European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00135.23V.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang der Abweisung eines Zahlungsbegehrens von 521.436,31 EUR samt 4 % Zinsen aus 448.745 EUR seit 17.1.2014, aus 3.203,82 EUR seit 25. 4. 2019, aus 4.448,52 EUR seit 13. 11. 2018 und aus 65.038,97 EUR seit 30. 7. 2018 unter Vorbehalt der Kostenentscheidung als Teilurteil bestätigt.
Im Übrigen, also im Umfang des restlichen Zahlungsbegehrens von 5.251,37 EUR, werden die Urteile der Vorinstanzen dahin abgeändert, dass die Entscheidung insoweit als Teil- und Zwischenurteil lautet:
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 5.251,37 EUR zu zahlen, besteht dem Grunde nach zu Recht.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger erwarb am 18. 5. 2012 eine Liegenschaft um 454.545 EUR, auf der sich ein nach dem Salzburger Naturschutzgesetz geschütztes Biotop befindet. Dieses ist im Salzburger geografischen Informationssystem (SAGIS) eingetragen. Die Kartierungsunterlagen wurden der beklagten Gemeinde spätestens am 14. 7. 2006 übermittelt. Seitdem waren ihre Organe über dessen Lage informiert. Dennoch erklärte die Beklagte das Grundstück mit dem Biotop am 22. 12. 2006 zum Bauplatz, wobei festgehalten wurde, dass es in keinem Landschaftsschutzgebiet liege und keine naturschutzrechtlich bewilligungspflichtigen Maß-nahmen erforderlich seien.
[2] Der Kläger und der mit der Vermittlung der von ihm erworbenen Liegenschaft beauftragte Immobilienmakler führten vor Unterzeichnung des Kaufvertrags Gespräche mit Organen der Beklagten über das vom Kläger geplante Bauprojekt. Dabei wurde dargelegt, dass er das Bauland möglichst ausnutzen wolle. Dem Makler wurde von Organen der Beklagten mitgeteilt, dass die angestrebte Bauführung zulässig sei. Auf das Erfordernis einer naturschutzrechtlichen Bewilligung oder auf sonstige Bebauungshindernisse wurde nicht hingewiesen. Anlässlich dieser Gespräche nahm der Bauamtsleiter der Beklagten Einsicht in das SAGIS, wo das Biotop rot eingetragen war. Obwohl er wusste, dass rot gekennzeichnete Biotope ein absolutes Bebauungshindernis darstellen, wies er darauf aber nicht hin.
[3] Dem Kläger war bei Abschluss des Kaufvertrags nicht bekannt, dass sich auf der von ihm erworbenen Liegenschaft ein geschütztes Biotop befindet. Hätte er dies gewusst, hätte er den Vertrag nicht unterzeichnet.
[4] Das vom Kläger geplante Bauprojekt wurde vom Bürgermeister der Beklagten am 25. 6. 2013 mit folgender Auflage bewilligt: „Für das auf den Grundparzellen [...] ausgewiesene Biotop ist vor Baubeginn hinsichtlich der beabsichtigten Änderung mit der Naturschutzbehörde St. Johann/Pg. das Einvernehmen herzustellen.“ Dadurch erlangte der Kläger erstmals Kenntnis vom Biotop. Die Bezirkshauptmannschaft als zuständige Naturschutzbehörde versagte mit Bescheid vom 6. 7. 2015 die für die Bebauung erforderliche Bewilligung.
[5] Der vom Kläger abgeschlossene Kaufvertrag wurde gerichtlich aufgehoben und der Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübertragung der Liegenschaft verpflichtet. Dessen dagegen erhobene Revision wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 25. 4. 2019 zu 5 Ob 29/19d zurückgewiesen. Im Zuge des vom Kläger gegen den Verkäufer geführten Exekutionsverfahrens ergab sich ein pfändbarer Einkommensbezug von nur rund 300 EUR.
