AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:L529.2215363.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Georgien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.05.2022, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I.- VI. und VIII.-IX. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen als die Spruchpunkte VI. und IX. zu lauten haben:
Spruchpunkt VI.: "Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."
Spruchpunkt IX.: „Gemäß § 13 Abs. 2 Z. 1 AsylG 2005 haben Sie ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 05.05.2015 verloren.“
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als „bP“ bzw. Beschwerdeführer „BF“ bezeichnet), ist ein männlicher Staatsangehöriger der Republik Georgien und stellte erstmals am 13.01.2012 nach rechtswidriger Einreise nach Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde gemäß § 5 AsylG wegen Zuständigkeit der Slowakei zurückgewiesen und der BF in die Slowakei ausgewiesen. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.02.2012, Zl. S4 424.647-1/2012/2E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
I.2. Am 30.07.2015 stellte die bP gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. In Bezug auf das Vorbringen der bP im Verwaltungsverfahren wird konkret auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche im Wesentlichen zusammengefasst wiedergegeben werden.
I.2.1. In der Erstbefragung am 30.07.2015 gab der BF zum Fluchtgrund befragt an, dass die alten Fluchtgründe aufrecht blieben und sich nicht geändert hätten. Er möchte noch einmal einen Asylantrag stellen, damit die Lage neu geprüft werde. Die Caritas und die Polizei in Wien hätten ihm dazu geraten.
I.2.2. In der niederschriftlichen Einvernahme am 06.03.2017 gab der BF an, er habe im Jahr 2009 oder 2010 Georgien legal verlassen. Im Jahr 2012 sei er illegal nach Österreich eingereist. Nach seinen Asylanträgen sei er zweimal in die Slowakei geschickt worden. Auch in der Schweiz habe er einen Asylantrag gestellt, sei aber von dort in die Slowakei abgeschoben worden.
In Georgien habe er als Automechaniker gearbeitet, und sei auch als Holzunternehmer selbständig gewesen. Es sei auf ihn zweimal geschossen worden, einmal im Jahr 2000, und ein weiteres Mal im Jahr 2002 oder 2004. Einmal hätten sie in seinem Haus auf ihn geschossen, einmal auf das Haus geschossen. Das andere Mal sei er in seinem LKW unterwegs gewesen, als auf die Reifen des LKW geschossen wurde. Als auf ihn und den LKW geschossen worden sei, sei er verletzt worden und ins Krankenhaus gebracht worden. Das Haus sei angezündet worden. XXXX habe auf ihn geschossen, weil er sich geweigert habe, gratis Holzlieferungen für diesen durchzuführen.
Seine Schwester sei im Jahr 2006 verstorben. Ihr Mann habe sie geschlagen und sie sei in der Folge verstorben. Der eigene Ehemann habe diese umgebracht, dieser habe auch den BF mit einem Messer umbringen wollen.
Er habe eine Therapie wegen Hepatitis C absolviert und müsse nur noch zur Kontrolle. Er werde psychologisch und psychiatrisch behandelt. Er gehe monatlich zweimal zum Psychiater und zweimal zum Psychologen. Dazu legte er medizinische Behandlungsbestätigungen vom 24.02.2017 und vom 28.02.2017 (Dialog; Hemayat) vor.
Der BF legte zudem zwei Dokumente in georgischer Sprache zur Untermauerung seines Vorbringens vor. Ebenso brachte er die Kopie eines Personalausweises mit der Nummer XXXX vor und gab gleichzeitig an, sein richtiger Name sei XXXX .
I.2.3. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 27.02.2018 wurden der bP eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 25.10.2017 und ein aktueller Auszug aus den Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Georgien übersandt und gleichzeitig Fragen zum Gesundheitszustand, zur Integration, zum Privat- oder Familienleben und zu Angehörigen in Georgien oder einem anderen Land übermittelt.
I.2.4. Dazu nahm die bP mit Schreiben vom 09.03.2018 Stellung.
I.2.5. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid der bB vom 25.01.2019 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.), der Beschwerde gem. § 18 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wird (Spruchpunkt VII.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen wird (Spruchpunkt VIII.) und gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG ausgesprochen, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 06.06.2013 verloren hat (Spruchpunkt IX.).
I.2.5.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft. Schon die Angaben zu Familienangehörigen seien massiv divergierend gewesen, insoweit sei dem BF daher die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen. Die Schilderungen des BF seien vage, unsubstantiiert, oberflächlich und detailarm gewesen. Seine Aussagen seien unpräzise und unkonkret gewesen. Insgesamt könne daher festgestellt werden, dass der BF über mangelhafte und unpräzise Angaben hinaus keine wesentlichen Details bzw. Merkmale habe vorbringen können. Sein Vorbringen im Hinblick auf die fluchtauslösenden Ereignisse sei demnach nicht glaubhaft.
I.2.5.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche Feststellungen.
I.2.5.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorgekommen sei. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen unter § 57 AsylG zu subsumierenden Sachverhalt ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte dar. Aufgrund der Darstellung des Privatlebens der bP sei eine wesentliche integrative Bindung zu Österreich nicht erkennbar. Die bP sei in Österreich gerichtlich verurteilt worden, und bestehe gegen sie ab 15.07.2013 ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot. Zudem stamme die bP aus einem sicheren Herkunftsstaat und wurde daher der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (§ 18 (1) 1, 2 und 6 BFA-VG). Spruchpunkt VIII. gründe sich auf § 53 Abs. 3 Z 1 FPG – eine Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten.
I.2.6. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass der BF ein in sich geschlossenes und immer gleichbleibendes Vorbringen erstattet habe. Die vom BF vorgebrachte Verfolgung durch Privatpersonen sei asylrelevant, da der georgische Staat unwillig bzw. unfähig sei, den BF zu beschützen.
Der BF sei seit 2012 in Österreich aufhältig und bemühe sich um eine Integration in die österreichische Gesellschaft. Die Dauer des Einreiseverbotes sei überzogen und nicht gerechtfertigt. Im Übrigen sei die Abschiebung nach Georgien unzulässig.
I.2.7. Mit Beschluss des BVwG vom 3.7.2019 wurde der bekämpfte Bescheid behoben und an das Bundesamt zurückverwiesen.
Begründet wurde dies mit einem grob mangelhaften Ermittlungsergebnis. So sei ein vorgelegtes Dokument nicht übersetzt worden und habe sich das Bundesamt auch in der Beweiswürdigung nicht damit auseinandergesetzt. Die Angaben zum Privat- und Familienleben seien zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht mehr aktuell gewesen. Die per Telefax eingebrachte Stellungnahme des BF vom 09.03.2018 sei unvollständig gewesen und würden auch 2 Behandlungsbestätigungen fehlen sowie habe sich das Bundesamt mit den Behandlungsbestätigungen nicht auseinandergesetzt. Das Bundesamt habe auch das Parteiengehör verletzt, indem es dem BF vor Bescheiderlassung keine aktuellen Länderfeststellungen übermittelt habe. Im Hinblick auf das ausgesprochene 10-jährige Einreiseverbot habe sich das Bundesamt nicht mit dem zugrundeliegenden Fehlverhalten und der entsprechenden Rechtsgutbeeinträchtigung auseinandergesetzt.
I.3. Am 25.07.2019 wurde der BF erneut beim BFA niederschriftlich einvernommen (AS 443 ff). Er habe in Österreich Bekannte, welche Georgier seien, die mit ihren Familien in Österreich leben. Seinen Reisepass habe er 2009 nach seiner Ausreise verloren. Er besuche seit einem Monat einen Deutschkurs A1. Er halte sich hauptsächlich zu Hause auf und sei kein Vereinsmitglied. Er fühle sich in Österreich nicht integriert. Er befinde sich in der Grundversorgung und werde auch von seinem in Georgien lebenden Cousin, zu dem er Kontakt habe, finanziell unterstützt. In Georgien sei er mit einer eigenen Autowerkstatt selbständig gewesen, habe eine Zeit lang als Maler gearbeitet und ansonsten sein Leben mit Gelegenheitsjobs finanziert. Sein Vater, Geschwister und Verwandte leben in Georgien. Seit seiner letzten Einvernahme seien keine Fluchtgründe hinzu gekommen. Er habe damals die Wahrheit gesagt und möchte heute nichts mehr zu seinen Fluchtgründen sagen. Er stehe in psychotherapeutischer Behandlung, welche aus einer Gesprächstherapie und Medikationstherapie bestehe. Er habe aus Angst, von den Verfolgern erkannt zu werden, zwei Identitäten verwendet.
I.3.1. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit im Spruch genannten Bescheid des BFA gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1, 2, 5, 6 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.) und gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG ausgesprochen, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 06.06.2013 verloren hat (Spruchpunkt IX.).
I.3.1.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft. Die Schilderungen des BF seien zu wesentlichen Punkten lückenhaft, vage, unsubstantiiert, oberflächlich und detailarm gewesen. Insgesamt könne daher festgestellt werden, dass der BF über mangelhafte und unpräzise Angaben hinaus keine wesentlichen Details bzw. Merkmale habe vorbringen können. Sein Vorbringen im Hinblick auf die fluchtauslösenden Ereignisse sei demnach nicht glaubhaft.
I.3.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche Feststellungen.
I.3.1.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorgekommen sei. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen unter § 57 AsylG zu subsumierenden Sachverhalt ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte dar. Aufgrund der Darstellung des Privatlebens der bP sei eine wesentliche integrative Bindung zu Österreich nicht erkennbar. Die bP sei in Österreich gerichtlich verurteilt worden, habe sich verschiedener Identitäten bedient und bestehe gegen ihn ab 15.07.2013 ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot. Zudem stamme die bP aus einem sicheren Herkunftsstaat und wurde daher der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (§ 18 (1) 1, 2, 5 und 6 BFA-VG). Spruchpunkt VIII. gründe sich auf § 53 Abs. 3 Z 1 FPG – eine Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten.
I.3.2. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und dieser in vollem Umfang wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mangelhafte bzw. unrichtige Bescheidbegründung sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. In einem wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Weiters wurde zum Nachweis einer positiven Zukunftsprognose die Einholung eines kriminalpsychologischen Sachverständigengutachtens beantragt. Die psychische Behandlung des BF sei in Georgien nicht möglich und zielführend; diesbezüglich werde auf die Urkundenvorlage verwiesen. In Georgien herrsche Korruption. Bei einer Rückkehr befürchte der BF Widrigkeiten von Seiten der Behörde zu erfahren. Die Behörde habe sich nicht mit einer eventuellen Bestrafung in Georgien wegen der in Österreich begangenen Straftaten auseinandergesetzt. Nicht eingegangen wurde auch auf die Zuzahlung eines Behandlungsbeitrages in Georgien und sei nicht geklärt worden, ob die Möglichkeit einer Therapierung für den BF in Georgien bestehe. Es sei auch nicht geklärt worden, ob der BF von seiner Familie unterstützt werde.
I.4. Der Verwaltungsakt langte am 26.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde der Gerichtsabteilung L529 zugeteilt.
I.5. Am 13.04.2022 langte eine Vollmacht der BBU GmbH ein (OZ 8).
I.6. Mit Schreiben vom 19.04.2022 wurde das Landesgericht für Strafsachen W. um Übermittlung einer Urteilsabschrift zur do. Zl XXXX vom XXXX ersucht (OZ 10). Die Abschrift langte am 04.05.2022 beim BVwG ein.
I.6.1. Mit Schreiben vom 21.04.2022 wurde das Bezirksgericht Fünfhaus um Übermittlung einer Urteilsabschrift zur do. Zl. XXXX vom XXXX , ersucht (OZ 13). Die Abschrift langte am 21.04.2022 beim BVwG ein.
I.7. Mit Schreiben vom 04.05.2022 gab der rechtsfreundliche Vertreter RA Mag. W. A. die Vollmachtsauflösung bekannt (OZ 16).
I.8. Für den 21.04.2022 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung. Mit der Ladung wurden dem BF länderkundliche Informationen zu Georgien übermittelt und die Möglichkeit zur Stellungnahme dazu eingeräumt.
I.8.1. Mit Schreiben vom 19.04.2022 wurde den Verfahrensparteien die Verlegung der mündlichen Verhandlung auf den 31.05.2022 übermittelt.
I.9. Am 31.05.2022 wurde von 08.30 Uhr bis 11.45 Uhr eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der der BF Gelegenheit hatte, zum Fluchtvorbringen, zu seiner Integration, Gesundheit und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen. Er legte dabei eine Bestätigung von XXXX vom XXXX , eine Bestätigung vom XXXX vom XXXX und eine Überweisung zu einem Facharzt für Orthopädie vom 13.05.2022 vor.
I.10. Hinsichtlich des detaillierten Verfahrensherganges wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen (Sachverhalt):
II.1.1. Zur Person der BF:
Der BF ist Staatsangehöriger von Georgien, führt den im Spruch genannten Namen und gehört der Volksgruppe der Georgier und der christlich orthodoxen Religionsgemeinschaft an. Seine Identität steht nicht fest.
Der BF reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 13.01.2012 den ersten Antrag auf internationalen Schutz und am 30.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF stellte ebenso in der Slowakei am 24.07.2010, in der Schweiz am 06.08.2010, in der Slowakei am 19.05.2011, in der Schweiz am 31. 10.2011, in der Slowakei am 09.12.2011 und in der Slowakei am 06.03.2012 auch jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.
Nach der Haftentlassung des BF aus der JA Salzburg am 06.12.2013 tauchte der BF unter und ist von einem Aufenthalt des BF in Österreich wieder ab Sommer 2014 auszugehen.
Der BF stammt aus XXXX . Er war im Herkunftsland erwerbstätig.
Beim BF handelt es sich um einen mobilen, nicht invaliden, arbeitsfähigen Mann. Einerseits stammt der BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf seine individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es dem BF auch vor dem Verlassen seines Herkunftsstaates möglich, dort sein Leben zu meistern.
Der BF leidet an einer Angststörung mit Angst und depressiver Reaktion (F43.22), an einer posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1), an einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F62.0), Störung durch Opioide in Substitution (F11.22), Psoriasis vulgaris (L40.0), Gastritis und Duodenitis (K29). Der BF leidet sohin an keinen mit unmittelbarer Lebensgefahr oder einem qualvollen Zustand verbundenen Krankheiten.
Die genannten Erkrankungen sind im Herkunftsstaat behandel- bzw. therapierbar bzw. sind entsprechende medizinische Behelfe erhältlich und hat er auch Zugang zum georgischen Gesundheitssystem. Soweit der BF im Falle der Behandlung mit einem Selbstbehalt belastet wird, steht es ihm im Falle der Bedürftigkeit zudem frei, die Kostenübernahme des Selbstbehaltes durch den Staat zu beantragen, worüber eine eigens hierfür eingerichtete Kommission entscheidet.
Der BF hat Zugang zum Arbeitsmarkt des Herkunftsstaates und es steht ihm frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen.
Ebenso hat der BF Zugang zum – wenn auch minder leistungsfähiger als das österreichische – Sozialsystem des Herkunftsstaates und könnte dieses in Anspruch zu nehmen.
Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden (es sei an dieser Stelle auch auf das staatliche Unterstützungsprogramm für Rückkehrer hingewiesen).
Ebenso kam hervor, dass der BF im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte in Gestalt seines Vaters, seiner beiden Schwestern und Cousins verfügt. Er stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird (vgl. hierzu ho. Erk. vom 31.10.2017, L515 2174691-1/2E mwN). Der BF kann daher Unterstützung durch seine Familie, allen voran durch seinen Cousin, welcher ihn auch in Österreich finanziell unterstützt hat, erwarten.
Der BF verfügt im Rahmen einer Gesamtschau über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage. Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
Familienangehörige, die in Georgien leben, sind sichtlich – wie der BF vor seiner Ausreise – in der Lage, dort ihr Leben zu meistern.
Der BF hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner ihm nahestehenden Person zusammen. Er hält sich seit etwas mehr als 8 Jahren im Bundesgebiet auf und möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Er teilt sich mit einer weiteren Person ein Zimmer in einer Unterkunft der Caritas. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein.
Der BF lebt von der Grundversorgung. Er BF verfügt über rudimentäre Deutschkenntnisse, welche für eine Verständigung im Alltag als nicht ausreichend anzusehen sind. Er ist kein Mitglied in einem Verein oder sonstigen Organisation.
Im Strafregister der Republik Österreich scheinen über den BF folgende Einträge auf:
01) LG F.STRAFS. XXXX vom 06.06.2013 RK 06.06.2013
§§ 127, 128 (1) Z 4, 129 Z 1, 130 4. Fall StGB § 15 StGB
Datum der (letzten) Tat 08.04.2013
Freiheitsstrafe 24 Monate, davon Freiheitsstrafe 16 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre, Vollzugsdatum 06.12.2013
zu LG F.STRAFS. XXXX RK 06.06.2013
Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 06.12.2013
LG F.STRAFS. XXXX vom 10.12.2013
zu LG F.STRAFS. XXXX RK 06.06.2013
Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG F.STRAFS. XXXX vom 22.07.2015
zu LG F.STRAFS. XXXX RK 06.06.2013
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig, Vollzugsdatum 06.12.2013
LG F.STRAFS. XXXX vom 11.09.2019
02) BG XXXX vom 28.04.2015 RK 05.05.2015
§ 15 StGB § 141 (1) StGB
Datum der (letzten) Tat 02.09.2014
Freiheitsstrafe 1 Woche, bedingt, Probezeit 3 Jahre, Vollzugsdatum 05.05.2015, zu BG XXXX RK 05.05.2015
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig, Vollzugsdatum 05.05.2015, BG XXXX vom 12.11.2018
II.1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Heimatland einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt war oder im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine solche zu erwarten hätte.
Es konnte zudem, unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände, nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des BF nach Georgien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Es wird festgestellt, dass dem BF im Rückkehrfall keine lebens- bzw. existenzbedrohende Notlage droht. Dem BF ist eine Rückkehr in seine Herkunftsregion zum Entscheidungszeitpunkt zumutbar.
II.1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
II.1.3.1. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Georgien wurde dem BF das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Länderinfo COI CMS Staatendoku Georgien vom 15.10.2021, Version 5) übermittelt.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ist in Übereinstimmung mit der bB festzustellen, dass von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen ist. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt (insbesondere sind die Rechte der ethnischen und religiösen Minderheiten im Wesentlichen respektiert). Ebenso ist davon auszugehen, dass im Herkunftsstaat die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist und im Falle der Mittellosigkeit die Möglichkeit der Kostenübernahme der Behandlung durch staatliche Stellen besteht, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden und der georgische Staat taugliche Mittel gegen eine unkontrollierte Ausbreitung des COVID-10-Virus setzt.
Es sei an dieser Stelle in Übereinstimmung mit der bB darauf hingewiesen, dass es sich beim Herkunftsstaat der bP um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt, für den im gegenständlichen Fall der Grundsatz der normativen Vergewisserung der Sicherheit gilt.
II.1.3.2. Es wird konkret auf die insoweit relevanten Abschnitte hingewiesen (auszugsweise Wiedergabe, Gliederung, Hervorhebungen, etc. nicht mit dem Original übereinstimmend, ausgelassene Passagen nicht gekennzeichnet):
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 29.03.2021
Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen (EDA 28.7.2020). Die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen und die hohe Arbeitslosigkeit haben zu einem Anstieg der allgemeinen Kriminalität beigetragen, die jedoch immer noch niedriger ist, als in vielen europäischen Ländern (MSZ o.D.; vgl. EDA 28.7.2020).
Im Dezember 2017 führte eine Reihe von Operationen georgischer Spezialkräfte in der Hauptstadt und im Pankisi-Tal [Munizipalität Achmeta, Region Kachetien] zur Verhaftung von Militanten, die beschuldigt wurden, an Terroranschlägen im Ausland beteiligt gewesen zu sein und Berichten zufolge beabsichtigten, Ziele auf georgischem Boden anzugreifen (MAECI 27.1.2021). Die politische Lage ist polarisiert (SZ 18.2.2021).
Die Situation an der De-facto-Grenze zwischen Georgien und den abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien ist seitdem georgisch-russischen Krieg im August 2008 weitgehend ruhig. Doch bleibt die Lage angesichts der Unvereinbarkeit der Positionen und der zahlreichen Behinderungen des kleinen Grenzverkehrs angespannt. Russland betreibt gegenüber beiden Regionen eine Politik der informellen militärischen und wirtschaftlichen Annexion. Seit dem August- Krieg 2008 stellt Moskau finanzielle Unterstützung für die sozio-ökonomische Entwicklung und die Infrastruktur bereit und gewährt der abchasischen und südossetischen Bevölkerung Zugang zur russischen Staatsbürgerschaft. Russland unterhält weiterhin Stützpunkte und Truppen in Abchasien und Südossetien, darunter zwischen 3.000 und 4.000 Soldaten sowie Grenzschutztruppen des Inlandsgeheimdienstes FSB, welche die Demarkationslinien (administrative border lines – ABL) zum georgischen Kernland sichern. Zwischen Tiflis und den De-facto-Regierungen in Sochumi und Zchinwali bestehen keine offiziellen bilateralen Kontakte. Einziges Forum zum Austausch auf hochrangiger politischer Ebene sind die vierteljährlichen internationalen Gespräche im Rahmen des Genfer Prozesses. Trotzdem hat Georgien seit 2012 seine Politik der Isolation Abchasiens und Südossetiens aufgegeben und bemüht sich um Kooperation auf humanitärer Ebene. Dazu zählt etwa das Angebot, der abchasischen und südossetischen Bevölkerung den kostenfreien Zugang zum georgischen Bildungs- und Gesundheitssystems zu ermöglichen (bpb 26.8.2020; vgl. ACLED 2.2020).
Aus Sicht Abchasiens und Südossetiens ist der politische Status ihrer Gebiete endgültig geklärt. Sie lehnen Verhandlungen mit Georgien über eine gemeinsame Staatlichkeit ab und verfolgen den Aufbau bilateraler Beziehungen unter Anerkennung ihrer Unabhängigkeit. Die Regierung in Tiflis pocht dagegen auf die Wahrung der territorialen Integrität Georgiens. Sie versucht, ihre guten Beziehungen zur EU und den USA zu nutzen, aber auch multilaterale Foren wie die UNO, um ihrer Position Nachdruck zu verschaffen (bpb 26.8.2020). Gemäß dem georgischen Gesetz über „besetzte Gebiete“ vom 23. Oktober 2008 sind die Gebiete der Autonomen Republik Abchasien und der Region Zchinwali (Südossetien) als „besetzt“ zu betrachten (MAECI 27.1.2021).
Wegen Zugangsbeschränkungen gibt es nur wenige Informationen über die humanitäre Lage und Menschenrechtslage in Abchasien und Südossetien (US DOS 11.3.2020). Der EU-Sonderbeauftragte für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) unterstützen aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung (EC 5.2.2021). Obwohl der EUMM der Zutritt zu Abchasien und Südossetien verwehrt bleibt, und es weiterhin zu Zwischenfällen kommt, konnte bisher ein Wiederaufflammen der bewaffneten Auseinandersetzungen verhindert werden (bpb 26.8.2020).
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 29.03.2021
Das Gesetz garantiert ein ordnungsgemäßes Verfahren, aber die damit verbundenen Regelungen werden nicht immer respektiert. Urteile des Verfassungsgerichts in Bezug auf ordnungsgemäße Verfahren werden unvollständig umgesetzt, es kommt zu administrativen Verzögerungen bei Gerichtsverfahren, zu Verletzungen der Unschuldsvermutung, die Nichteinhaltung von Vorschriften in Bezug auf Inhaftierung und Verhöre und die Verweigerung des Zugangs zu einem Anwalt bei der Festnahme (FH 3.3.2021; vgl. US DOS 11.3.2020).
Wichtige Herausforderungen bleiben in Bezug auf die Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht der Justiz bestehen. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Hohen Rat der Justiz ist nach wie vor gering. Am 30.9.2020 verabschiedete das Parlament weitere Gesetzesänderungen in Bezug auf das Ernennungsverfahren von Richtern des Obersten Gerichtshofs, ohne die einschlägige Stellungnahme der Venedig-Kommission abzuwarten und ohne die fortbestehenden Unzulänglichkeiten in diesem Verfahren vollständig zu beheben. Das Hauptaugenmerk der Reformen der Staatsanwaltschaft im Jahr 2020 lag weiterhin auf der Trennung der Funktionen zwischen Ermittlern und Staatsanwälten. Ein entsprechendes Gesetzespaket wurde vorbereitet (EC 5.2.2021).
Die Stärkung eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der Regierung und wird fortgesetzt. NGOs begleiten den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch mit. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wenig ausgeprägt. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis [zum Regierungswechsel] 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 17.11.2020).
In den Jahren 2016-2020 hat die Regierungspartei Georgischer Traum zwei Wellen der Justizreform umgesetzt. Die Änderungen umfassten die Einführung der elektronischen Zuordnung von Fällen; die Einführung des Amtes des unabhängigen Inspektors des Hohen Justizrates in das Justizsystem; und Verbesserung der Normen zur Disziplinarhaftung von Richtern und zu Gerichtsverfahren. Es wurden wichtige Schritte unternommen, um die Transparenz und Offenheit der Aktivitäten des Hohen Justizrates zu erhöhen (TI 30.10.2020). Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt.
Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 3.3.2021). Bei der Justizreform ist der Ansatz der Behörden fragmentiert und inkonsistent. In bestimmten Fällen diente die Reform nur dazu, die Interessen einer kleinen Gruppe zu stärken (TI 30.10.2020).
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 29.03.2021
Das Innenministerium und der Staatssicherheitsdienst (SSSG) tragen die Hauptverantwortung für die Durchsetzung der Gesetze und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Das Ministerium ist die primäre Organisation der Strafverfolgung und umfasst die nationale Polizei, die Grenzsicherheitsdienste und die georgische Küstenwache. Der SSSG ist der Inlandsnachrichtendienst, der für Spionageabwehr, Terrorismusbekämpfung und Korruptionsbekämpfung zuständig ist. Es gibt Anzeichen dafür, dass die zivilen Behörden zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben (US DOS 11.3.2020).
Bis zum Regierungswechsel im Oktober 2012 waren Exekutivorgane, z. B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, häufig von der Regierung als Machtinstrument oder von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung u. a. wirtschaftlicher Vorteile missbraucht worden. Seit dem Regierungswechsel hat der Machtmissbrauch in dem Ausmaß aufgehört. Die Regierung behält jedoch einen erheblichen informellen Einfluss auf Politik und Justiz bei. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter von Regeln werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch oft als untätig oder wenig effektiv wahrgenommen. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf, sind jedoch in ihrer Tätigkeit auch im Inneren nicht transparent. NGOs fordern jedoch eine organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium (AA 17.11.2020).
Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 3.3.2021) und Straffreiheit bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem (HRW 13.1.2021; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 3.3.2021), insbesondere bei Fällen, die vor der Arbeitsaufnahme des Büros der staatlichen Inspektoren (State Inspector‘s Office) am 1.11.2019 geschahen (HRW 13.1.2021). Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector’s Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS o.D.).
Eine laufende Polizeireform zielt auf die Trennung der Rollen zwischen Staatsanwälten und Ermittlern sowie zwischen operativen und investigativen Funktionen verschiedener Polizeibeamter ab. Bürgernahe und nachrichtendienstlich geführte Polizeiarbeit sollen ausgeweitet; die zentralisierte analytische Arbeit verbessert, der Kampf gegen Cyberkriminalität und organisierte Kriminalität intensiviert sowie die internationale Zusammenarbeit ausgebaut werden (EC 5.2.2021).
Im Jahr 2020 erhielt das Büro des State Inspector’s Office bis August über 1.300 Berichte über mutmaßliche Misshandlungen durch Strafverfolgungsbehörden und andere Beamte und leitete in 168 Fällen strafrechtliche Ermittlungen ein, meist wegen Amtsmissbrauchs, aber auch wegen unmenschlicher und erniedrigender Behandlung. Im gleichen Zeitraum erhielt das Büro des Ombudsmannes 68 Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder Polizei (HRW 13.1.2021).
Korruption
Letzte Änderung: 29.03.2021
Georgien, das früher für die Reformen gelobt wurde, hat seit 2012 kaum Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung gemacht (TI 28.1.2021b; vgl. EC 5.2.2021). Während das Land bei der Bekämpfung der kleinen Korruption erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleibt die Korruption innerhalb der Regierung ein Problem (FH 3.3.2021; vgl. US DOS 11.3.2020; SWP 5.2020, NZZ 30.12.2020). Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen (AA 17.11.2020).
Das politische System zeichnet sich durch ein extrem hohes Maß an Machtkonzentration aus, da eine einzelne politische Gruppe eine unverhältnismäßige Kontrolle über alle wichtigen öffentlichen Institutionen ausübt. Dieselbe dominante Gruppe strebt häufig auch eine unangemessene Beeinflussung nicht staatlicher Akteure an, einschließlich der Medien und des Privatsektors (TI 28.1.2021b). In einigen Fällen hat sie bei der staatlichen Postenbesetzung die Form von Vettern und Günstlingswirtschaft angenommen. Die wirksame Anwendung von Antikorruptionsgesetzen und -vorschriften wird durch die mangelnde Unabhängigkeit sowohl der Strafverfolgungsbehörden als auch der Justiz beeinträchtigt (FH 3.3.2021; vgl. SWP 5.2020). Erfolgreiche Klagen gegen hochrangige Beamte, die mit der Führung der Regierungspartei „Georgischer Traum“ in gutem Einvernehmen stehen, sind selten (FH 3.3.2021).
Zur Korruptionsprävention und -bekämpfung hat das Sekretariat des Antikorruptionsrates 2020 ein Handbuch zur Methodik der Risikobewertung für Ministerien und juristische Personen des öffentlichen Rechts verfasst. Eine Entscheidung über die Einrichtung einer Antikorruptionsbehörde wurde bisher noch nicht getroffen (EC 5.2.2021).
Im Corruption Perceptions Index 2020 von Transparency International erreichte Georgien 56 von 100 [bester Wert] Punkten und lag damit auf Rang 45 von 180 untersuchten Ländern (2019: 56 Punkte, Rang 44 von 180 Ländern; 2018: 58 Punkte, Rang 41 von 180 Ländern) (TI 28.1.2021a).
NGOs und Menschrechtsaktivisten
Letzte Änderung: 29.03.2021
Die Zivilgesellschaft ist robust (FH 3.3.2021). Menschenrechtsorganisationen und andere Nichtregierungsorganisationen (NRO) können sich ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit durchführen; ohne jede staatliche Behinderung ermitteln, öffentlich Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Sie werden in der Öffentlichkeit gut wahrgenommen und können auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben (AA 17.11.2020; vgl. EC 5.2.2021, US DOS 11.3.2020).
Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden (FH 3.3.2021; vgl. AA 17.11.2020, EC 5.2.2021, US DOS 11.3.2020), berichten andere, dass sie unter Druck stehen, vor allem in Form von öffentlicher Kritik von Regierungsbeamten aber auch seitens der Opposition (FH 3.3.2021; vgl. US DOS 11.3.2020).
Trotz der Schwäche der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Bezug auf die Zahl der Mitglieder und der Abhängigkeit von finanziellen Zuwendungen aus dem Ausland spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Formulierung der staatlichen Politik und der Aufsicht. Über die von der EU unterstützten Nationalen Plattform des Forums der Zivilgesellschaft hat Letztere die Möglichkeit, ihre Anliegen auf internationaler Ebene zu äußern (BS 29.4.2020; vgl. EC 5.2.2021).
Die Zivilgesellschaft ist weiterhin sehr aktiv, wenn es darum geht, öffentliche Institutionen, auch bis zu einem gewissen Grad auf lokaler Ebene, zur Rechenschaft zu ziehen (EC 5.2.2021).
Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie spielte die Zivilgesellschaft mehr denn je eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Bedürftigen (EC 25.2.2021).
Ombudsperson
Letzte Änderung: 29.03.2021
Mit dem Büro des Public Defenders (Ombudsperson; vom Parlament ernannt), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über eigene Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Befugnisse, Missstände und individuelle Beschwerdefälle zu untersuchen, die Ergebnisse zu veröffentlichen und Empfehlungen an Regierungsbehörden zu geben (AA 17.11.2020; vgl. EC 5.2.2021, US DOS 11.3.2020).
Die Ombudsperson (Public Defender of Georgia) überwacht die Einhaltung der Menschenrechte und Freiheiten in Georgien. Sie berät die Regierung in Menschenrechtsfragen. Sie analysiert auch die Gesetze, Richtlinien und Praktiken des Staates in Übereinstimmung mit internationalen Standards und gibt entsprechende Empfehlungen ab. Die Ombudsperson übt die Funktionen des Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) aus, der im Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) vorgesehen ist. Basierend auf dem Gesetz zur „Beseitigung aller Formen der Diskriminierung“ wird die Ombudsperson auch als Gleichbehandlungsstelle definiert, deren Hauptfunktion darin besteht, die Umsetzung des Gesetzes zu überwachen. Das Büro der Ombudsperson führt zudem Bildungsaktivitäten im Bereich der Menschenrechte und Freiheiten durch und reicht beim Verfassungsgericht von Georgien Beschwerden ein, falls die Menschenrechte und Freiheiten durch einen normativen Akt verletzt werden. Die Ombudsperson ist ferner ermächtigt, die Funktion des Amicus Curiae [Anm.: eine unbeteiligte Partei, der es gestattet ist, zu wichtigen Fragen eines anhängigen Rechtsstreits Stellung zu nehmen] bei den ordentlichen Gerichten und dem Verfassungsgericht von Georgien auszuüben (ENNHRI o.D.; vgl. AA 17.11.2020).
Im Dezember 2017 ernannte das Parlament Nino Lomjaria zur neuen Ombudsfrau. Sie gehörte zu den von Menschenrechtsorganisationen empfohlenen Kandidatinnen und Kandidaten für dieses Amt. Mit ihren sehr zahlreichen öffentlichen Stellungnahmen zu vielen Themen und Einzelfällen und mit konkreten Empfehlungen an Regierungsstellen erzielt sie viel öffentliche Aufmerksamkeit. Neben Einzelstellungnahmen veröffentlicht sie einen jährlichen Bericht mit Handlungsempfehlungen, der vom Menschenrechtsausschuss des Parlaments diskutiert wird.
Die Ombudsfrau kann die Staatsanwaltschaft auffordern, Untersuchungen einzuleiten und Verfassungsklagen erheben. Die Zahl der Regionalbüros im Land stieg auf zehn. Ein stetiger Anstieg von Eingaben bei der Ombudsfrau zeigt ein zunehmendes Bewusstsein der Bevölkerung für ihre Rechte und ein zunehmendes Ansehen der Institution des Public Defenders (AA 17.11.2020).
NGOs betrachten das Amt der Ombudsperson als objektivste aller staatlichen Einrichtungen, die sich mit Menschen- und Bürgerrechten befassen. Während das Büro der Ombudsperson im Allgemeinen ohne staatliche Einmischung arbeitet und als effizient gilt, berichtet die Ombudsperson im Gegenzug, dass die Regierungsstellen manchmal nur teilweise oder gar nicht auf Anfragen und Empfehlungen reagieren, obwohl sie verpflichtet sind, innerhalb von zehn Tagen zu antworten und Folgemaßnahmen innerhalb von 20 Tagen einzuleiten (US DOS 11.3.2020).
Wehrdienst und Rekrutierungen
[…]
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 29.03.2021
Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte sind explizit in eigenen Verfassungsartikeln aufgeführt. Mit dem Büro des Public Defenders (Ombudsperson), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Auch Staatsanwaltschaft und Gerichte, die in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen haben, werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen.
Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom Staat weitgehend geachtet und gestärkt. Die Lage der Menschenrechte hat sich weiter den internationalen Standards angenähert und in vielen Bereichen einen guten Stand erreicht. In einigen Bereichen der Gesellschaft sind insbesondere Minderheitenrechte wenig akzeptiert, sodass Minderheiten mit Benachteiligung und Diskriminierung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und im Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann (AA 17.11.2020).
Beim Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit gibt es systemische Probleme. Seit Jahren wird die georgische Regierung immer noch für politische Verfolgung und politische Inhaftierung verantwortlich gemacht. Die Bedrohung durch Informationsmanipulation und Radikalisierung im polarisierten Medienumfeld nehmen zu. Der Schutz der Rechte verschiedener Minderheitengruppen und die Umsetzung von Gleichberechtigung gehören immer noch zu den größten Herausforderungen im Lande. Ungeachtet der positiven Gesetzesänderungen der letzten Jahre und der verstärkten Reaktion auf die begangenen Verbrechen, ist die Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt immer noch eine große Herausforderung in der georgischen Gesellschaft.
Die Lage von Menschen mit Behinderungen ist immer noch ernst. Ethnische und religiöse Minderheiten sowie Angehörige sexueller Minderheiten sind immer noch Gegenstand von systemischer Diskriminierung und Stigmatisierung (HRC 2021; vgl. US DOS 11.3.2020). In Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden nicht dominante und bereits marginalisierten Gruppen aus dem Anti-Krisen-Aktionsplan ausgeschlossen. Die Krise wird vermutlich einen schweren und langfristigen Einfluss auf die Durchsetzung der Gleichstellungspolitik haben (HRC 2021). Die Straffreiheit bei Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden bleibt ein anhaltendes Problem (HRW 13.1.2021; vgl. US DOS 11.3.2020).
Georgien ist weiterhin, trotz der COVID-19-bedingten Herausforderungen, der Umsetzung, den Verpflichtungen und Zusagen des EU-Assoziierungsabkommens verpflichtet. Die Angleichung an die europäischen Standards im Bereich der Menschenrechte wurde auch 2020 im Großen und Ganzen fortgesetzt. Verbesserungen 2019/2020 konzentrierten sich auf die Entwicklung und Umsetzung einer neuen Menschenrechtsstrategie, die insbesondere auf die Rechte des Kindes, häusliche Gewalt und die Inklusion von Mitgliedern gefährdeter Gruppen/Minderheiten abzielt (EC 5.2.2021).
Es kommt weiterhin zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen in den separatistischen Regionen Georgiens (HRC 2021; vgl. US DOS 11.3.2020), darunter rechtswidrige oder willkürliche Tötungen und Inhaftierungen (US DOS 11.3.2020).
Haftbedingungen
Letzte Änderung: 29.03.2021
Seit 2012 sind grundlegende Reformen im Strafrecht und Strafvollzug durchgeführt worden, die die Haftbedingungen in den georgischen Gefängnissen deutlich verbessert haben (AA 17.11.2020). Während die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten insgesamt adäquat sind, sind in einigen alten Einrichtungen Belüftung, natürliches Licht, Platz und Ge- sundheitsversorgung nicht ausreichend (US DOS 11.3.2020; vgl. AA 17.11.2020). Nach der Einführung des Hausarrests als Alternative zur Inhaftierung erwachsener Straftäter im Jahr 2017, eröffnete die Regierung im Januar 2018 ein Zentrum für vorzeitige Haftentlassung, das Häftlingen, die noch weniger als ein Jahr ihrer Haftstrafe zu verbüßen haben, den Freigang anbietet (US DOS 11.3.2020).
Die Ausstattung der medizinischen Abteilungen in den Strafvollzugseinrichtungen hat sich in den jüngsten Jahren verbessert. Dennoch bestehen Probleme hinsichtlich Funktion und technischer Verfügbarkeit der Geräte. Positiv zu vermerken ist, dass die medizinische Behandlung nicht nur innerhalb der Gefängnisse durch das dortige medizinische Personal erfolgt, sondern bei Bedarf Spezialisten in die Haftanstalt kommen oder auch eine Behandlung außerhalb der Gefängnisse ermöglicht wird. Lobenswert ist auch die Verfügbarkeit von Medikamenten (PD 19.10.2018). Dennoch führt die Ombudsperson einige bestehende Probleme in den Haftanstalten auf: unzureichende Aktivitäten zur Rehabilitation und Resozialisierung von Gefangenen und mangelnden Kontakt zur Außenwelt sowie Mängel in der medizinischen Versorgung, der Gesundheitsvorsorge und der psychischen Gesundheitsfürsorge (PD 2.4.2020).
Gewalt unter den Häftlingen, kriminelle Subkulturen und informelle Strukturen stellen anhaltende systemische Probleme (US DOS 11.3.2020; vgl. HRC 2021, PD 2.4.2020, FH 3.3.2021) und eine ernsthafte Gefahr der Misshandlung von Gefangenen dar. Die bereits bestehende problematische Situation wurde durch die eingeschränkte externe Kontrolle von Haftanstalten während der COVID-19-Pandemie 2020 weiter verschärft. Während der Pandemie erlassene Regelungen zur Gesundheitsfürsorge schränken die Rechte der Gefangenen, mit der Außenwelt zu kommunizieren, erheblich ein. Dies erschwert auch den Rehabilitierungs- und Resozialisierungsprozess (HRC 2021).
Der „National Preventive Mechanism under the Public Defender’s Office“ gibt der Ombudsfrau vollen Zugang zu Haftanstalten. Die Überprüfung der Haftbedingungen gehört zu den ständigen Aufgaben des Büros des Public Defender (Ombudsfrau), in dessen Jahresbericht ausführlich über Zustand und Entwicklung berichtet wird. Auch individuelle Beschwerden greift die Ombudsfrau aktiv auf. Fälle von Misshandlungen, die in den Haftanstalten bis 2012 verbreitetet waren, sind nicht mehr erkennbar (AA 17.11.2020). Menschenrechtsgruppen kritisieren jedoch, dass das Büro des Public Defender nicht von der Staatsanwaltschaft unabhängig agieren kann (FH 3.3.2021).
Grundversorgung
Letzte Änderung: 29.03.2021
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet (AA 17.11.2020).
Die staatliche Sozialhilfe liegt bei GEL 220 [ca. EUR 55] im Monat. Die Rentensätze für Personen unter 70 Jahre liegen bei 220 Georgischen Lari [GEL; ca. 55 Euro] im Monat. Rentner über 70 Jahre erhalten aktuell zwischen250 und 300 GEL [ca. 62 bis 75 Euro]. Zum Erhalt müssen die Personen seitens der Behörden als bedürftig eingestuft werden. Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband. Eine große Rolle spielen die Geldtransfers der georgischen Diaspora im Ausland (AA 17.11.2020).
Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos. Etwa 20 % der Georgier leben in Armut. Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende Binnenvertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten Auslandsmigranten machen einen nennenswerten Anteil des Bruttoinlandsprodukts aus (ADA 8.2020).
Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Groß- und Einzelhandel sowie in Autowerkstätten, im Kleinwarengeschäft, in der Industrie und im Bauwesen (IOM 2019). Viele Pensionisten sind noch erwerbstätig, da die Pension alleine zum Überleben nicht ausreicht. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit unter den 15-25-Jährigen recht hoch. Die meisten Erwerbstätigen befinden sich im Alter von 40 bis 60 Jahren (IOM 2019). Das Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbstständig Beschäftigten lag im dritten Quartal 2020 bei den Männern bei GEL 1.472,5 [rund EUR 370] und bei den Frauen bei GEL 978,1 [rund EUR 245] (GeoStat 2021b).
Die COVID-19-Pandemie hatte verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft (HRW 13.1.2021; vgl. KP 11.2.2021, ADA 8.2020). Statt der ursprünglich prognostizierten Steigerung des Brutto-Inlands-Produktes (BIP) um 4,3 % wurde am Jahresende schließlich ein Rückgang um 5,1 % des BIP vermeldet (KP 11.2.2021). Allein im zweiten Quartal 2020 schrumpfte das BIP um über 16 % (HRW 13.1.2021) Der Tourismus, der in den letzten Jahren stark gewachsen war und für rund 20 % des georgischen BIP verantwortlich ist, kam völlig zum Erliegen (KfW 3.6.1010). Die Zahl der internationalen Besucher Georgiens sank im Jahr 2020 um 80 % im Vergleich zum Vorjahr (KP 11.2.2021).
Es kam 2020, im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, zu einem Anstieg von Arbeitslosigkeit und Armut (HRW 13.1.2021; vgl. ADA 8.2020, GeoStat 2021a). Die Arbeitslosigkeit lag im 4. Quartal 2020 im urbanen Raum bei 22,2 % (verglichen mit 16,6 % im 4. Quartal 2019). Im ländlichen Raum lag die Arbeitslosigkeit im 4. Quartal 2020 bei 17,7 % (verglichen mit 16,7 % im 4. Quartal 2019) (GeoStat 2021a). Die hohe Zahl Erwerbstätiger in ländlichen Gegenden ist mit den gering vergüteten Jobs im Agrarsektor zu erklären (IOM 2019). Um die Folgen der COVID-19-Pandemie abzumildern, verabschiedete die Regierung im April 2020 einen Anti-Krisen-Plan in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar, der ein Sozialhilfepaket für Einzelpersonen sowie Steuererleichterungen und -befreiungen für Unternehmen für mindestens sechs Monate beinhaltete.
Drei Monate vor den Wahlen im Oktober 2020 kündigte die Regierung zusätzliche Anti-Krisen-Maßnahmen in Höhe von 132 Millionen US-Dollar an, darunter ein weiteres Sozialhilfepaket.
Die Opposition und einige zivilgesellschaftliche Gruppen sahen die Schritte als „Manipulation, um Wähler anzulocken“ (HRW 13.1.2021).
Negativ hat sich auch der Außenhandel Georgiens entwickelt, die Exporte sanken um 12 %, die Importe um knapp 16 %, allerdings von einem weitaus höheren Realniveau. Das Außenhandelsdefizit hat sich daher nur geringfügig verbessert. Die Entwicklung des Wechselkurses zum Euro ist weitaus dramatischer: Seit Jahresanfang 2021 hat sich der Lari auf einem Wert von etwa 4:1 zum Euro eingependelt, am Jahresanfang 2020 lag er noch bei 3,2:1. Überraschenderweise sind die Rücküberweisungen der Auslandsgeorgier im vergangenen Jahr um 8,8 % gestiegen, was sich durchaus mäßigend auf die Abwertung des Lari ausgewirkt hat (KP 11.2.2021).
Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 29.03.2021
Das Sozialsystem in Georgien umfasst die folgenden finanziellen Zuschüsse:
• Existenzhilfe
• Re-Integrationshilfe
• Pflegehilfe
• Familienhilfe
• Soziale Sachleistungen
• Sozialpakete (IOM 2019)
Menschen unterhalb der Armutsgrenze können zum Beispiel mit einer Unterstützung von GEL 10-60 [Georgische Lari; entspricht ca. 2,50 bis 15 Euro] pro Familienmitglied rechnen. Der Sozialdienst ist für Personen unterhalb der Armutsgrenze verantwortlich. Der staatliche Fond zum Schutz und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel hilft schutzbedürftigen Personen, wie z.B. Opfern häuslicher Gewalt, Personen mit Einschränkungen, Alten und Waisen. Dabei bietet er: Kinderheime, Pflegeheime für Personen mit Einschränkungen, Unterkünfte für Opfer von Menschenhandel, Krisenzentren und Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt. Eine Arbeitslosenunterstützung gibt es nicht (IOM 2019).
Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen. Dafür muss der Vertreter der Familie zunächst ein Ansuchen für sich und alle übrigen Familienmitglieder stellen, um in das staatliche Register für besonders schutzbedürftige Familien aufgenommen zu werden.
Danach besucht ein Vertreter des Sozialamtes die Familie vor Ort, wobei in der „Familiendeklaration“ der sozio-ökonomische Stand der Familie festgestellt wird. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: GEL 60 [ca. 15 Euro] für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied GEL 60 [ca. 15 Euro] und alle anderen GEL 48 [ca. 12 Euro] pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere die Arbeitsaufnahme eines Familienmitgliedes, Gefängnishaft, Militärdienst oder ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten. Die Sozialhilfe kann nicht gleichzeitig mit der staatlichen „Haushaltsunterstützung“ oder der monatlichen Zahlung an Flüchtlinge bezogen werden (SSA o.D.a.).
Es gibt ein staatliches Pensionssystem. Bezugsberechtigt sind Männer über 65 und Frauen über 60 Jahre. Für die Registrierung der Pension ist ein Antrag beim zuständigen Sozialamt (Social Service Centre) nötig. Die Entscheidung fällt innerhalb von zehn Tagen. Personen, die bereits aus dem Ausland eine Pension beziehen, sind vom georgischen Pensionssystem ausgeschlossen (IOM 2019). Die Höhe der Pension wird jährlich gemäß Inflationsrate und Wirtschaftswachstumsdaten angeglichen. Mit 1.1.2021 stieg die Alterspension auf 240 GEL[ca. 60 Euro] für Personen unter 70 Jahre und auf 275 GEL[ca. 69 Euro] für Personen über 70 Jahre. Es gibt Zuschläge für Pensionisten, die in Hochgebirgssiedlungen leben (Agenda 5.1.2021).
Seit dem 1.1.2019 ist das kumulierte Pensionssystem für Beschäftigte unter 40 Jahren verpflichtend, d.h., sie werden automatisch registriert. Für Selbständige und Personen über 40 Jahren ist die Aufnahme in das Programm freiwillig. Dieses System gilt sowohl für Mitarbeiter des öffentlichen als auch des privaten Sektors. Das System wird nach einem 2+2+2-Schema arbeiten. Jeder Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Staat leisten einen Beitrag von je 2% des Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers auf ein individuelles Pensionskonto. Selbstständige müssen eine Einlage von 4% ihres Einkommens leisten und der Staat schießt weitere 2% zu. Das neue Pensionsgesetz sieht keine Aufhebung des bestehenden Pensionssystems vor (Agenda.ge 3.1.2019). Angesichts der Tatsache, dass Georgien bislang nur eine Pensionsersatzrate von 18% aufweist und über 44% der Erwerbstätigen Selbstständige sind, insbesondere in der einkommensschwachen Landwirtschaft, bestehen Zweifel am Funktionieren des neuen Systems (OCM 14.12.2018).
