OGH 6Ob192/21k

OGH6Ob192/21k6.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* AG, *, Schweiz, vertreten durch Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei d* V*gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Feststellung, Unterlassung und Zustimmung, über die Revisionen beider Parteien gegen dasUrteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. Juni 2021, GZ 3 R 44/21t‑57, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. Jänner 2021, GZ 2 Cg 34/18a‑52, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00192.21K.0406.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

I. Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 2.437,18 EUR (darin 406,20 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

II. Der Revision der Beklagten wird hinsichtlich der Spruchpunkte 1.a. und 1.b. des Berufungsurteils nicht Folge gegeben.

Hinsichtlich Spruchpunkt 2. des Berufungsurteils wird der Revision der Beklagten Folge gegeben und das Urteil dahin abgeändert, dass die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts (Spruchpunkt B.II.2. des Urteils des Erstgerichts) insoweit wieder hergestellt wird.

Hinsichtlich Spruchpunkt 3. des Berufungsurteils wird der Revision der Beklagten teilweise Folge gegeben und dieser Spruchpunkt dahin abgeändert, dass er lautet:

3. Die beklagte Partei ist schuldig, es bis zum Ablauf des 30. September 2022 zu unterlassen, in einer Generalversammlung der d* GmbH ein Aufsichtsratsmitglied zu wählen, ohne vorher Einvernehmen mit der klagenden Partei über die Person dieses Aufsichtsratsmitglieds herzustellen.

Hinsichtlich Spruchpunkt 4. des Berufungsurteils wird der Revision der Beklagten teilweise Folge gegeben und dieser Spruchpunkt teilweise bestätigt, teilweise mit Maßgabe bestätigt und teilweise abgeändert, sodass er insgesamt lautet:

4.a. Die beklagte Partei ist schuldig, in einer außerordentlichen Generalversammlung, welche über Verlangen der klagenden Partei binnen drei Monaten stattzufinden hat, für einen notariell beglaubigten Beschluss über die Änderung des Gesellschaftsvertrags der d* GmbH (FN *) dahingehend zu stimmen, dass die in § 8 Abs 3 genannte 'P* Gesellschaft mbH' durch die 'A* AG' zu ersetzen ist, sodass dieser Paragraph des Gesellschaftsvertrags in seinem geänderten Absatz zu lauten hat wie folgt:

§ 8 Aufsichtsrat

3.) Der Gesellschafter 'd* V*gesellschaft mbH' ist berechtigt, zwei Mitglieder des Aufsichtsrates zu entsenden, d er Gesellschafter 'A* AG' ist berechtigt, ein Mitglied des Aufsichtsrats zu entsenden. Das weitere Aufsichtsratsmitglied wird von der Generalversammlung gewählt.

 

4.b. Das Mehrbegehren und das gleichlautende Eventualbegehren, die beklagte Partei zur Zustimmung zur Satzungsänderung dahin zu verpflichten, dass in § 8 Abs 3 letzter Satz des Gesellschaftsvertrages zwischen den Worten 'Generalversammlung' und 'gewählt' das Wort 'einstimmig' einzufügen sei, werden abgewiesen.

4.c. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei zur Zustimmung zur Satzungsänderung dahin zu verpflichten, dass die in § 5 Abs 1 genannte 'P* Gesellschaft mbH' durch die 'A* AG' zu ersetzen sei, sodass dieser Paragraph des Gesellschaftsvertrags in dem geänderten Absatz zu lauten hat wie folgt:

§ 5 Stammkapital und Stammeinlagen

1.) Das Stammkapital beträgt EUR 13.081.110,00 (Euro dreizehn Millionen einundachtzigtausend einhundertzehn).

Auf dieses Stammkapital haben die Gesellschafter folgende Beträge als Stammeinlagen übernommen:

a) d* V*gesellschaft mbH EUR 8.895.155,00 (Euro acht Millionen achthundert‑fünfundneunzigtausend einhundert -fünfundfünfzig),

b) A* AG EUR 4.185.955,00 (Euro vier Millionen einhundertfünfundachtzigtausend neunhundertfünfundfünfzig),

wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung des Erstgerichts wird dahin abgeändert, dass sie lautet:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 3.605,44 EUR an anteiligen Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 14.858,87 EUR (darin 111,60 EUR an Barauslagen und 2.457,88 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen 5.330 EUR an anteiligen Barauslagen des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 1.088,09 EUR (darin 181,35 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen 10.048 EUR an anteiligen Barauslagen des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Kosten der Revision der Beklagten und der Revisionsbeantwortung der Klägerin werden gegeneinander aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Teil des im Lebensmittelhandel tätigen S*‑Konzerns (im Folgenden S* bzw S*‑Konzern). Die Beklagte gehört dem d*‑Konzern an (im Folgenden d* bzw d*‑Konzern). Die Klägerin hält als Gesellschafterin eine Beteiligung von zirka 32 % an der d* GmbH (künftig: die Gesellschaft), die Beklagte einen Anteil von zirka 68 %.

[2] Die Zusammenarbeit zwischen beiden Gesellschafterinnen, die ursprünglich jahrelang reibungslos abgelaufen war, führte im Frühjahr 2017 anlässlich der Einführung eines Kundenbindungsprogramms zu tiefgreifenden Auffassungsdifferenzen, die Gegenstand diverser gerichtlicher Verfahren waren.

[3] Anfang der 1980er Jahre waren die Geschäftsführer von d* und S* übereingekommen, durch ein gemeinsames unternehmerisches Projekt die d* Drogeriemärkte in Österreich zu vermehren. S* hatte aufgrund einer entsprechenden Beteiligung die Möglichkeit, die Märkte einer Drogeriekette in Österreich zu übernehmen. Der Plan sah vor, dass ein Unternehmen des S*‑Konzerns diese Drogeriemärkte in Österreich übernehmen und an die Gesellschaft verkaufen sowie im Gegenzug dafür einen Geschäftsanteil an der Gesellschaft übernehmen sollte. Die Gesellschaft konnte auf diese Weise ihr Filialnetz in Österreich deutlich vergrößern und zugleich ihre damalige Hauptkonkurrentin auf dem österreichischen Markt, nämlich die zu übernehmenden Drogeriemärkte, verdrängen.

[4] Am 21. 8. 1981 unterzeichneten die Vertreter des S*‑Konzerns sowie jene desd*-Konzernseine Grundsatzvereinbarung, wonach eine GmbHerrichtet werden sollte, an der die Beklagte mit 68 % und eine S*‑Tochter mit 32 % beteiligt sein sollte. Die GmbH sollte einen Aufsichtsrat mit vier Kapitalvertretern haben, wovon zwei von der Beklagten und einer von der S*‑Tochter entsendet werden sollten; der vierte sollte gemeinsam bestellt werden.

[5] Die in der Grundsatzvereinbarung aufgelisteten Schritte wurden in der Folge im Wesentlichen so umgesetzt, dass die S*-Aktiengesellschaft sich im Jahr 1981 durch ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft, die P*gesellschaft m.b.H. (im Folgenden: P*) an der Gesellschaft mit einem Geschäftsanteil von 32 % beteiligte. Die Beklagte war bereits Gesellschafterin der Gesellschaft und hielt in der Folge einen Geschäftsanteil von 68 %.

[6] Der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft in der Neufassung vom 9. 9. 1981 lautet auszugsweise:

[...]

§ 8 Aufsichtsrat

 

1) Der Aufsichtsrat besteht aus mindestens drei, höchstens vier Mitgliedern, welche von der Gesellschaft bestellt werden.

2) Sie werden, sofern keine abweichenden gesetzlichen Bestimmungen bestehen, längstens für vier Jahre gewählt. Die Funktionsperiode endet mit der Beschlussfassung über die Entlastung für das vierte auf die Bestellung folgende Geschäftsjahr nach der Wahl. Wiederholte Bestellung als Aufsichtsratsmitglied ist zulässig.

3) Der Gesellschafter [Beklagte] ist berechtigt, zwei Mitglieder des Aufsichtsrates zu entsenden, der Gesellschafter P*gesellschaft m.b.H. ist berechtigt, ein Mitglied des Aufsichtsrates zu entsenden. Das weitere Aufsichtsratsmitglied wird von der Generalversammlung gewählt.

4) Der Aufsichtsrat kann sich seine Geschäftsordnung selbst geben.

[…]

7) Der Aufsichtsrat ist beschlussfähig, wenn drei gem. § 8 Abs 3.) bestellten Mitglieder, davon der Vorsitzende oder sein Stellvertreter anwesend sind. Der Vorsitzende, im Falle seiner Verhinderung sein Stellvertreter, leitet die Sitzung. Die Art der Abstimmung bestimmt der Leiter der Sitzung.

8) Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Im Falle der Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Leiters der Sitzung.

Für die Genehmigung zustimmungspflichtiger Geschäfte bedarf es überdies der Zustimmung der Aufsichtsratsmitglieder, welche von den Gesellschaftern entsandt wurden.

[...]

[7] Zur Regelung der Beschickung des Aufsichtsrats schlossen die Beklagte und die P* unter Beitritt dreier Vertreter des d*‑Konzerns persönlich (G* L*, G* W* und G* B*) sowie der S*‑Aktiengesellschaft im Jahr 1981 oder 1982 einen Syndikatsvertrag.

[8] Der Syndikatsvertrag lautet auszugsweise:

§ 1

Die Syndikatspartner verpflichten sich über das in der Generalversammlung der [Gesellschaft] von den Kapitaleignern zu wählende Aufsichtsratsmitglied Einvernehmen herzustellen und dem gemeinsam erstellten Wahlvorschlag in der Generalversammlung die Zustimmung zu erteilen.

Die Syndikatspartner verpflichten sich weiters, auf die von ihnen entsandten und gewählten Aufsichtsratsmitglieder einzuwirken, dass diese den Vorsitzenden und den Stellvertreter des Aufsichtsrates so wählen, dass jede dieser Funktionen von einem Aufsichtsratsmitglied ausgeübt wird, welches von jeweils einem der Syndikatspartner nominiert wird.

§ 2

Die Syndikatspartner verpflichten sich, sich wechselseitig von einer Übertragung bzw. vertragsgemäßen Verpfändung oder sonstigen Verfügung oder Belastung ihres Geschäftsanteiles rechtzeitig zu informieren.

[...]

§ 5

Die Syndikatspartner verpflichten sich, die mit diesem Syndikatsvertrag eingegangenen Verpflichtungen auch an ihre jeweiligen Rechtsnachfolger zu überbinden.

§ 6

Verstöße gegen die gegenständliche Vereinbarung bilden zwischen den Vertragspartnern einen klagbaren Anspruch.

§ 7

Dieser Syndikatsvertrag wird grundsätzlich auf die Dauer des Bestehens der [Gesellschaft] abgeschlossen. Beide Partner verzichten unwiderruflich auf die Ausübung des Kündigungsrechtes auf 10 Jahre, d.h. bis zum 30. 9. 1992. Wird der Syndikatsvertrag zu diesem Termin nicht aufgekündigt, so verlängert er sich jeweils um 5 Jahre. Die jeweilige Aufkündigung ist gültig, wenn sie unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr dem anderen Partner mittels eingeschriebenem Brief mitgeteilt wird.

[...]

 

[9] In der ersten Generalversammlung der Gesellschaft am 22. 1. 1982 machten beide Gesellschafterinnen unter Bezugnahme auf § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags von ihrem Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat Gebrauch. Die P* entsandte ein, die Beklagte entsandte zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat. Beide Gesellschafterinnen wählten sodann als viertes, von den Kapitaleignern zu wählendes Aufsichtsratsmitglied stimmeneinhellig den anwesenden Univ.‑Prof. DDr. W* J*. In diesem ersten Generalversammlungsprotokoll wird sprachlich zwischen der Entsendung (betreffend die entsandten Mitglieder) und der Wahl des vierten Aufsichtsratsmitglieds differenziert.

