VwGH Ra 2015/18/0100

VwGHRa 2015/18/010015.12.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klammer, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. A A und 2. Ai A, beide in T und vertreten durch Mag. Dr. Mathis Fister, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7/III, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. März 2015, Zlen. L515 1308760-2/23E (zu 1.), L515 1308761-2/20E (zu 2.), betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §18 Abs1;
AsylG 2005 §18;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
BFA-G 2014 §5 Abs1;
BFA-G 2014 §5 Abs2 Z2;
BFA-G 2014 §5 Abs2;
BFA-G 2014 §5 Abs3;
BFA-G 2014 §5;
BFA-VG 2014 §33 Abs4;
BFA-VG 2014 §33 Abs5;
MRK Art6;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015180100.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I. Sachverhalt und Revisionsverfahren:

1. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin, ein Ehepaar mit armenischer Staatsangehörigkeit, beantragten am 1. April 2014 internationalen Schutz in Österreich.

Zur Begründung brachten sie im Wesentlichen vor, der Erstrevisionswerber sei bei der Parlamentswahl in Armenien am 6. Mai 2012 als Wahlbeobachter für eine Oppositionspartei, der er auch angehöre, tätig gewesen. Er habe in dieser Funktion zu verhindern versucht, dass bewaffnete Unterstützer der Regierungspartei ein näher bezeichnetes Wahllokal in seiner Heimatregion betreten und mitgebrachte Stimmzettel in die Wahlurne geworfen hätten. Deshalb sei er von den Regierungsanhängern vor den Augen der Polizei, die nicht eingeschritten sei, zusammengeschlagen worden. Über diesen Vorfall sei in der Zeitung und im Fernsehen berichtet worden; der Spitzenkandidat der Oppositionspartei, den der Erstrevisionswerber persönlich kenne, habe auch Anzeige bei der Polizei erstattet, die aber letztlich zu keinen Konsequenzen für die Angreifer geführt habe. Als der Erstrevisionswerber im Frühjahr 2013 eine große Demonstration für die Opposition mitorganisiert habe, hätten ihm "diese Leute" mit dem Umbringen gedroht, wenn er diese Tätigkeit nicht unterlasse. Im September 2013 habe er deshalb sein Heimatland gemeinsam mit der Zweitrevisionswerberin verlassen.

2. Mit Bescheiden vom 11. September 2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge der revisionswerbenden Parteien - mangels Glaubhaftmachung ihres Fluchtvorbringens - gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 und § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei.

3. Dagegen erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), in denen sie unter anderem die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens und/oder die Beiziehung eines Vertrauensanwaltes aus Armenien zum Beweis der Richtigkeit des Vorbringens, insbesondere zu den politischen Aktivitäten des Erstrevisionswerbers, beantragten.

3. Das BVwG richtete am 20. Oktober 2014 eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA, in der es - nach Schilderung des Vorbringens des Erstrevisionswerbers - darum ersuchte, allenfalls unter Beiziehung eines Ländersachverständigen den Sachverhalt zu erheben und zu klären, ob es zum Überfall im Wahllokal gekommen sei, ob dieser publik geworden sei, ob die Behörden eingeschritten seien und wenn ja, wie, ob der Erstrevisionswerber in den Vorfall involviert gewesen sei, ob der Spitzenkandidat der Oppositionspartei den Erstrevisionswerber und dessen Probleme kenne bzw. der Erstrevisionswerber bei der namentlich genannten Partei als Aktivist bekannt sei, ob gegen Angehörige bzw. Funktionäre dieser Partei in Armenien vorgegangen werde und ob Nachbarn des Erstrevisionswerbers insbesondere etwas über die Probleme des Erstrevisionswerbers berichten könnten.

