OGH 2Ob94/00p

OGH2Ob94/00p21.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl-Heinz J*****, Lehrer, ***** vertreten durch Dr. Karlheinz Plankel, Dr. Herwig Mayrhofer und Dr. Robert Schneider, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Josef K*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Henrik Gunz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Unterlassung (Streitwert S 30.000,--) und Leistung (Streitwert S 60.000,--), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 30. November 1999, GZ 2 R 337/99w-57, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 4. August 1999, GZ 2 C 1243/91z-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Eigentümer zweier aneinander grenzenden Grundstücke in H*****.

Der Beklagte hat früher das Fuhrhaltergewerbe mit Pferden ausgeübt, daneben eine kleine Landwirtschaft betrieben und drei oder vier Stück Kühe gehalten. Im Jahre 1953 hat er begonnen, mit Milch zu handeln. Die Landwirtschaft besteht seit 1970 im heutigen Umfang; der Beklagte bzw dessen Sohn, der die Landwirtschaft vom Beklagten gepachtet hat, hält etwa sechs Kühe.

Im Jahre 1965 wurde ein Heubelüfter angeschafft. Es handelt sich um

ein Gerät mit einem 6 kW starken Elektromotor. Der Heubelüfter wurde

an derselben Stelle montiert, an der er sich heute befindet. Zum

Zeitpunkt der Montage befand er sich in der Nähe des Einganges und

war weit lauter als heute, weil der Beklagte in der Folge einen Anbau

an die Tenne zufügte, wodurch eine etwas bessere Schalldämmung des

Heubelüfters erfolgte. Zum Montagezeitpunkt war eine baurechtliche

Genehmigung für die Aufstellung eines derartigen Heubelüfters nicht

erforderlich. Mit Eingabe vom 29. 1. 1991 und 15. 2. 1991 hat der

Beklagte beim Bauamt der Stadt H***** um die nachträgliche

Baubewilligung des bestehenden Maschinenraumes sowie Bewilligung des

bereits in Betrieb genommenen Heubelüfters angesucht. Am 5. 4. 1991

fand eine Bauverhandlung statt. Im Zuge dieser Bauverhandlung hat die

damalige Amtsärztin ein Gutachten über die Lärm- und

Geruchsbelästigung abgegeben und wörtlich ausgeführt: "Im Anschluss

daran wird der Heulüfter in Aktion besichtigt, von innen und von der

Grundstücksgrenze des Nachbarn J***** (Kläger) aus. Der Heubelüfter

hat jetzt gegenüber früher eine Umhausung erhalten und einen

Schalldämpfer. Es ist ein summendes, monotones von draußen kaum den

vorherrschenden Grundgeräuschpegel übertönendes Geräusch, soweit dies

mit 'freiem Ohr' hörbar ist, vernehmbar ... Der Heubelüfter stellt

derzeit eine über die Ortsüblichkeit hinausgehende Belästigung in

keiner Weise dar. ... Die derzeit zeitlich limitierten

Lärmeinwirkungen (07.00 Uhr bis 22.00 Uhr) übersteigen in Art und

Dauer nicht das ortsübliche Ausmaß. ... Es besteht somit in beiden

Belangen keine gesundheitliche Belästigung für die Anrainer aus derzeitiger Sicht".

Das Haus des Klägers wurde in den Vierziger-Jahren erbaut; zu diesem Zeitpunkt stand das Haus des Beklagten bereits. Der Vater des Klägers hat das Haus Ende der Vierziger-Jahre gekauft. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Nebenerwerbslandwirtschaft des Beklagten bereits betrieben.

Mit Bescheid des Amtes der Stadt H***** vom 16. 12. 1992 wurde dem Beklagten vorgeschrieben, dass der Heubelüfter schalldämmend derart zu umhausen ist, dass durch den Betrieb der Heubelüftungsanlage beim nächstgelegenen Wohnungsnachbarn ein "A-bewerteter" Beurteilungspegel von maximal 35 dB während der Nacht hervorgerufen wird. Der Beklagte bzw sein Sohn hatte zuvor über Anraten des damaligen Lärmsachverständigen eine Umhausung um den Heubelüfter und dann nach einer weiteren Messung des Sachverständigen nach dessen Angaben eine neue Umhausung mit 12 cm starker Dämmung aus Tellwolle angebracht.

