European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E130886
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass es folgendermaßen zu lauten hat:
„A.
I.1. Das Klagebegehren, der in der außerordentlichen Generalversammlung der beklagten Partei vom 21. November 2017 zu Punkt 2. der Tagesordnung gemäß der Niederschrift über diese außerordentliche Generalversammlung gefasste Beschluss der Gesellschafter mit dem Wortlaut:
'Dem Abschluss der erforderlichen Verträge zur Implementierung des Kundenbindungsprogramms „*“, insbesondere der „Vereinbarung über die Teilnahme am * Programm“ mit der * GmbH, dessen wesentlicher Inhalt den Gesellschaftern mit der Einladung zur Generalversammlung übermittelt wurde, wird zugestimmt.'
werde für nichtig erklärt, wird abgewiesen.
I.2. Das Eventualbegehren, es werde festgestellt, dass der zu Punkt 2. der Tagesordnung gemäß der Niederschrift über die außerordentliche Generalversammlung der beklagten Partei vom 21. November 2017 gefasste Beschluss mit dem Wortlaut:
'Dem Abschluss der erforderlichen Verträge zur Implementierung des Kundenbindungsprogramms „*“, insbesondere der „Vereinbarung über die Teilnahme am * Programm“ mit der * GmbH, dessen wesentlicher Inhalt den Gesellschaftern mit der Einladung zur Generalversammlung übermittelt wurde, wird zugestimmt.'
unwirksam sei, wird abgewiesen.
II. Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass der zu Punkt 3. der Tagesordnung gemäß der Niederschrift über die außerordentliche Generalversammlung der beklagten Partei vom 21. November 2017 gefasste Beschluss mit dem Wortlaut:
'Das Aufsichtsratsmitglied Dr. G* D*, geboren am *, wird mit Wirkung zum Schluss der heutigen Generalversammlung als Aufsichtsratsmitglied abberufen.'
unwirksam sei, wird abgewiesen.
III. Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass Herr Mag. F* P*, geboren am *, seit 21. November 2017 Mitglied des Aufsichtsrats der beklagten Partei sei, wird abgewiesen.
IV. Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass der klagenden Partei das ursprünglich zugunsten der 'P*' bestehende Entsendungsrecht für ein Mitglied des Aufsichtsrats zustehe, wird abgewiesen.
B.
I. Der in der außerordentlichen Generalversammlung der beklagten Partei vom 21. November 2017 zu Punkt 3. der Tagesordnung gemäß der Niederschrift über diese außerordentliche Generalversammlung gefasste Beschluss der Gesellschafter mit dem Wortlaut:
'Das Aufsichtsratsmitglied Dr. G* D*, geboren am *, wird mit Wirkung zum Schluss der heutigen Generalversammlung als Aufsichtsratsmitglied abberufen.'
wird für nichtig erklärt.
II. Es wird festgestellt, dass die Bestellung von Herrn Dr. G* D*, geboren am *, zum Mitglied des Aufsichtsrats der beklagten Partei weiterhin aufrecht ist.
C. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an anteiliger Pauschalgebühr erster und zweiter Instanz 3.821,20 EUR binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen werden die Kosten erster und zweiter Instanz gegenseitig aufgehoben.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an anteiliger Pauschalgebühr dritter Instanz 3.148,75 EUR binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen werden die Kosten dritter Instanz gegenseitig aufgehoben.
Entscheidungsgründe:
[1] Die beklagte Partei ist eine im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ihre Gesellschafter sind die klagende Partei, eine Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht, mit einer Beteiligung von ca 32 % und die Nebenintervenientin auf Seite der Beklagten, eine im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, mit einer Beteiligung von ca 68 %.
[2] Die Klägerin ist Teil des im Lebensmittelhandel tätigen S*‑Konzerns (im Folgenden „S“ bzw „S‑Konzern“).
[3] Dr. G* D* ist Vorstandsmitglied zweier dem S-Konzern angehöriger Gesellschaften und Verwaltungsrat der Klägerin.
[4] Die Nebenintervenientin gehört dem d*-Konzern (im Folgenden „d“ bzw „d‑Konzern“) an, dessen Gründer Prof. G* W* ist. Dieser war bis 23. 5. 2019 Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten.
[5] In Anlehnung an das Konzept der in Deutschland schon bestehenden d* Drogeriemärkte führte die d Deutschland im Jahr 1976 das Geschäftsmodell von Drogerieselbstbedienungsmärkten in Österreich ein.
[6] Am Anfang der 1980er Jahre kamen die Geschäftsführer von d unter der Führung von Prof. G* W* und von S, L* D* und Dr. F* P*, überein, durch ein gemeinsames unternehmerisches Projekt die d Drogeriemärkte in Österreich zu vermehren. S hatte aufgrund einer entsprechenden Beteiligung die Möglichkeit, die Märkte einer Drogeriekette in Österreich zu übernehmen. Der Plan sah vor, dass ein Unternehmen des S‑Konzerns diese Drogeriemärkte in Österreich übernehmen und an die Beklagte verkaufen sowie im Gegenzug dafür einen Geschäftsanteil an der Beklagten übernehmen sollte. Die Beklagte konnte auf diese Weise ihr Filialnetz in Österreich deutlich vergrößern und zugleich ihre damalige Hauptkonkurrentin auf dem österreichischen Markt, nämlich die zu übernehmenden Drogeriemärkte, verdrängen.
[7] Am 21. 8. 1981 unterzeichneten die Vertreter des S‑Konzerns sowie diejenigen desd‑Konzernseine Grundsatzvereinbarung, wonach eine GmbHerrichtet werden sollte, an der d mit 68 % und S mit 32 % beteiligt sein sollte. Die GmbH sollte einen Aufsichtsrat mit vier Kapitalvertretern haben, wovon zwei von d und einer von S entsendet werden sollten; der vierte sollte gemeinsam bestellt werden.
[8] Die in der Grundsatzvereinbarung aufgelisteten Schritte wurden in der Folge im Wesentlichen dergestalt umgesetzt, dass die S*-Aktiengesellschaft sich im Jahr 1981 durch ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft P* an der Beklagten mit einem Geschäftsanteil von 32 % beteiligte. Die Nebenintervenientin war bereits Gesellschafterin der Beklagten und hielt in der Folge einen Geschäftsanteil von 68 %. Die Regelungen über die Beschickung des Aufsichtsrats wurden im Gesellschaftsvertrag und in einem ebenfalls 1981 zwischen den Gesellschafterinnen unter Beitritt dreier Vertreter des d-Konzerns persönlich sowie der S*‑AG abgeschlossenen Syndikatsvertrag festgeschrieben.
[9] Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten in der Neufassung vom 9. 9. 1981 lautet auszugsweise wie folgt:
„[...]
§ 7 Geschäftsführer
[...]
4) Zur Durchführung von Einzelinvestitionen, die den Betrag von 6,000.000,-- S (sechs Millionen Schilling) übersteigen, bedürfen die Geschäftsführer der Zustimmung des Aufsichtsrates.
§ 8 Aufsichtsrat
1) Der Aufsichtsrat besteht aus mindestens drei, höchstens vier Mitgliedern, welche von der Gesellschaft bestellt werden.
2) Sie werden, sofern keine abweichenden gesetzlichen Bestimmungen bestehen, längstens für vier Jahre gewählt. Die Funktionsperiode endet mit der Beschlussfassung über die Entlastung für das vierte auf die Bestellung folgende Geschäftsjahr nach der Wahl. Wiederholte Bestellung als Aufsichtsratsmitglied ist zulässig.
3) Der Gesellschafter '[Nebenintervenientin]' ist berechtigt, zwei Mitglieder des Aufsichtsrates zu entsenden, der Gesellschafter 'P*' ist berechtigt, ein Mitglied des Aufsichtsrates zu entsenden. Das weitere Aufsichtsratsmitglied wird von der Generalversammlung gewählt.
4) Der Aufsichtsrat kann sich seine Geschäftsordnung selbst geben.
[…]
7) Der Aufsichtsrat ist beschlussfähig, wenn drei gem. § 8 Abs 3.) bestellte Mitglieder, davon der Vorsitzende oder sein Stellvertreter anwesend sind. Der Vorsitzende, im Falle seiner Verhinderung sein Stellvertreter, leitet die Sitzung. Die Art der Abstimmung bestimmt der Leiter der Sitzung.
8) Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Im Falle der Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Leiters der Sitzung.
Für die Genehmigung zustimmungspflichtiger Geschäfte bedarf es überdies der Zustimmung der Aufsichtsratsmitglieder, welche von den Gesellschaftern entsandt wurden.
