beklagten auf die Nachbarschaft einwirkende Lärm das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitet, sind nämlich nur die Verhältnisse am Schluß der Verhandlung erster Instanz und die für diesen Zeitpunkt ermittelten Werte der Schalleinwirkung auf die Wohnung des G mit und ohne den vom Betrieb der Kegelbahn der Beklagten ausgehenden Lärm. Geht man von den Feststellungen des Erstgerichtes hierüber aus, so erscheint es nicht zweifelhaft, daß der in der Wohnung des G in den Nachtstunden eindringende Lärm der Kegelbahn, der nahezu eine vierfache Lautheit des Grundgeräuschpegels erreicht, das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitet. Damit wäre aber, wenn die Feststellungen des Erstgerichtes vom Berufungsgericht übernommen werden sollten, der Untersagungsanspruch der Klägerin gegenüber dieser Beeinträchtigung iS des § 364 Abs 2 ABGB gegeben.

Die Vorschrift des § 364a ABGB kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Die Beklagten haben sich zwar auf die gewerbebehördliche Genehmigung ihrer Kegelbahnanlage berufen, jedoch noch in der letzten Tagsatzung zur Streitverhandlung ausdrücklich erklärt, ihre Behauptung nur auf die beiden Bescheide zu stützen, von welchen Beilagen der Oberste Gerichtshof bereits erkannte, daß sie keine gewerbebehördliche Genehmigung der Betriebsanlage enthalten. Die Beklagten legten zwar in erster Instanz auch noch den Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 6. 7. 1971 vor, sie unterließen jedoch hierzu ein weiteres Sachvorbringen. Abgesehen davon, ist dieser Bescheid aber gleichfalls nicht geeignet, die Behauptung der Beklagten über die gewerbebehördliche Genehmigung der Kegelbahnanlage zu unterstützen, zumal die Beklagten selbst eine Durchschrift ihrer Berufung gegen diesen Bescheid vorlegten.

Daraus folgt aber, daß die Sache, wenn das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes übernehmen sollte, iS einer Bestätigung des Ersturteils spruchreif ist. Anderenfalls wird das Berufungsgericht die ihm nötig erscheinenden Feststellungen selbst zu treffen und seiner Beurteilung der Sache zugrunde zu legen haben.

Es war daher der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

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