BVwG G305 2187823-1

BVwGG305 2187823-131.8.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:G305.2187823.1.00

 

Spruch:

G305 2187823-1/12E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD

Oberösterreich ASt Linz, vom 12.01.2018, Zl.: XXXX, nach

Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3

und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: so oder kurz: BF) stellte am 19.07.2015, um 11:30 Uhr vor Organen der LPD Niederösterreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde er noch am selben Tag, ab 14:59 Uhr, einer Erstbefragung unterzogen.

 

Anlässlich dieser Erstbefragung gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er um sein Leben fürchte und sich sicher sei, dass er nicht mit dem IS kämpfen wolle. Auch sei er nicht bereit, auf seine Familie oder seine Landsleute zu schießen. Er wolle auch keine Waffen tragen.

 

2. Anlässlich seiner am 21.08.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) stattgehabten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er Träume gehabt hätte, die er nicht habe verwirklichen können. Auch habe er die Universität nicht beenden können, da er nicht wusste, ob er nach Hause zurückkommen würde, oder nicht. Auch sei er für die Dauer von 15 Tagen von Islamisten inhaftiert worden, da er während der Gebetszeit vergessen habe, den Laden zu schließen. In seinem Land, insbesondere in MOSSUL gebe es keine Sicherheit mehr. Sein Land sei zerstört. Die schiitischen Milizen könnten alles bezahlen, wenn man nur genügend Schmiergeld zahle. Weiter brachte er vor, dass sein Vater bedroht worden sei. Auch sei auf seinen Bruder geschossen worden, der dabei getötet worden sei.

 

3. Anlässlich einer am 06.12.2017 von Organen der belangten Behörde durchgeführten neuerlichen Einvernahme wurde er zur behördlichen Wahrnehmung, dass in seinem Personalausweis das Lichtbild ausgetauscht wurde, einer Befragung unterzogen.

 

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.01.2018, Zl. XXXX, dem BF am 22.01.2018 durch Hinterlegung zugestellt, wurden der auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichtete Antrag des BF vom 19.07.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und dessen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf dessen Herkunftsstaat gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und ausgesprochen, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und wider ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen werde (Spruchpunkt IV.). Zudem stellte die belangte Behörde gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

 

5. Gegen diesen Bescheid richtete sich die zum 13.02.2018 datierte, bei der belangten Behörde am 15.02.2018 im Wege seiner Rechtsvertretung übermittelte Beschwerde, in der er erklärte, dass er den angefochtenen Bescheid vollumfänglich anfechte. Die Beschwerde verband er weiters mit den Anträgen, das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: so oder kurz: BVwG) wolle der Beschwerde stattgeben und ihm den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuerkennen, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG zuerkennen, in eventu feststellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, sowie dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG vorliegen und dem BF daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG einen Aufenthaltstitel von Amts wegen erteilen und die Spruchpunkte IV. und V. beheben, oder den Bescheid zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverweisen und eine mündliche Verhandlung durchführen.

 

6. Mit Beschwerdevorlage vom 28.02.2018, eingelangt am 02.03.2018, legte die belangte Behörde dem BVwG die gegen den oben bezeichneten Bescheid gerichtete Beschwerde des BF samt den Bezug habenden Verwaltungsakten vor und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

 

7. Am 13.08.2018 wurde vor dem erkennenden Gericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF und seiner rechtsfreundlichen Vertretung, sowie eines Dolmetschers für die Muttersprache des BF durchgeführt. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX, geb. am XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger.

 

Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist arabisch.

 

Er ist gesund und nimmt keine Medikamente oder Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung ein. Er ist arbeitsfähig und gibt sich arbeitswillig.

 

Er ist ledig und hat weder leibliche, noch adoptierte Kinder.

 

Nach seinen Angaben hat er im Bundesgebiet, sieht man von seiner Schwester, XXXX, deren Asylantrag von der belangten Behörde mit Bescheid vom 14.06.2017 zu Zl. XXXX abgelehnt wurde, ab, keine Verwandten bzw. nahen Angehörigen. Ob er mit einer in der Bundesrepublik Deutschland lebenden irakischen Staatsangehörigen, namens XXXX, liiert bzw. verlobt ist, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden. Es steht fest, dass im Haushalt des BF keine weibliche Person lebt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S.4].

 

1.2. Zu den Reisebewegungen des Beschwerdeführers:

 

Zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 verließ er gemeinsam mit anderen Mitreisenden ausgehend von MOSSUL schlepperunterstützt mit dem PKW den Herkunftsstaat nach SYRIEN und reiste über den Jebel Abiad (weißer Berg) in die Türkei aus. Ausgehend von MOSSUL wurde er von Angehörigen des IS gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von EUR 700,00 durch syrisches Gebiet bis an die Grenze zur Türkei geschleppt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 6]. In der Türkei angekommen, reiste er über eine nicht feststellbare Reiseroute nach ISTANBUL und von dort - nach einem ca. zweitägigen Aufenthalt - nach IZMIR weiter, von wo aus er - schlepperunterstützt - mit dem Schlauchboot auf eine nicht feststellbare griechische Insel übersetzte. Nachdem ihm dort Fingerabdrücke abgenommen wurden, reiste er mit einem Schiff weiter nach ATHEN und sodann über MAZEDONIEN mit der Bahn und einem LKW über die Balkanroute illegal ins Bundesgebiet ein, wo er von Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden aufgegriffen wurde [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 4].

 

Am 19.07.2015, 11:30 Uhr, stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 2].

 

Ob er den Herkunftsstaat tatsächlich am 02.06.2015 verließ [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 2], konnte nicht festgestellt werden.

 

1.3. Zur persönlichen Situation des BF im Irak:

 

Der BF besuchte im Irak sechs Jahre lang die Grundschule und drei Jahre lang die Mittelschule. Anschließend besuchte er fünf Jahre lang eine Fachschule für die "schönen Künste", die er abschloss. Sodann besuchte er in MOSSUL für die Dauer von ca. 2,5 Jahren die Universität, schloss diese aber nicht ab [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 3; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 5].

 

Den Lebensunterhalt verdiente er sich im Herkunftsstaat damit, dass er über einen nicht feststellbaren Zeitraum gemeinsam mit einem Freund im Stadtteil XXXX in MOSSUL ein Internetcafé betrieb. In diesem Stadtteil liegt auch das im Eigentum seines Vaters befindliche Familienhaus mit einer Fläche von ca. 500 m²; es konnte nicht festgestellt werden, dass dieses Haus nicht mehr existieren würde [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 5 und 7; siehe dazu jedoch BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 3].

 

Seinen Aussagen zufolge, war seine finanzielle Situation vor seiner am Ausreise aus dem Herkunftsstaat mittelmäßig [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 3].

 

Der Vater des BF, der ca. 66 jährige XXXX, dessen Mutter, die ca. 63 jährige XXXX, dessen zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1988 geborener Bruder, XXXX und dessen Schwester, die zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1993 geborene XXXX leben im Herkunftsstaat [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 3]. Die am 24.02.1983 geborene zweite Schwester des BF, XXXX, kam ebenfalls zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 nach Österreich und stellte hier am 18.08.2015, um 00:53 Uhr, einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.06.2017 hinsichtlich des auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Antrages gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und hinsichtlich des auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichteten Antrages gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen wurde und hinsichtlich der eine Rückkehrentscheidung erging.

 

Am 29.10.2013 kamen ein Bruder des BF, XXXX, und ein Cousin väterlicherseits durch Schüsse, die von unbekannten Personen auf den vom Bruder gehaltenen und gelenkten Privat-PKW abgegeben wurden, ums Leben. Dieser Vorfall wurde vom Vater des BF den öffentlichen Sicherheitsbehörden des Herkunftsstaates zur Anzeige gebracht. Die in der Folge eingeleiteten Ermittlungen ergaben jedoch keine Hinweise auf konkrete Täter bzw. dahin, dass die Schüsse von Angehörigen einer Miliz abgegeben worden sein könnten.

 

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die Familie des BF zwei Monate vor diesem Vorfall ein anonymes Drohschreiben erhalten hätte.

 

Es steht fest, dass der BF und dessen (Kern‑)Familie auch nach dem Vorfall vom 29.10.2013 im Familienhaus in MOSSUL verblieben sind, wobei der BF am 02.06.2015 ausgereist ist, während die übrigen im Familienhaus wohnhaft gewesenen Familienangehörigen der Kernfamilie des BF weiterhin dort verblieben sind. Dass der BF oder die übrigen Familienangehörigen seiner Kernfamilie in dem zwischen dem 29.10.2013 und der Ausreise des BF am 02.06.2015 gelegenen Zeitraum einer asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung ausgesetzt gewesen wären, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

 

1.4. Zur persönlichen Situation des BF in Österreich:

 

Der BF ist objektivierbar seit dem 19.07.2015 im Bundesgebiet aufhältig.

 

Er hat an der Volkshochschule XXXX im Zeitraum 18.09.2017 bis 04.12.2017 einen Deutschsprachkurs auf dem Niveau A2 für Asylwerber im Ausmaß von 75 Unterrichtseinheiten mit einer Anwesenheit von mindestens 80% besucht und an einem vom ÖIF veranstalteten Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. Eine über rudimentäre Deutschkenntnisse hinausgehende, tiefergreifende sprachliche Integration konnte anlassbezogen jedoch nicht festgestellt werden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 11].

 

Im Zeitraum Mai 2017 bis August 2017 war er am Bauhof der Marktgemeinde XXXX im Ausmaß von durchschnittlich 20 Stunden pro Monat tätig und betätigte er sich hier im Bereich der Straßenreinigung, in der Pflege des Ortsplatzes, in der Reinigung der Bauhoffahrzeuge, beim Unkrautjäten, beim Rasenmähen und bei diversen anderen Hilfstätigkeiten.

 

Am XXXX.2017 absolvierte er einen Erste-Hilfe-Grundkurs im Ausmaß von 16 Stunden beim ÖSTERREICHISCHEN ROTEN KREUZ.

 

Der BF lebt von den Mitteln der staatlichen Grundversorgung, ist im Bundesgebiet nicht erwerbstätig und hat auch keine konkreten Aussichten auf eine Erwerbstätigkeit in Österreich. Darüber hinaus ließen sich bei ihm keine wirtschaftlichen Interessen im Bundesgebiet feststellen. Seit dem 29.07.2015 bis laufend weist er durchgehend eine Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf und ist strafgerichtlich unbescholten.

