OGH 1Ob48/00s

OGH1Ob48/00s30.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Dr. Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Putz & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Gemeinde T*****, vertreten durch Dr. Walter Anzböck und Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in Tulln, wegen S 4,000.000 sA und Feststellung (Streitwert S 100.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Dezember 1999, GZ 14 R 221/99v-51, womit das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 3. September 1999, GZ 1 C 251/95f-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Walter B***** (in der Folge Verkäufer) war Alleineigentümer der aus den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken 275/2, 275/3 und 275/4 bestehenden Liegenschaft EZ 403 KG K***** sowie der aus den Gartengrundstücken 785/3 und 785/4 bestehenden EZ 849 KG T*****. Der Teilungsplan eines Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen aus dem Jahre 1973 wies die Grundstücke 275/2 und 275/3 als im Bauland gelegen aus. Eine im Jahre 1980 erstellte Amtsbestätigung der beklagten Partei hatte zum Inhalt, dass die Grundstücke 785/3 und 785/4 als Bauland gewidmet seien.

Am 7. 11. 1990 unterfertigte der damalige Bürgermeister der beklagten Partei eine von dieser verfasste Bestätigung nachstehenden Inhalts: "Auf Grund des Teilungsplanes vom 30. 5. 1973 ..., erstellt von ..., befinden sich die Parzellen 275/2 und 275/3 laut Rechtskraftvermerkung am Teilungsplan vom 20. 2. 1974 im Bauland. Die Parzelle 275/1 mit 50 m2 ist in das öffentliche Gut abzutreten. Die Parzellen 275/4, 275/5 und 275/6 liegen im Grünland. Auf Grund des Teilungsplanes vom 6. 11. 1972 ... befinden sich laut Amtsbestätigung der Gemeinde... vom 18. 11. 1980 die Parzellen 785/3 und 785/4 im Bauland."

Diese Bestätigung übergab der Bürgermeister im November 1990 dem Verkäufer, ohne darauf hinzuweisen, dass deren Inhalt nicht der Sach- und Rechtslage entspreche. Bei dieser Übergabe war Erwin K***** (in der Folge Käufer), der sich für den Ankauf der genannten Liegenschaften interessierte, weil er die Absicht hatte, dort Reihenhäuser zu errichten, anwesend.

Im Mai 1991 wurden die Liegenschaften EZ 403 KG K***** und EZ 849 KG T***** um insgesamt S 6,950.000 an den Käufer verkauft. Dieser wollte den Kauf mittels Kredits finanzieren. Tatsächlich räumte eine Rechtsvorgängerin der klagenden Partei dem Käufer noch im Mai 1991 einen Barkredit von 8 Mio S ein. In dem von der Kreditgeberin an den Käufer gerichteten Schreiben heißt es, die Kreditgewährung diene vereinbarungsgemäß der Errichtung von Reihenhäusern auf den genannten Liegenschaften und die Zuzählung werde nach Baufortschritt erfolgen. Die Tilgung des Kredits sollte durch den Verkauf der Reihenhäuser erfolgen.

Die Auszahlung der Kreditsumme von 8 Mio S erfolgte an einen Rechtsanwalt als Treuhänder, dem die Verpflichtung oblag, über den Kreditbetrag erst nach Herstellung der Grundbuchsordnung (Einverleibung des Eigentumsrechts und des Pfandrechts im Höchstbetrag von 9,6 Mio S) zu verfügen. In der Folge ersuchte der Treuhänder die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei, in Modifikation des Treuhandauftrags über die Darlehenssumme verfügen zu dürfen. Auf dem Schreiben des Rechtsanwalts findet sich ein handschriftlicher Vermerk, dass die kreditierende Bank das Ansuchen zustimmend zur Kenntnis nehme. Von der Darlehenssumme wurde dem Verkäufer ein Betrag von S 6,950.000 überwiesen, der Treuhänder behielt für sich ein Pauschalhonorar von S 230.000 ein, einer Baugesellschaft wurden für Vorleistungen S 500.000 bezahlt, und schließlich wurden die Grunderwerbsteuer von S 243.250 sowie die Gebühr für die Eintragung in das Grundbuch von S 76.450 beglichen. Damit war die Kreditvaluta erschöpft. Da der Käufer nur einige Monate hindurch Rückzahlungsraten von je S 50.000 überwies, erhöhte sich der Kreditsaldo bis 31. 12. 1992 auf S 9,285.120,78. Der Kredit wurde - mangels Zahlung weiterer Raten - von der klagenden Partei dem Käufer fällig gestellt. Dieser anerkannte ausdrücklich eine aushaftende Schuld von S 9,579.216,01 sA.

