European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0160OK00004.20D.0217.000
Spruch:
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird teils bestätigt und teils abgeändert (i) sowie teils aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen (ii).
i) Der Beschluss des Kartellgerichts wird dahin abgeändert , dass er in seinem bestätigten und abgeänderten Umfang nunmehr zu lauten hat:
I.1. Der Antragsgegnerin wird aufgetragen, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung binnen drei Monaten abzustellen, und zwar
A) im Neuwagenvertrieb durch Abstellung
c) der Koppelung von Prämienzahlungen mit dem bestehenden und tatsächlich praktizierten System der Kundenzufriedenheitsumfragen;
d) der Spannenreduktionen durch Vorgabe bewusst überhöhter Verkaufsziele mittels Erhöhung des Zielwerts in einem über die allgemeine Schätzung der Absatzentwicklung hinausgehenden Ausmaß trotz Herabsetzung der Verkaufsziele für Vorjahre im vertraglich vorgesehenen Sachverständigen-Schiedsverfahren;
f) der Praktizierung missbräuchlich niedriger Abgabepreise am Endkundenmarkt durch im wirtschaftlichen Mehrheitseigentum der Antragsgegnerin stehende Händlerbetriebe, insbesondere wenn deren Verluste von der Antragsgegnerin abgedeckt werden, während die Antragsgegnerin gleichzeitig gegenüber der Antragstellerin Preise verrechnet und Rabattkonditionen gewährt, die es der Antragstellerin unmöglich machen, diese niedrigen Endkundenpreise einzustellen.
B) im Werkstättenbetrieb durch Abstellung
g) der Verpflichtung zur Durchführung von Garantie- und Gewährleistungsarbeiten mit von der Antragsgegnerin gestellten Bedingungen, insbesondere einem auch für die Antragstellerin aufwändigen Kontrollsystem, die diese Arbeiten für die Antragstellerin wirtschaftlich unrentabel machen;
h) der Abwicklung von Garantie- und Gewährleistungsaufträgen mit nicht kostendeckenden Stundensätzen sowie nicht kostendeckenden Refundierungen bei Ersatzteilen;
C) im Neuwagenvertrieb und im Werkstättenbereich durch Abstellung
j) der Überwälzung der Kosten für Mystery Shopping, Mystery Leads und Standardkriterien‑Audits auf die Antragstellerin, insbesondere durch die kalkulatorische Einbeziehung dieser Kosten in die Schulungspauschale.
I.2. Das Mehrbegehren des Inhalts, der Antragsgegnerin werde aufgetragen, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung abzustellen, und zwar durch Abstellung
a) der Forderung unangemessener Corporate Identity Investitionen auf Kosten der Antragstellerin im Neuwagenvertrieb;
i) der Praktizierung unverhältnismäßig hoher Preise für Test- und Diagnosegeräte, die für die Durchführung von Garantie- und Gewährleistungsaufträgen notwendig sind, und die Vorschreibung einer Jahresgebühr für den Zugang zu technischen Dokumentationen im Werkstättenbetrieb;
g) der Benachteiligung der Antragstellerin durch die Ausübung von wirtschaftlichem Druck, möglichst wenige Garantiefälle zu bearbeiten;
f) der allgemeinen Forderung nach Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder nach sonstigen Geschäftsbedingungen, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden;
j) der Einhebung einer unverhältnismäßig hohen Schulungspauschale im Neuwagenvertrieb und im Werkstättenbereich;
wird abgewiesen .
II. Das erste Eventualbegehren des Inhalts, die im oben unter I.2. angeführten (im abweisenden Teil der Entscheidung enthaltenen) Verhaltensweisen mögen als bereits beendete Zuwiderhandlungen festgestellt werden;
sowie das zweite Eventualbegehren des Inhalts, die im oben unter I.2. angeführten (im abweisenden Teil der Entscheidung enthaltenen) Verhaltensweisen seien nach § 6 Nahversorgungsgesetz zu untersagen,
werden abgewiesen .
ii) Dagegen wird der Beschluss des Kartellgerichts im Umfang der Stattgebung in seinem Pkt I.1.A b) und e) (betreffend die einseitige Beschränkung der Preissetzungsfreiheit der Antragstellerin durch den wirtschaftlichen Zwang zur Teilnahme an den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Aktionen) aufgehoben und dem Kartellgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen .
Begründung:
[1] 1. Parteien des Verfahrens:
[2] 1.1. Die Antragstellerin führt seit 1992 einen eingesessenen Händler- und Werkstättenbetrieb in S*****, der auf den Verkauf von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen der Marken P*****, C***** und O***** und die Erbringung von Werkstättendienstleistungen spezialisiert ist. Weitere Standorte hat sie seit 2001 in R***** und seit 2006 in M*****. Seit 2011 handelt die Antragstellerin an den Standorten S***** und R***** auch mit Fahrzeugen der Marke C*****, seit 2016 in S***** mit solchen der Marke O*****. Der Standort in M***** vertreibt nur Fahrzeuge der Marke P*****.
[3] Beim Neuwagenvertrieb entfallen bei allen drei Standorten zusammengenommen etwa 60 % auf die Marke P*****, 30 % auf die Marke C***** und 10 % auf die Marke O*****. Beim Werkstattbetrieb entfallen etwa 50 % auf die Marke P*****, über 20 % auf die Marke O***** und der Rest auf die Marke C*****. Die Antragstellerin beschäftigt durchschnittlich zwischen 45 und 50 Mitarbeiter. Im Geschäftsjahr 2016/2017 (1. 11. 2016 bis 31. 10. 2017) betrug ihr Jahresumsatz über 11,8 Mio EUR. Davon entfielen auf den Verkauf von Neuwagen rund 5,6 Mio EUR, auf den Verkauf von Gebrauchtwagen rund 2,7 Mio EUR, auf Werkstättenerlöse rund 3,1 Mio EUR. Der Anteil der Umsätze mit der Marke P***** beläuft sich im Bereich der Neuwagen auf ca 68 % und im Bereich Werkstattleistungen auf ca 60 %.
[4] Die Antragstellerin wird von ihren Kunden mit dem Namen P***** identifiziert. Würde der Vertrieb von Fahrzeugen dieser Marke wegfallen und müsste sie zu einer anderen Automarke wechseln, so würde sie 2/3 ihrer Kunden verlieren. Da die Antragstellerin überdies erhebliche Investitionen in die Marke P***** getätigt hat (so etwa 2011/2012 zwei Mio EUR in die Erweiterung der Werkstätte im Betrieb R*****), wäre für sie ein Verlust von P***** als Vertragspartner im Neuwagenvertrieb und im Werkstättenbereich existenzbedrohend.
[5] 1.2. Die Antragsgegnerin ist die österreichische Generalimporteurin für Neufahrzeuge und Originalersatzteile der Marke P*****. Innerhalb der P*****‑Vertriebsorganisation ist sie ausschließlich zuständig, in Österreich Neuwagen- und Werkstättenverträge abzuschließen. Sie ist zu 81 % (und die C***** Österreich GmbH zu 19 %) Gesellschafterin der P***** GmbH (bis Oktober 2018: P***** GmbH, idF: Tochtergesellschaft) als Teil der konzerneigenen Handelsorganisation der Group P*****, einem börsennotierten Unternehmen in Frankreich und Hersteller von Fahrzeugen der Marken P*****, C*****, D***** und O*****. P***** Europa ist die zweitgrößte Automobilhandelsgruppe mit 374 Niederlassungen in zehn Ländern.
[6] 2. Vertragsbeziehungen:
[7] Die Antragstellerin hat mit der Antragsgegnerin sowohl einen Neuwagen‑ als auch einen Werkstattvertrag abgeschlossen, wonach der Antragstellerin das nicht exklusive Recht eingeräumt wird, nach Maßgabe dieser Verträge fabriksneue P*****-Personenkraftfahrzeuge und leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 t sowie die dazugehörige Ausstattung und das Zubehör zu vertreiben sowie Service- und Reparaturdienstleistungen für diese P*****-Produkte zu erbringen. Nach dem Neuwagenvertrag ist sie berechtigt, außer Fahrzeugen der Marke P***** bestimmte (in einem Anhang zum Vertrag genannte) andere Fahrzeuge zu vertreiben, das sind solche der Marken C***** und O*****. Im Rahmen des unbefristeten Werkstattvertrags verpflichtete sich die Antragstellerin, den Kundendienst an Fahrzeugen der Marke P***** sicherzustellen.
[8] 3. Vergütungssystem:
[9] 3.1. Das Vergütungssystem für Neuwagen wird von der Antragsgegnerin über die sogenannte „Kommerzielle Politik“ (für jedes Jahr neu) vorgegeben. Dieses Vergütungssystem sieht neben einer Fixmarge (die sich laut Verkaufspreislisten je Modell zwischen 8,5 % bis 11,0 % bewegt) eine variable Marge (bis zu 6,5 % bei 100 % Zielerreichung) vor, die sich aus einer Leistungsprämie (4,5 %) und aus einer Qualitätsprämie (2 %) zusammensetzt.
[10] 3.2. Einstiegskriterium für beide Komponenten der variablen Marge ist das Erreichen eines Weiterempfehlungsniveaus (dem sogenannten „NET EQC“) von zumindest 80 %. Wird dieser Schwellwert nicht erreicht, wird die variable Marge (unabhängig davon, ob die Kriterien für die Leistungsprämie oder die Qualitätsprämie erfüllt sind) nicht ausgezahlt. Das Weiterempfehlungsniveau wird von der Antragsgegnerin über die Befragung von Kunden des jeweiligen Monats ermittelt. Dabei wird eine Punkteskala von eins bis zehn (Höchstnote) abgefragt. Als Weiterempfehlung wird allein die Vergabe von zumindest neun Punkten gewertet. Bei positiver Erfüllung des Einstiegskriteriums erfolgt die Berechnung der Leistungs- und der Qualitätsprämie nach folgenden Kriterien:
[11] 3.3. Leistungsprämie: Als weiteres Kriterium für den Anspruch auf eine Leistungsprämie ist eine Zielerreichung von zumindest 70 %, bei PKW von 80 % des monatlichen Verkaufsziels notwendig. Eine quartalsweise Aufrollung der Verkaufsergebnisse (also eine Gesamtbetrachtung der Verkaufsergebnisse auf Quartalsbasis, sofern die monatlichen Verkaufsziele insgesamt im Quartal erreicht wurden) ist zulässig. Die Höhe der Leistungsprämie hängt von der Erreichung der Monatsziele (das sind die monatlichen Verkaufsziele des jeweiligen Händlers im PKW- und LKW‑Bereich) ab. Werden die Absatzziele bei PKW nicht zumindest im Ausmaß von 80 % erreicht, wird keine Leistungsprämie gewährt; diese Prämie beträgt 2,5 % für eine Zielerreichung ab 80 %, 3,5 % ab 90 %, 4,5 % ab 100 %, 4,75 % ab 110 % und 5 % ab 120 % Zielerreichung.
[12] 3.4. Qualitätsprämie:
[13] Die variable Qualitätsprämie beträgt höchstens 2,5 % und setzt sich aus einer Prämie für Weiterempfehlung (0,6 %) und einer Prämie für das Mystery Shopping Ergebnis (1,4 %; zum Begriff siehe unten Pkt 7.j) zusammen. Für die Weiterempfehlungsprämie ist ein Empfehlungsgrad von zumindest 89 % erforderlich (basierend auf den Ergebnissen der Kundenbefragung innerhalb der letzten sechs Monate), für die Prämie betreffend das Mystery Shopping (das quartalsweise von einer Drittfirma durchgeführt wird) müssen zumindest 820 von 1.000 Punkten erreicht werden.
[14] 4. Verkaufsziele:
[15] 4.1. Die Verkaufsziele setzen sich aus einem Jahres- und einem Monatsziel zusammen. Die Berechnung des Jahresziels beruht einerseits auf einem historischen Kriterium (basierend auf den Verkaufsmeldungen des Händlers in den letzten zwölf Monaten) und andererseits auf einem Potenzial-Kriterium (beruhend auf den Verkaufsergebnissen des räumlichen Markts in einem Radius einer 30‑minütigen Fahrzeit um den Standort des Händlers, bereinigt um Kurzzulassungen bis 90 Tage, Behördenzulassungen, Mietwagen- und Diplomatengeschäfte). In der Quote für das Jahresziel wird das historische Kriterium doppelt so stark gewichtet wie das Potenzial-Kriterium. Sollte ein Partner nicht mit dem Jahresziel einverstanden sein, kann er dieses nach dem Neuwagen-Händlervertrag durch einen unabhängigen Sachverständigen überprüfen lassen.
[16] 4.2. Das Monatsziel wird in einem zweiten Schritt auf Basis des ermittelten Jahresziels und der jeweiligen Monatsmarktschätzung kalkuliert und den Händlern bis zum dritten Werktag des Monats mitgeteilt. Sollte der reale Markt gegenüber der Monatsmarktschätzung um mehr als 2 % sinken, wird das Monatsziel nachträglich nach unten angepasst; bei einem steigenden Markt erfolgt keine Anpassung.
[17] Daneben gibt es die Möglichkeit der Quartalsaufrollung im PKW- und LKW-Bereich: Erreicht der Händler kumuliert im Quartal 100 % seiner Monatsziele, wird die Leistungsprämie auf 100 % aufgerollt und nachbezahlt. Erreicht der Händler sein Jahresziel, bekommt er (auch ohne Erreichen eines bestimmten Weiterempfehlungsniveaus) die volle Leistungsprämie ausbezahlt.
[18] 5. A) Neuwagenvertrieb:
[19] a) Corporate Identity Investitionen:
[20] Laut Art 10 des Händlervertrags für Neufahrzeuge sind die Vertragshändler verpflichtet, von der Antragsgegnerin definierte Standards für den Standort und die Innen- und Außenausstattung der Geschäftsräumlichkeiten genau einzuhalten; dazu gehört auch die Verwendung des markenspezifischen Farbtons Blau im Verkaufsbereich. Dieser Farbton wurde 2010 in ein vom vorherigen Farbton abweichendes dunkleres Blau geändert. 2016 wurde die Bodenfliese MOKA als verpflichtend definiert. Die Antragstellerin investierte 2012 im Standort R***** zwei Mio EUR in die von der Antragsgegnerin vorgeschriebene Ausstattung. 2017 umfassten die Vorgaben der Antragstellerin einen eigenen Eingang für die P*****‑Räumlichkeiten, sodass die Antragstellerin den Fliesenboden MOKA verlegen und einen eigenen Eingangsbereich für die P*****-Räumlichkeiten schaffen musste. Dafür erhielt sie eine Prämie von rund 40.000 EUR.
[21] b) und e) Teilnahme an von der Antragsgegnerin vorgegebenen Aktionen:
[22] Seit der personellen Neubesetzung der Geschäftsführung der Antragsgegnerin im Februar 2018 lanciert die Antragsgegnerin sechs Aktionen pro Jahr, die jeweils zwei Monate lang gültig sind. Vor 2018 betrug die Dauer der Aktionen lediglich einen Monat. Da in der Automobilbranche kaum ein Fahrzeug zum Listenpreis verkauft wird, handelt es sich bei Aktionen um vertriebsfördernde Maßnahmen, die die Aufmerksamkeit des Kunden auf ein bestimmtes Fahrzeug-Modell lenken sollen. Die Antragsgegnerin plant die Aktionen für Österreich. Im Zuge der Aktionen gibt es einen Herbst-, Frühlings- und Messebonus, von dem der Händler 33 % und die Antragsgegnerin 66 % zu tragen hat. Damit fehlt einem Händler, der an den Aktionen nicht teilnimmt, der von der Antragsgegnerin beigesteuerte Bonus. Zwar steht es einem Händler vertraglich frei, an bestimmten (oder auch allen) Aktionen der Antragsgegnerin nicht teilzunehmen; nimmt er allerdings nicht teil, ist er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage, die Monatsziele bzw das Jahresziel zu erreichen, was auf Kosten seiner Leistungsprämie geht. Eine selbständige Preisgestaltung ist für die Antragstellerin im Zuge der Aktionen aus diesem Grund nicht möglich; dennoch werden die Aktionspreise von der Antragsgegnerin unzutreffend als „kommunizierte Richtpreise“ bezeichnet. 2018 und 2019 nahmen sämtliche P*****-Händler Österreichs an den von der Antragsgegnerin initiierten Aktionen teil.
[23] c) Kundenzufriedenheitsumfragen:
[24] Der Händlervertrag verpflichtet den Händler, qualitativ hochwertige Dienstleistungen zu erbringen und eine möglichst hohe Kundenzufriedenheit sicherzustellen. Zur Bewertung der Kundenzufriedenheit wird den Kunden nach einem Neuwagenkauf ein E-Mail mit einem Link zu einem Formular geschickt, auf dem drei Fragen zur Gesamtzufriedenheit, zur Weiterempfehlung und zur Höflichkeit des Teams auf einer Skala von eins bis zehn zu beantworten sind. Für die Neuwagen-Qualitätsprämie ist die Mindestanzahl von 32 Interviews pro Monat bei einer Gesamtbetrachtung der Anzahl der Interviews innerhalb des letzten Jahres oder ein 60 % Anteil verwendbarer E‑Mail‑Adressen in dieser Periode erforderlich. Für die Kundenzufriedenheit bedarf es einer Quote von mindestens 80 % Weiterempfehlung und für die Qualitätsprämie einer Bewertung von mindestens neun Punkten. Daher ist die Antragstellerin zur Erreichung der Qualitätsprämie darauf angewiesen, auf ihre Kunden dahin einzuwirken, dass sie eine möglichst gute Bewertung abgeben, was mit erheblichem Aufwand an Kommunikation und einem als beschämend empfundenen Maß an Beeinflussung der Kunden verbunden ist. Die von der Antragsgegnerin gewählte Methode der Koppelung der Kundenzufriedenheitsumfragen mit der Gewährung der Qualitätsprämie ist mit einer reellen Erhebung der Kundenzufriedenheit nicht zu vergleichen und keine echte Befragung.
[25] d) Spannenreduktion durch überhöhte Verkaufsziele:
[26] Das Jahresziel 2018 für die Antragstellerin umfasste 259 Fahrzeuge. Die Antragstellerin nutzte das Recht, ein Schiedsgericht anzurufen und das Jahresziel durch einen Sachverständigen neu festsetzen zu lassen. Sie war nicht die Einzige; 2017 riefen sieben Händler das Schiedsgericht an, 2018 und 2019 je elf. Als Ergebnis des Schiedsverfahrens wurde das Jahresziel der Antragstellerin für 2018 von 259 auf 220 Fahrzeuge reduziert. Tatsächlich verkaufte sie dann 178 Fahrzeuge, somit mehr als 40 Autos weniger als das bereits herabgesetzte Jahresziel, und erreichte damit das reduzierte Jahresziel nur mit 86 % (wobei sie monatsweise meistens auf 80 %, in einzelnen Monaten auf 100 % kam). Für 2019 setzte die Antragsgegnerin das Jahresziel der Antragstellerin so fest, dass sie den Ist‑Verkauf für 2018 um 25 % erhöhte. Für die Leistungsprämie ist überdies nicht das Datum des Verkaufs des Fahrzeugs, sondern jenes der Auslieferung an den Käufer entscheidend. Etwa 65 % der gekauften Fahrzeuge der Marke P***** haben eine Lieferzeit unter einem Monat. Bei einzelnen Fahrzeugtypen mit hoher Nachfrage kommen aber auch Lieferzeiten von zwei bis vier Monaten vor. Sollte ein Fahrzeug nach Abschluss des Kaufvertrags daher eine lange Lieferzeit haben, kann dies für den Händler von ihm nicht kalkulierbaren Einfluss auf die Erreichung des Monatsziels haben.
[27] f) Abgabepreise der P***** Händlerbetriebe:
[28] Die Antragsgegnerin selbst ist nur vereinzelt im Endkundenmarkt bei einzelnen Direktverkäufen an bestimmte (Groß‑)Kunden tätig. 95 % ihrer Geschäfte wickelt sie über die Händler, darunter ihre Tochtergesellschaft (deren Geschäftsführerin zugleich die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin ist) ab. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Tochtergesellschaft die gleichen Neuwagen- und Werkstättenverträge zu den gleichen Konditionen und mit gleicher „Kommerzieller Politik" wie mit den selbständigen P*****-Händlern abgeschlossen.
