OGH 3Ob23/14z

OGH3Ob23/14z8.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, Deutschland, vertreten durch Seirer & Weichselbraun Rechtsanwälte in Lienz, gegen die beklagte Partei Dr. F*****, vertreten durch Großmann und Wagner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen 28.749,91 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. August 2013, GZ 5 R 95/13z‑19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 11. April 2013, GZ 69 Cg 110/11f‑14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Zwischenurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.143,20 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 641,20 EUR an USt und 1.296 EUR an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte errichtete den am 18. November 2004 zwischen dem Kläger und einem Bauträger abgeschlossenen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung samt Kfz-Abstellplatz und übernahm die treuhändige Abwicklung. Am 4. Dezember 2004 bezog der Kläger die Wohnung und stellte in der Folge zahlreiche Mängel fest, darunter Wärmeverlust infolge fehlender Wärmedämmung. Mängelrügen und Aufforderungen des Klägers zur Mängelbehebung gegenüber dem Bauträger blieben erfolglos. Deshalb begehrte der Kläger mit am 31. August 2007 eingebrachter Klage vom Bauträger die Behebung konkret genannter Mängel; gleichzeitig verkündete er dem Beklagten den Streit mit der zusammengefassten Begründung, dieser habe bei der Vertragserrichtung die Bestimmungen des BTVG missachtet, weshalb er sich für den Fall, dass mangels Zahlungsfähigkeit des Bauträgers Mängelbehebungen durch den Kläger selbst auf eigene Kosten erfolgen müssten, die Geltendmachung dieser Ansprüche gegenüber dem Beklagten vorbehalte.

Der Beklagte lehnte eine Haftungsübernahme ab.

Am 26. Mai 2008 erfolgte die Konkurseröffnung über das Vermögen des Bauträgers, worauf der Kläger dem Beklagten erklärte, dass er einen Schaden dadurch erleide, als höchstwahrscheinlich die Fertigstellung der Restarbeiten nicht zu erwarten sein dürfte.

Der vom Kläger gegen den Bauträger eingeleitete Zivilprozess wurde wegen der Konkurseröffnung unterbrochen und im September 2009 nach Bestätigung des Zwangsausgleichs und Aufhebung des Konkurses wieder fortgesetzt. Nach Einholung eines die vom Kläger behaupteten Mängel bestätigenden Gutachtens eines Sachverständigen schlossen der Kläger und der Bauträger am 21. Mai 2010 einen gerichtlichen Vergleich, mit dem sich der Bauträger im Wesentlichen zur Erfüllung des Urteilsbegehrens verpflichtete. Als Prämie wurde dem Bauträger die Möglichkeit der Rückabwicklung des Kaufs eingeräumt. Weiters verpflichtete sich der Bauträger zur Zahlung eines pauschalen Kostenbeitrags von 15.000 EUR. Zur Erfüllung des Vergleichs kam es nicht.

Über das Vermögen des Bauträgers wurde am 15. Februar 2011 neuerlich der Konkurs eröffnet.