[10] Im Protokoll über die Generalversammlung der Gesellschaft vom 18. 12. 2001 wurde unter Punkt 5 „Entsendung in den Aufsichtsrat“ festgehalten:

Herr Präsident KR L* D* erklärt, dass er sein Aufsichtsratsmandat mit Ablauf dieser Generalversammlung zurücklegt. Der Gesellschafter 'P*gesellschaft mbH' erklärt gemäß § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages Herrn Dr. G* D* in den Aufsichtsrat zu entsenden. Herr Dr. G* D* erklärt, diese Funktion anzunehmen.

 

[11] Im Protokoll der Generalversammlung der Gesellschaft vom 18. 12. 2003 ist zum fünften Tagesordnungspunkt „Neuwahl des Aufsichtsrats“ festgehalten:

Der Vorsitzende stellt fest, dass von dem Gesellschafter P* mbH weiters Herr Dr. G* D* (...) und von der [Beklagten] weiters Herr G* L* (...) und Herr G* W* (...) in den Aufsichtsrat entsandt werden. Als viertes Aufsichtsratsmitglied wird von Herrn Dr. G* D*, Herr Prof. DDr. W* J* (...) zur Wahl vorgeschlagen. Die Wahl erfolgt stimmeneinhellig.

[…].

 

[12] Der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft wurde in der Generalversammlung vom 10. 3. 2004 in § 7 Abs 4 dahin geändert, dass die Höhe der Einzelinvestitionen, für die die Geschäftsführer der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen, auf 1 Million EUR angehoben wurde.

[13] Der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft sah zu keinem Zeitpunkt vor, dass eine Gesellschafterin ihren Geschäftsanteil nur mit Zustimmung der jeweils anderen an einen Dritten übertragen könnte.

[14] Mit Spaltungs‑ und Übernahmsvertrag vom 27. 5. 2004 wurde der Geschäftsanteil der P* an die B*gesellschaft m.b.H. (im Folgenden: B*) übertragen. Mit Sacheinlage‑, Übertragungs‑ und Abtretungsvertrag vom 27. 10. 2004 wurde im Zuge einer konzerninternen Umstrukturierung des S*‑Konzerns der Geschäftsanteil der B* an die Klägerin übertragen.

[15] Im Protokoll der Generalversammlung der Gesellschaft vom 13. 12. 2007 ist zum sechsten Tagesordnungspunkt („Neuwahl des Aufsichtsrates“) festgehalten:

Der Vorsitzende stellt fest, dass von dem Gesellschafter [Klägerin] weiters Herr Dr. G* D* (...) und von der [Beklagten] weiters Herr G*L* (...) und Herr G* W* (...) in den Aufsichtsrat entsandt werden.

Als viertes Aufsichtsratsmitglied wird von Herrn Dr. G* D*, Herr Prof. DDr. W* J* (...) zur Wahl vorgeschlagen. Die Wahl erfolgt stimmeneinhellig.

 

[16] Das Protokoll ist von G* W* unterfertigt.

[17] Die Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft (sowohl Kapital‑ als auch Arbeitnehmervertreter) beschlossen in der Aufsichtsratssitzung am 13. 12. 2007 eine Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat. Diese sieht vor:

[…]

§ 1 Zusammensetzung des Aufsichtsrats

1. Der Aufsichtsrat besteht derzeit aus vier Mitgliedern, welche von der Gesellschaft bestellt sind.

2. Der Gesellschafter '[Beklagte]' entsendet zwei Mitglieder des Aufsichtsrats, der Gesellschafter '[Klägerin]' entsendet ein Mitglied des Aufsichtsrats. Das weitere Aufsichtsratsmitglied wird von der Generalversammlung gewählt.

3. Die Aufsichtsratsmitglieder werden auf längstens vier Jahre bestellt […]

 

[18] Am 14./19. 12. 2011 fassten die Gesellschafter der Gesellschaft gemäß § 34 GmbHG folgenden Umlaufbeschluss:

5. Neuwahl des Aufsichtsrates

Es wird der Beschluss gefasst, dass von dem Gesellschafter [Klägerin] weiters Herr Dr. G* D* (...) und von der [Beklagten] weiters Herr Prof. G* W* (…) sowie Herr KR G* B* (...) in den Aufsichtsrat für eine Funktionsperiode entsandt werden.

Es wird aufgrund des Vorschlags von Herrn Dr. G* D* der Beschluss gefasst, Herrn Univ. Prof. em DDr. W* J* (...) als 4. Aufsichtsratsmitglied für eine Funktionsperiode in den Aufsichtsrat zu wählen.

 

[19] Am 16./21. 12. 2015 fassten die Gesellschafter der Gesellschaft abermals einen mit Punkt 5. des Beschlusses vom 14./19. 12. 2011 wortgleichen Umlaufbeschluss gemäß § 34 GmbHG.

[20] Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Gesellschaftern verlief von 1981 bis etwa Mitte 2017 im Wesentlichen friktionsfrei. Ab dem Frühjahr 2017 wurden zwischen ihnen anlässlich der Einführung eines Kundenbindungsprogramms durch die Gesellschaft jedoch tiefgreifende Auffassungsdifferenzen offenbar, die Gegenstand verschiedener gerichtlicher Verfahren sind.

[21] In der Generalversammlung der Gesellschaft am 21. 11. 2017 wurde Dr. D* als Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft mit den Stimmen der Beklagten als Mehrheitsgesellschafterin und gegen die Stimmen der klagenden Minderheitsgesellschafterin abberufen. Dieser Generalversammlungsbeschluss wurde von der Klägerin (neben weiteren Streitpunkten) in dem zu AZ 8 Cg 88/17k des Landesgerichts Salzburg (6 Ob 155/20t) geführten Verfahren angefochten.

[22] Am 10. 1. 2018 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin für den Fall, dass wider ihrem Erwarten ein Syndikatsvertrag zwischen der Beklagten und der Klägerin bestehe, diesen „höchstvorsorglich aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung auf“. Sie führte darin aus, nach den ihr vorliegenden Informationen habe zwischen der Beklagten und der Klägerin als Gesellschafter der Gesellschaft zu keinem Zeitpunkt ein Syndikatsvertrag bestanden. Hilfsweise erklärte die Beklagte die Kündigung zum nächstmöglichen Kündigungstermin.

[23] Am 12. 3. 2018 verstarb das Mitglied im Aufsichtsrat der Gesellschaft Univ.‑Prof. DDr. W* J*.

[24] In der außerordentlichen Generalversammlung der Gesellschaft am 12. 4. 2018 wurden zwei Aufsichtsratsmitglieder mit den Stimmen der Beklagten und gegen die Stimmen der Klägerin gewählt, ohne dass im Vorhinein das Einvernehmen mit der Klägerin hergestellt worden wäre. Die Klägerin focht die Wahlbeschlüsse zu AZ 9 Cg 36/18x des Landesgerichts Salzburg an (6 Ob 140/20m).

[25] Mit Urteil vom 18. 2. 2021gab der Senat zu 6 Ob 155/20t dem Eventualbegehren der (auch hier) Klägerin statt und erklärte den Beschluss, mit dem Dr. G* D* als Mitglied des Aufsichtsrats abberufen worden war, für nichtig.

[26] Mit weiterem Urteil vom 18. 2. 2021gab der Senat zu 6 Ob 140/20m dem Begehren der (auch hier) Klägerin auf Nichtigerklärung der Wahl der zwei Aufsichtsratsmitglieder in der Generalversammlung der Gesellschaft am 12. 4. 2018 statt.

[27] Die Klägerin begehrt 1. die Feststellung, dass der Syndikatsvertrag zwischen den Parteien ungekündigt aufrecht bestehe, hilfsweise dass er bis zum 30. 9. 2022 aufrecht bestehe, 2. die Feststellung der Haftung der Beklagten für Schäden aus der Verletzung der Bestimmungen des Syndikatsvertrags, 3. der Beklagten zu untersagen, in einer Generalversammlung der Gesellschaft ein Aufsichtsratsmitglied zu wählen, ohne vorher das Einvernehmen mit der Klägerin herzustellen, sowie 4. die Beklagte zur Zustimmung zu den aus dem Spruch ersichtlichen Änderungen des Gesellschaftsvertrags zu verpflichten. Hilfsweise begehrt sie die Verankerung eines Nominierungs‑ anstelle eines Entsendungsrechts der Klägerin.

[28] Sie brachte vor, der Syndikatsvertrag sei auf die Klägerin übergegangen. Die Kündigung aus wichtigem Grund sei unwirksam, die ordentliche Kündigung widerspreche Treu und Glauben. Der Klägerin drohe beträchtlicher Schaden, weil die Beklagte ihr die Ausübung ihrer Rechte aus dem Syndikatsvertrag verweigere. Die Beklagte sei aufgrund der langjährigen gelebten Praxis aus der Treuepflicht verpflichtet, den Gesellschaftsvertrag an die tatsächlichen Gegebenheiten klarstellend anzupassen, dies im Hinblick auf das Entsendungsrecht, die Nennung der Klägerin als Gesellschafterin und die Herstellung von Einvernehmen über das zu wählende Aufsichtsratsmitglied.

[29] Die Beklagte wandte ein, eine Rechtsnachfolge der Klägerin in den Syndikatsvertrag habe nicht stattgefunden; dessen Regelungen seien auch nicht gelebt worden. Ungeachtet dessen hätten wichtige Gründe für die Vertragskündigung bestanden, weil es der Beklagten nicht zumutbar sei, an einen Vertragspartner gebunden zu sein, der gesellschaftsfremde Interessen – jene des S*‑Konzerns – verfolge. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, mit der Klägerin das Einvernehmen über die Person des zu wählenden Aufsichtsratsmitglieds herzustellen. Das Begehren auf Feststellung der Haftung sei unbegründet, weil ein solches Begehren nicht auf theoretisch denkbare Möglichkeiten zukünftiger Rechtsverletzungen gestützt werden könne. Die Beklagte habe auch kein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten gesetzt. Das Entsendungsrecht der P* sei untergegangen und nicht auf die Klägerin übergegangen, es sei auch nicht als Recht der Klägerin von Vertretern der Beklagten gewollt oder von den Parteien tatsächlich gelebt worden. Eine derartige Änderung des Gesellschaftsvertrags sei der Beklagten nicht zumutbar.

[30] Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab und traf zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – folgende Feststellungen:

[31] Es ist nicht feststellbar, dass es für die damaligen Gesellschafter zum Zeitpunkt des Beginns der Zusammenarbeit 1981/1982 gleichgültig war, welche konkrete Gesellschaft des S*-Konzerns die Beteiligung an der Gesellschaft hält.

[32] Es kann nicht festgestellt werden, dass es dem gemeinsamen Verständnis der Vertragsparteien im Jahr 1981 entsprochen hätte, dass der Syndikatsvertrag nur gelten sollte, solange die Gesellschafter direkte Haftungen übernehmen.

[33] Nicht feststellbar ist weiters, dass im Zeitpunkt der Neufassung des Gesellschaftsvertrags zwischen den beiden Gesellschafterinnen die Willensübereinstimmung geherrscht hätte, dass das in § 8 Abs 3 enthaltene Entsendungsrecht und die Rechte aus dem Syndikatsvertrag der P* für den Fall einer Anteilsübertragung durch diese an eine andere Gesellschaft der S*‑Gruppe oder auch an eine Tochtergesellschaft der S* AG dieser anderen Gesellschaft der S*‑Gruppe oder der Tochtergesellschaft der S* AG zustehen sollten.

[34] Bei der „Vereinbarung zur Zusammenführung von D* und V*-Märkten“ vom 21. 8. 1981 handelt es sich um ein Zwischenergebnis auf dem Weg der Vertragsverhandlungen, das durch den Syndikatsvertrag und den Gesellschaftsvertrag umgesetzt wurde.