[...]“
[10] Es kann nicht festgestellt werden, dass im Zeitpunkt der Neufassung dieses Gesellschaftsvertrags zwischen den beiden Gesellschafterinnen der Beklagten klar war, dass das in § 8 Abs 3 enthaltene Entsendungsrecht der P* für den Fall einer Anteilsübertragung durch diese an eine andere Gesellschaft des S‑Konzerns der den Anteil übernehmenden Gesellschaft zustehen sollte.
[11] Der Syndikatsvertrag lautet auszugsweise folgendermaßen:
„§ 1
Die Syndikatspartner verpflichten sich über das in der Generalversammlung der [Beklagte] von den Kapitaleignern zu wählende Aufsichtsratsmitglied Einvernehmen herzustellen und dem gemeinsam erstellten Wahlvorschlag in der Generalversammlung die Zustimmung zu erteilen.
Die Syndikatspartner verpflichten sich weiters, auf die von ihnen entsandten und gewählten Aufsichtsratsmitglieder einzuwirken, dass diese den Vorsitzenden und den Stellvertreter des Aufsichtsrates so wählen, dass jede dieser Funktionen von einem Aufsichtsratsmitglied ausgeübt wird, welches von jeweils einem der Syndikatspartner nominiert wird.
§ 2
Die Syndikatspartner verpflichten sich, sich wechselseitig von einer Übertragung bzw. vertragsgemäßen Verpfändung oder sonstigen Verfügung oder Belastung ihres Geschäftsanteiles rechtzeitig zu informieren.
[...]
§ 5
Die Syndikatspartner verpflichten sich, die mit diesem Syndikatsvertrag eingegangenen Verpflichtungen auch an ihre jeweiligen Rechtsnachfolger zu überbinden.
§ 6
Verstöße gegen die gegenständliche Vereinbarung bilden zwischen den Vertragspartnern einen klagbaren Anspruch.
§ 7
Dieser Syndikatsvertrag wird grundsätzlich auf die Dauer des Bestehens der [Beklagten] abgeschlossen. Beide Partner verzichten unwiderruflich auf die Ausübung des Kündigungsrechtes auf 10 Jahre, d.h. bis zum 30. 9. 1992. Wird der Syndikatsvertrag zu diesem Termin nicht aufgekündigt, so verlängert er sich jeweils um 5 Jahre. Die jeweilige Aufkündigung ist gültig, wenn sie unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr dem anderen Partner mittels eingeschriebenem Brief mitgeteilt wird.
[...]“
[12] In der ersten Generalversammlung der Beklagten am 22. 1. 1982 machten beide Gesellschafterinnen unter Bezugnahme auf § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags von ihrem Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat Gebrauch. Die P* entsandte ein, die Nebenintervenientin entsandte zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat. Beide Gesellschafterinnen wählten sodann als viertes von den Kapitaleignern zu wählendes Aufsichtsratsmitglied stimmeneinhellig den anwesenden Univ.‑Prof. DDr. W* J*. In diesem ersten Generalversammlungsprotokoll wird sprachlich zwischen der Entsendung (betreffend die entsandten Mitglieder) und der Wahl des vierten Aufsichtsratsmitglieds differenziert.
[13] Im Protokoll über die Generalversammlung der Beklagten vom 18. 12. 2001 wurde unter Punkt 5 „Entsendung in den Aufsichtsrat“ festgehalten:
„Herr Präsident KR L* D* erklärt, dass er sein Aufsichtsratsmandat mit Ablauf dieser Generalversammlung zurücklegt. Der Gesellschafter ‚P*‘ erklärt gemäß § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages Herrn Dr. G* D* in den Aufsichtsrat zu entsenden. Herr Dr. G* D* erklärt, diese Funktion anzunehmen…“
[14] Im Protokoll der Generalversammlung der Beklagten vom 18. 12. 2003 ist zum fünften Tagesordnungspunkt festgehalten:
„Der Vorsitzende stellt fest, dass von dem Gesellschafter P* weiters Herr Dr. G* D* (...) und von der [Nebenintervenientin] weiters Herr G* L* (...) und Herr G* W* (...) in den Aufsichtsrat entsandt werden. Als viertes Aufsichtsratsmitglied wird von Herrn Dr. G* D*, Herr Prof. DDr. W* J* (...) zur Wahl vorgeschlagen. Die Wahl erfolgt stimmeneinhellig.
[…].“
[15] Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten wurde in der Generalversammlung vom 10. 3. 2004 in § 7 Abs 4 dahin geändert, dass die Höhe der Einzelinvestitionen, für die die Geschäftsführer der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen, auf 1 Million EUR angehoben wurde.
[16] Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sah zu keinem Zeitpunkt vor, dass eine Gesellschafterin ihren Geschäftsanteil nur mit Zustimmung der jeweils anderen an einen Dritten übertragen könnte.
[17] Mit Spaltungs- und Übernahmsvertrag vom 27. 5. 2004 wurde der Geschäftsanteil der P* an die B* (im Folgenden „B*“) übertragen. Mit Sacheinlage-, Übertragungs- und Abtretungsvertrag vom 27. 10. 2004 wurde im Zuge einer konzerninternen Umstrukturierung des S‑Konzerns der Geschäftsanteil der B* an die Klägerin übertragen.
[18] Dr. G* D* hatte schon 2003 vor Durchführung dieser Umstrukturierungen mündlich Prof. G* W* davon verständigt.
[19] Nach den durchgeführten Umstrukturierungen 2004 verständigte die Klägerin davon auch die Beklagte, nicht jedoch die Nebenintervenientin.
[20] Es ist nicht feststellbar, dass die Nebenintervenientin dieser konzerninternen Anteilsübertragung vor Durchführung derselben zugestimmt hätte.
[21] Es kann nicht festgestellt werden, dass die Nebenintervenientin im Jahr 2004 im Zuge der Umstrukturierung im S‑Konzern zu einer Abänderung des Gesellschaftsvertrags der Beklagten dergestalt bereit gewesen wäre, dass in § 8 Abs 3 anstatt der P* die Klägerin als Entsendungsberechtigte aufscheint.
[22] Im Protokoll der Generalversammlung der Beklagten vom 13. 12. 2007 ist zum sechsten Tagesordnungspunkt („Neuwahl des Aufsichtsrates“) festgehalten:
„Der Vorsitzende stellt fest, dass von dem Gesellschafter [Klägerin] weiters Herr Dr. G* D* (...) und von der [Nebenintervenientin] weiters Herr G* L* (...) und Herr G* W* (...) in den Aufsichtsrat entsandt werden.
Als viertes Aufsichtsratsmitglied wird von Herrn Dr. G* D*, Herr Prof. DDr. W* J* (...) zur Wahl vorgeschlagen. Die Wahl erfolgt stimmeneinhellig.“
[23] Das Protokoll ist von Prof. G* W* unterfertigt.
[24] Die Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten (sowohl Kapital- als auch Arbeitnehmervertreter) beschlossen in der Aufsichtsratssitzung am 13. 12. 2007 eine Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat. Diese sieht vor:
„ …
§ 1 Zusammensetzung des Aufsichtsrats
1. Der Aufsichtsrat besteht derzeit aus vier Mitgliedern, welche von der Gesellschaft bestellt sind.
2. Der Gesellschafter '[Nebenintervenientin]' entsendet zwei Mitglieder des Aufsichtsrats, der Gesellschafter '[Klägerin]' entsendet ein Mitglied des Aufsichtsrats. Das weitere Aufsichtsratsmitglied wird von der Generalversammlung gewählt.
3. Die Aufsichtsratsmitglieder werden auf längstens vier Jahre bestellt (…)“
[25] Am 14./19. 12. 2011 fassten die Gesellschafter der Beklagten gemäß § 34 GmbHG folgenden Umlaufbeschluss:
„5. Neuwahl des Aufsichtsrates
Es wird der Beschluss gefasst, dass von dem Gesellschafter [Klägerin] weiters Herr Dr. G* D* (...) und von der [Nebenintervenientin] weiters Herr Prof. G* W* (…) sowie Herr KR G* B* (...) in den Aufsichtsrat für eine Funktionsperiode entsandt werden.
Es wird aufgrund des Vorschlags von Herrn Dr. G* D* der Beschluss gefasst, Herrn Univ. Prof. em DDr. W* J* (...) als 4. Aufsichtsratsmitglied für eine Funktionsperiode in den Aufsichtsrat zu wählen.“
[26] Am 16./21. 12. 2015 fassten die Gesellschafter der Beklagten abermals einen mit Punkt 5. des Beschlusses vom 14./19. 12. 2011 wortgleichen Umlaufbeschluss gemäß § 34 GmbHG.
[27] In der Präsentationsunterlage vom 16. 12. 2015 für die 121. Aufsichtsratssitzung der Beklagten war eine von der Beklagten erstellte Übersicht unter der Überschrift „Wiederbestellung Aufsichtsräte“ enthalten, in der die vier Aufsichtsratsmitglieder namentlich jeweils mit den Vermerken „Wiederbestellung 16. 12. 2015“ und „Dauer: 4 Jahre“ angeführt waren.