Am 12. August 2011 brachte der Kläger die vorliegende Schadenersatzklage gegen den Beklagten ein, mit der er zuletzt (nach Einschränkung des Leistungsbegehrens wegen Rückstellung eines Teils des beim Beklagten erlegten Kaufpreises im Umfang von 6.250,09 EUR) die Bezahlung von (restlich) 13.749,91 EUR an Mängelbehebungskosten und 15.000 EUR an Prozesskosten begehrt. Der Beklagte habe als Errichter und Treuhänder des Kaufvertrags ‑ sowohl nach dem Inhalt des Kaufvertrags als auch bei Bedachtnahme auf die anzuwendenden Bestimmungen des BTVG ‑ verfrüht Auszahlungen aus dem Treuhanderlag vorgenommen, obwohl das Kaufobjekt vom Bauträger nicht zur Gänze fertiggestellt worden und mangelhaft geblieben sei. Durch die vorgenommene Abwicklung des Beklagten sei ein vermögensrechtlicher Nachteil des Klägers schon durch Nichtverwirklichung des Sicherungskonzepts im Zusammenhang mit der Eröffnung des Konkursverfahrens eingetreten. Der Treuhanderlag stehe dem Kläger weder als Haftungsmasse zur Ersatzvornahme zur Verfügung noch zur Finanzierung der dem Bauträger im gerichtlichen Vergleich vom 21. Mai 2010 ersatzweise eingeräumten Vertragsaufhebung. Über dessen Vermögen sei zwar im Mai 2008 der Konkurs eröffnet, jedoch die Ansprüche des Klägers ausgeschieden und der Prozess fortgesetzt sowie im Juni 2009 ein Zwangsausgleich bestätigt worden. Erst durch das im fortgesetzten Prozess eingeholte Gutachten, mit dem die davor nur vermuteten Mängel erst festgestanden seien, sei eine erfolgreiche Klageführung gegen den Beklagten (wegen somit gegebener Kenntnis von Schädiger und Schaden) möglich geworden. Den Schaden, den der Kläger vom Beklagten ersetzt verlangt, erblickt er darin, dass er wegen des Fehlers des Beklagten die Kosten der Fertigstellung und Mängelbehebung trotz des Vergleichs ebenso selbst zu tragen habe wie die Kosten des ausschließlich vom Beklagten verursachten Vorprozesses.

Der Beklagte wendete ua Verjährung ein. Der Kläger habe schon seit dem Jahre 2006 Kenntnis vom Vorliegen der von ihm behaupteten Mängel gehabt. Er habe offensichtlich spätestens im Jahr 2007 eine Inanspruchnahme des Beklagten aus schadenersatzrechtlicher Sicht erwogen. Bereits im Prozess gegen den Bauträger habe der Kläger ausgeführt, dass der vom Beklagten errichtete Vertrag wesentlichen Bestimmungen des BTVG widersprechen würde, weshalb dem Beklagten auch der Streit verkündet worden sei. Dem Kläger sei daher auch bei für ihn günstigster Betrachtung bereits im August 2007 der Schadenseintritt und der denkbare Schädiger (= der Beklagte) bekannt gewesen, auch wenn die Schadenshöhe noch nicht verifizierbar gewesen sein sollte. Daher wäre jedenfalls ab diesem Zeitpunkt eine Feststellungsklage einzubringen gewesen.

Das Erstgericht wies die Klage als verjährt ab. Der Kläger habe den Schaden in seinen wesentlichen Grundzügen bereits knapp nach Wohnungsübergabe gekannt, jedenfalls aber schon im Jahr 2006. Mit der Klage gegen den Bauträger sei dem Beklagten der Streit verkündet und dort schon exakt jene Rechtswidrigkeiten releviert worden, welche der Kläger nunmehr im gegenständlichen Verfahren neuerlich ins Treffen führe; somit habe er das schadenskausale, rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Beklagten, welches er im gegenständlichen Verfahren als Grundlage für seinen Anspruch heranziehe, bereits (spätestens) am 24. Juli 2007 gekannt. Bei Einbringung der Klage am 12. August 2011 sei der Anspruch deshalb schon verjährt gewesen. Die Streitverkündung an den Beklagten im Vorprozess ändere daran nichts.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil in ein Zwischenurteil nach § 393a ZPO ab, mit dem es aussprach, dass das Klagebegehren nicht verjährt sei. Die dreijährige Frist von Ersatzansprüchen beginne nicht vor tatsächlichem Eintritt des (ersten) Schadens (Primärschadens) zu laufen. Dieser sei erst mit der (zweiten) Konkurseröffnung über das Vermögen des Bauträgers im Februar 2011 festgestanden, weil erst zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sei, dass die Forderung aus dem abgeschlossenen Vergleich (zumindest großteils) nicht mehr erfüllt werde. Für den Kläger sei aus der Tatsache der ersten Konkurseröffnung noch nicht zu schließen gewesen, dass es zu einem Forderungsausfall kommen werde. Aus dem Verlauf des Konkursverfahrens ‑ dem Zwangsausgleich und dem Umstand, dass die vom Zwangsausgleich nicht umfassten Ansprüche gegenüber der Bauträgerin weiterhin im Verfahren gegen den Bauträger verfolgt werden konnten ‑ sei ein Primärschaden für den Kläger noch nicht erkennbar gewesen, sodass er zur Vermeidung der Verjährung nicht zur Erhebung einer Feststellungsklage verpflichtet gewesen sei.