4. In der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13. November 2014 hielt diese zunächst fest, im Rahmen der zeitlich begrenzten Internetrecherche mit den zur Verfügung stehenden Quellen keine Informationen zu den Fragen gefunden zu haben, weshalb diese an einen "Sachverständigen für Armenien" weitergeleitet worden seien. Der "Sachverständige" habe angegeben, mit dem namentlich genannten Spitzenkandidaten der Oppositionspartei über den Erstrevisionswerber gesprochen zu haben. Diesem (und auch einem anderen relevanten Parteimitglied) sei der Erstrevisionswerber nicht bekannt gewesen und es seien auch seine angeblichen politischen Aktivitäten nicht bestätigt worden. Der "Sachverständige" habe das Heimatdorf der revisionswerbenden Parteien aufgesucht und dort mit Nachbarn und Personen gesprochen, die den Erstrevisionswerber gekannt hätten. Niemand habe die angebliche Beteiligung des Erstrevisionswerbers an politischen Kundgebungen bestätigt. Überdies habe der "Sachverständige" zusammengefasst angegeben, dass es keinen Angriff auf das näher bezeichnete Wahllokal oder einen sonstigen Vorfall im Zusammenhang mit der Wahl vom 6. Mai 2012 gegeben habe. Dies sei dem "Sachverständigen" vom Spitzenkandidaten der Oppositionspartei und von Gesprächspartnern im Heimatdorf der revisionswerbenden Parteien bestätigt worden. Auch unabhängige NGOs, die die Wahl beobachtet hatten, hätten derartige Ereignisse nicht beschrieben. Schließlich gebe es auch keine Berichte über angebliche Verfolgung von Mitgliedern jener Partei, der der Erstrevisionswerber anzugehören behaupte.

5. In der mündlichen Verhandlung vom 12. Jänner 2015 wurde den revisionswerbenden Parteien die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Kenntnis gebracht. Der Erstrevisionswerber meinte in Reaktion darauf, er habe alles vorgelegt. Er verstehe nicht, dass "so etwas behauptet" werde. Die Zweitrevisionswerberin gab an, der Spitzenkandidat der Oppositionspartei sei "sogar bei uns zu Hause" gewesen. Es müsse sich daher um ein Missverständnis handeln, wenn er behaupte, dass er den Erstrevisionswerber nicht kenne. In der Verhandlung wurden - trotz Aufforderung durch den Richter - keine weiteren Beweisanträge gestellt. Nach dem Ende der Verhandlung gab der Erstrevisionswerber allerdings an, eine Bestätigung über seine politischen Aktivitäten beibringen zu wollen. Im Übrigen gab der Erstrevisionswerber zu Protokoll, Freunde aus Armenien hätten ihm gesagt, dass sein Wohnhaus zerstört worden sei. Auch sein Grundstück sei "weggenommen" worden.

6. Mit Schriftsatz vom 27. Jänner 2015 legten die revisionswerbenden Parteien eine Bestätigung des oben genannten Parteifunktionärs vor, wonach der Erstrevisionswerber Mitglied der Wahlkommission bei der Parlamentswahl vom 6. Mai 2012 gewesen sei.

7. Das BVwG übermittelte die vorgelegte Bestätigung einem Vertrauensanwalt in Armenien und ersuchte um Auskunft, ob die Urkunde authentisch sei. Überdies wurden weitere Fragen zur Verifizierung des Vorbringens der revisionswerbenden Parteien gestellt, unter anderem, ob das Wohnhaus der revisionswerbenden Parteien in Armenien zerstört und deren Grundstück okkupiert worden seien.

8. Mit Schreiben vom 11. Februar 2015 teilte der Vertrauensanwalt u.a. mit, er habe mit dem Spitzenkandidaten der Oppositionspartei, der angeblich die vorgelegte Bestätigung ausgestellt habe, gesprochen. Dieser habe angegeben, den Erstrevisionswerber nicht zu kennen, und er habe erklärt, dass die vorgelegte Bestätigung nicht von ihm stamme. Es treffe auch nicht zu, dass das Wohnhaus der revisionswerbenden Parteien zerstört worden sei; es befinde sich - wie zwei beigelegte Fotos dokumentierten - in gutem Zustand. Das landwirtschaftliche Grundstück der revisionswerbenden Parteien werde mit Zustimmung des Erstrevisionswerbers von einem Cousin bewirtschaftet.

9. Aufgrund des zu diesem Schreiben eingeräumten Parteiengehörs erklärten die revisionswerbenden Parteien mit Schriftsatz vom 5. März 2015, die Auskunft des Vertrauensanwalts sei für sie nicht nachvollziehbar. Zum Nachweis dafür, dass der Erstrevisionswerber tatsächlich in der Wahlkommission gewesen sei, würden zwei namentlich genannte Zeugen samt Anschrift im armenischen Heimatdorf der revisionswerbenden Parteien und deren Telefonnummern namhaft gemacht. Zum Nachweis der Parteimitgliedschaft des Erstrevisionswerbers werde ebenfalls ein Zeuge in Armenien samt Anschrift im Heimatdorf der revisionswerbenden Parteien und Telefonnummer bekannt gegeben. Es werde die Befragung der genannten Zeugen "im Rechtshilfeweg oder im Zuge der Einvernahme eines Vertrauensanwalts" beantragt und um Übermittlung der diesbezüglichen Einvernahmeprotokolle samt Unterfertigung durch die beantragten Zeugen gebeten.