[28] Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Gesellschafterinnen der Beklagten verlief von 1981 bis etwa Mitte 2017 im Wesentlichen friktionsfrei.
[29] Ab 2014 erwog die Nebenintervenientin bzw die Geschäftsführung der Beklagten, bei der Beklagten ein bestimmtes Kundenbindungsprogramm zu implementieren. Dr. D* als Vertreter des S‑Konzerns war jedoch gegen dieses Projekt, was in weiterer Folge, insbesondere im Lauf des Jahres 2017, zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Dr. D* und den Geschäftsführern der Beklagten bzw der Nebenintervenientin führte.
[30] Am 6. 4. 2017 erfuhr Dr. G* D*, dass die Geschäftsführung bereits einen Letter of Intent mit dem das Kundenbindungsprogramm offerierenden Unternehmen unterschrieben hatte. Dr. G* D* war darüber erbost und sah dies als Überschreitung einer roten Linie an.
[31] Die Geschäftsführung der Beklagten teilte am 11. 4. 2017 Dr. D* mit, dass nach ihrer Ansicht für die Teilnahme an dem Kundenbindungsprogramm kein zustimmungsbedürftiges Geschäft vorliege, da keine Investition im Sinne des Gesellschaftsvertrags vorliege.
[32] Am 30. 5. 2017 fand eine Aufsichtsratssitzung statt, bei der Dr. G* D* die Teilnahme am Kundenbindungsprogramm zum Gegenstand der Beschlussfassung machen wollte. Er wollte auch den Leiter der Rechtsabteilung der S*‑AG an der Aufsichtsratssitzung teilnehmen lassen. Nach Beratung und in Abstimmung mit den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern ließ der Aufsichtsratsvorsitzende Prof. G* W* dessen Teilnahme bei der Aufsichtsratssitzung jedoch nicht zu. Daraufhin nahm auch Dr. G* D* an dieser Aufsichtsratssitzung nicht teil.
[33] In dieser Aufsichtsratssitzung sprach sich der Aufsichtsratsvorsitzende für eine beschleunigte Einführung des Kundenbindungsprogramms bei der Beklagten aus. Einstimmig hielt der Aufsichtsrat fest, dass über das Projekt so umfassend informiert wurde, dass keine weitergehenden Informationen mehr nötig sind.
[34] In der Generalversammlung der Beklagten vom 21. 8. 2017 wurde mit der Zustimmung der Nebenintervenientin und gegen die Stimme der Klägerinder Beschluss gefasst, der Geschäftsführung die Weisung zu erteilen, das Kundenbindungsprogramm „voranzutreiben“ und bei wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit entsprechende Verträge abzuschließen, wobei allenfalls abzuschließende Verträge dem zuständigen Gesellschaftsorgan zur Zustimmung vorzulegen seien, wenn dies nach dem Gesetz, dem Gesellschaftsvertrag oder einer Geschäftsordnung der Gesellschaft erforderlich sein sollte.
[35] Im Sommer 2017 ließ die Nebenintervenientin prüfen, welche Rechte Dr. D* als Aufsichtsratsmitglied im Aufsichtsrat der Beklagten zukommen und ob die Klägerin ein Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat der Beklagten hat.
[36] Die Klägerin holte bei Univ.‑Prof. Dr. K* ein Gutachten ein, in dem die Gutachterin zum Schluss kommt, dass die Implementierung des Kundenbindungsprogramms ein zustimmungspflichtiges Geschäft sei, und legte dieses Gutachten der Geschäftsführung der Beklagten vor. Die Nebenintervenientin legte der Geschäftsführung der Beklagten ein gegenteiliges Gutachten von Univ.‑Prof. Dr. M* A* vom 14. 11. 2017 vor. Aufgrund der widersprechenden Gutachten entschied sich die Geschäftsführung der Beklagten, selbst ein gesellschaftsrechtliches und ein betriebswirtschaftliches Gutachten bei Univ.‑Prof. Dr. F* H* und Univ.‑Prof. Dr. K* H* einzuholen. Diese Gutachter kamen zum Schluss, dass das Kundenbindungsprogramm keine genehmigungspflichtige Investition im Sinne des Gesellschaftsvertrags darstelle und keiner Zustimmung des Aufsichtsrats oder eines seiner Mitglieder bedürfe.
[37] Darauf verhandelte die Geschäftsführung der Beklagten weiter mit dem das Kundenbindungsprogramm offerierenden Unternehmen. Den ausverhandelten Vertrag legte die Geschäftsführung der Beklagten der Generalversammlung und dem Aufsichtsrat zur Genehmigung vor.
[38] Mit Schreiben vom 13. 11. 2017 teilte die Geschäftsführung der Beklagten der Klägerin bezugnehmend auf die am 21. 11. 2017 stattfindende Generalversammlung der Beklagten mit, dass die Nebenintervenientin mit Schreiben vom 9. 11. 2017 gemäß § 38 Abs 3 GmbHG die Ergänzung der Tagesordnung beantragt habe und die konsolidierte Tagesordnung für die außerordentliche Generalversammlung am 21. 11. 2017 wie folgt laute:
„Tagesordnung:
1. Beschlussfassung über die Bestellung des Versammlungsleiters der Generalversammlung
2. Beschlussfassung über die Zustimmung zum Abschluss des [Kundenbindungsprogramm]‑Vertrages
3. Abberufung des Aufsichtsratsmitgliedes Dr. G* D*, …“
[39] Dem Schreiben vom 13. 11. 2017 war ein Schreiben der Vertreter der Nebenintervenientin vom 9. 11. 2017 angehängt, in dem zum beantragten Tagesordnungspunkt „Abberufung des Aufsichtsratsmitgliedes Dr. G* D*“ ausgeführt wird, dass dieser in seiner Ausübung seiner Rechte als Aufsichtsratsmitglied sach- und gesellschaftsfremde Interessen verfolge und daher abzuberufen sei.
[40] Mit Schreiben vom 15. 11. 2017 wies Dr. D* die Beklagte darauf hin, dass er aus derzeitiger Sicht gegen eine Beschlussfassung über den Abschluss eines Vertrags mit dem das Kundenbindungsprogramm offerierenden Unternehmen stimmen werde; weiters wies er auf das ihm eingeräumte Sonderzustimmungsrecht gemäß § 8 Abs 8 iVm § 7 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags hin, wonach für die Umsetzung des Projekts Kundenbindungsprogramm seine Zustimmung erforderlich sei.
[41] Am 21. 11. 2017 gab die Klägerin gegenüber der Beklagten folgende Erklärung ab:
„1) Herr Dr. G* D*, geboren am ..., wird mit sofortiger Wirkung als von der [Klägerin] in den Aufsichtsrat der [Beklagten] entsandtes Aufsichtsratsmitglied abberufen.
2) Mag. F* P*, geboren am ..., wird entsprechend dem Entsendungsrecht in § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrages der [Beklagten] mit sofortiger Wirkung in den Aufsichtsrat von [Beklagter] entsandt.
3) Die Abberufung von Herrn Dr. G* D* ist mit der Bestellung von Mag. F* P*, als dem von [Klägerin] entsandten Aufsichtsratsmitglied, bedingt.“
[42] Mag. P* nahm die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied an.
[43] In der Generalversammlung der Beklagten am 21. 11. 2017 wurden folgende Beschlüsse gefasst:
zu Tagesordnungspunkt 1.: „Dr. G* S* wird zum Vorsitzenden der heutigen Generalversammlung bestellt.“
zu Tagesordnungspunkt 2.: „Dem Abschluss der erforderlichen Verträge zur Implementierung des Kundenbindungsprogramms [...], insbesondere der Vereinbarung über die Teilnahme am '[...] Programm' mit der [...] GmbH, dessen wesentlicher Inhalt den Gesellschaftern mit der Einladung zur Generalversammlung übermittelt wurde, wird zugestimmt.“
zu Tagesordnungspunkt 3.: „Das Aufsichtsrats- mitglied Dr. G* D*, geboren am ..., wird mit Wirkung zum Schluss der heutigen Generalversammlung als Aufsichtsratsmitglied abberufen.“
[44] Zu diesen drei Beschlüssen stimmte die Nebenintervenientin jeweils für den Beschlussantrag, die Klägerin jeweils gegen den Beschlussantrag. Der Vorsitzende stellte fest, dass der Antrag mit einfacher Mehrheit angenommen worden sei. Die Klägerin erklärte jeweils zu den Beschlüssen Widerspruch zu Protokoll.
