OGH 1Ob210/14k

OGH1Ob210/14k23.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** V*****, vertreten durch Dr. Edgar Veith, Rechtsanwalt in Götzis, gegen die beklagte Partei Gemeinde D*****, vertreten durch Dr. Dietmar Fritz, Rechtsanwalt in Bezau, wegen Feststellung (Streitwert: 32.400 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. August 2014, GZ 2 R 103/14k‑21, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 14. April 2014, GZ 57 Cg 11/13z‑16, in dem von der Innehaltung des Berufungsverfahrens nicht betroffenen Teil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00210.14K.1223.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts stehende Fällung eines Teilurteils (RIS‑Justiz RS0036951) kann mit Verfahrensrüge bekämpft werden, wenn das Berufungsgericht gegen gesetzliche Vorschriften über die prozessuale Zulässigkeit eines Teilurteils verstoßen hat (RIS‑Justiz RS0036951 [T17, T18]). Die Fällung eines Teilurteils über einen einzelnen von mehreren Ansprüchen oder einen Teil eines Klagsanspruchs ist nach § 391 Abs 1 ZPO zulässig, wenn diesbezüglich Spruchreife eingetreten ist (RIS‑Justiz RS0040833). Hauptbegehren und Eventualbegehren sind als mehrere in derselben Klage geltend gemachte Ansprüche im Sinne des § 391 Abs 1 ZPO anzusehen. Das Berufungsgericht kann daher grundsätzlich ein Teilurteil fällen, wenn zwar das Hauptbegehren, nicht aber das Eventualbegehren spruchreif ist (RIS-Justiz RS0040784). Teilurteile sind nur dann zulässig, wenn der Streitgegenstand quantitativ geteilt werden kann, ohne dass dadurch eine Veränderung der Ansprüche oder eine Präjudizierung der noch nicht erledigten Ansprüche eintritt (RIS‑Justiz RS0106481; vgl Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² § 391 ZPO Rz 9).

1.2 Die Fällung des Teilurteils durch das Berufungsgericht über jene Teile der Feststellungsklage, in denen die Klägerin künftige Schäden nicht aus der Erlassung einer Verordnung durch die beklagte Gemeinde, also aus einem hoheitliche Handeln, sondern aus privatrechtlichen Handlungen ableitet, bedarf keiner höchstgerichtlichen Korrektur. Das Berufungsgericht konnte wegen der unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen und auch des zu den einzelnen Begehren unterschiedlichen Tatsachenvorbringens jedenfalls vertretbar von der Teilbarkeit der einzelnen Feststellungsbegehren ausgehe. Die Rechtsmittelwerberin zeigt dazu keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

2.1 Nach nunmehr herrschender Judikatur ist unter bestimmten Voraussetzungen auch die Feststellung einer (allfälligen) Ersatzpflicht für künftige Schäden aus einem bestimmten (zumindest potentiell schädigenden) Ereignis möglich, wenn noch kein feststellbarer Schaden eingetreten ist (RIS‑Justiz RS0038909; zuletzt 7 Ob 91/14d). Eine derartige Feststellung ist dann möglich, wenn sich das schädigende Ereignis, das den konkreten Schaden hatte auslösen können, bereits ereignet hat und der Schaden auch ohne weiteres Zutun des Schädigers in der Zukunft eintreten kann (RIS‑Justiz RS0038909 [T1, T2]; RS0040838 [T9]).