[6] Am 24. 7. 2019 brachte der Kläger eine erste Amtshaftungsklage ein. Er begehrte von der Beklagten den Ersatz der für den Liegenschaftserwerb angefallenen Kosten sowie die Feststellung ihrer Haftung für künftige Schäden aus der unterbliebenen Aufklärung über das Biotop. Dem Zahlungsbegehren wurde teilweise stattgegeben. Außerdem wurde festgestellt, dass die Beklagte für alle künftigen Schäden aus der unterlassenen Aufklärung über den Biotopbestand auf den vom Kläger erworbenen Grundstücken sowie wegen unrichtiger Auskünfte und Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem beabsichtigten und erfolgten Kauf von Flächen dieser Grundstücke hafte.
[7] Der Kläger begehrt nunmehr den Ersatz des Kaufpreises (454.545 EUR) abzüglich des behaupteten Werts der Liegenschaft (5.800 EUR) und den Ersatz der ihm im Verfahren wegen Aufhebung des Kaufvertrags entstandenen Prozesskosten (72.691,31 EUR), jeweils samt Zinsen, sowie der Kosten des gegen den Verkäufer geführten Exekutionsverfahrens (5.251,37 EUR). Die von diesem bisher eingebrachten Zahlungen von insgesamt 9.858,29 EUR rechnete der Kläger auf die Zinsen auf seine Ersatzforderung von 454.545 EUR an.
[8] Die Beklagte hafte aufgrund der von ihren Organen erteilten unrichtigen Auskunft zur Bebaubarkeit der vom Kläger erworbenen Grundstücke. Da er nur einen geringen Teil seines Schadens vom Verkäufer erlangen könne und die Beklagte auch dessen Insolvenzrisiko trage, habe sie die gesamte durch die Auskunftspflichtverletzung verursachte Vermögenseinbuße des Klägers im Wege der Amtshaftung zu ersetzen.
[9] Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass die behaupteten Schäden des Klägers nicht von dem im ersten Amtshaftungsverfahren ergangenen Feststellungsurteil umfasst seien, weil ihm diese schon bei Erhebung seines dortigen Feststellungsbegehrens bekannt gewesen wären. Da sie zu diesem Zeitpunkt auch bereits beziffert werden hätten können, hätte der Kläger insoweit ein Leistungsbegehren erheben müssen. Dies gelte sowohl für den angestrebten Ersatz des Kaufpreises abzüglich des Werts der Liegenschaft als auch für die im Verfahren gegen den Verkäufer entstandenen Kosten.
[10] Die Schäden des Klägers stünden auch in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Aufklärungspflichtverletzung. Das Amtshaftungsrecht bezwecke keine „Ausfallshaftung“ bzw „Versicherungsdeckung“ für wirtschaftlich uneinbringliche Ansprüche gegenüber dem primär Zahlungspflichtigen (hier dem Verkäufer der Liegenschaft).
[11] Die Beklagte bestritt auch die Höhe des Klagebegehrens, insbesondere den vom Kläger behaupteten Wert der von ihm erworbenen Liegenschaft. Außerdem sei nicht überprüfbar, inwieweit die Verfahrenskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gegenüber dem Verkäufer erforderlich gewesen wären.
[12] Das Erstgericht wies die Klage ab.
[13] Auch wenn die behaupteten Schäden des Klägers von Organen der Beklagten verursacht worden seien, stünden sie mit deren Aufklärungspflichtverletzung in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang. Schutzzweck der Bestimmungen über die Erteilung richtiger Auskünfte durch die Behörde sei – auch nach dem hier anzuwendenden Salzburger Gesetz über Auskunftspflicht, Dokumentenweiterverwendung, Datenschutz, Landesstatistik und Geodateninfrastruktur – nur der Dispositionsschutz des Auskunftsberechtigten. Hingegen bezwecke die Auskunftspflicht der Beklagten nicht, den Geschädigten vor der Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit des „eigentlich“ Ersatzpflichtigen zu schützen. Die hier geltend gemachten Vermögensnachteile des Klägers seien von der Beklagten daher nicht zu ersetzen.
[14] Das im ersten Amtshaftungsprozess ergangene Feststellungsurteil beziehe sich nur auf jene künftigen Schäden, deren Ersatz mangels Fälligkeit im dortigen Verfahren noch nicht begehrt werden habe können. Die nunmehr behaupteten Schäden des Klägers seien davon nicht umfasst.
[15] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung sowie die Begründung des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision zu.