 

Der BF hat lediglich mit seiner Schwester XXXX, deren Asylantrag abgelehnt wurde, eine im Bundesgebiet aufhältige Schwester. Während er mit Hauptwohnsitz XXXX, gemeldet ist, ist seine Schwester in Kärnten aufhältig [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 11]. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF von seiner Schwester finanziell und wirtschaftlich abhängig wäre.

 

Der BF ist ledig und hat selbst weder eigene, noch an Kindesstatt angenommene Kinder.

 

Mit Ausnahme seiner Schwester konnten bei ihm weder familiäre Anknüpfungspunkte, noch weitere, tiefgreifende und maßgebliche soziale Beziehungen bzw. Freundschaften im Bundesgebiet festgestellt werden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 4].

 

In Bezug auf den BF konnten keine Vereinsmitgliedschaften, Hobbies, ein längerfristiges und tiefergehendes soziales bzw. ehrenamtliches Engagement konstatiert werden. Ebenso wenig konnten Anhaltspunkte für die Annahme einer besonderen maßgeblichen Integration der des BF in Österreich in sprachlicher oder gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

 

1.5. Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

 

Seit Oktober 2016 war die allgemeine Sicherheitslage im Irak von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den durch eine Reihe schiitisch dominierter nichtstaatlicher Milizen (PMF Popular Mobilization Forces kurz: PMF) unterstützten irakischen Streitkräfte (ISF), den Streitkräften der kurdischen Regionalregierung (PESCHMERGA) sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der des Islamischen Staates (IS) auf der anderen Seite geprägt. Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften, gemeinsam mit der PMF sowie der weiteren verbündeten, teilweise ausländischen, Streitkräfte im Laufe der Jahre 2016 und 2017 gelang, die Einheiten des IS sowohl aus den besetzten Teilen der südwestlichen Provinz ANBAR als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL-DIN zu verdrängen, beschränkte sich das Herrschaftsgebiet des IS auf in der Stadt MOSUL. Nach der sukzessiven Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von dieser terroristischen Gruppierung kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak stand zuletzt vor allem die Kontrolle der Stadt MOSSUL im Fokus. Der Südirak, insbesondere die Provinz BASRA, war nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in den Jahren 2013 und 2014 betroffen.

 

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider AL-ABADI die Stadt MOSSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden von der Militärallianz auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie einer Enklave südlich von KIRKUK, doch gab der Premierminister AL-ABADI im Dezember 2017 bekannt, dass der IS auch in diesen Gebieten besiegt sei. Der IS wiederum versuchte die letzten zwei Jahre parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

 

Die Sicherheitslage innerhalb der KURDISCHEN AUTONOMIEREGION ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte sowie Grenzkontrollen und innerregionalen Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen.

 

Die sicherheitsrelevante Situation im Großraum BAGDAD ist durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des als sunnitisch zu bezeichnenden IS dazu dienen hätten sollen, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte zu richten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

 

Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit dem Jahr 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Leitung des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren. In Gebieten wie TIKRIT und MUQDADIYA sind wieder vermehrt Rückkehrer zu verzeichnen und ist eine deutliche Verbesserung beim Zugang zu Basisdiensten und beim Wiederaufbau von grundlegender Infrastruktur zu beobachten. Obwohl schiitische Milizen im Rahmen der Rückeroberung TIKRITS in einem Racheakt zunächst ganze Stadtteile zerstörten und Menschenrechtsverletzungen begingen (MOI 11.2.2016), sind inzwischen die meisten der ursprünglichen Einwohner TIKRITS dorthin zurückgekehrt und hat der Wiederaufbau der Stadt begonnen.

 

Die allgemeine Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen hat sich als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab dem Jahr 2008 stark verbessert und ist seit dem Jahr 2014 insgesamt als stabil anzusehen. Die Gegenoffensive der irakischen Militärallianz gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. In den südlichen Provinzen des Iraks ist der Großteil der Gewalt, die dort stattfindet, nicht terroristischer Natur, sondern krimineller und "tribaler" (d.h. stammesbezogener) Natur. Im Süden des Iraks leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten und liegen für die südlichen Provinzen (Anm.: BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. So finden sich auch keine Berichte über flächendeckende, langfristige Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten.

 

Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat die vormals friedliche Koexistenz zwischen Sunniten und Schiiten im Irak schwer erschüttert, Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft werden häufig zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen. Weder von Seiten des irakischen Staates noch von Seiten der schiitischen Milizen ist eine landesweite, systematische Verfolgung und Misshandlung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft festzustellen. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht.

 

Mit einem Anteil von ca. 35 % - 40 % der Gesamtbevölkerung bilden die Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft die größte Gruppe der Minderheiten des Iraks. Sunniten sind in der Gesellschaft und in der Politik vertreten, so treten auch im Mai 2018 auch sunnitische Parteien zu den Parlamentswahlen an. Es gibt zudem nach wie vor Regionen und Stadtteile in der Hauptstadt BAGDAD, die mehrheitlich sunnitisch geprägt sind. Darüber hinaus sind auch im von Schiiten dominierten und weitestgehend stabilen Süden des Iraks sunnitische Enklaven und ein weitestgehend beständiges Nebeneinander von Sunniten und Schiiten zu beobachten.

 

Quelle: BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (letzter Zugriff am 28.08.2018).

 

Zu den innerstaatlichen Fluchtalternativen des BF als arabischer Sunnit im Irak:

 

Für den Süden des Irak (BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA oder ANBAR.

 

Im Süden des Irak leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in BASRA zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.

 

Der BF ist in genauer Kenntnis der Fluchtalternativen im Herkunftsstaat. Er hätte die Möglichkeit in anderen - ihnen bekannten - sunnitisch mehrheitlich bzw. ausschließlich sunnitisch besiedelten Gebieten des Herkunftsstaates zu leben, darunter Provinzen in MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass es ihm nicht möglich wäre, dorthin zu ziehen und zu leben.

 

Es ist ihm überdies möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

 

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region AL SULAYMANIYAH zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodass den Daueraufenthalt beantragen. In AL SULAYMANIYAH ist nach UNHCR kein Bürge notwendig, um sich hier niederlassen oder eine Arbeitsbewilligung zu können. Berichten der IOM zufolge leben 90% aller Binnengeflüchteten in AL SULAYMANIYAH in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83% Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in AL SULAYMANIYAH am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in AL SULAYMANIYAH die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

 

Quellen:

 

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

 

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

 

1.6. Zum Fluchtvorbringen der des Beschwerdeführers:

 

Der BF hatte mit den Behörden des Herkunftsstaates, der Republik Irak, weder aufgrund seines Religionsbekenntnisses, noch auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme. Es konnte nicht festgestellt werden, dass für ihn in seinem Herkunftsstaat ein vom IS ausgehendes Bedrohungspotential bestehen würde, zumal zu bedenken ist, dass MOSSUL seit dem Jahr 2017 vom IS befreit ist.

 

Dass der BF auf Grund seiner Zugehörigkeit zur muslimischen Glaubensgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung, einer individuellen und aktuellen Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt gewesen wäre, konnte nicht festgestellt werden. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er vom IS verfolgt oder bedroht worden wäre bzw. von dieser Organisation zu einem Beitritt oder dazu aufgefordert worden wäre, an deren Seite zu kämpfen. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er von der Sittenpolizei des IS wegen des Rauchens von Zigaretten oder aus religiösen Gründen verhaftet und mehrere Tage in einem Gefängnis festgehalten worden wäre. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er während seiner Haft von Angehörigen des IS öffentlich ausgepeitscht worden wäre.

 

Es steht jedoch fest, dass er und weitere Personen gegen Bezahlung eines Geldbetrages in Höhe von EUR 700,00 von Angehörigen des IS mit dem PKW - ausgehend von MOSSUL über syrisches Staatsgebiet - an die syrisch-türkische Grenze geschleppt wurden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 6f].

 

Anlassbezogen konnte nicht festgestellt werden, dass er und seine Familie (wegen der vormaligen Zugehörigkeit des Vaters zur irakischen Armee Saddam HUSSEINS) von Milizen verfolgt worden wären bzw. einen Drohbrief erhalten hätten. Der Umstand eines an seine Familie angeblich übermittelten Drohschreibens wurde den öffentlichen Sicherheitskräften des Herkunftsstaates zu keinem Zeitpunkt zur Anzeige gebracht [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 17].

 

Anlassbezogen konnte ebenso wenig festgestellt werden, dass jenes Attentat vom 29.10.2013, bei dem sein Bruder bzw. der Cousin väterlicherseits getötet wurden, von Milizen verübt worden wäre. Es steht vielmehr fest, dass der Vater des BF, als er den Umstand, dass auf den Bruder, XXXX, und den Cousin des BF am 29.10.2013 geschossen wurde, wodurch die Genannten getötet wurden, den Sicherheitsbehörden des Herkunftsstaates zur Anzeige brachte, keine Angaben zu allfälligen Tätern machte. Den vorgelegten Urkunden lässt sich nicht einmal entnehmen, dass die Familie konkrete Personen bzw. konkrete Personengruppen der Täterschaft verdächtigen würde. Die Sicherheitsbehörden des Herkunftsstaates nahmen Ermittlungen auf, doch konnte die Täterschaft nicht geklärt werden.

 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Schießerei vom 29.10.2013 ein gegen die Familie des BF aus politischen oder religiösen Gründen inspirierter Angriff gewesen wäre.

 

Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass seine Familie zwei Monate vor dem 29.10.2013 ein (anonymes) Drohschreiben erhalten hätte, verbunden mit der Aufforderung, einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen oder die Gegend zu verlassen.

 

Weder vor, noch nach dem Vorfall vom 29.10.2013 wurde der BF von Milizen, oder von sog. "schlafenden Zellen" bedroht bzw. verfolgt.

 

Ein konkreter Anlass für sein (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates oder der Umstand, dass er vor seiner Ausreise im Irak einer individuellen Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen ausgesetzt gewesen wäre, oder im Falle seiner Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein könnte, konnte nicht festgestellt werden.

 

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wäre oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

 

Letztlich konnte nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder er als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zum Verfahrensgang:

 

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die daraus gezogenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF anlässlich der vom erkennenden Gericht durchgeführten mündlichen Verhandlung, den beigeschafften länderkundlichen Informationen und den von Amts wegen eingeholten Auskünften.