[29] Zwischen der Tochtergesellschaft, der Antragsgegnerin und der C***** GmbH wurde am 16. 12. 2015 ein (in ähnlicher Form bereits davor bestehender) Ergebnisabführungsvertrag geschlossen, wonach der Jahresverlust der Tochtergesellschaft von der Antragsgegnerin zu 81 % und von der C***** GmbH zu 19 % abzudecken ist. 2013 betrug der Jahresverlust der Tochtergesellschaft rund 777.000 EUR, 2015 knapp 2,2 Mio EUR, 2017 knapp 630.000 EUR und 2018 2,6 Mio EUR. Ihr Jahresgewinn 2016 von rund 1,1 Mio EUR war auf den Verkauf einer Liegenschaft in W***** zurückzuführen. Die Verluste ergeben sich zu einem Teil daraus, dass die Mietkosten für die Standorte ebenso wie die Lohnkosten in Städten wie W***** oder L***** höher sind als auf dem Land, während die Marktanteile für Fahrzeuge der Marke P***** auf dem Land höher sind als in der Stadt. Zum anderen Teil liegen die Verluste darin begründet, dass die Tochtergesellschaft aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags in der Lage ist, niedrige Abgabepreise am Endkundenmarkt zu verlangen. Diese können von den freien Händlern (wie der Antragstellerin) angesichts der ihnen von der Antragsgegnerin verrechneten Preise und gewährten Rabattkonditionen – von Einzelfällen abgesehen – nicht gehalten oder unterboten werden, zumal die Kunden zunehmend an Preisvergleiche im Internet gewöhnt und immer weniger auf lokale Händler in ihrer Nähe angewiesen sind.
[30] 6. B) Werkstättenbetrieb:
[31] g) Garantieprüfungen:
[32] Beim Kauf eines Neuwagens räumt die Antragsgegnerin den Kunden eine zweijährige Neuwagengarantie ein und übernimmt zusätzlich die Kosten für die Reparatur oder den Austausch fehlerhafter Teile. Cirka 7–10 % aller Werkstättenaufträge entfallen bei der Antragstellerin auf Gewährleistungs- und Garantiearbeiten (im Branchenschnitt beläuft sich der Anteil auf ca 5–20 %). Es liegt im Interesse der Antragsgegnerin, die ordnungsgemäße Abrechnung von Garantiearbeiten zu überprüfen; vereinzelt kommt es nämlich vor, dass Werkstätten Arbeiten unzulässigerweise als Garantiearbeiten verrechnen.
[33] Die Antragsgegnerin entwickelte für den Ersatz der Kosten der Garantiearbeiten ein Refundierungssystem, das auf Richtwerten und Richtzeiten beruht und bedient sich dabei des CVR(= cost vehicle repair)‑Werts, der sich aus Arbeitszeit- und Materialkosten für jeden Garantiefall zusammensetzt. Diejenige Werkstätte, die die niedrigsten Kosten für den jeweiligen Garantiefall hat, wird als „best performer“ solcherart herangezogen, dass diese Kosten als Normkosten bestimmt werden. Für jede Garantiearbeit gibt es derartige Normkosten als Referenz. Der weiters herangezogene Durchschnittsstundensatz wird so berechnet, dass die Antragsgegnerin die verschiedenen Stundensätze der einzelnen Werkstätten durch eine Agentur in einer für die Händler nicht nachvollziehbaren Form nivellieren lässt.
[34] Die Werkstätten werden nach dem jeweiligen CVR-Wert und der Garantieablehnungsquote (das ist die Anzahl der aufgrund eines Fehlers nicht freigegebenen Garantieanträge, die nicht höher als 5 % sein sollte) sowie der Einreichdauer für Garantieaufträge in rund 75–80 % „delegierte“ Werkstätten (die kein hohes Garantievolumen haben und Garantiearbeiten unter 1.500 EUR ohne vorherige Abklärung mit der Antragsgegnerin selbständig durchführen dürfen) und „gecoachte“ Vertragspartner geteilt (die schon bei Garantieaufträgen ab 350 EUR eine Vorabzusage der Antragsgegnerin benötigen).
[35] Das Coaching umfasst drei Stufen: In Stufe eins wählt der Coach willkürlich 50 Garantiefälle des letzten Jahres aus, analysiert sie, bespricht die Mängel und erstellt einen Aktionsplan für Verbesserungen. Mit dieser Form des Coaching sind keine finanziellen Nachteile der Werkstätte verbunden; die Werkstätte hat drei Monate Zeit, die Verbesserungen umzusetzen. Daran schließt sich eine neunmonatige Beobachtungszeit. Sollte sich der CVR‑Wert dennoch wieder erhöhen, werden in der Coachingstufe zwei wieder 50 Fälle überprüft und Verbesserungsvorschläge gemacht. Führt dies zu keinem Erfolg wird in Stufe drei ein „Garantieaudit“ durchgeführt, in dessen Verlauf sämtliche Garantieaufträge von drei ausgewählten Monaten auf Fehler kontrolliert werden.
[36] Auch die Fehler sind in drei Stufen eingeteilt. Die leichtesten in Stufe eins haben keine finanziellen Konsequenzen (dazu gehören das Fehlen eines Messwerts oder die unzureichende Aufbewahrung von Unterlagen). Fehler in Stufe 2 führen zur Rückbelastung; die Werkstätte muss der Antragsgegnerin das für die Garantiearbeit erhaltene Geld refundieren. Darunter fallen Fehler wie die mangelnde Unterschrift eines Kunden, die fehlende elektronische Signatur des Technikers oder das Fehlen einer Schraube im Garantieauftrag unabhängig davon, ob sie verwendet wurde oder nicht. Haben mehr als 3 % der Fehler den gleichen Beanstandungsgrund, geht die Antragsgegnerin davon aus, dass der Fehler das ganze Jahr über gemacht wurde, und bucht im Prozentsatz des Fehlers die Refundierungen für alle gleichartigen Garantiearbeiten für das ganze Jahr zurück. Insgesamt ist die Rückbelastung mit 3.000 EUR gedeckelt. Zu Stufe drei gehören Fehler wie das Rückdatieren eines Auftrags, sodass er in die Garantiezeit fällt, oder eine Doppelverrechnung sowohl an den Kunden als auch an die Antragsgegnerin. In dieser Stufe wird jeder Fehler unabhängig vom Erreichen der 3 %‑Schwelle mit einer Deckelung von 3.000 EUR auf das Jahr hochgerechnet. Unterläuft daher zB ein solcher Fehler bei einer Garantiereparatur über 5.000 EUR, beträgt die Rückbelastung 5.000 EUR plus dem Limit der Hochrechnung von 3.000 EUR.
[37] Diese Gefahr zwingt die Werkstätten zu sehr genauem Arbeiten. Die Einreichung eines Garantieantrags bedarf, um alle Formulare auszufüllen und auszudrucken, eines relativ hohen bürokratischen Aufwands, der unter Umständen die Dauer der tatsächlichen Behebung des Mangels am Fahrzeug erheblich übersteigt. Dazu kommt, dass die Garantierichtlinien immer wieder geändert werden, dies den Werkstätten nicht immer mitgeteilt wird und es mitunter lange dauert, bis eine Rückmeldung der Antragsgegnerin kommt, ob eine Garantiearbeit durchgeführt wird oder nicht, sodass die Werkstätte in ihren Abläufen über Tage blockiert sein kann.
[38] Da bei den geschilderten Garantieprüfungen praktisch immer Fehler gefunden werden, tragen letztlich die Werkstätten im Wege der Rückbelastung einen erheblichen Teil der Kosten der Garantieprüfungen, obwohl diese im überwiegenden Interesse der Antragsgegnerin liegen.
[39] h) Stundensätze sowie Refundierungen bei Garantiearbeiten
[40] Die Kosten für die Durchführung der Garantiearbeiten ersetzt die Antragsgegnerin den Werkstätten nach einem von ihr aufgestellten Refundierungssystem. Dieses basiert auf Richtwerten und Richtzeiten. Mehr als 65 % der Werkstätten unterscheiden bei der Höhe ihres Stundensatzes nicht, welcher ihrer Mitarbeiter die Arbeit durchführt, da sie einen einheitlichen Stundensatz haben. Die übrigen Werkstätten unterscheiden bei den Stundensätzen (je nach erforderlicher Qualifikation) die drei Niveaus „Wartung“, „Reparatur“ und „Techniker“. Zur Ermittlung des Richtwerts für Garantiearbeiten fordert die Antragsgegnerin die Werkstätten mit einem Rundschreiben im Dezember jeden Jahres auf, ihre Stundensätze für diese drei Niveaus bekanntzugeben und gewichtet dann die bekannt gegebenen Stundensätze derart, dass 70 % der für Garantiearbeiten anfallenden Kosten auf Stufe 1, 20 % auf Stufe 2 und 10 % auf Stufe 3 entfallen. Diese Regelung ist europaweit gleich. Sodann zieht die Antragsgegnerin von dem ermittelten Stundensatz 12 % ab; dieser Stundensatz wird dann jeder Werkstätte für die Durchführung der Garantiearbeiten refundiert.
[41] Die Antragsgegnerin gibt für Reparaturarbeiten auch Richtzeiten vor. Dafür wird die von einem Mechaniker für verschiedene Arbeiten bei einem neuen Fahrzeugmodell benötigte Zeit mit der Stoppuhr gestoppt. Diese Richtzeiten gelten europaweit. Die Richtzeiten sind zumindest für einen Teil der Arbeiten sehr knapp bemessen, was die Werkstätten unter Druck setzt.
[42] Eine Werkstätte hat bei Ersatzteilen im Schnitt eine Marge von rund 32–33 %. Die Antragsgegnerin bezahlt nur den Einkaufspreis zuzüglich 5 % (seit 2019: 4 %) Handlingspauschale, aber maximal 65 EUR (seit 2019: 130 EUR) pro Garantieantrag, womit aus ihrer Sicht der administrative Aufwand mit dem Ersatzteil (wie etwa die Lagerhaltung) abgegolten werden soll.
[43] In einer Gesamtbetrachtung des 12%‑igen Abzugs vom Stundensatz, der geringen Handlingspauschale, der knapp bemessenen Richtzeiten, des administrativen Aufwands bei der Meldung der Garantiefälle und der erforderlichen Verpackung und Lagerung der ausgetauschten Ersatzteile ist davon auszugehen, dass die von der Antragsgegnerin bezahlte Vergütung für Garantiearbeiten für die Antragstellerin wie auch für andere P*****-Werkstätten nicht zu 100 % kostendeckend ist, wobei die Unterdeckung in der Größenordnung zwischen 5 und 10 % liegt.
[44] i) Preise für Test- und Diagnosegeräte etc:
[45] Die Antragsgegnerin schreibt ihren Vertragswerkstätten die Verwendung eines P***** Diagnosegeräts pro vier (ab 2020 pro drei) produktiven Mitarbeitern vor. Ein Diagnosegerät ist ein für den Werkstattbetrieb geeigneter robuster Laptop mit einer Diagnosesoftware, der bei der Antragsgegnerin bezogen werden muss. Die Kosten für das Gerät betragen (über drei Jahre verteilt) 7.120 EUR, danach muss es mit den gleichen Kosten ersetzt werden. Ob bzw um welchen Preis die von der Antragsgegnerin gelieferten Laptops in dieser Ausführung auf dem freien Markt erhältlich sind, konnte nicht festgestellt werden.
[46] 7. C) Neuwagenvertrieb und Werkstättenbereich:
[47] j) Schulungspauschale:
[48] Sowohl nach dem Werkstätten‑ als auch nach dem Händlervertrag müssen die Mitarbeiter an kostenpflichtigen und/oder kostenlosen Schulungen teilnehmen. Die Antragstellerin nahm vor 2018 für ihre Mitarbeiter die Pflichtschulungen und darüber hinaus Einzelschulungen in Anspruch, wenn sie ihrer Ansicht nach notwendig waren. Ab 2018 stellte die Antragsgegnerin dieses System um. Sie verlangt nun eine Schulungspauschale von jährlich 5.000 EUR. Ausgebildete Techniker müssen als Pflichtschulung vier Tage jährlich absolvieren, Kundenberater zwei Tage. Dazu kommen zwei bis drei Produktschulungen im Neuwagenbereich und die Garantieschulungen im Werkstättenbereich. Da die Schulungspauschale pro Betrieb anfällt, treffen die Antragstellerin für ihre drei Betriebe für die Marke P***** jährlich Schulungspauschalen von insgesamt 15.000 EUR. Durch diese Änderung wurde die Frequenz an Schulungen generell gesteigert, bei den Pflichtschulungen gab es einen Zuwachs von 40 %, bei den nicht verpflichtenden Schulungen hat sich die Anzahl vervierfacht. Allerdings deckt ein Teilbetrag der Schulungspauschale von 2.000 EUR vier Mystery Shoppings im Bereich Neuwagen, zwei Mystery Shoppings im Bereich Kundendienst, sechs Mystery Leads sowie ein Neuwagen- bzw Kundendienst-Standardkriterien-Audit pro Jahr ab.
[49] Mit Mystery Shoppings überprüft die Antragsgegnerin durch ein Drittunternehmen die Einhaltung der im Händler- und Werkstattvertrag enthaltenen Qualitätsvorgaben. Die Antragsgegnerin trug ursprünglich die Kosten dafür selbst. Ein erster Versuch, sie auf die Händler zu überwälzen, hatte massive Proteste zur Folge. Daher nahm die Antragsgegnerin sie in die Schulungspauschale auf.
[50] Mystery Leads sind Anfragen an Händler um Probefahrten und ähnliche durch eine von der Antragsgegnerin beauftragte Drittfirma, um zu kontrollieren, ob in der vorgegebenen Zeit von einer Stunde eine Antwort des Händlers erfolgt. Die Agentur der Antragsgegnerin kreiert pro Händler etwa zwei bis vier Mystery Leads jährlich. Welche Kosten hierfür anfallen, konnte nicht festgestellt werden.
[51] Standardkriterien-Audits sind Überprüfungen der Einhaltung der operativen Vorgaben im Neuwagenvertrieb und im Kundendienst. Im Neuwagenbereich gibt es neun, im Kundendienstbereich 13 operative Standards, dazu kommen zwei bereichsübergreifende Standards. Bei einer Prüfung kontrolliert der Prüfer fünf von ihm ausgewählte Standards.
[52] Mystery Shopping, Mystery Leads und Standard-Audit dienen der Kontrolle der Antragsgegnerin dahin, ob ihre vertraglichen Vorgaben von den Händlern und Werkstätten eingehalten werden. Die Kosten hierfür tragen aber im wesentlichen die Händler und Werkstätten allein.
[53] Anträge und Begründung
[54] Die Antragstellerin begehrt die Abstellung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin
A) im Neuwagenvertrieb durch
a) die Forderung unangemessener Corporate Identity Investitionen auf Kosten der Antragstellerin;
b) die unverhältnismäßige Überbindung der wirtschaftlichen Lasten von Aktionen;
c) den Entzug von Prämienzahlungen aufgrund nicht repräsentativer, willkürlicher und einseitig bewerteter Kundenzufriedenheitsumfragen;
d) willkürliche, verdeckte Spannenreduktionen durch bewusst überhöhte Verkaufsziele;
e) die einseitige Beschränkung der Preissetzungsfreiheit der Antragstellerin;
f) die Praktizierung missbräuchlich niedriger Abgabepreise am Endkundenmarkt durch im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Händlerbetriebe, während sie gleichzeitig gegenüber der Antragstellerin Vorleistungen zu Preisen erbringt, die es der Antragstellerin unmöglich machen, auf dem Endkundenmarkt im Wettbewerb mit den Händlerbetrieben der Antragsgegnerin zu bestehen oder Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder nach sonstigen Geschäftsbedingungen zu fordern, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben;
B) im Werkstättenbetrieb durch
g) die Belastung des Geschäftsbetriebs der Antragstellerin mit unangemessenen Garantieprüfungen und die Benachteiligung der Antragstellerin durch die Ausübung von wirtschaftlichem Druck, möglichst wenige Garantiefälle zu bearbeiten;
h) die Abwicklung von Garantie- und Gewährleistungsaufträgen mit nicht kostendeckenden Stundensätzen sowie Refundierungen bei Ersatzteilen;
i) die Praktizierung unverhältnismäßig hoher Preise für Test- und Diagnosegeräte, die für die Durchführung von Garantie- und Gewährleistungsaufträgen notwendig sind, und Vorschreibung einer Jahresgebühr für den Zugang zu technischen Dokumentationen;
C) im Neuwagenvertrieb und im Werkstättenbereich durch
j) die Einhebung einer unverhältnismäßig hohen Schulungspauschale.
Für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens beantragt die Antragstellerin in ihrem ersten Eventualbegehren, bereits beendete Zuwiderhandlungen festzustellen, und im zweiten Eventualbegehren, die Verhaltensweisen nach dem NVG zu untersagen.
[55] Der Antragsgegnerin komme als Alleinimporteurin von Kraftfahrzeugen gegenüber der Antragstellerin eine marktbeherrschende Stellung sowohl iSd § 4 Abs 1 als auch Abs 3 KartG zu. Sie habe eine im Verhältnis zu ihren Abnehmern überragende Marktstellung, weil die Antragstellerin zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung zur Antragsgegnerin angewiesen sei. Die Antragstellerin habe ihren Geschäftsbetrieb völlig auf den Vertrieb der Marken P*****, C***** und O***** spezialisiert, die zum selben Konzern wie die Antragsgegnerin gehörten. Die näher dargestellten beanstandeten Verhaltensweisen der Antragsgegnerin beträfen in unterschiedlicher Ausprägung das gesamte P*****-Händlernetz in Österreich und somit das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sodass Art 102 AEUV anwendbar sei.
[56] Einwendungen der Antragsgegnerin
[57] Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung sämtlicher Anträge. Eine Abgrenzung des relevanten Markts und Vorbringen zur behaupteten Missbräuchlichkeit der Maßnahmen der Antragsgegnerin fehle. Sie bediene sich beim Vertrieb von Neufahrzeugen der Marke P***** eines quantitativ und qualitativ selektiven Vertriebssystems von Händlern, die die Auswahlkriterien erfüllen müssten und deren Anzahl aufgrund eines numerus clausus beschränkt sei. Werkstätten unterlägen hingegen einem rein qualitativ selektiven Vertriebssystem und müssten lediglich die im Werkstättenvertrag dargelegten Auswahlkriterien erfüllen. Das Prämiensystem der Antragsgegnerin werde jedes Jahr in der „Kommerziellen Politik“ festgehalten und sehe variable Prämien für den Verkauf von Neufahrzeugen vor, die sich aus einer Leistungs- und einer Qualitätsprämie zusammensetzten, wobei die Antragsgegnerin im Hinblick auf die immer größere Bedeutung der Qualität der Leistungserbringung den Qualitätsstandards im Rahmen der variablen Prämie immer mehr Gewicht zumesse. Jedem Händler sei es bei entsprechender Anstrengung möglich, die vollen Prämien zu lukrieren. Die Antragsgegnerin habe nur einen Anteil von 3,2 % an den Neuzulassungen, von einer marktbeherrschenden Stellung könne daher nicht die Rede sein. Sie habe auch keine relative Marktmacht gegenüber der Antragstellerin. Abgesehen davon, dass letztere neben Fahrzeuge der Marke P***** auch Fahrzeuge der Marken C***** und O***** vertreibe, die – wenn auch konzernmäßig mit P***** verbunden – im Vertrieb völlig selbständig geführte Marken seien, beruhe die Geschäftsverbindung der Antragstellerin mit der Antragsgegnerin auf einem einseitigen autonomen Entschluss der Antragstellerin. Es liege weder eine Abhängigkeit noch ein Missbrauch von Marktmacht vor. Die von der Antragstellerin kritisierten Verhaltensweisen dienten ausschließlich dem Zweck der Qualitätssicherung, der Steigerung der Kundenzufriedenheit und Markenloyalität sowie der Schaffung einer bestmöglichen Infrastruktur an Vertragshändlern und -werkstätten und seien daher sachlich gerechtfertigt. Mangels einer grenzüberschreitenden Dimension könne zwischenstaatlicher Handel nicht beeinträchtigt werden, weshalb Art 102 AEUV nicht zur Anwendung komme. Weiters nahm die Antragstellerin zu den einzelnen Vorwürfen Stellung, worauf – soweit erforderlich – bei der Behandlung des Rekurses eingegangen wird.
[58] Entscheidung des Kartellgerichts
[59] Das Kartellgericht trug der Antragsgegnerin auf, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung abzustellen, und zwar
A/ im Neuwagenvertrieb durch
b) und e) die einseitige Beschränkung der Preissetzungsfreiheit der Antragstellerin durch den wirtschaftlichen Zwang zur Teilnahme an den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Aktionen; c) die Koppelung von Prämienzahlungen mit dem bestehenden und tatsächlich praktizierten System der Kundenzufriedenheitsumfragen; d) Spannenreduktionen durch bewusst überhöhte Verkaufsziele; f) die Praktizierung missbräuchlich niedriger Abgabepreise am Endkundenmarkt durch im wirtschaftlichen Mehrheitseigentum der Antragsgegnerin stehende Händlerbetriebe, insbesondere wenn deren Verluste von der Antragsgegnerin abgedeckt werden, während die Antragsgegnerin gleichzeitig gegenüber der Antragstellerin Preise verrechnet und Rabattkonditionen gewährt, die es der Antragstellerin unmöglich machen, diese niedrigen Endkundenpreise einzustellen; sowie
B/ im Werkstättenbetrieb durch g) die Verpflichtung zur Durchführung von Garantie- und Gewährleistungsarbeiten mit von der Antragsgegnerin gestellten Bedingungen, insbesondere einem auch für die Antragstellerin aufwändigen Kontrollsystem, die diese Arbeiten für die Antragstellerin wirtschaftlich unrentabel machen, und h) die Abwicklung von Garantie- und Gewährleistungsaufträgen mit nicht kostendeckenden Stundensätzen sowie nicht kostendeckende Refundierungen bei Ersatzteilen; und letztlich
C/ im Neuwagenvertrieb und im Werkstättenbereich durch j) die Überwälzung der Kosten für Mystery Shopping, Mystery Leads und Standardkriterien-Audits auf die Antragstellerin, insbesondere durch die kalkulatorische Einbeziehung dieser Kosten in die Schulungspauschale.