Sämtliche verkauften Grundstücke liegen nicht im Bauland. Ein konkretes Bauansuchen zur Errichtung von Reihenhäusern auf diesen Grundstücken wurde nie gestellt.

Die klagende Partei begehrte die Verurteilung der beklagten Gemeinde zum Ersatz ihres mit 4 Mio S bezifferten Schadens sowie die Feststellung deren Haftung für den durch die Kreditauszahlung auf der Grundlage des Kaufvertrags vom 13. 5. 1991 mit dem Käufer künftig entstehenden Forderungsausfalls. Sie brachte vor, die Kreditgewährung an den Käufer habe dem Erwerb der Liegenschaften zur Errichtung von Reihenhäusern gedient. Wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Gewährung des Kredits sei die Bestätigung des Bürgermeisters der beklagten Partei gewesen, dass sich die Grundstücke 275/2 und 275/3 sowie 785/3 und 785/4 im Bauland befänden. Der Baulandcharakter sei wertbestimmender Faktor für die Beurteilung der der klagenden Partei überlassenen Sicherheit gewesen. Durch die Ausstellung dieser unrichtigen Baulandbestätigung habe der damalige Bürgermeister als Organ der beklagten Partei in Vollziehung der Gesetze rechtswidrig gehandelt und durch diese Vorgangsweise der klagenden Partei einen Vermögensschaden von zumindest 4 Mio S zugefügt. Ohne Ausstellung der unrichtigen bzw irreführenden Baulandbestätigung wäre dem Käufer kein Kredit gewährt worden, und es wäre nicht zur Auszahlung der Darlehenssumme gekommen. Die klagende Partei habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der beklagten Partei für einen allenfalls 4 Mio S übersteigenden Schadensbetrag.

Die beklagte Partei wendete ein, die Baulandbestätigung sei nicht Basis und Ursache für die Kreditgewährung gewesen. Sie sei ausschließlich für den damaligen Verkäufer bestimmt und ein andersartiger Zweck der beklagten Partei nicht bekannt gewesen. Vielmehr habe die klagende Partei ohne hinreichende Nachforschungen grob fahrlässig und nicht in geschäftsüblicher Weise kreditiert; ein derartig hoher Kredit hätte nie eingeräumt werden dürfen. Die dem Verkäufer übergebene Bestätigung sei nicht im Rahmen der hoheitlichen Tätigkeit des vormaligen Bürgermeisters als Organ der beklagten Partei erstellt worden, weshalb die beklagte Partei nicht hafte.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte über den eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt hinaus fest, es sei bankenüblich, bei einem Neukunden - wie hier dem Käufer - genauere Informationen über Vermögens- und Einkommensverhältnisse durch Selbstauskunft, Vorlage von Unterlagen und eigene Recherchen einzuholen. Die Beschränkung auf eine Empfehlung des Neukunden durch einen der Bank bekannten Rechtsanwalt und eine bloße Gehaltsbestätigung sei bei dermaßen hohen Krediten wie hier hingegen nicht bankenüblich. Es sei auch üblich, im Zuge des Ansuchens um den Kredit und dessen Bearbeitung die Vorlage konkreter Projektunterlagen samt Gesamtkostenkalkulationen und den Nachweis der Realisierbarkeit des Projekts zu verlangen. Dabei sei grundsätzlich eine Auskunft der Baubehörde einzuholen, ob mit unerwarteten und möglicherweise verteuernden Auflagen zu rechnen sei bzw ob überhaupt eine Aussicht auf Erteilung der Baubewilligung bestehe. Bei der Vereinbarung dinglicher Sicherheiten sei es bankenüblich, hauseigene Schätzungen oder Schätzungen externer Sachverständiger über den Wert der zu belehnenden Liegenschaft einzuholen. Entgegen diesen Bankusancen habe die klagende Partei eine Bewertung bzw Schätzung der Liegenschaften nicht vorgenommen, sondern sie habe sich mit einer Besichtigung durch einen Mitarbeiter der klagenden Partei begnügt; auch ein konkretes Bauansuchen sei nicht vorgelegen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der ehemalige Bürgermeister der beklagten Gemeinde habe die Baulandbestätigung auf dem Briefpapier der Gemeinde und unter Hinweis auf seine Fertigung "für die Gemeinde" ausgestellt, weshalb die Bestätigung der beklagten Partei zuzurechnen sei. Es mangle aber am Rechtswidrigkeitszusamenhang, weil die "übertretene Vorschrift" nicht den Zweck habe, die geschädigte klagende Partei vor den eingetretenen Nachteilen zu schützen. Rechte von Personen, die mit dem Grundeigentümer lediglich obligatorische Vertragsbeziehungen unterhielten, seien in den Schutzbereich der Raumordnungs- und Bauvorschriften nicht einbezogen. Dies bedeute aber, dass der klagenden Partei als Hypothekargläubigerin kein Amtshaftungsanspruch wegen der von der beklagten Partei verfassten unrichtigen Baulandbestätigung zustehe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Zwar habe die klagende Partei auf die Richtigkeit der von der beklagten Partei ausgestellten öffentlichen Urkunde vertrauen dürfen, doch seien vom Schutzzweck der "Raumordnungs- und Bauordnungsgesetze" nur die subjektiven öffentlichen Rechte der Liegenschaftseigentümer und ihrer Rechtsnachfolger, nicht aber die Rechte der Personen erfasst, die zu diesen in obligatorischen Beziehungen stehen. Es fehle daher der Rechtswidrigkeitszusammenhang, weil der Kreditgeber vom Schutzzweck des Raumordnungsgesetzes und der Bauordnung nicht erfasst sei.