 

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (XXXX, geb. XXXX), Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, auf dessen eigene Angaben im Rahmen des Verfahrens sowie auf dessen Kenntnis und Verwendung der arabischen Sprache und auf den Kenntnissen der geografischen Gegebenheiten des Irak.

 

Die zum Gesundheitszustand, zur Arbeitsfähigkeit und zur Arbeitswilligkeit des BF getroffenen Konstatierungen gründen sich im Wesentlichen auf dessen Angaben vor der belangten Behörde und auf seinen in der PV vor dem erkennenden Verwaltungsgericht am 13.08.2018 gemachten Angaben.

 

Die Feststellungen zu seinem Familienstand, dem aufenthaltsrechtlichen Status seiner Angehörigen in Österreich und zum Umstand getroffenen Konstatierungen, dass im Bundesgebiet auch dessen Schwester, XXXX, lebt, gründen einerseits auf den Angaben des BF, die dieser im Rahmen seiner PV vor dem BVwG gemacht hatte, andererseits auf den im Verwaltungsakt einliegenden Urkunden, die Schwester des BF betreffend, sowie auf den eingeholten Auskünften aus dem Zentralen Melderegister.

 

2.3. Zu den Reisebewegungen des Beschwerdeführers:

 

Die zur Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise nach Österreich getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den unbestritten gebliebenen Angaben des BF anlässlich der Erstbefragung vor den Organen der Sicherheitsbehörden [Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 4] und auf seinen, vor dem BVwG im Rahmen seiner PV in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gemachten Angaben [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 6f].

 

2.4. Zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers im Irak:

 

Die Konstatierungen zu seinem beruflichen Werdegang erschließen sich im Wesentlichen aus seinen Angaben vor der belangten Behörde [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 3] und aus seinen Schilderungen in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 5f]. Ebenso verhält es sich mit den Konstatierungen zu seiner Tätigkeit in einem Internetcafé in MOSSUL, wobei diesbezüglich hervorzuheben ist, dass er sich schon hinsichtlich dieser Angaben in Widersprüche, nämlich hinsichtlich Art und Zeitdauer der von ihm verrichteten Tätigkeit verstrickte Während er nämlich vor dem BFA angegeben hatte, dass er drei Monate in "einer Art Internetcafé" gearbeitet hätte und er damit zum Ausdruck brachte, dort einem nichtselbständigen Erwerb nachgegangen zu sein [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 3], gab er im Rahmen seiner PV vor dem erkennenden BVwG an, dass er gemeinsam mit einem Freund ein Internetcafé in der Nähe seines Wohnhauses für die Zeitdauer von ca. 7 bis 8 Monaten betrieben hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 5], was wiederum für eine selbständige Erwerbstätigkeit spricht.

 

Die vom BF im Rahmen der mündlichen Einvernahme durch die belangte Behörde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 13.08.2018 gemachten Angaben belegen die weiteren, zur persönlichen und familiären Situation des BF im Irak getroffenen Feststellungen. Ebendiesen Ausführungen ist auch zu entnehmen, dass der überwiegende Teil seiner Familie nach wie vor im Irak lebt und sein Vater im Besitz eines ca. 500 m² umfassenden Familienhauses ist [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 23.08.2018, S. 7].

 

2.5. Zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers in Österreich:

 

Die Feststellungen zu den von ihm absolvierten Kursen gründen sich auf eine zum 11.11.2016 datierte Teilnahmebestätigung des Österreichischen Integrationsfonds über eine Teilnahme des BF an einem Werte- und Orientierungskurs, auf einem zum 10.06.2017 datierten Prüfungszeugnis des ÖIF über eine absolvierte Sprachprüfung auf dem Niveau A1 und auf einer Kursbestätigung der Volkshochschule XXXX über den Besuch eines Deutschsprachkurses auf dem Niveau A1. Eine besondere sprachliche Integration vermochte er mit seiner Demonstration der Verwendung der deutschen Sprache in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht zu belegen. Die Konstatierung, dass er im Bauhof der Marktgemeinde XXXX im Zeitraum Mai 2017 bis August 2017 durchschnittlich 20 Stunden pro Monat tätig war, basieren auf einer Bestätigung der erwähnten Marktgemeinde. Die ehrenamtliche Tätigkeit muss jedoch eine Relativierung dahingehend hinnehmen, dass dem Bestätigungsschreiben weder das wöchentliche Stundenausmaß, noch die Gesamtdauer oder die Regelmäßigkeit dieser Betätigung entnommen werden können.

 

Die zum Umstand getroffenen Konstatierungen, dass er in Österreich über keine Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes verfügt und von Leistungen der staatlichen Grundversorgung lebt, und die Feststellungen zu seiner Beschäftigungslosigkeit ergeben sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in das Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung des Bundes (GVS)) und aus den dieses Amtswissen bestätigenden Angaben. Dass der BF eine legale Erwerbstätigkeit zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes in Aussicht hätte, wurde weder behauptet, noch belegt. Die zu seiner Unbescholtenheit und zur Wohnsitzmeldung des BF getroffenen Feststellungen gründen auf den Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem österreichischen Strafregister.

 

Die zu den familiären Anknüpfungspunkten des BF im Bundesgebiet getroffenen Feststellungen sowie dazu, dass er ledig und kinderlos ist und mit Ausnahme seiner Schwester, einer Asylwerberin, deren Asylantrag ebenfalls abgelehnt wurde, im Bundesgebiet keine weiteren Anknüpfungspunkte hat, gründen auf den Angaben des BF im Rahmen seiner PV vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht.

 

Im Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte für weitere Integrationsbemühungen des BF ergeben. Die integrationsrelevanten Feststellungen beruhen auf dem Umstand, dass er weder in der niederschriftlichen Einvernahme vom 28.09.2017, noch in der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2018 konkrete Angaben machte, die auf eine hinreichende Integration in Österreich in beruflicher oder sprachlicher Hinsicht schließen ließen. So ist sowohl in der niederschriftlichen Einvernahme, als auch in der mündlichen Verhandlung hervorgekommen, dass er erst Mitte 2017 einen Deutschsprachkurs in Angriff nahm und nur über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Eine Mitgliedschaft in einem Verein wurde weder behauptet, noch belegt. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, dass er in Österreich weitere soziale Kontakte, wie etwa Bekanntschaften und Freundschaften, hätte und diese pflegen würde.

 

2.6. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

 

Sein Vorbringen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates Irak und zu seiner Situation im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat beruhen auf seinen Angaben im Rahmen der Erstbefragung vom 19.07.2015, seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde vom 21.08.2017 und der verfahrensgegenständlichen Beschwerdeschrift. Zudem erschließen sich seine Fluchtgründe aus seinen Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.08.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht und aus dem in Vorlage gebrachten Beweismaterial.

 

In seiner Erstbefragung stützte er sein Fluchtvorbringen im Wesentlichen darauf, dass er um sein Leben fürchte, weil er nicht mit dem IS kämpfen und auf seine Familie oder seine Landsleute schießen wollte. Auch habe er keine Waffen tragen wollen [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 5].

 

Vor der belangten Behörde gab er zu seinen Fluchtgründen befragt, im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er Träume gehabt hätte, die er in seinem Land nicht habe verwirklichen können. Er habe sein Studium nicht abschließen können. Wenn er zur Universität ging, habe er nicht gewusst, ob er nach Hause zurückkommen werde, oder nicht, dies wegen der Bombardierungen der Flugzeuge der irakischen Kämpfer und der westlichen Allianzen. Auch sei er 15 Tage lang von Islamisten inhaftiert worden, weil er zur Gebetszeit vergessen hätte, den Laden zu schließen. Darüber hinaus gebe es in seinem Land, hier vor allen in MOSSUL, keine Sicherheit mehr. Das Land sei zerstört. Wenn man genügend Schmiergeld zahle, könnten die schiitischen Milizen alles machen. Sie hätten Schmiergeld zahlen müssen, um zu überleben. Eigentlich hätten sie alle den Irak verlassen wollen. Da sein Vater schwer krank gewesen sei, hätten sie das nicht können. Deshalb habe er das Land allein verlassen. In der Folge gab er an, dass sein Vater mit Drohschreiben bedroht worden sei. Da das Drohschreiben nicht ernst genommen habe, sei sein Bruder XXXX "von den Milizen getötet worden". Auch berichtete er davon, dass das Haus der Familie von den Islamisten als Stützpunkt genommen und zerstört worden sei. Auf die Frage, ob gegen ihn selbst Drohungen gerichtet gewesen wären, gab er an, dass er persönlich "keine Bedrohungen erlebt" hätte [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 5ff]. Auf die Frage, was er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat zu befürchten hätte, gab er an, dass er dasselbe Schicksal erleiden werde, wie sein Bruder XXXX.

 

Anlässlich seiner Vernehmung als Partei vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht gab er zu seinen Fluchtgründen befragt, an, dass sein Land und sein Haus zerstört seien und Völkermord stattfinde. Bis heute sei diese "Mafia HASCHD AL SCHAABI" so an der Macht, dass sie die Häuser stürme und das Hab und Gut sowie das Geld der Menschen verlange. Wenn sie nichts hergeben, würden sie auf offener Straße verurteilt und ins Gefängnis geworfen. Wer widerspreche, werde auf offener Straße verurteilt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 12]. Auf die Frage, ob dies der Grund für das Verlassen des Landes gewesen sei, gab er wörtlich an: "Unser Leben ist bedroht. Als der IS kam haben Sie uns das Bitterste gezeigt. Wenn der IS und DIE kommen, das möchte ich nicht noch einmal erleben.". Sodann gab er auf die Frage "sind Sie wegen des IS geflüchtet?" an, dass er nicht vor dem IS geflohen sei [Ebda, S. 12]. Mit diesen inkonsistenten Angaben zu den Gründen für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat setzte er sich einerseits in Widerspruch zu seiner in der PV auf die Frage "War das der Grund, warum Sie den Irak 2015 verlassen haben?" gegebenen Antwort, aus der sich entnehmen lässt, dass er das Land u.a. wegen des IS verließ, die zudem in Widerspruch zu seinen im Erstbefragungsprotokoll gemachten Angaben stehen, das Land verlassen zu haben, weil er nicht mit dem IS habe kämpfen wollen und auch nicht bereit gewesen sei, auf seine Familie und seine Landsleute zu schießen [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 5]

 

Dennoch lässt sich vor dem BVwG eine Tendenz erkennen: während der IS in der Erstbefragung noch das ausschließliche Motiv für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat bildete, trat dieser Beweggrund für seine Ausreise in der PV vor dem erkennenden Verwaltungsgericht nahezu vollkommen in den Hintergrund; hier traten neben dem IS, der nur noch eine Randerscheinung in der Beweggrundschilderung des BF bildete, auf einmal Milizen und sogenannte "schlafende Zellen" auf, die nach den Angaben des BF das Motiv für seine Ausreise bildeten. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF auf die Frage, ob er jemals persönliche Berührungspunkte oder Kontakte mit dem IS gehabt hätte, wörtlich an: "Nein. Der IS hat von mir nichts gewollt." [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 13]. An einer anderen Stelle gab er an, dass er von der Sittenpolizei des IS mitgenommen und in ein kleines Zimmer gesteckt worden sei, weil er sich, nachdem er die Tür zum Internetcafé geschlossen hatte, vor die Tür setzte, um eine Zigarette zu rauchen. Um 05:00 Uhr in der Früh sei er zunächst zum Waschritual und dann zum Beten gezwungen worden. Nach drei oder vier Tagen seien er und "einige Leute", die ebenfalls verdächtigt wurden, etwas gemacht zu haben, auf die Straße vor den SUQ gestellt und öffentlich ausgepeitscht worden.