Das Recht auf Mutterschaftskarenz- und Pflegeurlaub gewährleistet 730 Tage Freistellung, von denen 183 Tage bezahlt sind. Bei Geburtskomplikationen oder der Geburt von Zwillingen werden 200 Tage bezahlt. Das Mutterschaftsgeld, auch im Falle einer Adoption, beträgt maximal GEL 1.000 [ca. 250 Euro] (SSA o.D.b, vgl. USSSA 3.2019).
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 29.03.2021
Medizinische Versorgung ist für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung (Universal Health Care, UHC) sowie zusätzlich bestehende staatliche Gesundheitsprogramme für bestimmte Krankheitsbilder (z. B. Diabetes, Hepatitis C, Tuberkulose) je nach sozialer Lage kostenlos oder mit Zuzahlungen gewährleistet. Mit privater Krankenversicherung kann die Leistungsübernahme medizinischer Behandlungen beitragsabhängig erweitert werden (AA 17.11.2020; vgl. SEM 21.3.2018, BDA 2019). Da Versicherte bei bestimmten Leistungen einen Teil der Kosten selbst bezahlen müssen, spricht man von einem co-payment System. Eingeschlossen ins UHC sind alle Bewohner der de facto unabhängigen Republiken Abchasien und Südossetien, denen der georgische Staat neutrale Identitäts- und Reisepapiere ausstellt. Offiziell anerkannte Staatenlose haben ebenfalls Anrecht auf UHC. Nur einen Teil der Leistungen erhält, wer vor dem 1.1.2017 eine private Krankenversicherung besaß oder über den Arbeitgeber krankenversichert war. Seit 1.5.2017 wird bei der Kostenübernahme zudem nach Einkommen differenziert. Personen mit hohem Einkommen sind von der UHC ausgeschlossen.
Personen mit mittlerem Einkommen erhalten nur einen Teil der Leistungen. Für sozial schwache Gruppen, Kinder und Rentner bleiben die Leistungen wie gehabt bestehen (SEM 21.3.2018; vgl. BDA 2019).
Im Notfall wendet sich ein georgischer Bürger an eine beliebige medizinische Einrichtung. Alle medizinischen Einrichtungen sind an der UHC beteiligt. Für geplante stationäre Behandlungen wendet man sich mit einem gültigen Ausweis und einer Überweisung eines Allgemeinmediziners an die Abteilung Social Service Agency. Die Social Service Agency betreibt eine Hotline unter der Nummer 1505. Die Social Service Agency stellt einen Gutschein (Voucher) oder einen „Letter of Guarantee“ (dt. Garantiebrief) über die von ihr berechneten Kosten für die beantragte medizinische Dienstleistung aus (SEM 21.3.2018; vgl. BDA 2019). Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und moderne Behandlungen an; staatliche Einrichtungen, wie sie primär in den ländlichen Regionen anzutreffen sind, haben deutlichen Rückstand an technischer und personeller Ausstattung. Für manche lebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist daher allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus EU-Ländern (AA 17.11.2020).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurde der laufende Ausbau elektronischer medizinischer Dienstleistungen weiter forciert. Ab Frühling 2021 soll die Möglichkeit für elektronische Arztgespräche flächendeckend verfügbar sein. Dies soll insbesondere die Primärversorgung in peripheren Gebieten verbessern (EU4Digital 7.12.2020).
Das staatliche Gesundheitssystem (UHC) umfasst ambulante und stationäre Behandlung für Begünstigte verschiedener Alters- und Sozialgruppen, wie folgt:
• Offen für alle Staatsbürger sowie Asylsuchende (während des Verfahrens) und Personen mit Flüchtlingsstatus.
• Stationäre und ambulante Behandlung sind vollständig gedeckt.
• Behandlung von HIV und TB ist kostenfrei, sowie Insulin für Diabetespatienten.
• Dialyse ist ebenfalls gewährleistet.
• Für Drogenabhängige ist ein staatlich gefördertes Methadon-Ersatzprogramm kostenfrei verfügbar. Lediglich eine einmalige Registrierungsgebühr von GEL 70 [ca. 17 Euro] muss entrichtet werden.
• Kosten für die Behandlung von Kindern bis zu 5 Jahren ist teilweise gedeckt, abhängig von der Krankheit.
Kontaktinformationen erhält man beim Ministerium für Gesundheit (Ministry of Health) (IOM 2019)
Hat man Anrecht auf die gesamten Leistungen der UHC, werden Kosten in den drei Bereichen Notfallbehandlung, stationäre Behandlung und ambulante Behandlungen ganz oder zum Teil übernommen. Eine Kostenübernahme von 100% bedeutet in den meisten Fällen, dass der Staat der medizinischen Institution einen fixen Betrag zurückerstattet. Für die Berechnung dieses Betrags analysiert der Staat, wie viel die Dienstleistung in der Vergangenheit kostete und nimmt davon einen tiefen Durchschnittswert. Kommt die Behandlung teurer, muss der Patient die Differenz selber bezahlen (SEM 21.3.2018; vgl. BDA 2019, IOM 2019). Ambulante und einige stationäre Notfallbehandlungen werden zu 100% übernommen (SEM 21.3.2018; vgl. IOM 2019). Behandlungen spezialisierter Ärzte nach Überweisung durch den Hausarzt werden zu 70-100% übernommen, einige Notfallbehandlungen zu 100% (IOM 2019). Von den stationären Behandlungen werden spezifische Operationen und die stationäre Nachbetreuung zu 100% übernommen. Andere Leistungen werden zu 70% übernommen (SEM 21.3.2018). Notwendige Operationen werden zu 70% übernommen (IOM 2019).
Georgische Staatsbürger sind automatisch versichert. Allerdings ist eine Registrierung notwendig, um alle Leistungen des Programms beanspruchen zu können. In diesem Zusammenhang sollten Rückkehrer die 1505 Hotline des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales anrufen oder sich direkt an die nächstgelegene Poliklinik oder Krankenhaus wenden (IOM 2019).
Alle Kliniken in Georgien sind privatisiert. Obwohl die allgemeine Krankenversicherung nicht alle Bereiche abdeckt, können georgische Staatsbürger zu jeder Zeit jede Klinik aufsuchen, jedoch müssen die Leistungen dann bezahlt werden. Vorzugsweise sollten Termine vereinbart werden.
Bei Notfällen ist eine Behandlung ohne Termin mit Wartezeiten möglich. Patienten können einen Termin vereinbaren, für die staatliche Versicherung muss der Hausarzt kontaktiert werden, welcher eine Überweisung zu spezialisierten Ärzten verfassen kann. Große Apotheken stellen eine Vielzahl von Medikamenten (IOM 2019). Die Verfügbarkeit gewisser Medikamente kann anhand ihrer Handelsbezeichnung online oder telefonisch überprüft werden: Medical Information Service http://www.mis.ge/ ; TEL: +995 032 2 252233 (MIS o.D.). Die meisten Medikamente werden nicht vom staatlichen Programm erfasst. Daher müssen die Patienten die Kosten für diese selbst tragen. Für einige Medikamente ist eine ärztliche Verschreibung nötig (IOM 2019).
Bei Kostenübernahmen von weniger als 100% kommt der Patient für den Rest auf. Für Pensionisten zahlt der Staat zusätzlich monatlich GEL 100 [ca. 25 Euro] für drei Monate, erstattet bei den Bürgerämtern (IOM 2019). Für Behandlungskosten, die von Patienten selber getragen werden müssen, kann bei der zuständigen Kommission des Ministeriums um Kostenersatz angesucht werden. Die Unterstützungsleistungen hängen sowohl von der Art der Erkrankung bzw. Therapie als auch von der Bedürftigkeit der Person selbst ab. Bei manchen Therapien gibt es z.B. für „Veteranen“ 100% Vergütung, bei anderen Erkrankungen nur 50% oder gar keine Unterstützung.
Manches Mal sind die Unterstützungsleistungen auch zeitlich begrenzt. Aus diesem Grund muss betreffend Unterstützung bei Behandlungskosten jede Erkrankung/Medikament /Thera-pie separat betrachtet werden (VB 13.1.2021).
Eine Konsultation in einer Privatklinik kostet umgerechnet ca. 30-40 Euro (MSZ o.D.).
Behandlungsmöglichkeiten: Hepatitis C
Letzte Änderung: 29.03.2021
Seit Februar 2015 existiert in Georgien ein staatliches Programm zur Eliminierung von Hepatitis C. (JoH 26.7.2019; vgl. SEM 21.3.2018). Ziel des Programmes war es, bis 2020 90% aller Infektionen zu heilen. Bis April 2019 haben 60.000 Personen eine Behandlung erhalten (JoH 26.7.2019; vgl. Agenda 20.1.2020). Stand 2020 sind nach offiziellen Angaben noch 16.000 Personen an Hepatitis C erkrankt (Agenda 20.1.2020).
Alle georgischen Staatsbürger mit Hepatitis C haben Zugang zum Programm. Eingeschlossen sind auch Personen aus den de facto unabhängigen Republiken Abchasien und Südossetien, die im Besitz von neutralen Identitäts- oder Reisepapieren sind. Eine beliebige für Hepatitis C zuständige Klinik gilt als erste Anlaufstelle. Dort wird ein Arztzeugnis ausgestellt. Es ist zusam-men mit einem Antragsformular an das georgische Gesundheitsministerium zu richten. Eine Kommission entscheidet, ob und für welche Behandlungsart eine Person zugelassen wird (SEM 21.3.2018; vgl. BDA 2019, JoH 26.7.2019), die Wartezeit kann bis zu zwei Monate betragen (BDA 2019).
Den Teilnehmern des Programms stehen folgende Leistungen kostenlos zur Verfügung: Screening (erster Test); Behandlung der Hepatitis C mit der neuesten Generation von antiviralen Medikamenten; Diagnostik/Überwachung während der Behandlung. Nicht vollständig übernommen werden die Kosten für den Bestätigungstest, der dem Screening folgt, sowie die Kosten für weitere Laboruntersuchungen vor und nach der Behandlung. Letzteres sind zum Beispiel Tests auf Antikörper und die Bestimmung der Viruslast und des Genotyps. IOM Tbilisi nennt Kosten von GEL 363 [ca. 91 Euro] für Personen mit leichter Leberschädigung und von GEL 401 [ca. 100 Euro] für Patienten mit schwerer Leberschädigung oder Genotyp 3. Für sozial schwache Personen entfallen GEL 187 [ca. 47 Euro] für die Analyse der Leberschädigung und Bestimmung des Genotyps (SEM 21.3.2018; vgl. BDA 2019). Seit September 2018 werden folgende Untersuchungen zu 100% durch das staatliche Programm zur Eindämmung der Hepatitis C abgedeckt:
die Antikörper-Untersuchung, die Untersuchung mittels Nukleinsäure-Amplifikationstechnologie (NAT), der Antigen-Test, weitere Untersuchungen, einschließlich der Genotypisierung des Hepatitis-C-Virus (HCV) sowie Untersuchungen im Rahmen der Nachbehandlung. Untersuchungen zum Status der Leberfibrose müssen die Patienten bis zu einer Summe von maximal EUR 160 zu 70% selbst übernehmen. Ebenfalls zu 70% müssen die Kontrolltests von den Patienten getragen werden. Für Kriegsveteranen und vulnerable Personen besteht noch die Sonderregelung, dass die Kosten für alle Untersuchungen zu 70% vom staatlichen Programm, und die restlichen 30% von der Gemeinde getragen werden. Die Medikamentenkosten werden zur Gänze vom staatlichen Programm übernommen (PLOS ONE 29.4.2019; vgl. Agenda 20.1.2020).
Kostenlos zur Verfügung gestellt werden folgende antivirale Medikamente bzw. Kombinationsmedikamente:
Kombination von Ledipasvir und Sofosbuvir namens Harvoni; Sofosbuvir in Kombination mit Peginterferon oder in Kombination mit Ribavirin. Laut georgischer Regierung war vorgesehen, dass zukünftig Sofosbuvir in Kombination mit Velpatasvir (Epclusa) eingeführt wird (SEM 21.3.2018; vgl. BDA 2019).
Behandlungsmöglichkeiten: HIV/AIDS
Letzte Änderung: 29.03.2021
Im Rahmen der nationalen HIV/Aids-Strategie erhalten alle Infizierten in Georgien kostenlos antiretrovirale Medikamente. Finanziert werden sie durch den georgischen Staat (SEM 21.3.2018; vgl. BDA 2019, ZIRF Q3/2019). Der ko-finanzierende „Global Fund to Fight HIV/AIDS, Tuberculosis, and Malaria“ hat seine Aktivitäten in Georgien mit Jahresende 2020 auslaufen lassen und die Finanzierung dieser Programme wird ab 2021 vollständig von der Regierung übernommen (Jam 2.12.2020). Alle HIV-infizierten georgischen Bürger haben Zugang zum Programm. Personen anderer Nationalitäten, die sich in Georgien in Haft befinden, haben ebenfalls Zugang.
Infizierte haben in jedem Stadium der Infektion, unabhängig von der CD4-Zellzahl, Zugang zum Programm (SEM 21.3.2018; vgl. BDA 2019, ZIRF Q3/2019).
Folgende ambulante Dienstleistungen stehen kostenlos zur Verfügung: HIV-Test; Arzttermine in der Praxis und Hausbesuche bei Bedarf; Behandlung von opportunistischen Infektionen, d.h. Infektionen, die durch den HI-Virus begünstigt werden, u.a. Hepatitis C. Folgende stationäre Dienstleistungen stehen kostenlos zur Verfügung: Labordiagnostik und apparative Diagnostik bei AIDS-definierenden Erkrankungen; Behandlung von AIDS-definierenden Erkrankungen; Labordiagnostik und apparative Diagnostik bei HIV-Infektion; Behandlung von HIV-Infektion sowie von Begleiterscheinungen von Aids (SEM 21.3.2018, vgl. SSA o.D.c, BDA 2019, ZIRF Q3/2019).
Um am HIV-Infektions-/AIDS-Statusprogramm teilnehmen zu können, muss man sich bei der Institution bewerben, die das oben genannte Programm durchführt. Die ambulante und stationäre Versorgung erfolgt über eine elektronische Berechtigungskarte. Die Leistung des Programms wird vollständig finanziert und bedarf keiner Zuzahlung seitens der Patienten (SSA o.D.c; vgl. BDA 2019, ZIRF Q3/2019).
Die gesellschaftliche Stigmatisierung von HIV/Aids kann sich negativ auf den Zugang zu staatlichen Programmen auswirken. Die Krankheit wird primär mit Drogenabhängigkeit oder mit der LGBTI-Gemeinschaft in Verbindung gebracht (SEM 21.3.2018; vgl. Jam 2.12.2020). Die geringe Information in der Bevölkerung über die Ausbreitungswege des HI-Virus, die Stigmatisierung und Diskriminierung der Infizierten sowie Georgiens restriktive Drogenpolitik, die eine strafrechtliche Verfolgung von Drogenkonsumenten vorsieht, stellen die größten Herausforderungen Georgiens im Kampf gegen HIV dar (Jam 2.12.2020).
Behandlungsmöglichkeiten: Tuberkulose
Letzte Änderung: 29.03.2021
Es existiert ein staatliches Programm zur Prävention und Behandlung von Tuberkulose. Die Begünstigten des Programms sind Bürger Georgiens, auch Häftlinge ohne Personaldokumente.
Folgende Leistungen werden im Rahmen des Programms abgedeckt (SSA o.D.d, vgl. SEM 21.3.2018):
Ambulanter Dienst: Konsultation eines Arztes; klinische und diagnostische Untersuchungen (bakteriologische Untersuchung des Schleims, 3-fache Bakterioskopie, Kulturen-Untersuchung, Definition der Resistenz gegen Medikamente je nach Indikation); Röntgenuntersuchung (allgemeine Blutuntersuchung); Behandlung unter direkter Überwachung im Krankenhaus (DOT) und Versorgung mit speziellen Anti-Tuberkulose-Medikamenten. Referenzkontrolle, insbesondere die Bereitstellung von Laborverwaltung, sowohl im zivilen Bereich als auch in den Strafvollzugsanstalten (SSA o.D.d, vgl. SEM 21.3.2018).
Stationärer Dienst, einschließlich der Behandlung von Resistenzformen: Diagnostische Dienstleistungen (zusätzliche instrumentelle und labortechnische Untersuchungen); spezifischer therapeutischer stationärer Dienst für Tuberkulosekranke (einschließlich der Versorgung mit spezifischen Anti-Tuberkulose-Medikamenten, sowohl im zivilen Bereich als auch in Strafvollzugsanstalten); spezifische stationäre chirurgische Versorgung der Tuberkulosekranken.
Die vom Programm vorgesehene ambulante Leistung wird vollständig vom Staat finanziert (das Programm sieht keine Zuzahlung seitens des Begünstigten vor) (SSA o.D.d, vgl. SEM 21.3.2018).
Behandlungsmöglichkeiten: psychische Krankheiten
Letzte Änderung: 29.03.2021
Das staatliche Programm ’Psychische Gesundheit’ bezieht sich auf die Erhöhung der geografischen und finanziellen Verfügbarkeit psychiatrischer Dienste für die georgische Bevölkerung.
Das Programm umfasst u. a. folgende ambulante Dienste:
• Versorgung der Patienten, die an den Hausarzt/Distriktarzt weitergeleitet werden, primärer Besuch in der psychiatrischen Apotheke, und wenn der Patient nicht in die psychiatrische Einrichtung kommen kann, Hausbesuch eines Psychiaters oder eines anderen Spezialisten auf dem Gebiet der Psychiatrie beim Patienten, Erfüllung der ambulanten Überwachung des Patienten.
• Versorgung der registrierten Patienten, die an die psychiatrische stationäre Einrichtung weitergeleitet werden, unter Berücksichtigung der vom Programm vorgesehenen Krankheitsbilder, Besuche bei einem Psychiater oder bei Bedarf bei anderen Spezialisten auf dem Gebiet der Psychiatrie; nach Überweisung die Versorgung mit Medikamenten; bei Bedarf Besuche der Fachärzte für Psychiatrie zu Hause und Konsultationen mit anderen Fachärzten (Therapeuten und Neurologen)
• Psychosoziale Rehabilitation
• Die Versorgung minderjähriger Patienten (unter 18 Jahren), welche unter Veränderungen des psychischen Zustandes und Verhaltens, Verschlechterung der sozialen Funktionsfähigkeit und Disadaptation leiden.
• Kurzfristiger stationärer Dienst, insbesondere für Patienten ab 15 Jahren zur Eindämmung akuter psychotischer Symptome
• Langfristiger stationärer Dienst, falls erforderlich, oder Behandlung derjenigen Patienten, denen bei schwerwiegenden Störungen des psychosozialen Verhaltens keine Hilfe aus der stationären Abteilung zur Verfügung steht.
• stationäre Behandlung per Gerichtsbeschluss eingewiesener Patienten
• Versorgung der Patienten mit Lebensmitteln und persönlichen Hygieneartikeln, die den stationären Dienst in Anspruch nehmen.
• Rehabilitationsdienst während der stationären Langzeitbehandlung nach den Standards der psychosozialen Rehabilitation.
• Psychiatrischer stationärer Dienst für Kinder, einschließlich jener unter 15 Jahren mit psychotischen Registerstörungen
• Dringende medizinische Versorgung für Patienten, einschließlich Notarztdienst für jene, die sich in der psychiatrischen stationären Abteilung befinden.
• Stationäre Behandlung von psychischen Störungen und Verhaltensstörungen, die durch psychoaktive Substanzen verursacht werden.
• Die psychiatrische Krisenintervention bei Erwachsenen (ab 18 Jahren) berücksichtigt den Dienst für Menschen mit psychischen Störungen und Verhaltensstörungen im administrativ-territorialen Bereich von Tiflis.
• Psychiatrische Krisenintervention in Form von Krisentagesbetten als ambulante Betreuung
• Erfüllung der Krisenintervention durch die mobile Gruppe für häusliche Pflege am Wohnort des Patienten und, falls erforderlich, dessen Überweisung ins Krisenzentrum oder eine andere psychosoziale/psychiatrische Einrichtung (SSA o.D.e, vgl. BDA 2019, SEM 21.3.2018).
Begünstigte des staatlichen Programms „Psychische Gesundheit“ sind: Bürger Georgiens, die den ambulanten und stationären Teil des Programms nutzen; sowohl Bürger Georgiens als auch andere Personen, bei denen es zu einem Zwangsaufenthalt kommt, sowie Häftlinge in den Strafvollzugsanstalten ungeachtet des Besitzes eines amtlichen Identitätsdokumentes. Die Leistungen des Programms werden vollständig vom Staat finanziert, mit Ausnahme der stationären Betreuung von psychischen Störungen und Verhaltensstörungen, die durch psychoaktive Substanzen verursacht werden. Die Leistungen im letzteren Fall werden vom Staat zu 70 % der tatsächlichen Kosten im Rahmen der im Programm genannten Fälle erstattet (SSA o.D.e, vgl. BDA 2019, SEM 21.3.2018).
Kostenfreie Hausbesuche im Zusammenhang mit der staatlichen Krankenversicherung sind auf vier pro zwei Monaten beschränkt. So mehr Hausbesuche notwendig sein sollten, wird dem Patienten die Aufnahme in ein Krankenhaus angeboten, wo die Kosten der stationären Langzeitbehandlung staatlicherseits vollständig gedeckt werden (EASO MedCOI 24.7.2020).
Während sich die psychiatrische Behandlung in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hat, gibt es weiterhin einen Mangel an qualifiziertem Personal sowie Behandlungsplätzen und -einrichtungen, was zu mangelhafter Behandlung für viele Menschen führt (EASO MedCOI 16.5.2019).
Behandlungsmöglichkeiten: Drogensucht
Letzte Änderung: 29.03.2021
Das staatliche Programm betreffend Drogensucht enthält den stationären begleiteten Entzug mit einer Rehabilitationsphase, den ambulanten Entzug mittels Methadonabgabe und deren Reduktion über zwei bis vier Wochen sowie zeitlich nicht befristete Drogenersatzprogramme.
Neben Methadon ist Drogenersatztherapie mittels Suboxone möglich. Dabei handelt es sich um eine Kombination von Buprenorphin (Opioid) und Naloxon (Opioid-Antagonist). Gewisse Co-payments für die Methadonabgabe sind seit 2017 weggefallen (SEM 21.3.2018; vgl. BDA 2019). Es gibt häufigen Methadonmangel, was zu schwerwiegenden Folgen für jene Personen führen kann, die auf diesen Wirkstoff angewiesen sind. Es gibt mangelnde Erfahrung bei der Dosierung von Methadon (EASO MedCOI 16.5.2019).
Das staatliche Programm – Drogensucht – beinhaltet im Detail:
• Stationären Entgiftung und Primärrehabilitation
• Verabreichung von Substitutionsmedikamenten und die medizinische Überwachung (die Beschaffung von Substitutionsmedikamenten für die Programmempfänger erfolgt im Rahmen des Programms - „Versorgung der Bevölkerung mit spezifischen Medikamenten“) in Tiflis und den Regionen (Kakheti, Imereti, Guria, Samegrelo-Zemo Svaneti)
• Das Programm ist für die Bürger Georgiens mit Drogenabhängigkeit bestimmt (SSA o.D.g) Der für stationäre Entgiftung und primäre Rehabilitation angegebene Leistungserbringer sorgt für die Festlegung der Leistungsempfänger, wobei jenen, die die folgenden Kriterien erfüllen, Vorrang einzuräumen ist:
• Patienten, die die Komponente ’stationäre Entgiftung und primäre Rehabilitation’ des ’staatlichen Programms - Drogenabhängigkeit’ noch nicht genutzt haben.
• Die mit HIV-Infektion/AIDS infizierten Patienten, um die Übertragung von HIV-Infektion/ AIDS zu reduzieren.
• Mitglieder der Familien, die in der ’Einheitlichen Datenbank der sozial schwachen Familien’ registriert sind, deren Bewertung 70.000 Einheiten nicht überschreitet.
• Patienten zwischen 18-25 Jahren
• Veteranen der militärischen Aktivitäten für die territoriale Integrität, Freiheit und Unabhängigkeit Georgiens und die mit ihnen gleichgestellten Personen (SSA o.D.g)
Die Zuzahlung erfolgt durch den Patienten bei Durchführung der Substitutionsbehandlung, die sich auf 150 GEL [ca. 37,50 Euro] pro Patient während eines Monats beläuft. Die Zuzahlung gilt nicht für Patienten mit HIV-Infektion (SSA o.D.g). Die stationäre Entgiftung der Drogenabhängigen und die primäre Rehabilitation werden vollständig vom Staat finanziert (SSA 28.2.2020; vgl. SSA o.D.g).
Laut IOM Tbilisi dauert es für prioritär zugelassene Personen etwa zwei Wochen, bis mit dem Entzug begonnen werden kann. Wer keines der Kriterien erfüllt, muss mit einer Wartezeit von ungefähr drei Monaten rechnen. Außerhalb des staatlichen Programms gibt es keine Wartezeiten.