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerberin leitet aus der von der beklagten Gemeinde am 7. 11. 1990 ausgestellten Bestätigung darüber, daß sich die Grundstücke 275/2, 275/3, 785/3 und 785/4 im Bauland befänden, Amtshaftungsansprüche ab.

Die Ausstellung einer "Baulandbestätigung" ist weder im NÖ Grundverkehrsgesetz 1989 (NÖ GVG LGBl 6800-2) noch im NÖ Raumordnungsgesetz 1976 (NÖ ROG 1976 LGBl 8000-13) - auch nicht in einer früheren Fassung dieser Gesetze - ausdrücklich erwähnt. Die Ausstellung solcher Bestätigungen durch Gemeindeorgane ist indes in Niederösterreich unbestrittenermaßen allgemein gebräuchlich; solche "Baulandbestätigungen" werden unter anderem zur erleichterten Abwicklung des Grundverkehrs in Niederösterreich ausgestellt, weil Rechtsgeschäfte über Grundstücke, die als Bauland gewidmet sind, nicht dem Grundverkehrsrecht unterliegen und deshalb die Zuständigkeit der Grundverkehrsbehörde entfällt (Fischer ua, Die Grundverkehrsgesetze der österreichischen Bundesländer2, N 11; Schneider, Österreichisches Grundverkehrsrecht, § 18 NÖ GVG, Anm 2; ders, Handbuch österreichisches Grundverkehrsrecht, 117). Eine ausdrückliche Regelung findet sich nur im § 2 Abs 2 lit b des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1997 (SGVG 1997), nach dem die Bügermeister im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde auf Antrag eine Bescheinigung über die Baulandeigenschaft auszustellen haben.