 

Damit ist der BF insgesamt nicht glaubwürdig, zumal ein derartiger Paradigmenwechsel in der Darstellung der Beweggründe für die Ausreise notorisch nicht beobachtbar ist, wenn eine antragstellende Person im Herkunftsstaat tatsächlich einer Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre.

 

Auch setzte sich der BF mit den zuletzt gemachten (hier zitierten) Angaben in Widerspruch zu seinen vor der belangten Behörde (Anm.: dem BFA) gemachten Angaben. Dort hatte er nämlich ausgesagt, dass er "in einem ganz normalen Haus inhaftiert" gewesen sei; dann seien sie (und auch der BF) 15 Tage "nur zum Beten" und "zum Koran lesen gezwungen" worden [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 7].

 

Während er vor dem BFA noch angegeben hatte, nur (sohin ausschließlich) zum Beten und zum Lesen des Koran gezwungen worden zu sein, gab er vor dem BVwG an, dass er zum Beten gezwungen und nach drei bis vier Tagen seiner Inhaftierung öffentlich ausgepeitscht worden sei. Dazu, persönlich ausgepeitscht worden zu sein, machte er weder vor der belangten Behörde, noch vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde entsprechende Angaben. Daraus ergibt sich eine die Glaubwürdigkeit des BF weiter untergrabende Tendenz zur Steigerung seines Vorbringens.

 

Auch hinsichtlich der Dauer seiner Inhaftierung verstrickte sich der BF in eklatante Widersprüche: während er vor der belangten Behörde noch von einer Dauer der Inhaftierung im Ausmaß von 15 Tagen sprach [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 7], gab er in seiner PV vor dem BVwG an, dass die Strafe nach drei bis vier Tagen vollzogen worden sei [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 13], was wiederum eine Haftdauer von 3 bis 4 Tagen nahelegt. Tatsächlich sind keine Behauptungen dahingehend feststellbar, dass er über den Strafvollzug hinaus inhaftiert gewesen wäre. Somit zeigt sich auch in diesem Zusammenhang ein weiterer, die Glaubwürdigkeit seiner Angaben in ihren Grundfesten erschütternder Widerspruch.

 

Auch verstrickte er sich in Widersprüche mit seinem Vorbringen vor dem BVwG, wonach der IS von ihm verlangt hätte, sich diesem anzuschließen [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 13]. Vor der belangten Behörde machte er dagegen zu keinem Zeitpunkt eine Angabe dahin, von Angehörigen des IS zum Beitritt aufgefordert worden zu sein.

 

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Widersprüche und vor dem Hintergrund der vom BF anlässlich seiner PV vor dem BVwG eingestandenen Tatsache, dass er den Herkunftsstaat gegen Ende Juni 2015 mit Hilfe des IS schlepperunterstützt ausgehend von MOSSUL über vom IS kontrollierte Teile des syrischen Staatsgebietes bis an die syrisch-türkische Grenze gebracht wurde, erscheinen die vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde durch den IS motivierten Fluchtgründe völlig unglaubwürdig. Dass jemand, der zuvor vom IS inhaftiert und ausgepeitscht worden sein soll, sich von Angehörigen dieser Organisation außer Landes bringen lässt, erscheint dem erkennenden Verwaltungsgericht weder nachvollziehbar, noch glaubwürdig.

 

Als nicht glaubwürdig erscheinen auch seine Angaben zu einem Drohschreiben, das sein Vater, ein bereits im Jahr 2003 aus der irakischen Armee ausgeschiedener, ehemaliger Offizier, erhalten haben soll. Während er vor der belangten Behörde keine Angaben zum Zeitpunkt der Zustellung des Drohschreibens machte, versuchte er das seinem Vater angeblich erste zugestellte Drohschreiben in einen zeitlichen Zusammenhang mit einem auf das Auto seines Bruders verübten Schussattentat, bei dem sein Bruder und der Cousin des BF am 29.10.2013 ums Leben gekommen seien, zu bringen. Vor dem BVwG behauptete er, dass es zwei Monate vor der Tötung seines Bruders (nach der vorgelegten, im Verwaltungsakt einliegenden Sterbeurkunde soll der Bruder am 29.10.2013 ums Leben gekommen sein) ein Drohschreiben des Inhalts gegeben hätte: "entweder Ihr verlasst die Gegend oder Ihr gebt uns einen Betrag." Dieses Schreiben, dem nach den Angaben weder ein Absender, noch Hinweis darauf zu entnehmen waren, wohin das Geld gehen sollte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 10], hätte bei Wahrunterstellung der Angaben des BF Ende August 2013 in die Sphäre der Familie des BF gelangen müssen.

 

Allerdings gab er im Zuge seiner Befragung vor dem BVwG auf die Frage "Gab es zwischen dem 29.10.2013 und dem Vorfall mit dem IS, den sie vorher beschrieben haben, noch irgendein Problem, dem Sie oder Ihre Familie ausgesetzt waren?" wörtlich an: "Es war eine Bedrohung im Juli oder August 2014." Auf die Frage: "Warum haben Sie diese Bedrohung noch nicht erwähnt?" gab er wörtlich an: "Ich habe es ja schon erwähnt. Das war mit dem Kuvert mit dem Brief und der Schusspatrone darin."

 

Aus diesen Angaben des BF und dem Umstand, dass er im Zusammenhang mit den gegen seine Familie angeblich gerichteten Drohungen nur von einem einzigen Drohschreiben berichtete, das sich in einem Kuvert befunden haben soll, dem noch eine Patrone beigefügt gewesen sein soll, ist einerseits zu folgern, dass es sich bei dem vom BF vor dem BVwG behaupteten (anonymen) Drohschreiben nur um das oben bereits angesprochene Drohschreiben gehandelt haben kann und sollte es dieses Schreiben tatsächlich gegeben haben, dieses fast ein Jahr nach dem auf seinen Bruder verübten Schussattentat in den Besitz der Familie gelangt ist, womit ein Zusammenhang zwischen dem behaupteten Drohschreiben und dem auf seinen Bruder und den Cousin väterlicherseits verübten Schussattentat nicht hergestellt werden kann.

 

Dem BF ist es daher nicht gelungen, den Erhalt eines Drohschreibens (vor) dem Schussattentat und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesem und dem Schussattentat herzustellen.

 

Abgesehen davon widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung und den Denkgesetzen, dass das mit einer Geldforderung angeblich verbunden gewesene Drohschreiben weder einen Absender, noch einen Hinweis dazu enthalten haben soll, wohin der geforderte Geldbetrag gesendet werden soll, wie es der BF glauben machen wollte. Schon deshalb erscheint es dem erkennenden Verwaltungsgericht nicht glaubhaft, dass seiner der Familie tatsächlich ein Drohschreiben zugegangen wäre.

 

Der Diktion des angeblichen Inhalts des sehr allgemein gehaltenen Drohschreibens lässt sich weiter nicht entnehmen, dass das Drohschreiben gegen den Vater des BF, einen ehemaligen, aus dem Militärdienst im Jahr 2003 ausgeschiedenen Offizier, oder gegen die (Kern-)familie des BF gerichtet war. Sollte es dieses Schreiben je gegeben haben, woran das erkennende Verwaltungsgericht aus den oben angeführten Gründen massive Zweifel hegt, lassen sich keine Aussagen dazu machen, ob das auf den Bruder des BF bzw. dessen Cousin väterlicherseits am 29.10.2013 verübte Schussattentat politisch motiviert war, bzw. ob die Familie des BF als gesamtes (spätestens ab dem 29.10.2013) einer Gefährdung unterlag. Gegen eine solche Gefährdung spricht auch der Umstand, dass der BF und dessen Familie zumindest bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat in MOSSUL verblieben sind und der Umstand, dass nach den Angaben des BF vor dem erkennenden Verwaltungsgericht das Drohschreiben fast ein Jahr nach dem behaupteten Schussattentat in die Sphäre der Familie kam, sohin die Familie vor dem Schussattentat ein Drohschreiben nicht erhalten haben konnte.

 

Während der BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde noch nicht erwähnte, dass sein Bruder XXXX am 29.10.2013 bei einem Schussattentat ums Leben gekommen wäre, erwähnte er diesen Umstand erstmals im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde. Dort behauptete er, dass sein Bruder von Milizen getötet worden sei [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 6]. Die Behauptung, dass sein Bruder am 29.10.2013 durch ein Schussattentat ums Leben gekommen wäre, hielt er auch in seiner PV vor dem BVwG aufrecht und legte dazu einen Unfallbericht (Beilage ./1) vor, dem sich zwar Hinweise auf den Hergang des Attentats, nicht aber solche auf eine etwaige Täterschaft entnehmen lassen. Demnach soll sein Bruder am 29.10.2013 den von ihm gehaltenen und gelenkten PKW gefahren haben, als neben diesem (in der Gegend von XXXX) ein anderes Fahrzeug stehen geblieben sei, aus dem heraus auf das Fahrzeug des Bruders geschossen worden sei. Dabei seien der Bruder des BF, XXXX, und ein Cousin väterlicherseits ums Leben gekommen sein.