[16] Bei den vom Kläger geltend gemachten Schäden handle es sich um keine „künftigen Schäden“ im Sinn des im ersten Amtshaftungsverfahren ergangenen Feststellungsurteils. Außerdem schütze die Auskunftspflicht der Beklagten nicht vor der Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit des „eigentlich“ Ersatzpflichtigen. Eine „allgemeine Versicherung“ für den Fall, dass vom unmittelbaren Schädiger kein Ersatz zu bekommen sei, sei dem Amtshaftungsrecht fremd.
[17] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage „einer Amtshaftung im Zusammenhang mit einer Zahlungsunfähigkeit des primär Ersatzpflichtigen“ keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
[18] Die Revision des Klägers ist zulässig, weil den Vorinstanzen bei der Beurteilung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlief; sie ist auch teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[19] 1. Die Rechtswidrigkeit sowie das Verschulden des Organhandelns sind nach dem Urteil im ersten Amtshaftungsprozess nicht mehr strittig.
[20] 2. Im vorliegenden Verfahren ist zunächst zu prüfen, ob der geltend gemachte Schaden durch das schädigende Ereignis, für das die Ersatzpflicht feststeht, verursacht wurde (RS0111722). Das Feststellungsurteil entfaltet daher für die Kausalität der im Leistungsprozess behaupteten Schäden keine Bindungswirkung (RS0111722 [T4]; RS0038915).
[21] Der Kläger leitet seinen Schaden daraus ab, dass er die Liegenschaft mit dem Biotop bei richtiger und vollständiger Aufklärung durch die Beklagte nicht erworben hätte. Er hätte dann einerseits den Kaufpreis nicht bezahlt und andererseits den (geringeren) Wert der Liegenschaft nicht erhalten. Außerdem wären ihm keine Kosten für die Rückabwicklung des Kaufvertrags und die Durchsetzung seiner Ansprüche gegenüber dem Verkäufer entstanden. Damit begehrt er – entgegen dem von der Beklagten in erster Instanz vertretenen Standpunkt – den aufgrund der Aufklärungspflichtverletzung ersatzfähigen Vertrauensschaden (RS0016377 [T4]).
[22] 3. Weiters ist zu prüfen, ob der konkrete Schaden im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Norm steht.
[23] 3.1. Auch im Amtshaftungsrecht muss die verletzte Vorschrift bezwecken, den Geschädigten vor den eingetretenen Nachteilen zu schützen (RS0050038 [T1]). Der Schutzzweck der verletzten Norm ist ein selbständiges Abgrenzungskriterium der Schadenersatzhaftung. Sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung müssen vom Schutzzweck erfasst sein (RS0027553 [T18]). Ersatzfähig sind Schäden, deren Eintritt die übertretene Vorschrift gerade verhindern wollte oder deren Verhinderung zumindest mitbezweckt ist (RS0031143 [T5, T13]).
[24] 3.2. Behördenauskünfte bezwecken nach ständiger Rechtsprechung den Dispositionsschutz des Auskunftswerbers. Sie sollen wirtschaftliche Dispositionen erleichtern bzw sinnvoll ermöglichen (RS0113363). Bei einer falschen Behördenauskunft, die eine verfehlte Disposition zur Folge hat, ist daher auch für bloße Vermögensschäden Ersatz zu leisten (RS0113365; 1 Ob 209/22z). Dabei wird für jene Folgen gehaftet, die gerade auf Grundlage der abgegebenen Information eintraten. Ausgeschlossen wäre eine Haftung nur, wenn nach der Lebenserfahrung nicht damit zu rechnen war, dass der Empfänger aufgrund der Information in der schadensbegründenden Weise disponieren werde (1 Ob 199/22d mit Hinweis auf C. Völkl, § 1300 Satz 1 ABGB als Grundlage einer allgemeinen zivilrechtlichen Informationshaftung, ÖJZ 2006, 97). Diese Grundsätze gelten auch für die nach § 2 Abs 1 des Salzburger Gesetzes über Auskunftspflicht, Dokumentenweiterverwendung, Datenschutz, Landesstatistik und Geodateninfrastruktur bestehende Verpflichtung der Gemeindeorgane, Auskünfte über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereichs zu erteilen, soweit dem keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht.