Diesen Beweisanträgen wurde vom BVwG nicht entsprochen.

10. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien als unbegründet ab; die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht zugelassen.

Begründend führte das BVwG - soweit für das Verfahren von Relevanz ist - aus, es könne nicht festgestellt werden, dass sich der Erstrevisionswerber in Armenien in einer Art und Weise politisch engagiert habe, dass er hierdurch exponiert gewesen sei. Ebenso könne nicht festgestellt werden, dass er aufgrund des von ihm behaupteten politischen Engagements in der Vergangenheit Repressalien ausgesetzt gewesen sei bzw. nach Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit solchen ausgesetzt wäre. Beweiswürdigend stützte sich das BVwG insbesondere auf die Ausführungen des Vertrauensanwalts. Er sei Rechtsanwalt in Armenien, genieße hohe fachliche Reputation und stehe weder in einer qualifiziert engen Verbindung noch in einer Gegnerschaft zum armenischen Staat. Dem Gericht sei kein Fall bekannt, in dem sich eine ihm übergegebene Recherche im Nachhinein als unrichtig herausgestellt habe, und die revisionswerbenden Parteien hätten kein konkretes Vorbringen erstattet, welches Zweifel an der fachlichen Qualifikation des "Sachverständigen" hervorkommen hätten lassen. Aufgrund des Ergebnisses der seitens des "Ländersachverständigen" vorgenommenen Recherche vor Ort zeige sich zweifelsfrei, dass sich das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien zum behaupteten ausreisekausalen Sachverhalt als nicht glaubhaft darstelle, da weder Personen aus deren unmittelbaren Lebensumfeld noch der behauptete Parteifreund in gehobener Stellung die Tätigkeit des Erstrevisionswerbers in der Partei habe bestätigen können. Ebenso habe der vom Erstrevisionswerber beschriebene Überfall auf das "Parteilokal" (gemeint offenbar: Wahllokal) nicht stattgefunden, weshalb auch die vom Erstrevisionswerber beschriebenen, daran anknüpfenden Handlungen nicht stattgefunden haben könnten. Ergänzend sei auch auf die Berichtslage verwiesen, welcher keine aktuelle Verfolgungssituation von Mitgliedern der in Rede stehenden Oppositionspartei entnommen werden könne. Letztlich bleibe das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien zur Gänze unbescheinigt, obwohl die Vorlage von echten und unbedenklichen Bescheinigungsmitteln bei einem Minimum an Engagement - etwa durch eine Kontaktaufnahme mit der Partei, von der der Erstrevisionswerber behaupte, Mitglied zu sein - möglich gewesen wäre. Dies lasse den Schluss zu, dass kein Sachverhalt existiere, welcher zu bescheinigen wäre. Diese Einschätzung werde auch dadurch belegt, dass die revisionswerbenden Parteien auf die Vorlage einer Fälschung zurückgegriffen hätten.

Zur Stellungnahme vom 5. März 2015 und den darin gestellten Anträgen sei Folgendes anzuführen: Einleitend sei festzuhalten, dass in Jerewan keine Österreichische Botschaft existiere und die genannten Personen in der Gegenwart eines Vertrauensanwalts nicht unter Wahrheitspflicht aussagen würden, sodass deren Ausführungen nicht der Beweiswert der Aussage eines Zeugen, sondern jener einer formlosen Befragung zukäme. Der Beweiswert solcher Angaben sei am Beweiswert von Auskünften jener Personen zu messen, welche nicht der Sphäre des Erstrevisionswerbers zuzuzählen seien und die am Ausgang des Verfahrens kein Interesse hätten. Schon hieraus ergebe sich, dass den Aussagen der beantragten Zeugen ein untergeordneter Beweiswert zukäme. Die revisionswerbenden Parteien brächten auch nicht schlüssig und konkret vor, aus welchen Gründen das Ermittlungsergebnis des Vertrauensanwalts nicht nachvollziehbar sein solle und es würden in der Stellungnahme lediglich die Beweisthemen der Mitgliedschaft des Erstrevisionswerbers in der Wahlkommission sowie die Parteimitgliedschaft angesprochen. Sonstige relevante Beweisthemen, insbesondere das Nichtstattfinden des Überfalls auf das Wahllokal, die Übergriffe auf und die Bedrohung des Erstrevisionswerbers und die nicht feststellbare qualifiziert exponierte Stellung seiner Person, sowie die ermittelten Umstände etwa zur Lage der Opposition in Armenien, seien davon nicht betroffen. Daher sei auch bei Wahrunterstellung der genannten Beweisthemen keine anderslautende Entscheidung zu treffen; der Erstrevisionswerber habe auch nicht vorgebracht, den Herkunftsstaat schon wegen der Mitgliedschaft bei der Partei bzw. der Wahlkommission an sich verlassen zu haben. Ausgehend davon hätten sich im Verfahren keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grund ergeben, weshalb die Zuerkennung von Asyl ausscheide. Auch die Gewährung von subsidiärem Schutz komme aus näher dargestellten Gründen nicht in Frage. Den revisionswerbenden Parteien seien - wie näher dargestellt wurde - keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach den §§ 55 oder 57 AsylG 2005 zu erteilen gewesen, sondern es hätten gegen sie aufenthaltsbeendende Maßnahmen gesetzt werden müssen.

11. Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit ausführt, der vorliegende Fall sei insoweit besonders, als er von der Lösung einer verfahrensrechtlichen Frage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Im vorliegenden Verfahren habe der Erstrevisionswerber im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG mit Schriftsatz vom 5. März 2015 Beweisanträge zur Widerlegung der Rechercheergebnisse des Vertrauensanwalts in Armenien gestellt, denen vom BVwG nicht nachgekommen worden sei. Dabei habe sich das BVwG einer unzulässigen vorgreifenden Beweiswürdigung bedient und sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Notwendigkeit der Aufnahme von Zeugenbeweisen abgewichen.

12. Das BVwG erstattete zu dieser Revision eine Stellungnahme, in der es dem Vorwurf einer unzulässigen vorgreifenden Beweiswürdigung entgegentrat. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstattete keine Revisionsbeantwortung.

II. Rechtslage:

1. Die im Revisionsverfahren maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 70/2015 (AsylG 2005), lauten:

"Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(...)

Ermittlungsverfahren

§ 18. (1) Das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

(2) (...)

(3) Im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers ist auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen."

2. § 33 des BFA-Verfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), lautet auszugsweise:

"Internationaler Datenverkehr

§ 33. (1) (bis) (3) (...)

(4) Die Übermittlung personenbezogener Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat ist, unbeschadet Abs. 5, nicht zulässig. Daten, die erforderlich sind, um die zur Einreise notwendigen Bewilligungen zu beschaffen, dürfen jedoch übermittelt werden, wenn der Antrag - wenn auch nicht rechtskräftig - ab- oder zurückgewiesen worden ist oder dem Asylwerber ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt. Der Umstand, dass ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, darf bei einer solchen Übermittlung keinesfalls hervorkommen.

(5) Die Übermittlung personenbezogener Daten an den Herkunftsstaat für Zwecke der Sicherheitspolizei und der Strafrechtspflege ist jedoch zulässig, wenn

  1. 1. dieser ein sicherer Herkunftsstaat ist,
  2. 2. bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 27 Abs. 3 Z 2 bis 4 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde oder

    3. in erster Instanz - wenn auch nicht rechtskräftig - der Antrag auf internationalen Schutz zurück- oder sowohl in Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Der Umstand, dass ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, darf bei einer solchen Übermittlung keinesfalls hervorkommen."

    3. § 5 BFA-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015 (BFA-G), lautet auszugsweise:

    "Staatendokumentation

§ 5. (1) Das Bundesamt hat eine Staatendokumentation zu führen, in der für das Verfahren vor dem Bundesamt relevante Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen festzuhalten sind.

(2) Zweck der Staatendokumentation ist insbesondere die Sammlung von Tatsachen, die relevant sind

1. für die Beurteilung, ob Tatsachen vorliegen, die auf die Gefahr von Verfolgung im Sinne des AsylG 2005 in einem bestimmten Staat schließen lassen;

2. für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben von Asylwerbern und Fremden und

3. für die Entscheidung, ob ein bestimmter Staat sicher im Sinne der §§ 4 oder 4a AsylG 2005 oder im Sinne der des § 19 BFA-VG ist.

