OGH 6Ob333/68

OGH6Ob333/6829.1.1969

SZ 42/16

Normen

ABGB §1293
ABGB §1299
ABGB §1300
ABGB §1431
ABGB §1293
ABGB §1299
ABGB §1300
ABGB §1431

 

Spruch:

Der Schaden durch eine von dem Ersatzpflichtigen veranlaßte, nicht geschuldete Zahlung tritt schon durch diese Zahlung ein, wenn der zur Rückzahlung Verpflichtete zur Rückzahlung nicht bereit oder nicht fähig ist.

Entscheidung vom 29. Jänner 1969, 6 Ob 333/68.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Im Jahre 1962 übergab der Beklagte dem Kläger den Auftrag, die Bauleitung bei Errichtung eines Einfamilienhauses zu übernehmen. Die Verrechnung zwischen den Streitteilen ergibt einen unstrittig aushaftenden Restanspruch des Klägers von 17.500 S. Die Bauaufsicht bei Errichtung des Einfamilienhauses führte der damalige Angestellte des Klägers Ing. O. Den Bau selbst führte der Baumeister Karl W. aus. Dieser erhielt die Baumeisterarbeiten vom Kläger im Namen des Beklagten übertragen. W. verlangte mehrfach vom Beklagten Geld, sei es mit oder ohne Legung einer Teilrechnung. In all diesen Fällen setzte sich der Beklagte entweder mit dem Kläger oder mit Ing. O. in Verbindung und fragte, ob er den jeweils geforderten Betrag an W. zahlen könne. Der Kläger oder Ing. O. teilten dem Beklagten jeweils mit, welche Beträge er an W. bezahlen könne. Der Beklagte hielt sich stets an diese Anweisungen des Klägers und des Ing. O., dies auch dann, wenn er den Rat erhielt, jetzt keine Zahlung zu leisten. Ing. O. führte ein Kontoblatt, in das er die ihm mitgeteilten Zahlungen an W. eintrug. Der Beklagte leistete nie eigenmächtig Zahlungen an W. In den Aufzeichnungen des Ing. O. waren Akontozahlungen des Beklagten in Höhe von 175.000 S verzeichnet, obwohl Zahlungen von insgesamt 205.000 S geleistet worden waren. Bezüglich eines Betrages von 30.000 S, den der Beklagte mit Zustimmung des Klägers an W. bezahlt hatte, versäumte es der Kläger, dem Ing. O. Mitteilung zu machen, weshalb der Betrag von 30.000 S nicht in das Kontoblatt eingetragen wurde. Bei der Schlußrechnung des W. vom 8. November 1963 stellte sich im Endergebnis eine Überzahlung von 13.172.34S heraus. Der Beklagte verlangte vom Kläger, den Mehrbetrag von W. zurückzufordern, doch bemühte sich der Kläger diesbezüglich vergeblich. Schließlich brachte der Beklagte gegen W. am 22. Februar 1965 eine Klage wegen Rückzahlung des Betrages von 13.432.43 S s. A. ein. Am 28. Juni 1965 wurde zwischen dem Beklagten und W. ein gerichtlicher Vergleich geschlossen, demzufolge sich W. verpflichtete, 10.000 S bis 1. September 1965 und verglichene Kosten von 2000 S bis 1. Oktober 1965 dem Kläger zu bezahlen, bei sonstigem Wiederaufleben der Klagsforderung von 13.432.34 S s. A. zuzüglich 2000 S Kosten. W. leistete trotz dieses Vergleiches keine Zahlungen, weshalb der Beklagte gegen ihn zur Hereinbringung der wieder aufgelebten Forderung samt Kosten Exekution führte. Dabei erwuchsen dem Beklagten gerichtlich bestimmte Exekutionskosten von 320.50 S. Die Exekution konnte mangels pfändbarer Gegenstände nicht vollzogen werden und das Offenbarungsverfahren führte zu keinem Ergebnis, weil W. nicht angetroffen werden konnte. Die verschiedenen Forderungen des Beklagten gegen W. konnten nicht eingebracht werden.

Der Kläger begehrt Zahlung des Betrages von 17.500S.