Mit der am 11. Juni 1991 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt der Kläger zunächst den Beklagten schuldig zu erkennen, in Zukunft den Betrieb des Heubelüfters zu unterlassen. Der Beklagte nehme den Heubelüfter zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten in Betrieb; der Kläger werde insbesondere in den Abendstunden in unzumutbarem Maß belästigt. Da der Beklagte nicht bereit sei, den Betrieb des Heubelüfters einzustellen, sei er zur Klageführung gezwungen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Heubelüfter werde seit dem Sommer 1965 betrieben. Von 1965 bis 1990 habe niemand einen Einwand gegen die Heubelüftungsanlage gehabt. Erstmals im Jahre 1990 habe der Kläger wiederholt beim Bauamt der Stadt H***** urgiert und angezeigt, dass die Heubelüftungsanlage ohne Baubewilligung betrieben werde. Die Anlage arbeite äußerst geräuscharm und sei nur zu Zeiten der Heuernte in Betrieb.

Der Kläger führte weiters aus, dass sein Unterlassungsanspruch auch aus einem rechtskräftigen Baubescheid resultiere, nach welchem der Heubelüfter lediglich mit einem Maximalwert von 36 dB während der Nacht betrieben werden dürfe. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 19. 5. 1998 modifizierte der Kläger sein Klagebegehren dahingehend, dass die vom Heubelüfter ausgehenden Lärmimmissionen so weit zu unterlassen seien, als diese das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Benützung seines Grundstückes wesentlich beeinträchtigten. Er erhob weiters drei Eventualbegehren, wonach der Beklagte schuldig sei, die vom Heubelüfter ausgehenden Lärmimmissionen insoweit zu unterlassen, als dies a) während des Tages von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr den A-bewerteten Schallpegel von 46 dB (Zumutbarkeitsgrenze) und während der Nacht von 22.00 bis 06.00 Uhr den A-bewerteten Schallpegel von 40 dB (Zumutbarkeitsgrenze) überschreite; b) während des Tages und der Nacht den ortsüblichen Grundgeräuschpegel von 30 dB (Tag) bzw 30 dB (Nacht) überschreite; c) den Maximalwert nach dem rechtskräftigen Baubescheid von 35 dB überschreite.

Der Kläger dehnte schließlich sein Begehren um Zahlung von S 60.000 aus; er habe einen Schaden erlitten, der ihm und seiner Familie an entgangener Lebensfreude entstanden sei.

Das Erstgericht wies das Klagehauptbegehren sowie die Eventualbegehren ab.

Es ging neben den eingangs wiedergegebenen Feststellungen von weiteren folgenden Feststellungen aus:

Die beiden Anwesen der Streitteile befinden sich im Wohngebiet. Neben der Nebenerwerbslandwirtschaft des Beklagten befinden sich weitere Landwirtschaften. So wird in einer Entfernung von ca 200 m Luftlinie eine weitere Landwirtschaft durch Else J***** und knapp daneben eine weitere durch Hans Jürgen J***** betrieben. Bis vor einem Jahr wurde auch noch eine weitere Landwirtschaft in derselben Entfernung betrieben.

Der Beklagte hatte je nach Witterung und Wachstum des Grases zwei bis drei Grasschnitte gemacht und das Heu anschließend in die Tenne gebracht. Dazu wurde der Heubelüfter in Betrieb genommen. Der erste Schnitt erfolgte üblicherweise Ende Mai bis Juni, der zweite etwa fünf Wochen später und ein allfällig erforderlicher dritter Schnitt im Herbst. Wenn das gesamte jeweils geschnittene Heu auf einmal eingebracht wird, ist die Heubelüftungsanlage etwa durch 14 Tage bis drei Wochen hindurch in Betrieb. In der ersten Woche läuft der Heubelüfter praktisch den ganzen Tag, danach nur mehr einige Stunden pro Tag. Wenn das ganze Heu nicht auf einmal eingebracht werden kann, wird der Heubelüfter durch eine Woche praktisch ganztägig und die nächsten oder zwei Wochen stundenweise in Betrieb genommen. Insgesamt ist der Heubelüfter während des gesamten Jahres zwei bis drei Monate in Betrieb. Der Sohn des Beklagten begann vor etwa fünf bis sechs Jahren, Siloballen zu erzeugen. Dabei bleiben die Siloballen eingepackt auf der Wiese liegen und kommen nicht in den Heustadel. Seitdem wird nur einmal im Jahr Heu eingebracht und dann der Heubelüfter in Betrieb genommen, wodurch sich die Dauer der Inbetriebnahme des Heubelüfters weiter verringert hat. In den Nachtstunden wird der Heubelüfter kaum in Betrieb genommen, sollte dies der Fall sein, dann wird die Dauer von 60 Minuten nicht erreicht. Üblicherweise wird der Heubelüfter etwa um 7 Uhr in der Früh eingeschaltet und zwischen 21 und 22 Uhr ausgeschaltet.