[45] Am 21. 11. 2017 fand nach der Generalversammlung eine Aufsichtsratssitzung statt, an der nur die beiden von der Nebenintervenientin entsandten Aufsichtsratsmitglieder, der gewählte Kapitalvertreter sowie die Arbeitnehmervertreter teilnahmen. In dieser Aufsichtsratssitzung wurde für die Implementierung des Kundenbindungsprogramms gestimmt.
[46] In der Folge wurde Dr. G* D* als Aufsichtsratsmitglied der Beklagten im Firmenbuch gelöscht.
[47] Am 10. 1. 2018 kündigte die Nebenintervenientin gegenüber der Klägerin für den Fall, dass wider ihrem Erwarten ein Syndikatsvertrag zwischen der Nebenintervenientin und der Klägerin bestehe, diesen „höchstvorsorglich aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung auf“. Sie führte darin aus, nach den ihr vorliegenden Informationen habe zwischen der Nebenintervenientin und der Klägerin als Gesellschaftern der Beklagten zu keinem Zeitpunkt ein Syndikatsvertrag bestanden. Hilfsweise erkläre die Nebenintervenientin die Kündigung zum nächstmöglichen Kündigungstermin.
[48] Die Beklagte schloss mit dem das Kundenbindungsprogramm offerierenden Unternehmen die „Vereinbarung über die Teilnahme am [Kundenbindungs-]Programm ab“.
[49] Die Klägerin begehrt
1. gemäß § 41 GmbHG die Nichtigerklärung, in eventu die Feststellung der Unwirksamkeit des in der außerordentlichen Generalversammlung der Beklagten vom 21. 11. 2017 gefassten Beschlusses, wonach dem Abschluss der erforderlichen Verträge zur Implementierung des Kundenbindungsprogramms „*“, insbesondere der „Vereinbarung über die Teilnahme am *-Programm“ mit der * GmbH, dessen wesentlicher Inhalt den Gesellschaftern mit der Einladung zur Generalversammlung übermittelt worden sei, zugestimmt wurde,
2. die Feststellung der Unwirksamkeit, in eventu Nichtigerklärung des in der außerordentlichen Generalversammlung der Beklagten vom 21. 11. 2017 gefassten Beschlusses, wonach das Aufsichtsratsmitglied Dr. G* D* mit Wirkung zum Schluss der Generalversammlung als Aufsichtsratsmitglied abberufen wurde,
3. die Feststellung, dass Mag. F* P* seit 21. 11. 2017 Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten sei, in eventu, dass die am 21. 12. 2015 vorgenommene Bestellung von Dr. G* D* zum Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten weiterhin aufrecht sei, sowie
4. die Feststellung, dass der Klägerin das ursprünglich zugunsten der P* bestehende Entsendungsrecht für ein Mitglied des Aufsichtsrats zustehe.
[50] Die Klägerin brachte vor, das Entsendungsrecht der P* nach § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten sei auf die Klägerin übergegangen. Die Einführung des Kundenbindungsprogramms sei ein zustimmungspflichtiges Geschäft iSd § 8 Abs 8 und Abs 10 iVm § 7 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags. In der Generalversammlung vom 21. 11. 2017 sei über das Kundenbindungsprogramm abgestimmt worden. Gesellschafter und Mitglied des Aufsichtsrats von d* Deutschland sei Prof. G* W*, der zugleich bei dem das Kundenbindungsprogramm offerierenden Unternehmen aktiv sei. Der Erfolg des Kundenbindungsprogramms hänge wesentlich von der Anzahl der Unternehmen ab, die sich daran beteiligten. Prof. G* W* habe daher ein starkes Eigeninteresse an der Einführung des Kundenbindungsprogramms bei der Beklagten. Wegen dieser Interessenkollision unterliege die Nebenintervenientin gemäß § 39 Abs 4 GmbHG einem Stimmverbot bei dem Beschluss über die Implementierung des Kundenbindungsprogramms. Dieser Beschluss werde weiters wegen potenziell gesellschaftsschädlicher Stimmabgabe angefochten. Bei der Beklagten als Gesellschaft mit personalistischer Prägung seien die Treuepflichten besonders stark ausgeprägt. Die Stimmabgabe der Nebenintervenientin für den zu Punkt 2. der Tagesordnung beantragten Beschluss sei eine treuwidrige Stimmrechtsausübung, weil dadurch ein hohes wirtschaftliches und rechtliches Risiko und somit ein drohender Schaden für die Gesellschaft gefördert oder zumindest billigend in Kauf genommen werde. Weiters sei die Pflicht zur vorherigen Aufsichtsratsgenehmigung und das Sonderzustimmungsrecht des von der Klägerin entsandten Aufsichtsratsmitglieds missachtet worden. Für eine gültige Beschlussfassung hätte es überdies der Sonderzustimmung des von der Klägerin entsandten Aufsichtsratsmitglieds gemäß § 8 Abs 8 des Gesellschaftsvertrags bedurft.
[51] Da sowohl dem neu entsandten Aufsichtsratsmitglied Mag. F* P* als auch Dr. G* D* die Teilnahme an der Sitzung des Aufsichtsrats vom 21. 11. 2017 verweigert worden sei und die Beklagte die Löschung von Dr. G* D* als Aufsichtsratsmitglied im Firmenbuch beantragt habe, ohne gleichzeitig die Eintragung von Mag. F* P* zu beantragen, sei festzustellen, dass Mag. F* P* oder Dr. G* D* Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten sei. Eine Abberufung von entsandten Aufsichtsratsmitgliedern durch die Generalversammlung sei überdies unzulässig (§ 30b Abs 5 GmbHG). Offensichtlich einziger Zweck der Abberufung in der Generalversammlung vom 21. 11. 2017 sei gewesen, die Teilnahme des von der Klägerin entsandten Aufsichtsratsmitglieds in der Aufsichtsratssitzung vom selben Tag und dessen drohende Verweigerung der Zustimmung zum Kundenbindungsprogramm zu verhindern. Auch die Voraussetzungen einer Abberufung gemäß § 30c Abs 4 GmbHG seien nicht vorgelegen. Für eine Abberufung gemäß § 30b Abs 3 GmbHG sei die erforderliche Mehrheit verfehlt worden. Die Abberufung von Dr. G* D* sei treuwidrig und unter Verletzung des Syndikatsvertrags erfolgt. Selbst wenn das Entsendungsrecht der Klägerin im Zuge der Umgründungsmaßnahme verloren gegangen sein sollte, stelle es eine missbräuchliche Rechtsausübung dar, die Entsendung von Dr. D* in den Aufsichtsrat jahrelang zu akzeptieren und ihn dann überraschend abzuberufen. Eine Abberufung hätte einer Dreiviertelmehrheit bedurft. Diese Mehrheit nach § 30b Abs 3 GmbHG sei nicht erreicht worden.
[52] Die genannten Beschlüsse der Generalversammlung seien daher gemäß §§ 40 ff GmbHG für nichtig zu erklären.
[53] Die Beklagte wendete ein, durch den Gesellschafterwechsel von der P* an die B* und von dieser an die Klägerin sei das gesellschaftsvertragliche Entsendungsrecht erloschen. Zu einer Neubegründung des Entsendungsrechts sei es nicht gekommen. Dazu hätte es einer Änderung des Gesellschaftsvertrags bedurft. Eine solche sei nicht erfolgt. Es liege auch kein satzungsdurchbrechender Gesellschafterbeschluss vor. Eine Wahl von Dr. D* in den Aufsichtsrat sei ebenso wenig wie eine Bestellung in den Aufsichtsrat erfolgt. Dies ergebe sich bereits aus den eindeutigen Texten des Generalversammlungsprotokolls vom 13. 12. 2007 und der Umlaufbeschlüsse vom 14./19. 12. 2011. Es werde darin jeweils klar zwischen entsandten und gewählten Aufsichtsratsmitgliedern unterschieden. In keiner der Urkunden werde Dr. D* als gewähltes Aufsichtsratsmitglied bezeichnet. Bei den Formulierungen in den Umlaufbeschlüssen handle es sich um Wissenserklärungen, nicht aber um Beschlüsse der Gesellschafter. Dr. D* sei von der P* zeitlich unbefristet in den Aufsichtsrat der Beklagten entsandt worden und habe daher nicht noch einmal in diese Funktion gewählt oder entsandt werden können. Mangels aufrechten Entsendungsrechts hätten die Klägerin weder Dr. D* allein abberufen noch Mag. P* als neues Aufsichtsratsmitglied entsenden können. Die Abberufung von Dr. D* sei aufgrund seines gesellschaftswidrigen Verhaltens erfolgt. Für den Abschluss des Kundenbindungsprogramm‑Vertrags sei die Abberufung von Dr. D* nicht relevant. Das Kundenbindungsprogramm stelle keine genehmigungspflichtige Investition im Sinn des Gesellschaftsvertrags dar und bedürfe weder der Zustimmung des Aufsichtsrats noch eines seiner Mitglieder.