[35] Mit Spaltungs‑ und Übernahmevertrag vom 27. 5. 2004 übertrug die P* an die B* unter anderem den Geschäftsanteil an der Gesellschaft, welcher einer zur Gänze erbrachten Stammeinlage von 4.185.955 EUR und damit 32 % des Stammkapitals entsprach, „einschließlich aller damit verbundenen Rechte und Pflichten sowie Rechts‑ und Vertragsverhältnisse, soweit sich diese auf die Geschäftsanteile beziehen […]“, im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, und zwar durch Abspaltung zur Aufnahme gemäß § 1 Abs 2 Z 2 SpaltG. Die B* stimmte dieser Übertragung zu. Der Syndikatsvertrag ist in diesem Notariatsakt nicht erwähnt.

[36] Mit Sacheinlage‑, Übertragungs‑ und Abtretungsvertrag vom 27. 10. 2004 übertrug dann die B* ihren Geschäftsanteil an der Gesellschaftals Sacheinlage zur Durchführung einer Kapitalerhöhung an die Klägerin. Der Syndikatsvertrag ist auch in diesem Notariatsakt nicht erwähnt.

[37] Die B*verständigte die Gesellschaft mit Schreiben vom 9. 7. und 29. 11. 2004 von beiden Übertragungsvorgängen je mit dem Ersuchen, die Änderung im Stande der Gesellschafter im Firmenbuch anzumelden.

[38] Es ist nicht feststellbar, dass die Beklagte von diesen Umstrukturierungen verständigt wurde.

[39] Es ist nicht feststellbar, dass Dr. G* D* und Mag. G* D* bei einem persönlichen Treffen 2004 mündlich vereinbart hätten, dass nunmehr die Klägerin die Rechte und Pflichten aus dem Syndikatsvertrag wahrnehmen solle. Es ist weiters nicht feststellbar, dass es ein solches Treffen gegeben habe, bei dem weiters besprochen worden sei, dass nunmehr die Klägerin entsendungsberechtigt sei, es in Ordnung sei, wenn das vierte einvernehmlich abzustimmende Mitglied auch weiterhin Professor J* sei, und dass dabei alle bezughabenden Verträge (Syndikatsvertrag, Grundsatzvereinbarung) auch physisch übergeben worden seien. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte (namentlich durch G* W*) der Übertragung des Geschäftsanteils und/oder des Syndikatsvertrags auf die Klägerin zugestimmt habe und/oder mehrfach anerkannt habe, dass der Syndikatsvertrag auf die Klägerin übergegangen sei.

[40] Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte im Jahr 2004 (oder auch bis zum Eintritt der Meinungsverschiedenheiten im Jahr 2017) im Zuge der S*‑internen Umstrukturierungen zu einer Abänderung des Gesellschaftsvertrags dergestalt bereit gewesen wäre, dass in § 8 Abs 3 statt der P* die Klägerin als Entsendungsberechtigte aufscheine, und/oder zu einer Vertragsübernahme des Syndikatsvertrags durch die Klägerin bereit gewesen wäre.

[41] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise (in den Spruchpunkten 1.b., 2., 3. und 4.a.) Folge.

[42] Es bestätigte die Abweisung des Feststellungsbegehrens, der Syndikatsvertrag zwischen den Parteien sei ungekündigt aufrecht (Spruchpunkt 1.a.), gab aber dem Eventualbegehren auf Feststellung des aufrechten Bestands bis zum 30. 9. 2022 statt (Spruchpunkt 1.b.).

[43] Es gab weiters dem Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden der Klägerin aufgrund der Verletzung des Syndikatsvertrags statt (Spruchpunkt 2.).

[44] Es untersagte der Beklagten, in einer Generalversammlung der Gesellschaft ein Aufsichtsratsmitglied zu wählen, ohne vorher das Einvernehmen mit der Klägerin über dessen Person herzustellen (Spruchpunkt 3.).

[45] Zu Spruchpunkt 4. (zu dessen Auslegung unten ErwGr 1.1. ff) verpflichtete es die Beklagte, einer Änderung des Gesellschaftsvertrags zuzustimmen, nach der die dort genannte P* durch die Klägerin ersetzt werde, und zwar in § 5 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags als Gesellschafterin, die eine Stammeinlage in bestimmter Höhe übernommen habe, sowie in § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags als Gesellschafterin, die zur Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds berechtigt ist (Spruchpunkt 4.a.).

[46] Hingegen bestätigte es die Abweisung des Klagebegehrens auf Änderung des Gesellschaftsvertrags dahin, dass die Wahl des vierten Aufsichtsratsmitglieds einstimmig zu erfolgen habe.

[47] Es ließ die Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Zustimmungspflicht eines Gesellschafters zu einer Änderung des Gesellschaftsvertrags bestehe.

[48] Rechtlich bejahte das Berufungsgericht gestützt auf die Entscheidung 6 Ob 140/20m – deren Bindungswirkung auf die an diesem Verfahren als Nebenintervenientin beteiligte (hier) Beklagte es offen ließ – den Übergang des Syndikatsvertrags von der P* auf die B* sowie in der Folge auf die Klägerin. Zur von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen und ordentlichen Kündigung des Syndikatsvertrags erörterte es, ein Syndikatsvertrag begründe ein Dauerschuldverhältnis, das üblicherweise als Gesellschaft bürgerlichen Rechts qualifiziert werde. Die Auflösung aus wichtigem Grund setze nach dem hier anzuwendenden § 1210 Abs 1 ABGB idF des GesbR‑Reformgesetzes (BGBl I 2014/83) eine Rechtsgestaltungsklage voraus, sodass die (bloß) mit Schreiben vom 10. 1. 2018 erklärte Auflösung aus wichtigem Grund unwirksam sei und es nicht auf die behaupteten Auflösungsgründe ankomme. Hingegen sei die von der Beklagten unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist erklärte ordentliche Kündigung zum 30. 9. 2022 wirksam. Entgegen dem Klagevorbringen ergebe sich aus den Leistungen des S*-Konzerns und der Grundsatzvereinbarung des Jahres 1981 nicht die Sittenwidrigkeit der Kündigung, weil die Parteien die Kündigungsmöglichkeit im Syndikatsvertrag nach Abschluss der Grundsatzvereinbarung und in Kenntnis der Leistungen von S* im Syndikatsvertrag vereinbart hätten.

[49] Die Verletzung eines Syndikatsvertrags könne Schadenersatzansprüche begründen. Dies sei hier der Fall, weil die Beklagte durch ihre Stimmabgabe bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder Univ.‑Prof. Dr. M* A* und Dkfm. Dr. D* in der Aufsichtsratssitzung am 12. 4. 2018 gegen § 1 des Syndikatsvertrags und ihre Treuepflicht verstoßen habe und ein Schaden der Klägerin nicht bezifferbar sei. Aus dem Verstoß der Beklagten gegen ihre Pflichten aus dem Syndikatsvertrag folge auch das Verbot, ohne vorheriges Einvernehmen mit der Klägerin ein Aufsichtsratsmitglied zu wählen.

[50] Zum Entsendungsrecht führte das Berufungsgericht im Anschluss an die Entscheidung 6 Ob 155/20t – deren Bindungswirkung auf die (hier) Beklagte es wiederum offen ließ – aus, dieses sei in § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags der P* höchstpersönlich und nicht dem Inhaber eines Geschäftsanteils eingeräumt worden und spätestens mit der Übertragung des Geschäftsanteils auf die Klägerin am 27. 4. 2004 erloschen. Im vorliegenden Fall habe das Entsendungsrecht aber im Zusammenhang mit dem faktischen Vetorecht der entsendeten Aufsichtsratsmitglieder bei zustimmungspflichtigen Geschäften dazu gedient, der Minderheitsgesellschafterin eine starke Position einzuräumen. Die Beklagte habe während 13 Jahren nach dem – den Parteien zunächst nicht bewussten – Erlöschen des Entsendungsrechts bis 2017 mehrfach zu erkennen gegeben, von einem Entsendungsrecht der Klägerin in den Aufsichtsrat auszugehen. Sie habe durch diese langjährige Übung einen Vertrauenstatbestand geschaffen, das tatsächlich nicht bestehende Entsendungsrecht der Klägerin anzuerkennen. Im vorliegenden Fall sei die Beklagte ausnahmsweise aus ihrer Treuepflicht heraus verpflichtet, die Satzung im Hinblick auf das Entsendungsrecht an die geänderten Verhältnisse anzupassen. Die weitere Anpassung des Gesellschaftsvertrags dahin, dass die Klägerin anstatt der P* als Gesellschafterin genannt werde, diene nur der Klarstellung.

[51] Hingegen bestehe keine Rechtsgrundlage, für das vierte Aufsichtsratsmitglied eine einstimmige Wahl in der Satzung verankern, weil die Herstellung von Einvernehmen über das vierte Aufsichtsratsmitglied nur im Syndikatsvertrag verankert sei. Insofern sei das Klagebegehren abzuweisen.

[52] Die Klägerin macht in ihrer Revision eine im Hinblick auf die Entscheidungen 6 Ob 140/20m und 6 Ob 155/20t unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Die ordentliche Kündigung des Syndikatsvertrags sei treu‑ und sittenwidrig und daher gemäß § 879 Abs 1 ABGB unwirksam. Die Beklagte habe aus der Treuepflicht der Verankerung der einvernehmlichen Wahl des vierten Aufsichtsratsmitglieds im Gesellschaftsvertrag zuzustimmen.

[53] Die Beklagte stützt ihre Revision auf die Revisionsgründe der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie macht zusammengefasst geltend, Spruchpunkt 4. des Berufungsurteils sei in sich widersprüchlich, das Berufungsgericht habe sich mit der Beweisrüge der Beklagten ungenügend auseinandergesetzt und die Rechtssache insbesondere deshalb unrichtig beurteilt, weil es von den Entscheidungen 6 Ob 140/20m und 6 Ob 155/20t abweichende Sachverhaltsfeststellungen nicht beachtet habe. Der Syndikatsvertrag sei nicht auf die Klägerin übergegangen. Sollte ein Übergang stattgefunden haben, wäre er durch die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund aufgelöst. Das Unterlassungsbegehren sei mangels aufrechten Syndikatsvertrags, aber auch deshalb abzuweisen, weil Fälle denkbar seien, in denen die Herstellung des Einvernehmens nicht erforderlich sei. Die Beklagte müsse auch einer Verankerung des Entsendungsrechts im Gesellschaftsvertrag nicht zustimmen, weil das der P* eingeräumte Entsendungsrecht untergegangen sei, die Berücksichtigung der tatsächlichen Übung der objektiven Satzungsauslegung widerspreche und kein Vertrauenstatbestand gesetzt worden sei. Die Klägerin habe auch keine Stammeinlage übernommen.

Rechtliche Beurteilung

[54] Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt. Die Revision der Klägerin ist nicht zulässig.

[55] Da sich die Revision der Beklagten in ihrer Rechtsrüge mit sämtlichen Begehren beschäftigt– Feststellung des Bestands des Syndikatsvertrags, Feststellung der Haftung, Unterlassung und Zustimmung zur Änderung des Gesellschaftsvertrags – und die Revision der Klägerin mit den teilweise klageabweisenden Spruchpunkten der Begehren 1 und 4, werden die Rechtsmittel der Parteien gemeinsam nach Themengebieten geordnet behandelt. Zuvor wird auf die von der Beklagten geltend gemachte Nichtigkeit des Berufungsurteils und die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens eingegangen.

1. Zur behaupteten Nichtigkeit

[56] 1.1. Der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO setzt voraus, dass einzelne Aussprüche innerhalb des Spruchs der Entscheidung einander logisch ausschließen (RS0042171; RS0041306). Allerdings sind auch die Entscheidungsgründe für die Auslegung der Tragweite des Spruchs heranzuziehen (RS0000300).