In den Jahren 1994 und 1998 wurden durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen Messungen vorgenommen. Der Sohn des Beklagten hat zwischen diesen beiden Messungen an der Innenseite des Vorbaus, in dem sich der Heubelüfter befindet, in Richtung zum Grundstück des Klägers Weichfaserplatten über die ganze Länge der Wand angebracht, die eine weitere Geräuschverminderung erbracht haben. In unmittelbarer Nähe der Streitteile befindet sich die K***** AG. Dieser Betrieb führte bis April 1997 einen Dreischichtbetrieb von Montag Früh 05.00 Uhr bis Samstag 10.00 Uhr vormittags. Zum Messzeitpunkt durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen (Samstag 15. 10. 1994 sowie in der Nacht vom 9. 11. 1994 auf 10. 11. 1994) war der Heustock bis oben gefüllt. Die K***** AG war zu diesem Zeitpunkt im Betrieb, wobei auch deren Grundgeräuschpegel mit erfasst wurde. Am Tag ergab sich ein Grundgeräuschpegel von 39 dB. Der Beurteilungspegel betrug 47 dB, während die Zumutbarkeitsgrenze 49 dB beträgt. In der Nacht betrug der Grundgeräuschpegel 30 dB. Der Beurteilungspegel betrug 41 dB, während die Zumutbarkeitsgrenze 40 dB betrug. Die maximale Lüfterlaufzeit dürfte bei einem Pegelwert von 40 5,5 Stunden betragen, um als ortsüblich betrachtet zu werden.

Bei einer weiteren Befundaufnahme war die (den Grundgeräuschpegel erzeugende) K***** AG nicht in Betrieb. Danach betrug der Grundgeräuschpegel bei Tag 32 dB, bei Nacht 26 dB. Der durchschnittliche Geräuschpegel betrug bei Tag 40 dB, bei Nacht 30 dB. Der Spitzenpegel, der in 1 % der zeitlichen Überschreitung auftritt, betrug bei Tag 49 dB, bei Nacht 37 dB. Der Grundgeräuschpegel mit der Lärmquelle (Heubelüfter) betrug bei Tag 39 dB, bei Nacht ebenfalls 39 dB, der durchschnittliche Pegel bei Tag 41 dB, bei Nacht 42 dB und der Spitzenpegel bei Tag 46 dB, bei Nacht 47 dB. Die zumutbaren Maximalbedingungen betragen bei Tag 42 dB, bei Nacht 36 dB. Der Betrieb des Heubelüfters ist am Tag zumutbar, in der Nacht jedoch zu laut, wenn er die ganze Nacht durchläuft. Unter diesen Bedingungen wäre eine Laufzeit von 90 Minuten in der Nacht noch zumutbar. Würde man von der im Baubescheid vorgeschriebenen maximalen Geräuschentwicklung von 36 dB in der Nacht ausgehen, ist dieser Wert überschritten. Um in diesem Fall auf 35 dB in der Nacht zu kommen, dürfte der Heubelüfter in der Nacht lediglich 60 Minuten in Betrieb genommen werden.