[54] Die Nebenintervenientin brachte vor, einziger Grund für die Abberufung von Dr. D* als Aufsichtsratsmitglied im Rahmen der außerordentlichen Generalversammlung vom 21. 11. 2017 sei sein untragbares und gesellschaftsschädigendes Verhalten gewesen. Bei der Generalversammlung sei mit einfacher Stimmenmehrheit der Implementierung des Kundenbindungsprogramms zugestimmt worden. Sämtliche Beschlüsse der Generalversammlung seien rechtmäßig gefasst worden und weder nichtig noch unwirksam noch anfechtbar. Ein Stimmrechtsausschluss der Nebenintervenientin liege nicht vor, da Prof. G* W* weder Gesellschafter der d*‑Konzerngesellschaft noch für das das Kundenbindungsprogramm offerierende Unternehmen aktiv sei und weder auf Ebene von C* W* noch auf Ebene von DKfm. M* D* ein einen Stimmrechtsausschluss der Nebenintervenientin begründender Interessenkonflikt vorliege. Die Implementierung des Kundenbindungsprogramms stelle keine Investition iSd § 7 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags dar, da in diesem Zusammenhang keine Vermögensgegenstände des Anlagevermögens iSv §§ 198 iVm 224 UGB erworben würden. Dessen ungeachtet habe der Aufsichtsrat der Beklagten der Implementierung des Kundenbindungsprogramms zugestimmt. Dr. D* sei im Rahmen der Generalversammlung der Beklagten vom 18. 12. 2001 von der P* auf unbestimmte Dauer in den Aufsichtsrat der Gesellschaft entsandt worden. Im Zuge der Anteilsübertragungen im Jahr 2004 von der P* auf die B* und in weiterer Folge auf die Klägerin sei das höchstpersönliche Entsendungsrecht der P* untergegangen. Falle das Entsendungsrecht weg, erfolge die Abberufung des Entsandten durch die Generalversammlung mit einfacher Mehrheit (§ 30c Abs 4 GmbHG). Mangels Entsendungsrechts habe die Klägerin Mag. P* nicht in den Aufsichtsrat entsenden können. Der Klägerin kämen keine Rechte aus dem zwischen der Nebenintervenientin und der P* geschlossenen Syndikatsvertrag zu. Dieser sei von der P* nicht auf die Klägerin überbunden worden.
[55] Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Es traf die wiedergegebenen Feststellungen und führte rechtlich aus, das im Gesellschaftsvertrag des Beklagten der P* eingeräumte Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat sei höchstpersönlich und unübertragbar. Ein Inhaberentsendungsrecht liege nicht vor, weil nach § 30c Abs 2 GmbHG das Entsendungsrecht nur den Inhabern solcher Geschäftsanteile eingeräumt werden könne, deren Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist. Diese Voraussetzung liege nicht vor. Mit dem Ausscheiden der P* sei daher deren Entsendungsrecht erloschen. Der Syndikatsvertrag begründe kein Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat der Beklagten. Der Klägerinsei auch nicht originär ein Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat eingeräumt worden. Eine dafür notwendige Änderung des Gesellschaftsvertrags sei nicht erfolgt. Dr. G* D* sei in der Generalversammlung vom 18. 12. 2001 durch die damalige Gesellschafterin P* in den Aufsichtsrat der Beklagten zeitlich unbegrenzt entsandt worden. Die Funktionsperiode von längstens vier Jahren gemäß § 8 Abs 2 des Gesellschaftsvertrags beziehe sich nur auf die gewählten Aufsichtsratsmitglieder. An der am 18. 12. 2001 erfolgten Entsendung von Dr. G* D* durch die P* und der Eigenschaft als von P* entsandtes Aufsichtsratsmitglied habe sich durch die darauffolgenden Generalversammlungen vom 18. 12. 2003 und 13. 12. 2007 oder die Umlaufbeschlüsse vom 14./19. 12. 2011 und 16./21. 12. 2015 nichts geändert. Die Generalversammlung am 21. 11. 2017 habe gemäß § 30c Abs 4 GmbHG Dr. G* D* als Aufsichtsratsmitglied mit einfacher Mehrheit abberufen können. Weder die unrichtigen Formulierungen in den Generalversammlungen zur „Wahl“ von Dr. G* D* in den Aufsichtsrat noch die nicht sofort erfolgte Abberufung von Dr. G* D* durch die Mehrheitsgesellschafterin nach dem Untergang des Entsendungsrechts im Jahr 2004 hätten einen Vertrauenstatbestand geschaffen, wonach der Klägerin ein Entsendungsrecht weiterhin zukomme und die Mehrheitsgesellschafterin sich nicht auf den Untergang des Entsendungsrechts berufen könne. Bei der Implementierung des Kundenbindungsprogramms sei die Nebenintervenientin keinem Stimmverbot unterlegen. Bei der Implementierung einer Multibranchenkarte liege keine Investition im Sinn des Gesellschaftsvertrags vor, da dabei insbesondere keine Vermögensgegenstände des Anlagevermögens iSv §§ 198 iVm 224 UGB erworben würden. Es liege somit kein zustimmungspflichtiges Geschäft vor. Auch eine Festlegung allgemeiner Grundsätze der Geschäftspolitik iSv § 8 Abs 10 lit h des Gesellschaftsvertrags, wofür der Aufsichtsrat seine Zustimmung erteilen müsse, liege insoweit nicht vor. Die Stimmabgabe der Nebenintervenientinbetreffend die Implementierung des Kundenbindungsprogrammssei weder geschäftsschädigend noch treuwidrig.
[56] Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Es billigte im Wesentlichen die rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts. Das im Jahr 2001 von der ursprünglichen Gesellschafterin P* entsandte Aufsichtsratsmitglied Dr. G* D*, dessen Amtszeit mangels Anwendbarkeit des § 30b Abs 2 GmbHG zeitlich nicht begrenzt gewesen sei und dessen Funktion nicht bereits durch Erlöschen des zugrunde liegenden Entsendungsrechts der P* geendet habe, habe daher gemäß § 30c Abs 4 GmbHG durch Gesellschafterbeschluss mit einfacher Mehrheit abberufen werden können. An dieser Rechtslage hätten auch die von der Klägerin ins Treffen geführten Formulierungen in den (Umlauf‑)Beschlüssen aus den Jahren 2007, 2011 und 2015 nichts geändert. Denn die Einräumung eines Entsendungsrechts an die Klägerin hätte ebenso wie eine Begrenzung der Funktionsperiode der entsandten Aufsichtsratsmitglieder einer Änderung des Gesellschaftsvertrags bedurft, die allerdings nicht erfolgt sei.
[57] Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im klagestattgebenden Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[58] DieBeklagte und die Nebenintervenientin beantragen in den ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortungen, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[59] Die Revision ist wegen teilweiser Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zulässig, sie ist teilweise berechtigt.
[60] Die Revisionswerberin macht geltend, bei Umstrukturierungen im Konzern sei § 30c Abs 2 GmbHG teleologisch zu reduzieren. Dem Berufungsgericht sei eine Fehlbeurteilung bei der Anwendung der Judikatur zur Treuepflicht unterlaufen. Die Berufung der Beklagten bzw der Nebenintervenientin auf die objektive Auslegung des Gesellschaftsvertrags sei rechtsmissbräuchlich. Der Abberufungsbeschluss sei treuwidrig. Ebenso sei der Kundenbindungsprogramm‑Genehmigungsbeschluss gesellschaftsvertragswidrig und treuwidrig. Die Klägerin sei Partei des Syndikatsvertrags.
[61] Hierzu wurde erwogen:
Zu A.I.
[62] Die Klägerin hat in der Klage den Generalversammlungsbeschluss über die Zustimmung zu den Verträgen betreffend das Kundenbindungsprogramm nur aus den folgenden drei Gründen angefochten, nämlich die Nebenintervenientin sei einem Stimmverbot nach § 39 Abs 4 GmbHG unterlegen, die Stimmabgabe der Nebenintervenientin sei potenziell geschäftsschädigend sowie es bestünden datenschutzrechtliche Gefahren.
[63] Nach der Rechtsprechung ist eine Einschränkung des Klagebegehrens auf bestimmte Anfechtungsgründe bei der Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen (§§ 41 ff GmbHG) schon deshalb zulässig, weil diese, sofern sie nicht mit Nichtigkeitssanktion bedroht sind, mangels Anfechtung endgültig verbindlich werden; das Nachschieben von Anfechtungsgründen nach der Monatsfrist des § 41 Abs 4 GmbHG ist daher unzulässig; lediglich Nichtigkeitsgründe können noch später geltend gemacht werden (8 Ob 515/95 = RS0048268; vgl auch 6 Ob 812, 813/77 = HS 11.488/15; zur aktienrechtlichen Anfechtungsklage vgl RS0120517).