Die gesammelten Tatsachen sind länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten (allgemeine Analyse) und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Die Dokumentation ist in Bezug auf Fakten, die nicht oder nicht mehr den Tatsachen entsprechen, zu berichtigen. Eine allenfalls auf diese Tatsachen aufbauende Analyse ist richtig zu stellen.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht, die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und der Bundesminister für Justiz sind berechtigt, das Bundesamt im Rahmen der Staatendokumentation um die Sammlung von verfügbaren Informationen und die Auswertung von vorhandenen oder zu sammelnden Informationen zu einer bestimmten Frage im Wege der Amtshilfe zu ersuchen. Das Bundesamt hat diesem Ersuchen zu entsprechen. (...)"

4. § 46 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), der gemäß § 17 VwGVG auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anzuwenden ist, lautet:

"§ 46. Als Beweismittel kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist."

 

III. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Revision ist im Hinblick auf die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bisher nur teilweise behandelte Rechtsfrage, welche Ermittlungen von den Asylbehörden im Herkunftsstaat des Asylwerbers zu tätigen sind und wo diese ihre Grenze finden, zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Ausgehend davon ist es für das Asylverfahren charakteristisch, dass in ihm regelmäßig Sachverhalte beurteilt werden müssen, die sich im Ausland, nämlich im Herkunftsstaat des Asylwerbers zugetragen haben bzw. im Falle von dessen Rückkehr dorthin zutragen würden.

3. Hinzu kommt, dass das Asylverfahren - wie im Folgenden noch zu zeigen sein wird - nur beschränkte Möglichkeiten bietet, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren.

4. Die Flucht vor Verfolgung im Herkunftsstaat bringt es oftmals mit sich, dass der Asylwerber unvorbereitet nur die notwendigsten Dinge mit sich nehmen kann und daher auch nicht in der Lage ist, sein Fluchtvorbringen mit mitgenommenen schriftlichen Unterlagen oder anderen Beweisstücken zu belegen (vgl. UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Rz 196). Ob er sich derartige Beweismittel nachträglich noch beschaffen und den Asylbehörden zur Dartuung seines Antrages auf internationalen Schutz übergeben kann, hängt davon ab, inwieweit noch Kontakte zu Personen im Herkunftsstaat bestehen, die ihm dabei behilflich sein können, ohne sich selbst in unzumutbarer Weise der Gefahr von Verfolgung auszusetzen. Zeugen für das vorgebrachte Geschehen, die von den Asylbehörden einvernommen werden könnten, sind oft nicht verfügbar.

Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht schon in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss demnach die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht (vgl. etwa VwGH vom 26. November 1998, 98/20/0309, und vom 23. September 1998, 98/01/0224).

5. Überdies erlegt § 18 AsylG 2005 den Asylbehörden die Verpflichtung auf, in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (vgl. etwa VwGH vom 20. Oktober 2015, Ra 2015/18/0082).

6. Diese Ermittlungspflichten stehen in einem Spannungsverhältnis zu den Möglichkeiten, die den Behörden im Asylverfahren tatsächlich und rechtlich zur Verfügung stehen. Auf die Kooperation mit den Behörden des Herkunftsstaates kann nicht zurückgegriffen werden, handelt es sich dabei doch regelmäßig um jenen Staat, von dem der Asylwerber behauptet, verfolgt zu werden und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen will. Das Gesetz erlaubt es daher grundsätzlich auch nicht, personenbezogene Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat zu übermitteln (vgl. § 33 Abs. 4 BFA-VG; zu den Ausnahmen vgl. § 33 Abs. 5 BFA-VG). Dieser dem Datenschutz dienenden Bestimmung liegt erkennbar der Gedanke zugrunde, dass der potentielle Verfolgerstaat über das Schutzansuchen des Betroffenen nicht informiert werden soll, und zwar nicht zuletzt deshalb, um eine Gefährdung von im Herkunftsstaat verbliebenen Personen, die dem Asylwerber nahestehen oder mit seiner Flucht in Zusammenhang gebracht werden können, zu verhindern. Der Verwaltungsgerichtshof hat dementsprechend auch in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass es den Asylbehörden nicht frei steht, sich durch fallbezogene Anfragen an Behörden des Heimatstaates vom Wahrheitsgehalt der Behauptungen des Asylwerbers zu überzeugen (vgl. etwa VwGH vom 10. Juni 1987, 86/01/0277, vom 30. September 1987, 87/01/0165, vom 24. Jänner 1990, 89/01/0446, und vom 27. Jänner 2000, 99/20/0488).