 

Eine weitere, in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vorgelegte Urkunde (Beilage ./2) enthält eine Niederschrift über eine Anzeige des Vaters des BF, XXXX, die dieser am 03.11.2013 gemacht hatte und die folgenden Wortlaut aufweist: "Ich der Privatankläger, XXXX, in Rente vom Militär, in MOSSUL wohnhaft, Telefon XXXXX, bezeuge hiermit die Ermordung meines Sohnes vor der Staatsanwaltschaft mit dem Datum 29.10.2013 zur genauen Uhrzeit 07:00 Uhr abends, während er zum Haus des Cousins väterlicherseits fuhr, wurde er Schüssen ausgesetzt in XXXX. Er wurde dem Gerichtsmediziner übergeben und ist gestorben. Es wird eine Anzeige gemacht, um bekannt zu machen, wer die Täter sind." Abgesehen von dieser Textierung enthält die Beilage ./2 eine Unterschrift des Vaters des BF und eines Beamten, der die Anzeige des Vaters aufgenommen und dokumentiert hatte.

 

In der weiter im Verwaltungsakt einliegenden, zum 03.11.2013 ausgestellten Sterbeurkunde geht hervor, dass der Bruder des BF am 29.10.2013 auf Grund von Schüssen, Organquetschungen, inneren Blutungen und einer Verletzung des Brustkorbs ums Leben gekommen sei. Die Sterbeurkunde enthält jedoch keine Angabe der Uhrzeit zum mutmaßlichen Sterbezeitpunkt des Bruders des BF. Auch dieser Urkunde lassen sich keine Hinweise auf (einen) etwaige(n) Attentäter entnehmen.

 

Festzuhalten ist, dass dem BF der Versuch, die Tötung seines Bruders und des väterlichen Cousins einer Miliz unterzuschieben, auf der vorgelegten Urkunden nicht gelang, da diese - wie erwähnt - keinen einzigen Hinweis auf einen Täter bzw. auf einen möglichen Täter enthalten. Selbst die Anzeige seines Vaters enthält keinen Hinweis auf einen konkreten Täter bzw. eine konkrete Täterschaft; ihr lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Familie einen Drohbrief erhalten hätte (wie es der BF vor dem BVwG behauptete) und aus diesem Grund eine Miliz des Herkunftsstaates der Täterschaft bezichtigt würde.

 

Das erkennende Verwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass der BF im Rahmen seiner vor dem BFA aufgenommenen Niederschrift Milizen der Täterschaft bezichtigte [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 4] und er diese Anschuldigung im Wesentlichen auch in seiner PV vor dem BVwG aufrecht hielt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2017, S. 8]; allerdings vermochte er mit dem von ihm vermittelten unglaubwürdigen persönlichen Eindruck, der seinen widersprüchlichen Angaben geschuldet ist, das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass hinter dem Attentat auf seinen Bruder bzw. auf seinen Cousin eine Miliz stecken würde bzw. dass dieses Attentat gegen die Familie des BF gerichtet gewesen wäre.

 

Die Täterschaft einer Miliz erscheint dem Gericht auch deshalb nicht glaubwürdig, da der BF mit seinen Angaben zu einer Verfolgung der Familie durch (schiitische) Milizen stets vage und unsubstantiiert geblieben ist.

 

Abgesehen davon lässt sich den vorgelegten Urkunden kein einziger Hinweis auf den oder allfällig mehrere Täter oder ein in die Richtung einer Miliz als Täter ausgesprochener Verdacht entnehmen. In den zuletzt erwähnten Quellen finden sich keine Hinweise dahin, welcher Organisation der oder die Täter angehört haben könnten.

 

Wenn der BF vor dem BVwG auf die Frage, wer die Attentäter seines Bruders gewesen sein könnten, wörtlich angab: "Wir verdächtigen die ASA'IB AHL AL HAQQ" [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 8], so ist mit dieser Verdachtsäußerung eine Täterschaft dieser Miliz nicht glaubhaft gemacht, zumal der vom BF geäußerte Verdacht sehr vage und unbestimmt geblieben ist, und sich aus den vorgelegten Urkunden, insbesondere aus der vom Vater erstatteten Anzeige (Beilage ./2) ein Verdacht in diese Richtung nicht einmal ansatzweise ableiten lässt.

 

Diese Umstände nähren den Verdacht, dass der BF den Verdacht, dass die Miliz ASA'IB AHL AL HAQQ hinter dem Attentat auf seinen Bruder und den Cousin väterlicherseits stecken dürfte, erst während seines Aufenthaltes in Österreich - nachträglich - entwickelt hat.

 

Selbst wenn seine Familie bzw. sein Vater zwei Monate vor dem Todeszeitpunkt des Bruders einen Drohbrief erhalten haben sollte, woran aus den oben genannten Gründen erhebliche Zweifel bestehen, lässt sich selbst aus einem etwaigen Drohbrief der vom BF behaupteten Art kein Hinweis auf eine etwaige Täterschaft einer Miliz, vor allem nicht der Miliz ASA'IB AHL AL HAQQ, ziehen, zumal sich aus den Angaben des BF zum Inhalt des Drohschreibens ergibt, dass dieses keinen Hinweis auf einen Verfasser enthielt und auch sonst keine Anhaltspunkte erkennbar waren, die auf eine Miliz als Verfasser desselben hindeuten könnten [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 10].

 

Wie schon oben näher ausgeführt, ist es dem BF schon wegen der oben aufgezeigten Unstimmigkeiten und Widersprüche nicht gelungen, den behaupteten Erhalt eines Drohschreibens zwei Monate vor dem Todeszeitpunkt des Bruders glaubhaft zu machen.

 

Der Vollständigkeit halber ist noch auszuführen, dass selbst wenn es dieses Drohschreiben gegeben hätte, der BF nicht glaubhaft machen konnte, dass sein Bruder durch eine Miliz (hier: die MILIZ ASA'IB AHL AL HAQQ) ermordet wurde oder dass er bzw. seine Familie einer aktuellen Bedrohung oder Verfolgung durch eine Miliz wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe, ethnischen Gruppe oder zu einer religiösen Gruppierung ausgesetzt sein könnten. Anlassbezogen konnte weder eine konkret gegen ihn gerichtete Bedrohung, noch eine gegen den BF aktuell bestehende Gefahr der Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Beschwerdeverfahren Anhaltspunkte hervorgekommen, die bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verfolgung des BF wahrscheinlich erscheinen ließen.

 

Die Feststellung, dass der BF weder von Milizen, noch von sog. "schlafenden Zellen" verfolgt wurde, war deshalb zu treffen, da er sowohl vor der öffentlichen Sicherheitsbehörde, als auch vor dem BFA und dem BVwG keine konkreten Angaben dahingehend machte, die auf eine Verfolgung bzw. Bedrohung seiner Person durch eine Organisation dieser Art hindeuten würden.

 

2.7. Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

 

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen dem BF drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

 

Das von seinem Rechtsvertreter in der mündlichen Verhandlung zu den vorgelegten länderkundlichen Informationen erstattete Vorbringen bleibt über weite Strecken ohne jede konkrete Quellenangabe bzw. stammen die herangezogenen und zitierten Quellen überwiegend bis zu zwei Jahre alt sind und daher nicht mehr als aktuell betrachtet werden können. Auch war für das erkennende Gericht eine Relevanz der vorgelegten länderkundlichen Berichte, die sich auf Vorfälle im Zusammenhang mit der AAH-Miliz in den Provinzen Diyala und Bagdad im Jahr 2014 beziehen (siehe dazu die Beschwerdeschrift, S. 15), nicht erkennbar. Ein konkreter Bezug zur Heimatstadt des BF fehlt den in der Beschwerdeschrift zitierten Länderinformationen zur Gänze (siehe dazu beispielhaft die Beschwerdeschrift, S. 5ff]. Auch ist zu bemerken, dass sich die vorgelegten Länderberichte in hohem Ausmaß mit schiitischen Milizen beschäftigen, hinsichtlich deren der BF nur vage, keinesfalls jedoch konkrete Angaben zu machen wusste. Ihm ist es nicht gelungen, eine konkrete Verfolgung bzw. Bedrohung seiner Person durch schiitische Milizen glaubhaft zu machen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchteil A):

 

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

 

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung demnach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (und Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach der GFK) ist somit, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt einer kausaler Zusammenhang mit einem oder mehrerer dieser Konventionsgründe, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (VwGH vom 27.06.2016, Zl. Ra 2016/18/0098 mwN und vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0094).

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459 und vom 28.05.2009, Zl. 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286; vom 10.11.2015, Zl. Ra 2015/19/0185 und vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280; vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074 und vom 10.11.12015, Zl. Ra 2015/19/0185).

 

§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 StatusRL (Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes), worunter - unter anderen - Handlungen fallen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK festgelegte Verbot der Folter (VwGH vom 15.12.2016, Zl. Ra 2016/18/0083; vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/20/0113 und vom 08.09.2015, Zl. Ra 2015/18/0080).

 

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074; vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, das bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005 und VwGH vom 03.05.2016, Zl. Ra 2015/18/0212). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 03.05.2016, Zl. Ra 2015/18/0212 und vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 17.12.2015, Zl. Ra 2015/20/0048; vom 21.02.2017, Zl. Ra 2016/18/0171 und vom 23.02.2017, Zl. Ra 2016/20/0089).

 

3.2.2. Einer von Privatpersonen bzw. von privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (in etwa VwGH vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731; vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre überhaupt fraglich, ob unter solchen Umständen noch von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (vgl. VwGH vom 20.05.2015, Zl. Ra 2015/20/0030 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153).

 

Die StatusRL 2011/95/EU sieht einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0597 und vom 01.09.2005, 2005/20/0357). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zl. 98/01/0503; vom 09.11.2004, Zl. 2003/01/0534; vom 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459; vom 19.10.2016, Zl. 2006/19/0297 mwN; und VwGH vom 08.08.2017, Zl. Ra 2017/19/0118). Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (VwGH vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0036; und vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH vom 09.11.2004, Zl. 2003/01/0534).

 

Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen. Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH vom 29.03.2001, Zl. 2000/20/0539; vom 16.12.2010, Zl. 2007/20/0913 und vom 08.08.2017, Zl. Ra 2017/19/0118). Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH vom 08.09.1999, Zl. 99/01/0126 und vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte.

 

Aufgrund eines "sich Versteckthaltens" kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH vom 18.04.1996, Zl. 95/20/0295 und vom 20.03.1997, 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH vom 29.10.1998, 96/20/0069). Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslose Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (in etwa VwGH vom 24.01.2008, 2006/19/0985-10 und vom 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- sowie Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzlich ausschließen (siehe VwGH vom 08.09.1999, Zl. 98/01/0620 und vom 26.06.1996, Zl. 95/20/0427).