[60] Dagegen wies das Kartellgericht das Mehrbegehren, der Antragsgegnerin aufzutragen, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung abzustellen, und zwar
A/ im Neuwagenvertrieb durch a) die Forderung unangemessener Corporate Identity Investitionen auf Kosten der Antragstellerin; sowie f) die Forderung nach Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder nach sonstigen Geschäftsbedingungen, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden;
B/ im Werkstättenbetrieb durch g) die Benachteiligung der Antragstellerin durch die Ausübung von wirtschaftlichem Druck, möglichst wenige Garantiefälle zu bearbeiten; und i) die Praktizierung unverhältnismäßig hoher Preise für Test- und Diagnosegeräte, die für die Durchführung von Garantie- und Gewährleistungsaufträgen notwendig sind, und die Vorschreibung einer Jahresgebühr für den Zugang zu technischen Dokumentationen sowie
C/ im Neuwagenvertrieb und im Werkstättenbereich j) die Einhebung einer unverhältnismäßig hohen Schulungspauschale; ebenso wie die zwei Eventualbegehren ab.
[61] Es traf die eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Feststellungen und führte rechtlich aus, dass im Hinblick auf die einheitlichen Händler- und Werkstättenverträge naheliegend sei, dass das Verhalten der Antragsgegnerin das gesamte Hoheitsgebiet Österreichs betreffe und daher eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels vorliege. Zwischenstaatlichkeit sei somit zu bejahen und sowohl europäisches als auch nationales Kartellrecht einschließlich der im KartG normierten strengeren Bestimmung des § 4 Abs 3 KartG anwendbar.
[62] Der sachlich relevante Markt sei von der Antragsgegnerin selbst so definiert worden, dass jeweils ein eigener sachlich relevanter Markt für den Verkauf von Personenkraftwagen und jenen von leichten Nutzfahrzeugen bestehe. Da es hier um die Marktposition eines P*****‑Händlers gegenüber seinem Importeur innerhalb eines Vertriebssystems gehe, könne der Fokus des vorliegenden Missbrauchsverfahren nicht auf dem markenübergreifenden Markt liegen. Hinsichtlich der Werkstättenleistungen für P*****-Fahrzeuge könne eine exakte Abgrenzung des sachlich relevanten Markts dahingestellt bleiben, weil es auf das Verhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin ankomme, das gemäß § 4 Abs 3 KartG einer eigenen Regelung für die vertikale Marktbeherrschung unterliege. Auch die nähere Abgrenzung des geographisch relevanten Markts könne deshalb unterbleiben.
[63] Ob ein Unternehmen im (Vertikal‑)Verhältnis zu seinen Abnehmern eine überragende Marktstellung gemäß § 4 Abs 3 KartG besitze, lasse sich – wie auch bei den Marktbeherrschungstatbeständen des § 4 Abs 1 KartG – nicht abstrakt, sondern nur in Ansehung eines konkreten Markts beurteilen, weil es auch insoweit auf Substitutionsmöglichkeiten ankomme. Es sei in Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts im Einzelfall zu prüfen, in welchem Umfang der Vertragshändler auch Fahrzeuge anderer Hersteller vertreibe und ob er zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung zum Generalimporteur angewiesen sei. Hier entfielen auf den Neuwagenvertrieb mit P*****-Fahrzeugen etwa 60 %, auf C*****-Fahrzeuge 30 % und auf O*****-Fahrzeuge 10 %. Der Werkstättenbetrieb umfasse etwa 50 % P*****-Fahrzeuge, über 20 % O*****-Fahrzeuge und den Rest C*****-Fahrzeuge. Der Anteil der Umsätze mit der Marke P***** belaufe sich bei der Antragstellerin im Bereich der Neuwagen auf ca 68 %. Ein Verlust von P***** als Vertragspartner der Antragstellerin im Neuwagenvertrieb und im Werkstättenbereich wäre somit im Hinblick auf den damit verbundenen Kundenverlust und die bereits in die Marke P***** getätigten Investitionen existenzbedrohend. Die Antragstellerin sei daher zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung zur Antragsgegnerin angewiesen und ihr Geschäftserfolg hänge davon ab. Alternative Absatz- oder Bezugsmöglichkeiten stünden der Antragstellerin nicht zur Verfügung. Die relative Marktmacht der Antragsgegnerin iSd § 4 Abs 3 KartG gegenüber der Antragstellerin sei daher zu bejahen.
[64] Beim Missbrauchsverbot sei im Sinne eines beweglichen Systems in einer Gesamtschau zu prüfen, ob durch die Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin in den Neuwagenvertriebs- und Werkstattverträgen und der „Kommerziellen Politik" Vorteile und Risken einseitig zu Gunsten der Antragsgegnerin verteilt und daher offenbar unbillig seien oder nicht; dies führe zu folgendem Ergebnis:
[65] 1. Die Punkte b) und e) des Antrags (unverhältnismäßige Überbindung der wirtschaftlichen Lasten von Aktionen; einseitige Beschränkung der Preissetzungsfreiheit) beträfen beide die mit den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Aktionen verbundene Problematik. Aktionen weckten das Interesse der Kunden und seien ein typisches Vertriebsinstrument. Sie dienten der Vertriebsförderung und lägen im Interesse des Händlers und des Importeurs. Daher sei eine angemessene Beteiligung an den Aktionskosten grundsätzlich wettbewerbskonform. Hier sei aber die Teilnahme an Aktionen für die Antragstellerin betriebswirtschaftlich unumgänglich notwendig. Sie könne sich einer Teilnahme nicht ohne Verluste entziehen. Daran ändere die Tatsache nichts, dass die Antragstellerin zu jeder Aktion ihre schriftliche Zustimmung erteilen müsse, weil diese nicht auf ihrer freien Entscheidung basiere. Im Umfang der von der Antragsgegnerin vorgegebenen Aktionen sei der Antragstellerin weiters die Möglichkeit genommen, die Verkaufspreise eigenständig zu kalkulieren. Umgekehrt sei angesichts der Laufzeit der Aktionen von zunächst einem Monat bzw ab 2018 zwei Monaten die Planung der Verkaufspreise für die Antragstellerin schwierig, wenn ein Kunde sich nicht sofort für den Kauf eines Fahrzeugs entscheide.
[66] 2. Die konkrete Ausgestaltung der Kundenzufriedenheitsumfragen beeinträchtige die Rentabilität des Händlers, sodass sie weder im Interesse des Händlers noch des Importeurs liege. Manipulierte Ergebnisse bis hin zur Erpressbarkeit des Händlers hätten nichts mit einer echten Bewertung der Qualität der Dienstleistungen des Händlers zu tun und seien nicht wettbewerbskonform.
[67] 3. Der Vorwurf der Spannenreduktion durch überhöhte Verkaufsziele bestehe zu Recht. Die Koppelung der Erreichung der Monats- und Jahresziele mit dem Erhalt der Leistungsprämie und deren komplexes Berechnungssystem führten zu fehlender Kalkulierbarkeit marktkonformer Angebote durch die Händler, wobei das Risiko der Rentabilität nur der Händler trage. Die überzogenen Verkaufserwartungen der Antragsgegnerin hätten von einem Sachverständigen herabgesetzt werden müssen und würden dem Händler die wesentlichen Risiken der schwer planbaren Kalkulation überbinden. Selbst die konzerneigene Vertriebsgesellschaft habe die Jahresziele nicht erreichen können.
[68] 4. Die Antragsgegnerin sei durch die in ihrem Mehrheitseigentum stehende Vertriebsgesellschaft auf dem Markt der selbständigen P*****-Händler tätig. Diese könne die Abgabepreise auf dem Endkundenmarkt aufgrund der mit dem Ergebnisabführungsvertrag verbundenen garantierten Verlustabdeckung niedriger kalkulieren als die Vertragshändler und ziehe diesen aufgrund dieser übermächtigen Finanzkraft Kunden ab. Von dieser Möglichkeit mache sie auch Gebrauch, indem sie Angebote auf den Markt bringe, die für die Händler (von einzelnen Ausnahmefällen abgesehen) aufgrund der von der Antragsgegnerin verrechneten Preise und Rabattkonditionen nicht einstellbar seien. Dies schränke den Wettbewerb ein, sodass die Händler immer mehr zu abhängigen Vertriebsgehilfen der Antragsgegnerin würden und der Intra‑brand-Wettbewerb abnehme.
[69] 5. Die Prüfung des Abwicklungssystems der Garantiearbeiten auf seine Korrektheit hin sei ein legitimes Interesse der Antragsgegnerin. Allerdings seien die Garantiearbeiten für die Werkstätten mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden. Obwohl das Kontrollsystem im überwiegenden Interesse der Antragsgegnerin liege, würden seine Kosten im Wege der Rückbelastung zu einem erheblichen Teil von den Werkstätten getragen. Somit führe eine Abwägung letztlich dazu, dass (auch in Verbindung mit der Kostenbelastung der Werkstätten in Garantiefällen) selbst bei Berücksichtigung der grundsätzlichen Berechtigung der Garantieprüfungen das Maß der legitimen Kontrolle überschritten werde.
[70] 6. Die Stundensätze der Garantiearbeiten und die Refundierung bei Ersatzteilen seien im Hinblick auf den von der Antragsgegnerin vorgenommenen 12%-igen Abzug bei den Stundensätzen und die Tatsache, dass 70 % der Kosten mit Stundensätzen der Stufe 1 eingestuft würden, obwohl Garantiearbeiten meist kompliziert seien, problematisch. Überdies liege bei den Garantie‑ und Gewährleistungsarbeiten eine Kostendeckung von nur 90–95 % vor. Damit gebe es keinen vollständigen Ersatz der Kosten, obwohl die Gewährleistungs- und Garantiearbeiten der Sphäre der Antragsgegnerin zuzurechnen seien. Wenn Kosten nicht gedeckt würden, sei dies in einer Monopolsituation als Missbrauch zu werten.
[71] 7. Jener Teil der Schulungspauschale, der nicht auf die tatsächlich angebotenen Schulungen entfalle, sondern auf Mystery Shopping, Mystery Leads und Standard-Audit, diene der Kontrolle der Antragsgegnerin dahin, ob die Händler und Werkstätten die vertraglichen Vorgaben der Antragsgegnerin einhielten. Diese Kosten hätten die Händler und Werkstätten im Wesentlichen allein zu tragen, was in einer Monopolsituation missbräuchlich sei.
[72] 8. In einer Gesamtschau des Verhaltens der Antragsgegnerin sei die Ausbeutung marktmachtbedingter Verhaltensspielräume iSd § 5 Abs 1 Z 1 KartG im Umfang des Abstellungsauftrags zu bejahen. Für eine Kompensation durch andere, günstige Vertragsbedingungen gebe es keine Anzeichen. Dafür, dass das verbotswidrige Verhalten zum Entscheidungszeitpunkt bereits endgültig beendet gewesen sei, böten die Feststellungen keine Grundlage. Daher sei ein Abstellungsauftrag iSd § 26 KartG zu erteilen, der sich im Rahmen der in § 26 Satz 2 KartG normierten Verhältnismäßigkeit bewege: Es sei nur jenes Verhalten zu untersagen, das auf dem betroffenen Markt bereits an den Tag gelegt worden sei.
[73] Im Umfang der Antragsabweisung liege kein Missbrauch vor. Die Corporate Identity Investitionen führten dann zu keiner unbilligen Risikoverteilung, wenn sich – wie hier – die Antragsgegnerin als „Auftraggeber“ an deren Kosten in erheblichem Umfang beteilige oder sie sogar mit ihrem Zuschuss in Form einer nachträglichen Prämie zur Gänze abgedeckt habe. Eine Ausübung von wirtschaftlichem Druck, möglichst wenige Garantiefälle zu bearbeiten, habe sich nicht erwiesen. Zum behaupteten „Garantietourismus“ hätten ebenfalls lediglich Negativfeststellungen getroffen werden können; ein Missbrauch sei daher auch insoweit zu verneinen. Das gleiche gelte für die Preise für Test- und Diagnosegeräte und die Jahresgebühr für den Zugang zu technischen Dokumentationen. Dass die Preise für den zum Werkstattbetrieb geeigneten Laptop samt Diagnosesoftware und Wartung missbräuchlich hoch seien, habe die Antragstellerin nicht darlegen können. Die Einführung der Schulungspauschale, soweit sie die tatsächlichen Schulungen abdecke, sei unbedenklich; es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie überhöht sei.
[74] Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin aus sämtlichen Rekursgründen mit dem Antrag, die Entscheidung wegen Nichtigkeit aufzuheben, hilfsweise sie im Sinne einer gänzlichen Antragsabweisung abzuändern, hilfsweise sie aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
[75] Die Antragstellerin und der Bundeskartellanwalt beantragen in ihren Rekursbeantwortungen jeweils, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[76] Vorauszuschicken ist, dass die vom Erstgericht mit ausführlicher Begründung bejahte Zwischenstaatlichkeit (mit der Folge einer parallelen Anwendung von europäischem und österreichischem Kartellrecht) im Rechtsmittel nicht in Frage gestellt wird.
[77] I. Als Nichtigkeitsgründe geltend gemachte Umstände und Mangelhaftigkeit :
[78] Da das Rechtsmittelsystem des AußStrG als Ausfluss des Bestrebens, die Nichtigkeitsgründe zurückzudrängen und durch ein flexibles, die Sacherledigung erweiterndes Regime zu ersetzen (vgl Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG² § 57 Rz 1), den Begriff der Nichtigkeit vermeidet ( Rassi in Schneider/Verweijen , AußStrG § 66 Rz 1) und sich die Argumentation der Rekurswerberin unter beiden geltend gemachten Rekursgründen ohnehin zum Teil wiederholt, werden im Folgenden beide Rechtsmittelgründe gemeinsam behandelt.
[79] I.1. Sorgfältige Prüfung des Vorbringens nach Art 6 EMRK
[80] I.1.1. Die Rekurswerberin behauptet einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör einerseits mit dem Argument, der erstinstanzliche Beschluss habe sich mit wesentlichen Teilen ihres Vorbringens nicht auseinandergesetzt, und andererseits mit der Behauptung, ihre Vertriebsgesellschaft hätte dem Verfahren beigezogen werden müssen, weil sich ein Spruchpunkt auf sie beziehe.
[81] I.1.2. Das rechtliche Gehör iSd Art 6 Abs 1 EMRK bedeutet im Licht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Wesentlichen, dass den Parteien in einem annähernd gleichen Ausmaß und unter gleichen Bedingungen Gelegenheit geboten werden muss, ihre Rechts- und Sachargumente vorzutragen, Beweise dazu anzubieten und zum Vorbringen des Gegners Stellung zu nehmen. Dabei besteht für die detaillierte Ausgestaltung der Prinzipien der Fairness und der Waffengleichheit im Bereich des Zivilverfahrens ein gewisser Ermessensspielraum der einzelnen Staaten (Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 15 Rz 4; vgl RS0119970).
[82] Weiters umfasst dieser Grundsatz nicht nur ein Kenntnisnahmerecht, sondern auch ein Stellungnahmerecht (1 Ob 124/07b; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 15 Rz 9), aber kein Recht darauf, dass sich das Gericht mit jedem einzelnen einer Partei erheblich erscheinenden Detail ihrer Argumentation auseinandersetzt.
[83] I.1.3. Soweit die Rekurswerberin mit der behaupteten mangelhaften Auseinandersetzung mit ihren Argumenten einen Begründungsmangel geltend machen möchte, ist sie auf die Begründung in Pkt I.2.4. zu verweisen.
[84] I.2. Rechtliches Gehör der Vertriebsgesellschaft
[85] I.2.1. Träger des rechtlichen Gehörs sind die Parteien, und zwar neben Antragsteller(n) und Antragsgegner(n) auch Legalparteien und überdies nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde (materieller Parteibegriff; vgl Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 15 Rz 6). Diese Bestimmung ist eng auszulegen (RS0123029). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Formulierung die materielle Parteistellung möglichst „eng und scharf“ fassen. Die Parteistellung wird darüber hinaus noch durch Verwendung des Worts „soweit“ eingeschränkt: Aus dem Umfang der potenziellen unmittelbaren Betroffenheit der rechtlich geschützten Stellung ergibt sich der Rahmen für die (materielle) Parteistellung (RS0123029 [T5] = 16 Ok 2/20k).
[86] I.2.2. Die rechtlich geschützte Stellung einer Person wird dann unmittelbar beeinflusst, wenn die in Aussicht genommene Entscheidung oder gerichtliche Tätigkeit Rechte oder Pflichten dieser Person ändert, ohne dass noch eine andere Entscheidung gefällt werden muss. Die Rechtsstellung ist daher unmittelbar vom Ausgang des Verfahrens abhängig. Der mögliche Eingriff muss zu einer unmittelbaren Beeinflussung der rechtlichen Stellung führen, eine bloße Reflex- oder Tatbestandswirkung reicht nicht aus. Eine rechtlich geschützte Stellung fehlt, wenn die gerichtliche Maßnahme (nur) wirtschaftliche oder ideelle Betroffenheit herbeiführt. Auch das bloße rechtliche Interesse an einem bestimmten Verfahrensausgang (ohne dass eine Bindungswirkung der Entscheidung bestünde) bewirkt keine rechtlich geschützte Stellung (16 Ok 2/20k mwN).
[87] I.2.3. Der vom Erstgericht gefasste Beschluss greift unmittelbar nur in die rechtliche Stellung der Rekurswerberin ein, führt aber nicht zu einer unmittelbaren Verpflichtung der Vertriebsgesellschaft. Dass diese in der Entscheidung erwähnt und durch sie allenfalls indirekt (wirtschaftlich) betroffen ist, begründet keine Parteistellung. Mangels solcher kommt ihr kein rechtliches Gehör zu, und dieses kann daher auch nicht verletzt sein.
[88] I.2.4. Soweit die Antragsgegnerin ausführt, dass ihre Stellungnahmen vom Gericht nicht nur „gehört“, sondern auch in seiner Entscheidung berücksichtigt werden müssen, übersieht sie, dass mit „berücksichtigt werden“ nicht gemeint ist, dass das Gericht in seiner Entscheidungsbegründung jeden Satz des Vorbringens kommentieren muss. Vielmehr muss es das Vorbringen seiner Entscheidung bloß zu Grunde legen (vgl Rechberger, Außerstreitgesetz² § 15 Rz 3), dieses also bei seiner Entscheidung beachten. Der EGMR hat zudem wiederholt ausgesprochen, dass die sich aus Art 6 EMRK ergebende Pflicht zur Begründung von Gerichtsentscheidungen nicht so weit verstanden werden kann, dass das Gericht auf jedes einzelne Argument einer Partei eine detaillierte Antwort geben müsste (Nachweise in 6 Ob 17/17v). Auch in der nationalen Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich das Gericht nicht mit jedem einzelnen Beweisergebnis und jedem Argument des Rechtsmittelwerbers auseinandersetzen muss (RS0043162; RS0040165; RS0040180). Eine unvollständige mangelhafte oder sogar fehlerhafte Beweiswürdigung bildet keine Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 9 ZPO bzw § 57 Z 1 AußStrG, sondern kann nur mit dem Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung angefochten werden (RS0106079). Auch das Fehlen einer rechtlichen Begründung zu einzelnen Fragen begründet keine Nichtigkeit (RS0042203; 16 Ok 11/16b).
[89] I.3. Überschreiten Feststellungen und Spruch das Vorbringen?
[90] Die Rekurswerberin meint, dass die Antragstellerin ihr nicht vorgeworfen habe, das Jahresziel missbräuchlich zu hoch anzusetzen, sondern dies nur für die Monatsziele behauptet zu haben, sowie, dass auch die zweimonatige Aktionsdauer nicht zum Missbrauchsvorwurf gemacht worden sei. Ebenso wenig sei ihr die Dauer der Aktionen als zu kurz vorgeworfen worden.
[91] Wie die Rekurswerberin selbst zugesteht, wurden ihr jedenfalls die überhöhten Monatsziele zum Vorwurf gemacht. Angesichts der Tatsache, dass sie selbst diese aus dem jeweiligen Jahresziel rechnerisch ableitet und Vorbringen über spezifisch schwankende Absätze nicht erstattet wurde, liegt auf der Hand, dass somit (aufsummiert) auch das zugrundeliegende Jahresziel überhöht sein muss. Ein Eingriff in Verteidigungsrechte ist daher in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen.