Die Asylbehörden haben daher allgemein im Auge zu behalten, dass die von ihnen gesetzten Ermittlungsschritte das soeben angesprochene Ziel nicht konterkarieren. Ermittlungen, die unter diesem Blickwinkel dem Asylwerber schaden oder die Gefahr von Verfolgung oder eines ernsthaften Schadens für andere im Herkunftsstaat verbliebene Personen mit sich bringen können, sind daher als ungeeignet und nicht zweckdienlich im Sinn von § 46 AVG anzusehen und aus diesem Grund zu unterlassen.

7. Eigenen hoheitlichen Ermittlungen der Asylbehörden im Herkunftsstaat des Asylwerbers stehen allgemeine Prinzipien des Völkerrechts entgegen. Danach sind Staaten grundsätzlich verpflichtet, in fremden Hoheitsräumen keine Amtshandlungen ohne Genehmigung des Territorialstaates vorzunehmen (vgl. etwa Verdross, Völkerrecht (1955), 175). Dieser Grundsatz wird meist streng gehandhabt und gestattet nicht einmal eine hoheitliche Tätigkeit, die keine unmittelbare Auswirkung im Territorialstaat hat, z.B. polizeiliche Erhebungen oder amtliche Vorladungen (Reinisch (Hrsg), Handbuch des Völkerrechts5 (2013), Rz 891). Ermittlungen, die diesen Prinzipien widersprechen, sind von den Ermittlungspflichten des § 18 AsylG 2005 daher nicht umfasst und den Asylbehörden auch nicht erlaubt.

8. Davon zu unterscheiden sind jedoch zulässige allgemein gehaltene Auskünfte, die von den Asylbehörden im Wege österreichischer Vertretungsbehörden im Heimatland eines Asylwerbers eingeholt werden, zumal sie keine hoheitliche Tätigkeit im fremden Staat mit sich bringen. An solchen Erhebungen im Rahmen der Amtshilfe sind die Asylbehörden nicht gehindert (vgl. dazu bereits VwGH vom 27. Jänner 2000, 99/20/0488).

9. Aufgrund dieser eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten hat sich im Asylverfahren auch die Praxis etabliert, Erkundigungen im Herkunftsstaat des Asylwerbers über private Personen vorzunehmen, die das Vertrauen der österreichischen Vertretungsbehörden ("Vertrauensanwälte") oder der ermittelnden Asylbehörde bzw. des BVwG genießen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass es sich bei den von diesen Privatpersonen abgegebenen Stellungnahmen und Berichten um keinen Beweis durch Sachverständige im Sinn des § 52 AVG, sondern um ein Beweismittel eigener Art handelt, das auf Grund der besonderen Ermittlungsschwierigkeiten in Bezug auf asylrechtlich relevante Sachverhalte im Heimatland des Asylwerbers im Sinn des § 46 AVG geeignet und zweckdienlich sein kann. Bei dessen Würdigung sei aber stets zu berücksichtigen, dass die Qualifikation und die Vorgangsweise der ermittelnden Privatperson sich einer Kontrolle weitgehend entziehen und sie im Gegensatz zu einem Sachverständigen im Sinn des § 52 AVG auch nicht persönlich zur Verantwortung gezogen werden könne. Darauf sei in der Beweiswürdigung Bedacht zu nehmen (vgl. etwa VwGH vom 27. Jänner 2000, 99/20/0488, vom 31. Mai 2001, 2000/20/0470, vom 12. März 2002, 2000/01/0207, vom 17. Oktober 2002, 2002/20/0304, vom 20. März 2003, 2001/20/0068, vom 8. April 2003, 2002/01/0438, vom 22. Mai 2003, 99/20/0578, vom 17. Oktober 2006, 2003/20/0021, und vom 21. April 2011, 2011/01/0129).

Die Stellungnahme einer Vertrauensperson ist also kein Sachverständigengutachten, sondern ein sonstiges Beweismittel, das der freien Beweiswürdigung unterliegt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 5 zu § 46). Die Weitergabe von personenbezogenen Daten oder von Dokumenten des Asylwerbers an die Vertrauensperson ist im Übrigen nur mit dessen Zustimmung zulässig.

10. Den von diesen Privatpersonen mit Auskunftspersonen im Herkunftsstaat des Asylwerbers geführten Gesprächen kommt nicht die Qualität von Zeugeneinvernahmen zu. Es werden darüber regelmäßig auch keine Protokolle erstellt, die den Asylbehörden oder dem Asylwerber zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Ergebnisse ihrer Gespräche werden lediglich in die Stellungnahme der Vertrauensperson aufgenommen, die wiederum oft nur in Form eines Berichtes der österreichischen Vertretungsbehörde an die Asylbehörde in die Verfahrensakten Eingang findet.