[25] 3.3. Sowohl der im Erwerb der Liegenschaft selbst gelegene Schaden des Klägers (Differenz zwischen Kaufpreis und Wert der Liegenschaft) als auch die angemessenen und zweckmäßigen (RS0022802; RS0106806) Kosten der Durchsetzung seines Rückzahlungsanspruchs gegen den Verkäufer sind vom Schutzzweck der Aufklärungspflicht umfasst. Die erstgenannte Vermögenseinbuße trat unmittelbar aufgrund der im Vertrauen auf die Richtigkeit der Behördenauskunft erfolgten Disposition ein. Die Verfahrenskosten sind als Rettungsaufwand vom Dispositionsschutz umfasst, weil dem Kläger zuzugestehen ist, seine ungewollte Vermögensverfügung rückgängig zu machen. Dass diese beim Gegner nicht eingebracht werden können, schließt eine Amtshaftung nicht aus (vgl 1 Ob 94/61).
[26] 3.4. Der Rechtsansicht der Vorinstanzen sowie der Beklagten, deren Auskunftspflicht habe keinen Schutz des Klägers vor der Uneinbringlichkeit einer im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft erworbenen Forderung gegenüber einem Dritten bezweckt, ist nicht zu folgen:
[27] Der in der Differenz zwischen Kaufpreis und Wert der Liegenschaft gelegene Schaden trat nicht erst durch die Nichterfüllung der Verpflichtung des Verkäufers zur Rückabwicklung des Kaufvertrags ein. Vielmehr entstand diese Vermögenseinbuße bereits durch die nachteilige Disposition aufgrund der Fehlinformation. Der Anspruch des Klägers gegen den Verkäufer auf Rückzahlung des Kaufpreises (Zug um Zug gegen Rückübertragung der Liegenschaft) gleicht diesen Nachteil nicht aus, weil eine Geldforderung dem Besitz eines Geldbetrags nicht gleichgehalten werden kann, wenn die Forderung – wie hier – weitgehend uneinbringlich ist (RS0022602). Das Argument der Vorinstanzen und der Beklagten, die Pflicht der Behörde zur Erteilung einer richtigen und vollständigen Auskunft bezwecke keinen Schutz vor dem Ausfall einer im Vertrauen darauf erworbenen Forderung gegen einen Dritten, überzeugt daher nicht. Damit würde übergangen, dass der Kläger den ihm unmittelbar durch das Fehlverhalten der Organe der Beklagten entstandenen Vermögensschaden sowie den zu dessen Abwehr erforderlichen Rettungsaufwand geltend macht und nicht etwa einen daraus abgeleiteten mittelbaren Folgeschaden aufgrund der weitgehenden Vermögenslosigkeit des Verkäufers (vgl auch 1 Ob 48/00s, wonach die behördliche Pflicht zur Erteilung einer Baulandbestätigung auch eine Bank davor schützen soll, dass sie dem Grundstückskäufer im Vertrauen auf deren Richtigkeit einen uneinbringlichen Kredit gewährt).
4. Zur (inhaltlich) eingewandten Verjährung:
[28] 4.1. Gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 AHG verjähren Amtshaftungsansprüche drei Jahre nach Ablauf des Tages, an welchem dem Geschädigten der Schaden bekannt wurde. Die Frist wird in Gang gesetzt, wenn diesem neben dem Schaden auch der seinen Anspruch begründende Sachverhalt soweit bekannt ist oder zumutbarerweise bekannt sein musste, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden konnte (RS0034512 [T9]). Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt auch dann mit Kenntnis vom Schadenseintritt zu laufen, wenn der Geschädigte die Schadenshöhe noch nicht beziffern kann. Der drohenden Verjährung muss in diesem Fall durch eine Feststellungsklage begegnet werden (RS0050338).
[29] 4.2. Dass dem Kläger der in der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem (geringeren) Wert der Liegenschaft gelegene Schaden bereits mehr als drei Jahre vor Klageeinbringung (am 13. 10. 2022) bekannt war, ergibt sich daraus, dass er auf diesen Schaden schon in seiner ersten Amtshaftungsklage vom 12. 4. 2019 Bezug nahm.