[92] Richtig ist, dass die Antragstellerin der Rekurswerberin die Dauer der Aktionen nicht per se zum Vorwurf gemacht hat. Sie hat allerdings Vorbringen zur Unmöglichkeit, den Verdienst am Verkauf eines Fahrzeugs im Voraus zu kalkulieren und eine eigenständige Angebotsgestaltung für die Kunden zu wählen, erstattet. Wenn das Erstgericht in diesem Zusammenhang auch die Dauer der Aktionen als Aspekt der erschwerten Planbarkeit von Angeboten anführt (vgl Beschluss S 40), ist dies daher vom Antragsvorbringen umfasst.
[93] I.4. Schutz von Geschäftsgeheimnissen bzw unterlassener Ausschluss der Öffentlichkeit:
[94] I.4.1. Die Rekurswerberin macht geltend, dass durch den unterlassenen Ausschluss der Öffentlichkeit entgegen § 47 Abs 1 KartG und § 19 AußStrG auch ein Verstoß gegen Art 8 EMRK bewirkt worden sei. Durch die ungerechtfertigte Zulassung der Öffentlichkeit sei die Antragsgegnerin in ihrem Recht, sich zu verteidigen, verletzt worden. Sie habe bestimmte Zeugen nicht näher befragt und diese auch nicht mit Urkunden konfrontiert, weil sie fürchten habe müssen, dadurch weitere Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren.
[95] I.4.2. Das Kartellgericht und das Kartellobergericht entscheiden gemäß § 38 KartG in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz im Verfahren außer Streitsachen. Gemäß § 19 AußStrG ist das Verfahren grundsätzlich öffentlich. Nach § 47 Abs 1 KartG ist die Öffentlichkeit jedoch auszuschließen, soweit dies zur Wahrung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen notwendig ist. Nach § 19 Abs 3 AußStrG ist die Öffentlichkeit auf Antrag einer Partei aus berücksichtigungswürdigen Gründen auszuschließen.
[96] I.4.3. Anders als nach § 477 Abs 1 Z 7 ZPO führt der ungerechtfertigte Ausschluss der Öffentlichkeit im Außerstreitverfahren nicht zur Nichtigkeit des Verfahrens, sondern ist bloß ein potentieller Verfahrensmangel. Der Mangel nach § 57 Z 2 AußStrG ist daher nicht von Amts wegen wahrzunehmen und erfordert vom Rekurswerber die Darstellung seiner Wesentlichkeit (16 Ok 4/15x; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 57 Rz 1, 5 und 20; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 19 Rz 58 f). Dabei muss dargetan werden, dass und wie sich dieser Verfahrensfehler nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers nachteilig auf die Ermittlung der Sachverhaltsgrundlage und folglich die Entscheidung ausgewirkt hat (Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 19 Rz 60). Ein Verfahrensmangel kann nur dann zur Aufhebung der Entscheidung führen, wenn er wesentlich für die Entscheidung war und sich auf diese auswirken konnte, wobei die Relevanz vom Rechtsmittelwerber darzutun ist (vgl 16 Ok 4/15x; RS0116273).
[97] I.4.4. Die Rekurswerberin behauptet hier bloß, bestimmte Zeugen nicht näher befragt und mit Urkunden konfrontiert zu haben, weil sie fürchtete, dadurch weitere Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren. Sie legt jedoch nicht dar, welche Auswirkungen ihre Fragen und Urkunden auf die Ermittlung der Sachverhaltsgrundlage und folglich die Entscheidung konkret gehabt hätten. Sie hat daher die Relevanz des Verfahrensmangels nicht ausreichend dargelegt, sodass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem behaupteten Verstoß gegen die Zulassung der Öffentlichkeit unterbleiben kann.
[98] I.5. Verletzung einer Konsultationspflicht?
[99] I.5.1. Richtig ist, dass nach Art 11 Verordnung (EG) Nr 1/2003 die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten die Kommission spätestens 30 Tage vor Erlass einer Entscheidung unterrichten, mit der die Abstellung einer Zuwiderhandlung angeordnet wird, Verpflichtungszusagen angenommen werden oder der Rechtsvorteil einer Gruppenfreistellungsverordnung entzogen wird.
[100] Die Rekurswerberin verabsäumt jedoch, die Relevanz eines allfälligen diesbezüglich anzunehmenden Verfahrensmangels darzutun, insbesondere, wie sich die Beiziehung der europäischen Kommission nach Art 11 Abs 4 VO 1/2003 auf die Ermittlung der Sachverhaltsgrundlage und folglich die Entscheidung ausgewirkt hätte.
[101] I. 6 . Unbestimmtheit des Antrags und Verletzung des Antragsprinzips?
[102] I.6.1. Das Kartellgesetz enthält keine Bestimmungen über allgemeine Inhaltserfordernisse von Anträgen. Es ist daher auf § 9 AußStrG zurückzugreifen, wonach der Antrag kein bestimmtes Begehren enthalten muss, sondern es ausreicht, wenn dieser hinreichend erkennen lässt, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit angestrebt und aus welchem Sachverhalt dies abgeleitet wird (16 Ok 8/08; 16 Ok 13/08). Auch wenn das Außerstreitgesetz an die Bestimmtheit und den notwendigen Inhalt geringere Anforderungen stellt als die ZPO, ist immer ein Sachverhaltsvorbringen, aus dem sich die begehrte Entscheidung ableiten lässt (somit Schlüssigkeit des Vorbringens) erforderlich. Dazu müssen Behauptungen zu den Elementen des geltend gemachten Tatbestands aufgestellt werden (16 Ok 8/08; vgl RS0123676).
[103] Inwiefern der vorliegende Antrag diesen Kriterien nicht entsprechen soll, legt die Rekurswerberin – über die bloße Behauptung hinaus – nicht dar; dies ist auch nicht ersichtlich.
[104] I.6.2. Die Rekurswerberin moniert weiters eine Verletzung des § 405 ZPO, weil der Vertreter der Antragstellerin in einer mündlichen Verhandlung (ON 40) befragt, ob die Verstöße nach Pkt 1 des Antrags noch aufrecht seien, geantwortet habe, dass „dies lediglich teilweise der Fall" sei. Damit habe er den Antrag eingeschränkt. Trotzdem habe das Erstgericht keinen einzigen Punkt mit der Begründung mangelnden Fortbestehens der Verhaltensweise abgewiesen. Damit liege ein klarer Verstoß gegen § 405 ZPO vor. Überdies mache dieses Vorbringen, den Antrag unbestimmt und unschlüssig.
[105] I.6.3. Nach § 36 Abs 4 AußStrG werden in einem Verfahren, das nur auf Antrag eingeleitet werden kann – als Ausfluss des Dispositionsgrundsatzes – die Grenzen der Entscheidungsbefugnis durch den Verfahrensgegenstand abgesteckt, somit nicht nur aus dem Inhalt des Sachantrags, sondern auch durch das diesen begründende Tatsachenvorbringen (RS0124048). Dem Gericht ist es verwehrt, mehr oder etwas anderes zuzusprechen als der Antragsteller begehrt hat. Die Überschreitung des Antrags begründet einen Verfahrensmangel (Thunhart in Schneider/Verweijen, AußStrG § 36 Rz 24), wobei der Gestaltungsspielraum des Gerichts sich im Ausmaß des gelockerten Bestimmtheitsprinzips nach § 9 Abs 1 AußStrG vergrößert (vgl Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 36 Rz 18).
[106] I.6.4. Auch nach § 9 AußStrG muss aber immer erkennbar sein, welche gerichtliche Entscheidung oder Tätigkeit angestrebt wird. Unabhängig davon, ob man eine Antragseinschränkung daher den Regelungen über die Zurücknahme des Antrags in § 11 AußStrG unterwirft (vgl ausführlich Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 11 Rz 74; Solé/Kodek/Völkl-Torggler, Das Verfahren vor dem Kartellgericht Rz 126) oder nicht (vgl Fucik/Kloiber, AußStrG § 11 Rz 10), muss sie immer so erfolgen, dass die Einschränkung bzw die weiter angestrebte Entscheidung des Gerichts erkennbar bleibt.
[107] Gemessen an diesen Kriterien, handelt es sich bei der zitierten Äußerung des Antragstellervertreters um keine Einschränkung des Abstellungsbegehrens, und der Antrag wurde damit auch nicht unbestimmt.
[108] I. 7 . Mangelnde Erörterung und Überraschungsentscheidung?
[109] I.7.1. Die Rekurswerberin macht geltend, dass nach § 182a ZPO in Bezug auf ihre marktbeherrschende Stellung, die Aktionsdauer, die Spannenreduktion und die Garantiearbeiten vom Erstgericht Erörterungen gepflogen hätten werden müssen.
[110] I.7.2. Im Rahmen das § 182a ZPO hat das Prozessgericht, wenn eine Partei rechtliche Gesichtspunkte, die von der Gegenseite bereits ins Spiel gebracht wurden, erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, im Rahmen der Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens darauf hinzuweisen; erkannte das Prozessgericht den Irrtum der Parteien nicht, war er aber erkennbar (was nach der Aktenlage überprüfbar ist), liegt ein Verfahrensmangel vor (5 Ob 35/08w; RS0120056). Auch in diesem Zusammenhang hat der Rechtsmittelwerber allerdings jenes Vorbringen anzuführen, das er – über die Rechtsansicht des Berufungsgerichts informiert – erstattet hätte (1 Ob 160/07x; RS0120056 [T7]).
[111] I.7.3. Auch im hier gemäß § 38 KartG 2005 anzuwendenden Verfahren außer Streitsachen kommen die Anleitungs- und Belehrungspflichten nach der ZPO zur Anwendung (§ 14 AußStrG). Zwar muss das Gericht, bevor es ein unbestimmtes, unschlüssiges oder widerspruchsvolles Begehren abweist, eine Verbesserung anregen (RS0117576; RS0037516 [T2]), es ist aber nicht allgemein verpflichtet, die rechtliche Unzulässigkeit eines Klagebegehrens mit den Parteien zu erörtern und eine Klageänderung anzuregen (RS0037112). Auch geht die Anleitungspflicht nach § 182 ZPO nicht so weit, dass der Richter auf die Partei beratend einzuwirken hätte. Eine solche Anleitung löste die Besorgnis der Befangenheit aus und wäre als parteilich zu werten (16 Ok 8/08; RS0108818 [T2]).
[112] Gemäß § 14 AußStrG iVm § 182a ZPO ist die Rechtslage mit den Parteien zu erörtern; Überraschungsentscheidungen sind verboten. § 182a ZPO hat aber nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufgezeigt hat (8 Ob 135/06w = RS0122365; 16 Ok 7/07; 16 Ok 8/08).
[113] Auch beim Vorwurf der „Überraschungsentscheidung“ muss der Rechtsmittelwerber darüber hinaus dartun, dass der Verfahrensmangel erheblich ist, sich also auf das Ergebnis des Verfahrens auswirkten. Er hat daher jenes Vorbringen anzuführen, das er – über die relevante Rechtsansicht informiert – erstattet hätte (8 Ob 168/08a; RS0120056 [T7, T8]).
[114] Die Unterlassung der Erörterung eines bisher unbeachtet gebliebenen rechtlichen Gesichtspunkts ist nur dann ein Verfahrensmangel, wenn dadurch einer Partei die Möglichkeit genommen wurde, zur bisher unbeachtet gebliebenen Rechtslage entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten. Werden hingegen – wie hier – nur dieselben Tatsachen, die schon der bisher erörterten Rechtslage zugrunde lagen, rechtlich anders gewertet, kann die Verletzung des § 182a ZPO keine Rechtsfolgen haben (RS0120056 [T13 und T14]).
[115] I.7.4. Diesen Anforderungen wird das Rekursvorbringen nicht gerecht. Weder wird konkret angeführt, welche rechtlichen Aspekte die Rekurswerberin erkennbar übersehen hätte, noch welches dann erstattete spezifische Vorbringen welche Änderungen der Entscheidung herbeigeführt hätte.
[116] I. 8. Kein Fortdauern des Missbrauchs?
[117] I.8.1. Soweit die Rekurswerberin behauptet, nur die „Kommerzielle Politik" des Jahres 2018 sei Gegenstand des Verfahrens gewesen, entscheidungsrelevant sei aber auch, wie sie sich im Entscheidungszeitpunkt darstelle, entfernt sie sich vom Vorbringen der Antragsgegnerin und den diesbezüglichen Feststellungen.
[118] I.8.2. Die der Entscheidung 16 Ok 8/08 entnommene Ansicht, der Antragsgegner habe im kartellgerichtlichen Verfahren nicht nachzuweisen, dass er sein Verhalten eingestellt habe, basiert auf der dortigen spezifischen verfahrensrechtlichen Konstellation, wo in einem Verfahren unter anderem wegen behaupteten anhaltenden verbotswidrigen Verhaltens kein konkreter, schlüssiger Sachverhalt, aus dem sich das aktuelle Befolgen verbotswidriger Absprachen oder verbotswidrigen abgestimmten Verhaltens ableiten hätte lassen, vorgetragen wurde. Der Senat führte dazu aus, dass in außerstreitigen kontradiktorischen Verfahren, in denen sich die Parteien in gegenläufigen Rollen gegenüber stehen, ganz allgemein die Behauptungs- und Beweislastregeln, die das streitige Verfahren beherrschen, heranzuziehen seien, was im europäischen Wettbewerbsrecht auch Art 2 VO 1/2003 entspreche, sodass für die angestrebte Beweislastumkehr dahin, dass die Antragsgegner nachzuweisen hätten, ein früheres verbotswidriges Zuwiderhandeln eingestellt zu haben, keine gesetzliche Grundlage bestehe.
[119] I.8.3. Hier hat aber die Antragstellerin den erstgerichtlichen Feststellungen zufolge ein bestimmtes Verhalten der Rekurswerberin in Bezug auf das Vergütungssystem nachgewiesen (für 2018 auch von der Rekurswerberin unbestritten, in ähnlicher Form laut Beil ./K auch 2017 praktiziert, wohingegen für 2020 ausdrücklich keine Feststellungen – und daher auch keine über eine Änderung oder Abstellung des Verhaltens – getroffen werden konnten), ohne dass für eine Einstellung dieses Verhaltens Anhaltspunkte vorlägen.
[120] Es kommen daher die allgemeinen Behauptungs- und Beweislastregeln des kontradiktorischen Verfahrens, wonach jede Partei die Beweislast für das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm trägt (RS0124141), zur Anwendung. Danach hätte die Antragsgegnerin und Rekurswerberin zu behaupten und nachzuweisen gehabt, dass sie dieses Verhalten mittlerweile eingestellt hat. Kann dagegen eine ausreichende Änderung des nachgewiesenen Verhaltens der Antragsgegnerin nicht festgestellt werden, ist ein Abstellungsauftrag zu erteilen (16 Ok 1/03).
[121] I.9. Unbestimmtheit des Spruchs?
[122] I.9.1. Die Rekurswerberin hält die erstgerichtlichen Spruchpunkte A/b, A/d und B/g für unbestimmt. In Zusammenhang mit dem georteten Zwang zur Teilnahme an Aktionen sei nicht ersichtlich, welche Änderungen konkret aufgetragen würden. Bei der Spannenreduktion durch bewusst überhöhte Verkaufsziele sei weder klar, was das Erstgericht unter Spannenreduktion verstehe, noch ergebe sich, welche vom Erstgericht angenommene Reduktion als missbräuchlich gewertet worden sei bzw für welche das nicht gelte. Auch in Spruchpunkt B/g sei der verwendete Begriff der wirtschaftlichen Unrentabilität unbestimmt und gehe durch die Verwendung des Worts „insbesondere" nicht hervor, ob richtigerweise nur das Kontrollsystem bei Garantieprüfungen als missbräuchlich anzusehen sei.
[123] Damit macht sie im Ergebnis eine unrichtige rechtliche Beurteilung und keine Mangelhaftigkeit geltend. Es wird daher dazu in der rechtlichen Beurteilung Stellung zu nehmen sein.
[124] I.10. Fehlende Anordnung einer Leistungsfrist?
[125] Soweit die Rekurswerberin darin einen Verfahrensmangel nach den Bestimmungen der ZPO sieht, ist ihr entgegenzuhalten, dass das AußStrG eine eigene Regelung enthält, die nur auf § 409 Abs 3 ZPO in Bezug auf die Fristberechnung verweist.
[126] Nach § 37 Abs 2 AußStrG hat das Gericht – soweit erforderlich – zur Erfüllung seiner Aufträge eine angemessene Frist oder einen angemessenen Termin zu bestimmen. Ist keine Leistungsfrist angeordnet, ist die Leistung sofort mit der Entscheidung – also ihrer Rechtskraft – zu erbringen ( Solé/Kodek/Völkl-Torggler , Das Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 276; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² § 37, Rz 8).
[127] In der Unterlassung der Anordnung einer Leistungsfrist liegt daher keine Mangelhaftigkeit, weil diesfalls sofort die Vollstreckbarkeit eintritt.
[128] Im Übrigen wird dazu noch bei Behandlung der Rechtsrüge Stellung zu nehmen sein.
[129] II. Aktenwidrigkeit:
[130] II.1. Eine Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, das heißt wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks in einem wesentlichen Punkt (RS0043324 [T2]) unrichtig wiedergegeben wird, was dazu führt, dass ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (vgl RS0043347; RS0007258). Die Aktenwidrigkeit muss für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung, also geeignet sein, die Entscheidungsgrundlage zu verändern (RS0043347 [T9]).
[131] II.2. Steht die Feststellung dagegen nur mit einem der aufgenommenen Beweismittel im Widerspruch, liegt eine Aktenwidrigkeit ebenso wenig vor (RS0043289) wie dann, wenn das aufgrund der Beweisaufnahme gewonnene Sachverhaltsbild bloß vom Parteienvorbringen abweicht (RS0043347). Keine Aktenwidrigkeit ist auch dann gegeben, wenn das Gericht aufgrund richtig dargestellter Beweisergebnisse zu Feststellungen oder rechtlichen Schlussfolgerungen in einer bestimmten Richtung gelangt (RS0043324), oder bei einem Widerspruch zwischen einer Tatsachenfeststellung und irgendeinem vorhandenen Beweismittel (RS0043324 [T4]) bzw dann, wenn im Rahmen richterlicher Beweiswürdigung einem Beweismittel größere Beweiskraft zuerkannt wird als einem anderen (8 Ob 183/81; RS0043324 [T5]). Auch Schlussfolgerungen aus einem Urkundeninhalt begründen keine Aktenwidrigkeit (5 Ob 221/13f; 7 Ob 41/14a; RS0043347 [T20 und T21]).
[132] II.3. Eine Aktenwidrigkeit in diesem Sinn zeigt die Rüge der Rekurswerberin nicht auf:
[133] II.3.1. Dass das wiedergegebene Vergütungs-system einer Beilage entnommen wurde, die sich auf 2018 bezieht, ohne dass diese Jahreszahl erwähnt wurde, ist nach dem zuvor Gesagten schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit, weil der wiedergegebene Inhalt der Urkunde unbestritten richtig angeführt wurde. Dass auch mehr Inhalt hätte wiedergegeben werden können, macht die tatsächliche Wiedergabe nicht aktenwidrig. Gleiches gilt für den zeitlichen Bezugspunkt der vom Erstgericht gegebenen Beispiele für die Berechnung der Verkaufsziele im Rahmen des Vergütungssystems.
[134] II.3.2. Dass die Aktionen jeweils zwei Monate gültig sind, mag einer bestimmten Aussage widersprechen, der das Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung insofern nicht gefolgt ist, daraus resultiert aber keine Aktenwidrigkeit (RS0043324 [T4]).
[135] II.3.3. Soweit die Rekurswerberin ausführt, dass ihrer Ansicht nach für eine Feststellung die Beweisgrundlage fehlt, wird keine Aktenwidrigkeit aufgezeigt, weil sich diese Ausführungen auf eine in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts gegebene Begründung beziehen.
[136] III. Unrichtige Tatsachenfeststellungen:
[137] III .1. Be rücksichtigung von Vorbringen:
[138] Soweit die Antragsgegnerin wiederholend ausführt, dass die Stellungnahme vom Gericht nicht nur „gehört“, sondern in seiner Entscheidung auch berücksichtigt werden muss, ist sie auf das zu Pkt I.2.4. Gesagte zu verweisen.