[57] 1.2. Das Berufungsgericht verpflichtete die Beklagte in Punkt 4.a. des Urteilsspruchs dazu, für einen Generalversammlungsbeschluss zu stimmen, durch den die in § 5 Abs 1 und § 8 Abs 3 genannte P* durch die Klägerin zu ersetzen „und in § 8 Abs 3 überdies die einstimmige Wahl des weiteren Aufsichtsratsmitglieds vorzusehen ist, sodass diese Paragraphen des Gesellschaftsvertrags in den geänderten Absätzen zu lauten haben wie folgt:

[58] § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags soll nach dem Urteilsspruch des Berufungsgerichts (Punkt 4.a) folgenden Wortlaut erhalten:

Der Gesellschafter [Beklagte] ist berechtigt, zwei Mitglieder des Aufsichtsrates zu entsenden, die Gesellschafter [Klägerin] ist berechtigt, ein Mitglied des Aufsichtsrats zu entsenden. Das weitere Aufsichtsratsmitglied wird von der Generalversammlung gewählt.

[59] In Punkt 4.b des Urteilsspruchs wird das Mehrbegehren, zwischen den Worten „Generalversammlung“ und „gewählt“ das Wort „einstimmig“ einzufügen, abgewiesen.

[60] 1.3. Rein nach dem Wortlaut des Spruchs besteht zwar eine Widersprüchlichkeit deshalb, weil im ersten Satz des Spruchpunktes 4.a: die einstimmige Wahl des weiteren Aufsichtsratsmitglieds angeführt ist, wohingegen dieses Erfordernis im Text der Gesellschaftsvertragsklausel, der die Beklagte ihre Zustimmung zu erteilen hat, nicht enthalten ist und das Einstimmigkeitserfordernis in Spruchpunkt 4.b: ausdrücklich abgewiesen wird. Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergibt sich aber eindeutig – wie die Beklagte in ihrer Revision selbst ausführt –, dass der Entscheidungswille des Berufungsgerichts darauf gerichtet war, die Beklagte nicht zur Änderung des Gesellschaftsvertrags dahin zu verpflichten, dass für die Wahl des nicht zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieds die Einstimmigkeit erforderlich sei.

[61] 1.4. Die behauptete Nichtigkeit liegt daher nicht vor. Der zweifelsfrei bestimmbare Entscheidungswille des Berufungsgerichts ist im Weg einer Maßgabebestätigung klarzustellen.

2.  Zu den behaupteten Verfahrensmängeln

[62] Die Beklagte erblickt Mängel des Berufungsverfahrens in der Erledigung der von ihr erhobenen Beweisrüge. Die Mangelhaftigkeit habe bewirkt, dass die von ihr in der Berufungsbeantwortung begehrte Ersatzfeststellung nicht getroffen worden sei.

[63] Ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensverstoß bildet nur dann den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO, wenn er abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen (RS0043027). Dies ist hier aber nicht der Fall, weil auch die von der Beklagten begehrte Ersatzfeststellung nicht zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung führen würde (siehe dazu ErwGr 4.3.).

3. Zum Übergang des Syndikatsvertrags auf die Klägerin

[64] 3.1. Die Beklagte zieht den Übergang des Syndikatsvertrags von der P* auf die B* nicht in Zweifel. Sie steht jedoch auf dem Standpunkt, es habe keine Vertragsübernahme durch die Klägerin stattgefunden.

[65] 3.2. Der Oberste Gerichtshof hat die Frage, ob der im Jahr 1981 zwischen der Beklagten und der P* abgeschlossene Syndikatsvertrag auf die Klägerin übergegangen ist, in dem zwischen der (auch hier) Klägerin und der Gesellschaft geführten Verfahren 6 Ob 140/20m behandelt. Die (hier) Beklagte war an diesem Verfahren als Nebenintervenientin auf Beklagtenseite beteiligt.

[66] Der im vorliegenden Fall festgestellte Sachverhalt weist keine entscheidungswesentlichen Unterschiede zu den den Entscheidungen 6 Ob 140/20m und 6 Ob 155/20t zugrunde liegenden Feststellungen auf. Auf eine allfällige Bindung der Beklagten an die sie belastenden, in den Verfahren 6 Ob 140/20m und 6 Ob 155/20t getroffenen Tatsachenfeststellungen kommt es daher im vorliegenden Fall nicht entscheidend an.

[67] 3.3. Soweit die Beklagte das Fehlen eines Titels für den Rechtsübergang zwischen der B* und der Klägerin rügt (so bereits auch in ihrer Revisionsbeantwortung zu 6 Ob 140/20m), stellte der Oberste Gerichtshof klar, dass eine Vertragsübernahme auch schlüssig iSd § 863 ABGB erfolgen kann. Vor dem Hintergrund der Verpflichtung der (ausscheidenden) B*, ihre Pflichten aus dem Syndikatsvertrag auf die neu eintretende Gesellschafterin, also die Klägerin, zu überbinden, hegte der Oberste Gerichtshof keine Zweifel daran, dass der Wille der Parteien des Sacheinlage‑, Übertragungs‑ und Abtretungsvertrags vom 27. 10. 2004 im Zuge der Umstrukturierungen auf Seiten des S*‑Konzerns auch auf die Übertragung der Rechtsposition aus dem Syndikatsvertrag gerichtet war. Bei der vorliegenden Sachlage, bei der innerhalb der Unternehmensgruppe S* lediglich aus steuerlichen und unternehmenspolitischen Überlegungen eine Umstrukturierung stattfand, aufgrund derer die B* bloß für fünf Monate die Gesellschafterstellung in der Gesellschaft innehatte, wäre es lebensfremd anzunehmen, dass der Wille der vertretungsbefugten Organe der B* und der Klägerin nicht darauf gerichtet war, die mit der Ausübung der Gesellschafterstellung in der Gesellschaft verbundenen Rechtspositionen auf ihre Einzelrechtsnachfolgerin als Gesellschafterin zu überbinden. Dass der Syndikatsvertrag im Sacheinlage‑, Übertragungs‑ und Abtretungsvertrag vom 27. 10. 2004 nicht ausdrücklich angeführt ist, schadet nicht, weil die Übernahme eines Syndikatsvertrags nach allgemeinen Regeln auch konkludent erklärt werden kann (6 Ob 140/20m [Rz 79]).

[68] Darauf, ob es im Jahr 2004 ein Treffen zwischen Dr. G* D* und Mag. G* D* gegeben hat, bei dem der Übergang ausdrücklich vereinbart wurde – wozu das Erstgericht eine Negativfeststellung getroffen hat – kommt es, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, schon deshalb nicht an, weil beiden genannten Personen nur Kollektivzeichnungsbefugnis (Dr. G* D* für die B* und Mag. G* D* für die Klägerin) zukam.

[69] 3.4. Der Oberste Gerichtshof bejahte zu 6 Ob 140/20m auch die für die Dreiparteieneinigung erforderliche konkludente Zustimmung der (hier) Beklagten zur Vertragsübernahme, weil aufgrund der konkreten Umstände des Falls bereits geringe Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen Zustimmung ausreichten. Für die Zustimmung der Beklagten zur Vertragsübernahme fiel nämlich bereits ins Gewicht, dass in der am 15. 12. 2005 vom Aufsichtsrat der Gesellschaft erlassenen und vom Aufsichtsratsvorsitzenden, der gleichzeitig allein vertretungsbefugter Geschäftsführer der Beklagten war, unterfertigten Geschäftsordnung für die Geschäftsführung ausdrücklich die Klägerin als Vertragspartnerin des Syndikatsvertrags genannt war. Insgesamt wurde die gelebte Praxis bereits zu 6 Ob 140/20m dahin verstanden, dass die (hier) Beklagte nach den 2004 erfolgten Gesellschafterwechseln mehrfach zu erkennen gegeben hatte, daraus insgesamt keine Änderung der Rechte ihrer Gesellschafterin abzuleiten.

[70] 3.5. Die Beklagte behauptet in ihrer Revision, im vorliegenden Verfahren seien Sachverhaltselemente festgestellt worden, die zu einer abweichenden Beurteilung führen würden. Dies ist nicht der Fall, wozu rechtlich Folgendes vorauszuschicken ist:

[71] Ob ein bestimmtes willentliches Verhalten nach § 863 ABGB als Willenserklärung zu beurteilen ist, ist ein Ergebnis der Auslegung. Maßgeblich ist, ob nach dem objektiven Erklärungswert des Verhaltens eine die Rechtslage gestaltende Erklärung mit Bindungswirkung vorliegt (jüngst etwa 8 ObA 78/20h; RS0102748 [T1]; vgl RS0014236 [T2]). Es kommt also nicht auf das Vorhandensein einer entsprechenden Absicht an, sondern allein darauf, welchen Eindruck das Gegenüber vom Gesamtverhalten seines Partners haben musste (stRsp, s bloß 5 Ob 219/16s). Ein vom objektiven Erklärungswert abweichender Wille geht nur dann vor, wenn der andere Vertragsteil ihn erkannt hat (vgl RS0014005 [T1, T3]) oder sich die Parteien in der Sache einig sind (6 Ob 36/20t). Soweit die von der Beklagten in ihrer Revision hervorgehobenen Feststellungen lediglich den tatsächlichen, aber gegenüber der Klägerin nicht nach außen getretenen Willen der für die Beklagte handelnden Personen betreffen, vermögen sie nichts an den bereits zu 6 Ob 140/20m angestellten Erwägungen zur konkludenten Vertragsübernahme zu ändern.

[72] 3.6. Im Einzelnen ist zu den Argumenten der Beklagten auszuführen: Bei der zu 6 Ob 140/20m (Rz 82) angesprochenen Absicht der (ursprünglichen) Syndikatspartner, grundsätzlich einen Übergang dieses Vertrags auf einen neu hinzukommenden Gesellschafter anzustreben, handelte es sich nicht um den – dem Tatsachenbereich zuzuordnenden – tatsächlichen Parteiwillen, sondern um das Ergebnis der Auslegung des Syndikatsvertrags (vgl 6 Ob 140/20m [Rz 82 f]), konkret der schriftlichen Vertragserklärungen der Parteien. Die Schlussfolgerung, dass die Frage, welche Gesellschaft des S*‑Konzerns Mitgesellschafterin wurde, zu Beginn der Zusammenarbeit nicht entscheidend war (vgl 6 Ob 140/20m [Rz 83]), leuchtet aus der Grundsatzvereinbarung hervor, die durch den Syndikatsvertrag und den Gesellschaftsvertrag umgesetzt wurde. Die im vorliegenden Verfahren getroffenen Negativfeststellungen – es konnte nicht festgestellt werden, dass die Parteien eine Willensübereinstimmung dahin hatten, dass die Rechte der P* im Fall einer Anteilsübertragung übergehen sollten, dass den Parteien in den Jahren 1981/1982 gleichgültig gewesen sei, welche Gesellschaft des S*‑Konzerns die Anteile halte oder dass die Beklagte zu einer Übertragung des Syndikatsvertrags auf die Beklagte bereit gewesen wäre – betreffen sämtlich den tatsächlichen, nicht den geäußerten Willen der Vertragsparteien und stehen der Beurteilung des Berufungsgerichts daher nicht entgegen.