[30] Auch von den im Titelverfahren gegen den Verkäufer entstandenen Verfahrenskosten hatte der Kläger länger als drei Jahre vor Klageeinbringung Kenntnis, wurde dieses Verfahren doch mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 25. 4. 2019 zu 5 Ob 29/19d rechtskräftig beendet (vgl im Übrigen 1 Ob 3/92, wonach der in Prozesskosten gelegene Schaden bereits mit Vornahme der Prozesshandlung entsteht).
[31] Das gegen den Verkäufer geführte Exekutionsverfahren wurde vom Kläger hingegen erst am 10. 2. 2020 –sohin innerhalb von drei Jahren vor Klageeinbringung –eingeleitet. Ob es sich bei den dort angefallenen Kosten um einen aufgrund des Schadensereignisses voraussehbaren Schaden handelte, der keinen gesonderten Lauf der Verjährungsfrist auslöst (RS0087613; RS0097976; nach 6 Ob 333/68 sind Prozess- und Exekutionskosten die „natürliche Folge“ der versuchten Durchsetzung des dem Geschädigten gegen einen Dritten zustehenden Ersatzanspruchs; vgl auch 1 Ob 50/13d), muss im Hinblick auf das im ersten Amtshaftungsprozess ergangene Feststellungsurteil (siehe dazu sogleich) nicht beurteilt werden.
5. Zu den Auswirkungen des im ersten Amtshaftungsprozess ergangenen Feststellungsurteils:
[32] 5.1. Die Einbringung einer Feststellungsklage (der stattgegeben wurde) unterbricht die Verjährung aller zu diesem Zeitpunkt zukünftigen Schadenersatzansprüche (RS0034771; RS0034286). Das rechtskräftige Feststellungsurteil schaltet die Einrede der Verjährung für die Dauer von dreißig Jahren aus (RS0034215; RS0049165). Diese Wirkungen beziehen sich aber eben nur auf künftige und nicht auch auf bereits bekannte und fällige Ersatzansprüche, die mit Leistungsklage geltend gemacht werden hätten können (RS0034771 [T3, T4, T7, T8]; 2 Ob 538/92 mwN). An deren Feststellung besteht kein rechtliches Interesse (RS0038934).
[33] 5.2. Ob sich die verjährungsunterbrechende Wirkung des im ersten Amtshaftungsverfahren erhobenen Feststellungsbegehrens bzw des dazu ergangenen Urteils auch auf die hier geltend gemachten Ersatzansprüche bezieht, hängt also davon ab, ob diese bereits im Vorverfahren mit Leistungsbegehren geltend gemacht werden hätten können. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn sie bereits fällig waren, der Schaden also bereits eingetreten und bezifferbar war (RS0023392).
[34] Auch für die Bezifferbarkeit der Ersatzforderungen des Klägers ist davon auszugehen, dass sein Schaden bereits mit Erwerb der Liegenschaft eintrat und durch den Rückabwicklungsanspruch gegen den Verkäufer nicht ausgeglichen wurde (RS0022602). Eine mit einem Ersatzanspruch konkurrierende Leistungskondiktion gegen einen Dritten –hier den Verkäufer –schließt den Eintritt eines Schadens grundsätzlich nicht aus (RS0022770 [T1]; anders etwa noch 2 Ob 514/85; 3 Ob 557/86; zu 6 Ob 197/08a wurde diese Rechtsprechung als überholt bezeichnet). Zwischen dem Ersatzanspruch und dem Kondiktionsanspruch gegen den Dritten besteht vielmehr volle Konkurrenz (RS0022770; 7 Ob 204/05h). Der Geschädigte kann demnach wählen, welchen Anspruch er geltend macht. Er ist nicht darauf zu verweisen, zunächst seinen Bereicherungsanspruch durchzusetzen (Koziol, Haftpflichtrecht I4 [2020] E Rz 33).
[35] 5.3. Davon ausgehend lässt der Oberste Gerichtshof auch dann keine Feststellungsklage zu, wenn sich ein Vermögensschaden durch Zahlungen Dritter (insbesondere Kondiktionsschuldner) in Zukunft noch verringern könnte (RS0038934 [T5]; 6 Ob 611/83). Vielmehr geht er auch in diesem Fall von einer das Feststellungsinteresse ausschließenden Bezifferbarkeit des Schadens aus. Leistungen Dritter, die eine dem Schädiger zugutekommende Schadensminderung bewirken könnten, verpflichten den Geschädigten demnach nur zur Vorsorge, dass solche Ansprüche ungeschmälert auf den Schädiger übergehen können, entlasten diesen aber nicht (RS0026842).