[64] In der Revision kommt die Klägerin auf keinen der in der Klage geltend gemachten Gründe zurück. Soweit in der Revision andere Gründe releviert werden (etwa dass die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Beschlussfassung nach § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG vorgelegen wären), ist nach der zitierten Rechtsprechung darauf nicht einzugehen.
[65] Dafür, dass der Beschluss (absolut) nichtig wäre, gibt es keinen Anhaltspunkt. Die Revisionswerberin vertritt selbst die Ansicht, der Genehmigungsbeschluss der Generalversammlung sei gesellschaftsvertraglich zwar nicht vorgesehen, könne jedoch selbstverständlich zusätzlich eingeholt werden.
[66] Zum Generalversammlungsbeschluss über die Zustimmung zu den Verträgen betreffend das Kundenbindungsprogramm hat es daher bei der Klageabweisung zu bleiben.
Zu A.II.
[67] A.II.1. Nach § 30c Abs 1 GmbHG kann der Gesellschaftsvertrag bestimmten Gesellschaftern oder den jeweiligen Inhabern bestimmter Geschäftsanteile das Recht einräumen, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Das Entsendungsrecht kann nach Abs 2 leg cit nur den Inhabern solcher Geschäftsanteile eingeräumt werden, deren Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist. Die entsandten Aufsichtsratsmitglieder können gemäß Abs 3 leg cit von den Entsendungsberechtigten jederzeit abberufen und durch andere ersetzt werden. Sind die im Gesellschaftsvertrag bestimmten Voraussetzungen des Entsendungsrechts weggefallen, so kann nach Abs 4 leg cit durch Gesellschafterbeschluss das entsandte Mitglied mit einfacher Stimmenmehrheit abberufen werden.
[68] A.II.2. § 30c GmbHG unterscheidet somit beim Entsendungsrecht zwischen im Gesellschaftsvertrag namentlich genannten Gesellschaftern (höchstpersönliches Entsendungsrecht) und Inhabern bestimmter Geschäftsanteile, bei welchen die Geschäftsanteile vinkuliert sein müssen.
[69] Da hier die Geschäftsanteile der Beklagten nicht vinkuliert sind, handelt es sich bei den in § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten geregelten Entsendungsrechten um höchstpersönliche. Nach einhelliger Lehre ist ein solches höchstpersönliches Entsendungsrecht unübertragbar und erlischt mit dem Verlust der Gesellschafterstellung (Umfahrer,GmbHG6 Rz 390; Eckert/Schopper in U. Torggler, GmbHG [2014] § 30c Rz 2; Aburumieh/Hoppel in FAH, GmbHG [2017] § 30c Rz 9; Rauter in Straube, WK-GmbHG [2020] § 30c Rz 14).
[70] A.II.3. Nach Aburumieh/Hoppel in FAH, GmbHG (2017) § 30c Rz 9 ist im Gefolge von 5 Ob 88/05k eine Übertragbarkeit des höchstpersönlichen Rechts durch Gesamtrechtsnachfolge „zu erwägen“ (vgl auch Reich‑Rohrwig, GmbH‑Recht I2 [1997] Rz 4/102; Rauter in Straube, WK-GmbHG [2020] § 30c Rz 15).
[71] Darauf muss nicht näher eingegangen werden, weil hier auf Klagsseite im Jahr 2004 die Gesellschafterstellung zwar zunächst im Zuge des Spaltungs- und Übernahmsvertrags im Weg der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1 SpaltG), jedoch noch im selben Jahr neuerlich durch Sacheinlage-, Übertragungs- und Abtretungsvertrag, somit (mangels gesetzlich normierter Gesamtrechtsnachfolge) im Weg der Einzelrechtsnachfolge, wechselte. Die Klägerin ist somit nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der im Gesellschaftsvertrag genannten P*.
[72] A.II.4. Weiter ist im Sinne der Erwägungen der Revision zu prüfen, ob sich an der unter A.II.2. dargestellten Rechtslage etwas ändert, wenn – wie hier – die neue Gesellschafterin zum selben Konzern gehört.
[73] Dazu ist zunächst festzuhalten, dass auch bei einer Übertragung im Konzern der Geschäftsanteil auf eine eigenständige juristische Person (vgl § 115 Abs 1 GmbHG: „rechtlich selbständige Unternehmen“) übergeht.
[74] Konzerngesellschaften können auch Minderheitsgesellschafter haben, denen bestimmte Sonderrechte eingeräumt worden sind (zB Sonderrecht auf Geschäftsführung). Dadurch könnte das Entsendungsrecht faktisch auf einen „echten Dritten“ übertragen werden. Selbst wenn keine Minderheitsgesellschafter bestehen, könnte der Einfluss der (Groß‑)Muttergesellschaft durch die konkrete Gesellschaftsform (Weisungsunabhängigkeit des Vorstands einer AG als Tochtergesellschaft, vgl § 70 Abs 1 AktG) beschränkt sein.
[75] Aufgrund dieser Erwägungen liegen nach Ansicht des erkennenden Senats keine hinreichenden Gründe vor, § 30c Abs 2 GmbHG (nicht teleologisch zu reduzieren, sondern) analog auf Fälle anzuwenden, in denen der Geschäftsanteil zwar nicht vinkuliert ist, aber der Gesellschafterwechsel konzernintern stattfindet.
[76] A.II.5. Die Konsequenz der vorstehenden Erwägungen ist, dass das Entsendungsrecht der P* nach § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten spätestens mit der Übertragung des Geschäftsanteils an die Klägerin am 27. 10. 2004 erloschen ist.
[77] § 30c Abs 4 GmbHG eröffnet die Möglichkeit, bei Wegfall des Entsendungsrechts das entsandte Aufsichtsratsmitglied mit einfacher Stimmenmehrheit abzuberufen. Diese Abberufungsmöglichkeit setzt aber logisch voraus, dass der Wegfall des Entsendungsrechts für sich allein die Stellung des entsendeten Aufsichtsratsmitglieds nicht tangiert (so auch Aburumieh/Hoppel in FAH, GmbHG [2017] § 30c Rz 16; § 30c Rz 9; A. Heidinger in Gruber/Harrer, GmbHG2 [2018] § 30c Rz 14; Rauter in Straube, WK-GmbHG [2020] § 30c Rz 48).
[78] Mit dem Wegfall des Entsendungsrechts im Jahr 2004 änderte sich somit zunächst an der Stellung von Dr. D* als Aufsichtsratsmitglied nichts.
[79] Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nach dem Erlöschen des Entsendungsrechts für die Möglichkeit der Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds weder § 30b Abs 3 GmbHG, wonach dafür eine – hier nicht erreichte – Dreiviertelmehrheit erforderlich ist, noch die gerichtliche Abberufungsmöglichkeit nach § 30b Abs 5 GmbHG einschlägig. § 30c Abs 4 GmbHG, der nur die einfache Stimmenmehrheit für die Abberufung verlangt, ist diesfalls nämlich die speziellere Norm.
[80] Im Übrigen führt die Klägerin für die Unwirksamkeit der Abberufung von Dr. D* als Aufsichtsratsmitglied nur noch ins Treffen, die Stimmausübung durch die Nebenintervenientin sei missbräuchlich und treuwidrig gewesen und habe gegen den Syndikatsvertrag verstoßen. Weder ein Stimmrechtsmissbrauch noch eine treuwidrige Stimmabgabe bewirken aber eine Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses, sondern bloß dessen Anfechtbarkeit (RS0106227; RS0120599). Auch der Verstoß gegen einen Syndikatsvertrag kann keine Nichtigkeit eines Generalversammlungsbeschlusses einer GmbH, sondern – unter bestimmten Voraussetzungen – allenfalls dessen Anfechtbarkeit begründen (2 Ob 46/97x = RS0079236 [T2]).
[81] Das Hauptbegehren auf Feststellung der Unwirksamkeit der Abberufung von Dr. D* als Aufsichtsratsmitglied besteht somit mangels Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses nicht zu Recht. Ob eine Anfechtbarkeit vorliegt, wird bei der Begründung zum Spruchpunkt B.I. erörtert.
Zu A.III.
[82] Die Klägerin stützt ihr Begehren auf Feststellung, Mag. P* sei seit 21. 11. 2017 Aufsichtsratsmitglied der Beklagten, ausschließlich auf die Erklärung der Klägerin vom 21. 11. 2017, womit sie den Genannten in den Aufsichtsrat mit sofortiger Wirkung entsende. Wie unter A.II. erörtert, ist aber das Entsendungsrecht der P* in den Aufsichtsrat spätestens am 27. 10. 2004 erloschen und konnte nicht auf die Klägerin übergehen. Die Klägerin hatte somit am 21. 11. 2017 kein Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat, weshalb sie Mag. P* auch nicht in diesen entsenden konnte. Das diesbezügliche Begehren ist daher abzuweisen.