 

Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH vom 21.03.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH vom 19.02.2004, Zl. 2002/20/0075 und vom 24.06.2004, Zl. 2001/20/0420). Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet (VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; in etwa auch VwGH vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/20/0233 und vom 14.11.2017, Zl. Ra 2017/20/0142). Darüber hinaus muss es dem Asylsuchenden auch möglich sein, seine politischen oder religiösen Überzeugungen sowie seine geschützten Merkmale beizubehalten (VwGH vom 19.12.2001, Zl. 98/20/0299).

 

3.2.3 Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:

 

Zunächst ist festzuhalten, dass der BF zur Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat in der Erstbefragung vorgebracht hat, dass er um sein Leben fürchte, da er nicht mit dem IS kämpfen wollte und auch nicht bereit gewesen sei, auf seine Familie oder seine Landsleute zu schießen. Vor dem BFA gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, Träume gehabt zu haben, die er im Herkunftsstaat nicht habe realisieren können. Auch sei die Sicherheitssituation nicht geeignet gewesen, seine Träume zu verwirklichen. Auch habe er sein Studium nicht abschließen können, da er nicht wusste, ob er nach Hause zurückkomme oder nicht und wegen der Bombardierungen der Flugzeuge von den irakischen Kämpfern und der westlichen Allianzen. Weiter gab er an, dass er von den Islamisten für die Dauer von 15 Tagen inhaftiert worden sei, da er während der Gebetszeit vergessen hätte, den Laden zu schließen [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 5].

 

In seiner PV vor dem BVwG gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass sein Land und sein Haus zerstört seien und in seinem Land ein Völkermord stattfinde. Bis heute sei "diese Mafia HASCH AL SCHAABI" an der Macht, stürme die Häuser, verlange das Hab und Gut und das Geld der Menschen. Geben diese nichts her, würden sie auf offener Straße verurteilt und ins Gefängnis geworfen. Wer widerspreche, werde auf offener Straße getötet. Darüber hinaus gab er an, dass sein Leben bedroht sei und als der IS gekommen sei, habe dieser ihnen "das Bittere gezeigt" [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 12]. Die Existenz einer Gruppierung diese Art und die vom BF geschilderten Vorgehensweisen einer derartigen Gruppierung lassen sich mit dem Länderinformationen zum Herkunftsstaat des BF nicht in Einklang bringen.

 

Mit seinen Angaben zu einer allfälligen Inhaftierung durch die Sittenpolizei des IS vor dem BVwG [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 13] und dem BFA [[BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 5] vermochte er jedoch keine asylrelevante Bedrohung bzw. Verfolgung seiner Person durch den sunnitischen IS glaubhaft machen, weil er sich schon bei der Schilderung des angeblichen Ereignisses in eklatante Widersprüche verstrickte. So behauptete er vor der belangten Behörde, deshalb vom IS inhaftiert worden zu sein, weil er zur Gebetszeit vergessen hatte, den Laden zu schließen. Vor dem BVwG gab er dagegen an, vom IS verhaftet worden zu sein, weil er sich nach dem Schließen der Türe vor das Geschäft gesetzt und eine Zigarette geraucht hätte. In Widersprüche verstrickte er sich auch hinsichtlich der Haftdauer, die er vor der belangten Behörde mit 15 Tagen und vor dem BVwG mit drei bis vier Tagen angab. Damit ist es ihm nicht gelungen, eine allfällige vom IS gegen ihn gerichtete asylrelevante Verfolgung bzw. Bedrohung glaubhaft zu machen.

 

Hinsichtlich des Vorfalles vom 29.10.2013, bei dem sein Bruder, XXXX, und ein Cousin väterlicherseits ums Leben kamen, kam nicht hervor, wer die Tat verübt hat. Eine Täterschaft einer Miliz konnte beschwerdegegenständlich nicht erwiesen werden. Weder die vom BF vorgelegten Urkunden (darunter die Sterbeurkunde und die vom Vater bei den öffentlichen Sicherheitsbehörden des Herkunftsstaates erstattete Anzeige), noch aus seinen Angaben selbst, ergeben sich konkrete Anhaltspunkte in Hinblick auf einen konkreten Täter bzw. auf eine konkrete Tätergruppe. Auch konnte eine allfällige Täterschaft einer Miliz nicht erwiesen werden. Diesbezüglich ist der BF stets sehr vage und unbestimmt geblieben, sagte er vor dem BVwG aus: "Wir verdächtigen die ASA'IB AHL AL HAQQ". In Ermangelung konkreter Anhaltspunkte und ohne weitere Ausführungen, worauf sich dieser Verdacht gründet, konnte eine Täterschaft dieser (schiitischen) Miliz anlassbezogen nicht erwiesen werden.

 

Dass die (Kern-)familie zwei Monate vor dem Vorfall vom 29.10.2013 ein Drohschreiben erhalten hätte, vermochte er ebenfalls nicht glaubhaft machen, zumal er sich hinsichtlich dieses Drohschreibens (wie in der Beweiswürdigung aufgezeigt) in derart eklatante Widersprüche verstrickte, dass letztlich nicht gesagt werden kann, ob es überhaupt ein solches gegeben hat. Hervorzuheben ist weiter, dass dieses Drohschreiben nach den Angaben des BF keine Rückschlüsse auf den Verfasser zuließ, zumal es keinen Hinweis auf einen Absender und (hinsichtlich der darin angeblich erhobenen Geldforderung) keinen Hinweis dazu enthielt, wohin bzw. an wen der Geldbetrag, zu dessen Zahlung die Familie aufgefordert worden sein soll, zu zahlen war. Dem angeblichen Drohschreiben soll lediglich zu entnehmen gewesen sein, dass ein bestimmter Geldbetrag zu bezahlen sei, widrigenfalls die Empfänger desselben die Gegend zu verlassen hätten. Eine weitere Sanktion soll nach den Angaben des BF mit diesem Schreiben nicht verbunden gewesen sein. Selbst bei Wahrunterstellung der Existenz des vom BF behaupteten Drohschreibens, das seiner Familie zwei Monate vor dem Vorfall vom 29.10.2013 übermittelt worden sei, lassen sich auf Grund der fehlenden Angaben zu einem Absender bzw. zum Empfänger der Geldsendung keine Schlussfolgerungen dahinziehen, wer für den Tod des Bruders bzw. den Cousin väterlicherseits verantwortlich sein könnte.

 

Ob der BF im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt war, beantwortete er schon im Rahmen seiner Einvernahme durch die belangte Behörde am 21.08.2017: so hatte er auf die vor dem BFA gestellte Frage, ob er während seines Aufenthalts in MOSSUL im Zeitraum von November 2013 bis Juni 2015 "selbst jemals persönlich bedroht" worden wäre, wörtlich angegeben:

"Selber habe ich keine Bedrohungen erlebt, weil ich woanders lebte mit meinem Großvater in der Nähe der Universität" [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 6].

 

Schon aus dieser Antwort des BF, die mangels anderslautender Angaben vor dem BFA bzw. in seiner PV vor dem BVwG der Wahrheit am nächsten kommt, kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass er im Herkunftsstaat, ausgehend vom Vorfall vom 29.10.2013, bei dem sein Bruder XXXX und ein Cousin väterlicherseits ums Leben kamen, bis zu seiner Ausreise am 02.06.2015 weder einer asylrelevanten Bedrohung, noch einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war. Dafür spricht auch, dass er bis zu seiner Ausreise - abgesehen von den verklausuliert geschilderten, für das erkennende Gericht nachvollziehbaren Wirren und Ereignissen auf Grund des zu dieser Zeit in und um MOSSUL getobt habenden Krieges - keine konkreten gegen ihn oder seine im Herkunftsstaat verbliebene (Kern-)familie gerichteten Verfolgungshandlungen bzw. Bedrohung einer konkreten Miliz behauptete bzw. glaubhaft zu machen vermochte. Vor dem BFA hatte er die Frage, ob er gröbere Probleme mit Privatpersonen (insb. auf Grund einer Blutfehde, eines Racheaktes etc.) gehabt hätte, verneint [BF in Niederschrift des BFA vom21.08.2017, S. 5].

 

Ebenso verneinte er die Frage, ob er im Herkunftsstaat mit den Behörden, den Gerichten oder der Polizei gehabt hätte. In Ermangelung eines diesbezüglichen später erstatteten Vorbringens des BF ist davon auszugehen, dass er mit den Behörden, den Gerichten oder mit der Polizei des Herkunftsstaates keine Probleme hatte.

 

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft, wobei als zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" erachtet wird. Diese ist dann gegeben, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erschließt sich jedoch, dass die behauptete Furcht des BF, aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht begründet ist:

 

Der BF ist Angehöriger der arabischen Volksgruppe und gehört der muslimischen Glaubensgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung an. Insofern sich das im Rahmen der Erstbefragung angeführte Fluchtvorbringen auf die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe bezieht, ist festzuhalten, dass Sunniten im Irak als solche im Verhältnis zu den Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft zwar in der Minderheit sind, jedoch ist eine systematische Verfolgung bzw. Diskriminierung der Sunniten im Irak durch staatliche Stellen oder Privatpersonen nach den aktuellen Länderberichten nicht zu verzeichnen. Zudem ist zu bemerken, dass er selbst zu keinem Zeitpunkt vorbrachte, als Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung verfolgt worden zu sein. Da er im gesamten Verfahren eine Bedrohung bzw. Verfolgung seiner Person durch schiitische Milizen (hier: die Miliz ASA'IB AHL AL HAQQ) nicht behauptete, bzw. seine Behauptungen stets unsubstantiiert und unkonkret geblieben sind, konnte kein von schiitischen Milizen ausgehendes, den BF treffendes individuelles oder aktuelles Bedrohungsszenario festgestellt werden.