[73] Allein der Umstand, dass sich Dr. G* D* bei einer Aufsichtsratssitzung der Beklagten (am 23. 9. 2010) über das Bestehen eines Syndikatsvertrags überrascht zeigte, führt unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Umstände ebenfalls noch nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Bei der für die Beurteilung nach § 863 ABGB vorzunehmenden Gesamtbetrachtung kommt nämlich der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung, die am 15. 12. 2005 beschlossen wurde und die ausdrücklich festhält, dass ein Syndikatsvertrag zwischen der Beklagten und der namentlich genannten Klägerin bestehe, entscheidende Bedeutung zu. So wurde bereits zu 6 Ob 140/20m klargestellt, dass die Unterfertigung dieser Geschäftsordnung durch G* W* zwar in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft – also nicht in seiner Funktion als alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer der Beklagten – erfolgte. Ein redlicher Erklärungsempfänger in der Situation der Klägerin konnte die ausdrückliche Bezeichnung der Klägerin als Vertragspartnerin aber nur dahin auffassen, dass die Beklagte damit dem Eintritt der Klägerin in die zuvor von der B* innegehabte Stellung als Vertragspartnerin des Syndikatsvertrags zustimmte. Ob G* W* diese Geschäftsordnung auch inhaltlich zur Kenntnis nahm oder ob er sie, wie in der Revision behauptet, ungeprüft unterfertigte, ist für den daraus ableitbaren objektiven Erklärungswert nicht entscheidend. Die festgestellte überraschte Reaktion von Dr. D* in der Aufsichtsratssitzung am 23. 9. 2010 beseitigt diese schlüssige Willenserklärung der Beklagten nicht. Auch der Umstand, dass G* W* in dieser Aufsichtsratssitzung behauptete, der Syndikatsvertrag gelte nicht mehr, vermag den objektiven Erklärungswert des im Jahr 2005 gesetzten Verhaltens nicht mehr zu beseitigen. Es steht nämlich nicht fest, dass G* W* seine Ansicht, der Syndikatsvertrag gelte nicht mehr, mit dem Gesellschafterwechsel begründete. Vielmehr ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten, dass im Lauf der Zeit auch die Ansicht vertreten wurde, der Syndikatsvertrag solle nur solange gelten, wie die Gesellschafter direkte Haftungen übernommen hätten, sodass sich daraus der Wegfall der Vertragsgrundlage ergebe.

[74] Dass sich ein Geschäftsführer der Beklagten im Jahr 2011 bei einem der Geschäftsführer der Gesellschaft nach dem Syndikatsvertrag erkundigte und die Auskunft erhielt, dieser sei weggefallen, ändert ebenfalls nichts an dem der Beklagten zuzurechnenden Erklärungstatbestand, der mit der Zustimmung zur Geschäftsordnung für die Geschäftsführung gesetzt wurde.

[75] 3.7. Soweit das Erstgericht ausführte, es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte der Übertragung des Syndikatsvertrags auf die Klägerin zugestimmt oder den Übergang auf die Klägerin anerkannt habe, handelt es sich um Fragen der rechtlichen Beurteilung, die einer Feststellung nicht zugänglich sind.

[76] 3.8. Die in der Revision der Beklagten in den Vordergrund gerückten Feststellungen führen daher nicht zu einer von 6 Ob 140/20m abweichenden Beurteilung des Übergangs des Syndikatsvertrags auf die Klägerin als Vertragspartnerin.

4. Zur Kündigung des Syndikatsvertrags durch die Beklagte

[77] 4.1. Das Berufungsgericht beurteilte die von der Beklagten mit Schreiben vom 10. 1. 2018 erklärte vorsorgliche Kündigung des Syndikatsvertrags aus wichtigem Grund als unwirksam, weil die Auflösung der durch den Syndikatsvertrag begründeten, Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) nach § 1210 Abs 1 ABGB (idF GesbR‑RG) eine Klage voraussetze, die nicht erhoben worden sei.

[78] Die Beklagte rügt in ihrer Revision, die Erhebung einer Klage sei im vorliegenden Fall nicht erforderlich gewesen, weil die Klägerin sich mit der Auflösung einverstanden gezeigt habe, indem sie der Auflösung nicht unverzüglich, sondern erst mit der Klageeinbringung im vorliegenden Verfahren am 27. 3. 2018 widersprochen habe.

[79] 4.2. Durch das GesbR‑RG (BGBl I 2014/83) wurde klargestellt, dass die Geltendmachung des Auflösungsrechts bei der Auflösung aus wichtigem Grund durch Klage des Gesellschafters zu erfolgen hat (vgl nur Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1210 ABGB Rz 4, 20). Das Erfordernis der Klagsführung ist dispositiv, anstatt dessen kann eine außergerichtliche Auflösungserklärung vorgesehen werden (Artmann aaO Rz 26; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht² [2017] Rz 2/234). Zeigen sich die anderen Gesellschafter mit der Auflösung einverstanden, soll die Notwendigkeit einer gerichtlichen Auflösung entfallen (S. Bydlinski/Fritz, GesbR‑RG [2015] § 1210 Anm 4).

[80] 4.3. Eine Zustimmung der Klägerin zur Auflösung des Syndikatsvertrags kann dem festgestellten Sachverhalt jedoch nicht entnommen werden.

[81] Nach den Feststellungen fand am 12. 1. 2018 ein Gespräch zwischen den Verwaltungsräten der Klägerin Dr. G* D* sowie Mag. F* P* und „den Geschäftsführern der Gesellschaft Dipl.‑Kfm. M* D* sowie Dipl.‑Kfm. E* H*“ statt. Wie sich aus dem offenen Firmenbuch ergibt, waren Dipl.‑Kfm. M* D* und Dipl.‑Kfm. E* H* zu keinem Zeitpunkt Geschäftsführer der Gesellschaft (d* GmbH), sie waren vielmehr im Jänner 2018 Geschäftsführer der Beklagten. In diesem Sinn, nämlich dass es sich bei den beiden genannten Personen um Geschäftsführer der Beklagten handelte, ist daher auch die Feststellung zu den Gesprächsteilnehmern zu verstehen. Bei dem Gespräch wurde versucht, eine Lösung für die offenen Konflikte herbeizuführen. Zum Syndikatsvertrag vertraten Dr. D* und Mag. P* den Standpunkt, dieser sei unverändert aufrecht und die Kündigung nicht rechtswirksam. Die Behauptung der Beklagten in ihrer Revision, die Klägerin habe der Auflösung des Syndikatsvertrags dadurch zugestimmt, dass sie seiner Beendigung nicht rechtzeitig widersprochen habe, geht daher nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

[82] Selbst wenn Dr. D* und Mag. P* in diesem Gespräch der Kündigung des Syndikatsvertrags nicht widersprochen haben sollten (diesen Standpunkt vertritt die Beklagte in ihrer Verfahrensrüge), kann daraus nicht die von der Beklagten behauptete stillschweigende Zustimmung zur Auflösung des Syndikatsvertrag abgeleitet werden. § 863 ABGB verlangt, dass mit Überlegung aller Umstände kein Zweifel an einem bestimmten Erklärungswillen bestehen kann. Nach den Feststellungen wurde bei dem Gespräch am 12. 1. 2018 versucht, eine Gesamtlösung für die zum Teil bereits gerichtsanhängigen Konflikte zu finden. Dieses Unterfangen scheiterte jedoch; es kam keine Einigung zustande. Allein dieses Gesprächsergebnis spricht gegen die Annahme, dass Dr. D* und Mag. P* durch bloßes Schweigen ihre Zustimmung zur Vertragskündigung erteilen wollten. Redliche Verhandlungspartner in der Rolle der Vertreter der Beklagten durften nämlich nicht annehmen, dass trotz des Scheiterns einer Gesamtlösung durch bloßes Schweigen die Zustimmung zu einer isolierten Einzelfrage erklärt werden sollte. Ebenso ist der Zeitraum bis zur Klageeinbringung nicht derart lang, um ein Schweigen der Vertreter der Klägerin trotz der offenen Konfliktsituation als zweifelsfreie Zustimmung deuten zu können.

[83] 4.4. Da die Beklagte die Kündigung der GesbR aus wichtigem Grund nicht gemäß § 1210 ABGB gerichtlich vornahm und auch keine Zustimmung der Klägerin zur Auflösung vorlag, trifft die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass mit dem Schreiben der Beklagten vom 10. 1. 2018 keine sofortige Beendigung des Syndikatsvertrags bewirkt werden konnte, zu.

5. Zur ordentlichen Kündigung des Syndikatsvertrags

[84] 5.1. Die Klägerin wendet sich in ihrer Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Schreiben der Beklagten vom 10. 1. 2018 bewirke die Auflösung des Syndikatsvertrags mit Ablauf des 30. 9. 2022. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass die Kündigung wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sei.

[85] 5.2. Es trifft zu, dass die Regelung des § 879 Abs 1 ABGB nicht nur für Verträge, sondern auch für einseitige Rechtsgeschäfte wie Kündigungen gilt (4 Ob 39/16p; RS0016534). Die Rechtswidrigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten ist aber nur dann zu bejahen, wenn eine Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt, oder wenn bei einer Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die angegriffene Bestimmung verletzten und den durch sie geförderten Interessen besteht. Dies ist jeweils anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (RS0042881 [T6, T8]; 4 Ob 39/16p).

[86] 5.3. Das Berufungsgericht erachtete als maßgeblich, dass die Klägerin im Wissen um ihre Investitionen und das kaufmännische Risiko einer Kündigungsmöglichkeit des Syndikatsvertrags zustimmte.

[87] Die Klägerin vermag nicht aufzuzeigen, dass das Berufungsgericht dadurch den ihm eingeräumten Ermessensspielraum im vorliegenden Einzelfall überschritten hätte. Im vorliegenden Fall konkretisiert der Syndikatsvertrag zwar die zwischen den Gesellschaftern bestehenden Treuepflichten insofern, als er das in der Grundsatzvereinbarung festgehaltene Verständnis der Zusammenarbeit der beiden, aus den Unternehmensgruppen S* und d* stammenden Gesellschafter umsetzte und der Minderheitsgesellschafterin aus dem S*‑Konzern über den Aufsichtsrat eine wesentlich weiter gehende Einflussmöglichkeit zugewiesen wurde, als es ihrer Beteiligungsquote entspricht (6 Ob 140/20m [Rz 102]). Bereits zu 6 Ob 140/20m wurde aber auch darauf hingewiesen, dass es in Folge der Beendigung des Syndikatsvertrags zu einer Änderung des Inhalts der zwischen den Vertragsparteien bestehenden Treuepflichten kommen könne; diese Frage wurde ausdrücklich offen gelassen (Rz 107).

[88] 5.4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Vereinbarung einer einseitigen Beendigungsmöglichkeit den Inhalt der Treuepflicht mitprägte – nämlich dahin, dass beide Vertragspartnerinnen diese Möglichkeit für die Zukunft bedenken konnten und in Kauf nahmen – steht daher nicht im Widerspruch zur Entscheidung 6 Ob 140/20m. Auch ein Widerspruch zur Entscheidung 6 Ob 155/20t liegt nicht vor, weil auch in dieser Entscheidung weder die Beendigung des Syndikatsvertrags noch eine daraus abzuleitende Änderung des Inhalts der Treuepflichten zwischen den Gesellschafterinnen zu beurteilen war. Wenn das Berufungsgericht ein Vertrauen auf die langjährige Übung – im Sinn eines Vertrauens auf die Nicht‑Ausübung des Kündigungsrechts – nicht erkannte, liegt darin keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[89] 5.5. Soweit die Klägerin eine Schädigungsabsicht der Beklagten behauptet und auf die Entscheidungen 6 Ob 140/20m und 6 Ob 155/20t verweist, ist Folgendes klarzustellen: Die zentrale Frage, die in diesen Entscheidungen zu beurteilen war, ist, ob die langjährig gelebte Praxis nach dem Gesellschafterwechsel auf Seiten der S*‑Gesellschafterin dazu führte, dass die Vorgangsweisen der Beklagten im Jahr 2017 als treuwidrig anzusehen waren, weil sie der neuen Gesellschafterin implizit die selbe Einflussposition zugestand wie der ausgeschiedenen Gründungsgesellschafterin. Diesen Entscheidungen kann aber nicht entnommen werden, dass die Beklagte die Rechte, die ihr gegenüber ihrer ursprünglichen Mitgesellschafterin aus dem Syndikatsvertrag zustanden, im Verhältnis zur Klägerin – auf die der Syndikatsvertrag übergegangen ist – nicht ausüben darf.