[139] III.2. Keine erheblichen Bedenken gegen die Tatsachenfeststellungen:
[140] III.2.1. Der Senat hat sich in der Entscheidung 16 Ok 1/18k ausführlich mit dem Rekursgrund des § 49 Abs 3 KartG auseinandergesetzt und dort ausgeführt, dass sich nach dieser Bestimmung der Rekurs nunmehr auch darauf gründen kann, dass sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der der Entscheidung des Kartellgerichts zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben. Nach den Gesetzesmaterialien soll damit der in den Beiratsstudien wiederholt geäußerte Wunsch nach einer zweiten Tatsacheninstanz durch eine an § 281 Abs 1 Z 5a StPO angelehnte Regelung umgesetzt werden. Der Senat hat deshalb die zur StPO ergangene Rechtsprechung auch auf die Auslegung des § 49 Abs 3 KartG übertragen. Das Rechtsmittel hat dazu mit voller Bestimmtheit klar zu machen, weshalb ein deutlich und bestimmt, bei umfangreichen Akten zudem unter genauer Angabe der Fundstelle bezeichnetes Beweismittel die Feststellung einer gleichermaßen deutlich und bestimmt zu bezeichnenden entscheidenden Tatsache im geforderten Ausmaß bedenklich erscheinen lasse. Keine erheblichen Bedenken werden geltend gemacht, wenn aktenkundige Beweisergebnisse nicht gegen die Feststellung einer entscheidenden Tatsache, sondern isoliert gegen den persönlichen Eindruck der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Beweisperson ins Treffen geführt werden. Die Kriterien erfordern das Aufzeigen aktenkundiger Beweisergebnisse, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, somit intersubjektiv – gemessen an Erfahrung und Vernunftsätzen – eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Der Versuch, unter eigenständiger Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Verfahrensresultaten die Erwägungen der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, bringt dagegen den Rechtsmittelgrund nicht zur Darstellung.
[141] III.2.2. Erhebliche Bedenken im Lichte dieser Rechtsprechung zeigt die Rekurswerberin hier nicht auf. Sie erhebt – soweit sie sich überhaupt gegen die Feststellungen und nicht wertende Erörterungen in der rechtlichen Beurteilung wendet – eine „klassische“ Beweisrüge, indem sie großteils auf andere Beweismittel verweist, die ihrer Ansicht nach zu den gewünschten Tatsachenfeststellungen hätten führen können. Diese Ausführungen sind nicht einmal geeignet, überhaupt Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts aufzuzeigen, umso weniger, erhebliche Bedenken im zuvor dargestellten Sinne zu begründen.
[142] Soweit im Rechtsmittel darauf verwiesen wird, dass das im erstinstanzlichen Beschluss dargestellte Vergütungssystem nur für 2018 gegolten habe und nichts über den aktuellen Stand aussage, ist sie auf die Beil ./T und ./K 7 zu verweisen, die eine in Bezug auf die Teilung in Leistungs- und Qualitätsprämie ähnliche „Kommerzielle Politik“ für 2017 und 2020 belegen bzw in Aussicht stellen, sodass auch in diesem Punkt keine erheblichen Bedenken gegen die Feststellungen entstehen. Auch dass sich ein vom Erstgericht gewähltes Beispiel auf ein bestimmtes Jahr (2018) bezieht und nicht auf den Entscheidungszeitpunkt, erweckt keine erheblichen Bedenken. Wenn die Rekurswerberin das Wort „Spannenreduktion" anders verwendet als das Erstgericht, ist nicht nachvollziehbar, warum dies erhebliche Bedenken erwecken soll, geht doch aus den Feststellungen des Erstgerichts klar hervor, was es mit diesem Begriff meint. Die Behauptung der Rekurswerberin, dass es zur festgestellten Kostenunterdeckung bei den Garantiearbeiten keine Beweisergebnisse gäbe, ist unrichtig, wie sich aus der Beweiswürdigung des Erstgerichts (Beschluss S 70) ergibt.
[143] Der Senat legt seiner rechtlichen Beurteilung daher die vom Kartellgericht getroffenen Feststellungen zugrunde.
[144] IV. Unrichtige rechtliche Beurteilung:
[145] IV. 1 . M arktbeherrschende Stellung bzw relative Marktmacht:
[146] IV.1.1. Die Antragsgegnerin macht geltend, dass – entgegen den Ausführungen des Erstgerichts – eine exakte Abgrenzung des sachlich relevanten Markts vorzunehmen gewesen wäre, auch wenn auf das Verhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin § 4 Abs 3 KartG anzuwenden sei.
[147] IV.1.2. Nach der Rechtsprechung liegt die Aufgabe der Marktabgrenzung bei der Beurteilung kartellrechtlicher Sachverhalte darin, Wettbewerbs-beziehungen zu identifizieren. Mit der Abgrenzung eines Markts in sowohl seiner sachlichen als auch seiner räumlichen Dimension soll ermittelt werden, welche konkurrierenden Unternehmen tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und sie daran zu hindern, sich einem wirksamen Wettbewerbsdruck zu entziehen (RS0129158).
[148] Der relevante Markt ist allgemein nach örtlichen, zeitlichen und sachlichen Kriterien zu bestimmen. Die sachliche Abgrenzung ist allgemein nach dem in § 23 KartG normierten Bedarfsmarktkonzept durchzuführen. Wesentlich ist eine hinreichende Austausch- bzw Substituierbarkeit (RS0063539; RS0124671; vgl auch RS0116046 [T2, T3]).
[149] In räumlicher Hinsicht umfasst der relevante Markt das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet (RS0123677; RS0116046 [T2]).
[150] IV.1.3. Nach § 4 Abs 1 Z 2 KartG ist ein Unternehmen dann marktbeherrschend, wenn es im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat, wobei insbesondere die Finanzkraft, die Beziehungen zu anderen Unternehmen, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie die Umstände zu berücksichtigen sind, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken.
[151] Für die Marktbeherrschung ist daher der Umfang der wirtschaftlichen Macht des betroffenen Unternehmens auf dem relevanten sachlichen und räumlichen Markt zu ermitteln (RS0112172), wofür verschiedene Faktoren (Marktstruktur, Charakteristika des Unternehmens) maßgebend sind; von besonderer Bedeutung ist die Größe des Marktanteils (RS0110206; RS0119451).
[152] IV.1.4. Nach § 4 Abs 3 KartG gilt auch ein solcher Unternehmer als marktbeherrschend, der eine im Verhältnis zu seinen Abnehmern (oder Lieferanten) überragende Marktstellung hat.
[153] Dieser Beherrschungstatbestand stellt auf eine außergewöhnliche Gewichtsverteilung bei Geschäftsbe-ziehungen im Vertikalverhältnis ab. Die Frage, ob eine beherrschende Stellung vorliegt, wird nicht durch einen Vergleich mit Wettbewerbern, sondern durch die Analyse der Geschäftsbeziehung mit bestimmten Unternehmern der Marktgegenseite beantwortet (Gugerbauer, KartG und WettbG³ § 4 Rz 65). In dieser Bestimmung wird eine relative Marktbeherrschung festgelegt, die auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen abstellt. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn die Abnehmer zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind. Das kann etwa dadurch begründet sein, dass ein Handelsunternehmer von der Belieferung mit einem bestimmten Warensortiment abhängig ist (16 Ok 5/02). Entscheidend ist, ob Ausweichmöglichkeiten in Form alternativer Absatz- oder Bezugsmöglichkeiten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen bestehen (16 Ok 12/13; RS0129513; Reidlinger/Hartung, Das Österreichische Kartellrecht, 124). Fehlt es an dieser Voraussetzung, besteht – unabhängig von einer allfälligen allgemeinen Marktmacht des Unternehmers – relative Marktmacht iSd § 4 Abs 3 KartG (vgl zu § 34 Abs 2 KartG 1988: 16 Ok 20/04; Hoffer/Barbist, Kartellgesetz, 98 f).
[154] Nach der Entscheidung Okt 3/93, ergangen zum Alleinimport von Fahrzeugen einer bestimmten Marke für ganz Österreich, ist die örtliche Marktabgrenzung in einem solchen Fall nicht zweifelhaft. Bei der sachlichen Abgrenzung ist immer die Sicht der Marktgegenseite, also konkret jene der Vertragshändler, maßgebend: Wenn sie ihren Bedarf nur beim Marken-Importeur decken können, weil ein Markenwechsel für sie mit schwerwiegenden betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist, bzw markenspezifische Werkzeuge und Kenntnisse nicht mehr oder nur noch beschränkt einsetzbar sind und der bis zu einem gewissen Grad an die Marke gebundene Kundenstock andernfalls neu aufgebaut werden muss, ist aus ihrer Sicht der relevante Markt auf die Fahrzeuge der betreffenden Marke eingeschränkt. Der Alleinvertriebsberechtigte ist dann auf diesem Markt keinem Wettbewerb ausgesetzt und beherrscht ihn.
[155] Auch in den auf eine Marktabgrenzung abstellenden Entscheidungen 4 Ob 187/02g und 4 Ob 119/09t ging der Oberste Gerichtshof davon aus, dass in Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts im Einzelfall zu prüfen ist, in welchem Umfang der Vertragshändler auch Fahrzeuge anderer Hersteller vertreibt und ob er zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen ist.
[156] IV.1.5. Überlegungen im Sinne dieser Grundsätze der Rechtsprechung hat das Erstgericht ohnehin angestellt: Es hat als entscheidend angesehen, ob der Abnehmer auf dem geografisch relevanten Produktmarkt alternative Absatz- oder Bezugsmöglichkeiten hat oder ob er auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen ist, und es hat letzteres angesichts des Umsatz-Anteils der P*****-Fahrzeuge bei der Antragstellerin sowohl im Neuwagen‑ als auch im Werkstättenbereich bejaht.
[157] Welche „genauen und konkreten Beweise" das Erstgericht dazu weiters hätte erheben müssen, gibt auch die Rekurswerberin – über die bloße Behauptung hinaus – nicht an.
[158] IV. 2 . Eigener Markt des Neuwagenverkaufs bzw der Vertragswerkstätten?
[159] IV.2.1. Das Erstgericht geht von einem einheitlichen Markt aus, weil die Marken-Händler nach dem festgestellten Sachverhalt über eine entsprechende Werkstätte zur Durchführung von Reparaturen und Garantie- sowie Gewährleistungsarbeiten verfügen müssen.
[160] IV.2.2. Dies bestreitet die Rekurswerberin auch unter Verweis auf einschlägige EU‑Verordnungen zum Kfz‑Vertrieb. Vielmehr sei die Vertragspartnerin lediglich verpflichtet, die Erbringung von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten sicherzustellen. Sie könnte dies auch dadurch erreichen, dass sie eine (dritte) P*****‑Vertragswerkstätte mit den Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten beauftrage.
[161] IV.2.3. § 4 Abs 3 KartG normiert – wie dargelegt – eine relative Marktbeherrschung, die auf das Erfordernis der Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen abstellt. Entscheidend ist, ob Ausweichmöglichkeiten vorhanden sind, also alternative Absatz- oder Bezugsmöglichkeiten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen bestehen (RS0129513). In der Entscheidung 16 Ok 12/13 betonte der Senat die Notwendigkeit eines „schwerwiegenden“ betriebswirtschaftlichen Nachteils im Vertikalverhältnis und verneinte dieses Kriterium dort angesichts eines Umsatzes von nur 10 % mit den betreffenden Produkten.
[162] Nach den Entscheidungen 4 Ob 187/02g und 4 Ob 214/97t liegen schwerwiegende betriebswirtschaftliche Nachteile nicht nur dann vor, wenn die Existenz des Unternehmers bedroht ist, sondern solche können auch schon dann gegeben sein, wenn es zu massiven Umsatzeinbußen oder zum Verlust eines erheblichen Teils der Kundschaft kommt. Dies kann etwa dadurch begründet sein, dass ein Handelsunternehmer von der Belieferung mit einem bestimmten Warensortiment (Markenartikel) abhängig ist. Es kommt auf die Ausweichmöglichkeiten, also darauf an, ob für die Abnehmer auf dem relevanten Markt alternative Bezugsmöglichkeiten bestehen.
[163] IV.2.4. Im Anlassfall handelt die Antragstellerin seit fast 30 Jahren mit Fahrzeugen der Marke P*****, repariert diese und wird bei ihren Kunden mit diesem Namen identifiziert. Ob sie daher im konkreten Fall tatsächlich die Werkstättendienste ohne weiteres auslagern könnte, oder ob sie auch ohne vertraglichen oder gesetzlichen Zwang faktisch ihrem Ruf entsprechend auch die Reparaturen selbst durchführen muss, kann letztlich dahingestellt bleiben. Auch wenn man von getrennten Märkten ausgehen wollte, ist die Antragstellerin nach den Feststellungen in beiden Bereichen zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung mit der Antragsgegnerin angewiesen, macht doch im Neuwagenbereich ihr Umsatz mit Fahrzeugen der betreffenden Marke rund 68 % des Gesamtumsatzes aus (bei etwa 2/3 Kundenanteil ohne Bereitschaft, die Fahrzeugmarke zu wechseln), im Werkstättenbereich beträgt der betroffene Umsatzanteil ca 60 %, sodass in beiden Bereichen der Verlust des Vertrags mit der Antragsgegnerin existenzbedrohend wäre.
[164] Die Ausführungen der Antragsgegnerin vermögen an dieser Beurteilung nichts zu ändern, insbesondere, wenn sie es – in Widerspruch zu ihrem Plädoyer für getrennte Märkte – für relevant erachtet, dass der Anteil der Umsätze mit P*****-Neuwagen 31 % des Gesamtumsatzes der Antragstellerin (also inklusive des Werkstättenumsatzes) ausmacht.
[165] IV.2.5. Das Erfordernis einer markenüber-greifenden Marktabgrenzung bei separater Betrachtung der Werkstättenleistungen ergibt sich – entgegen den Ausführungen der Rekurswerberin – auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hat zwar in der kartellrechtlichen Entscheidung KZR 6/09, MAN‑Vertragswerkstatt, eine markenübergreifende Abgrenzung des Markts vorgenommen, in KZR 41/14, Jaguar-Vertragswerkstatt, aber ausgesprochen, dass die dort für Nutzfahrzeuge getroffene Bewertung nicht ohne weiteres auf einen dem Markt für die Reparatur von Personenkraftfahrzeugen vorgelagerten Resourcenmarkt übertragen werden kann. Hinsichtlich der Tätigkeit von Vertragswerkstätten komme es danach für die Marktabgrenzung auf dem vorgelagerten Ressourcenmarkt darauf an, ob freie Werkstätten, die Arbeiten an Personenkraftwagen einer bestimmten Marke durchführen wollen, eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit hätten, diese Tätigkeit auch ohne den Status einer Vertragswerkstatt des jeweiligen Herstellers auszuüben. Sei dies nicht der Fall, so sei der Hersteller hinsichtlich des Zugangs zu Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für seine Marken marktbeherrschend und der vorgelagerte Ressourcenmarkt markenspezifisch abzugrenzen. Es liege nicht fern, dass zwischen Werkstattleistungen für Nutzfahrzeuge und solchen für (hochpreisige) Personenkraftwagen hinsichtlich der Ansprüche, Erwartungen und Gepflogenheiten der Fahrzeugeigentümer auf dem Endkundenmarkt Unterschiede bestünden. So könnten die privaten Eigentümer eines solchen Personenkraftwagens etwa gesteigerten Wert darauf legen, ihr Fahrzeug auch nach Ablauf der Garantiefrist von einer Vertragswerkstatt warten und instandhalten zu lassen, auch wenn sie dafür höhere Preise zahlen müssen als in einer freien Werkstatt. Bei Nutzfahrzeugen, die zum Teil in Flotten gehalten werden und bei denen der Kostenaspekt für gewerbsmäßige Eigentümer eine größere Rolle spiele, könne das anders sein.
[166] Auch im Anlassfall ist davon auszugehen, dass ein durchschnittlicher P*****-Kunde, der eine Werkstätte heranzieht, auch nach Ablauf der Garantiefrist eher Wert darauf legen wird, sein Auto von einer P*****‑Vertragswerkstatt instand halten zu lassen. Das Erstgericht ist daher zutreffend sowohl im Neuwagen- als auch im Werkstättenbereich vom Vorliegen einer Marktbeherrschung der Rekurswerberin gemäß § 4 Abs 3 KartG ausgegangen.
[167] IV.3. Konditionenmissbrauch
[168] Zu prüfen ist daher, ob die Antragsgegnerin ihre marktbeherrschende Stellung gegenüber der Antragstellerin durch das ihr vom Kartellgericht vorgeworfene Verhalten, das sich im Wesentlichen aus den Regelungen und Konditionen des Händler- und Werkstättenvertrags zwischen den Streitteilen ergibt, missbraucht.
[169] Ein Konditionenmissbrauch liegt dann vor, wenn die vom Marktbeherrscher erzwungenen Konditionen offensichtlich unbillig sind bzw zu den Kosten der Leistungserbringung in einem offensichtlichen Missverhältnis stehen. Regelmäßig ist eine Interessenabwägung im Einzelfall unerlässlich. Orientierung gibt dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er verbietet einem Marktbeherrscher nicht nur die Verfolgung eines grundsätzlich legitimen unternehmerischen Zwecks mit unlauteren Mitteln, sondern darüber hinaus auch alles, was den Vertragspartner in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit mehr als erforderlich einschränkt ( Fuchs in Immenga/Mestmäcker , Wettbewerbsrecht 6 [2019] Art 102 AEUV Rn 186).
[170] Art 102 Abs 2 lit a AEUV und der analogen innerstaatlichen Regelung des § 5 Abs 1 Z 1 KartG liegt ein objektiv zu verstehender Schutz des Wettbewerbs und ein (eigenständiger) Billigkeitsmaßstab zugrunde ( Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian , KartG², § 5 Rz 18 f mwN).
[171] Die Unangemessenheit oder Unbilligkeit einer Geschäftsbedingung nach diesen Normen bestimmt sich zunächst danach, ob der betreffenden Klausel ein im Hinblick auf das übrige Wettbewerbsgeschehen und das Ziel der Markteinheit legitimes, sowie darüber hinaus auch in Abwägung mit den Interessen des Vertragspartners und den Interessen Dritter anerkennenswertes Regelungsanliegen zugrunde liegt. Kann dies bejaht werden, ist in der Folge zu prüfen, ob die betreffende Regelung verhältnismäßig ist, ob es also für die Durchsetzung des gerechtfertigten Regelungsinteresses keine für den Vertragspartner weniger nachteilige vertragliche Regelung gab.
[172] Von einer übermäßigen und deshalb unangemessenen Bindung ist auszugehen, wenn diese einzig oder ganz überwiegend im einseitigen Interesse des marktbeherrschenden Unternehmens vereinbart wurde. Dieser Umstand ist nicht nur bei der Interessensabwägung zu berücksichtigen, sondern ist auch ein selbständiges Missbrauchselement, das die Anwendung von Art 102 AEUV auch dann rechtfertigt, wenn eine Ausbeutung nicht festgestellt werden kann (Übermaßverbot). Die wettbewerbliche Handlungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigende Vertragsbestimmungen sind außer vom Kartellverbot auch vom Missbrauchsverbot erfasst, wenn sie einseitig im Interesse des beherrschenden Unternehmens liegen, keine sachliche Rechtfertigung aufweisen und den Vertragspartner an der wirtschaftlichen Verwertung der erworbenen Ware oder Leistung hindern ( Eilmansberger/Kruis in Streinz , EUV/AEUV 3 [2018] Art 102 AEUV Rn 41).
[173] Der objektive Rechtfertigungstatbestand ist im Ergebnis nichts anderes als eine Form der „tatbestandsimmanenten Interessenabwägung“, in deren Rahmen innerhalb des Merkmals der „missbräuchlichen Auslegung“ nach legitimen wirtschaftlichen Gründen für die ansonsten missbräuchliche Verhaltensweise gefragt wird. Dies führt allerdings nur unter äußerst strengen Voraussetzungen zur Zulässigkeit des ansonsten missbräuchlichen Verhaltens ( Fuchs in Immenga/Mestmäcker , Wettbewerbsrecht 6 [2019] Art 102 AEUV Rn 152–154).
[174] Diese Grundsätze bedeuten für die als missbräuchlich beanstandeten Verhaltensweisen im Einzelnen:
[175] IV.3.1. Preissetzungsfreiheit, Zwang zur Teilnahme an Aktionen:
[176] IV.3.1.1. Die Antragsgegnerin führt unter Bezugnahme auf die „FIAT-Rechtsprechung" des Obersten Gerichtshofs für die Zulässigkeit ihrer Aktionen an, dass solche üblich seien und ein Unterschreiten der Aktionspreise durch die Antragstellerin möglich sei. Außerdem beteilige sich die Antragsgegnerin mit 2/3 an den Kosten. Auch die Antragstellerin profitiere von den Aktionen, insbesondere wenn sie ihr Verhandlungsgeschick einsetze und mehr Fahrzeuge (mit Zusatzausstattung) verkaufe.
[177] IV.3.1.2. In den von der Rekurswerberin angesprochenen Entscheidungen Okt 7/93 und Okt 3/93 behandelte der Oberste Gerichtshof die Frage, ob ein Generalimporteur von Fahrzeugen einer bestimmten Marke durch die Vorgabe von Rabattaktionen seine marktbeherrschende Stellung missbraucht und verneinte dort nach den jeweiligen Umständen den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Durch die Ankündigung einer vorgezogenen „Senkung der Luxussteuer“ auf 20 % sei die Wettbewerbsposition der Vertragshändler untereinander und auch gegenüber der Antragsgegnerin nicht geändert worden; diese habe lediglich darauf abgezielt, den Absatz ganz allgemein, also auch jenen ihrer Vertragshändler, zu erhöhen, wenn auch um den Preis einer möglichen Verringerung der Handelsspanne, die für die Vertragshändler aber nicht unvermeidlich gewesen sei. Bei entsprechendem Verhandlungsgeschick hätten sie nämlich von der durch die Werbeaktion ausgelösten Nachfragesteigerung profitieren können, ohne – aus ihrer Sicht – überhöhte Rabatte gewähren zu müssen. In jenen Fällen, in denen dies aufgrund bereits getroffener Absprachen nicht möglich gewesen sei, habe die Antragsgegnerin „Minusdeckungsbeiträge“ zur teilweisen Abdeckung der verringerten Spanne gewährt und damit selbst einen Beitrag zur Durchführung der Werbeaktion geleistet.