Die Kosten dafür betragen etwa GEL 3.000 [ca. 750 Euro] (SEM 21.3.2019).
Rückkehr
Letzte Änderung: 29.03.2021
Georgische Rückkehrer/Rückgeführte können die allgemeinen, wenn auch in der Regel insgesamt unzureichenden Sozialleistungen in Anspruch nehmen, darunter eine kostenlose medizinische Grundversorgung. Rückkehrer und Rückkehrerinnen, die Unterstützung benötigen, sind bislang vor allem auf Familie und Freunde angewiesen. Internationale Organisationen bieten ebenfalls Unterstützung an. Das Ministerium für Binnenvertriebene, Arbeit, Gesundheit und Soziales koordiniert das staatliche Reintegrationsprogramm (State Reintegration Programme).
Hier wird Beratung und auch finanzielle Hilfe zur Reintegration in den Arbeitsmarkt (auch Hilfe zur Selbstständigkeit) und bei Bedarf auch Erst- bzw. Zwischenunterkunft zur Verfügung gestellt.
Staatliche Repressalien gegen Rückkehrer sind nicht bekannt. Auch die Tatsache einer Asylantragstellung im Ausland ist für die Behandlung durch staatliche Stellen ohne Bedeutung.
Georgien hat Rückübernahme-Abkommen mit der EU und weiteren europäischen Ländern geschlossen. Die georgische Regierung stellt sich zunehmend den Problemen von Rückkehrern (AA 17.11.2020; vgl. IOM/EU 2017).
Um die Reintegration der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, wurden GEL 500.000 [Georgische Lari; ca. EUR 125.000] aus dem Staatshaushalt 2020 bereitgestellt. Das Programm sieht die Gewährung von Zuschüssen für Einkommens- und Beschäftigungszwecke, die Unterstützung der beruflichen Bildung, die Bereitstellung von Gesundheitsdiensten und die Bereitstellung von vorübergehenden Unterkünften vor. Insgesamt werden rund 150 zurückgekehrte Migranten finanziert, um die Schaffung von Einkommensquelle, Beschäftigung und Selbstständigkeit zu unterstützen. Es werden maximale Zuschüsse von 4.000 GEL [ca. 1.000 Euro] gewährt. Teilnahmeberechtigt sind Bürger Georgiens (oder Personen mit staatenlosem Status, die dauerhaft in Georgien leben), die sich seit mehr als 12 Monaten unrechtmäßig im Ausland aufhalten oder im Ausland Asyl beantragt oder erhalten haben und innerhalb des letzten Jahres nach Georgien zurückgekehrt sind (MoH 16.7.2020; vgl. MRA o.D.).
Auch IOM bietet Unterstützung von Rückkehrern im Rahmen der AVRR-Programme (Assisted Voluntary Return and Reintegration) (IOM 2019).
Für Einreisebeschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie siehe das Kapitel COVID-19.
Coronavirus COVID-19
2 COVID-19-Situation
Letzte Änderung: 15.10.2021
COVID-19 ist in Georgien weit verbreitet und in allen Regionen präsent (USEMB 16.9.2021; vgl. AA 14.9.2021).
Es gelten Distanzregelungen von 1,5 Meter sowie eine allgemeine Maskenpflicht in geschlossenen Räumen, im Freien und in Personentransportmitteln (AA 14.9.2021; vgl. StopCoV.geo.D., civil.ge 31.8.2021). Bei Verstößen droht ein Bußgeld (AA 14.9.2021; vgl. WKO 17.9.2021).
Erstmalige Verletzungen der Maskenpflicht ziehen eine Geldstrafe von 20 GEL [ca. 5,59 Euro]
nach sich, Wiederholungstaten werden mit Geldstrafen von 40 GEL [ca. 11,02 Euro] belangt.
Darüber hinaus existieren allgemeine Hygieneempfehlungen wie regelmäßiges Händewaschen, Vermeiden von Gesichtsberührungen etc. (AA 14.9.2021).
Es existiert ein nationaler Impfplan. Folgende Impfstoffe werden in Georgien verwendet: Pfizer, AstraZeneca, SinoVac und Sinopharm (Provax.ge o.D.; vgl. USEMB 16.9.2021). Insgesamt wurden bisher 1.785.862 Impfdosen verabreicht, die Tagesimpfrate liegt bei 10.347 (Stop-CoV.ge 30.9.2021). Mindestens eine Impfdosis erhielten bisher 981.624 Personen. Als vollständig geimpft gelten 804.238 Personen. Bislang wurden 9.108.471 Tests durchgeführt. Von insgesamt 8.490 verfügbaren Spitalsbetten sind derzeit 4.223 belegt, wovon wiederum 1.045 Betten von Intensivpflegepatienten in Anspruch genommen werden. Insgesamt sind 773 künstliche Beatmungsgeräte verfügbar, wovon aktuell 260 Geräte in Verwendung stehen (Data-Cov.moh.gov.ge o.D.).
Nächtliche Ausgangsbeschränkungen sind seit 30.6.2021 aufgehoben (StopCoV.ge o.D.). Restaurants und Cafés dürfen mit eingeschränkter Kapazität und Öffnungszeiten öffnen. Massenveranstaltungen wie Festivals, Konzerte und Sportveranstaltungen sind nicht erlaubt (AA 14.9.2021; vgl. StopCoV.ge o.D., WKO 17.9.2021, civil.ge 31.8.2021). Um Restaurants, Fitnesscenter etc. betreten zu dürfen, ist ein negativer COVID-Test notwendig, so man nicht geimpft ist (RFE/RL 2.9.2021). Mitarbeiter öffentlicher Institutionen sind angewiesen, Fernarbeit zu verrichten, und ähnliche Empfehlungen gelten für den Privatsektor (StopCoV.ge o.D.). Ab 4.10.2021 findet Präsenzunterricht in Städten und Dörfern mit Infektionsraten unter 4% statt, wohingegen in Gebieten mit höheren Infektionsraten Fernunterricht abgehalten wird (StopCoV.ge o.D.; vgl. civil.ge 31.8.2021). Gemäß UNICEF verloren bislang mindestens 50.000 Kinder aufgrund des Fernunterrichts den Zugang zu Bildung (EN 19.8.2021).
Fluglinien fliegen Georgien mit reduziertem Flugplan an (AA 14.9.2021). Der öffentliche städtische Verkehr (auch zwischen den Städten) wurde wiederaufgenommen (WKO 17.9.2021; vgl. USEMB 16.9.2021).
Die uneingeschränkte Einreise auf dem Luftweg ist für Personen möglich, welche vollständig
geimpft sind und einen entsprechenden Nachweis vorlegen können (WKO 17.9.2021; vgl. AA
14.9.2021, StopCoV.ge o.D.). Ungeimpfte Personen müssen vor der Einreise eine Vorabregistrierung durchführen. Bei der Einreise muss ein negativer PCR-Test (nicht älter als 72 Stunden) und zusätzlich ein weiterer PCR-Test am 3. Tag nach der Einreise durchgeführt werden (WKO 17.9.2021; vgl. StopCoV.ge o.D.).
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den Inhalt der übermittelten Verwaltungsakte der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde, des Gerichtsaktes und durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage, dem Beschwerdeschreiben des BF und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich des BF und zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit ergeben sich aus seinen in diesen Punkten nicht widerlegten Angaben und seinen Sprach- und Ortskenntnissen.
Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des BF nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des BF als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch einer Feststellung der tatsächlichen Identität – etwa im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG.
Anzuführen ist, dass es dem BF aufgrund seiner Staatsangehörigkeit möglich wäre, seine Identität bei entsprechender Mitwirkung im Verfahren durch die Vorlage von unbedenklichen Unterlagen zu bescheinigen, zumal er aus einem Staat stammt, welcher die Existenz seiner Bürger, sowie Personenstandsfälle dokumentiert und deren Identität durch die Ausstellung entsprechender Dokumente bescheinigt.
Der Umstand, dass die Identität bis dato nicht festgestellt werden konnte, ist letztlich auf die mangelnde Mitwirkung des BF an der Identitätsfeststellung zurückzuführen und sind alle daran anknüpfenden Konsequenzen – etwa die dadurch allfällig entstehenden faktischen Abschiebehindernisse – daher vom BF zu vertreten.
Sofern der BF in der hg. mündlichen Verhandlung seine Aliasidentitäten mit der Angst gefunden zu werden begründet, ist dem vor dem Hintergrund, dass der BF eine Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte, nicht zu folgen. Das erkennende Gericht sieht in der Verwendung von Aliasidentitäten vielmehr den Versuch, die Behörde zu täuschen.
Die Feststellungen hinsichtlich seiner Asylantragsstellung in Österreich, der Slowakei und der Schweiz ergeben sich aus dem Akteninhalt bzw. aus den Angaben des BF.
Der BF war bis 06.12.2013 in der JA Salzburg inhaftiert. Ein weiterer Aufenthalt des BF nach diesem Zeitpunkt in Österreich ist nicht dokumentiert. Mangels anderer glaubwürdiger Anhaltspunkte – und des durch die wiederholten Asylantragstellungen in verschiedenen Teilen von Europa dokumentierten Reiseverhaltens des BF – ist von einer Anwesenheit des BF wieder in Österreich ab Sommer 2014 (vgl. ZMR-Ausdruck) auszugehen, folglich von einem etwas mehr als achtjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet.
Die Feststellungen zu den familiären und persönlichen Lebensumständen im Herkunftsstaat sowie jenen in Österreich konnten anhand der Angaben des BF im gesamten Verfahren und anhand der Verwaltungsakten getroffen werden.
Dass der BF in seinem Herkunftsland erwerbstätig war, ergibt sich aus seinen Angaben.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen Angaben im Verfahren, insbesondere in der hg. mündlichen Verhandlung, wonach der BF an psychischen Problemen leide, sowie aus den vorgelegten medizinischen Bescheinigungsmitteln. Vollständigkeitshalber sei in diesem Zusammenhang aber auch auf die Länderberichte verwiesen, wonach alle georgischen Staatsbürger Zugang zum Gesundheitswesen haben, die medizinische Versorgung gewährleistet ist und sowohl Ärzte als auch das Krankenhauspersonal generell als qualifiziert gelten, wenn auch die medizinische Versorgungssituation insgesamt angespannt ist.
Dass der BF arbeitsfähig ist, war aufgrund seiner eigenen Angaben und mangels anderslautender Hinweise im gesamten Verfahren festzustellen (VHS S. 7).
Mangels Ablegung einer Deutschprüfung konnten keine Deutschkenntnisse des BF auf einem bestimmten Niveau festgestellt werden. In der hg. mündlichen Verhandlung konnte sich der erkennende Richter davon überzeugen, dass der BF nicht in der Lage ist, eine Unterhaltung in deutscher Sprache im Alltag zu führen. Dass der BF in Österreich über georgische Bekannte verfügt, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben.
Die Feststellungen hinsichtlich des Bezugs von Leistungen aus der Grundversorgung und der strafrechtlichen Verurteilungen ergeben sich aus den im Akt einliegenden Auszügen (ZMR, GVS, Strafregister).
II.2.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsland
II.2.3.1. Die getroffenen Feststellungen zu Georgien beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Georgien vom 15.10.2021, Version 5, welches sich seinerseits auf verschiedene anerkannte und teilweise vor Ort agierende staatliche und nichtstaatliche Quellen stützt, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Georgien ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der BF trat auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen und wird neuerlich darauf hingewiesen, dass die Republik Österreich die Republik Georgien als sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG betrachtet und daher von der normativen Vergewisserung der Sicherheit Georgiens auszugehen ist.
Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen – sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges – handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen.
Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348).
Die Feststellungen zur medizinischen Versorgung konnten anhand der entsprechenden Abschnitte der Länderfeststellungen getroffen werden, denen seitens des BF nicht substantiiert entgegengetreten wurde und ist diesbezüglich auf die Ausführungen unter Punkt II.2.2. zu verweisen, wonach der BF an psychischen Problemen leidet, welche im Herkunftsstaat behandelbar sind.
Soweit die ärztliche Bestätigung vom 12.04.2019 (vgl. AS 658, 659) ausführt, dass eine adäquate Behandlung des BF in Georgien nicht möglich scheine, ist auf die Länderfeststellungen zu Georgien zu verweisen. Demnach ist in Georgien sowohl die Behandlung von psychischen Erkrankungen, als auch von Drogensucht gegeben. Den Feststellungen zufolge gibt es in Georgien Drogenersatzprogramme (Mz!), also nicht alleine Programme mit Methadon. Dass in Georgien eine Drogenersatztherapie – in einer für den BF angepassten Form – nicht durchgeführt werden könnte, ist aufgrund der Qualität des georgischen Gesundheitswesens nicht zu erwarten, nimmt dieses bspw. in bestimmten Bereichen (z.B. Phagen-Therapie) eine weltweit führende Stellung ein.
II.2.3.2. Soweit der BF in der Beschwerde die Einholung eines kriminalpsychologischen Sachverständigengutachtens zum Nachweis der auf Grund der nunmehr erfolgten Therapie erfolgenden positiven Zukunftsprognose beantragt, handelt es sich dabei um einen als unzulässig zu erachtenden Erkundungsbeweis.
Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren – und somit auch im Asylverfahren – unzulässig (vgl. zB VwGH 15.1.2009, 2007/01/0443, 30.9.1997, 96/01/0794, 20.6.1996, 95/19/0064).
Ein bloß allgemeines Vorbringen, das aus Mutmaßungen besteht, läuft nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Regel auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus, zu dessen Aufnahme das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet ist (vgl. etwa VwGH 17.9.2019, Ra 2019/18/0332, mwN; vgl. auch VwGH 19.7.2021, Ra 2021/14/0231). Daher ist die Behörde / das Bundesverwaltungsgericht einerseits nicht gem. §§ 37 iVm 39 Abs 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet. (Hengstschläger – Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).
Insofern die Beschwerde moniert, dass die belangte Behörde ein medizinisches bzw. kriminalpsychologisches Sachverständigengutachten einholen hätte müssen, dass die für den BF notwendigen Mittel und Therapien in Georgien nicht entsprechend möglich wäre, ist sie auf die rechtliche Beurteilung zu verweisen.
Wenn die Beschwerde bezugnehmend auf die Länderfeststellungen auf die in Georgien herrschende Korruption hinweist, so wird dadurch nicht substantiiert dargetan, inwieweit sich daraus eine asylrelevante Verfolgung oder die Gewährung von subsidiärem Schutz konkret für den BF ergeben soll.
Der BF befürchtet, dass er im Falle einer Rückkehr entsprechende Widrigkeiten von Seiten der Behörde erfahren würde. Derartiges ist den Länderfeststellungen nicht zu entnehmen.
Sofern die Beschwerde moniert, dass sich das BFA nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt hat, ob der BF auf Grund seiner Verurteilungen in Österreich im Herkunftsland eine weitere Bestrafung befürchten müsste, ist ihr zu entgegnen, dass der BF – trotz Möglichkeit – beim Bundesamt nicht ansatzweise eine diesbezügliche Rückkehrbefürchtung geäußert hat und kann der Berichtslage auch nicht entnommen werden, dass eine Verurteilung im Ausland im Falle der Rückkehr an sich zu einer weiteren Verurteilung führen würde. Auch die Beschwerde vermag dies nicht zu belegen.
Zum konkreten Fluchtvorbringen des BF wird – um Wiederholungen zu vermeiden – auf die Ausführungen unter Punkt II.2.4. verwiesen, wonach dem Vorbringen des BF hinsichtlich seiner Bedrohung die Glaubwürdigkeit abzusprechen war.
II.2.3.3. Auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des COVID-19 Erregers kann unter Zugrundelegung der medial ausführlich kolportierten Entwicklungen im Herkunftsland bislang keine derartige Entwicklung erkannt werden, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageänderung erkennen lässt.
Bei COVID 19 handelt es sich um keine wahrscheinlich tödlich verlaufende, die Schwelle des Art. 3 EMRK tangierende Krankheit und hat der BF auch kein Vorbringen erstattet, aus dem sich in diesem Zusammenhang ein reales Risiko im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat ergeben würde.
Ferner ist auf die Judikatur des EGMR zu verweisen, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen – wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde – nicht revisibel (VwGH 22.4.2020, Ra 2020/18/0098, mwN). Weder wurde ein solches Vorbringen vom BF erstattet noch liegen sowohl im Hinblick auf das Alter des BF als auch seinem Gesundheitszustand Anhaltspunkte vor, wonach der BF bei einer allfälligen COVID-19 Infektion einer besonderen Risikogruppe angehören würde (vgl. dazu VwGH vom 23.06.2020, Ra 2020/20/0188-3, wonach die BF ihre individuelle Situation nicht fallbezogen und konkret dargelegt haben und ein „Situationsbericht in Bezug auf Covid-19“ per se noch keine exzeptionellen Umstände bedeuten würde). Der bloße Hinweis in der in der Verhandlung vorgelegten Stellungnahme auf die Corona-Situation im Herkunftsland des BF erfüllt diese Voraussetzungen jedenfalls nicht.
Die Feststellungen zur Lage in Georgien in Bezug auf das Coronavirus COVID-19 werden aufgrund der übereinstimmenden Feststellungen in einer Vielzahl von öffentlich zugänglichen Quellen als notorisch bekannt vorausgesetzt.
II.2.4. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:
Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern.
Das BFA bezog sich in seiner Beweiswürdigung darauf, dass dem Vorbringen des BF die Glaubwürdigkeit abzusprechen war.
Die vom BVwG durchgeführte öffentliche mündliche Verhandlung am 31.05.2022 bestätigte im Ergebnis die vom BFA vorgenommene Wertung und ließ das Bundesverwaltungsgericht aufgrund nachangeführter Darstellung zu den angeführten Feststellungen gelangen.
II.2.4.1. Schon das BFA wies auf das widersprüchliche Vorbringen des BF hin und war der BF auch in der hg. Beschwerdeverhandlung nicht in der Lage, diese Ungereimtheiten aufzuklären oder sein Vorbringen widerspruchsfrei zu erstatten, sondern war sein Aussageverhalten wiederum widersprüchlich und unplausibel sowie insgesamt ausgesprochen vage gehalten.
Eingangs ist zu erwähnen, dass der BF anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 06.03.2017 gleich angab, dass er nicht immer die Wahrheit gesagt habe (AS 83).
II.2.4.2. Die Schilderung der fluchtkausalen Bedrohung war geprägt von Widersprüchen und unplausiblen und vagen Angaben. Darüber hinaus vermengte der BF bei seinen Schilderungen des Überfalls, wo nur auf die Reifen des LKW geschossen worden sei und wo er angehalten und auf ihn geschossen worden sei, die handelnden Personen als auch die Zeitpunkte.
Besonders ist auf den Umstand hinzuweisen, dass sich der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 25.07.2019 weigerte, Fragen nach seinem Fluchtgrund und Rückkehrbefürchtung zu beantworten und stattdessen auf seine Ausführungen am 06.03.2017 verwies (AS 450, 451):
„LA: Sie wurden bereits am 06.03.2017 durch das Bundesamt hinsichtlich ihres Fluchtgrundes niederschriftlich einvernommen. Halten sie ihre damals getätigten Angaben weiterhin aufrecht und möchten Sie hierzu noch irgendetwas Entscheidungsrelevantes anfügen?
VP: Ja, ich habe damals die Wahrheit gesagt. Ich habe damals auch schon alles ausführlich dargelegt und angeführt. Ich möchte auch heute nichts mehr dazu sagen bzw. darüber sprechen.
Nachgefragt gebe ich an, dass das alle meine Fluchtgründe sind, seit meiner letzten Einvernahme keine neuen hinzugekommen sind und ich nicht mehr hinzuzufügen oder zu ergänzen habe. Sie (gemeint ist das Bundesamt) können sich ja auch in Georgien bei der Polizei erkundigen.
LA: Haben Sie persönlich im Falle Ihrer Rückkehr in Ihre Heimat irgendetwas zu befürchten?
VP: Ich habe einen Feind und habe Angst. Man hat auf mich geschossen.
LA: Wiederholung der Frage. Können Sie ihre Rückkehrbefürchtungen konkretisieren?
VP: Nein. Ich möchte nichts mehr dazu sagen.
Vorhalt: Sie werden an Ihre Mitwirkungspflicht am Verfahren erinnert! Wiederholung der Frage. Können Sie Ihre Rückkehrbefürchtungen konkretisieren?
VP: Es gibt nichts mehr dazu zu sagen. Ich möchte nichts mehr hinzufügen.“
Trotz Vorhalt über seine Mitwirkungspflicht verweigerte der BF jedwede Angaben zu seinem Fluchtgrund und seine Rückkehrbefürchtungen und hat damit in eklatanter Weise trotz Hinweis gegen § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 verstoßen.
Die Fluchtgründe basieren auf 2 voneinander unabhängigen behaupteten Bedrohungen. Die erste Bedrohung sei vom Schwager des BF ausgegangen, der nach Meinung des BF die Schwester des BF umgebracht habe; die zweite Bedrohung sei von kriminellen Personen ausgegangen, welche wiederum ausgehend von den Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.03.2017 aus mehreren unabhängigen Ereignissen (Überfall samt Schüsse auf ihn, Reifen zerstochen, die Leitungen bei im Aufbau befindlichen Sägewerk gekappt, Erstürmung des Hauses samt abgefeuerter Schüsse auf ihn, Schuss auf den BF, Anzünden des Hauses [AS 91]) bestanden hätten.
Vorauszuschicken ist, dass die oben angeführten Ereignisse schon in der niederschriftlichen Einvernahme am 06.03.2017 nicht gleichbleibend geschildert wurden. Der BF wich trotz Vorhalt Fragen aus und waren die Antworten vage, manchmal ohne Kontext und teilweise auch widersprüchlich.
Konkret führte das BFA diesbezüglich aus:
„Ihr Vorbringen entspricht nicht den genannten Anforderungen. Sie haben dem BFA bloß ein nicht nachvollziehbares und widersprüchliches Vorbringen rund um Ihre Fluchtgründe präsentiert und sind als Person vor der Behörde nicht glaubwürdig in Erscheinung getreten.
Im Folgenden wird nun ausgeführt, weshalb ihrem Vorbringen zur behaupteten Gefährdungslage kein Glauben geschenkt wird:
Sie haben sich in Ihrer letzten Einvernahme am 25.07.2019 ausschließlich auf Ihre bereits angeführten Fluchtgründe, welche Sie in Ihrer vorherigen Einvernahme am 06.03.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) geltend gemacht haben, berufen. Sie haben, Ihr bisheriges Fluchtvorbringen betreffend, keine weiteren Fluchtgründe in Ihrer letzten Einvernahme geltend gemacht oder irgendwelche Ergänzungen getätigt. Vielmehr noch, Sie wollten mit dem Organwalter darüber gar nicht mehr nochmals sprechen.
Es wird daher Ihr Einvernahme-Protokoll des Bundesamtes vom 06.03.2017 herangezogen und Ihre darin getätigten Angaben nachfolgend gewürdigt.
Im Fokus Ihres Fluchtvorbringens steht Furcht vor Verfolgung durch Private in Zusammenhang mit Ihrer Arbeitstätigkeit in einem Holzunternehmen. Darüber hinaus erweiterten Sie Ihr Fluchtvorbringen um Furcht vor Verfolgung durch den Ehemann Ihrer Schwester.
Diesbezüglich wurden Ihnen konkrete Fragen zu mehreren Themenschwerpunkten (Holzunternehmen, Art und Schwere der Bedrohung, Personenkreis der Verfolger) gestellt.
In einer Gesamtbeurteilung war Ihr behauptetes Fluchtvorbringen nicht glaubhaft, da Sie in der Einvernahme zu wesentlichen Punkten lückenhafte und unplausible Angaben machten.
Diese Überlegungen stützen sich auf vage, unsubstantiierte, oberflächliche und detailarme Schilderungen Ihrerseits.
Sie äußerten im Wesentlichen eine Verfolgung durch Private, welche in Verbindung mit Ihrer Arbeitstätigkeit in einem Holzunternehmen stehen würde. In diesem Zusammenhang wurden Sie aufgefordert Ihre Arbeitstätigkeit in dem Holzunternehmen näher zu beschreiben, dabei blieben Ihre Aussagen unpräzise, vage und unkonkret. Sie waren nicht in der Lage auch nur elementare Angaben zu der Gründungsphase eines Holzunternehmens zu machen, obwohl Sie laut Ihren eigenen unglaubhaften Angaben sogar über eine Lizenz verfügt haben sollen.
Nachfolgender Ausschnitt stützt die Überlegungen der erkennenden Behörde wie folgt:
„F: Was braucht man in Georgien für Konzessionen um ein Holzunternehmen zu eröffnen? Welche Behörden mussten Sie aufsuchen?
A: Ich war in der Gründungsphase.
Wiederholung der Frage!