[90] 5.6. Soweit die Klägerin eine Interessenabwägung vermisst, lässt sie außer Acht, dass die Vereinbarung der einseitigen Kündigungsmöglichkeit die Interessenlage zwischen den Parteien dahin gestaltete, dass jede der Vertragspartnerinnen das damit verbundene Risiko in Kauf nahm. Die Beurteilung des Berufungsgerichts steht daher mit den Entscheidungen 6 Ob 140/20m und 6 Ob 155/20t im Einklang. Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung der Interessenbeeinträchtigung der Klägerin wird nicht dargetan.

[91] 5.7. Die Klägerin zeigt in ihrer Revision betreffend die ordentliche Kündigung des Syndikatsvertrags daher insgesamt keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

6. Zur Feststellung der Haftung der Beklagten

[92] 6.1. Die Beklagte wendet sich in ihrer Revision gegen die Feststellung der Haftung für Schäden der Klägerin aus der Verletzung des Syndikatsvertrags.

[93] 6.2. Wird die Feststellung der Haftung für künftige Schäden begehrt, so ist in der Klage aufzuzeigen, welcher Art die möglichen Schäden sein können (9 Ob 30/14y; RS0038949); ein Schadenseintritt bis Schluss der mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich (RS0038949 [T3]; 7 Ob 91/14d; RS0038909). Eine derartige Feststellung ist dann möglich, wenn sich das schädigende Ereignis, das den konkreten Schaden hatte auslösen können, bereits ereignet hat und der Schaden auch ohne weiteres Zutun des Schädigers in der Zukunft eintreten kann (1 Ob 210/14k; RS0038909 [T1, T2]; RS0040838 [T9]). Soweit ein Schaden bereits eingetreten ist, besteht für ein Feststellungsbegehren hingegen grundsätzlich kein Raum, weil diesbezüglich bereits eine Leistungsklage erhoben werden könnte (RS0038849; 6 Ob 41/18z). Wird dennoch ein Feststellungsbegehren erhoben, muss die klagende Partei dartun, weshalb ihr die Erhebung einer Leistungsklage im konkreten Fall nicht zumutbar ist (vgl RS0127761 [T1]).

[94] 6.3. Die Klägerin brachte zur Begründung ihres Anspruchs vor, ihr Schaden resultiere aus dem Verlust der Kontrollmöglichkeit „über den (nur einvernehmlich zu wählenden) Kapitalvertreter“, weshalb für sie finanzielle Nachteile bei der Festlegung der Höhe des Jahresgewinns zu erwarten seien. Weiters sei absehbar, dass sie durch die zukünftige Verletzung der im Syndikatsvertrag verankerten Vollausschüttungspflicht Schaden erleiden würde. Es hätten auch bereits Rechtsverletzungen stattgefunden, nämlich das Abstreiten der Existenz des Syndikatsvertrags, die rechtswidrige und schuldhafte Kündigung desselben sowie die Nichteinholung des Einvernehmens über die Person des Kapitalvertreters; es drohe eine Wiederholung dieser Verhaltensweisen.

[95] Die Beklagte hielt dem Begehren zusammengefasst entgegen, die Feststellungsklage diene nicht dazu, alle theoretisch denkbaren zukünftigen Rechtsverletzungen abzuwenden.

[96] Das Vorbringen der Klägerin vermag den geltend gemachten Feststellungsanspruch nicht zu tragen. Es zielt im Kern auf befürchtete Nachteile durch zukünftige Ereignisse ab (Gewinnfeststellung, Beschlussfassung über die Gewinnausschüttung), die von der nicht weiter konkretisierten Umschreibung des rechtswidrigen Verhaltens als „Verletzung der Pflichten aus dem Syndikatsvertrag“ nicht umfasst sind. Soweit sich die Klägerin auf die unterbliebene Herstellung des Einvernehmens über die Wahl eines Kapitalvertreters stützt, hat sie nicht dargetan, welcher Art die ihr daraus drohenden Nachteile sein sollen, die mit der Anfechtung des Beschlusses über die Wahl des Aufsichtsratsmitglieds (s 6 Ob 140/20m) nicht beseitigt sind. Wenn die Klägerin sich auf die Kündigung des Syndikatsvertrags stützt, ist auszuführen, dass die von der Beklagten erklärte Kündigung aus wichtigem Grund keine Rechtswirkungen entfaltete, die ordentliche Kündigung hingegen – wie dargelegt – nicht als rechtswidrig beurteilt wurde. Darauf kann daher kein Schadenersatzanspruch gegründet werden. Das Abstreiten des Bestehens des Syndikatsvertrags ist vom Begehren, das auf eine Verletzung der Pflichten aus dem Vertrag abstellt, nicht umfasst. Eine Erörterung des Vorbringens mit der Klägerin war nicht erforderlich, weil bereits die Beklagte deutlich darauf hingewiesen hat, dass aus befürchteten zukünftigen Rechtshandlungen kein Anspruch auf Feststellung der schadenersatzrechtlichen Haftung abgeleitet werden kann.

[97] 6.4. Die Revision der Beklagten ist daher hinsichtlich der Feststellung ihrer Ersatzpflicht berechtigt.

7. Zum Unterlassungsbegehren

[98] 7.1. Die Beklagte bekämpft das Unterlassungsgebot mit der Begründung, mangels Vertragsübergangs auf die Klägerin, hilfsweise wegen erfolgter Auflösung aus wichtigem Grund, bestehe kein Syndikatsvertrag, aus dem die Pflicht zur Herstellung des Einvernehmens abgeleitet werden könne. Mit diesem Rechtsstandpunkt dringt sie nicht durch, weil die Klägerin, wie ausgeführt, Partnerin des Syndikatsvertrags wurde.

[99] 7.2. Im weiteren steht die Beklagte auf dem Standpunkt, der Klägerin stehe kein Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat zu, sodass ein Aufsichtsratsmitglied – nämlich jenes, für das die Klägerin ein Entsendungsrecht beansprucht – unbeschadet des Syndikatsvertrags ohne Herstellung des Einvernehmens zwischen den Parteien durch Gesellschafterbeschluss zu wählen sei. Auch dieses Argument geht ins Leere, weil die Beklagte zur Zustimmung zur Änderung des Gesellschaftsvertrags dahin, dass der Klägerin ein Entsendungsrecht für ein Aufsichtsratsmitglied zukommt, verpflichtet ist (dazu unten).

[100] 7.3. Soweit die Beklagte vorbringt, eine Wahl durch Gesellschafterbeschluss ohne vorherige Herstellung von Einvernehmen zwischen den Gesellschaftern habe auch dann zu erfolgen, wenn die Beklagte von ihrem Entsendungsrecht nicht Gebrauch mache, führt auch dies nicht zur Abweisung des Unterlassungsbegehrens. Das Unterlassungsgebot stützt sich auf die in § 1 des Syndikatsvertrags verankerte Verpflichtung zur Herstellung des Einvernehmens zwischen den Gesellschafterinnen über „das zu wählende Aufsichtsratsmitglied“ im Gegensatz zu den von den Gesellschafterinnen zu entsendenden Mitgliedern. Nur in diesem Sinn, dass damit das „vierte“ Aufsichtsratsmitglied, das jedenfalls nicht entsendet werden kann, gemeint ist, kann das Unterlassungsgebot in Zusammenschau mit den Entscheidungsgründen verstanden werden. Zur Frage, ob und unter welchen Umständen eine allfällige zukünftige Nichtausübung des Entsendungsrechts durch die Klägerin zur Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch Gesellschafterbeschluss führt (zum Meinungsstand siehe die Nachweise bei Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG, § 30c Rz 41 [124. Lfg]) ist daher hier nicht weiter Stellung zu nehmen.

[101] 7.4. Wie bereits ausgeführt, ist die von der Beklagten mit Schreiben vom 10. 1. 2018 erklärte ordentliche Kündigung des Syndikatsvertrags wirksam. Dieser endet daher mit Ablauf des 30. 9. 2022. Das Unterlassungsgebot war daher bis zu diesem Zeitpunkt zu befristen. Insofern ist die Revision der Beklagten berechtigt.

8. Zur Satzungsänderung betreffend das Entsendungsrecht (§ 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags)

[102] 8.1. Das Berufungsgericht bejahte die Verpflichtung der Beklagten, für näher bezeichnete Änderungen von § 5 Abs 1 und § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags zu stimmen, sodass die Klägerin anstelle der P* als Übernehmerin einer Stammeinlage angeführt werde (§ 5 Abs 1) und der Klägerin – wiederum anstelle der P* – das Recht zukomme, ein Aufsichtsratsmitglied zu entsenden (§ 8 Abs 3). Das Mehrbegehren auf Verankerung des Einstimmigkeitserfordernisses für die Wahl des weiteren Aufsichtsratmitglieds (§ 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags) wurde abgewiesen.

[103] Die Revision der Beklagten wendet sich gegen die Klagestattgebung in beiden Punkten, die Revision der Klägerin gegen die Abweisung betreffend das Einstimmigkeitserfordernis.

[104] 8.2. Das Bestehen eines Entsendungsrechts setzt seine Verankerung im Gesellschaftsvertrag voraus (Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK‑GmbHG [124. Lfg] § 30c Rz 9). Bereits zu 6 Ob 155/20t wurde klargestellt, dass das Entsendungsrecht der P* nach § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags spätestens mit der Übertragung des Geschäftsanteils an die Klägerin im Weg der Einzelrechtsnachfolge am 27. 10. 2004 erloschen ist, weil es sich um ein höchstpersönliches Recht der P* handelte (Rz 67 ff). Der Klägerin steht daher im Beurteilungszeitpunkt (§ 193 ZPO) kein Recht zur Entsendung eines Mitglieds in den Aufsichtsrat zu.

[105] Im vorliegenden Verfahren ist daher nicht der aufrechte Bestand des Entsendungsrechts, sondern vielmehr die Frage zu beurteilen, ob die Beklagte – aus ihrer Treuepflicht – einer Satzungsänderung, mit der der Klägerin ein solches, ihr bislang nicht zukommendes Entsendungsrecht eingeräumt wird, zuzustimmen hat.

[106] 8.3. Entgegen dem Revisionsvorbringen der Beklagten hat das Berufungsgericht in seiner Entscheidung weder den Untergang des Entsendungsrechts der P* noch die Anforderungen des § 49 GmbHG verkannt, weil es nicht von einem Übergang des Entsendungsrechts der P* auf die Klägerin ausging, sondern die Beklagte zur Zustimmung zu einem satzungsändernden Beschluss, der nach allgemeinen Regeln der Firmenbucheintragung nach § 49 Abs 2 GmbHG bedarf, verpflichtete. Die von der Beklagten ins Treffen geführten Verkehrsschutzerwägungen gehen daher ins Leere.

[107] 8.4. Soweit die Beklagte auf den Grundsatz der objektiven Auslegung korporativer Satzungsbestimmungen hinweist, ist damit nichts über eine erst vorzunehmende Satzungsänderung ausgesagt.