Die Revision wurde nachträglich mit der Begründung zugelassen, eine Rechtsprechung zur aufgeworfenen Frage des Zeitpunkts des Eintritts des Primärschadens bei Nichteinhaltung einer vergleichsweisen Regelung und zweimaliger Insolvenz des Bauträgers liege nicht vor.

Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise auf Aufhebung und Zurückverweisung. Inhaltlich wendet sich der Beklagte im Wesentlichen gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, erst nach der Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens sei die Forderung gegen den Bauträger als uneinbringlich anzusehen. Bereits im Juni 2008 habe der Kläger gegenüber dem Beklagten geltend gemacht, mit der Fertigstellung der Restarbeiten und einer Einbringlichkeit der im Prozess gegen den Bauträger geltend gemachten Forderungen sei nicht zu rechnen. Damit seien ihm sämtliche Tatsachen für eine gerichtliche Geltendmachung seines Anspruchs gegen den Beklagten, zumindest in Gestalt einer Feststellungsklage, bekannt gewesen.

Dem tritt der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinn des Abänderungsantrags berechtigt, weil das Berufungsgericht den Eintritt des Primärschadens fehlbeurteilte und deshalb die Verjährung unzutreffend verneinte.

1. Der zentrale Vorwurf des Klägers besteht darin, der Beklagte habe verfrühte ‑ weil sowohl dem angeblich anzuwendenden BTVG (vgl dazu aber die feststehenden Daten: Abschluss des Kaufvertrags am 18. November 2004; Übergabe des Kaufobjekts schon am 4. Dezember 2004) als auch dem Inhalt des geschlossenen Kaufvertrags widersprechende ‑ Auszahlungen aus dem Treuhanderlag an den Bauträger vorgenommen. Die unzulässige Verminderung des Treuhanderlags bedeutet den Eintritt des Primärschadens, weil damit seine Sicherstellung zumindestens geschmälert wurde (vgl 1 Ob 190/12s; RIS‑Justiz RS0022602 [T13]), worauf der Kläger schon in erster Instanz hinwies (ON 11 S 4). Der dadurch eingetretene reale Schaden bot dem Kläger die Möglichkeit, vom Beklagten im Weg der Naturalrestitution die Wiederherstellung der Sicherheit zu verlangen (vgl RIS‑Justiz RS0022526). Von diesem bereits mit der Auszahlung eingetretenen Schaden hatte der Kläger spätestens 2007 bei Klageeinbringung gegen den Bauträger Kenntnis, wie sich seinem damaligen Vorbringen entnehmen lässt.

2. Nach der in ständiger Rechtsprechung vertretenen „gemäßigten Einheitstheorie“ beginnt die dreijährige Verjährungsfrist auch für künftige vorhersehbare Teil-(Folge-)Schäden mit dem Eintritt des ersten Schadens (Primärschadens) zu laufen. Der drohenden Verjährung seines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden hat der Geschädigte daher dann, wenn ihm schon ein Primärschaden entstanden ist, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (RIS-Justiz RS0097976; RS0087613) oder jedenfalls ein außergerichtliches Anerkenntnis des Schädigers zu erwirken (RIS-Justiz RS0112429). Es kommt auf die objektive Vorhersehbarkeit für den Geschädigten und nicht auf die ex‑post-Betrachtung von Sachverständigen an. Folgeschäden sind allerdings dann nicht vorhersehbar, wenn zum schädigenden Ereignis, das den Erstschaden herbeigeführt hat, weitere Voraussetzungen hinzukommen müssen und nicht abzusehen ist, ob es tatsächlich dazu kommen wird. In diesem Fall beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Eintritt des Folgeschadens zu laufen (RIS-Justiz RS0087613 [T8 und T9]).