[178] Auch in der Entscheidung 4 Ob 62/00x, Fiat II, wurde ausgeführt, dass aus der Tatsache der Senkung der „Handelsspannen“ der Gebietshändler allein noch nicht zwingend auf eine Unangemessenheit der Vertragsbedingungen geschlossen werden kann.
[179] In der Entscheidung Okt 7/93 hat der Senat ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass die dortige Werbeaktion der Antragsgegnerin dazu geführt habe, dass Vertragshändler in der Gestaltung ihrer Verkaufspreise beeinflusst waren. Dennoch wurde die Werbeaktion nicht unter dem Aspekt einer faktischen Bindung der Verkaufspreise der Vertragshändler als Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot beurteilt, weil die absatzfördernden Werbemaßnahmen des Alleinimporteurs, auch wenn sie (teilweise) nachteilige wirtschaftliche Auswirkungen für die Händler hätten, unter den konkreten Umständen nicht als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung angesehen werden könnten. Ob dies auch dann der Fall wäre, wenn die Antragsgegnerin ständig solche Werbeaktionen veranstaltete, wurde ausdrücklich offen gelassen.
[180] IV.3.1.3. Im Anlassfall sind bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit des Zwangs zur Teilnahme an Aktionen der Rekurswerberin viele Aspekte zu berücksichtigen. So gibt die Rekurswerberin den Händlen gerade nicht nur eine einzige Aktion vor, sondern jährlich sechs jeweils zumindest zwei Monate dauernde Aktionen. Diese bewirken einen Aktionszeitraum praktisch über das ganze Jahr in Bezug auf das eine oder andere Modell, verbunden mit einer Spannenreduktion bei den betroffenen Modellen, wodurch insoweit die Preissetzungsautonomie der Händler in Hinblick auf die den Kunden bekannten und von der Rekurswerberin – wenn auch als unverbindlich – beworbenen Aktionspreise de facto eingeschränkt wird. Soweit die Rekurswerberin argumentiert, dass ein Unterschreiten der Aktionspreise durch die Antragstellerin möglich sei, entfernt sie sich von den Feststellungen. Auch wird gegen Ende der Aktionsfristen die Planbarkeit von Angeboten an Kunden, die sich nicht sofort entscheiden wollen, erschwert, was allerdings – insoweit ist der Rekurswerberin zuzustimmen – wohl im Prinzip wohl für jede Aktion unabhängig von ihrer Dauer gilt. Schwerer wiegt, dass das Vergütungssystem derart gestaltet ist, dass der Händler ohne die Teilnahme an den Aktionen sein Monats- bzw Jahresziel kaum erreichen kann und der dann entstehende Prämienentfall wirtschaftlich nicht verkraftbar ist.
[181] Dass es sich bei Aktionen um eine „vollkommen übliche Praktik des Wirtschaftslebens“ handelt, mag allgemein gesehen der Fall sein, sagt aber ohne Kenntnis der jeweiligen näheren Umstände nichts über deren kartellrechtliche Zulässigkeit aus.
[182] IV.3.1.4. Eine abschließende Beurteilung der Missbräuchlichkeit des Zwangs zur Teilnahme an Aktionen der Antragsgegnerin ist allerdings noch nicht möglich. Es steht nämlich nicht fest, in welchem Umfang die Preisfestsetzungsautonomie der Antragstellerin durch das beanstandete Verhalten eingeschränkt wird.
[183] Ergänzend zu erhebende Umstände dazu sind insbesondere, welche Modelle zahlenmäßig und nach ihrem Verkaufserfolg jeweils von einer Aktion betroffen sind, wie viele Modelle mit welchem Verkaufserfolg dem Händler daher im Aktionszeitraum zum regulären Preis verbleiben (wie den „Kommerziellen Politiken" für 2017 und 2018, Beil ./K und ./30, zu entnehmen ist, verfügte die Rekurswerberin damals über zahlreiche Modelle), und in welchem Maß bei den Aktionsmodellen der quantitative Mehrverkauf die aufgezwungene Preisminderung (auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Rekurswerberin 66 % des Aktionsbonus finanziert) aufwiegt. Auch steht nicht fest, um wie viel die Aktionspreise von den regulären Preisen abweichen, wie letztere von den Händlern gebildet werden, und wie groß daher der Margenverlust bzw die Einschränkung der Preissetzungsfreiheit insoweit ist. Letztlich steht nicht fest, in welchem Ausmaß (kartellrechtskonforme) Aktionen möglicherweise erforderlich sind, um im Interbrand‑Wettbewerb bestehen zu können.
[184] Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher diese bzw die sich allenfalls aufgrund eines ergänzten Vorbringens weiter ergebenden Umstände sowie die Fassung des diesbezüglichen Abstellungsantrags mit den Parteien zu erörtern (vgl 16 Ok 6/00; 16 Ok 14/04; 16 Ok 8/08) und darauf aufbauend für einen allfälligen Abstellungsauftrag ausreichende Feststellungen zu treffen haben.
[185] IV.4. Kein Vorabentscheidungsersuchen:
[186] Die Antragsgegnerin macht (mit Verweis auf die oben dargestellte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu „FIAT“) geltend, dass der Begriff des „Verkaufspreises“ nicht auch die Verkaufspreise der Vertragshändler umfasse, sondern sich lediglich auf die marktbeherrschenden Unternehmen beziehe. Da § 5 KartG dem Art 102 AEUV nachgebildet sei, sei diese Auslegung deshalb relevant, weil die Einschränkung der Preissetzungsfreiheit hinsichtlich der Endverkaufspreise nicht von Art 102 AEUV erfasst werde.
[187] Dem ist zu entgegnen, dass der Senat in Okt 3/93 ua auch ausgesprochen hat, dass die Verkaufspreise der Vertragshändler – entgegen der Auffassung des Rekurswerbers – von § 35 Z 1 KartG (der inhaltlich dem nunmehrigen § 5 Abs 1 Z 1 KartG 2005 bzw Art 102 lit a AEUV entspricht) nicht erfasst werden, weil sich der dort verwendete Begriff „Verkaufspreise“ auf die Preise des marktbeherrschenden Unternehmers beziehe.
[188] Das von der Antragsgegnerin vorgeschlagene Vorabentscheidungsverfahren ist schon deshalb nicht notwendig, weil sich bereits aus dem unzweideutigen Wortlaut des Art 102 AEUV (arg „insbesondere“) ergibt, dass die dort angeführten Sachverhalte den Anwendungsbereich dieser Norm nicht abschließend umschreiben, sondern nur eine beispielhafte Aufzählung marktmissbräuchlichen Verhaltens sind. Dies gilt gleichermaßen für den Katalog des § 105 Abs 1 KartG. Ob ein Sachverhalt wie der vorliegende unter die in diesen Bestimmungen genannten Beispiele fällt, ist nicht entscheidungsrelevant.
[189] IV. 5 . Koppelung von Prämienzahlungen mit Kundenzufriedenheitsumfragen
[190] IV.5.1. Die Rekurswerberin macht geltend, dass das von ihr etablierte System der Kundenzufriedenheitsumfrage wissenschaftlich fundiert sei. Bei der Kundenbefragung handle es sich um eine „echte“ Bewertung und um eine repräsentative Methode mit ausreichender Aussagekraft; das subjektive Empfinden als beschämend anstatt als Selbstverständlichkeit eines serviceorientierten Betriebs sei einer objektiven Betrachtung nicht zugänglich. Es sei unzulässig, von „manipulierten Ergebnissen“ oder dadurch entstehender Erpressbarkeit der Händler zu sprechen. Ein allfälliges „Bedrängen“ der Kunden sei der Sphäre der Antragstellerin zuzurechnen.
[191] Die Händler könnten die Bedingungen für die Qualitätsprämie auch ohne weiteres erfüllen, was schon daraus ersichtlich sei, dass nur ein einziger Händler 2018 die relevante Schwelle von 80 % Weiterempfehlungen nicht erreicht habe. Wenn den Händlern aus dieser Praktik keine wirtschaftlichen Nachteile erwüchsen, liege kein missbräuchliches Verhalten vor. Im Übrigen mache die in diesem Zusammenhang erwerbbare Prämie nur 0,6 % aus, weshalb es im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung mit den ohnehin eindeutig überwiegenden Vorteilen aus der Kundenbefragung fraglich sei, ob diese für die Antragstellerin betriebswirtschaftlich überhaupt ins Gewicht falle.
[192] IV.5.2. Gugerbauer (KartG und WettbG3 § 5 KartG Rz 17) und die Bundeswettbewerbsbehörde (in ihrer Stellungnahme zum Kfz‑Sektor von Herbst 2016, S 7 f) vertreten, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Marktmacht auch dadurch missbrauchen könne, dass es finanzielle Leistungen (teilweise) von der Zufriedenheit der Kunden abhängig macht. Um einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung auszuschließen, müsse die Bewertung der Kundenzufriedenheit objektiv, transparent und nachvollziehbar erfolgen. Unzulässig seien beispielsweise die willkürliche Festsetzung von Zielwerten, unübliche Bewertungsschemata, die fehlende Transparenz und Rückmeldung über das Zustandekommen von Ergebnissen. Insbesondere dann, wenn finanzielle Leistungen als Teil der Händlerspanne an die Zielwerte gekoppelt werden, könnte ein Marktmissbrauch vorliegen.
[193] IV.5.3. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 205/12v das Interesse einer Generalimporteurin an einem „tadellosen Image ihrer Marke“ anerkannt und schlechte Kundenzufriedenheitswerte (dort: Platz 275 unter 278 Betrieben) als objektiv nachvollziehbaren und sachlich gerechtfertigten Umstand für eine vorzeitige Kündigung eines Servicevertragspartners angesehen hat.
[194] IV.5.4. Soweit die Rekurswerberin sich allerdings auf die wissenschaftliche Fundierung ihrer Methode beruft, ist sie auf den von ihr selbst vorgelegten Artikel (Beil ./14) zu verweisen, der diese Methode des „Net Performence Score" (NPS) zwar beschreibt, aber als ungeeignet ansieht, die Kundenbindung bzw Beziehungsstärke zu messen. Im Übrigen entfernt sich die Rekurswerberin von den Feststellungen, wenn sie die Kundenzufriedenheit nur für die Qualitätsprämie im Ausmaß von 0,6 % als relevant darstellt, hat doch das Erstgericht ausdrücklich festgestellt, dass die Erreichung eines Weiterempfehlungsniveaus von 80 % (NET EQC) das Einstiegskriterium für die gesamte variable Marge der Prämie des Vergütungssystems (also rund 40 % der erreichbaren Gesamtprämie) ist und die gesamte variable Marge bei Nichterreichen dieses Niveaus nicht ausbezahlt wird.
[195] Schon deshalb ist dem Erstgericht darin zu folgen, dass die von der Rekurswerberin angesprochene Interessenabwägung nicht zu ihren Gunsten ausschlagen kann, ohne dass auf die Frage der subjektiven Aspekte der erstgerichtlichen Beurteilung eingegangen werden muss.
[196] IV. 6 . Spannenreduktionen durch überhöhte Verkaufsziele
[197] IV.6.1. Das Erstgericht geht von einer Spannenreduktion wegen der Koppelung der Erreichung der Jahres- und Monatsziele mit dem Erhalt der Leistungsprämie und dessen komplexen Berechnungssystems aus, das die Kalkulation der Händler erschwere.
[198] IV.6.2. Unter Verweis auf die Entscheidung 4 Ob 62/00x, Fiat II, verneint die Antragsgegnerin das Vorliegen eines Missbrauchs aufgrund von Spannenreduktionen durch bewusst überhöhte Verkaufsziele. Es sei auf einen Vergleich zwischen Kosten und Erlösen abzustellen; Missbrauch liege bei einem krassen Missverhältnis zwischen diesen Kriterien vor. Das Erstgericht habe sich demzufolge zu Unrecht nicht mit dem Ausmaß der Spanne der Antragstellerin und ihrer allfälligen Spannenreduktion auseinandergesetzt, fälschlich den Begriff der „Spanne“ mit dem Begriff der „Prämie“ gleichgesetzt und daher rechtlich unzulässig geschlossen, dass eine Zielerreichung von weniger als 100 % automatisch zu einer Spannenreduktion führe. Das für die Spannenreduktion relevante Jahresziel werde überdies aufgrund einer objektiven und unbestrittenen Berechnungsformel festgelegt. Insgesamt trage die Antragsgegnerin den Interessen der Händler im Rahmen ihrer „Kommerziellen Politik" und den Monats- und Jahreszielen ausreichend Rechnung. Eine Leistungsprämie für Zielerreichungen vorzusehen diene dem legitimen Ziel, die Händler zu guten Verkaufsleistungen anzuspornen; insofern bedürfe es auch bestimmter Schwellenwerte. Auch liege nach der Rechtsprechung eine massive Drucksituation nur dann vor, wenn die Antragstellerin zur Aufrechterhaltung der Rentabilität ihres Betriebs von der Erreichung eines Jahresverkaufsziels von 100 % und der diesbezüglichen Prämie abhängig wäre; dazu fehlten Feststellungen.
[199] IV.6.3. Die Entscheidung 4 Ob 62/00x, Fiat II, führt in Zusammenhang mit Gebietshändlerverträgen einer bestimmten Automarke aus, dass die vom dort beklagten Konzernunternehmen des Fahrzeugherstellers ihren zukünftigen Gebietshändlern angebotenen „Handelsspannen“ (Differenz zwischen Einkaufspreis des Gebietshändlers und den ihm unverbindlich empfohlenen Wiederverkaufspreis) niedriger seien als jene, die mit der vormaligen Vertragspartnerin der Gebietshändler vereinbart gewesen seien. Aus der Tatsache der Senkung dieser Beträge allein könne aber noch nicht zwingend auf eine Unangemessenheit der Vertragsbedingungen geschlossen werden. Dass Spannen im Kfz-Vertrieb im Ausmaß von 7–14,5 % je nach Modell (zuvor 7–18 %) unter Berücksichtigung eines zusätzlich möglichen Bonus von maximal 2,5 % bei Erreichen bestimmter Umsatzziele den Gebietshändler über Gebühr benachteiligten, weil sie – im Vergleich zu den früheren Konditionen – jedenfalls zu einem unverhältnismäßig hohen Gewinn des Importeurs führten, könne in dieser Allgemeinheit nicht gesagt werden.
[200] IV.6.4. Aus dieser Entscheidung lässt sich ableiten, dass die Verschlechterung der dortigen Konditionen für die Händler per se nicht ausreichend für die Annahme eines Marktmachtmissbrauchs erachtet wurde. Weiters wird daraus deutlich, dass die im Anlassfall zu beurteilenden Konditionen einer „Fixmarge" (dort: „Spanne") genannten fixen Vergütung von 8,5–11 % des Verkaufspreises eines Kfz‑Modells bei einer zusätzlichen „variablen Marge" (dort: „Bonus") genannten Vergütung von bis zu 6,5 % bei 100 % Zielerreichung einen wesentlich höheren Anteil einer an die Erreichung des vorgegebenen Verkaufsziels gebundenen variablen Vergütung enthalten.
[201] Daraus folgt, dass ein hoch angesetztes Jahres- und Monatsziel dazu führt, dass bei gleicher absoluter Zahl von verkauften Kfz die prozentuelle Zielerreichung (und damit der zustehende Prozentsatz der „variablen Marge", die nach den Feststellungen einen Anteil von etwa 40 % der Gesamtvergütung ausmacht) gegenüber niedriger angesetzten Zielen sinkt. Ob man diese Vergütung „Spanne" oder „Marge" oder „Bonus" nennt, spielt – entgegen der Definitionsversuche der Rekurswerberin – rechtlich keine Rolle.
[202] IV.6.5. Was die Möglichkeit der Zielerreichung betrifft, ist die Rekurswerberin auf die Feststellungen des Erstgerichts zu verweisen, wonach 2017 sieben Händler und 2018 und 2019 jeweils 11 Händler das vertraglich vorgesehene Schieds- bzw Sachverständigenverfahren in Anspruch nahmen und dass das von der Rekurswerberin festgelegte Jahresziel der Antragstellerin für 2018 von 259 Fahrzeugen auf 220 Fahrzeuge reduziert wurde, wobei die Antragstellerin tatsächlich 178 Fahrzeuge verkaufte, und auch die eigene Tochtergesellschaft der Rekurswerberin im Jahr 2018 das Verkaufsziel nicht zu 100 % erreichte. Dennoch legte die Rekurswerberin den Zielwert der Antragstellerin für 2019 so fest, dass sie den Ist-Verkauf von 2018 um 25 % erhöhte. Wenn das Erstgericht darauf aufbauend die Vorgangsweise der Rekurswerberin im Zusammenhang mit dieser Verkaufszielfestsetzung als überambitioniert bzw bewusst überhöht einstufte, begegnet dies keinen Bedenken (vgl im Übrigen auch Pkt IV.13.7.3.).
[203] Weshalb ein Missbrauch nur bei einer solchen Drucksituation anzunehmen sein sollte, bei der die Rentabilität des Betriebs von der Prämie bei 100 % Zielerreichung abhinge, legt die Rekurswerberin – über die bloße Behauptung hinaus – nicht näher fundiert dar.
[204] IV. 7 . Missbräuchlich niedrige Abgabepreise der Tochtergesellschaft:
[205] IV.7.1. Die Antragsgegnerin meint, dass weder der Ergebnisabführungsvertrag per se noch die sich daraus nach dem Erstgericht ergebende Möglichkeit der Tochtergesellschaft, ohne Spanne und sogar unter Inkaufnahme eines Verlusts verkaufen zu können, auf einen Missbrauch schließen lasse. Die dazu vorgelegte handschriftliche Kalkulation der Antragstellerin sei unvollständig und somit falsch sowie jedenfalls ungeeignet, einen Preismissbrauch im Sinn einer Kosten-Preis-Schere zu begründen. Selbst wenn man von der Richtigkeit dieser handschriftlichen Notizen ausgehe, würde damit nur belegt, dass die Antragstellerin die Preise nicht unterbieten könne, nicht aber, dass dies auch für andere selbständige Händler gelte oder dass die Antragsgegnerin Fahrzeuge ohne Spanne oder mit Verlust verkaufe. Auch die tatsächlich erwirtschafteten Verluste der Tochtergesellschaft in den Jahren 2013, 2015, 2017 und 2018 änderten daran nichts, weil sich diese Verluste aufgrund der städtischen Standorte ergäben. Das Erstgericht lasse bei seiner rechtlichen Beurteilung die von der Rechtsprechung (insbesondere des EuGH) zur Kosten-Preis-Schere aufgestellten Kriterien unberücksichtigt; auch sei nach der Entscheidung 16 Ok 13/08 auf die Kosten effizienter Mitbewerber des vermeintlich missbräuchlich handelnden Unternehmers abzustellen.
[206] IV.7.2. Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung kann auch durch Margenbeschneidung (sog Kosten-Preis-Schere oder „margin squeeze“) begründet sein. Eine solche ergibt sich durch ein Missverhältnis zwischen den Abnehmerpreisen für Vorleistungsprodukte und den Endkundenentgelten für Endkundenprodukte. Dabei zwingen hohe Entgelte für Vorleistungsprodukte die Mitbewerber, ihren Endkunden höhere Entgelte zu berechnen als der vertikal integrierte Marktbeherrscher seinen eigenen Endkunden für entsprechende Dienstleistungen in Rechnung stellt (EuGH C‑280/08, Deutsche Telekom; EuGH C‑ 52/09, TeliaSonera; Pellech, Zu Fragen des Margin-Squeeze unter Berücksichtigung der Entscheidung in Sachen TeliaSonera, ÖZK 2011, 60 ff; Vartian/Schuhmacher in Petsche/ Urlesberger/Vartian, KartG 20052 § 5 Rz 91 mwN; Reidlinger/Hartung , Das österreichische Kartellrecht, 134 f).