[108] 8.5. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 6 Ob 155/20t zu Treuepflichten im Recht der GmbH und zu den für das Verhältnis zwischen den Verfahrensparteien (die hier Beklagte war am Verfahren 6 Ob 155/20t als Nebenintervenientin beteiligt) maßgeblichen Erwägungen Stellung genommen. Dort wurde ausgeführt:

B.I.2. Treuepflichten sind im Gesellschaftsrecht allgemein und insbesondere auch bei der GmbH in ständiger Rechtsprechung anerkannt (RS0060175; zuletzt 6 Ob 90/19g). Diese Treuepflichten können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und hängen regelmäßig von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (RS0106227 [T4]). Gibt es nur zwei Gesellschafter und regeln diese ihre wechselseitigen Rechte und Pflichten auch noch im Rahmen einer schuldrechtlichen Nebenvereinbarung (Syndikatsvertrag), so ist davon auszugehen, dass die Rücksichtnahmepflichten und somit auch die Treuepflichten – insbesondere im Verhältnis Gesellschafter zu Gesellschafter – noch stärker ausgeprägt sind. Mit dem Grad der personalistischen Ausgestaltung der Gesellschaft steigert sich nämlich auch die Intensität der einzuhaltenden Treuepflichten (RS0060175 [T2]; 2 Ob 46/97x; RS0079236 [T2]).

B.I.3. Im vorliegenden Fall wurde der Minderheitsgesellschafterin im Jahr 1981 (Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags) indirekt ein Mitspracherecht für wichtige Angelegenheiten der Geschäftsführung eingeräumt. Dies ergibt sich aus § 8 Abs 3 iVm § 8 Abs 8 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags, wonach den entsendeten Aufsichtsratsmitgliedern faktisch ein Vetorecht für zustimmungspflichtige Geschäfte eingeräumt wurde und zwischen Entsendenden und dem Entsandten regelmäßig ein 'auftragsähnliches' Rechtsverhältnis besteht (vgl Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² [2012] § 88 Rz 27).

Mit dieser Regelung sollte der Minderheitsgesellschafterin, obwohl sie 'nur' 32 % der Geschäftsanteile hält, eine starke Position zukommen, die sie als faktisches Vetorecht in wichtigen Angelegenheiten der Geschäftsführung über das Entsendungsrecht ausüben konnte. Dem Entsendungsrecht kommt somit eine zentrale Bedeutung für die Wahrung des Einflusses auf die Geschäftsführung und somit auf die Geschicke des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens zu.

Der hohe Stellenwert des Einflusses auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats für die beiden Gesellschafter zeigt sich auch daran, dass sich die beiden Gesellschafter gleich am Anfang (§ 1) des Syndikatsvertrags dazu verpflichten, über die Wahl des vierten zu bestellenden Kapitalvertreters im Aufsichtsrat Einvernehmen herzustellen und dem gemeinsam erstellten Wahlvorschlag in der Generalversammlung die Zustimmung zu erteilen. Weiters sollen gemäß § 2 die beiden Gesellschafter auf 'ihre' Aufsichtsratsmitglieder bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter derart einwirken, dass jede dieser Funktionen von einem Aufsichtsratsmitglied ausgeübt wird, welches von jeweils einem der Syndikatspartner nominiert wird. Gemäß Abs 5 verpflichten sich die Syndikatspartner weiters, 'die mit diesem Syndikatsvertrag eingegangenen Verpflichtungen auch an ihre jeweiligen Rechtsnachfolger zu überbinden'.

B.I.4. Hier hat die Nebenintervenientin durch 13 Jahre, nämlich vom – beiden Parteien zunächst nicht bewussten – Erlöschen des Entsendungsrechts der P* im Jahr 2004 bis zum Jahr 2017, nach den Feststellungen insgesamt zu drei Zeitpunkten zu erkennen gegeben, von einem Entsendungsrecht der Klägerin für den Aufsichtsrat und von der Entsendung von Dr. D* in den Aufsichtsrat auszugehen (Generalversammlung und Aufsichtsratssitzung vom 13. 12. 2007, Umlaufbeschluss 14./19. 12. 2011, Umlaufbeschluss 16./21. 12. 2015). Ungeachtet der Tatsache, dass – wie noch zu zeigen sein wird (B.II.1.) – (zumindest) die Entsendung Dris. D* durch die P* im Jahr 2001 unbefristet erfolgte und daher eine neuerliche (befristete) Entsendung in den Jahren 2007, 2011 und 2015 nicht notwendig war und keine Wirkung zeitigen konnte, handelte es sich bei den jeweils im Einvernehmen der Gesellschafter erfolgten Entsendungen nicht bloß um Wissenserklärungen, sondern um Willenserklärungen; diese waren dem Umstand geschuldet, dass die Gesellschafter offenbar irrtümlich davon ausgingen, die Entsendung sei jeweils befristet erfolgt.

Gegenteilige Willens‑ oder Wissenskundgebungen von der Nebenintervenientin (oder auch der Beklagten) dahingehend, das Entsendungsrecht der Klägerin sowie die Stellung von Dr. D* als von der Klägerin entsandtes Aufsichtsratsmitglied in Frage zu stellen oder zu bestreiten, wurden für diesen Zeitraum weder behauptet noch festgestellt.

Durch diese langjährige Übung hat die Nebenintervenientin einen Vertrauenstatbestand dahin geschaffen, das – tatsächlich nicht bestehende – Entsendungsrecht der Klägerin anzuerkennen.

B.I.5. Die Gesellschafter der Beklagten hatten fast 36 Jahre lang 'im Wesentlichen friktionsfrei' zusammengearbeitet. Dies änderte sich erst im Lauf des Jahres 2017, als grundlegende Meinungsverschiedenheiten über die Implementierung des Kundenbindungsprogramms zu Tage traten. Unter der – hier nicht zu prüfenden – Voraussetzung, dass dieses Projekt zustimmungspflichtig war ('Einzelinvestition, die den Betrag von 1.000.000 EUR übersteigt', vgl § 7 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags), konnte es kraft des Erfordernisses, dass diesfalls auch die entsendeten Aufsichtsratsmitglieder zustimmen mussten (§ 8 Abs 8 des Gesellschaftsvertrags), gegen den Willen der Klägerin nicht durchgeführt werden.

Ein redlicher Gesellschafter hätte in diesem Fall an der Stelle der Nebenintervenientin versucht, die Klägerin doch noch vom geplanten Projekt zu überzeugen und so deren Zustimmung zu erwirken, oder wäre eben vom Projekt abgestanden.

Die Nebenintervenientin hingegen begann im Sommer 2017 nach juristischen Mitteln und Wegen zu suchen, wie sie die Klägerin entmachten und 'ausbooten' könnte, um doch noch gegen deren Willen das Kundenbindungsprogramm durchziehen zu können. Mit dem gemäß § 30c GmbHG (welche Bestimmung bis dahin niemanden interessiert hatte) weggefallenen Entsendungsrecht der Klägerin in den Aufsichtsrat wurde sie schließlich 'fündig'.

So geht man mit einem langjährigen Geschäftspartner, mit dem man nicht nur durch einen detaillierten Gesellschaftsvertrag, sondern auch durch einen Syndikatsvertrag verbunden ist, nicht um. Mag auch der beharrliche Widerstand der Klägerin bzw von Dr. D * gegen das Kundenbindungsprogramm für die Nebenintervenientin überaus lästig und unbequem gewesen sein, so bietet entgegen der Ansicht der Beklagten das festgestellte Verhalten der Klägerin oder Dris. D* keine Rechtfertigung für die Handlungsweise der Nebenintervenientin.

Die Treuepflicht des Gesellschafters einer GmbH gebietet eine angemessene Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Mitgesellschafter auch bei Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung (RS0060175; 6 Ob 130/05v; 6 Ob 90/19g). Die potenzielle Treuwidrigkeit der Stimmabgabe ist von der Judikatur anerkannt (RS0106227; RS0120599).

[109] 8.6. Diese Erwägungen sind auch im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblich.

[110] 8.7. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Verpflichtung eines GmbH‑Gesellschafters, einer dem vorliegenden Fall vergleichbaren Satzungsänderung zuzustimmen, liegt zwar nicht vor. Dass aus der gegenseitigen Treuepflicht der GmbH‑Gesellschafter auch die Verpflichtung folgen kann, einer Änderung des Gesellschaftsvertrags zuzustimmen, wurde vom Obersten Gerichtshof aber bereits ausdrücklich anerkannt (6 Ob 695/87).

[111] Zu 6 Ob 166/05p (JBl 2006, 521 [H. Torggler]) wurde darüber hinaus bereits eine aus der Treuepflicht abgeleitete Verpflichtung zur Zustimmung des (Mit‑)Stifters zu einer Änderung der Stiftungsurkunde bejaht. Grundlage dieser Entscheidung waren die zur wechselseitigen Treuepflicht im Gesellschaftsrecht entwickelten Überlegungen, die auf die Privatstiftung übertragen wurden. Dieser Entscheidung kommt daher auch für das Verhältnis zwischen Gesellschaftern einer GmbH Bedeutung zu.

[112] 8.8. Auch in der österreichischen Literatur wird eine aus der Treuepflicht abgeleitete Pflicht von GmbH‑Gesellschaftern, Satzungsänderungen zuzustimmen, ganz überwiegend bejaht (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 39 Rz 14; Rauter/Milchrahm in WK‑GmbHG [74. Lfg] § 92; Enzinger in WK‑GmbHG [50. Lfg] § 39 Rz 52; Thöni, Beschlussanfechtung und Schadenersatzhaftung im GmbH‑Recht, ecolex 1993, 674, 675; kritisch hingegen Harrer in Gruber/Harrer, GmbHG² §§ 49, 50 Rz 82 ff).

[113] Die Zustimmungspflicht soll ultima ratio sein (Enzinger in WK‑GmbHG [50. Lfg] § 39 Rz 52) und dann zum Tragen kommen, wenn sie im Gesellschaftsinteresse dringend geboten und den Gesellschaftern zumutbar ist (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 39 Rz 14; Thöni, Beschlussanfechtung und Schadenersatzhaftung im GmbH‑Recht, ecolex 1993, 674, 675; Nowotny, Durchsetzung der Kapitalerhöhung auf S 500.000 bei Pattstellung in der Generalversammlung?, RdW 1986, 359).

[114] 8.9. Die Beklagte macht in ihrer Revision geltend, diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil die begehrte Satzungsänderung nicht im Gesellschaftsinteresse gelegen, der Klägerin nicht zumutbar sei und in den Kernbereich ihrer Mitgliedschaft eingreife. Darüber hinaus habe die Beklagte weder den Willen gehabt noch einen Vertrauenstatbestand dahin gesetzt, ein Entsendungsrecht der Klägerin zu akzeptieren.

[115] 8.10. Diese Argumente sind nicht stichhältig. Treuepflichten bestehen nicht nur zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft, sondern auch zwischen den Gesellschaftern untereinander (ausführlich Torggler, Treuepflichten im faktischen GmbH‑Konzern [2007] 75 ff). Sie resultieren aus der zwischen den Gesellschaftern bestehenden Sonderbeziehung und sind Korrelat der durch die Mitgliedschaft vermittelten Einflussmöglichkeiten auf die Interessen der Mitgesellschafter. Solche Einflussmöglichkeiten bestehen auch, aber nicht nur bei gleichzeitiger Treuwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft (Torggler aaO 114 f).

[116] Der Verpflichtung der Beklagten, einer Änderung des § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags zuzustimmen, kann daher nicht entgegengehalten werden, dass die Gesellschaft kein Interesse an einer derartigen Satzungsänderung habe.

[117] 8.11. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Konkretisierung der Verpflichtung der Beklagten zur Wahrung der Interessen der Klägerin durch die Verpflichtung zur Satzungsänderung im konkreten Einzelfall. Diese Verpflichtung beruht, wie das Berufungsgericht bereits erkannte, auf dem von der Beklagten selbst über insgesamt 13 Jahre gesetzten Vertrauenstatbestand (vgl 6 Ob 155/20t [Rz 95]) und ist der Beklagten deshalb auch zumutbar.