3. Der nunmehr vom Kläger gegen den Beklagten verfolgte Schaden, den er darin erblickt, dass der Kläger die Kosten der Ersatzvornahme (neuerlich) zu bezahlen und die Kosten des gegen die Verkäuferin erfolgreich geführten Prozesses selbst zu tragen habe, stellt einen Folgeschaden dar, dessen Verjährung im Sinn der gemäßigten Einheitstheorie zunächst davon abhängt, ob seine Voraussehbarkeit schon bei Eintritt des Primärschadens bestanden hat. Das ist zu verneinen, weil dazu ein weiterer Umstand hinzutreten musste, nämlich die Zahlungsunfähigkeit des Bauträgers, die sich jedenfalls mit der Konkurseröffnung manifestierte (vgl 6 Ob 330/97s), die (erstmals) mit Beschluss vom 26. Mai 2008 erfolgte. In diesem Sinn argumentiert ohnehin auch der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung (S 6), stellt aber auf die „tatsächliche“ und „endgültige Zahlungsunfähigkeit“ des Bauträgers ab, womit erkennbar, allerdings ohne nähere Begründung erst die Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens im Februar 2011 gemeint ist.

4. Dem ist allerdings nicht zu folgen, weil nach der dargestellten Rechtslage vom Eintritt des nunmehr geltend gemachten Folgeschadens des Klägers bereits mit der ersten Konkurseröffnung am 26. Mai 2008 auszugehen ist. Damit wurde auch die Verjährungsfrist in Gang gesetzt, die somit bei Klageeinbringung im August 2011 schon abgelaufen war. Der Kläger hatte aber seit Mai 2008 die Möglichkeit, die weiteren Entwicklungen zu beobachten; es musste ihm aber noch vor Ablauf der Verjährungsfrist schon im Februar 2011 ‑ wegen der neuerlichen Konkurseröffnung ‑ klar sein, dass sich am Eintritt des vom Beklagten verlangten Schadens nichts mehr ändern werde; damals stand noch ausreichend Zeit für die rechtzeitige Erhebung einer Leistungsklage gegen den Beklagten zur Verfügung.

5. Der bereits eingetretene Schaden wurde durch die weiteren Entwicklungen ([angebliche] Ausscheidung der Forderung des Klägers gegen den Bauträger, Aufhebung des Konkurses nach Abschluss eines Zwangsausgleichs und Abschluss eines nicht erfüllten Submissionsvergleichs mit dem Bauträger), die alle ohne jede Beteiligung des nunmehr Beklagten eintraten, nicht beseitigt, weil trotz allem weder der Mängelbehebungs-/Fertigstellungsanspruch noch der Prozesskostenersatzanspruch des Klägers erfüllt wurden.

Darin sind auch keine Gründe für die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung gegenüber dem Beklagten zu erkennen; solche wurden vom Kläger auch gar nicht geltend gemacht. Der von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs gedeckten Rechtsansicht des Erstgerichts, eine Streitverkündung unterbreche nicht die Verjährung (RIS‑Justiz RS0034904), trat der Kläger gar nicht entgegen, sodass sich weitere Überlegungen dazu erübrigen.

6. Zusammengefasst erweist sich das Klagebegehren als verjährt, weshalb das Ersturteil einschließlich seiner unbekämpft gebliebenen Kostenentscheidung wiederherzustellen war.

Die Kostenentscheidung zum Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Der Beklagte hat die Kosten seiner Berufungsbeantwortung und der Revision im Wesentlichen richtig verzeichnet; der ERV-Zuschlag für die Revision beträgt nur 1,80 EUR (§ 23a RATG).

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