11. Es ist zu betonen, dass derartige Erkundigungen im Herkunftsstaat unter Einschaltung von Privatpersonen nicht in jedem Fall "erforderlich" im Sinne des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 sind. Sie müssen insbesondere dann nicht in Erwägung gezogen werden, wenn die sonst vorhandenen Beweismittel den Sachverhalt als geklärt erkennen lassen oder dieses Beweismittel nach Lage des einzelnen Falles nicht zweckdienlich ist (§ 46 AVG). Diese Beurteilung obliegt der ermittelnden Behörde. Sie hat bei ihrer Entscheidung insbesondere zu berücksichtigen, ob Vertrauenspersonen im Herkunftsstaat tatsächlich zur Verfügung stehen, die bereit sind, die gewünschten Erkundigungen einzuholen, und ob dadurch weder sie noch andere Personen im Herkunftsstaat der Gefahr von Verfolgung oder eines ernsthaften Schadens ausgesetzt sein können.

12. Daraus folgt, dass ein Beweisantrag des Asylwerbers, bestimmte Auskunftspersonen im Herkunftsstaat durch eine Vertrauensperson befragen zu lassen, nicht zulässig ist. Die nicht hoheitliche Natur der Erkundigungen und die vor Ort zu treffende letzte Einschätzung, welche Erkundigungen gefahrlos getätigt werden können, lassen es nicht zu, der Vertrauensperson vorzugeben, mit wem sie Gespräche zu führen hat. Dem Asylwerber steht es aber frei, den Beweiswert der abgegebenen Stellungnahme der Vertrauensperson dadurch zu entkräften, dass die mangelnde Eignung der von ihr gesetzten Vorgehensweise zur Verifizierung des Sachverhalts durch substantiiertes Vorbringen (etwa zur ungeeigneten Auswahl der Gesprächspartner) dargetan wird.

13. § 5 Abs. 3 BFA-G berechtigt (unter anderem) das BVwG überdies, sich bei seinen Ermittlungen der Staatendokumentation zu bedienen, die beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu führen ist. Diese Berechtigung umfasst die Möglichkeit, die Staatendokumentation um die Sammlung von verfügbaren Informationen und die Auswertung von vorhandenen oder zu sammelnden Informationen zu einer bestimmten Frage im Wege der Amtshilfe zu ersuchen. Das Bundesamt hat diesem Ersuchen zu entsprechen. Die Verpflichtung zur Sammlung von "Informationen zu einer bestimmten Frage" kann nur im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 und 2 BFA-G gelesen werden, wonach die Aufgabe der Staatendokumentation darin gelegen ist, für das Verfahren relevante Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen festzuhalten. Die gesammelten Tatsachen sind länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form (laut den Gesetzesmaterialien "einzelfallunabhängig"; vgl. RV 1803 BlgNR 24. GP , 6) zu dokumentieren. Die Staatendokumentation soll daher nach ihrem gesetzlichen Auftrag nicht Ermittlungen dahingehend anstellen, ob sich bestimmte, vom Asylwerber behauptete Ereignisse, die für ihn fluchtauslösend gewesen sein sollen, tatsächlich ereignet haben, soweit es sich dabei nicht um solche handelt, die die Situation im Herkunftsstaat allgemein betreffen (wie beispielsweise, ob in einem Staat zu einem bestimmten Zeitpunkt Parlamentswahlen stattgefunden haben und es dabei nach den verfügbaren Quellen zu Manipulationen oder gewalttätigen Übergriffen gekommen ist). Ihre Aufgabe ist es daher im Zusammenhang mit dem vom Asylwerber erstatteten individuellen Fluchtvorbringen, den realen Hintergrund der Situation im Herkunftsstaat bereitzustellen, anhand dessen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch zu messen ist (vgl. § 5 Abs. 2 Z 2 BFA-G; aus der hg. Judikatur zur Beachtlichkeit des realen Hintergrundes für die Beweiswürdigung etwa VwGH vom 23. November 2006, 2005/20/0454, und vom 31. März 2009, 2006/20/0197, mit weiteren Nachweisen).

14. Werden die dargestellten Rechtsgrundsätze im vorliegenden Fall angewandt, so erweist sich der Vorwurf der Revision, das BVwG sei dem Beweisantrag der revisionswerbenden Parteien zu Unrecht nicht nachgekommen und es habe eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung zu Lasten der revisionswerbenden Parteien vorgenommen, im Ergebnis als unzutreffend.