[118] Die konkreten Formulierungen der Protokolle der Aufsichtsratssitzungen – in denen sowohl von Entsendung als auch von Wahlen die Rede ist – wurden dabei bereits berücksichtigt. Das gilt auch für den Umstand, dass die für die Klägerin und die Beklagte handelnden Personen die Unwirksamkeit der vermeintlich von der Klägerin vorgenommenen Entsendungen nicht erkannten (vgl 6 Ob 155/20t [Rz 95]).

[119] 8.12. Soweit das Revisionsvorbringen darauf abzielt, dass seitens der Beklagten (bzw der für sie handelnden Personen) kein rechtsgeschäftlicher Wille bestand oder geäußert wurde, ein Entsendungsrecht der Klägerin zu begründen, wird auch damit keine unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht aufgezeigt. Die Verpflichtung, der Satzungsänderung zuzustimmen, beruht nämlich nicht auf einer schuldrechtlichen Einigung oder einem natürlichen Konsens der Gesellschafterinnen dahin, eine entsprechende Satzungsänderung vorzunehmen, sondern auf dem durch langjährige Übung geschaffenen Vertrauenstatbestand, das – tatsächlich nicht bestehende – Entsendungsrecht der Klägerin anzuerkennen (6 Ob 155/20t [Rz 97]). Dem Vertrauen der Klägerin kann im hier zu beurteilenden Fall auch nicht anders als durch die Verankerung des Entsendungsrechts im Gesellschaftsvertrag Rechnung getragen werden (ultima ratio).

[120] 8.13. Der Beklagten wird auch keine Verpflichtung auferlegt, die sie nicht erfüllen könnte. Es ist offenkundig, dass mit der Formulierung „in einer außerordentlichen Generalversammlung, welche über Verlangen der klagenden Partei binnen drei Monaten nach Rechtskraft dieses Urteils stattzufinden hat“, auf § 37 GmbHG Bezug genommen und nicht – entgegen § 36 Abs 1 GmbHG – die Beklagte persönlich zur Einberufung verpflichtet wird.

[121] 8.14. Die Revision der Beklagten betreffend die Änderung von § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags ist daher insgesamt nicht berechtigt.

9. Zur Satzungsänderung betreffend die Übernahme von Stammeinlagen (§ 5 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags)

[122] 9.1. Zutreffend wendet sich die Beklagte in ihrer Revision gegen die Änderung von § 5 des Gesellschaftsvertrags („Stammkapital und Stammeinlagen“) dahin, dass die Klägerin anstelle der P* als Übernehmerin einer Stammeinlage von 4.185.955 EUR ausgewiesen werde.

[123] 9.2. Nach § 4 Abs 1 Z 4 GmbHG muss der Gesellschaftsvertrag den Betrag der von jedem Gesellschafter auf das Stammkapital zu leistenden Einlage bestimmen. Der Gesellschaftsvertrag muss sich nach dieser Bestimmung zu den Einlageversprechen der Gesellschafter äußern (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG‑Kommentar³ § 4 Rz 13). Die Bestimmung zielt insofern auf den bei der Errichtung der Gesellschaft abzuschließenden Gesellschaftsvertrag ab (vgl 3 Ob 402/58 ÖBA 1960, 58). Ist die Stammeinlage von allen Gesellschaftern eingezahlt worden, verliert die Aufzählung der ursprünglichen Gesellschafter und die Höhe der von ihnen seinerzeit zu leistenden Stammeinlagen ihre Bedeutung; es könnten auch in einer Neufassung des Gesellschaftsvertrags nur die ursprünglichen Gesellschafter und deren Stammeinlagen angeführt werden (3 Ob 402/58 ÖBA 1960, 58). Daher müssen nach Eintragung einer Gesellschaft und Erfüllung der Einlageverpflichtungen die Gesellschafter und die einzelnen Stammeinlagen nicht mehr angeführt werden (Schmidsberger/Duursma in Gruber/Harrer, GmbHG² § 4 Rz 62).

[124] 9.3. Die Klägerin begründete ihren Antrag betreffend § 5 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags ausschließlich damit, dass sie (anstelle der ursprünglichen P*) die Gesellschafterstellung erlangt habe. Aus ihrem eigenen Vorbringen ergibt sich, dass die Stammeinlage in Höhe von 4.185.955 EUR von der P* übernommen wurde. Da die Klägerin keine Stammeinlage übernommen hat, ist sie auch nicht als Übernehmerin einer Stammeinlage im Gesellschaftsvertrag anzuführen (vgl 3 Ob 402/58 ÖBA 1960, 58). Die Revision der Beklagten ist in diesem Umfang berechtigt.

10. Zur Satzungsänderung betreffend das Einstimmigkeitserfordernis für die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds in der Satzung (§ 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags)

[125] 10.1. Der Inhalt der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht lässt sich nicht allgemein umschreiben. Ob ein bestimmtes Verhalten eines Gesellschafters gegen seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft oder Mitgesellschaftern verstößt oder ob die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht eine bestimmte Handlungsweise gebietet, hängt daher von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (6 Ob 37/08x; 6 Ob 190/08x; vgl 6 Ob 155/20t; RS0106227 [T4]; RS0060175 [T3]). Auch die Frage, ob durch eine über einen bestimmten Zeitraum hinweg geübte Praxis ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, aus dem ein Mitgesellschafter Rechte ableiten kann, ist von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig.

[126] 10.2. Nach § 1 des Syndikatsvertrags – der, wie oben ausgeführt, zwischen der Klägerin und der Beklagten bis zum Wirksamwerden der von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung aufrecht besteht – sind die Syndikatspartner verpflichtet, über das in der Generalversammlung der Gesellschaft von den Kapitaleignern zu wählende Aufsichtsratsmitglied Einvernehmen herzustellen und dem gemeinsamen Wahlvorschlag ihre Zustimmung zu erteilen. Diese Regelung hat im Gesellschaftsvertrag keinen Niederschlag gefunden. Dort ist in § 8 Abs 3 vielmehr nur vorgesehen, dass das nicht zu entsendende weitere Aufsichtsratsmitglied von der Generalversammlung gewählt wird.

[127] 10.3. Ausgehend von diesen zwischen den Gesellschafterinnen bestehenden Vereinbarungen folgerte das Berufungsgericht, dass für eine auf die Treuepflicht oder einen Vertrauenstatbestand gestützte Ergänzung des Gesellschaftsvertrags dahin, dass die Wahl des vierten Aufsichtsratsmitglieds einvernehmlich zu erfolgen habe, keine Grundlage bestehe, weil sich diese Pflicht nur im kündbaren Syndikatsvertrag finde. Damit hat es den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum im vorliegenden Einzelfall nicht überschritten.

[128] 10.4. Im vorliegenden Fall konkretisiert der Syndikatsvertrag insofern die zwischen den Gesellschaftern bestehenden Treuepflichten, als er das in der Grundsatzvereinbarung festgehaltene Verständnis der Zusammenarbeit der beiden, aus den Unternehmensgruppen S* und d* stammenden Gesellschafter umsetzt (6 Ob 140/20m [ErwGr 5.5]). Die Erwägung, dass auch die Vereinbarung einer einseitigen Beendigungsmöglichkeit den Inhalt der Treuepflicht mitgestaltet, steht daher im Einklang mit der Entscheidung 6 Ob 140/20m.

[129] 10.5. Soweit sich die Klägerin auf die Grundsatzvereinbarung bezieht, lässt sie außer Acht, dass diese vom Syndikatsvertrag – der die Kündigungsmöglichkeit vorsieht – konkretisiert wurde. Eine tatsächlich gelebte Praxis, die im Syndikatsvertrag verankerten Rechte trotz Kündigung dieses Vertrags weiter zu respektieren, vermag sie nicht aufzuzeigen.

[130] 10.6. Es gelingt der Klägerin daher nicht, im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht abgelehnten Verankerung des Einstimmigkeitsgebots in § 8 Abs 3 der Satzung eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

[131] 11. Im Ergebnis ist aus den ausgeführten Erwägungen die Revision der Klägerin – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts – nicht zulässig, die Revision der Beklagten hingegen zulässig und teilweise berechtigt.

[132] 12. Die Kostenentscheidungen gründen auf § 43 Abs 1 ZPO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens in Verbindung mit § 50 ZPO.

[133] Da die Klägerin ihre Begehren nicht gesondert bewertete, geht der Oberste Gerichtshof – wie bereits das Berufungsgericht – davon aus, dass auf jedes der vier Begehren ein gleicher Teil des Streitwerts entfällt. Die Klägerin ist hinsichtlich Punkt 1. des Klagebegehrens nur mit dem inhaltlich weniger weit reichenden Eventualbegehren durchgedrungen, sodass von einem Erfolg zur Hälfte ausgegangen wird. Mit dem Feststellungsbegehren (Punkt 2.) ist sie unterlegen. Das Unterlassungsgebot(Punkt 3.) war zeitlich einzuschränken, sodass wirtschaftlich ebenfalls nur ein Obsiegen zur Hälfte zugrunde gelegt wird. Mit ihrem Begehren auf Satzungsänderung ist die Klägerin bei wirtschaftlicher Betrachtung ebenfalls rund zur Hälfte (nämlich betreffend das Entsendungsrecht) durchgedrungen, zur Hälfte (betreffend das Einvernehmlichkeitserfordernis) jedoch unterlegen; dem als Klarstellung gedachten Begehren betreffend die Übernahme von Stammeinlagen kommt keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu. Die Klägerin ist daher zu rund 38 % (drei Achtel) als obsiegend anzusehen.

[134] Die Klägerin hat somit in den Verfahren erster und zweiter Instanz Anspruch auf den Ersatz von 38 % ihrer Barauslagen, die Beklagte Anspruch auf den Ersatz von 62 % ihrer Barauslagen und 24 % ihrer Vertretungskosten.

[135] Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet hinsichtlich der Revision der Beklagten auf § 43 Abs 1 iVm § 50 ZPO, hinsichtlich der Revision der Klägerin auf § 41 Abs 1 iVm § 50 ZPO.

[136] Im Verfahren dritter Instanz wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung des Hauptbegehrens zu Punkt 1. und die Teilabweisung des Begehrens auf Zustimmung zur Änderung des Gesellschaftsvertrags, worauf jeweils rund ein Achtel des Gesamtstreitwerts entfällt; ihr Revisionsinteresse besteht daher in Höhe von einem Viertel des Gesamtstreitwerts, sohin 125.000 EUR. (Nur) auf dieser Bemessungsgrundlage gebührt der Beklagten der Ersatz ihrer Kosten der Revisionsbeantwortung, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen hat.

[137] Die Beklagte wandte sich gegen die klagestattgebenden Punkte des Berufungsurteils. Im Revisionsverfahren entfällt auf Punkt 2. und 3. je ein Drittel des Revisionsinteresses der Beklagten, auf die klagestattgebenden Teile der Punkte 1. und 4. je ein Sechstel. Die Beklagte ist mit ihrer Revision hinsichtlich Punkt 1. des Berufungsurteils nicht, hinsichtlich Punkt 2. zur Gänze (sohin mit einem Drittel des Revisionsinteresses), hinsichtlich Punkt 3. (zeitliche Einschränkung des Unterlassungsgebots) zur Hälfte (also mit einem Sechstel des Revisionsinteresses) und hinsichtlich Punkt 4. nicht durchgedrungen, weil auf die begehrte Satzungsänderung betreffend die Übernahme von Stammeinlagen kein eigener wirtschaftlicher Wert entfällt und hinsichtlich der Verankerung des Einstimmigkeitserfordernisses in der Satzung mit Maßgabebestätigung vorgegangen werden konnte. Daraus ergibt sich eine Obsiegensquote von 50 % (1/3 plus 1/6 ergibt 3/6 = 50 %). Die Klägerin hat der Beklagten daher die halbe Pauschalgebühr des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

[138] Die Vertretungskosten der Revision der Beklagten und der Revisionsbeantwortung der Klägerin sind gegeneinander aufzuheben.

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