Eine Lautstärke von 30 dB wird als sehr leise (Flüstern, ruhiger Garten), 40 dB als leise (Wohnquartier ohne Verkehr), 50 dB als eher leise (leises Gespräch, ruhiger Bach), 60 dB als mäßig laut (Büro, 10 Personen, Gespräch bei normaler Lautstärke, PKW in 10 m Entfernung), 70 dB als laut (lautes Gespräch in 1 m Entfernung), 80 dB als sehr laut (Motorradfahrer in 5 m Entfernung) und 90 dB als unangenehm laut (schwerer LKW in 5 m Entfernung) empfunden. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Kläger oder seine Familie durch die vom Heubelüfter ausgehende Geräuschentwicklung Schaden oder Verlust an Lebensfreude erlitten hätten.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass der Heubelüfter schon seit dem Jahre 1965 in Betrieb, früher noch um Vieles lauter als heute gewesen sei und es bis zum Jahre 1991 niemanden gestört habe, als dieser Heubelüfter auch mit einer größeren Lautstärke in Betrieb gewesen sei. Im näheren Umkreis der Streitteile befänden sich noch drei weitere Landwirtschaften, von denen anzunehmen sei, dass ähnliche Lärmquellen vorhanden seien wie beim Beklagten. Eine von einem derartigen Heubelüfter ausgehende Geräuschentwicklung sei als ortsüblich anzusehen. Auch zur Nachtzeit werde der ortsübliche Lärm nicht überschritten, wenn davon ausgegangen werde, dass der Heubelüfter zur Nachtzeit nicht länger als eine Stunde in Betrieb genommen werde.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine unzulässige Immission durch Lärm vorliege, sei, ob der ortsübliche Geräuschpegel wesentlich überschritten werde. Die Ortsüblichkeit könne nur unter Berücksichtigung der Benützung der Liegenschaften innerhalb größerer Zeiträume beurteilt werden. Änderungen in den örtlichen Verhältnissen seien zu berücksichtigen. Es komme auf den Zeitpunkt der Beurteilung an. Allmählich wachsende oder wegen § 364a ABGB zu duldende Immissionen könnten daher das Maß des Zulässigen ebenso erhöhen, wie Änderungen in den Benützungsgepflogenheiten oder in der Bewertung bestimmter Beeinträchtigungen. Auch eine übliche Zunahme der Immissionen sei hinzunehmen. Wann aus einer Überschreitung des bis dahin Ortsüblichen eine Änderung des Üblichen werde, sei zweifelhaft. Die Untersagungsmöglichkeit könne nicht schon von vornherein an der Anerkennung eines neuen Standards scheitern. Hätten sich die für die Ortsüblichkeit maßgebenden Verhältnisse in der Zeit vor dem entscheidungsmaßgeblichen Zeitpunkt geändert, so stelle sich die Frage nach dem Beurteilungszeitraum für die Ortsüblichkeit. Ein bloßes Abstellen auf die augenblicklichen Verhältnisse hätte zur Folge, dass das gehäufte Auftreten mehrerer Störer innerhalb kurzer Zeit an einem Ort zu deren Immission plötzlich ortsüblich werden ließe. Umgekehrt müsse der Beurteilungszeitraum auch zeitlich beschränkt werden, weil sich sonst gestörte Nachbarn auf einen störungsfreien "Urzustand" vor allzu langer Zeit berufen könnten, womit die Duldungspflicht des § 364 Abs 2 ABGB praktisch gegenstandslos wäre. Die Ortsüblichkeit könne daher nur unter Bedachtnahme auf größere Zeiträume beurteilt werden. Der Oberste Gerichtshof habe zu 3 Ob 591/87 (JBl 1989, 578) in Anlehnung an die Ersitzungsfrist 30 Jahre als diesbezüglichen Beurteilungszeitraum bei Industrieimmissionen herangezogen. Zu 7 Ob 361/97 (= SZ 70/251) habe er die Rechtsauffassung vertreten, dass die Ortsüblichkeit unter Berücksichtigung des hinzugekommenen Lärms zu beurteilen sei, wenn der betroffene Anrainer eine Lärmsteigerung durch mehr als drei Jahre unbeanstandet hingenommen habe. Der Heulüfter sei von 1965 an betrieben worden; erstmals im Jahr 1990 habe der Kläger wiederholt beim Bauamt der Stadt Hohenems urgiert. Eine Zunahme der Immission sei damit nicht geschehen.

Das Berufungsgericht schließe sich der in der Entscheidung 7 Ob 361/97 vertretenen Rechtsauffassung an, wonach dann, wenn der betroffene Anrainer eine Lärmsteigerung durch mehr als drei Jahre unbeanstandet hinnehme, die Ortsüblichkeit unter Berücksichtigung des hinzugekommenen Lärms zu beurteilen sei. Durch das seit 1965 unbeanstandete Hinnehmen der durch den Heubelüfter bewirkte Immission sei dem Klagebegehren der Boden entzogen. Da nach den Feststellungen der vom Heubelüfter ausgehende Lärm auch jeweils unter der Zumutbarkeitsgrenze gelegen sei, bestehe der diesbezügliche Unterlassungsanspruch nicht zu Recht.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, ob in diesem Zusammenhang auf starre Fristen und wenn ja auf welche zurückgegriffen werden könne, nicht vorliege.

Der Kläger beantragt mit seiner Revision die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.

Lärmeinwirkungen sind mittelbare Immissionen, die nur so weit, als sie das ortsübliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benützung wesentlich beeinträchtigen, verboten werden können.