A: Es war noch nicht offiziell angemeldet. Für die Dokumente war mein Freund zuständig.“
Obwohl Sie zunächst behaupteten, dass Sie ein eigenes Holzunternehmen hatten und als LKW Fahrer gearbeitet hätten und über eine Lizenz für das Unternehmen verfügt haben sollen, gaben Sie in weiterer Folge in völlig unverständlicher Art und Weise an, dass das Unternehmen offiziell nicht angemeldet worden wäre. Ihre Angaben sind unstimmig, ungenau und somit nicht glaubhaft.
Darüber hinaus waren Sie nicht in der Lage konkrete Angaben zu Verkauf und Absatz zu machen, so gaben Sie lapidar an, dass Sie an „die Türken“ verkauft hätten. Sie waren nicht in der Lage fundierte Angaben zu dem angeblichen Unternehmen zu machen, als das eine ernsthafte Arbeitstätigkeit daraus erahnt hätte werden können. Ihre Angaben waren überwiegend oberflächlich, unpräzise und inhaltsleer.
„F: Machen Sie mir konkrete Angaben über die Personen oder Unternehmen (Personendaten, Firmennamen…) an denen Sie das Holz verkauft haben!
A: Es waren türkische Geschäftsleute, sie hatten bei uns ein großes Sägewerk und mehrere Fabriken.
Wiederholung der Frage!
A: Ich weiß nicht wie die Personen geheißen haben. Ich kenne auch die Unternehmen nicht.“
Ausgehend von Ihrer persönlichen Unglaubwürdigkeit, als auch Ihren äußerst mangelhaften und dürftigen Schilderungen zu Ihrer angeblichen Arbeitstätigkeit in einem Holzunternehmen, führten Sie die Art und die Schwere der Bedrohung bzw. Verfolgung ebenfalls vage und unkonkret aus. Sie waren dabei nicht in der Lage den Personenkreis, welcher Sie bedroht und sogar angeschossen haben soll, näher zu beschreiben. Da Sie diesbezüglich überhaupt keine Angaben machen konnten, wurden Sie schlussendlich vom entscheidungsbefugten Organwalter aufgefordert Ihre Angaben zu konkretisieren. Sie konnten dieser Aufforderung in keinster Weise entgegentreten und gaben lediglich an, dass die Hauptperson XXXX heißen soll, weitere bzw. nähere Angaben konnten Sie dabei nicht machen. Dass Sie tatsächlich angeschossen worden wären und über einen längeren Zeitraum durch Private auf Grund Ihrer Arbeitstätigkeit in einem Holzunternehmen bedroht worden wären, lässt sich durch eine dürftige Schilderung von Gefühlsrektionen, Empfindungen, gedanklichen Vorgängen und Sinneswahrnehmungen nicht nachvollziehen. Die Schilderung des Kerngeschehens (Bedrohung auf Grund Arbeit im Holzunternehmen und Verletzung durch Schusswaffen) blieb besonders emotionslos, Ihre Angaben unpräzise sowie ungenau. Daher wird durch die erkennende Behörde festgestellt, dass die Bedrohung durch Private in Zusammenhang mit Ihrer Arbeitstätigkeit nicht glaubhaft erscheint. Diese Überlegungen werden bestärkt, indem Sie bis zum Zeitpunkt der Bescheid-Erlassung nicht in der Lage waren weitere Beweismittel (Anzeigeprotokoll der Polizei zu dem Schussattentat sowie medizinische Befunde) vorzulegen, welche Ihre Angaben bekräftigen würden.“
In der hg mündlichen Verhandlung am 31.05.2022 wurde versucht, den BF zu konkreten Angaben zu seinen Fluchtgründen zu bewegen, was aber nicht gelang. Vielmehr kam es, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, in der hg. mündlichen Verhandlung zu weiteren Widersprüchen und waren die Angaben des BF sehr vage gehalten.
II.2.4.3. Bedrohung durch den Schwager
Die Bedrohung durch seinen Schwager hielt der BF vage. So gab der BF dazu in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.03.2017 befragt an:
„F: Wieso erwähnen Sie nicht mehr das Problem mit Ihrer Schwester?
A: Der eigene Ehemann hat meine Schwester umgebracht, sie war gesund und lebenslustig, er hat so getan als ob sie einfach gestorben wäre. Ich wollte auf diesen Mann schießen, aber das konnte ich nicht machen und es war sehr schwierig für mich den Mann jeden Tag zu sehen. Wenn ich zurückkehre, kann es sein, dass er mich umbringt, denn er hat auch Angst vor mir. Meine Schwester hat zwei Söhne hinterlassen.
F: Beschreiben Sie mir die Bedrohung durch den Gatten Ihrer verstorbenen Schwester!
A: Er wollte mich mit dem Messer umbringen (AS 91).
Wiederholung der Frage! Machen Sie mir genaue Angaben rund um den Tathergang!
A: Er hat mich mit dem Messer bedroht. Man hat das so geschrieben, als ob es ein Unfall wäre mit meiner Schwester.
Wiederholung der Frage! Ihre Angaben sind vage, schildern Sie mir dieses Ereignis!
A: Im Großen und Ganzen war es so, es gab noch Fälle.
F: Wann ist Ihre Schwester verstorben?
A: Es war im Jahr 2006. Befragt gebe ich an, dass ich kein genaues Datum weiß und es war Ostern. Es war der 22. April 2006.
F: Wann wurden Sie durch den Gatten bedroht? Nennen mir ein genaues Datum!
A: Das weiß ich nicht mehr.
F: Machen Sie mir genaue Angaben rund um den Gatten Ihrer Schwester!
A: Ich habe Angst um die Kinder meiner Schwester. Ich will nichts angeben.
F: Waren Sie diesbezüglich bei der Polizei?
A: Nein.
Vorhalt: Sie geben an, dass Ihre Schwester ermordet wurde und Sie persönlich von deren Gatten mit einem Messer bedroht wurden und waren nicht bei der Polizei und können auch keine detailreichen Angaben machen, Ihr Vorbringen ist nicht glaubhaft, was sagen sie dazu?
A: Sie können es überprüfen ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe Angst vor den Männern, die mich wegen dem Holzgeschäft bedroht haben (AS 92).“
Nicht nur dass der BF zur Bedrohung durch seinen Schwager keine konkreten Angaben machte, konnte er auch den Zeitpunkt der Drohung nicht benennen. Aus den Angaben des BF war auch nicht ersichtlich, ob die Bedrohung einmal oder mehrmals stattfand [arg. „Im Großen und Ganzen war es so, es gab noch Fälle“ (AS 92)]. Auch hinsichtlich des Sterbedatums seiner Schwester hielt sich der BF vage. Zunächst wusste er nur das Jahr des Sterbedatums, dann, es sei Ostern gewesen, dann konnte er sich an das genaue Datum, Ostern - 22. April 2006, erinnern (AS 92). Diesbezüglich ist festzustellen, dass der Ostersonntag des Jahres 2006 am 16.4.2006 (nicht am 22.4.2006) war. Angesichts des Umstandes wie seine Schwester zu Tode gekommen sein soll, ist es nicht sehr plausibel, dass sich der BF nicht mehr an den genauen Sterbetag erinnern kann. Völlig unverständlich ist die Antwort des BF auf den Vorhalt, wonach sein Vorbringen zur Bedrohung durch seinen Schwager nicht glaubhaft ist „A: Sie können es überprüfen ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe Angst vor den Männern, die mich wegen dem Holzgeschäft bedroht haben (AS 92).“ Anstatt sein Vorbringen hinsichtlich der Bedrohung durch seinen Schwager zu konkretisieren, führte er völlig zusammenhanglos zum Vorhalt eine andere Bedrohung ins Treffen.
Auch in der hg. mündlichen Verhandlung am 31.05.2022 vermochte der BF weder die Bedrohung durch seinen Schwager noch die Umstände des Todes seiner Schwester noch ihren Sterbezeitpunkt glaubhaft und konsistent zu schildern. So beantwortet er zunächst die Frage, wann seine Schwester gestorben sei, mit „Ich glaube 2006“. Über den Täter wolle er nicht reden. Auf Insistierung durch den Richter gabt er an „Ich will nicht, dass ihre Kinder wissen, dass deren Vater sie umgebracht hat“. Zur Frage woher er wisse, dass sie umgebracht worden sei, gab er an, „dass man das im Dorf gesagt hat, jeder weiß das im Dorf“. Zu den näheren Umständen befragt, gab er an, „Ich weiß, dass er sehr betrunken war. Er hat sie geschlagen und das traf sie auf die Schläfe und sie ist gestorben.“ Zur Identität des Gatten nannte er nur dessen Vornamen [ XXXX , (VHS S. 13)]. Die Weigerung des BF den Namen, welcher für den Tod seiner Schwester verantwortlich gewesen sein solle zu nennen, ist nicht nachvollziehbar, zumal er bereits in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.03.2017 spontan auf die Frage „Wieso erwähnen sie nicht mehr das Problem mit ihrer Schwester?“ angegeben hatte „Der eigene Ehemann hat meine Schwester umgebracht“ (AS 91). Es ist völlig unplausibel, wenn der BF nur anhand des Dorftratsches wissen will, dass seine Schwester von ihrem Gatten umgebracht worden sei, zumal davon auszugehen wäre, dass die Todesursache bei einem gesunden und jungen Menschen im Rahmen einer gerichtlichen Obduktion untersucht werde und in weiterer Folge eine polizeiliche Ermittlung nach sich ziehe.
Die Frage nach einer polizeilichen Untersuchung des Todes seiner Schwester beantwortete er divergierend. Entgegen den Ausführungen in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt „Man hat das so geschrieben, als ob es ein Unfall wäre mit meiner Schwester“ (AS 92), was auf eine polizeiliche Untersuchung hindeutet, negierte er eine Anzeige wegen dem Tod seiner Schwester. Auch in der mündlichen Verhandlung gab er an, dass es eine polizeiliche Untersuchung nicht gegeben habe (VHS Seite 14 oben). Dazu der nachfolgende Dialog in der Verhandlung:
„RI: Im Verfahren gaben sie an, es wurde geschrieben, dass es ein Unfall war. Wer hat was geschrieben?
P: Ich weiß nicht, ich kann mich nicht erinnern, was ich gesagt habe.
RI zitiert aus AS 92: „Man hat es so geschrieben, als ob es ein Unfall wäre mit meiner Schwester“.
P: Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe.
RI: Demnach wurde es polizeilich untersucht?
P: Polizei war gar nicht da.“ (VHS S. 14).
Der BF war nicht imstande, den Widerspruch hinsichtlich polizeilicher Erhebungen zum Tod seiner Schwester und der Bestreitung jeglicher diesbezüglicher polizeilicher Erhebungen aufzulösen. Ein weiterer Widerspruch ergibt sich daraus, dass einerseits keine polizeilichen Ermittlungen stattgefunden haben sollen, aber andererseits die Todesursache im Dorftratsch bekannt gewesen sei und der BF wisse, dass der Ehemann sehr betrunken gewesen sei, er sie geschlagen habe, dabei ihre Schläfe getroffen habe und sie daran gestorben sei (VHS S. 13). Spätestens als der BF von der Todesursache seiner Schwester Kenntnis erlangt habe, wäre davon auszugehen gewesen, dass er dies zur Anzeige gebracht hätte. Auch der Einwand, dass er nicht wolle, dass die Kinder wissen, dass ihr Vater ihre Mutter umgebracht habe, ist nicht nachvollziehbar, weil nicht erkennbar ist, inwieweit diese Aussagen nach Georgien gelangen könnten.
Hinsichtlich der Angaben vor dem Bundesamt, wonach ihn der Schwager mit einem Messer bedroht habe (AS 92), war davon in der hg mündlichen Verhandlung keine Rede mehr. Dort gab er vielmehr auf die Frage, ob es irgendeinen Kontakt mit diesem Ehemann und seiner Schwester gegeben habe, an „Nur, dass er mein Schwager war, sonst nichts. Er wusste, dass ich das weiß, dass er sie getötet hat. Wenn er was trinkt dreht er durch. Ich bin ihm selbst aus dem Weg gegangen“ (VHS S. 14). Dass der BF seinem Schwager aus dem Weg gegangen ist, steht seinen Ausführungen vor dem Bundesamt im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 06.03.2017 entgegen, wonach es schwierig für ihn gewesen sei, seinen Schwager jeden Tag zu sehen. Dass er auf seinen Schwager habe schießen wollen (AS 91), erwähnte er in der Verhandlung nicht mehr. Sofern der BF vor dem Bundesamt Befürchtung äußerte, dass ihn sein Schwager bei einer Rückkehr umbringen werde und dies mit dessen Angst vor dem BF begründet (AS 91), ist dies ein Widerspruch in sich, zumal sich aus den Ausführungen des BF nicht erkennen lässt, warum sein Schwager vor ihm Angst haben sollte und warum ihn dieser deshalb umbringen wolle.
Von den obigen Ausführungen ausgehend, ist die vorgebrachte Bedrohung durch den Schwager auf Grund der Widersprüche, den vagen Angaben und den Unplausibilitäten nicht glaubhaft, sondern handelt es sich hierbei um ein offenbar konstruiertes Vorbringen.
II.2.4.4. Auch der weitere Fluchtgrund, Bedrohung durch kriminelle Personen, wurde vage, in sich widersprüchlich und ohne Substanz geschildert.
Bereits bei der Beantwortung hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeiten zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes, als auch deren zeitliche Abfolge, kam es zu Ungereimtheiten. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 06.03.2017 gab der BF zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes an, dass er als Automechaniker gearbeitet habe und mit einem Holzunternehmen selbständig gewesen sei (AS 87). In diesem Zusammenhang ist besonders auffällig, dass der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 25.07.2019 überhaupt kein Holzunternehmen erwähnte, wo doch die darauf basierenden Übergriffe fluchtkausal gewesen wären. Vielmehr hatte er dort angegeben, dass er eine Berufsausbildung als Automechaniker absolviert habe, eine eigene Autowerkstätte gehabt habe, eine Zeit lang als Maler gearbeitet und ansonsten sein Leben durch Gelegenheitsjobs finanziert habe (AS 448). Nachdem er seinen Angaben am 06.03.2017 zufolge neun Jahre Holz geschlägert und verkauft habe, wäre anzunehmen, dass er das dann auch in jeder Einvernahme gleichbleibend schildert.
Abweichend dazu, beschrieb er in der hg. mündlichen Verhandlung seinen ausgeübten Beruf damit, dass er die letzten neun Jahre vor der Ausreise als Förster gearbeitet habe. Davor habe er Gelegenheitsjobs ausgeübt, z.B. Autos repariert. Er sei nie irgendwo angestellt gewesen. Seine Tätigkeit als Förster habe im Schneiden von Bäumen, deren Verarbeitung, deren Verladen auf einen LKW und deren Verkauf an die Türken bestanden (VHS S. 14). Abgesehen davon, dass er diesen Teil seines Berufslebens in der niederschriftlichen Einvernahme am 25.07.2019 überhaupt nicht erwähnt hatte, zeigt die in der hg mündlichen Verhandlung beschriebene Tätigkeit nicht einmal annähernd das Berufsbild eines Försters, sondern entspricht dies vielmehr der Tätigkeit eines selbständigen Holzverkäufers, zumal der BF auch einen LKW besessen hätte und er auch den Verkauf selbst abwickelt habe.
Auch bei der zeitlichen Abfolge seiner Tätigkeiten kam es zu Widersprüchen. Der BF habe 2009 oder 2010 (ein genaues Datum konnte er nicht angeben) Georgien verlassen (AS 87), was bedeutet, dass er im Hinblick auf seine neunjährige Tätigkeit ab 2000 bzw. 2001 als selbständiger Holzverkäufer tätig gewesen wäre (VHS S. 14). Dem widerspricht er später in der hg. mündlichen Verhandlung, indem er befragt angab, dass er mit dem Holzhandel 2007 aufgehört habe und zwischen 2007 und 2009 für einen Freund mit einer eigenen Werkstatt manchmal Autos repariert habe (VHS S. 22). In derselben Verhandlung gab er widersprüchlich dazu an, dass er nach dem Überfall auf sich (zwischen 2000 und 2004) den LKW einem Schrotthändler verkauft habe (VHS S. 21).
Ausgehend davon, dass der BF vor dem Bundesamt am 25.07.2019 überhaupt kein Holzunternehmen erwähnt hatte, sondern dort angegeben hat, dass er eine Berufsausbildung als Automechaniker absolviert habe, eine eigene Autowerkstätte gehabt habe, eine Zeit lang als Maler gearbeitet und ansonsten sein Leben durch Gelegenheitsjobs finanziert habe (AS 448), ist der Bedrohung durch kriminelle Personen der Boden entzogen.
Äußerst vage hielt der BF seine Angaben zu den Holzaufkäufern. Bei diesen habe es sich seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.03.2017 und der hg. mündlichen Verhandlung am 31.05.2022 zufolge um türkische Staatsangehörige gehandelt (AS 91, VHS S. 14). Außer dass es sich dabei um türkische Geschäftsleute gehandelt habe, die über ein großes Sägewerk und mehrere Fabriken verfügt hätten, vermochte der BF keine konkreten Angaben zu seinen Geschäftspartnern zu machen. Weder wusste er die Namen seiner Geschäftspartner, noch kannte er die Namen der Unternehmen (AS 93), was im Hinblick auf eine neunjährige Geschäftsbeziehung zu diesen Personen (VHS S. 14, 16, vgl. VHS S. 22) nicht nachvollziehbar ist, zumal der BF – nachdem er selbst die gefällten Bäume transportiert habe – ja Bestellungen und die Lieferadressen entgegennehmen hätte müssen.
Auch in Bezug auf das Unternehmen des BF kam es zu weiteren Ungereimtheiten. Er habe das Unternehmen mit seinem Freund geführt und 2 Angestellte gehabt (AS 91). Die Holzschlägerung im Wald habe nur mit einer Lizenz erfolgen können, welche er gehabt habe (AS 92). Der Frage, welche Behörde er für die Ausstellung einer solchen Lizenz habe aufsuchen müssen, wich er aus, indem er angab, dass er in der Gründungsphase gewesen sei. Die Fragewiederholung beantwortete er wiederum ausweichend, dass er noch nicht offiziell angemeldet gewesen sei. Für die Dokumente sei sein Freund und Geschäftspartner zuständig gewesen (AS 93).
In der hg. mündlichen Verhandlung dazu befragt gab er an, dass er das Unternehmen mit einem Freund namens XXXX geführt habe. Der Wald sei 28 km vom Dorf entfernt gewesen, Richtung Osten in den Bergen im Nationalpark; der Wald gehöre dem Staat. Entgegen den Ausführungen in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.03.2017, wo er nicht angeben konnte, welche Behörde für die Vergabe einer Konzession zuständig sei (AS 93), nannte er auf Nachfrage den Sitz der Behörde in Osurgeti; den Namen der Behörde wisse er nicht mehr (VHS S. 15). Während er vor dem Bundesamt die Erlaubnis der Holzschlägerung noch von einer Lizenz ableitete, führte er die Erlaubnis in der mündlichen Verhandlung auf ein Ticket, welches man bei der Waldbehörde kaufen könne, zurück (VHS. S. 15). Während der BF vor dem Bundesamt mit dem Hinweis auf eine Lizenz für die Holzschlägerung den Eindruck erweckte, mit einer solchen Lizenz eine beliebige Menge Holz schlägern zu können, gab er in der hg. mündlichen Verhandlung an, dass das Ticket jeweils für die beantragten Kubikmeter ausgestellt worden sei; den Preis hiefür wisse er nicht mehr, nur, dass es viel gewesen sei. Auch hier verwies er auf seinen Freund, welcher dies hauptsächlich gemacht habe (VHS S. 16). Dass er den Preis für einen Kubikmeter Holz nicht wusste, ist im Hinblick auf eine für jeden Kaufmann obligatorisch durchzuführende Kalkulation des Verkaufspreises, nicht plausibel.
Es ist nicht nachvollziehbar, dass der BF angesichts der behaupteten Dauer des Betreibens seines Holzunternehmens nicht imstande war, die Behörde, welche die Lizenz ausgestellt habe bzw. die Tickets verkauft habe, zu benennen. Auch wenn die Beantragung in den Aufgabenbereich seines Geschäftspartners gefallen wäre, ist doch auf Grund der Wichtigkeit einer Lizenz bzw. eines Tickets für das Unternehmen davon auszugehen, dass sich der BF mit seinem Freund diesbezüglich ausgetauscht und sich die Lizenz bzw. das Ticket hätte zeigen zeigen lassen. Auch ist davon auszugehen, dass der BF selbst auch ab und an ein Ticket gelöst habe (arg „hauptsächlich mein Freund“).
Beim Wald, den der BF beschrieb, handelt es sich offenbar um den Mtirala-Nationalpark, welcher sich in einem Naturschutzgebiet in der georgischen Region Adscharien befindet.
Obwohl das Bundesamt in der niederschriftlichen Einvernahme am 06.03.2017 durch eine gezielte Befragung und mehrmaliges Nachfragen versuchte, ein in sich stimmiges Vorbringen zu erhalten, hielt der BF seine Antworten vage, was durch den nachfolgenden Auszug der niederschriftlichen Einvernahme verdeutlicht wird (AS 90 – 93):
„F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie mir bitte Ihre Fluchtgründe!
A: Ich habe Georgien verlassen, weil ich Angst, dass man mich dort umbringt hatte.
Man wollte mich umbringen. Man hat auf mich geschossen und es gibt auch die Bescheinigung vom Arzt.
F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?
A: Ja.
F: Bitte fahren Sie fort!
A: Man hat meine Schwester umgebracht und meine privaten Gründe!
F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?
A: Nein, ich bin auch krank.
F: Machen Sie mir genaue Angaben rund um Ihren Fluchtgrund. Nennen Sie mir Details und Einzelheiten!
A: Wie gesagt ich hatte ein Holzunternehmen, ich hatte eine LKW Marke URAL mit meinem Freund. Wir hatten noch zwei Angestellte. Wir haben vom Wald in unsere Region transportiert und dort verkauft. Es waren die Türken, die es gekauft haben.
Wenn man gut gearbeitet hat konnte man gut verdienen, es war sehr anstrengend.
Wiederholung der Frage! Ihre Angaben sind vage und abstrakt, schildern Sie mir Ihr Fluchtvorbringen im Detail!
A: Es gab die Personen, die wollten. dass ich dauernd gratis liefere. Das wollte ich nicht mehr und dann haben die Männer auf mich geschossen.
Wiederholung der Frage! Ihre Schilderungen lassen Einzelheiten und Details vermissen, Ihr Vorbringen ist so nicht glaubhaft, was sagen Sie dazu? Machen Sie mir genaue Angaben rund um Ihren Fluchtgrund!
A: Man hat mich gezwungen, dass ich gratis liefere, das habe ich einmal und zweimal gemacht. Dann habe ich diesen Männern gesagt, nein das tue ich nicht mehr. Die haben mich eines Tages überfallen und auf mich geschossen und die Reifen zerstochen. Zu diesem Zeitpunkt, hatte ich angefangen ein Sägewerk aufzubauen, die haben die Leitungen abgeschnitten, damit ich nicht fertig werde. Die sind auch in mein Haus reingestürmt und haben geschossen, ich konnte fliehen und die haben mich nicht getroffen. Aber das zweite Mal haben sie das wieder gemacht. Ich hatte siebzehn Kugeln in meiner Kleidung abgekommen, ich hatte davon zwei schwere Verletzungen. Ich hatte auch eine leichte Körperverletzung im Kopfbereich. Ich ging zur Polizei und habe den Fall angezeigt und die Polizisten wussten, wer die Männer sind, sie haben aber unbekannte Männer auf die Anzeige geschrieben. Diese Männer wollten mich einschüchtern und dann haben sie mein Haus niedergebrannt. Es wurde alles niedergebrannt.
F: Wieso erwähnen Sie nicht mehr das Problem mit Ihrer Schwerster?
A: Der eigene Ehemann hat meine Schwester umgebracht, sie war gesund und lebenslustig, er hat so getan als ob sie einfach gestorben wäre. Ich wollte auf diesen Mann schießen, aber das konnte ich nicht machen und es war sehr schwierig für mich den Mann jeden Tag zu sehen. Wenn ich zurückkehre, kann es sein, dass er mich umbringt, denn er hat auch Angst vor mir. Meine Schwester hat zwei Söhne hinterlassen.
F: Beschreiben Sie mir die Bedrohung durch den Gatten Ihrer verstorbenen Schwester!
A: Er wollte mich mit dem Messer umbringen.
Wiederholung der Frage! Machen Sie mir genaue Angaben rund um den Tathergang!
A: Er hat mich mit dem Messer bedroht. Man hat das so geschrieben, als ob es ein Unfall wäre mit meiner Schwester.
Wiederholung der Frage! Ihre Angaben sind vage, schildern Sie mir dieses Ereignis!
A: Im Großen und Ganzen war es so, es gab noch Fälle.
F: Wann ist Ihre Schwester verstorben?
A: Es war im Jahr 2006. Befragt gebe ich an, dass ich kein genaues Datum weiß und es war Ostern. Es war der 22.April 2006.
F: Wann wurden Sie durch den Gatten bedroht? Nennen Sie mir ein genaues Datum!