 

Hinsichtlich des Fluchtvorbringens bezüglich der Bedrohung durch den IS und dann später durch eine schiitische Miliz ist zu bemerken, dass es ihm im Lichte der offenkundigen Diskrepanzen seiner Ausführungen hinsichtlich des Bedrohungsszenarios und der damit im Zusammenhang stehenden Abläufe nicht gelang, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen. Das vom BF dargestellte Szenario ist nicht nur auf Grund der mannigfaltigen Widersprüche in der Darstellung, sondern auch eingedenk der festgestellten Situation im Irak selbst nicht nachvollziehbar. Allein in der Darstellung der vermeintlichen Bedrohungsakte verstrickte er sich in eklatante (in der Beweiswürdigung bereits aufgezeigte) Widersprüche. Er konnte die Organisation, von der er behauptete, verfolgt worden zu sein, ebenso wenig benennen, wie den Grund, warum gerade er im Fadenkreuz dieser Organisation stehen solle. Auch erschließt sich dem BVwG nicht, weshalb er diesen zentralen Teil seiner Fluchtgeschichte erst in der Einvernahme vor dem BFA schilderte und in der Erstbefragung vollkommen unerwähnt ließ. Von der Erstbefragung bis zur mündlichen Verhaltung erfuhr sein Fluchtvorbringen immer wieder erhebliche Veränderungen, weshalb es naheliegend ist, dass es sich bei der geschilderten Fluchtgeschichte um ein tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt handelt.

 

Bereits gesetzte Verfolgungshandlungen können als wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr herangezogen werden. Aus den oben näher dargestellten Gründen ist auch der Vorfall vom 29.10.2013 nicht als "bereits gesetzte Verfolgungshandlung" zu qualifizieren, zumal die Täterschaft vollkommen im Dunkel blieb.

 

Auch im Bewusstsein dessen, dass die politische Lage im Irak angespannt ist, muss fallgegenständlich auch darauf hingewiesen werden, dass sich keine konkreten Anhaltspunkte dahin ergeben haben, dass sich die örtlichen Sicherheitskräfte des Herkunftsstaates ihm gegenüber als nicht schutzfähig oder schutzwillig gezeigt hätten. Anhaltspunkte in eine andere Richtung wurden weder behauptet, noch glaubhaft gemacht.

 

Letztlich konnte eine gegen ihn gerichtete individuelle und aktuelle Verfolgung oder Bedrohung aus oben genannten Gründen von diesem weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht werden.

 

3.2.4. Selbst bei Wahrunterstellung des behaupteten Bedrohungs- und Verfolgungsszenarios ist zudem relevant, ob derartige Szenarii im gesamten Staatsgebiet des Iraks gegeben sind.

 

Vor dem Hintergrund der länderkundlichen Feststellungen wird deutlich, dass sich das Vorbringen des BF auf den Ort MOSSUL und die dort im Zeitpunkt seiner Ausreise in verstärktem Ausmaß entbrannten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem IS einerseits und den irakischen Regierungstruppen und den Truppen der Westallianz andererseits bezieht. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er in einem anderen Teil des Iras, z.B. in BAGDAD, in ANBAR, im Nord- oder im Südirak der Gefahr einer individuellen Verfolgung, sei es ausgehend von staatlichen Organen oder von Dritten, ausgesetzt gewesen wäre. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass er auch im schiitisch dominierten Südirak eine große Anzahl von Sunniten mit der schiitischen Mehrheitsgesellschaft koexistiert, lebt und arbeitet und dass im Lichte der einschlägigen Länderberichte - auch wenn es stellenweise zu glaubensbedingten Diskriminierungen kommt und in BASRA generell eine höhere Kriminalitätsrate herrscht - eine systematische Verfolgung oder Diskriminierung aufgrund der Glaubensangehörigkeit dort mit maßgeblich hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist.

 

Die für eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative ebenfalls geforderte Beständigkeit der im fraglichen Gebiet herrschenden Umstände, insbesondere auch hinsichtlich einer Verfolgungsfreiheit, war im Lichte aktueller länderkundlicher Informationen innerhalb der genannten Provinzen des Nord- und Südiraks sowie für den Großraum BADAD feststellbar. Demnach sind diese Regionen - trotz der aufgrund der Kriegshandlungen der vergangenen Jahre wirtschaftlich schwachen Situation in diesen Gegenden - als mögliche Fluchtalternativen anzusehen.

 

Was die zu erwartenden generellen Lebensumstände im Falle einer Einreise in diese Gebiete angeht, war aus den länderkundlichen Informationen des Gerichtes zu gewinnen, dass die große Zahl an Flüchtlingen und Binnenvertriebenen, die sich vor allem im Nordirak in den letzten Jahren angesammelt haben, sowohl die Kapazitäten der regionalen Behörden als auch der regionalen wie internationalen Hilfsorganisationen in größtem Maße beanspruchten. Dennoch gelingt es den Behörden und Organisationen über einen nun schon maßgeblichen Zeitraum von fast drei Jahren hinweg diese Aufgaben jedenfalls in der Form zu bewältigen, dass die existentiellen Lebensbedürfnisse auch der hilfsbedürftigen Flüchtlinge befriedigt werden können. Dies war nicht nur aus dem Datenmaterial, das zur Entscheidungsfindung herangezogen wurde, abzuleiten und ergibt sich indirekt auch aus dem Umstand, dass dem Gericht aktuell bzw. schon über einen längeren Beobachtungszeitraum hinweg keine gegenteiligen Informationen bekannt geworden wären.

 

Der BF ist ein junger, gesunder und erwachsener Mann und verfügt über ein gewisses Maß an Arbeitserfahrung, er ist arbeitsfähig und arbeitswillig. Es ist daher zur Einschätzung zu gelangen, dass er bei einer Rückkehr in die genannten Regionen möglicherweise mit gewissen Anfangsschwierigkeiten konfrontiert sein könnte, die jedoch nicht jenes Ausmaß erreichen würden, um in eine ausweglose und die Befriedigung ihrer grundlegend notwendigsten Lebensbedürfnisse gefährdende Situation zu geraten.

 

3.2.5. Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH vom 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; vom 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; vom 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; vom 26.06.1997, ZI. 95/18/1291 und vom 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und die Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH vom 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0122 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (z.B. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; vom 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438 und vom 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH vom 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203 und vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offenbliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt besteht, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH vom 27.02.2001, Zl. 98/21/0427 und vom 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR vom 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; vom 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

 

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR vom 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; vom 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (z.B. das Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm.

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR vom 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; vom 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; vom 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164 und vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH vom 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).3.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind.

 

3.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind.

 

Dass der BF im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte weder im Rahmen des verwaltungsbehördlichen, noch im Rahmen des vor dem BVwG durchgeführten Ermittlungsverfahrens festgestellt werden. Er hat schon vor der belangten Behörde angegeben, dass er selbst (bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat) keine Bedrohungen erlebt [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 6]. Der BF ist bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat einem Universitätsstudium nachgegangen und hat in einem Internetcafé gearbeitet. Im gesamten Vorbringen sind keine Anhaltspunkte dahingehend enthalten, dass er auf Grund dieser beruflichen Tätigkeiten einer Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Auch ist im Zusammenhang mit der vormaligen beruflichen Ausrichtung des Vaters als Offizier der irakischen Armee unter den Ägiden des vormaligen Staatspräsidenten nicht hervorgekommen, dass er bzw. dessen (Kern-)familie deswegen verfolgt oder bedroht worden wären bzw. ist es ihm nicht gelungen, eine Verfolgung bzw. Bedrohung aus politischen oder religiösen Gründen glaubhaft zu machen.

 

Wie schon ausgeführt, handelt es sich beim BF um einen arbeitsfähigen und gesunden, jungen Erwachsenen, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er verfügt darüber hinaus über eine Schulausbildung und eine begonnene universitäre Ausbildung und war es ihm möglich, im Irak durch seine Tätigkeit im Internetcafé sich ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Anlassbezogen ist nicht hervorgekommen, dass er im Herkunftsstaat keine dort lebenden Familienangehörigen mehr hätte, zumal er selbst angegeben hatte, dass nur er ausgereist sei. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass er in seinem Herkunftsstaat, dessen Sprache er vollkommen mächtig ist, grundsätzlich in der Lage sein wird, ein ausreichendes, sein Auskommen sicherstellendes Einkommen zu erwirtschaften. Darüber hinaus konnte nicht festgestellt werden, dass er im Irak auf eine dort noch lebende verwandtschaftliche Bande nicht aufbauen könnte.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt keineswegs die angespannte allgemeine Sicherheitslage oder die darunter leidende wirtschaftliche Situation, die interkonfessionellen und politischen Bruchlinien in der Gesellschaft, sowie die komplexe, sich an einer ausgeprägten Stammeskultur und konservativ-religiös geprägte Moralvorstellungen ausrichtenden Strukturen im Irak. Dennoch ist zum einen hervorzuheben, dass sich den länderkundlichen Informationen zufolge mit der Zurückdrängung des IS die Lage in weiten Teilen des Irak, wie z.B. in den Regionen ANBAR oder SALAH AD-DIN, langsam aber beständig beruhigt und dass in TIKRIT eine große Anzahl an zurückkehrenden Familien, insbesondere Sunniten, zu verzeichnen ist. In diesem Kontext kann nicht erkannt werden, dass dem BF im Falle seiner Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), hat er doch selbst kein entsprechendes Vorbringen dahin erstattet, dass im Falle seiner Rückführung in den Herkunftsstaat jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Ferner kann das Bundesverwaltungsgericht in Anbetracht des Verbleibs seiner Eltern und Geschwister im Irak nicht erkennen, weshalb gerade er dort keine Existenzgrundlage vorfinden sollte.

 

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; vom 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453 und vom 18.07.2003, Zl. 2003/01/0059), liegt nicht vor.

 

Zu berücksichtigen ist weiter, dass er den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in den Irak nicht substantiiert entgegengetreten ist und in weiterer Folge auch nicht dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirken würde. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde er nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.

 

Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch sind Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, nicht hervorgekommen.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind.

 

3.3.3. Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

3.4. Zu den Spruchpunkten III., IV. und V. des angefochtenen Bescheides:

 

3.4.1. Der mit "Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme" betitelte § 10 AsylG 2005 lautet:

 

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird

 

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

 

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

 

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

 

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

 

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

 

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm. 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

 

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

 

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm. 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

 

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

 

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, lautet im Folgenden wörtlich wiedergegeben wie folgt:

 

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

 

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

 

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

 

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

 

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

 

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

 

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

 

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

 

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

 

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

 

3.4.2. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss geprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

 

3.4.3. Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR vom 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; vom 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; vom 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; vom 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR vom 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93 und vom 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention³ (2008), S. 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR vom 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; und EKMR vom 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR vom 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR vom 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118 und EKMR vom 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, S. 761; Rosenmayer, ZfV 1988, S. 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07 dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

 

 

 

 

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl das Familienleben als auch die Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR vom 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; vom 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; vom 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05 und EGMR vom 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

 

Die Ausweisung eines Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen oder Anträgen aus humanitären Gründen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant, noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR vom 08.04.2008, Nnyanzi, Zl. 21878/06).