[36] 5.4. Dem scheinen zwar einzelne Entscheidungen entgegenzustehen, in denen ein bezifferbarer Schaden aufgrund möglicher künftiger Zahlungen Dritter verneint wurde (5 Ob 262/01t; 5 Ob 193/10h; 1 Ob 190/12s; 3 Ob 23/14z). Für die Beurteilung des vorliegenden Falls ist aus diesen aber nichts zu gewinnen:
[37] Zu 5 Ob 193/10h, 1 Ob 190/12z und 3 Ob 23/14z wurden Ersatzansprüche daraus abgeleitet, dass den dortigen Klägern Forderungen gegen einen Bauträger zustanden, die aufgrund eines Fehlverhaltens der beklagten Partei nicht (ausreichend) gesichert waren. Dass der durch den Verlust der Sicherheit verursachte reale Schaden (RS0022526) per se noch zu keiner bezifferbaren Vermögenseinbuße beim Gläubiger führte, ergab sich dort schon daraus, dass das Sicherheitskonzept des BTVG erst mit Eintritt des Sicherungsfalls zum Tragen kommt. Damit kann der vorliegende Fall nicht verglichen werden. Hier führte die aufgrund der Fehlinformation der Beklagten vorgenommene Vermögensdisposition des Klägers bei diesem unmittelbar zu einer bezifferbaren (negativen) Vermögensveränderung, ohne dass dafür –anders als in den genannten Entscheidungen –ein weiterer Umstand hinzutreten musste.
[38] Zu 5 Ob 262/01t war die Haftung eines Bankprüfers für den durch den Erwerb von Bankanleihen eingetretenen Schaden des Anleihegläubigers zu beurteilen. Dass der Oberste Gerichtshof in diesem Fall davon ausging, dass allfällige künftige Ausschüttungen auf die Anleihe das Feststellungsinteresse nicht ausschlössen (und er somit die Bezifferbarkeit des Schadens verneinte), war dort den Besonderheiten des Einzelfalls geschuldet. Konkrete Schlussfolgerungen für den gegenständlichen Fall lassen sich aus dieser Entscheidung nicht ableiten.
[39] 5.5. Der vorliegende Sachverhalt kann jedoch mit dem der Entscheidung zu 10 Ob 14/03mzugrundeliegenden Fall verglichen werden. Auch dort erwarb der Kläger aufgrund einer Fehlberatung des Beklagten (des vertragserrichtenden Anwalts) eine Liegenschaft. Der Oberste Gerichtshof verneinte ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung, weil dem Kläger bereits durch die Kaufpreiszahlung ein Vermögensnachteil entstanden sei. Dieser sei durch den gegen den Verkäufer bestehenden Rückzahlungsanspruch nicht ausgeglichen worden. Der Ersatzanspruch gegen den Beklagten sei daher bereits im Feststellungsverfahren bezifferbar und fällig gewesen. Dass sich der Vermögensschaden durch Zahlungen des Dritten vermindern könnte, ändere daran nichts.
[40] 5.6. Unter Zugrundelegung der dargelegten Rechtsprechung ist also davon auszugehen, dass der in der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Wert der Liegenschaft mit dem Biotop gelegene Vermögensnachteil schon bei Erhebung des Feststellungsbegehrens im ersten Amtshaftungsprozess bezifferbar war. Er ist daher kein künftiger Schaden, der von der verjährungsunterbrechenden Wirkung des Feststellungsbegehrens und des diesem stattgebenden Urteils erfasst wäre. Der Verjährungseinwand ist somit hinsichtlich des auf einen Ersatz dieses Schadens abzielenden Teils des Klagebegehrens berechtigt.