A: Das weiß ich nicht mehr.
F: Machen Sie mir genaue Angaben rund um den Gatten Ihrer Schwester!
A: Ich habe Angst um die Kinder meiner Schwester. Ich will nichts angeben.
F: Waren Sie diesbezüglich bei der Polizei?
A: Nein.
Vorhalt: Sie geben an, dass Ihre Schwester ermordet wurde und Sie persönlich von deren Gatten mit einem Messer bedroht wurden und waren nicht bei der Polizei und können auch keine detailreichen Angaben machen, Ihr Vorbringen ist nicht glaubhaft, was sagen sie dazu?
A: Sie können es überprüfen ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe Angst vor den Männern, die mich wegen dem Holzgeschäft bedroht haben.
F: Machen Sie mir genaue Angaben rund um die Personen, für die sie gratis Lieferungen gemacht haben und die sie bedroht haben!
A: Wie gesagt ich hatte dieses Holzgeschäft und war oft im Wald. Es konnte dort nicht jeder reingehen, ich hatte eine Lizenz. Es ist so, dass die paar kriminellen Männer von der Unterwelt, haben mitbekommen, wieviel ich verdiene, wie oft ich die Lieferungen mache.
Wiederholung der Frage! Machen Sie mir genaue Angaben rund um die Personen!
A: Wenn ich ihnen nun Namen nenne, werde ich noch mehr Problem bekommen.
F: Wollen dazu nichts angeben?
A: zB.: die Hauptperson hieß XXXX , ca. 40 Jahre.
F: Genauere Angaben können Sie mir nicht anführen?
A: Er wohnt in Osurgeti, eine genaue Adresse weiß ich nicht.
F: Genauere Informationen über die Verfolger, mit denen Sie auch im Geschäftskontakt standen können Sie nicht angeben?
A: Er hat noch drei oder vier Brüder und Cousins. Persönlich hat XXXX auf mich geschossen. Genaueres weiß ich nichts“ (AS 92, 93).
Bemerkenswert ist auch der letzte Satz des zitierten Ausschnittes der Einvernahme. Obwohl er den Angreifer, welcher auf ihn geschossen habe, namentlich benennen konnte, wisse er nichts „Genaueres“. Auch wenn dieses Ereignis bei der Befragung schon längere Zeit zurücklag, ist angesichts eines solchen einschneidendes Erlebnisses davon auszugehen, dass man sich auch nach Jahren noch an Einzelheiten erinnern kann, zumal Schussattentate nicht alltäglich sind.
Aus dem Einvernahmeprotokoll des Bundesamtes vom 06.03.2017 ist ersichtlich, dass sich das Bundesamt bemüht und dem BF Gelegenheit gegeben hat, die Angreifer und den Tathergang konkret zu schildern, was trotz mehrmaligen Vorhaltes seitens des Bundesamtes nicht gelang. Auch in der hg. mündlichen Verhandlung am 31.05.2022 hielt der BF seine Angaben vage und war auch nicht in der Lage, diese konsistent zu schildern.
II.2.4.5. So gab der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.03.2017 nach seinen Fluchtgründen befragt an, „Ich habe Georgien verlassen, weil ich Angst, dass man mich dort umbringt hatte. Man wollte mich umbringen. Man hat auf mich geschossen und es gibt auch eine Bescheinigung vom Arzt.“ (AS 90). Auf Nachfrage führte er aus, dass Personen gratis mit Holz beliefert werden wollten und als er dem Wunsch nicht mehr nachgekommen sei, hätten die Männer auf ihn geschossen (AS 91). Auf Grund der vagen Schilderung wurde der BF wiederholt aufgefordert, genauere Angaben zum Fluchtgrund zu machen. Der BF gab an, dass er gezwungen worden sei, gratis Holz zu liefern, was er auch ein- bzw. zweimal gemacht habe. Als er sich geweigert habe, weiterhin gratis Holz zu liefern, sei er eines Tages überfallen worden, dabei sei auf ihn geschossen und die Reifen zerstochen worden (AS 91). Erst auf mehrmaliges Nachfragen gab er die Identität des Bedrohers mit XXXX , 40 Jahre, wohnhaft in XXXX preis. Dieser habe auf ihn geschossen und habe noch drei oder vier Brüder und Cousins. Bereits hinsichtlich der Anzahl der Lieferungen widersprach sich der BF, indem er diese zunächst mit ein- bzw. zwei Mal (AS 91) und danach mit mehreren Malen (AS 93) angab. In der hg. mündlichen Verhandlung wiederum gab er an, dass ihn ein Fremder gebeten habe, ihm eine Ladung Holz zu bringen (VHS S. 16) und er dieser Bitte einmal entsprochen habe (VHS S. 17).
Danach steigerte er sowohl vor dem Bundesamt als auch in der Verhandlung den Grund, warum er weitere Lieferungen verweigert habe. Vor dem Bundesamt führte er diesbezüglich aus, dass die Männer gewollt hätten, dass er drei Mal im Monat gratis Holz liefere, den LKW auftanken und arbeiten solle (AS 93). In der hg mündlichen Verhandlung führte er diesbezüglich aus, dass diese Person habe Geld machen wollen und er für diese Person habe arbeiten müssen (VHS S. 16).
Die Weigerung weiterhin gratis Holz zu liefern bzw. für diese Personen in Hinkunft zu arbeiten habe einen bzw. zwei Überfälle dieser Personen auf den BF nach sich gezogen, welche er vage und divergierend schilderte, wobei auf Grund seiner Schilderung vor dem Bundesamt vorerst der Eindruck entstand, dass er einmal überfallen worden sei, zumal er den zeitlich späteren Vorfall zuerst schilderte. Erst auf Grund von weiteren Nachfragen kristallisierte sich heraus, dass er zwei Überfälle behauptet hatte, wobei einmal auf ihn und das andere Mal auf die Reifen des LKW geschossen worden sei. Glaublich 2000 sei er um 5:00 Uhr früh auf der Fahrt in den Wald von Männern im PKW angehalten worden, welche seinen LKW hätten beschlagnahmen wollen und deshalb auch einen Fahrer dabei gehabt hätten. Trotz Nachfrage, gelang es dem Bundesamt nicht, den BF zu einer schlüssigen Schilderung des Vorfalles zu bewegen, wie sich aus dem nachfolgenden Zitat ergibt.
„Wiederholung der Frage! Sie schweifen ab, schildern Sie mir diesen Tathergang im Detail!
A: Ich wollte gerade meinen LKW abstellen und den Männern nicht den LKW geben und dann haben sie auf mich geschossen.
Wiederholung der Frage! Sie wurden laut Ihren Angaben angeschossen und wurden verletzt, beschreiben Sie mir diesen Tathergang im Detail!
A: XXXX hat auf mich geschossen. Es hat mich eine Kugel am linken Mittelfußknochen getroffen, es hat mich eine Kugel in der Hüfte getroffen. Als er auf mich schoss rollte ich und habe mich unter dem LKW versteckt.
Wiederholung der Frage! Ihre Angaben sind nicht substantiiert, Sie geben an Opfer eines solch massiven Eingriffs in Ihre körperliche Integrität geworden zu sein! Schildern Sie mir diesen Tathergang genau, wie haben Sie das erlebt?
A: Die Polizei weiß Bescheid in Georgien, dass ich diese Verletzungen hatte. Es gab vom Spital Bestätigungen.
F: Können Sie dies in Vorlage bringen?
A: Vielleicht.
F: Wann fand dieser Vorfall genau statt?
A: 2002 oder 2004, im Sommer, genau weiß ich das nicht mehr.
F: Wie hat die Polizeistation geheißen, bei der Sie Anzeige erstattet haben? (AS 95)
A: Bei mir in der Stadt XXXX .
F: Was haben Sie augenblicklich nach dem Beschuss auf Sie gemacht?
A: Ein Freund hat mich ins Spital gefahren.
F: Machen Sie mir genaue Angaben in dieser Situation nach dem Beschuss!
A: Ich habe mein Bewusstsein verloren, ich weiß es nicht genau. Die haben mich dann einfach liegen gelassen.
Wiederholung der Frage! Schildern Sie mir diese Situation als Sie wieder aufwachten im Detail, Sie waren unterwegs, was haben Sie gemacht?
A: Ein Freund hat mich mitgenommen, es war auf einer Straße bei unserem Dorf. Ich habe viel Blut verloren und auch im Spital war ich bewusstlos.“ (AS 96)
Die Antwort des BF „Ich wollte gerade meinen LKW abstellen und den Männern den LKW nicht geben und dann haben sie auf mich geschossen“ (AS 95) ist angesichts ihres konfusen Inhaltes völlig unverständlich. So ergibt es keinen Sinn, wenn die Männer seinen LKW wollten, dass sie auf ihn schießen, während er sich noch im LKW befindet (arg „Ich wollte gerade meinen LKW abstellen“). Dass er den Männern den LKW nicht überlassen wollte, wäre angesichts deren Bewaffnung völlig unplausibel und läge wohl in einem solchen Fall auch außerhalb seiner Kontrolle. Während zunächst von mehreren Männern, welche ihn im Auto beschossen hätten die Rede war, gab er auf Nachfrage an, dass XXXX auf ihn geschossen habe, ihn dabei mit einer Kugel am linken Mittelfußknochen und an der Hüfte getroffen habe. Als auf ihn geschossen worden sei, habe er sich unter den LKW gerollt und sich dort versteckt gehalten (AS 95). In der hg. mündlichen Verhandlung schilderte er die Situation abweichend zur Einvernahme. Er gab widersprüchlich an, dass – als mit einem automatischen Gewehr (er glaube, es sei ein Maschinengewehr gewesen) – auf ihn geschossen worden sei, er am Kopf knapp verfehlt worden sei; kurz später gab er an, eine Kugel habe ihn am Kopf gestreift – demnach doch getroffen (VHS Seite 17). Von einem automatischen Gewehr bzw. einem Maschinengewehr hatte er in der Einvernahme noch nicht gesprochen. Der BF schilderte auch den Zeitpunkt, wann auf ihn geschossen worden sei, unterschiedlich. Zunächst schrieb er den Überfall dem Jahr 2000 zu, später war es 2002 oder 2004 im Sommer, genau wisse er das nicht mehr (AS 95).
Vor dem Hintergrund, dass 2000, oder 2002 oder 2004 auf den BF geschossen worden sei, ist der zweite Überfall, wo bloß auf die Reifen des LKW geschossen worden sei, nicht nachvollziehbar, zumal er ja bereits seine Gratislieferungen eingestellt hatte. So schilderte der BF den Tathergang unterschiedlich. Als er den Männern gesagt habe, dass er keine Gratislieferungen mehr mache, hätten sie auf ihn geschossen. Dann wiederum hätten sie ihn, als er unterwegs gewesen sei erwischt und auf die Reifen geschossen. Auf Nachfrage, gab er an, dass sie ihm aufgelauert hätten und auf seine Reifen von einer weiteren Entfernung geschossen hätten (AS 94).
In der hg. mündlichen Verhandlung zeichnete der BF hinsichtlich des Überfalls ein anderes Bild. Während er den Ausführungen vor dem Bundesamt zur Folge um 05:00 Uhr früh von mehreren Männern in einem PKW angehalten worden sei (AS 95), gab er in der hg. mündlichen Verhandlung die Uhrzeit mit 04:00 Uhr an, auch sei sein Freund bei ihm gewesen, er (Anm: XXXX ) habe auf der Straße gewartet und sie aufgehalten. Im Widerspruch dazu gab er auf Nachfrage an, dass er ihnen entgegen gekommen sei und ihnen mit Lichtzeichen zu verstehen gegeben habe, dass sie stehen bleiben sollen, was sie auch getan hätten (VHS S. 18). Als sie ausgestiegen seien, sei ein Streit wegen der Gratislieferung entbrannt. XXXX habe plötzlich aus seinem Fahrzeug ein automatisches Gewehr geholt und auf ihn geschossen (VHS S. 19).
Bemerkenswert ist auch, dass der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt seinen Angreifer als XXXX identifizierte (AS 93), während er in der hg. mündlichen Verhandlung angab, den Familiennamen nicht zu kennen, aber glaube, dass dessen Vorname XXXX sei (VHS S. 19).
Wann auf die Reifen geschossen worden sei, wisse er nicht mehr, nicht einmal ungefähr. Zur Frage, mit was auf die Reifen geschossen worden sei, meinte er zunächst, dass er es nicht wisse, weil er es nicht gesehen habe, um dann anzugeben, dass er glaube, dass es sich dabei um ein Maschinengewehr gehandelt habe. „Er hat damit auch auf mich geschossen, ich wurde angeschossen“ (VHS S. 17). Entgegen den Ausführungen vor dem Bundesamt, wo er zwei Treffer abbekommen habe (AS 95), gab er nunmehr an, dass aus einem Meter Entfernung (VHS S. 19) mit einem Maschinengewehr auf ihn geschossen worden und er 17 Löcher in der Bekleidung davongetragen habe, am Kopf sei er knapp verfehlt worden, am Bein sei er getroffen worden, „mein Bein und meine Hüften waren verletzt“. Am Kopf habe ihn eine Kugel gestreift. Bei einer Nachschau in der hg. mündlichen Verhandlung wies der BF an der Hüfte links eine 4 cm lange waagrechte Narbe und am linken Außenrist des linken Fußes eine kreisförmige Narbe von einem ca. 1 cm Durchmesser auf (VHS S. 17). Nicht nur, dass der BF in der Verhandlung die Treffer im Hinblick auf den Streifschuss am Kopf und auf die 17 Löcher in der Bekleidung steigerte, kann das Geschilderte so nicht stattgefunden haben. Schon, dass die Kleidung 17 Löcher aufwies, ohne dass der BF weiter verwundet worden sei, ist nicht plausibel.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt gab der BF an, dass er sich, als auf ihn geschossen worden sei unter den LKW gerollt habe und sich dort versteckt habe (AS 95). Er habe sein Bewusstsein verloren und sei liegen gelassen worden. Ein Freund habe ihn mitgenommen, es sei auf einer Straße vor seinem Dorf gewesen. Er habe viel Blut verloren und sei auch im Spital bewusstlos gewesen (AS 96). In der hg. mündlichen Verhandlung gab er diesbezüglich an, dass er sich unters Auto gerollt habe. Er nehme an, dass ihn XXXX für tot gehalten habe, denn dieser sei seinem Freund nachgelaufen. Entgegen den Ausführungen vor dem Bundesamt, habe ihn sein Freund nicht von der Straße vor seinem Dorf aufgelesen, sondern direkt vom Ort des Überfalls (VHS S. 19).
Während der BF vor dem Bundesamt zu diesem behaupteten Handlungsabschnitt angab, dass er in den Wald gehen wollte (AS 95), gab er in der hg. mündlichen Verhandlung an, dass er von einem Kunden zurück nach Hause unterwegs gewesen sei (VHS S. 18).
Der BF widerspricht sich auch bezüglich der Anhaltung des LKW. „… da waren diese Männer im PKW Die Männer wollten meinen LKW beschlagnahmen, sie hatten einen Chauffeur dabei…“ (AS 95). In der hg mündlichen Verhandlung stellte er klar, dass das mit der Beschlagnahme ein Missverständnis gewesen sei, sondern wollten ihm die Männer vielmehr den LKW wegnehmen (VHS S. 20). Warum ihm die Männer den LKW nicht weggenommen hätten, wisse er nicht. Spekulativ meinte er dann, dass XXXX den LKW vielleicht zum Schrottplatz habe bringen wollen (VHS S. 21).
„Rl: Weil Sie gesagt haben zum Schrottplatz geben, war das Fahrzeug so desolat?
P: Ich wollte einfach nicht mehr weitermachen, er ließ mich nicht in Ruhe und ich habe dafür Geld bekommen.
Rl: Nach dieser Sache, haben Sie die Holztransporte eingestellt?
P: Ja.
Rl: Sie haben im Verfahren angegeben, dass diese Männer Sie zu ihnen bestellt haben. Wer waren diese Männer und wohin wurden Sie bestellt?
P: Ich weiß es nicht, was ich damals so gemeint habe aber er hat mir immer wieder gedroht und über andere ausrichten lassen. Ich kannte nur seinen Vornamen (VHS S. 21).“
Mit diesen Ausführungen widerspricht sich der BF selbst. Der Vorfall habe sich 2002 oder 2004 (AS 94) bzw. 2000 (AS 95) zugetragen. Der BF habe aber die letzten neun Jahre Holz transportiert und die Ausreise sei 2009 oder 2010 gewesen (AS 87), weshalb sich das mit den Angaben, dass er den LKW bereits Jahre zuvor verkauft habe widerspricht. Das Schussattentat ordnete er zeitlich mit 2000, 2002 oder 2004 ein, nach dieser Sache (Schussattentat auf LKW und ihn) habe er die Holztransporte eingestellt (VHS 21).
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 25.07.2019 gab er zur Rückkehrbefürchtung befragt an, „ich habe einen Feind und habe Angst. Man hat auf mich geschossen“. Auf Vorhalt, seine Rückkehrbefürchtung zu konkretisieren, verweigerte er weitere Angaben (AS 450).
Der BF habe den Angriff auf sich bei der Polizeistation in XXXX zur Anzeige gebracht (AS 95, 96). In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 25.07.2019 gab er diesbezüglich widersprüchliches von sich. Zuerst gab er an, dass er auf einer Inspektion gewesen sei, jedoch die Adresse nicht mehr wisse, er aber eine Bestätigung habe. Dann gab er wiederum an, dass er im Krankenhaus von der Polizei befragt worden sei und er dann selbst auch noch bei der Polizei gewesen sei. Es sei eine Untersuchung eingeleitet worden, jedoch sei nichts heraus gekommen (AS 451).
Der BF schilderte auch die LKW Marke widersprüchlich. In der Einvernahme vor dem BFA am 06.03.2017 gab er an, er habe einen LKW der Marke Ural gehabt (S. 13 des angefochtenen Bescheides). In der hg. mündlichen Verhandlung nannte er die Marke mit „Sil 131“ (VHS S. 15).
II.2.4.6. Brand des Hauses
Der BF war in der hg. mündlichen Verhandlung auch nicht imstande, seinen Aufenthaltsort während des behaupteten Brandausbruches konsistent zu nennen, sondern steigerte er auf Grund von Nachfragen sein Vorbringen, wie der nachfolgende Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll zeigt:
„Rl: Wann hat ihr Haus gebrannt?
P: Ich glaube das war 2008 aber genau kann ich es nicht mehr sagen.
Rl: Beschreiben Sie das, was ist da passiert?
P: Ich nehme an, es wurde von jemanden angezündet, weil wieso sollte es von alleine brennen.
Ich habe nichts gesehen.
Rl: Was meinen Sie damit, ich habe nichts gesehen?
P: Ich habe niemanden gesehen, aber ich könnte mir vorstellen, dass es mit Absicht angezündet wurde.
Rl: Beschreiben Sie mir die Ereignisse des Brandes im Haus?
P: Es war niemand Zuhause und es hat begonnen zu brennen. Ich weiß nicht wie es war. Die Nachbarn haben die Feuerwehr gerufen, aber bis diese kam, war das Haus vollkommen abgebrannt.
Rl: Wo waren Sie zu diesem Zeitpunkt?
P: Ich weiß nicht, ich war nicht zuhause.
Rl: Wie haben Sie vom Brand erfahren?
P: Ich habe gehört, die Signale von der Feuerwehr und den Rauch gesehen und dann bin ich zurück zum Haus.
Rl: Wo waren Sie zu dem Zeitpunkt, als der Brand ausgebrochen ist?
P: Ich war im Dorf, ich bin zu jemand anderem gegangen.
Rl: Was haben Sie dort gemacht?
P: Es war ein Freund und wir haben einfach geredet“ (VHS S. 23).
Es ist nicht nachvollziehbar, warum der BF nicht gleich die Frage, wo er zum Zeitpunkt des Brandausbruches aufhältig war, ausreichend beantwortete. Das Verhandlungsprotokoll zeigt deutlich, dass sich der BF mit seinen Antworten langsam vortastete, woraus zu schließen ist, dass das ganze Geschehen nicht stattgefunden hat, ansonsten hätte er gleich auf die Frage, wo er sich zum Zeitpunkt des Brandes aufgehalten hat, angeben können, er sei im Dorf bei einem Freund gewesen, habe die akustischen Signale der Feuerwehr gehört und Rauch gesehen. Auch hinsichtlich einer polizeilichen Untersuchung des Brandes war er nicht konsistent, wie der nachfolgende Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll zeigt:
„Rl: Ist dieser Brand polizeilich untersucht worden?
P: Nein.
Rl: Sie haben eine Bestätigung vorgelegt von der Polizei, dass es in ihrem Haus gebrannt hat.
Wenn die Sache nicht polizeilich untersucht wurde, können die auch keine Bestätigung ausstellen.
P: Sie konnten einfach nichts klären, aber die Bestätigung haben sie mir gegeben.
Rl: Sie konnten nichts klären, also gab es eine polizeiliche Untersuchung?
P: Nein, darüber gab es keine polizeiliche Untersuchung“ (VHS S. 23).
In der hg. mündlichen Verhandlung datierte er den Brand mit der Einschränkung, er könne es nicht mehr genau sagen, mit 2008. Das genannte Datum stimmt jedoch nicht mit der polizeilichen Bestätigung über den Zeitpunkt des Brandes, der zur Folge der Brand am 23.04.2002 stattgefunden hatte, überein. Diesbezüglich ist jedoch auch auf das Ausstellungsdatum der polizeilichen Bestätigung hinzuweisen, welche erst am 08.02.2017 ausgestellt wurde (AS 433).
In den beiden Einvernahmen vor dem Bundesamt hatte der BF zu keiner Zeit Brandverletzungen angegeben, weshalb es umso bemerkenswerter ist, dass er in der hg. mündlichen Verhandlung den Vorhalt „Sie haben im Verfahren angegeben, es gebe eine Bescheinigung vom Arzt hinsichtlich ihrer Verletzungen, die Sie beim Brand erlitten haben“ zwar verneinte aber angab, dass er zwar im KH war, aber keine Bescheinigung habe (VHS S. 24). Auch ist eine Brandverletzung nicht plausibel, zumal er angegeben hatte, dass er erst durch das Martinshorn der Feuerwehr und durch den Rauch auf den Brand aufmerksam geworden sei und er auch gar nicht zu Hause gewesen sei (VHS S. 23).
II.2.4.7. Überfall auf das Haus
Auch hinsichtlich des behaupteten Überfalls auf das Wohnhaus des BF kam es zu Widersprüchen. Vor dem Bundesamt beschrieb er den Überfall dergestalt, dass sie abends mit automatischen Schusswaffen auf sein Haus geschossen hätten, wobei alle Fenster kaputtgegangen seien. Er und seine Schwester seien zu Hause gewesen. Er sei vom Fenster gesprungen und weggelaufen (AS 94). Der Beschuss des Hauses habe nach dem Beschuss auf den LKW stattgefunden (AS 95).
In der hg. mündlichen Verhandlung gab er den Zeitpunkt des Beschusses auf das Haus mit einem Jahr vor seiner Ausreise, an. Befragt „dass, bedeutet ihre Ausreise war 2009, also 2008“ gab er an, dass er es nicht genau sagen könne.
Der BF widersprach sich hinsichtlich des Zeitpunktes des Beschusses seines Haus bereits vor dem Bundesamt. Dort gab er an, „die sind auch in mein Haus reingestürmt und haben geschossen. Aber das zweite Mal haben sie das wieder gemacht. Ich hatte siebzehn Kugeln in meiner Kleidung abbekommen“ (AS 91). Während hier der Beschuss des Hauses vor dem 2. Überfall auf den LKW, wo er angeschossen worden sei, stattgefunden habe, gab er später vor dem Bundesamt an, dass der Beschuss auf das Haus nach dem Beschuss auf den LKW stattgefunden habe. In der hg. mündlichen Verhandlung gab er diesbezüglich einschränkend an, dass er es nicht mehr so genau wisse und sich so schlecht daran erinnern könne an, ob zuerst der LKW und dann das Haus beschossen worden sei (VHS S. 24).
Auch den Beschuss des Hauses schilderte er widersprüchlich. Abends hätten sie mit automatischen Schusswaffen auf sein Haus geschossen, wobei alle Fenster kaputt gegangen seien. Dann seien sie weggewesen. Er und seine Schwestern seien zu Hause gewesen. Er sei vom Fenster gesprungen und weggelaufen (AS 94). Im Widerspruch dazu gab er ebenfalls vor dem Bundesamt an, das sie in sein Haus reingestürmt seien und geschossen hätten, sie hätten ihn aber nicht getroffen und er habe fliehen können (AS 91).