Gemäß § 26 NÖ ROG 1976 (in der zur Zeit der Ausstellung der Bestätigung sowie auch gegenwärtig geltenden Fassung) haben die Gemeinden die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben - mit wenigen, für den vorliegenden Fall nicht bedeutsamen Ausnahmen - im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen. Flächenwidmungspläne werden von den Gemeinden im Rahmen der Hoheitsverwaltung erlassen (§ 13 Abs 3 NÖ ROG 1976 [arg "als behördliche Maßnahme"], vgl Schragel, AHG2 Rz 335). "Baulandbestätigungen" sind der Sache nach schriftliche Auskünfte über Details aus dem Flächenwidmungsplan. Obliegt die Erstellung eines örtlichen Raumordnungsprogramms und damit auch des Flächenwidmungsplans (§§ 13 und 14 NÖ ROG 1976) der Gemeinde in deren eigenem Wirkungsbereich, so wird auch die "Bestätigung" über Einzelheiten des von der Gemeinde erstellten Flächenwidmungsplans in Vollziehung der Gesetze ausgestellt, sodass bei Schäden infolge schuldhaft rechtswidriger Weise verfehlt ausgestellten Bestätigungen daraus Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden können (vgl Schragel aaO Rz 296; vgl auch Fischer aaO [zur Vorgängerbestimmung des § 26 NÖ ROG]). Der (frühere) Bürgermeister handelte somit bei der Ausstellung der Bestätigung im Rahmen der Hoheitsverwaltung sowie des eigenen Wirkungsbereichs der von ihm vertretenen beklagten Gemeinde, sodass diese für die Folgen einer unrichtigen Bestätigung amtshaftungsrechtlich einzustehen hat. Demnach gilt es zu prüfen, ob alle für den gegen die beklagte Gemeinde geltend gemachten Schaden der klagenden Partei maßgeblichen Zurechnungskriterien vorliegen.

Vorauszuschicken ist, dass derjenige, der als Erklärungsempfänger in Betracht kam, aus der Formulierung der Bestätigung (Beilage A) nur den Schluss ziehen konnte, die beklagte Partei bestätige - aus dem Flächenwidmungsplan - die rechtliche Eigenschaft der darin angeführten Grundstücke als Bauland, wenngleich sie sich darin auch auf Urkunden bezog, die für diese Widmung bestimmend gewesen seien. Ohne Zweifel hat die beklagte Partei damit die schriftliche Auskunft erteilt, dass die Grundstücke im Bauland gelegen seien.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, der für die Ersatzfähigkeit des geltend gemachten Schadens unerlässliche Rechtswidrigkeitszusammenhang fehle, die klagende Partei sei als Kreditgeberin des Liegenschaftserwerbers somit in den Schutzzweck jener Normen, die Grundlage der "Baulandbestätigung" sind, nicht einbezogen. Dem kann im Ergebnis nicht beigetreten werden:

Auch für den Bereich des Amtshaftungsrechts gilt der allgemeine Grundsatz, dass die von einem Organ übertretene Vorschrift gerade auch den Zweck verfolgen muss, den Geschädigten vor eingetretenen (Vermögens-)Nachteilen zu schützen. Die Missachtung der eingrenzenden Wirkung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs hätte gerade auf dem Gebiet des Amtshaftungsrechts eine uferlose Haftpflicht zur Folge. Es gilt daher zu prüfen, ob Pflichten der Rechtsträger nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse einzelner Betroffener angeordnet sind. Diese haften nur für solche Schäden, mit welchen jene Gefahr verwirklicht wird, derentwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat. Für die Annahme des erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhangs genügt es allerdings, dass die Verhinderung eines Schadens bei einem Dritten bloß mitbezweckt ist; die Norm muss aber die Verhinderung von Schäden wie den später eingetretenen angestrebt haben. Allein daraus, dass eine Amtshandlung, die dem öffentlichen Interesse dient, mittelbar auch die Interessen eines Dritten berührt und diesem damit als Reflexwirkung pflichtgemäßen (pflichtwidrigen) Handelns einen Vorteil (Nachteil) verschafft, kann noch nicht auf eine Amtshaftungspflicht gerade diesem gegenüber geschlossen werden. Bei jeder einzelnen Norm ist deren Zweck aus der wertenden Beurteilung ihres Sinns zu ermitteln (JBl 1999, 325; SZ 69/145 uva). Maßgebend ist der Zweck, dem die Amtspflicht dient. Ist zwischen dem durch eine solche Auslegung ermittelten Normzweck und dem eingetretenen Schaden ein solcher Zusammenhang zu verneinen, so ist dieser nur mittelbarer und damit grundsätzlich nicht ersatzfähiger Schaden (SZ 66/77 ua). Ob im Rahmen der Amtshaftung eine Norm gerade (auch) den Schutz des Geschädigten bezweckt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob bereits eine rechtliche Sonderverbindung zwischen dem Geschädigten und dem Rechtsträger, dessen Organe eine Amtspflicht verletzen, besteht und ob die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben eine so große und unbestimmte Zahl von Personen betrifft, dass diese der Allgemeinheit gleichzusetzen sind (SZ 68/191; SZ 65/94 ua). Ein jedermann zustehendes subjektives Recht auf gesetzmäßige Führung der Verwaltung besteht nicht (SZ 61/189 mwN). Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Staates, die Privatinteressen des Einzelnen zu fördern (Schragel aaO Rz 123). Wie weit der Normzweck (Rechtswidrigkeitszusammenhang) reicht, ist eine Auslegungsfrage im Einzelfall (SZ 68/191).