Die "Ortsüblichkeit" ist nach den tatsächlichen Verhältnissen in der maßgebenden Umgebung zu beurteilen (Spielbüchler in Rummel2 § 364 Rz 13; Oberhammer in Schwimann2 § 364 Rz 15 mwN; Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung, 279; Jabornegg, Privates Nachbarrecht und Umweltschutz, ÖJZ 1983, 365 [369]; Steiner, Zur Auslegung des Begriffes der Ortsüblichkeit im § 364 Abs 2 ABGB, JBl 1978, 133 [141]; 7 Ob 361/97g). Der beeinträchtigte Nachbar kann gegen Immissionen, die nicht von behördlichen Anlagen ausgehen, mit Unterlassungsklage vorgehen. Er muss daher schleichende Veränderungen, gegen die er sich nicht rechtzeitig zur Wehr gesetzt hat, dulden. Das Gesetz hat für die Duldungspflicht von Immissionen eine Interessenabwägung vorgenommen und dabei die Grundwertung getroffen, dass unwesentliche Beeinträchtigungen der ortsüblichen Nutzung oder wesentliche Beeinträchtigungen von ortsunüblichen Nutzungen geduldet werden müssen, wobei die Duldungspflicht davon abhängt, ob die Immission "das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitet" (Gimpel-Hinteregger aaO 278).

In zeitlicher Hinsicht ist bei der Feststellung der Ortsüblichkeit auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung abzustellen (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 323 mit Hinweis auf Soergel-Baur BGB V Rn 47 zu § 906; Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht 300; in diesem Sinne auch Steiner aaO 141; aM Klang in Klang II 172).

Es ist weiterhin anerkannt, dass der Begriff der Ortsüblichkeit

Veränderungen unterworfen ist und dies auch den Intentionen

entspricht, die der Gesetzgeber bei Einführung dieses Begriffes

verfolgt hat (Jabornegg aaO 370). Strittig ist allerdings die Frage,

ab wann eine bestimmte Immission als ortsüblich angesehen werden kann.

In der Rechtsprechung wurde der Aufassung Jaborneggs folgend ausgesprochen (JBl 1989, 578), dass bei Vorliegen von Immissionen über einen längeren Zeitraum hinaus, welche das Maß der Ortsüblichkeit prägten, dieser Zeitraum in Anlehnung an Jabornegg (ÖJZ 1983, 371 f und Gutachten bürgerliches Recht und Umweltschutz, 9. ÖJT 53 f) mit der allgemeinen Ersitzungs- und Verjährungszeit angesetzt werden könne.

Diese Auffassung wurde in der Entscheidung JBl 1990, 789 dahingehend relativiert, dass die 30-jährige Frist nur für die Beurteilung der Frage Bedeutung habe, ob die strittige Gegend ein Industriegebiet sei. In der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 7 Ob 361/97g

(= SZ 70/251 = ecolex 1998, 625 = NZ 1999, 75 = RdU 1998, 92

[Kerschner] = RdW 1998, 260) wurde der Meinung Spielbüchlers (in Rummel2 § 364 Rz 15) folgend ausgesprochen, dass durch die unbeanstandete Hinnahme einer Lärmsteigerung durch mehr als drei Jahre für die Beurteilung der Ortsüblichkeit der Geräuschpegel der vor Klageerhebung liegenden drei Jahre maßgeblich sei.

Dieser Entscheidung wurde von Kerschner in seiner Entscheidungsbesprechung RdU 1998/2, 95 entgegengetreten.

In der Lehre werden zur Frage, wann wegen Untätigkeit des Nachbarn Veränderungen von Lärmimmissionen als ortsüblich anzusehen sind, unterschiedliche Auffassungen vertreten (vgl Jabornegg, Privates Nachbarrecht und Umweltschutz, ÖJZ 1983, 365 [371]; Kerschner in Hanreich/Schwarzer, Umwelthaftung, 46; derselbe, Entscheidungsbesprechung RdU 1998/2, 95; Spielbüchler in Rummel2 § 364 Rz 15; Oberhammer in Schwimann2 § 364 Rz 15; Steiner (Zur Auslegung des Begriffes der Ortsüblichkeit im § 364 Abs 2 ABGB, JBl 1978, 133).

Im vorliegenden Fall muss allerdings nicht entschieden werden, ob die für die Ortsüblichkeit einer Lärmimmission maßgebliche Untätigkeit des Nachbarn 3 oder 30 Jahre andauern muss oder ob die Veränderung der Ortsüblichkeit nicht vom System der Verjährungsfristen abhängt. Nach den konkreten Umständen war die Heubelüfteranlage zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz am 12. 1. 1999 (Koziol, Haftpflichtrecht II2 323) im Jahre 1999 jedenfalls länger als 30 Jahre in Betrieb. Damit entspricht diese Dauer der Untätigkeit aber der in der Lehre vertretenen strengsten Auffassung, um Ortsüblichkeit annehmen zu können. Von der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage hängt die Entscheidung daher nicht ab. Auch in der Revision werden keine erheblichen Rechtsfragen releviert.

Daher war die Revision - ungeachtet des nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruches, dass die ordentliche Revision zulässig sei - zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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