Das Erstgericht sprach aus, die Klagsforderung bestehe zur Gänze zu Recht, die Gegenforderung mit dem Teilbetrag von 17.376.31 S und verurteilte demgemäß den Beklagten zur Zahlung des Betrages von 123.69 S s. A. bei gleichzeitiger Abweisung des Mehrbegehrens.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung I. Instanz dahin ab, daß es die Klagsforderung als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als zur Gänze nicht zu Recht bestehend erkannte und den Beklagten zur Zahlung des Klagebetrages verurteilte. Es liege kein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Klägers und dem Schaden vor. Im übrigen habe der Beklagte gar nicht behauptet, daß sein Rückforderungsanspruch endgültig zunichte geworden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Vor allem kann die Ansicht des Berufungsgerichtes nicht geteilt werden, der Beklagte habe durch die strittige Überzahlung an W. deshalb keinen Schaden erlitten, weil seine Forderung auf Rückerstattung der Überzahlung gemäß § 1431 ABGB. ein vermögenswertes Äquivalent für die gezahlten Geldmittel dargestellt habe. Verfehlt ist die Ansicht, der Beklagte hätte einen allfälligen Schaden überhaupt nur dann erlitten, wenn er seinen Rückforderungsanspruch endgültig verloren hätte, was noch nicht feststehe. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist der Schaden nicht erst dann eingetreten, wenn sich die Uneinbringlichkeit des Rückzahlungsanspruches endgültig herausstellt, sondern schon mit der Leistung der nicht geschuldeten Zahlung an W., weil parate Mittel W.'s zur Abstattung seiner Rückzahlungsverpflichtung nicht zur Verfügung standen. Nur wenn der zur Rückzahlung Verpflichtete bereit und in der Lage ist, seiner Verbindlichkeit sofort nachzukommen, kann gesagt werden, es sei kein Schaden entstanden, weil nur dann der Verlust eines Geldbetrages der Forderung gleichgesetzt werden kann. Eine Geldforderung ist etwas anderes als der Besitz des Geldbetrages. Die irrtümliche Auszahlung hat also eine Vermögensminderung des Beklagten bewirkt (EvBl. 1960 Nr. 254 letzter Absatz, 4 Ob 67/66 = Quart-GZ. 1967 S. 55). Die hinzukommenden Prozeß- und Exekutionskosten sind eine natürliche Folge der Beschreitung des Rechtsweges durch den Beklagten, der versucht hat, seinen Anspruch bei W. durchzusetzen. Da diese Kosten aber im ursächlichen Zusammenhang mit dem Rat des Klägers stehen, den Betrag von 30.000 S an W. zu bezahlen, vermehrt sich der vom Beklagten erlittene und vom Kläger zugefügte Schaden um diese Kostenbeträge.

Die Beratung des Beklagten als Bauherrn hinsichtlich der Leistung jeweiliger Teilzahlungen an W. gehörte zu den entgeltlichen Architektenleistungen des Klägers. Hat der Kläger dem Beklagten einen nachteiligen Rat im Rahmen dieser Tätigkeit erteilt, so hat er unter der Voraussetzung eigener Fahrlässigkeit dem Beklagten gemäß § 1300 ABGB. für die nachteiligen Folgen zu haften. Von seiner unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, hat das Berufungsgericht die Beweisfrage betreffend die Fahrlässigkeit des Klägers als nicht streitentscheidend beurteilt und der Beweiswürdigung in dieser Hinsicht keine für das Berufungsverfahren maßgebliche Wirkung zuerkannt. Von der Beurteilung dieser Frage wird aber in Wahrheit die Haftung des Klägers für die nachteiligen Folgen seines Rates abhängen, weshalb sich das Berufungsgericht mit dieser Tatfrage auseinanderzusetzen haben wird.

Der weiteren Erwägung des Berufungsgerichtes, es könnte sich daraus, daß der Beklagte dem Kläger die Abtretung seiner Forderung gegen W. nicht einmal anbot, in der weiteren Folge eine doppelte Befriedigung, also eine Bereicherung des Beklagten ergeben, ist entgegenzuhalten, daß der durch Aufrechnung befriedigte Beklagte gemäß § 1422 ABGB. eine gesetzliche Abtretungspflicht gegenüber dem Kläger hat, sofern man nicht ohnedies einen Übergang gemäß § 1358 ABGB. annimmt.

Zusammenfassend ergibt sich, daß die Sache allein deshalb nicht spruchreif ist, weil das Berufungsgericht von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend die Tatfrage des fahrlässigen Verhaltens des Klägers bei Ausübung seiner entgeltlichen Beratung offengelassen hat.

Stichworte