Daraus folgt für den hier zu beurteilenden Sachverhalt:

Da die Ausstellung von Baulandbestätigungen in Niederösterreich - wie schon erörtert - zwar im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, aber doch ständige Übung ist, ist vorerst die Frage zu klären, auf welche Vorschriften die Haftung des beklagten Rechtsträgers gestützt werden kann:

Nach § 1 des Bundesgrundsatzgesetzes vom 15. 5. 1987 BGBl 286 über die Auskunftspflicht der Verwaltung der Länder und Gemeinden (Auskunftspflicht-Grundsatzgesetz) haben ua die Organe der Gemeinden über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereichs Auskünfte zu erteilen, soweit dem eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht nicht entgegensteht. Gemäß § 2 dieses Gesetzes hat jedermann das Recht, Auskünfte zu verlangen. In Ausführung dieses Gesetzes erging das NÖ Auskunftsgesetz (LGBl 0020-0), nach dessen § 1 Abs 1 jeder das Recht hat, Auskunft ua von Organen der Gemeinden zu erhalten. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass in der Bestätigung der beklagten Gemeinde vom 7. 11. 1990 (Beilage A) eine solche - schriftliche - Auskunft zu erblicken ist. Die beklagte Partei hat mit dieser Bestätigung, die vom Eigentümer der betroffenen Grundstücke verlangt wurde und ihm auch zugekommen ist, eine großteils unrichtige Auskunft erteilt; Zweck der Auskunftsgesetze kann es ohne jeden Zweifel nur sein, dass sich der Auskunftswerber richtige und vollständige Auskünfte über Angelegenheiten des Wirkungsbereichs des darum angegangenen Rechtsträgers verschaffen kann, um danach seine weiteren Dispositionen auszurichten. Fraglich ist dagegen, ob auch noch andere Personen in den Schutzbereich dieser auskunftsrechtlichen Normen einbezogen sind, zumal der Liegenschaftseigentümer gerade die schriftliche Auskunft über die Baulandeigenschaft seiner Grundstücke regelmäßig nicht zur Erweiterung seines Wissensstands, sondern deshalb benötigt, um sie Dritten zum Nachweis der Widmung seiner Grundstücke als Bauland vorzulegen.

Entgegen der Ansicht der klagenden Partei lässt sich aus § 24 Abs 1 und 2 NÖ ROG 1976 nicht ableiten, dass bei Ausstellung unrichtiger Baulandbestätigungen auch Dritte vor vermögensrechtlichen Nachteilen geschützt werden sollten. Zwar gelten gemäß § 24 Abs 2 lit a dieses Gesetzes als vermögensrechtliche Nachteile auch die Aufwendungen, die ein Dritter mit Zustimmung des Grundeigentümers im Vertrauen auf die Bebaubarkeit der Grundfläche für deren Baureifmachung getätigt hat, doch statuiert § 24 Abs 1 NÖ ROG 1976 ausdrücklich, dass die Gemeinde (nur) dem Grundeigentümer eine angemessene Entschädigung für derartige vermögensrechtliche Nachteile zu leisten verpflichtet ist.

Ganz allgemein knüpft die Rechtsprechung die Einbeziehung in den Schutzzweck der Raumordnungsgesetze und der Bauordnungen an die Einräumung subjektiv-öffentlicher Rechte durch das Gesetz. Vom Schutzzweck des (in casu: Salzburger) Raumordnungsgesetzes seien deshalb nur die subjektiv-öffentlichen Rechte der Liegenschaftseigentümer und deren Rechtsnachfolger, nicht aber auch Personen erfasst, die zu diesen in bloß obligatorischen Rechtsbeziehungen stehen (JBl 1994, 695). Der Kreis der Anspruchsberechtigten könne eben nicht durch rechtsgeschäftliche Abmachungen beliebig erweitert werden (SZ 60/177).