 

Nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR vom 16.06.2005, SISOJEVA u.a. gg. Lettland, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf die Einreise und den Aufenthalt in einem Staat; unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) auch in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht hat, oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR vom 30.11.1999, BAGHLI gg. Frankreich, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso VfGH, VfSlg 10.737/1985 und VfSlg 13.660/1993).

 

Bei der vorzunehmenden Interessensabwägung ist zwar nicht ausschlaggebend, ob der Aufenthalt des Fremden zumindest vorübergehend rechtmäßig war (EGMR vom 16.09.2004, Ghiban/BRD; vom 07.10.2004, Dragan/BRD; vom 16.06.2005, Sisojeva u.a. / LV), bei der Abwägung jedoch in Betracht zu ziehen (vgl. VfGH vom 17.03.2005, G 78/04; EGMR vom 08.04.2008, Nnyazi/GB). Eine langjährige Integration ist zu relativieren, wenn der Aufenthalt auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten, insbesondere etwa auf die Vortäuschung eines Asylgrundes (vgl VwGH vom 02.10.1996, Zl. 95/21/0169), zurückzuführen ist (VwGH vom 20.12.2007, Zl. 2006/21/0168). Darüber hinaus sind auch noch weitere Faktoren, wie insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, sowie der Grad der Integration, welcher sich durch die Intensität der Bindung zu Verwandten und Freunden, Selbsterhaltungsfähigkeit, Schulausbildung bzw. Berufsausbildung, Teilnahme am sozialen Leben, Beschäftigung manifestiert, aber auch die Bindungen zum Herkunftsstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (VfGH vom 29.09.2007, Zl. B1150/07 unter Hinweis und Zitierung der EGMR-Judikatur).

 

Bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zur Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes ist immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls im Detail abzustellen. Eine Ausweisung hat immer dann zu unterbleiben, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

3.4.4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher für den gegenständlichen Fall folgendes:

 

Der BF ist ledig und hat weder leibliche, noch adoptierte Kinder. Er lebt allein. Im Bundesgebiet lebt noch seine Schwester XXXX, ebenfalls eine Asylwerberin.

 

Vor diesem Hintergrund verfügt er zwar im Bundesbiet über ein schützenswertes Privat- und Familienleben iSd Art 8 EMRK, doch muss dieses insofern eine Relativierung hinnehmen, als sowohl der BF, als auch dessen Schwester ihren Aufenthalt auf einen Asylantrag stützen. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass der BF und dessen Schwester ein emotional tiefgehendes Familienleben führen würden bzw. er von ihr finanziell und wirtschaftlich abhängig wäre.

 

Auch wenn nach der Rechtsprechung des VwGH das Fehlen eines häuslichen Zusammenlebens allein nicht ausschlaggebend für das Bestehen eines gemeinsamen Familienlebens ist, so muss dieses im Hinblick auf die Beziehung des BF zu seiner Schwester in Anbetracht der gesamten tatsächlichen Verbindung insofern relativiert werden, dass Anhaltspunkte einer tatsächlichen, tiefgreifenden Bindung des BF zu ihr nicht besteht.

 

Der BF reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Juli 2015 rechtswidrig ins Bundesgebiet ein und stellte am 19.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er hält sich zumindest seit dem 19.07.2015, sohin seit etwas mehr als drei Jahren im Bundesgebiet auf. Während dieses Aufenthaltes konnte er von einer zukünftigen dauerhaften Legalisierung seines Aufenthalts nicht in begründeter Weise ausgehen. Bei der im Anlassfall bestehenden Aufenthaltsdauer kann noch keine daraus resultierende, rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden, zumal der Verwaltungsgerichtshof selbst bei einer Aufenthaltsdauer von dreieinhalb Jahren von einem kurzen Aufenthalt ausgeht (VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

Der BF lebt von den Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er hat temporär am Bauhof der Gemeinde XXXX im Ausmaß von 22 Stunden pro Monat gearbeitet und im Rahmen dieser Tätigkeit Pflanzen gegossen, den Rasen gemäht und Holzschneidearbeiten erledigt. Abgesehen von dieser unregelmäßig ausgeübten Tätigkeit geht er im Bundesgebiet keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und konnten auch keine anderweitigen maßgeblichen wirtschaftlichen Interessen festgestellt werden. Anlassbezogen ist nicht hervorgekommen, dass er auf dem regulären Arbeitsmarkt eine Erwerbstätigkeit in Aussicht hätte. Vielmehr bezieht er zur Sicherstellung seines Auskommens Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber.

 

Auch bestehen keine Anzeichen in Hinblick auf eine besondere sprachliche oder soziale Integration des BF. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Verwaltungsgericht hat sich deutlich ein Fehlen der deutschen Sprachkompetenz des BF gezeigt. Er hat erst im Jahr 2017 einen Deutschkurs begonnen, was in Anbetracht seines zum Zeitpunkt der Entscheidung etwas mehr als drei Jahre andauernden Aufenthaltes nicht auf tiefgehende Ambitionen, die deutsche Sprache nachhaltig erlernen zu wollen, hindeutet.

 

Der BF hat tiefgreifende emotionale Beziehungen zu im Bundesgebiet aufhältigen Personen weder behauptet, noch belegt. Zu beachten ist weiters, dass integrative Anknüpfungspunkte eingedenk des Wissens des BF um seinen unsicheren Aufenthalt im Bundesgebiet und der damit einhergehenden allfälligen Unmöglichkeit, die im Bundesgebiet eingegangenen Beziehungen in Österreich weiterführen zu können, eine Relativierung hinnehmen müssen.

 

Er ist nicht Mitglied eines Vereins und pflegt im Bundesgebiet keine Hobbies. Indem er am Bauhof der Gemeinde XXXX eine Tätigkeit übernommen hat, beschäftigte er sich zwar ehrenamtlich, doch konnte nicht festgestellt werden, dass er diese Tätigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg regelmäßig durchgeführt hätte. Letztlich lässt sich weder aus den ehrenamtlich durchgeführten Arbeiten, noch aus dem einmaligen Besuch eines Werte- und Orientierungskurses eine maßgebliche soziale Integration des BF ableiten.

 

Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ohne Hinzutreten weiterer maßgeblicher Umstände noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH vom 15.03.2016, Zl. Ra 2016/19/0031 mwN). Diesbezüglich ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht und sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehende Integrationsmerkmale verfügt, weshalb diesen daher nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt (VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/18/0720; und vom 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029). Im Anbetracht der höchstgerichtlichen Judikatur kann auch im einmaligen Besuch von Integrationskursen noch keine besonders maßgebende sprachliche oder soziale Integration des BF erblickt werden.

 

Der BF ist zwar, wie richtigerweise vorgebracht wurde, strafgerichtlich unbescholten, doch hat dieser Umstand allein nicht das für die Annahme einer sozialen Integration zukommende Gewicht. Die Unbescholtenheit der beschwerdeführenden Parteien fällt bei der vorzunehmenden Abwägung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht ins Gewicht. Nach der Judikatur bewirkt die strafrechtliche Unbescholtenheit weder eine Stärkung der persönlichen Interessen, noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/18/0420).

 

Zudem geht der VwGH davon aus, dass bei einem Fremden, der sich im Bundesgebiet aufhält, selbstverständlich angenommen werden kann, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten eines Fremden ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. VwGH vom 27.02.2007, Zl. 2006/21/0164, mwN), wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

 

Hinweise auf eine im Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF in beruflicher, wirtschaftlicher, sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar.

 

In Anbetracht der Umstände, dass er den überwiegenden Teil seines Lebens im Irak gelebt, dort seine Schulausbildung absolviert und zuletzt auch einer Erwerbstätigkeit in einem Internetcafé nachgegangen ist, und nicht festgestellt werden konnte, dass er im Herkunftsstaat keine familiären Anknüpfungspunkte mehr hätte, ist eine wesentlich stärkere Bindung des BF zu seinem Herkunftsstaat zu erblicken. Er spricht die Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau und es deutet nichts darauf hin, dass es ihm im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Es ist daher von einer grundsätzlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwurzelung des BF im Herkunftsstaat auszugehen. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsstaat letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiären Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH vom 29.04.2010, Zl. 2009/21/0055).

 

Zusammenfassend ist also in Anbetracht des erst kurzen Aufenthaltes des BF in Österreich, der fehlenden beruflichen und der nur oberflächlich gebliebenen sozialen Integration festzuhalten, dass auch in Anbetracht seiner durch die ehrenamtliche Arbeit und durch die mit dem Sprachkurs zu Tage getretenen Bemühungen die deutsche Sprache zu erlernen, über das übliche Maß hinausgehende Integrationsmerkmale nicht festgestellt werden konnten. Letztlich ist daher von einer schwachen Interessenslage des BF am Verbleib im Bundesgebiet auszugehen.

 

Es überwiegt das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Hinblick auf die Einhaltung eines geordneten Vollzuges des Aufenthalts- und Fremdenrechts, die privaten und familiären Interessen des BF an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK daher nicht vorliegt.

 

Im gesamten Verfahren sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und ist auch in der Beschwerde nicht substantiiert behauptet worden, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Erklärung einer dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung iSd. § 9 BFA-VG, ist gegenständlich gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 kein amtswegiger Abspruch über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 vorzunehmen gewesen.

 

Anlassbezogen liegen auch keine Umstände vor, dass dem BF von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre. Die belangte Behörde ist nach Abwägung aller dargelegten persönlichen Umstände der Beschwerdeführer daher zu Recht davon ausgegangen, dass ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu erteilen war.

 

Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG getroffene Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre.

 

3.4.5. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit der Abschiebung vorliegen, war die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III., IV. und V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 52 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 9 FPG als unbegründet abzuweisen.

 

3.5. Zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides:

 

3.5.1. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt diese Frist 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Bei Überwiegen solcher besonderen Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 3 FPG einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden.

 

Dass besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht substantiiert vorgebracht. Im Hinblick auf die gänzliche Abweisung der gegenständlichen Beschwerde war auch nicht weiter auf die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einzugehen.

 

3.5.2. Daher war die gegen den Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe und zum Neuerungsverbot auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

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