[207] Es handelt es sich dabei um eine Strategie, mit der ein vertikal integriertes marktbeherrschendes Unternehmen die möglichen Gewinnmargen seiner Wettbewerber im nachgelagerten Markt so beschneidet oder beseitigt, dass diese nicht mehr konkurrenzfähig sind und letzten Endes aus dem Markt ausscheiden müssen, wodurch der Wettbewerb insgesamt im nachgelagerten Markt beeinträchtigt wird. Eine solche Situation kann sich ergeben, wenn das marktbeherrschende Unternehmen auf einem vorgelagerten Markt als wichtiger Lieferant eines Produkts auftritt, das von anderen Unternehmen als Input für ihre Tätigkeit auf einem nachgelagerten Markt benötigt wird, und das dominierende Unternehmen zugleich in einer direkten Konkurrenzbeziehung zu seinen Kunden auf dem nachgelagerten Markt steht. In diesem Fall kann das vertikal integrierte dominante Unternehmen einen „zweifachen Preisdruck“ auf seine Wettbewerber im nachgelagerten Markt ausüben, indem es den Preis für die Vorleistung erhöht, seinen Preis für das Endprodukt im nachgelagerten Markt verringert oder beides miteinander kombiniert. Welche Strategie im Einzelnen gewählt wird, ist für die Entstehung einer „Kosten‑Preis‑Schere“ unerheblich. Entscheidend ist, ob das marktbeherrschende Unternehmen seine eigenen Preise in zwei vertikal verbundenen Märkten in ein solches Missverhältnis zueinander setzt, dass hierdurch die Wettbewerbsbedingungen im nachgelagerten Markt beeinträchtigt werden ( Fuchs in Immenga/Mestmäcker , Wettbewerbsrecht 6 [2019] Art 102 AEUV Rn 373).
[208] Der Tatbestand ist also erfüllt, wenn die Differenz zwischen Vorleistungsentgelt und Endkundenpreis nicht ausreicht, um die eigenen Kosten zu decken, mit der Folge, dass der vertikal nicht rückwärts integrierte Wettbewerber nicht profitabel arbeiten kann, wenn er auf dem Endkundenmarkt erfolgreich konkurrieren will ( Huttenlauch in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann , Kartellrecht 4 [2020], Art 102 AEUV Rn 225–232; Eilmansberger/Kruis in Streinz , EUV/AEUV 3 [2018] Art 102 AEUV, Rn 118–120), bzw wenn die Summe aus Vorleistungspreis und produktspezifischen Kosten im nachgelagerten Markt gleich hoch oder höher ist als der im nachgelagerten Markt verlangte (Endkunden‑)Preis ( Fuchs in Immenga/Mestmäcker , Wettbewerbsrecht 6 [2019] Art 102 AEUV Rn 377).
[209] Für die Beurteilung dieses Tatbestands sind – im Sinne der Interpretation des Art 102 AEUV als konkretes Gefährdungsdelikt – anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls potenzielle Auswirkungen zu prüfen, wobei es vor allem darauf ankommt, ob die Vorleistung des Marktbeherrschers für die Tätigkeit im nachgelagerten Markt unentbehrlich ist. Eine Kosten-Preis-Schere entfaltet gerade dann ihr spezifisches Verdrängungspotenzial, wenn bei der Vorleistung keinerlei gleichwertige Ausweichmöglichkeiten auf andere Produkte oder andere Lieferanten bestehen ( Fuchs in Immenga/Mestmäcker , Wettbewerbsrecht 6 [2019] Art 102 AEUV Rn 378).
[210] IV.7.3. In der von der Rekurswerberin ins Treffen geführten Entscheidung C‑52/09, TeliaSonera, Rn 34, sprach der EuGH (unter Verweis auf seine Entscheidung C‑280/08, Deutsche Telekom, Rn 183) aus, dass sich die Unangemessenheit einer solchen Preispolitik iSv Art 102 AEUV bereits aus der bloßen Tatsache einer Beschneidung der Margen ergibt und nicht aus der genauen Differenz, weshalb es nicht des Nachweises bedürfe, dass die Vorleistungspreise oder die Endkundenpreise für sich allein Verdrängungswirkung hatten. Die Margenbeschneidung kann angesichts ihrer möglichen Verdrängungswirkung auf zumindest ebenso effiziente Wettbewerber wie das beherrschende Unternehmen mangels jeglicher objektiven Rechtfertigung bereits für sich allein einen Missbrauch iSv Art 102 AEUV darstellen (vgl Rn 31).
[211] Mit dem Abstellen auf einen Kosten‑Preis‑Vergleich beim marktbeherrschenden Unternehmen selbst werden aber die Kostendaten anderer tatsächlicher oder hypothetischer Konkurrenten irrelevant. In der Sache bedeutet dies die Anwendung des „as efficient competitor"-Tests ( Fuchs in Immenga/Mestmäcker , Wettbewerbsrecht 6 [2019] Art 102 AEUV Rn 376). Im Rahmen der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Preispolitik, die auf eine Margenbeschneidung hinausläuft, sind daher grundsätzlich in erster Linie die Preise und Kosten des betreffenden Unternehmens auf dem Endkundenmarkt zu berücksichtigen. Nur wenn in Anbetracht der Umstände eine Bezugnahme auf diese Preise und Kosten nicht möglich ist, sind die Preise und Kosten der Wettbewerber auf eben diesem Markt zu prüfen (C‑52/09, TeliaSonera , Rn 46).
[212] Im letztgenannten Fall bedarf es dann angesichts möglicher Verdrängungswirkungen keines Nachweises, dass bereits die Vorleistungspreise oder die Endkundenpreise missbräuchlich wären, wenn ein zumindest ebenso effizienter Wettbewerber wie der Marktbeherrscher bei den vom Marktbeherrscher den Wettbewerbern verrechneten Vorleistungspreisen auf der Endkundenstufe nicht ohne Verlust anbieten könnte (vgl auch Maritzen/Ondrejka, EuGH: Kosten-Preis-Schere nach TeliaSonera, RdW 2011/731 [729 f]; Gugerbauer, KartG und WettbG3 § 5 KartG Rz 64).
[213] IV.7.4. Ein als Margenbeschneidung beanstandeter Sachverhalt kann unter folgenden vier Voraussetzungen gerechtfertigt sein: (1) Der Nachweis von Effizienzvorteilen, die den Nachteil der Verdrängungswirkung mindestens ausgleichen und (2) auch dem Verbraucher zugute kommen, wobei (3) die Effizienzvorteile mit den Verdrängungswirkungen im Zusammenhang stehen und (4) letztere zur Erreichung der Vorteile erforderlich sein müssen ( Huttenlauch in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/ Kersting/Meyer-Lindemann , Kartellrecht 4 [2020], Art 102 AEUV Rn 225–232).
[214] IV.7.5. Hier tritt die Antragsgegnerin indirekt (durch die in ihrem Mehrheitseigentum stehende Tochtergesellschaft) am Endkundenmarkt als Konkurrentin der selbständigen Händler und damit auch der Antragstellerin auf. Diese Tochtergesellschaft kann die Abgabepreise am Endkundenmarkt aufgrund der mit dem Ergebnisabführungsvertrag verbundenen garantierten Verlustabdeckung, die ihre Rentabilität nicht überlebenswichtig macht, niedriger kalkulieren (was sie auch tatsächlich tut) und dadurch Kunden von den Vertragshändlern abziehen. Dass dies nur im Vergleich zur (insofern möglicherweise ineffizienten) Antragstellerin der Fall wäre, kann den Ausführungen des Erstgerichts in keiner Weise entnommen werden. Im Übrigen stellt sich hier die Frage des Ergebnisses eines effizienten Wettbewerbers schon deshalb nicht, weil auch bei der Tochtergesellschaft selbst ihre Preissetzung zu (von der Rekurswerberin abgedeckten) Verlusten führt. Soweit die Rekurswerberin das zu den Feststellungen des Erstgerichts führende Beweismittel als unrichtig bezeichnet, ist sie auf die Erledigung der Beweisrüge zu verweisen und geht daher insoweit nicht von den Feststellungen aus. Dass die Tochtergesellschaft (auch) wegen der angebotenen Endkundenpreise Verluste schreibt, entspricht ebenfalls den Feststellungen.
[215] Auf dieser Grundlage kam das Erstgericht zu Recht zum Schluss, dass sich die Rekurswerberin in diesem Beschwerdepunkt missbräuchlich verhält, weil es der Antragstellerin unmöglich ist, die niedrigen Endkundenpreise der Tochtergesellschaft (die sogar bei dieser zu Verlusten führen, die letztlich die Rekurswerberin trägt) einzustellen. Dass die Verluste der Tochtergesellschaft zum Teil auch auf anderen von der Rekurswerberin ins Treffen geführten Ursachen beruhen, ändert an dieser Beurteilung nichts. Hinweise auf das Vorliegen der genannten Rechtfertigungsgründe sind nicht zu erkennen.
[216] IV. 8 . Kein an dauerndes verbotswidriges Verhalten:
[217] Dazu wird auf die Begründung in Pkt I.8. verwiesen.
[218] IV. 9 . Unrichtige Anwendung der Beweislastregeln:
[219] Auch dazu kann auf die Begründung in Pkt I.8. verwiesen werden.
[220] IV. 10 . Übergehen von Tatsachenbehauptungen:
[221] Dazu wurde bereits in Pkt I.2.4. Stellung genommen.
[222] IV.11. Garantie- und Gewährleistungsarbeiten
[223] IV.11. 1 . Kosten der Garantie- und Gewährleistungsarbeiten:
[224] IV.11.1.1. Nach den Feststellungen basiert das Refundierungssystem für die Kosten von Garantie bzw Gewährleistungsarbeiten auf einem System, das zu einer Kostenunterdeckung der Vergütung für Garantiearbeiten im Bereich von 5–10 % führt.
[225] IV.11.1.2. Die Rekurswerberin macht geltend, das Erstgericht gelange nur aufgrund einer unzulässigen Einschränkung der Marktabgrenzung zum Vorliegen eines missbräuchlichen Verhaltens, das einzig und allein auf die festgestellte Kostenunterdeckung im Bereich der Gewährleistungs- und Garantiefälle gestützt werde. Im Zuge der Interessenabwägung hätten auch die durch die Garantie- und Gewährleistungsarbeiten verbundenen Vorteile für die Antragstellerin (wie die erlangte garantierte Werkstattauslastung) berücksichtigt werden müssen. Das Erstgericht habe sich nicht mit der aus der gesamten Geschäftsbeziehung zur Antragsgegnerin oder der durch die Werkstättenleistungen erlangten Rentabilität des Unternehmens der Antragstellerin befasst. Weiters vermisst die Antragsgegnerin Feststellungen dazu, welche Kosten und welche Gewinnspanne in den von der Antragstellerin der Antragsgegnerin bekanntgegebenen Stundensätzen enthalten seien, von denen sodann 12 % abgezogen würden, und welche Marge die Antragstellerin somit im Rahmen der Erbringung von Werkstättenleistungen erziele. Die rechtliche Beurteilung der Spanne als gering begründe per se noch keinen Missbrauch und ändere auch nichts daran, dass insgesamt ein positiver Ergebnisbeitrag für die Antragstellerin verbleibe. Daher sei es falsch, auf die „nicht kostendeckenden Refundierungen bei Ersatzteilen“ abzustellen.
[226] IV.11.1.3. Es liegt durchaus auch im Interesse der Vertragswerkstätten, wenn die Rekurswerberin bemüht ist, ein einheitliches Refundierungssystem zu betreiben, und eine gewisse Komplexität eines solchen Systems ist per se noch nicht als Missbrauch zu beurteilen. Dennoch hat die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse daran, Gewährleistungs- und Garantieversprechen, die der Hersteller seinem Käufer gegenüber abgibt und daher schuldet, nicht als Verlustgeschäft zu eigenen Lasten durchführen zu müssen (vgl auch Gugerbauer, KartG und WettbG3 § 5 KartG Rz 46). Deshalb kommt es in dieser Frage nicht auf die Rentabilität an.
[227] Diese Sichtweise entspricht auch dem Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz, das gemäß seinem § 1 für Vertriebsbindungsvereinbarungen über den Kauf oder Verkauf neuer Personenkraftwagen und leichter Nutzfahrzeuge und von Ersatzteilen für solche Kraftfahrzeuge sowie für Instandsetzungs- oder Wartungsdienstleistungen für Kraftfahrzeuge, die im Rahmen solcher Vertriebsbindungsvereinbarungen verkauft worden sind, gilt, und in seinem § 5 festlegt, dass der gebundene Unternehmer gegenüber dem bindenden Unternehmer als „zwingenden Aufwandsersatz“ Anspruch auf Ersatz des mit den Leistungen verbundenen notwendigen und nützlichen Aufwands hat, wenn auch nicht auf einen Gewinnaufschlag (vgl auch ErlRV 1990 BlgNR 24. GP , 5).
[228] Diesen Überlegungen wird das komplizierte, aus vielen Einzelkomponenten zusammengesetzte Refundierungssystem der Rekurswerberin nicht gerecht, weil es insgesamt dazu führt, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Kosten von Garantiearbeiten von bis zu 10 % von den Werkstätten getragen werden muss, die gegenüber der Rekurswerberin vertraglich zu diesen Arbeiten verpflichtet sind und sie daher nicht vermeiden können. Dass sich der Aufwand im Ausfüllen und Ausdrucken von Prüfungsformularen erschöpfen würde, wie die Rekurswerberin behauptet, widerspricht den Feststellungen. Das Erstgericht hat auch keineswegs nur auf die nicht kostendeckende Refundierung bei Ersatzteilen abgestellt, sondern ausführlich das Gesamtsystem behandelt. Die Einführung eines dem Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz widersprechenden wirtschaftlich rentablen Systems hat das Erstgericht der Rekurswerberin ohnehin nicht aufgetragen, sondern nur die Abstellung des unrentablen Systems angeordnet.
[229] Auch ein von der Rekurswerberin geortetes Abgehen von der gewählten Martktabgrenzung ist nicht ersichtlich, geht doch gerade sie in ihrem Rechtsmittel vom Vorliegen getrennter Märkte für den Neuwagen- und den Werkstättenbereich aus; auch ist im Werkstättenbereich nicht ersichtlich, welche anderen Arbeiten die Rekurswerberin insofern bei den Werkstätten in Auftrag geben würde. Da die Werkstätten aber zur Durchführung der Garantie- und Gewährleistungsarbeiten verpflichtet sind, können sie insofern auch nicht ausweichen. Dass damit eine garantierte Auslastung der Werkstätten einherginge, kann bei einer durch solche Arbeiten festgestellten Auslastung im Ausmaß von 7–10 % bestenfalls in sehr eingeschränktem Ausmaß bejaht werden und ändert daher nichts daran, dass diese unvermeidbaren Arbeiten dennoch kostenunterdeckend durchgeführt werden müssen.
[230] IV.11.1.4. Die Antragsgegnerin kann sich insofern auch nicht auf die Entscheidung des EuGH 298/83 , CICCE, berufen. Gerade dort wurde einer Pauschalbetrachtung (betreffend dort die von französischen Fernsehgesellschaften für den Erwerb der Aufführungsrechte bei Filmen bezahlten Preise) eine Absage erteilt und auf die Vielzahl von Kriterien, die für die Beurteilung des Werts jedes einzelnen dieser Filme in Betracht kämen, verwiesen, die es unmöglich mache, einen für alle Fälle gültigen Parameter zu finden.
[231] IV.11. 2 . Garantieprüfungen :
[232] Richtig ist, dass im Bereich der Garantieprüfungen nach den Feststellungen Rückbelastungen nur bei Fehlern der Stufen 2 oder 3 erfolgen. Dass es sich dabei aber ohnehin um erhebliche Fehler handle, wie die Rekurswerberin behauptet, kann nicht gesagt werden, zeigt doch die beispielhafte Anführung der Fehler pro Stufe, dass bereits relative Kleinigkeiten (wie fehlende Unterschriften) der Rückbelastungsstufe 2 mit der Folge zugeordnet werden, dass dann die gesamten Reparaturkosten verwirkt werden, obwohl die Reparatur ein Garantie- bzw Gewährleistungsfall war und auch durchgeführt wurde.
[233] Dass die Werkstätten damit Leistungen zurückerstatten müssten, die sie nicht rechtmäßig bezogen hätten, wie die Rekurswerberin argumentiert, ist in dieser Allgemeinheit nicht zu erkennen. Nach den Feststellungen kommen zu Unrecht als Garantiearbeiten verrechnete Kosten nur vereinzelt vor, und dieses Argument ist auch für das weitere (für Stufe 3 angeführte) Beispiel, dass bereits der Kunde die Garantieleistung bezahlt hat, schon deshalb unhaltbar, weil die Rekurswerberin dann konsequenterweise die Auffassung vertreten müsste, diesen Vorteil sich selbst zukommen lassen zu dürfen, anstatt für eine Refundierung der Leistung an den unzulässig belasteten Kunden zu sorgen.
[234] Weiters ergibt sich aus den Feststellungen, dass Rückbelastung nicht nur bedeutet, dass die Werkstätte die gesamte für eine im Sinne der definierten Stufe fehlerhafte Garantiearbeit erhaltene Refundierung zurückzahlen muss, sondern ab einer Fehlerhäufigkeit von 3 % prozentuell sämtliche vom Beanstandungsgrund betroffenen Grantieleistungen eines Jahres zurückzuzahlen sind, weil die Antragsgegnerin in diesem Fall unterstellt, dass der Fehler immer gemacht wird.
[235] Soweit die Rekurswerberin ausführt, dass genügend Information und Schulung für die ordnungsgemäße Durchführung der Garantie- und Gewährleistungsarbeiten gegeben werde, übergeht sie die Feststelllungen, wonach sie die Garantierichtlinien immer wieder ändert und dies den Werkstätten nicht immer mitteilt.
[236] Auch wenn der Rekurswerberin zuzugestehen ist, dass sie sich davor schützen können muss, solche Arbeiten nicht bezahlen zu müssen, die nicht unter die Garantie bzw Gewährleistung fallen, heißt das noch nicht, dass sie auch innerhalb dieser Fälle zusätzlich andere Fehler definieren darf, die dazu führen, dass ihre Vertragspartner die Aufwendungen für die Überprüfung der Richtigkeit der Abrechnungen – noch dazu im überwiegenden Ausmaß – tragen. Eine derartige Aufteilung der Kosten der Garantiearbeitenprüfung ist angesichts der überwiegenden Interessen der Rekurswerberin an den grundsätzlich von ihr geschuldeten Garantie- und Gewährleistungsarbeiten, bei denen das Interesse der Werkstätten nur (wie ganz allgemein) darin bestehen kann, nicht durch unsachgemäße Arbeiten haftbar zu werden, als Konditionenmissbrauch iSd § 5 Abs 1 Z 1 KartG einzuordnen.
[237] Sollte man dagegen, wie die Rekurswerberin auch ausführt, entgegen den Feststellungen des Erstgerichts davon ausgehen, dass die Garantieaudits ohnehin von ihr bezahlt werden und die geschilderten Rückbelastungen nur Fälle betreffen, in denen die Werkstätten „keinen Entgeltanspruch hätten", wäre wohl das gesamte System – und nicht nur die überwiegende Finanzierung durch die Werkstätten in Stufen 2 und 3 – missbräuchlich: Die Rekurswerberin würde damit doch zugestehen, dass sie – wie allen Beispielsfällen außer den vordatierten Aufträgen gemeinsam ist – die Kosten für tatsächlich durchgeführte Garantiearbeiten (sowohl im Einzelfall als auch systematisch) den Werkstätten zur Gänze nicht ersetzt, obwohl nur Details (wie zB die – noch dazu ergänzbare – Kundenunterschrift oder die elektronische Signatur des Technikers) fehlen.
[238] IV.12. Mystery Shopping; Mystery Leads Standardkriterien‑Audits:
[239] V.12.1. Gegen die Missbräuchlichkeit der Kostenüberwälzung in diesem Bereich führt die Rekurswerberin an, dass selbst nach den Feststellungen des Erstgerichts für Garantieprüfungen ein legitimes Interesse der Antragsgegnerin bestehe. Diese Feststellung müsse „natürlich auch in anderen Bereichen Gültigkeit besitzen" und sei „jedenfalls auf die Kontrolle von Schulungsergebnissen entsprechend erweiterbar“. Daher hätte das Erstgericht davon ausgehen müssen, dass auch in diesem Bereich ein berechtigtes Interesse der Antragsgegnerin auf Kontrolle bzw Überprüfung dahingehend bestehe, „ob die aufwendigen Schulungen der Antragsgegnerin auch entsprechend aufgenommen werden, zu den entsprechend angestrebten Ergebnissen führen und die entsprechenden Vorgaben eingehalten werden“. Dies treffe insbesondere auf die Mystery Shoppings und die Mystery Leads zu. Schließlich dienten diese der Überprüfung, ob die bei den Schulungen vorgestellten Techniken auch entsprechend angewendet werden. Lediglich das Standard-Audit bezwecke die Kontrolle der operativen Standards und führe zu Kosten von maximal 300 EUR. Abzüglich dieses Betrags betrügen die überwälzten Kosten für Mystery Shoppings und Mystery Leads 1.700 EUR. Da jeder Partnerbetrieb ein Anrecht auf eine außerordentliche Sonderstützung von jeweils 1.000 EUR im Jahr für zwei Werkstattersatzwagen habe, werde im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die hier zu beurteilenden Kosten zur Gänze trage, sodass kein missbräuchliches Verhalten vorliege. Das Erstgericht weiche von seinen eigenen Feststellungen ab, wenn es ausführe, dass die außerordentliche Sonderstützung den Missbrauchstatbestand nicht aufhebe, weil sie mit einem Kaufanreiz des Händlers verbunden sei. Es handle sich um Werkstattersatzfahrzeuge, die jede Werkstätte halten müsse. Auch sei eine Gesamtbetrachtung anzustellen, und es könne nicht jede einzelne Verhaltensweise ohne Bezug zu dem ausgewogen gestalteten Gesamtsystem betrachtet werden. In einer solchen Gesamtbetrachtung falle die überwiegende Kostenübernahme für Mystery Shoppings, Mystery Leads und Standardkriterien‑Audit nicht ins Gewicht, weshalb in diesem Bereich kein Missbrauch vorliege.