Auch die Einbeziehung des Hypothekargläubigers, der im Vertrauen auf den Bestand einer schuldhaft rechtswidrig erteilten Baubewilligung Kredit gewährte, in den Schutzzweck des Tiroler Raumordnungsgesetzes und der Tiroler Bauordnung wurde verneint. Der Hypothekargläubiger sei am Baubewilligungsverfahren nicht beteiligt, über seine subjektiv-öffentlichen Rechte werde in diesem Verfahren daher auch nicht abgesprochen. Mag auch das Vertrauen auf den Rechtsbestand der Baubewilligung für die Gewährung des Darlehens bestimmend gewesen sein, so entbehre der von ihm geltend gemachte Amtshaftungsanspruch doch des gebotenen Rechtswidrigkeitszusammenhangs (SZ 61/43).

Dennoch ist die Einbeziehung der klagenden Partei, die im Vertrauen auf die Richtigkeit der von der beklagten Gemeinde ausgestellten und ihr vom Käufer zur Untermauerung seiner Kreditwürdigkeit vorgelegten Baulandbestätigung diesem (Hypothekar-)Kredit gewährte, in den Schutzzweck des NÖ Auskunftsgesetzes zu bejahen:

An sich wurde die Bestätigung dem Verkäufer als Eigentümer der betroffenen Grundstücke ausgestellt; dass dieser in den Schutzzweck der Norm einbezogen ist, bedarf keiner weitwendigen Erörterung. Zweck der Baulandbestätigung ist jedoch - abgesehen davon, dass die Vorlage einer solchen Bestätigung mit dem Einverleibungsgesuch des Käufers die Einschaltung der Grundverkehrsbehörde entbehrlich macht - bei deren richtigem Verständnis in erster Linie, dem Käufer die Gewissheit zu verschaffen, dass er Bauland erwirbt, und ihm damit eine verlässliche Grundlage für die richtige Einschätzung des Kaufgegenstands und dessen Werts - ist doch die Widmung des Grundstücks wesentlicher wertbestimmender Faktor - zu bieten, aber um nichts weniger, auch dem Kreditgeber des Käufers die Widmung der Kaufliegenschaft und deren Eignung als Deckungsgrundlage für den Kredit auf einfache und verlässliche Weise darzutun; diesem Zweck kommt umso mehr Bedeutung zu, als es allgemein bekannt ist, dass die Anschaffung von Liegenschaften großteils im Kreditweg finanziert wird.

Es hieße, überspanntem Formalismus das Wort zu reden, forderte man von der Bank, die erwägt, dem Käufer den Erwerb zu finanzieren, zusätzlich zu der ihr schon vom Käufer (oder allenfalls Verkäufer) vorgelegten, dem äußeren Anschein der Urkunde nach unbedenklichen schriftlichen Auskunft des zuständigen Organs, von diesem eine weitere Bestätigung über die Baulandeigenschaft der betroffenen Grundstücke abzuverlangen. Eine solche, dem Kreditgeber unmittelbar erteilte schriftliche Auskunft berechtigte diesen jedenfalls, Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschäden infolge des getäuschten Vertrauens auf die Richtigkeit gegen den Rechtsträger des Organs - die Gemeinde - durchzusetzen. Es wäre nachgerade unverständlich, wenn der Kreditgeber in den Schutzbereich der vom Eigentümer zum selben Zweck erwirkten Bestätigung nicht einbezogen wäre, namentlich wenn man in Rechnung stellt, dass ein Großteil dieser Baulandbestätigungen gerade auch zu diesem Zweck vom Eigentümer der Grundstücke abverlangt wird.

Deshalb ist die Haftung der beklagten Gemeinde der klagenden Partei gegenüber dem Grunde nach zu bejahen; dennoch erweist sich die Rechtssache noch nicht als spruchreif:

Die beklagte Partei hat eingewendet, die klagende Partei habe den Kredit grob fahrlässig gewährt, sie habe die geschäftsüblichen Praktiken der Banken nicht eingehalten; der Käufer sei nicht kreditwürdig gewesen, insbesondere hätte das Darlehen nur "dem Baufortschritt entsprechend" zugezählt werden dürfen. Diese zur Dartuung des Mitverschuldens der klagenden Partei erstatteten Einwände wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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