Zu A.IV.
[83] Aus demselben Grund besteht auch das Feststellungsbegehren, der Klägerin stehe das ursprünglich zugunsten der P* bestehende Entsendungsrecht für ein Mitglied des Aufsichtsrats zu, nicht zu Recht.
[84] Mit dieser Beurteilung bleibt die hier nicht relevante Frage offen, ob der Klägerin nicht aus Treuepflichterwägungen das Recht zusteht, eine Änderung des Gesellschaftsvertrags der Beklagten dahingehend zu verlangen, dass der Klägerin ein dem seinerzeit der P* eingeräumten Entsendungsrecht entsprechendes Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat zugestanden wird (vgl 6 Ob 695/87; RS0059617; RS0052720; zum Privatstiftungsrecht vgl 6 Ob 166/05p = RS0115131 [T5] = RS0115134 [T2]).
Zu B.I.
[85] B.I.1. Korporative Satzungsbestandteile sind nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich objektiv nach ihrem Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen (RS0108891; zuletzt 6 Ob 57/19d).
[86] Ein Entsendungsrecht für den Aufsichtsrat stellt einen korporativen Satzungsbestandteil dar.
[87] Jüngst hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass eine objektive Auslegung durchaus auch berücksichtigen kann, welches Interesse mit einer Regelung verfolgt wird (6 Ob 57/19d = RS0108891 [T28]).
[88] Die objektive Auslegung ist insbesondere deshalb geboten, weil das Gesetz durch die Anordnung der Firmenbuchpublizität der Satzung zu erkennen gibt, dass es notwendigerweise in die Satzung aufzunehmende Bestimmungen als grundsätzlich drittbedeutsam gewürdigt wissen will (6 Ob 202/10i).
[89] Werden berechtigte Interessen Dritter aber nicht beeinträchtigt und ist die einverständlich in der Annahme ihrer Satzungskonformität praktizierte Handhabung bei objektiver Auslegung nicht gedeckt, so kann nach einer in Deutschland vertretenen Ansicht die Berufung auf den Satzungswortlaut treuwidrig und missbräuchlich sein (Röhricht/Schall in Großkommentar zum Aktiengesetz 2/15 [2016] § 23 Rz 46).
[90] Auch im österreichischen Schrifttum wird die Meinung vertreten, dass der Berufung auf die objektive Auslegung in Einzelfällen der Vorwurf des Missbrauchs entgegenstehen kann (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007] § 3 Rz 17; Feltl/Aicher in Straube/Ratka/Rauter, WK-GmbHG [1. 11. 2018] § 3 Rz 29; Walch, Verstoß gegen einen omnilateralen Syndikatsvertrag als Anfechtungsgrund eines Gesellschaftsvertrags, GES 2015, 159, 165).
[91] B.I.2. Treuepflichten sind im Gesellschaftsrecht allgemein und insbesondere auch bei der GmbH in ständiger Rechtsprechung anerkannt (RS0060175; zuletzt 6 Ob 90/19g). Diese Treuepflichten können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und hängen regelmäßig von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (RS0106227 [T4]). Gibt es nur zwei Gesellschafter und regeln diese ihre wechselseitigen Rechte und Pflichten auch noch im Rahmen einer schuldrechtlichen Nebenvereinbarung (Syndikatsvertrag), so ist davon auszugehen, dass die Rücksichtnahmepflichten und somit auch die Treuepflichten – insbesondere im Verhältnis Gesellschafter zu Gesellschafter – noch stärker ausgeprägt sind. Mit dem Grad der personalistischen Ausgestaltung der Gesellschaft steigert sich nämlich auch die Intensität der einzuhaltenden Treuepflichten (RS0060175 [T2]; 2 Ob 46/97x; RS0079236 [T2]).
[92] B.I.3. Im vorliegenden Fall wurde der Minderheitsgesellschafterin im Jahr 1981 (Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags) indirekt ein Mitspracherecht für wichtige Angelegenheiten der Geschäftsführung eingeräumt. Dies ergibt sich aus § 8 Abs 3 iVm § 8 Abs 8 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags, wonach den entsendeten Aufsichtsratsmitgliedern faktisch ein Vetorecht für zustimmungspflichtige Geschäfte eingeräumt wurde und zwischen Entsendenden und dem Entsandten regelmäßig ein „auftragsähnliches“ Rechtsverhältnis besteht (vgl Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² [2012] § 88 Rz 27).
[93] Mit dieser Regelung sollte der Minderheitsgesellschafterin, obwohl sie „nur“ 32 % der Geschäftsanteile hält, eine starke Position zukommen, die sie als faktisches Vetorecht in wichtigen Angelegenheiten der Geschäftsführung über das Entsendungsrecht ausüben konnte. Dem Entsendungsrecht kommt somit eine zentrale Bedeutung für die Wahrung des Einflusses auf die Geschäftsführung und somit auf die Geschicke des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens zu.
[94] Der hohe Stellenwert des Einflusses auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats für die beiden Gesellschafter zeigt sich auch daran, dass sich die beiden Gesellschafter gleich am Anfang (§ 1) des Syndikatsvertrags dazu verpflichten, über die Wahl des vierten zu bestellenden Kapitalvertreters im Aufsichtsrat Einvernehmen herzustellen und dem gemeinsam erstellten Wahlvorschlag in der Generalversammlung die Zustimmung zu erteilen. Weiters sollen gemäß § 2 die beiden Gesellschafter auf „ihre“ Aufsichtsratsmitglieder bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter derart einwirken, dass jede dieser Funktionen von einem Aufsichtsratsmitglied ausgeübt wird, welches von jeweils einem der Syndikatspartner nominiert wird. Gemäß Abs 5 verpflichten sich die Syndikatspartner weiters, „die mit diesem Syndikatsvertrag eingegangenen Verpflichtungen auch an ihre jeweiligen Rechtsnachfolger zu überbinden“.
[95] B.I.4. Hier hat die Nebenintervenientin durch 13 Jahre, nämlich vom – beiden Parteien zunächst nicht bewussten – Erlöschen des Entsendungsrechts der P* im Jahr 2004 bis zum Jahr 2017, nach den Feststellungen insgesamt zu drei Zeitpunkten zu erkennen gegeben, von einem Entsendungsrecht der Klägerin für den Aufsichtsrat und von der Entsendung von Dr. D* in den Aufsichtsrat auszugehen (Generalversammlung und Aufsichtsratssitzung vom 13. 12. 2007, Umlaufbeschluss 14./19. 12. 2011, Umlaufbeschluss 16./21. 12. 2015). Ungeachtet der Tatsache, dass – wie noch zu zeigen sein wird (B.II.1.) – (zumindest) die Entsendung Dris. D* durch die P* im Jahr 2001 unbefristet erfolgte und daher eine neuerliche (befristete) Entsendung in den Jahren 2007, 2011 und 2015 nicht notwendig war und keine Wirkung zeitigen konnte, handelte es sich bei den jeweils im Einvernehmen der Gesellschafter erfolgten Entsendungen nicht bloß um Wissenerklärungen, sondern um Willenserklärungen; diese waren dem Umstand geschuldet, dass die Gesellschafter offenbar irrtümlich davon ausgingen, die Entsendung sei jeweils befristet erfolgt.
[96] Gegenteilige Willens- oder Wissenskundgebungen von der Nebenintervenientin (oder auch der Beklagten) dahingehend, das Entsendungsrecht der Klägerin sowie die Stellung von Dr. D* als von der Klägerin entsandtes Aufsichtsratsmitglied in Frage zu stellen oder zu bestreiten, wurden für diesen Zeitraum weder behauptet noch festgestellt.
[97] Durch diese langjährige Übung hat die Nebenintervenientin einen Vertrauenstatbestand dahin geschaffen, das – tatsächlich nicht bestehende – Entsendungsrecht der Klägerin anzuerkennen.
[98] B.I.5. Die Gesellschafter der Beklagten hatten fast 36 Jahre lang „im Wesentlichen friktionsfrei“ zusammengearbeitet. Dies änderte sich erst im Lauf des Jahres 2017, als grundlegende Meinungsverschiedenheiten über die Implementierung des Kundenbindungsprogramms zu Tage traten. Unter der – hier nicht zu prüfenden – Voraussetzung, dass dieses Projekt zustimmungspflichtig war („Einzelinvestition, die den Betrag von 1.000.000 EUR übersteigt“, vgl § 7 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags), konnte es kraft des Erfordernisses, dass diesfalls auch die entsendeten Aufsichtsratsmitglieder zustimmen mussten (§ 8 Abs 8 des Gesellschaftsvertrags), gegen den Willen der Klägerin nicht durchgeführt werden.