[240] IV.12.2. § 5 Abs 1 Z 1 KartG 2005 verfolgt ersichtlich den Zweck, dass Vertragsbestimmungen, die unter normalen Marktbedingungen zwar (noch) legitim waren, aber Vorteile und Risiken eines Rechtsgeschäfts einseitig zu Gunsten des marktbeherrschenden Unternehmens verteilten und so entweder mit wettbewerblichen Schutzzwecken oder mit der Sicherung individueller Belange vor Ausbeutung in Konflikt gerieten (4 Ob 187/02g; 1 Ob 1/07i je zur Vorgängernorm § 35 Abs 1 Z 1 KartG 1988), verpönt sein sollten. Geschäftsbedingungen sind nach dieser Bestimmung bei offenbarer Unbilligkeit unangemessen. Dies ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen. Abzuwägen sind dabei die berechtigten Interessen der durch die Risikoverteilung begünstigten Antragsgegner mit den Nachteilen, die eine solche Klausel für den Kläger brachte, wobei diese Beurteilung nicht auf eine einzelne Geschäftsbedingung beschränkt werden darf, sondern es kann eine solche Klausel durch andere (günstige) Vertragsbestandteile „kompensiert“ werden (vgl Gugerbauer, KartG und WettbG3 § 5 Rz 43).
[241] IV.12.3. Es liegt somit ein Fall eines Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung („sonstiger Konditionenmissbrauch“ iSd § 5 Abs 1 Z 1 KartG) vor, wenn die Antragsgegnerin unter dem Deckmantel der Schulungspauschale nicht nur tatsächliche Schulungskosten, sondern auch Kosten für Mystery Shopping, Mystery Leads und Standard-Audit im Ausmaß von 2.000 EUR (von insgesamt 5.000 EUR) kompensationslos auf die Antragstellerin überwälzt. Bestätigt wird dieser Befund dadurch, dass die Rekurswerberin diese Kosten ursprünglich selbst getragen hat und der Versuch, sie auf die Vertragshändler abzuwälzen, massive Proteste der Händler zur Folge hatte, weshalb die Rekurswerberin diese Kosten letztlich in die Schulungspauschale „aufnahm". Auch das behauptete legitime Interesse der Rekurswerberin an Garantieprüfungen („Kontrolle von Schulungsergebnissen“) hat keineswegs die Zulässigkeit der Überwälzung der Kosten solcher Kontrollmaßnahmen auf die Kontrollierten zur Folge.
[242] IV.12.4. Das Erstgericht hat festgestellt, dass jeder Partnerbetrieb das Anrecht auf zwei Werkstattersatzwagen (einer pro Halbjahr) mit einer außerordentlichen Sonderunterstützung von 1.000 EUR zusätzlich zu den sonstigen Konditionen hat. Dass diese Regelung als „jeweils 1.000 EUR" zu verstehen wäre, wie die Rekurswerberin nunmehr behauptet, und wodurch überhaupt erst eine mögliche finanzielle Kompensation eintreten würde, ergibt sich auch aus der dazu vorgelegten Beil ./6 nicht. Selbst wenn dies aber von der Rekurswerberin tatsächlich so „gelebt" werden sollte, würde dies an der Richtigkeit der Beurteilung des Erstgerichts nichts ändern, weil die Sonderunterstützung dem Händler jedenfalls nur zugute kommen kann, wenn er solche Fahrzeug überhaupt erwirbt, während die Schulungspauschale zwingend jährlich und pro Betrieb anfällt. Eine Kompensation setzt daher voraus, dass die Antragstellerin sechsmal pro Jahr die Neuanschaffung eines Werkstättenfahrzeugs bei der Rekurswerberin finanziert, um die Sonderunterstützung lukrieren zu können. Auch wenn Werkstättenersatzfahrzeuge vorgehalten werden müssen, bedeutet das nicht, dass jede Werkstätte für diesen Zweck jährlich zwei neue Fahrzeuge erwerben müsste. Das Erstgericht hat daher zu Recht auf den mit dieser Sonderunterstützung verbundenen Kaufanreiz für die Werkstättenbetreiber und die damit einhergehende Lenkwirkung abgestellt (woran die Feststellung, dass die Behaltefrist für Werkstättenersatzwagen drei Monate betrage, nichts ändert), weil die Sonderunterstützung nur lukriert werden kann, wenn davor die entsprechende Anzahl von Fahrzeugkäufen finanziert wird. Seine Beurteilung der Missbräuchlichkeit hat das Erstgericht somit – entgegen den Rekursbehauptungen – nicht lediglich darauf gestützt, dass ein Kaufanreiz eines Händlers zum Wiederverkauf des Fahrzeugs bestehe. Es ist daher auch nicht von seinen eigenen Feststellungen abgewichen. Diese Sonderunterstützung ist daher nicht geeignet, die Missbräuchlichkeit der aufgezeigten Kostenüberwälzung aufzuwiegen.
[243] IV.12.5. Auch das Argument der Rekurswerberin, eine Gesamtbetrachtung führe zur Zulässigkeit der Kostenüberwälzung, vermag nicht zu überzeugen: Mystery Shopping, Mystery Leads und Standardkriterien-Audits liegen alle im offensichtlichen alleinigen Interesse der Rekurswerberin. Nur aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung ist es ihr möglich, diese Kosten auf die Antragstellerin zu überbinden. Gerade auch eine Gesamtinteressenabwägung führt in diesem Punkt zur Bejahung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung durch die Rekurswerberin.
[244] IV. 13 . Verhältnismäßigkeit und Unbestimmt he it des Spruchs:
[245] IV.13.1. Das Kartellgericht führt aus, dass nach § 26 KartG Zuwiderhandlungen gegen die im ersten Hauptstück dieses Gesetzes enthaltenen Verbote wirksam abzustellen seien, wobei die dazu erteilten Aufträge mit Beziehung auf die Zuwiderhandlung nicht unverhältnismäßig sein dürfen. Unter Anwendung dieses Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hätten verhaltensorientierte Maßnahmen den Vorrang vor strukturellen Maßnahmen und Unterlassungsaufträge den Vorrang vor dem Auftrag zu positivem Tun, weshalb sich die Abstellung des im Spruch beschriebenen Verhaltens als Unterlassungsauftrag im Rahmen der in § 26 Satz 2 KartG normierten Verhältnismäßigkeit bewege.
[246] IV.13.2. Die Antragsgegnerin kritisiert, dass das Gebot der Verhältnismäßigkeit in folgender Hinsicht nicht gewahrt sei:
[247] IV.13.2.1. Die Feststellungen zur marktbeherrschenden Stellung stellten nur auf die Antragstellerin (insbesondere den Anteil der P*****‑Fahrzeuge an ihrem Umsatz und die wirtschaftlichen Folgen eines Wegfalls der Verträge mit der Rekurswerberin) ab und beträfen damit ein individuelles Verhältnis, nicht aber ganz allgemein andere Vertragshändler der Antragsgegnerin. Daher könne auch der Abstellungsauftrag nur der Antragstellerin gegenüber ergehen.
[248] IV.13.2.2. Soweit eine Unbestimmtheit des Abstellauftrags in Bezug auf die Aktionen geltend gemacht wird, ist auf die Begründung in Pkt V.3.1. zu verweisen.
[249] IV.13.2.3. Zur Spannenreduktion durch bewusst überhöhte Verkaufsziele seien sowohl der Begriff der „Spannenreduktion" als auch jener der „überhöhten Verkaufsziele" unbestimmt. Auch könne nicht jede Spannenreduktion und jede Änderung der Prämienpolitik als missbräuchlich angesehen werden. Es wäre geboten gewesen, eine bestimmte Höhe der Spannenreduktion als missbräuchlich zu qualifizieren und den Abstellungsauftrag dahingehend zu präzisieren. Verkaufsziele könnten nur unter der Bedingung missbräuchlich überhöht sein, dass deren Nichterreichung nicht auf Gründe in der Sphäre der Antragstellerin zurückzuführen sei, wenn also auch ein effizienter Neuwagenhändler das vorgegebene Jahresziel bei entsprechender Anstrengung nicht erfüllen könne.
[250] IV.13.2.4. Letztlich werde die Verpflichtung zur Durchführung von Garantie- und Gewährleistungsarbeiten mit von der Antragstellerin gestellten Bedingungen (insbesondere einem auch für die Antragstellerin aufwändigen Kontrollsystem), die diese Arbeiten für die Antragstellerin wirtschaftlich unrentabel machen, untersagt. Das Erstgericht verweise dazu auf den hohen bürokratischen Aufwand und die Schwierigkeiten bei der Abwicklung. Der Begriff „wirtschaftlich unrentabel“ sei unbestimmt und daher unzulässig, auch sei die aufgetragene Abstellung nicht das gelindeste Mittel, um wirksamen Wettbewerb herzustellen. Durch die Verwendung des Begriffs „insbesondere“ werde der Eindruck vermittelt, als wäre das gesamte System der Refundierung der Garantie- und Gewährleistungsarbeiten missbräuchlich. Der Spruch hätte daher konkreter so gefasst werden müssen, dass lediglich die konkreten Bedingungen der Garantieprüfungen als missbräuchlich anzusehen seien, um auf diese Weise dem Gebot der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen. Auch sei detailliert festzulegen, was konkret unter „rentabel“ zu verstehen sei und welche Kosten in Spruchpunkt I.1. B) h) gedeckt werden müssten.
[251] IV.13.3. Nach dem Wortlaut und der Systematik des § 26 KartG dürfen Abstellungsaufträge mit Beziehung auf die Zuwiderhandlung nicht unverhältnismäßig sein. Erst in Satz 2 geht § 26 KartG auf die Änderung der Unternehmensstruktur ein und erlaubt dem Kartellgericht, solche nur dann aufzutragen, wenn keine anderen gleich wirksamen Maßnahmen zur Verfügung stehen oder diese mit einer größeren Belastung für die beteiligten Unternehmer verbunden wären.
[252] IV.13.4. Es ist daher richtig, dass eine Abstellungsanordnung nicht schon deshalb unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zulässig ist, weil sie nicht struktureller Art ist. Vielmehr muss eine verhaltensorientierte Maßnahme für sich gesehen verhältnismäßig sein. Aus diesem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgt auch der Vorrang eines Unterlassungsauftrags vor einem Auftrag zu positivem Tun (RS0119533), weil bei Ersterem weniger in die Dispositionsfreiheit der betroffenen Unternehmen eingegriffen wird (Gugerbauer, KartG und WettbG3 [2017] § 26 KartG Rz 9; Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 Rz 17).
[253] IV.13.5. Nach der neueren österreichischen Rechtsprechung ist im kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren – anders als im Lauterkeitsrecht und auch im Vergleich zur Entscheidungspraxis der Kommission (vgl Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 26 Rz 23) – eine enge, am konkreten missbräuchlichen Verhalten orientierte Fassung des Unterlassungsgebots angebracht. Dies ergibt sich daraus, dass kartellrechtliche Abstellungsaufträge empfindlich in die unternehmerische Handlungsfreiheit eingreifen und Verstöße gegen einen Abstellungsauftrag mit hohen Geldbußen geahndet werden können (16 Ok 1/18k = RS0132207).
[254] Angesichts der nahezu grenzenlosen Vielfalt der einem Unternehmen offenstehenden Verhaltensweisen ist es ausgeschlossen, jede nur denkbare Variante – sei sie auch noch so geringfügig – eines festgestellten missbräuchlichen Verhaltens in den Spruch eines Abstellungsauftrags aufzunehmen und ihn damit „umgehungsfest“ zu fassen. Dem Verpflichteten kann daher grundsätzlich nur jenes Verhalten untersagt werden, das er auf dem betroffenen Markt bereits an den Tag gelegt hat (16 Ok 13/08 = RS0000878 [T15]). Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Gegenstand des Abstellungsauftrags so unbestimmt gefasst wäre, dass der Rechtsstreit in Wahrheit vor die Exekutionsgerichte verlagert wird, die nicht zur Klärung kartellrechtlicher Fragen berufen sind (16 Ok 13/08; 16 Ok 11/04 mwN; großzügiger 16 Ok 11/03; RS0000878 [T7, T10]).
[255] IV.13.6. Liegt ein abzustellender Missbrauch iSd § 5 Abs 1 KartG vor, hat die Abstellung unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich unter dem Aspekt des Eigentumsrechts geschützten (vgl VfSlg 12.227) Dispositionsbefugnis der Parteien so zu erfolgen, dass jene Effekte ausgeschaltet werden, die die Maßnahme als missbräuchlich iSd § 5 KartG erscheinen lassen (vgl zu § 35 KartG 1988: 16 Ok 14/03). Der kartellgerichtliche Abstellungsauftrag hat sich daher gegen ein konkret als Missbrauch marktbeherrschender Stellung beschriebenes Marktverhalten zu richten. Art und Umfang der Abstellungsverfügung bestimmen sich nach dem Marktverhalten, das als Missbrauch marktbeherrschender Stellung qualifiziert wurde (16 Ok 11/04). Eingriffe in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit sind auf das zur Erreichung des Normzwecks unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Dazu werden in den meisten Fällen Unterlassungsgebote ausreichen. Auch bei diesen muss die Unterlassungspflicht so deutlich gekennzeichnet sein, dass ihre Verletzung gemäß § 355 EO exekutiv geahndet werden kann (RS0000878).
[256] IV.13.7. Ergebnis:
[257] IV.13.7.1. Die konkreten Verträge zwischen den Streitteilen beruhen auf Vertragsschablonen der Rekurswerberin. Danach sind Vertragshändler verpflichtet, entweder nur Fahrzeuge der Marke P***** oder zusätzlich nur solche bestimmter in einem Anhang zum Vertrag aufgezählter Marken (im vorliegenden Fall solche der „Schwestermarken" C***** und O*****) zu vertreiben. Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass diese Vertragsschablone auch die Grundlage der Verträge mit anderen P*****‑Händlern ist und daher auch dort – soweit nicht ohnehin Exklusivität besteht – ähnliche Abhängigkeitsverhältnisse bestehen, wie bei der Antragstellerin. Eine Einschränkung des Abstellungsauftrags nur auf die Antragstellerin ist daher – auch im Hinblick auf die gesetzliche Möglichkeit einer Exekutionsführung anderer durch den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung unmittelbar betroffener Unternehmer (§ 34 Abs 2 KartG) – nicht geboten.
[258] IV.13.7.2. Zu Spruchpunkt I.1.A)d) (Spannenreduktion) ist der Rekurswerberin vorzuwerfen, dass sie insgesamt den Fahrzeugmarkt zu hoch einschätzt (so wurden zB im Oktober 2018 nur etwa 22.600 von den von ihr geschätzten 27.000 Pkw in Österreich zugelassen, also nur etwa 84 %) und dass sie sogar auch dann, wenn Händler ihre Vorgaben vertragsgemäß durch einen Sachverständigen mit dem Ergebnis einer nicht unerheblichen Reduktion (bei der Antragstellerin im Jahr 2018 im Ausmaß von rund 15 %) prüfen lassen, das Jahresziel im darauffolgenden Jahr (vom Ist-Verkaufswert) um 25 % erhöht, also das auch vom Sachverständigen als überhöht beurteilte Verkaufsziel weiterverfolgt.
[259] Allerdings steht nicht fest, dass die Antragsgegnerin die (Monats‑)Verkaufszahlen regelmäßig überschätzt; der Abstellungsauftrag ist daher auf die missbräuchliche Anhebung des Verkaufsziels nach dem Sachverständigenverfahren in einem über die allgemeine Schätzung der Steigerung der Verkaufszahlen hinausgehenden Ausmaß zu beschränken.
[260] IV.13.7.3. Zu Spruchpunkt I.1.B)g) (Bedingungen zur Durchführung von Garantie- und Gewährleistungsarbeiten) ergibt sich, dass angesichts der in Pkt IV.12. näher beschriebenen Kartellrechtsverstöße jede Kostenbelastung der Antragstellerin für unstrittig als Garantie- und Gewährleistungsarbeiten erbrachte Werkstättenleistungen im Fall nicht berechtigter Rückforderungen durch die Antragsgegnerin abzustellen wäre. Dies würde aber den Unterlassungsauftrag des Erstgerichts ausweiten, weshalb es schon im Hinblick auf das Verbot der „reformatio in peius" (vgl RS0002480 [T13 und T14]) bei der Entscheidung des Erstgerichts zu verbleiben hat.
[261] IV.13.7.4. Zum Spruchpunkt I.1.B)h) (kostendeckende Garantie- und Gewährleistungsabwicklung) ist als missbräuchlich anzusehen, dass auf die Reparaturkosten der günstigsten Werkstätte abgestellt sowie angenommen wird, dass 70 % der Arbeitskosten in die Stufe 1 („Wartung") fallen und zusätzlich von diesen Kosten noch 12 % abgezogen werden, und dass weiters ein die eigentliche Reparaturzeit übersteigender Zeitbedarf für den bürokratischen Aufwand der Abwicklung der Garantie- und Gewährleistungsfälle gar nicht ersetzt wird. Missbräuchlich ist weiters, dass auch die Kosten der Ersatzteile, bei denen die Werkstätten sonst eine Marge von rund 32 % haben, nur mit dem Einkaufspreis zuzüglich einer Handlingpauschale für das Reinigen und Lagern ersetzt werden, wobei dieser Ersatz zusätzlich mit 65 EUR (bzw seit 2019 mit 130 EUR) gedeckelt ist, was insgesamt zu einer Kostenunterdeckung von 5–10 % führt.
[262] Der auf diesem Sachverhalt fußende Abstellungsauftrag, dass sämtliche Aufwände der Werkstätten im Zusammenhang mit Reparaturleistungen für von der Rekurswerberin Fahrzeugkäufern zugestandene Garantie- und Gewährleistungsfälle kostendeckend ersetzt werden müssen, bedarf angesichts dieser genauen Begründung keiner weiteren Präzisierung.
[263] Vergleichbar der Fassung von Unterlassungstiteln im Fall einer Verletzung von Eigentum und Besitz (vgl RS0010566) ist auch bei marktmissbräuchlichem Verhalten kein Handlungsverbot, sondern ein „Erfolgsverbot“ zu erlassen. Bei Erfolgseintritt wird nach § 355 EO vollstreckt, um den Verpflichteten zu einem Handeln zu zwingen, das bewirken soll, dass das verbotene Verhalten verhindert wird, wobei die Art, wie dies zu geschehen hat, dem Verpflichteten überlassen bleibt. Angesichts der vielen möglichen Ansatzpunkte zur Abstellung des festgestellten Missbrauchs im Sinn einer verhältnismäßigen, weil gelinderen Belastung ist es der Rekurswerberin zu überlassen, welche konkreten vertraglichen Änderungen sie zur Erreichung der Kostendeckung vornehmen möchte. Einer näheren Konkretisierung des Abstellungsauftrags in diesem Punkt bedarf es daher nicht.
[264] IV.1 5 . § 37 KartG:
[265] Der im Rekurs erhobene Antrag nach § 37 KartG (Entscheidungsveröffentlichung) richtet sich erkennbar an das dafür zuständige Kartellgericht (vgl Solé/Kodek/ Völkl‑Torggler, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 280 ff; Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/ Vartian, KartG2 § 37 Rz 14), sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.
[266] IV.16. Leistungsfrist:
[267] Nach § 37 Abs 2 AußStrG hat das Gericht, soweit dies erforderlich ist, zur Erfüllung seiner Aufträge eine angemessene Frist oder einen angemessenen Termin zu bestimmen. Für die Berechnung der Frist gilt § 409 Abs 3 ZPO sinngemäß.
[268] Auch nach der Rechtsprechung in Kartellrechtssachen ist dann, wenn der Abstellungsauftrag (auch) die Verpflichtung zu einem aktiven Tun enthält, die Einräumung einer angemessenen Leistungsfrist grundsätzlich sachgerecht (vgl grundsätzlich 16 Ok 13/08; 16 Ok 1/18k: sechs Monate bei notwendiger Mitwirkung Dritter und erforderlichen technischen Maßnahmen; RS0132208). Da nach dem bestätigten Teil der Entscheidung des Kartellgerichts nicht unerhebliche Änderungen im Vergütungssystem der Antragsgegnerin durchzuführen sind und insoweit auch keine Rechtsmittelfrist, innerhalb derer sie durchgeführt werden könnten (vgl Thunhart in Schneider/Verweijen AußStrG § 37 Rz 5) zur Verfügung steht, war eine dreimonatige – den gegenseitigen Interessen angemessen erscheinende – Erfüllungsfrist zu bestimmen (vgl auch Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 37 Rz 7).
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