[41] 5.7. Gleiches gilt für den auf einen Ersatz der dem Kläger im Titelverfahren gegen den Verkäufer entstandenen Kosten gerichteten Anspruch. Dieses Verfahren wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 25. 4. 2019 beendet. Da der Kläger seine erste Amtshaftungsklage (mit dem Feststellungsbegehren) erst am 24. 7. 2019 erhob, hätte er die ihm im Verfahren gegen den Verkäufer entstandenen Kosten zu diesem Zeitpunkt bereits beziffern und mit Leistungsbegehren geltend machen können. Diese sind daher ebenfalls kein vom Feststellungsurteil erfasster „künftiger“ Schaden und somit verjährt.
[42] 5.8. Anders sind die Kosten des gegen den Verkäufer geführten Exekutionsverfahrens zu beurteilen. Diese entstanden nach Einbringung der ersten Amtshaftungsklage. Das dort erhobene Feststellungsbegehren sowie das diesem stattgebende Urteil beziehen sich daher auch auf diesen Schaden. Der auf dessen Ersatz gerichtete Teil des Zahlungsbegehrens ist somit nicht verjährt.
[43] 6. Über dieses Teilbegehren kann derzeit aber nur dem Grunde nach entschieden werden:
[44] 6.1. Das Verfahren wurde in erster Instanz auf den Grund des Anspruchs eingeschränkt. Demnach traf das Erstgericht keine Feststellungen zu den vom Kläger im Exekutionsverfahren gegen den Verkäufer aufgewendeten Kosten und den ihnen zugrundeliegenden Verfahrenshandlungen. Deren – von der Beklagten in erster Instanz bestrittene –Zweckmäßigkeit sowie die Angemessenheit der dafür angefallenen Kosten kann daher derzeit noch nicht beurteilt werden. Die Frage der Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der vom Kläger aufgewendeten Verfahrenskosten betrifft die Frage der Schadensminderungspflicht (RS0022802 [T5]) und damit die Anspruchshöhe (RS0040783 [T1]; RS0106185 [T4]). Die Erlassung eines Zwischenurteils nach § 393 ZPO über den Grund des Anspruchs wird dadurch nicht ausgeschlossen.
[45] 6.2. Der Kläger berücksichtigte bei der Berechnung seines Zahlungsbegehrens auch die bisher im Exekutionsweg vom Verkäufer eingebrachten Teilzahlungen von insgesamt 9.858,29 EUR. Er rechnete diese auf die Zinsen der „Hauptforderung“ (Ersatz des Kaufpreises abzüglich des Werts der Liegenschaft) an. Ob diese Zuordnung im Hinblick auf die Tilgungsbestimmungen der EO (vgl RS0107393; § 1416 ABGB ist im Exekutionsverfahren nicht anwendbar; vgl 3 Ob 322/05g) zu Recht erfolgte, betrifft ebenfalls die Frage der Anspruchshöhe (RS0102003; RS0040935 [T5, T6]).
[46] 6.3. Die Frage des Anspruchsgrundes des auf Ersatz der Kosten des Exekutiosverfahrens gestützten Begehrens ist somit abschließend geklärt. Darüber kann daher mit Teil- und Zwischenurteil in dem Sinn abgesprochen werden, dass dieser Teilanspruch dem Grunde nach zu Recht besteht.
[47] 7. Zusammengefasst sind die Entscheidungen der Vorinstanzen im Umfang der Abweisung eines Zahlungsbegehrens von 448.745 EUR (Kaufpreis von 454.545 EUR abzüglich des behaupteten Werts Liegenschaft von 5.800 EUR) samt 4 % Zinsen seit 17. 1. 2014 sowie des weiteren Begehrens von 72.691,31 EUR (Kosten des gegen den Verkäufer geführten Titelverfahrens) samt 4 % Zinsen aus 3.203,82 EUR seit 25. 4. 2019, aus 4.448,52 EUR seit 13. 11. 2018 und aus 65.038,97 EUR seit 30. 7. 2018 (sohin insgesamt hinsichtlich eines Kapitalbetrags von 521.436,31 EUR) als Teilurteil zu bestätigen. Hinsichtlich eines Begehrens von 5.251,37 EUR (Kosten des Exekutionsverfahrens; ein Zinsenbegehren wurde dazu nicht erhoben) werden die Entscheidungen der Vorinstanzen abgeändert und mit Teil- und Zwischenurteil ausgesprochen, dass diese Forderung dem Grunde nach zu Recht besteht.
[48] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 4 ZPO.
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