[99] Ein redlicher Gesellschafter hätte in diesem Fall an der Stelle der Nebenintervenientin versucht, die Klägerin doch noch vom geplanten Projekt zu überzeugen und so deren Zustimmung zu erwirken, oder wäre eben vom Projekt abgestanden.
[100] Die Nebenintervenientin hingegen begann im Sommer 2017 nach juristischen Mitteln und Wegen zu suchen, wie sie die Klägerin entmachten und „ausbooten“ könnte, um doch noch gegen deren Willen das Kundenbindungsprogramm durchziehen zu können. Mit dem gemäß § 30c GmbHG (welche Bestimmung bis dahin niemanden interessiert hatte) weggefallenen Entsendungsrecht der Klägerin in den Aufsichtrat wurde sie schließlich „fündig“.
[101] So geht man mit einem langjährigen Geschäftspartner, mit dem man nicht nur durch einen detaillierten Gesellschaftsvertrag, sondern auch durch einen Syndikatsvertrag verbunden ist, nicht um. Mag auch der beharrliche Widerstand der Klägerin bzw von Dr. D* gegen das Kundenbindungsprogramm für die Nebenintervenientin überaus lästig und unbequem gewesen sein, so bietet entgegen der Ansicht der Beklagten das festgestellte Verhalten der Klägerin oder Dris. D* keine Rechtfertigung für die Handlungsweise der Nebenintervenientin.
[102] Die Treuepflicht des Gesellschafters einer GmbH gebietet eine angemessene Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Mitgesellschafter auch bei Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung (RS0060175; 6 Ob 130/05v; 6 Ob 90/19g). Die potenzielle Treuwidrigkeit der Stimmabgabe ist von der Judikatur anerkannt (RS0106227; RS0120599).
[103] Die Abberufung von Dr. D* als Aufsichtsratsmitglied in der Generalversammlung vom 21. 11. 2017 stellt somit eine treuwidrige Stimmabgabe der Nebenintervenientin dar. Wie schon unter A.II.5. ausgeführt, ist eine treuwidrige Stimmabgabe nach § 41 GmbHG anfechtbar (RS0120599). Da sich die Klägerin (auch) auf die Treuwidrigkeit der Nebenintervenientin gestützt hat, ist der Generalversammlungsbeschluss vom 21. 11. 2017, durch den mit den Stimmen der Nebenintervenientin Dr. D* als Aufsichtsratsmitglied abberufen wurde, für nichtig zu erklären und insoweit dem Klagebegehren stattzugeben.
[104] Ob die Stimmabgabe der Nebenintervenientin überdies rechtsmissbräuchlich war oder gegen den Syndikatsvertrag verstoßen hat, muss daher nicht mehr geprüft werden.
Zu B.II.
[105] B.II.1. Da aus den vorstehenden Gründen die Abberufung von Dr. D* als Aufsichtsratmitglied in der Generalversammlung vom 21. 11. 2017 keine Wirksamkeit mehr entfaltet, ist das unter Punkt III.2. gestellte Eventualfeststellungsbegehren berechtigt.
[106] Dabei ist Folgendes zu beachten: § 30c GmbHG sieht eine zeitlich befristete Entsendung eines entsandten Aufsichtsratsmitglieds nicht vor. Nach der dargestellten Rechtsansicht des Berufungsgerichts sieht auch der Gesellschaftsvertrag der Beklagten eine (zeitliche) Begrenzung der Funktionsperiode der entsandten Aufsichtsratsmitglieder nicht vor.
[107] Diesem Verständnis des Gesellschaftsvertrags treten die Parteien im Revisionsverfahren nicht entgegen, weshalb im Folgenden davon auszugehen ist.
[108] Die Klägerin bringt zwar zutreffend vor, dass nach manchen Lehrmeinungen die Entsendungsberechtigten auch bei gesellschaftsvertraglich unbefristetem Entsendungsrecht die Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds befristen können (Aburumieh/Hoppel in FAH, GmbHG [2017] § 30c Rz 14; Rauter in Straube, WK-GmbHG [2020] § 30c Rz 42).
[109] Für die „Entsendungen“ von Dr. D* in den Jahren 2007, 2011 und 2015 durch die Klägerin hat die dort jeweils angeführte zeitliche Befristung (2007: „längstens vier Jahre“, 2011 und 2015: „für eine Funktionsperiode“) jedoch keine Wirkung, weil – wie unter A.II.5. ausgeführt – die Klägerin kein Entsendungsrecht hatte und somit auf die im Jahr 2001 unbefristet erfolgte Entsendung von Dr. D* in den Aufsichtsrat durch die P* keinerlei Einfluss, somit auch nicht durch Befristung, nehmen konnte. Dasselbe gilt für die Erklärung der Klägerin vom 21. 11. 2017, womit Dr. D* abberufen und Mag. P* bestellt werden sollte.
[110] Dr. D* blieb daher solange Aufsichtsratsmitglied, als er nicht entweder von der seinerzeit entsendungsberechtigten P* gemäß § 30c Abs 3 GmbHG oder – nach Wegfall des Entsendungsrechts im Jahr 2004 – durch Gesellschafterbeschluss gemäß § 30c Abs 4 GmbHG abberufen wurde. Die erste Variante hat nicht stattgefunden, die zweite ist nicht wirksam, weil – wie unter B.I. ausgeführt – die Abberufung durch Gesellschafterbeschluss vom 21. 11. 2017 für nichtig zu erklären war.
[111] Daraus folgt, dass Dr. D* nach wie vor Aufsichtsratsmitglied ist, es sei denn, es hätte nach Schluss der Verhandlung erster Instanz am 28. 8. 2019 einen – hier nicht zu beurteilenden (vgl RS0036969) – Beendigungstatbestand gegeben.
[112] Dass die Geschäftsordnung von 2007 eine längstens vierjährige Amtsperiode für die Aufsichtsratsmitglieder vorsieht, ändert daran nichts, weil die Geschäftsordnung nach herrschender Ansicht die Funktionsperiode von Aufsichtsratsmitgliedern nicht wirksam verkürzen kann (Reich‑Rohrwig, GmbH-Recht I2 [1997] Rz 4/175; Rauter in Straube, WK-GmbHG [2020] § 30g Rz 28).
[113] B.II.2. Im diesbezüglichen Klagebegehren wird die Feststellung begehrt, dass „die am 21. Dezember 2015 vorgenommene“ Bestellung von Dr. D* zum Aufsichtsratsmitglied aufrecht ist.
[114] Aus den unter B.II.1. dargelegten Erwägungen folgt, dass am 21. 12. 2015 Dr. D* nicht zum Aufsichtsratsmitglied bestellt werden konnte, weil in diesem Zeitpunkt seine im Jahr 2001 unbefristet erfolgte Bestellung nach wie vor aufrecht war. Dies führt aber nicht zur Abweisung dieses Klagebegehrens, weil das Rechtsschutzziel der Klägerin, nämlich die Feststellung der Eigenschaft von Dr. D* als (gegenwärtiges) Aufsichtsratsmitglied (unabhängig davon, wann die Bestellung erfolgte) klar erkennbar ist. Der erkennende Senat konnte daher durch den Wegfall der Wendung „am 21. Dezember 2015 vorgenommene“ dem Klagebegehren im stattgebenden Spruch eine klarere Fassung geben (vgl RS0039357; RS0041254).
[115] C. Die Kostenentscheidung gründet sich für alle Instanzen auf die §§ 43 Abs 1 und 2 und 50 ZPO. Die Klägerin hat vier jeweils gleich bewertete Hauptbegehren gestellt, zu dreien davon jeweils ein Eventualbegehren. Die Klägerin ist zwar mit allen Hauptbegehren unterlegen, ist aber mit zwei Eventualbegehren durchgedrungen. Dabei liegt der Fall vor, dass der Verfahrensaufwand, der zur Prüfung der Berechtigung des Hauptbegehrens erforderlich war, auch für die Beurteilung des Eventualbegehrens verwertet werden konnte, die materiell‑rechtliche Grundlage ident war und mit dem Eventualbegehren annähernd der gleiche wirtschaftliche Erfolg wie bei Stattgebung des Hauptbegehrens erreicht wurde. Hinsichtlich der stattgegebenen Eventualbegehren ist daher zugunsten der Klägerin § 43 Abs 2 ZPO anzuwenden (RS0110839). Insgesamt ist somit die Klägerin in allen drei Instanzen zur Hälfte durchgedrungen, weshalb gemäß § 43 Abs 1 ZPO mit Kostenaufhebung vorzugehen und die Beklagte jeweils zur Zahlung der halben Pauschalgebühr zu verurteilen war.
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