Das BVwG hat im Beschwerdeverfahren umfangreiche Ermittlungstätigkeit entfaltet, um den vorgebrachten Sachverhalt zu verifizieren. Es hat insbesondere mehrfach Erkundigungen im Herkunftsstaat veranlasst, deren Übereinstimmung mit den zuvor darlegten Rechtsgrundsätzen hier nicht im Einzelnen überprüft werden muss, weil ein Beweisverwertungsverbot für die gewonnenen Beweisergebnisse von den revisionswerbenden Parteien nicht geltend gemacht wird und im Übrigen auch nicht vorläge. Das BVwG hat den revisionswerbenden Parteien mehrfach Gelegenheit gegeben, zu diesen Beweisergebnissen Stellung zu nehmen und weitere, ihren Standpunkt untermauernde Beweismittel anzuführen. Die revisionswerbenden Parteien haben dem BVwG zu diesem Zweck eine urkundliche Bestätigung über die behauptete politische Tätigkeit des Erstrevisionswerbers vorgelegt, die sich nach den weiteren Erhebungen des BVwG als unecht herausgestellt hat. Konfrontiert mit diesem Ermittlungsergebnis haben die revisionswerbenden Parteien keinen Versuch unternommen, die Authentizität der Urkunde zu belegen und darzustellen, auf welche Weise sie zu der vorgelegten Urkunde gekommen sind.

Sie haben jedoch mit Schriftsatz vom 5. März 2015 die zeugenschaftliche Befragung näher genannter Personen im Herkunftsstaat "im Rechtshilfeweg oder im Zuge der Einvernahme eines Vertrauensanwalts" zu näher umschriebenen Beweisthemen und die Übermittlung der diesbezüglichen unterfertigten Einvernahmeprotokolle beantragt. Es kann dem BVwG nicht entgegengetreten werden, wenn es diesen Beweisanträgen nicht entsprach. Die Rechtshilfeeinvernahme der namhaft gemachten Personen als Zeugen durch die Behörden des Heimatlandes oder die österreichischen Vertretungsbehörden kam nach dem bisher Gesagten nicht in Betracht (vgl. Punkte III.6. und III.7. der Erwägungen). Auch eine "Einvernahme" durch den "Vertrauensanwalt" war nicht möglich, weil eine förmliche Zeugeneinvernahme samt Protokollierung durch eine Privatperson rechtlich nicht vorgesehen ist (vgl. Punkt III.10. der Erwägungen) und ein Anspruch auf informelle Befragung der namhaft gemachten Personen durch die bereits tätig gewesene Vertrauensperson, die in dieser Form aber gar nicht beantragt worden ist, aus den unter Punkt III.12. genannten Gründen nicht in Betracht kam. Den revisionswerbenden Parteien ist es auch nicht gelungen, den Beweiswert der Stellungnahme der Vertrauensperson in relevanter Weise zu erschüttern, zumal in ihrem Schriftsatz vom 5. März 2015 nicht substantiiert dargelegt worden ist, aus welchen Gründen ein Gespräch mit den namhaft gemachten Zeugen zu den entsprechenden Beweisthemen Ergebnisse erbracht hätte, die die Auskünfte der Vertrauensperson und ihrer Gesprächspartner widerlegen hätten können.

15. Es war daher nicht rechtswidrig, wenn das BVwG den Beweisanträgen der revisionswerbenden Parteien vom 5. März 2015 nicht mehr nachgekommen ist und seine Entscheidung auf die bereits vorliegenden Beweise gestützt hat. Dementsprechend braucht auch weder auf die Überlegungen des BVwG zum Beweiswert der erzielbaren Aussagen noch darauf, ob relevante Beweisthemen bewiesen werden hätten sollen, näher eingegangen zu werden. Die Beweiswürdigung des BVwG erweist sich vielmehr insgesamt als schlüssig; die Richtigkeit der Beweiswürdigung ist im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht zu überprüfen.

16. Auf dieser Grundlage ist die Abweisung der Anträge der revisionswerbenden Parteien auf internationalen Schutz in Bezug auf den Status von Asylberechtigten nicht zu beanstanden. Auch hinsichtlich der weiteren Absprüche im angefochtenen Erkenntnis zeigt die Revision keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung des BVwG auf.

17. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, zumal bereits eine Verhandlung vor dem BVwG stattgefunden hat und eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten ließe.

Ein Kostenausspruch konnte entfallen, weil die obsiegende belangte Behörde vor dem BVwG keine Kosten verzeichnet hat.

Wien, am 15. Dezember 2015

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