In der hg. mündlichen Verhandlung stellte er den Beschuss auf sein Haus gänzlich anders dar. So sei er alleine gewesen, als er einen Schuss gehört habe, wobei ein Fenster kaputt gegangen sei. Während er vor dem Bundesamt noch angegeben hatte, dass er geflohen sei (AS 91) war davon in der hg. mündlichen Verhandlung keine Rede mehr. So antwortete er vielmehr auf die Frage, was er gemacht habe, als geschossen worden sei, lapidar „Nichts, was soll ich machen. Ich habe dann das Fenster ausgetauscht“ (VHS S. 24). Explizit befragt, ob bei dem Schuss auf sein Haus jemand in das Haus gelangt sei, verneinte er dies und gab an, dass wahrscheinlich aus einem fahrenden Auto geschossen worden sei (VHS S. 25).
Eine weitere Divergenz gab es bezüglich des Anschlages auf sein Sägewerk [(„Zu diesem Zeitpunkt hatte ich angefangen ein Sägewerk aufzubauen, die haben die Leitungen abgeschnitten, damit ich nicht fertig werde“ (AS 91)]. In der hg. mündlichen Verhandlung gab er diesbezüglich an, dass er zwar ein Sägewerk gewollt habe, aber nicht gehabt habe. Er habe auch nicht begonnen, eines zu bauen (VHS S. 22).
II.2.4.8. Dass der BF bestimmte Verletzungen tatsächlich aufweist, ist offenkundig (vgl. auch diesbezüglich VHS, Seite 17). Solche Verletzungen können aber alle möglichen Ursachen (bspw. Teilnahme an kriegerischen Handlungen – wo auch immer; Jagdunfälle; Teilnahme an kriminellen Handlungen; Unfälle bei Waldarbeiten, usw ...) haben. Die vom BF angeführten Fluchtgründe erwiesen sich allesamt als völlig unglaubwürdig. Aus dem vom BF im Zuge des Verfahrens Vorgebrachten lässt sich jedenfalls nicht ableiten, dass er jemals gefoltert wurde, auch wenn dies in Bestätigungen behauptet wird (vgl. Bestätigung vom 06.04.2022 – vorgelegt in der VH am 31.05.2022).
Über Vorgänge allerdings, die der BF verschwieg, lässt sich nur spekulieren und kann das nicht Grundlage einer Entscheidung sein.
II.2.4.9. Es ist Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen.
In Anbetracht all dieser aufgezeigten Widersprüche, Ungereimtheiten und Unplausibilitäten ist von einer konstruierten Rahmengeschichte zum Zwecke der Asylerlangung auszugehen. Keinesfalls ist glaubhaft, dass der BF überhaupt Holz selbst schlägerte und als Holzverkäufer tätig war und deswegen Bedrohungen durch kriminelle Personen ausgesetzt gewesen war und ihm aus diesen Gründen ein weiterer Verbleib im Heimatland unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre.
Seitens des Höchstgerichtes wurde in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH, 24.06.1999, 98/20/0453; 25.11.1999, 98/20/0357). Es ist an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass bereits der Einvernahmeleiter beim BFA sich veranlasst sah, in der Niederschrift wiederholt festzuhalten, dass der BF mehrmals Fragen nicht oder nur ausweichend und erst nach mehrmaligem Nachfragen beantwortete (AS 92, 93, 94, 95, 96). Der erkennende Richter konnte sich in der hg. mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom BF verschaffen und musste dieses Aussageverhalten des BF ebenso feststellen; der BF versuchte immer wieder, konkreten Fragen auszuweichen, was wiederholte Nachfragen erforderlich machte. Der erkennende Richter kam aufgrund des Aussageverhaltens des BF und seinen massiven Widersprüchen sowohl im behördlichen Verfahren als auch in der hg. Beschwerdeverhandlung klar und zweifelsfrei zum Schluss, dass das fluchtkausale Vorbringen des BF unglaubwürdig ist und er im Herkunftsland keiner konkreten, persönlichen Bedrohung aus GFK-relevanten Gründen ausgesetzt war.
II.2.4.10. Vollständigkeitshalber sei weiters darauf verwiesen, dass auch die sonstigen Angaben des BF geeignet waren, seine generelle Glaubwürdigkeit des BF in Zweifel zu ziehen.
Auffällig ist, dass der BF nicht nur zum Fluchtvorbringen unterschiedliche Angaben machte, sondern sich dies wie ein roter Faden durch nahezu alle Themenbereiche durchzog, sogar dort, wo man annehmen sollte, dass der BF hier ein stringentes Vorbringen erstattet, wie z.B. der Kontakt zu seinem Vater und seinen Schwestern oder das Alter seines Vaters.
Bereits das BFA stellte die unstimmigen Angaben des BF zu seinen Familienangehörigen fest. So hat der BF in der fremdenrechtlichen Einvernahme vom 09.10.2014 zu seinen Geschwistern befragt angegeben, dass er keine Geschwister mehr habe. Er habe eine Schwester gehabt, welche im Jahr 2006 verstorben sei. In einer weiteren Einvernahme vor dem BFA am 06.03.2017 gab er drei Schwestern an, wobei eine davon 2006 gestorben sei. Erst in der Stellungnahme vom 09.03.2018 gab er an, dass ein bis dahin nicht erwähnter Bruder erschossen worden wäre (AS 193). In der mündlichen Verhandlung zu einem Bruder befragt, gab er wiederum an „Ich habe keinen Bruder“ (VHS S. 12).
In der fremdenrechtlichen Einvernahme vom 09.10.2014 verneinte der BF einen Kontakt zu seinem Vater (AS 262). In einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.03.2017 gab der BF an, dass er mit seinem Vater und seinen Schwestern Kontakt habe; zu seinem Vater bestehe ein normales Verhältnis. Ein Kontakt zu Onkel und Tanten wurde explizit verneint (AS 86). In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 25.07.2019 gab er an, dass er zu seinem Cousin väterlicherseits telefonischen Kontakt habe und er von diesem auch in Österreich finanziell unterstützt werde, indem ihm dieser über Western Union Geld sende (AS 449). In der Verhandlung dazu befragt, verneinte er anfangs generell einen Kontakt zu seinen Angehörigen und schränkte dies dann auf seine Schwestern ein (VHS S. 11). Den letzten Kontakt zu seinem Vater habe er gehabt, als er zuletzt in Georgien gewesen sei. Sein Vater habe gewollt, dass er keinen Kontakt mit ihm habe (VHS S. 12). Soweit der BF in der mündlichen Verhandlung angab, dass sie kein gutes Verhältnis zueinander hätten (VHS S. 12), steht dies im Widerspruch zu seiner Äußerung vor dem BFA, wonach zu seinem Vater ein normales Verhältnis bestehe (AS 86).
Auch die Wohnsituation sowie den Wohnort, wo man eigentlich konsistente Angaben erwarten könnte, schilderte der BF unterschiedlich. Der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 06.03.2017 zur Folge, habe er bis zu seiner Ausreise 2009 in XXXX , im Dorf XXXX gelebt. Sein Vater habe auch an dieser Adresse gelebt (AS 89). In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 25.07.2019 gab er diesbezüglich an, dass er in einem eigenen Haus mit seinem Vater bis zum Tag seiner Ausreise gelebt habe. Auf dem Grundstück befänden sich zwei Häuser, wobei ein Haus komplett abgebrannt sei und das andere beschädigt worden sei. Sein Vater lebe nach wie vor im zweiten (beschädigten) Haus (AS 448). Der hg. mündlichen Verhandlung nach, habe er mit seinem Vater dagegen nie zusammengewohnt (VHS S. 10) und hätten seine Eltern entgegen seinen vorherigen Angaben vor dem BFA auch in einem anderen auf demselben Grundstück errichteten Haus gewohnt (VHS S. 11).
Der BF machte auch zum Alter seines Vaters widersprüchliche Angaben. Vor dem BFA gab er dessen Alter noch mit 71 Jahren (AS 89) dann mit 82 Jahren (AS 448) an, um dieses in der mündlichen Verhandlung auf 84 Jahre zu steigern (VHS S. 11). Die Altersdiskrepanz versuchte er in der mündlichen Verhandlung mit einem Irrtum seinerseits zu erklären. Der darauffolgenden Feststellung des Richters „2019 gaben Sie an, er ist 82 Jahre alt“, stimmte der BF mit „ja das ist ungefähr richtig“ zu (VHS S. 11).
Das Geburtsjahr seiner Zwillingsschwestern gab er in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 06.03.2017 mit ca. 1978 an (AS 86). In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 25.07.2019 wusste er plötzlich deren genaues Geburtsdatum (28.07.1978, AS 448). In der mündlichen Verhandlung dazu befragt, gab er hingegen an, dass er nicht mehr genau wisse, wie alt sie seien (VHS S. 11).
Während der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 06.03.2017 einen Cousin nicht einmal ansatzweise erwähnt, gab er diesbezüglich in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 25.07.2019 an, nur zu seinem Cousin väterlicherseits XXXX telefonischen Kontakt zu haben (AS 449).
In der niederschriftlichen Erstbefragung am 30.06.2015 verneinte der BF die Frage, ob er über Barmittel oder andere Unterstützung verfüge (AS 3). In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 06.03.2017 zur finanziellen Unterstützungsleistung befragt, führte der BF lediglich in Österreich lebende Freunde ins Treffen, welche er auf Nachfrage mit einer Person namens Nika – den Nachnamen wisse er nicht – konkretisierte, von welchem er finanziell für Rauchwaren unterstützt werde. Auf Nachfrage gab er an, dass er sonst nicht unterstützt werde (AS 90). In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 25.07.2019 zu seinem Cousin befragt gab er an, dass dieser XXXX heiße, Unternehmer mit eigenem Holzbetrieb (Herstellung von Dächern und Möbel) sei und ihn finanziell unterstütze (AS 449). In der hg. mündlichen Verhandlung relativierte er die finanzielle Unterstützung durch seinen Cousin insofern, als ihm nur ein paar Mal unregelmäßig Geld geschickt worden sei, wobei das letzte Mal schon lange her sei (VHS S. 7). Während der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA nur einen Cousin namens XXXX anführte (AS 449), führte er in der mündlichen Verhandlung zum Namen des Cousins befragt, plötzlich 2 Cousins, namens XXXX und XXXX , ins Treffen (VHS S. 8).
Abgesehen davon, dass der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 06.03.2017 seinen Cousin bzw. seine beiden Cousins mit keinem Wort erwähnte (AS 86), gab er auch den zeitlichen Abstand des Kontaktes zu ihm (ihnen) unterschiedlich an. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 25.07.2019 gab er lediglich einen telefonischen Kontakt zu seinem Cousin XXXX an (AS 449). In der mündlichen Verhandlung beschrieb er den Kontakt zu seinen Cousins vage mit „selten“. Auf Nachfrage, was er mit selten meine, gab er an, „Sehr selten, ich weiß es nicht“. Die Frage wann der letzte Kontakt gewesen sei, beantwortete er mit „sehr lange her“. Nachgefragt was das heiße, ein Jahr oder 10 Jahre, gab er an „vor ein paar Monaten“ (VHS S. 12). Es ist schon auffällig, dass der BF sogar bei so einfachen Fragen, wann er mit seinen Cousins Kontakt gehabt habe, trotz Nachfrage immer wieder versuchte, keine konkreten Angaben machen zu müssen (ich weiß es nicht, selten, sehr lange her). Wenn er dann „sehr lange her“ mit vor „ein paar Monaten“ beschreibt, ist das zwar wieder sehr vage gehalten aber zeigt zumindest, dass zu seinen Cousins nach wie vor aktuell ein Kontakt besteht und ist auch davon auszugehen, dass er von diesen auch künftig Unterstützung erwarten kann.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Gem. § 19 Abs. 5 BFA-VG kann die Bundesregierung bestimmte Staaten durch Verordnung als sichere Herkunftsstaaten definieren. Gemäß § 1 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, gilt die Republik Georgien als sicherer Herkunftsstaat.
II.3.1.1. Gem. Art. 37 der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zum gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes können die Mitgliedstaaten zum Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz Rechts- und Verwaltungsvorschriften beinhalten oder erlassen, die im Einklang mit Anhang I zur RL sichere Herkunftsstaaten bestimmen können. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat bestimmt werden kann, werden verschiedene Informationsquellen, insbesondere Informationen anderer Mitgliedstaaten, des EASO, des UNHCR, des Europarates und anderer einschlägiger internationaler Organisationen herangezogen.
Gem. dem oben genannten Anhang I gilt ein Staat als sicherer Herkunftsstaat, wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind.
Bei der entsprechenden Beurteilung wird unter anderem berücksichtigt, inwieweit Schutz vor Verfolgung und Misshandlung geboten wird durch
a) die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Staates und die Art und Weise ihrer Anwendung;
b) die Wahrung der Rechte und Freiheiten nach der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und/oder dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und/oder dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention keine Abweichung zulässig ist;
c) die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung nach der Genfer Flüchtlingskonvention;
d) das Bestehen einer Regelung, die einen wirksamen Rechtsbehelf bei Verletzung dieser Rechte und Freiheiten gewährleistet.
Artikel 9 der Richtlinie 2011/95/EU definiert Verfolgung wie folgt:
„1) Um als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten, muss eine Handlung
a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, oder
b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne von Absatz 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen, und
f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Gemäß Artikel 2 Buchstabe d muss eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 genannten Gründen und den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen.“
Aus dem Grundsatz, wonach, wann immer nationale Behörden oder Gerichte Recht anwenden, das Richtlinien umsetzt, diese gemäß der richtlinienkonformen Interpretation dazu verhalten sind, "das zur Umsetzung einer Richtlinie erlassene nationale Recht in deren Licht und Zielsetzung auszulegen" (VfSlg. 14.391/1995; zur richtlinienkonformen Interpretation siehe weiters VfSlg. 15.354/1998, 16.737/2002, 18.362/2008; VfGH 5.10.2011, B 1100/09 ua.) ergibt sich, dass davon ausgegangen werden kann, dass sich der innerstaatliche Gesetzgeber und in weiterer Folge die Bundesregierung als zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung berufenes Organ bei der Beurteilung, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat gelten kann, von den oa. Erwägungen leiten lässt bzw. ließ. Hinweise, dass die Republik Österreich entsprechende Normen, wie etwa hier die Herkunftssaaten-Verordnung, in ihr innerstaatliches Recht europarechtswidrig umsetzt, bestehen nicht, zumal in diesem Punkt kein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich anhängig ist bzw. eingeleitet wurde (vgl. Art. 258 f AEUV).
Der VfGH (Erk. vom 15.10.2014 G237/03 ua. [dieses bezieht sich zwar auf eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung des § 19 BFA-VG, ist aber nach Ansicht des ho. Gerichts aufgrund der in diesem Punkt im Wesentlichen unveränderten materiellen Rechtslage nach wie vor anwendbar]) stellt in Bezug auf die innerstaatliche Rechtslage ua. fest, dass der Regelung des AsylG durch die Einführung einer Liste von sicheren Herkunftsstaaten kein Bestreben des Staates zu Grunde liegt, bestimmte Gruppen von Fremden kollektiv außer Landes zu schaffen. Es sind Einzelverfahren zu führen, in denen auch über die Sicherheit des Herkunftslandes und ein allfälliges Refoulement-Verbot endgültig zu entscheiden ist. Dem Gesetz liegt - anders als der Vorgangsweise im Fall Conka gegen Belgien (EGMR 05.02.2002, 51564/1999) - keine diskriminierende Absicht zu Grunde. Die Liste soll bloß der Vereinfachung des Verfahrens in dem Sinne dienen, dass der Gesetzgeber selbst zunächst eine Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall vornimmt. Sicherheit im Herkunftsstaat bedeutet, dass der Staat in seiner Rechtsordnung und Rechtspraxis alle in seinem Hoheitsgebiet lebenden Menschen vor einem dem Art 3 EMRK und der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechenden Verhalten seiner Behörden ebenso schützt wie gegen die Auslieferung an einen "unsicheren" Staat. Das Schutzniveau muss jenem der Mitgliedstaaten der EU entsprechen, was auch dadurch unterstrichen wird, dass die anderen sicheren Herkunftsstaaten in § 6 Abs. 2 AsylG [Anm. a. F., nunmehr § 19 Abs. 1 und 2 BFA-VG] in einem Zug mit den Mitgliedstaaten der EU genannt werden.
Die Einführung einer Liste sicherer Herkunftsstaaten führte zu keiner Umkehr der Beweislast zu Ungunsten eines Antragstellers, sondern ist von einer normativen Vergewisserung der Sicherheit auszugehen, soweit seitens des Antragstellers kein gegenteiliges Vorbringen substantiiert erstattet wird. Wird ein solches Vorbringen erstattet, hat die Behörde bzw. das ho. Gericht entsprechende einzelfallspezifische amtswegige Ermittlungen durchzuführen.
Aus dem Umstand, dass sich der innerstaatliche Normengeber im Rahmen einer richtlinienkonformen Vorgangsweise und unter Einbeziehung der allgemeinen Berichtslage zum Herkunftsstaat der bP ein umfassendes Bild über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Georgien verschaffte, ist ableitbar, dass ein bloßer Verweis auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat, bzw. die Vorlage von allgemeinen Berichten grundsätzlich nicht geeignet ist, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher geeignet ist, von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abzuweichen (das ho. Gericht geht davon aus, dass aufgrund der in diesem Punkt vergleichbaren Interessenslage die Ausführungen des VwGH in seinem Erk. vom 17.02.1998, Zl. 96/18/0379 bzw. des EGMR, Urteil Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77 sinngemäß anzuwenden sind, zumal sich die genannten Gerichte in diesen Entscheidungen auch mit der Frage, wie allgemeine Berichte im Lichte einer bereits erfolgten normativen Vergewisserung der Sicherheit [dort von sog. „Dublinstaaten“] zu werten sind).
Die Festlegung eines Staates als sicherer Herkunftsstaat spricht für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden dieses Staates (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0050; VwGH 10.8.2017, Ra 2017/20/0153, 0154; 29.5.2018, Ra 2017/20/0388; 6.11.2018, Ra 2017/01/0292). Es bleibt aber diesfalls einem Fremden unbenommen, fallbezogen spezifische Umstände aufzuzeigen, die ungeachtet dessen dazu führen können, dass geschützte Rechte im Fall seiner Rückführung in nach dem AsylG 2005 maßgeblicher Weise verletzt würden (vgl. in diesem Sinn VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0233)
II.3.1.2. Auf den konkreten Einzelfall umgelegt bedeutet dies, dass im Rahmen einer verfassungs- und richtlinienkonformen Interpretation der hier anzuwendenden Bestimmungen davon ausgegangen werden kann, dass sich die Bundesregierung im Rahmen einer normativen Vergewisserung ein umfassendes Bild von der asyl- und abschiebungs-relevanten Lage in der Republik Georgien unter Einbeziehung der unter II.2.3. erörterten Quellen verschaffte und zum Schluss kam, dass die Republik Georgien die unter Anhang I der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und den im Erk. des VfGH vom 15.10.20014 G237/03 ua. genannten Kriterien erfüllt. Ebenso kann in Bezug auf jene Menschen, welche sich im von der georgischen Zentralregierung kontrollierten Territorium aufhalten, davon ausgegangen werden, dass der Herkunftsstaat der bP gewillt und befähigt ist, entsprechende Maßnahmen zu setzen, um sie nachhaltig vor Übergriffen Dritter zu schützen.
Aufgrund dieser normativen Vergewisserung besteht für die bB bzw. das ho. Gericht die Obliegenheit zur amtswegigen Ermittlung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage nur insoweit, als seitens der bP ein konkretes Vorbringen erstattet wird, welches im konkreten Einzelfall gegen die Sicherheit des Herkunftsstaates spricht und der bB bzw. dem ho. Gericht im Lichte der bereits genannten Kriterien die Obliegenheit auferlegt, ein entsprechendes amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen. Diese Obliegenheit wurde seitens der bB jedenfalls erfüllt. Das Vorbringen der bP war nicht geeignet, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher die Annahme zuließe, dass ein von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abweichender Sachverhalt vorliegt. Die Behörde bzw. das ho. Gericht waren in diesem Zusammenhang auch nicht verpflichtet, Asylgründen nachzugehen, die der Antragsteller gar nicht behauptet hat, sondern ergibt sich der maßgebliche Sachverhalt (§ 37 AVG) im Wesentlichen aus der Begründung des Antrages (Erk. des VfGH vom 15.10.2014 G237/03 ua mit zahlreichen wN) und liegt auch kein notorisch bekannter Sachverhalt vor, welcher über das Vorbringen der bP hinausgehend noch zu berücksichtigen wäre.
II.3.1.3. Es steht außer Zweifel, dass das ho. Gericht gehörig kundgemachte Gesetze und Verordnungen anzuwenden hat, weshalb es § 19 AsylG, sowie die Herkunftsstaaten-Verordnung selbstredend anzuwenden hat.
Auch sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass in Bezug auf die innerstaatliche Umsetzung des Art. 37 der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zum gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes in Bezug auf die Republik Österreich kein Vertragsverletzungsverfahren anhängig ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
II.3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht, oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.
II.3.2.2. Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" (Englisch: "for reasons of"; Französisch: "du fait de") der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl VwGH 15.3.2001, 99/20/0134).
Eine inländische Fluchtalternative ist nur dann gegeben, wenn sie vom Asylwerber in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann (vgl VwGH 19.10.2006, 2006/19/0297 mwN). Herrschen am Ort der ins Auge gefassten Fluchtalternative Bedingungen, die eine Verbringung des Betroffenen dorthin als Verstoß gegen Art 3 EMRK erscheinen lassen würden, so ist die Zumutbarkeit jedenfalls zu verneinen (vgl VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534).
II.3.2.3. Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war das Vorbringen des BF geprägt von Widersprüchen, vagen und nicht plausiblen Angaben, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr „Status eines Asylberechtigten“] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).
Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die vom BF behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.
Auch die allgemeine Lage ist im Herkunftsstaat nicht dergestalt, dass sich konkret für den BF eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde.
Auch In Bezug auf den Zugang zum Gesundheitssystem des Herkunftsstaates kann nicht festgestellt werden, dass sich die Leistungen des Gesundheitssystems aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund für den BF schlechter darstellen, als dies für die sonstige dortige Bevölkerung der Fall ist, oder dass ihm aufgrund eines solchen Motivs der Zugang zur medizinischen Versorgung wesentlich erschwert oder verunmöglicht wird.
Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des BF keine glaubhaften Anhaltspunkte dafür, dass der BF bei einer Rückkehr nach Georgien maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).
Es sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass es sich beim Herkunftsstaat des BF um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaaten-Verordnung handelt, von dem aufgrund der normativen Vergewisserung seiner Sicherheit anzunehmen ist, dass er auf seinem Territorium Schutz vor Verfolgung bietet.
Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem BF keine Verfolgung aus in den in der GFK genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.
Auch mangelt es dem Fluchtvorbringen – unterstellte man es als wahr – und der Ausreise an Aktualität.
Die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht wird in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; dazu auch VwGH 19.10.2000, 98/20/0430). Ein Zusammenhang zwischen der Ausreise des BF im Jahr 2009 und den behaupteten Ereignissen in den Jahren 2000, 2002, 2006 bis spätestens 2008 konnte nicht festgestellt werden und fehlt es dem Vorbringen daher schon an einem zeitlichen und kausalen Zusammenhang.
Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
II.3.3. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
II.3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
II.3.3.2. Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des BF in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak mit sich bringen würde.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit weiteren Nachweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236 mwN).
Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016, mwN).
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).
Thurin (Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung² (2012), 203) fasst die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des EGMR dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem "realen Risiko" und einer "bloßen Möglichkeit" prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von "special distinguishing features" zu erblicken ist, die auf ein "persönliches" ("personal") und "vorhersehbares" ("foreseeable") Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen ("most extreme cases") wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden ("real and imminent") Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.
Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 Asyl 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU ) und umfasst – wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkannt hat – eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH vom 17. Februar 2009, C- 465/07, Elgafaji, und vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016, mwN).
Nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde – obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden ist (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137). Unter Darstellung der maßgebenden persönlichen Verhältnisse des Fremden (insbesondere zu seinen finanziellen Möglichkeiten und zum familiären und sonstigen sozialen Umfeld) ist allenfalls weiter zu prüfen, ob ihm der Zugang zur notwendigen medizinischen Behandlung nicht nur grundsätzlich, sondern auch tatsächlich angesichts deren konkreter Kosten und der Erreichbarkeit ärztlicher Hilfsorganisationen möglich wäre (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137 unter Hinweis auf VwGH 17.12.2003, 2000/20/0208).
II.3.3.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:
Im gegenständlichen Fall ist es dem BF nicht gelungen, eine individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen und er gehört auch keiner Personengruppe mit speziellem Risikoprofil an, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.
Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde er somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen in Bezug auf Georgien nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Georgien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059). Einerseits hat der BF selbst nicht vorgebracht, dass ihm dort jegliche Existenzgrundlage fehlen würde, andererseits besteht nach dem festgestellten Sachverhalt auch kein Hinweis auf „außergewöhnliche Umstände“, welche eine Rückkehr des BF unzulässig machen könnten.
Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.
Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird festgehalten, dass dieser in Georgien über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann mit Berufserfahrung als Automechaniker und diversen Gelegenheitsjobs, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt wird. Der BF gehört auch keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf seine individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
Im Herkunftsland leben der Vater und Geschwister des BF, die Familie verfügt über ein Haus und der BF steht mit seiner Familie regelmäßig in Kontakt. Der BF wurde in Österreich durch seinen in Georgien lebenden Cousin väterlicherseits finanziell unterstützt und ist davon auszugehen, dass der BF auch in Georgien von seinem Cousin finanziell unterstützt wird. Es erscheint daher eine Rückkehr des BF in seine Heimatregion nicht grundsätzlich ausgeschlossen und aufgrund seiner individuellen Situation insgesamt auch zumutbar. Es ist vor dem Länderhintergrund daher nicht erkennbar, dass er nicht für seinen Lebensunterhalt sorgen bzw. in eine aussichtslose Notlage geraten könnte. Dem Vorbringen des BF sind keine Gründe zu entnehmen, warum ihm bei einer Rückkehr nach Georgien die notwendigste Lebensgrundlage entzogen werden würde und er in eine existenzielle Notlage geraten sollte.
Soweit der BF seinen Gesundheitszustand thematisiert wird festgehalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. die Beschlüsse des VwGH vom 21. Februar 2017, Ro 2016/18/0005 und Ra 2017/18/0008 bis 0009, unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien; auch Beschluss des VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038; siehe auch Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“]; Erk. d. VfGH 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9). Bloß spekulative Überlegungen über einen fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung sind ebenso unbeachtlich wie eine bloße Minderung der Lebensqualität bzw. eine schlichte Verkürzung der Lebenserwartung (Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05).
Die genannten allgemeinen Ausführungen gelten auch beim Vorliegen psychischer Erkrankungen bzw. Störungen. Zur Verdeutlichung der vom EGMR gesetzten Schwelle sei hier auf die Application no. 7702/04 by SALKIC and others against Sweden hingewiesen, wo die Zulässigkeit der Abschiebung schwer traumatisierter und teilweise suizidale Tendenzen aufweisende Bosnier nach Bosnien und Herzegowina bejaht wurde, wobei hier wohl außer Streit gestellt werden kann, dass das bosnische Gesundheitssystem zum Zeitpunkt der Entscheidung dem schwedischen qualitätsmäßig jedenfalls nicht unerheblich unterlag.
Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress") ist nicht entscheidend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes „real risk“.
Letztlich sei auch darauf hingewiesen, dass die bP aus juristischer Sicht Beeinträchtigungen der Gesundheit hinzunehmen hat, welche von Angehörigen eines medizinischen bzw. therapeutischen Berufes jedenfalls abzulehnen sind, nämlich genau jene, welche zwar aus medizinisch-therapeutischen Sicht eine Beeinträchtigung bzw. ein Hindernis zur (Wieder)herstellung der Gesundheit darstellen können, aber noch keinen Eingriff in die in Art. 3 EMRK genannten Rechte darstellen.
Im vorliegenden Fall konnten somit seitens des BF keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung in den Herkunftsstaat belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich.
Hinsichtlich der Behandlungskosten ist auf die diesbezüglichen Ausführungen im Ländebericht hinzuweisen, wonach Behandlungskosten, die von Patienten selber getragen werden müssen, bei der zuständigen Kommission des Ministeriums um Kostenersatz angesucht werden kann. Die Unterstützungsleistungen hängen sowohl von der Art der Erkrankung bzw. Therapie als auch von der Bedürftigkeit der Person selbst ab. Bei manchen Therapien gibt es z.B. für "Veteranen" 100% Vergütung, bei anderen Erkrankungen nur 50% oder gar keine Unterstützung. Manches Mal sind die Unterstützungsleistungen auch zeitlich begrenzt. Aus diesem Grund muss betreffend Unterstützung bei Behandlungskosten jede Erkrankung/Medikament/Therapie separat betrachtet werden (VB 13.1.2021). Wie bereits oben erwähnt, ist der BF in der Lage zu arbeiten und kann auch auf Unterstützungsleistungen durch seine selbstständigen Cousins zurückgreifen. In der mündlichen Verhandlung beschrieb sich der Beschwerdeführer selbst als arbeitsfähig (VHS Seite 7).
Im gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass der BF vom Zugang zu medizinsicher Versorgung im Herkunftsstaat ausgeschlossen wäre und bestehen auch keine Hinweise, dass die seitens der bP beschriebenen Krankheiten nicht behandelbar wären. Auch faktische Hindernisse, welche das Fehlen eines Zugangs zur medizinischen Versorgung aus in den Personen des BF gelegenen Umständen, kamen nicht hervor. Behandlungsmöglichkeiten für den BF sind in Georgien gegeben und hat der BF – unter Inanspruchnahme von Unterstützung durch nahe Angehörige und ihm zumutbaren Anstrengungen (er bezeichnet sich selbst als arbeitsfähig) – auch Zugang zu solchen Behandlungen.
Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich als Abschiebestaat in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso Erk. des AsylGH vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E mwN).
Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse wird befriedigen können und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten wird und dass er nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in seinem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiärem Schutz ausscheidet.
Gemäß § 52a BFA-VG kann auch eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für einen Neubeginn im Heimatland gewährt werden. Rückkehrer werden auf Basis dieser gesetzlichen Grundlage vom ersten Informationsgespräch bis zur tatsächlichen Rückreise in einer Einrichtung beraten, begleitet und umfassend unterstützt. Es ist dem BF freigestellt, sich dieser Rückkehrhilfe zu bedienen. Es wäre somit auch damit gewährleistet, etwaige „Startschwierigkeiten“ abfedern zu können.
Wenn auch in Georgien eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich besteht, so ist in einer Gesamtbetrachtung, unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation, festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage im Herkunftsstatt, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, für den BF nicht gesprochen werden kann.
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 und Nr. 13 verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
II.3.4. Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides):
II.3.4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der gegenständlich gestellte Antrag auf internationalen Schutz ist abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt des BF im Bundesgebiet (mehr) vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG. Der Aufenthalt des BF ist auch nicht geduldet und es liegen keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich auch nichts dargetan.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der BF ist Staatsangehöriger von Georgien und somit kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher war gegenständlich gemäß § 52 Abs. 2 FPG grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung vorgesehen.
II.3.4.2. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Unter der Schwelle des § 50 FPG kommt den Verhältnissen im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens Bedeutung zu, sodass etwa "Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder bei Sozialleistungen" in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen sind (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 unter Hinweis auf VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Bei der Interessenabwägung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101) auch ein Vorbringen zu berücksichtigen, es werde eine durch die Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Fremden, insbesondere die deutliche Verschlimmerung psychischer Probleme, eintreten (vgl. VwGH 11.10.2005, 2002/21/0132; 28.03.2006, 2004/21/0191; zur gebotenen Bedachtnahme auf die durch eine Trennung von Familienangehörigen bewirkten gesundheitlichen Folgen VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093). Bei dieser Interessenabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 31.01.2013, 2012/23/0006).
II.3.4.3. Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. VwGH Ra 2016/22/0056).
Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).
Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058).
Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0058; VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070 unter Hinweis auf VwGH 21.01.2016, Ra 2015/22/0119; 10.05.2016, Ra 2015/22/0158; 15.03.2016, Ra 2016/19/0031).
Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf VwGH 25.02.2010, Zl. 2009/21/0070, wonach selbst bei einem rund achtjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet, einer Berufstätigkeit des BF, dem Erlernen der deutschen Sprache, der Unbescholtenheit des BF, dem Vorhandensein eines Freundes- und Bekanntenkreises sowie Verwandten in Österreich und fehlendem Kontakt ins Herkunftsland, die persönlichen Interessen nicht die öffentlichen Interessen überwiegen, wenn die integrationsbegründenden Umstände während eines Aufenthaltes erworben wurden, der sich auf einen nicht berechtigten Asylantrag gründet.
Ebenso auch VwGH 23.03.2010, Zl. 2010/18/0038, im Falle eines Asylwerbers mit siebenjährigem Aufenthalt, guten Deutschkenntnissen, Unbescholtenheit und beruflicher Integration. Auch in diesem Fall wurde dem Vorbringen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich während seines mehrjährigen Aufenthaltes zu Recht entgegengehalten, dass der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers während seines gesamten Aufenthaltes als unsicher anzusehen war.
Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch noch auf die rezente höchstgerichtliche Judikatur zur Zurückweisung einer Revision im Falle eines Asylwerbers mit mehr als siebenjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet, abgeschlossener Lehre und Berufstätigkeit als Koch, Deutschkenntnissen auf dem Niveau B2, einem sozialen Netz an Freunden, 10monatiger eheähnliche Beziehung, keinen Kontakten zur Familie im Herkunftsstaat, Unbescholtenheit sowie Selbsterhaltungsfähigkeit während des Großteils des Verfahrens. Der VwGH hob besonders hervor, dass maßgeblich relativierend einzubeziehen sei, dass sich der Asylwerber seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müsse und verneinte auch angesichts der obzitierten integrationsbegründenden Faktoren die Existenz von ‚außergewöhnlichen Umständen‘ (VwGH 04.02.2020, Ra 2020/14/0026-5 mit Verweis auf VwGH 12.12.2019, Ra 2019/14/0242; 25.06.2019, Ra 2019/14/0260, VwGH 02.12.2019, Ra 2019/14/0408).
II.3.4.4. Für den konkreten Fall bedeutet dies:
Den Angaben des BF in der hg. Beschwerdeverhandlung zufolge ist der BF ledig und hat in Österreich keine Verwandten. Es ist daher von keinem Familienleben des BF in Österreich auszugehen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben des BF eingreifen.
Der Aufenthalt des BF in Österreich seit seiner angenommenen illegalen Einreise Sommer 2014 (vgl. OZ 2), somit seit mehr als acht Jahren war vorerst illegal und beruhte anschließend ab 30.07.2015 auf einem Folgeantrag auf internationalen Schutz, der sich als nicht berechtigt erwiesen hat. Das Gewicht eines zwischenzeitig entstandenen Privatlebens wird somit schon dadurch gemindert, dass sich der BF nicht darauf verlassen konnte, sein Leben auch nach Beendigung des Asylverfahrens in Österreich fortführen zu können, er sich also im Zeitpunkt, in dem das Privatleben entstanden ist, seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste.
Auch wenn weder das Gesetz noch die Judikatur eine fixe Aufenthaltsdauer nennen, um diese im Lichte des Art. 8 EMRK relevant erscheinen zu lassen, ist darauf hinzuweisen, dass die im gegenständlichen Fall vorliegende Aufenthaltsdauer in Zusammenschau mit den Integrationsschritten des BF nicht ausreichend ist. Zur Zulässigkeit der Ausweisung trotz langjährigem Aufenthalt in Österreich ist insbesondere auf folgende höchstgerichtliche Rechtsprechung hinzuweisen: VwGH 30.04.2009, 2008/21/0307, wonach bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs 1 FrPolG 2005 der Umstand, dass sich die Fremden während der langen Dauer ihrer Asylverfahren der Ungewissheit ihres weiteren rechtlichen Schicksals bewusst gewesen sein mussten, von Bedeutung ist. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes und der mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit kann dem Aufbau eines Freundeskreises, dem Erwerb deutscher Sprachkenntnisse und der Unbescholtenheit der Fremden kein entscheidendes Gewicht zukommen (mit Hinweis auf E 17. März 2009, 2008/21/0089).
Die Dauer des gegenständlichen Verfahrens ist zwar als verhältnismäßig lang zu werten, was dem BF auch nicht anzulasten ist; sie übersteigt aber in Anbetracht der hohen Fluchtbewegungen in den letzten Jahren auch (noch) nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ erscheinen zu lassen (vgl.VfGH 12.06.2013, U485/2012 mHa VfSlg. 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Butt gegen Norwegen, Appl. 47017/09).
Auch nach der mündlichen Verhandlung kann zu keinem anderen Ergebnis – als jenem des BFA – gelangt werden.
So geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, dass der BF selbsterhaltungsfähig wäre bzw. ernsthafte und taugliche Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit unternommen hätte. Auch war der BF nicht regelmäßig karitativ tätig. Nur wenn ihn jemand um seine Hilfe gebeten hat, hat er geholfen. Ein wirkliches Engagement ist darin nicht zu erkennen.
Der BF verfügt trotz seines mehr als achtjährigen Aufenthaltes lediglich über rudimentäre Deutschkenntnisse. Der BF hat zwar einen A1 Kurs besucht, jedoch keine Prüfung abgelegt und auch keine weiteren Deutschkurse besucht. Wie festgestellt, reichen die Deutschkenntnisse des BF für eine Unterhaltung im Alltag nicht aus. Außer zur Psychotherapie alle zwei Wochen und zum Zahnarzt hält er sich hauptsächlich in seiner Unterkunft auf (VHS S. 7).
Der erkennende Richter verkennt auch nicht, dass sich der BF während seines Aufenthaltes in Österreich ein Privatleben aufgebaut hat, doch ist dieses Privatleben auch der Dauer des Aufenthaltes geschuldet. Der BF musste sich bei seinem Aufenthalt im Bundesgebiet stets seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein. Dem BF musste angesichts der insgesamt acht gestellten Anträge auf internationalen Schutz sowie dass er von Österreich wiederholt in die Slowakei abgeschoben wurde, seines unsicheren Aufenthaltes in Österreich bewusst sein und dass er sich nicht darauf verlassen konnte, sein Leben auch nach Beendigung des Asylverfahrens in Österreich fortsetzen zu können. Auch die Zehnjahresgrenze – nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen – wird im gegenständlichen Fall unterschritten.
Eine berücksichtigungswürdige Integration des BF in Österreich konnte demzufolge nicht festgestellt werden und es besteht – trotz mehr als achtjährigem Aufenthalt in Österreich – keine derartige Verdichtung der persönlichen Interessen, dass dem BF deshalb unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste, zumal das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. VwGH Ra 2016/22/0056, 03.10.2017).
Der BF verbrachte den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens in Georgien, wurde dort sozialisiert und spricht Georgisch auf muttersprachlichem Niveau und war bereits im Herkunftsland erwerbstätig. Familienmitglieder des BF sind im Herkunftsland des BF aufhältig und der BF steht mit ihnen in Kontakt. Daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine Entwurzelung vom Herkunftsstaat stattgefunden hat und ist – im Vergleich zu Österreich – von einer deutlich stärkeren Bindung des BF zu Georgien auszugehen. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass es dem BF schon aufgrund seiner beruflichen Qualifikation (Berufserfahrung als Automechaniker) bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat möglich sein sollte, sich dort wiederum eine Existenzgrundlage zu schaffen (vgl. VwGH vom 02.12.2019, Ra 2019/14/0408). Auch ist davon auszugehen, dass der BF von seinem Cousin väterlicherseits, wie bereits in Österreich, auf finanzielle Unterstützung zählen kann.
Das Privatleben des BF in Österreich ist dem mittlerweile achtjährigen Aufenthalt in Österreich geschuldet und wird – wie bereits ausgeführt – dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war.
Das BVwG kann auch sonst keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr des BF erkennen und wären im Übrigen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsland – letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Reise nach Österreich – im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.04.2010, 2009/21/0055).
Weiters ist im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen, dass der BF in Österreich straffällig wurde. Er wurde mit Urteil vom 6.6.2013 wegen §§ 127, 128 (1) Z 4, 129 Z 1, 130 4. Fall StGB § 15 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 16 Monate bedingt auf drei Jahre) und mit Urteil vom 28.04.2015 wegen § 15 StGB 141 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von einer Woche, (bedingt auf drei Jahre) verurteilt. Das BVwG berücksichtigt, dass die Verurteilung schon 9 Jahre zurückliegt, der BF die unbedingte Strafe von 8 Monaten bereits verbüßt hat und der weitere Teil der Freiheitsstrafe mittlerweile nachgesehen wurde. Jedoch hat ihn dies nicht davon abgehalten, 2015 neuerlich straffällig und verurteilt zu werden, wenn auch nur wegen einer vergleichsweise weniger schwerwiegenden Straftat.
Zu Lasten eines Fremden ins Gewicht fallen demnach rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/0164 mwN, wonach das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).
Insgesamt vermochte der BF zum Entscheidungszeitpunkt keine entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet dartun, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen des BF an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat führen könnte.
Der BF reiste nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet ein, was grds. als relevanter Verstoß gegen das Einwanderungsrecht in die Interessensabwägung einzubeziehen ist (vgl. zB. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0165; 25.02.2010, 2009/21/0070).
Da ihm weder der Status eines Asylberechtigten noch der eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise (bei strafmündigen Personen) auch gegenständlich grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs. 7 FPG). Erschwerend kommt hinzu, dass der BF, trotzdem er von Österreich immer wieder in die Slowakei abgeschoben wurde (VHS S. 10), illegal in das Bundesgebiet einreiste und einen Folgeantrag stellte.
Der BF legalisierte seinen Aufenthalt erst durch die wiederholte Stellung des Antrages auf internationalen Schutz, der sich letztlich als unbegründet erwies.
Dem bei Antragstellung volljährigen BF musste klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist.
Die Dauer des Asylverfahrens beträgt bislang mehr als 8 Jahre und war dies in erster Linie bedingt durch die Flüchtlingswelle der Jahre 2015 und 2016.
Zusammenfassend sprechen folgende Aspekte für eine bestehende Integration und ein schützenswertes Privatleben des BF: Aufenthaltsdauer und Aufbau eines Bekanntenkreises.
Unter Abwägung der Interessen und in wertender Gesamtschau überwiegen allerdings folgende öffentlichen Interessen, die gegen einen Aufenthalt der BF in Österreich sprechen: illegale Einreise; unsicherer Aufenthalt; auf Asylrecht gegründeter Aufenthalt, der sich auf nicht glaubhaftes Vorbringen stützte, trotz achtjährigem Aufenthalt in Österreich keine Selbsterhaltungsfähigkeit und keine ausreichend deutschen Sprachkenntnisse, wiederholte strafrechtliche Verurteilungen.
Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalen Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).
Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Inhalt des Fremdenrechtspakets 2005 und den danach folgenden Novellierungen klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für den Beschwerdeführer grundsätzlich nicht mehr möglich, seinen Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem Beschwerdeführer gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus offensteht, sodass ihn mit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Rückkehrentscheidung bedarf.
Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privatleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass einwanderungswillige Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Asylantragstellung, allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet, in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrages unterlassen und in rechtskonformer Art und Weise vom Ausland aus ihren Antrag auf Erteilung eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels stellen, sowie die Entscheidung auch dort abwarten, letztlich schlechter gestellt wären, als jene Fremde, welche, einer geordneten Zuwanderung widersprechend, genau zu diesen verpönten Mitteln greifen, um ohne jeden sonstigen anerkannten Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich zu erzwingen bzw. zu legalisieren. Dies würde in letzter Konsequenz wohl zu einer unsachlichen Differenzierung der einwanderungswilligen Fremden untereinander führen (vgl. Estoppel-Prinzip bzw. auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007) und würde angesichts der Publizitätswirksamkeit der Asylentscheidungen wohl den Nachzieheffekt für andere einwanderungswillige Fremde in Richtung nicht rechtmäßiger Zuwanderung in Verbindung mit rechtsmißbräuchlicher, unbegründeter Asylantragstellung verstärken.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
II.3.4.5. Mit der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (vgl. VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).
Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Gemäß § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF ist im gegenständlichen Fall gegeben, da nach den die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.
II.3.4.6. Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 02.09.2019 die aufschiebende Wirkung zuerkannt, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides bereits erledigt ist und die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen war, als nunmehr eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise vorzusehen ist (vgl. VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/014, wonach § 55 Abs. 1a FPG nur dann anzuwenden ist, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde von der Verwaltungsbehörde aberkannt und vom Verwaltungsgericht nicht innerhalb der Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014 wieder zuerkannt wird). Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Die eingeräumte Frist ist angemessen.
II.3.4.7. Anzumerken ist, dass die Vollziehung der Außerlandesbringung in die Zuständigkeit des BFA fällt und diesbezüglich die aktuellen Umstände (Corona-Pandemie) entsprechend zu berücksichtigen sind.
II.3.4.8. Zu Spruchpunkt VIII. - Einreiseverbot
Das Bundesamt verhängte ein Einreiseverbot für die Dauer von 6 Jahren und stützte dies auf § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG. Die Beschwerde macht insoweit keine substantiierten Einwendungen.
II.3.4.9. Einreiseverbot:
II.3.4.9.1. Gesetzliche Grundlagen
§ 53 Abs. 1 und 2 FPG idgF lautet:
"§ 53 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
[…]"
2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;
8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder
9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237 zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 anzunehmen.
In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinne der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht. Zudem ist festzuhalten, dass - wie schon nach bisheriger Rechtslage (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603) - in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrundeliegende Verhalten (arg.: Einzelfallprüfung) abzustellen ist. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild; darauf kommt es bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots an.
§ 53 Abs. 3 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Bundesverwaltungsgericht diese auch nach wie vor als anwendbar. Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 3 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (VwGH 2012/18/0230, 19.02.2013)
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Das Bundesamt stützte das Einreiseverbot auf den Tatbestand des § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Z. 1 FPG, weil die beschwerdeführende Partei von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt worden ist.
Das Bundesamt führte begründend an, dass aus der gegebenen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monaten bedingt, der weiterer Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle. Der BF ist trotz Wahrheitsbelehrung vor den österreichischen Behörden mit verschiedenen Alias-Identitäten in Erscheinung getreten.
Die bP zeigte bei den Tathandlungen (zu Verurteilung vom 06.06.2013), dass sie offenbar dazu neigt, sich durch wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Mildernd wurde das teilweise Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel, die objektive Schadensgutmachung sowie dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, gewertet. Erschwerend wurde die mehrfache Tatbegehung gewertet. Das Gericht hat mit der verhängten Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe im mittleren Bereich – knapp unterhalb der Hälfte des höchstzulässigen Strafmaßes – mit 24 Monaten ausgemittelt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Handlungen des BF – Diebstahl durch Einbruch (Eindringen in den höchstpersönlichen Lebensbereich der Opfer) in gewerbsmäßiger Form als solche besonders verwerfliche Handlungen sind. Zu berücksichtigen ist weiter, dass der BF nicht einmal ein Jahr später von einem Gericht wegen des Vergehens der versuchten Entwendung zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Die Handlung ist zwar weniger strafwürdig, aber gegen das selbe Rechtsgut (wie hinsichtlich der Vorverurteilung) gerichtet. Insgesamt ergibt sich bei der bP ein Persönlichkeitsbild, das geeignet ist, sie als eine Person einzuschätzen, deren Aufenthalt im Bundesgebiet geeignet ist, eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darzustellen.
Das Bundesamt hat nach Ansicht des BVwG somit zu Recht von seinem Ermessen Gebrauch gemacht und die Höhe des Einreiseverbotes mit 6 Jahren bemessen. Sie ist damit auch unter der Höchstdauer von 10 Jahren geblieben.
Unter Zugrundelegung des konkreten Sachverhaltes erachtete die Behörde ein Einreiseverbot für die Dauer von sechs Jahren als angemessen. Dem kann seitens des BVwG nicht entgegengetreten werden.
II.3.4.10. Verlust des Rechtes zum Aufenthalt mit 06.03.2017 (Spruchpunkt IX.)
II.3.4.10.1.
§ 13 Abs. 2 AsylG lautet:
„(2) Ein Asylwerber verliert sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn
1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),
2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,
3. gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO, BGBl. Nr. 631/1975) oder
4. der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist.
Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.“
Gemäß § 73 Abs. 11 AsylG tritt die - mit BGBl. Nr. 87/2012 neu geschaffene - Bestimmung des § 13 Abs. 2 AsylG mit 01.01.2014 in Kraft. Eine Rückwirkung ist aus dem Gesetz nicht ersichtlich.
§ 2 Abs. 3 AsylG lautet:
„(3) Ein Fremder ist im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er
1. wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, oder
2. mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist rechtskräftig verurteilt worden ist.“
Hat ein Asylwerber sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren, kommt ihm gemäß § 13 Abs. 3 AsylG 2005 faktischer Abschiebeschutz zu. Das Bundesamt hat gemäß § 13 Abs. 4 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen.
Der Verlust des Aufenthaltsrechts tritt ex lege ein.
Der BF weist zwei strafrechtliche Verurteilungen auf. Die erste Verurteilung datiert vom 06.06.2013 (rk. am 06.06.2013), die zweite Verurteilung datiert vom 28.04.2015 (rk. am 05.05.2015). Da § 13 Abs. 2 AsylG zum Zeitpunkt der ersten Verurteilung noch nicht existent war – eine Rückwirkung dieser Bestimmung ist nicht ersichtlich – kann gegenständlich die erste Verurteilung nicht (allein) zur Begründung herangezogen werden. Der Verlust des Aufenthaltsrechts war folglich auf die zweite Verurteilung vom 05.05.2015 – gemäß Ziffer 2 des § 2 Abs. 3 AsylG – zu stützen.
Spruchpunkt IX. des angefochtenen Bescheides ist daher mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Verlust des Rechts zum Aufenthalt im Bundesgebiet am 05.05.2015 eintrat.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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