2.2 Entgegen den Ausführungen in der Revision ist das Berufungsgericht von dieser Rechtsprechung, auf die es auch ausdrücklich Bezug genommen hat, nicht abgewichen, sondern hat im Anlassfall das Vorliegen eines derartigen Ereignisses im Zusammenhang mit künftigen Schäden verneint. Die Prüfung des Vorliegens eines potentiell schädigenden Ereignisses muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (vgl 7 Ob 278/06t; 1 Ob 227/11f; 3 Ob 39/11y) und kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO begründen. Das Berufungsgericht hat das klägerische Vorbringen jedenfalls vertretbar dahin ausgelegt, dass die behaupteten bisherigen Verstöße die befürchteten zukünftigen Schäden nicht auslösen könnten. Sowohl die Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist (vgl RIS‑Justiz RS0042828 [insb T3, T9, T10, T26]), als auch die hier damit zusammenhängende Frage, ob ein rechtliches Interesses an der alsbaldigen Feststellung im Sinne des § 228 ZPO besteht (RIS‑Justiz RS0039177 [T1]), richten sich nach den Umständen des Einzelfalls, denen ‑ vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen ‑ keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Revisionswerberin zeigt hier keine derartige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht auf.

2.3 Eine solche liegt auch nicht darin, dass in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils davon die Rede ist, dass (bloß) vorbeugende Feststellungsklagen „unzulässig“ seien. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, der im Zusammenhang mit einem fehlenden rechtlichen Interesse in mehreren Entscheidungen von der „Unzulässigkeit“ der Feststellungsklage spricht (RIS‑Justiz RS0038902; RS0038817), geht beim rechtlichen Interesse davon aus, dass es sich dabei um eine Anspruchsvoraussetzung für die Feststellungsklage handelt (RIS‑Justiz RS0039177), auch dann wenn ‑ wie hier ‑ das Vorliegen eines potentiell schädigenden Ereignisses zu prüfen ist (zB 8 Ob 30/07f; 9 Ob 38/11w). Ungeachtet der Wortwahl des Berufungsgerichts hat auch dieses das Vorliegen eines schädigenden Ereignisses nicht als Prozessvoraussetzung qualifiziert, sondern vielmehr ‑ in Übereinstimmung mit der dargelegten Rechtsprechung ‑ als materielle Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs geprüft und in seiner Sachentscheidung verneint.

3.1 Abgesehen von der vertretbar verneinten Frage, ob sich aus dem Vorbringen der Klägerin bereits ein schädigendes Ereignis für die künftigen Schäden ableiten ließe, ist kein aktueller Anlass für die Notwendigkeit einer vorbeugenden Klärung ersichtlich, von dem die Möglichkeit einer vorbeugenden Feststellungsklage und Feststellungsurteil abhängt (RIS‑Justiz RS0039071) und der zur Hintanhaltung einer nicht bloß vermeintlichen, sondern tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtsposition der Klägerin eine alsbaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (RIS‑Justiz RS0039215). Dabei muss die Klägerin darlegen, hinsichtlich welcher konkreter Umstände, die für denkbare zukünftige Schadenersatzansprüche von Bedeutung sein können, es objektiv zweckmäßig erscheine, sie schon vor Schadenseintritt zeitnah zu klären (4 Ob 23/14g mwN). Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung kann regelmäßig aber nur bejaht werden, wenn eine Verschlechterung der rechtlichen Position des Klägers bei einer Verweisung auf ein erst später mögliches gerichtliches Vorgehen zu befürchten wäre (RIS‑Justiz RS0039007 [T11]).

3.2 Der im Vorbringen der Klägerin wegen des behaupteten vereinbarungswidrigen Verhaltens der beklagten Partei im Zusammenhang mit der Benutzung der Zufahrtsstraße nur abstrakt in Aussicht gestellte Bezug eines neuen Wohnquartiers („künftig womöglich“; „in Abhängigkeit ihrer gesundheitlichen und körperlichen Konstitution“; „wenn [die Klägerin] nicht mehr im Stand ist, zu Fuß zu gehen“; „wenn ihr Ehegatte die Straße aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr räumen kann oder vor der Klägerin verstirbt“) rechtfertigt noch keine aktuelle Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach. Auch sonstige das Feststellungsinteresse rechtfertigende Gründe ‑ Beweisschwierigkeiten oder drohende Verjährung (vgl zuletzt zB 8 Ob 53/14y; 7 Ob 91/14d ua) ‑ wurden von der Klägerin nicht aufgezeigt.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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