OGH 16Ok1/09 (RS0124671)

OGH16Ok1/0925.3.2009

Rechtssatz

Die Beurteilung des sachlich betroffenen Markts wird nach Lehre und Rechtsprechung nach dem Bedarfsmarktkonzept durchgeführt, das im österreichischen Kartellgesetz in § 23 gesetzlich verankert ist. Derselbe Markt liegt vor, wenn sich die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen in ihren für die Deckung desselben Bedarfs wesentlichen Eigenschaften von anderen unterscheiden und aus Sicht der Bedarfsträger als Marktgegenseite beliebig gegeneinander austauschbar sind. Entscheidend ist die (funktionelle) Austauschbarkeit der Waren bzw Leistungen aus Sicht der Marktgegenseite. Ein sachlich relevanter Markt nach dem Bedarfsmarktkonzept liegt daher vor, wenn sich die zu untersuchenden Waren oder Dienstleistungen durch besondere Merkmale in ihrer für die Bedarfsdeckung wesentlichen Beschaffenheit von anderen spürbar unterscheiden. Wesentlich ist eine hinreichende Austausch- bzw Substituierbarkeit.

Normen

KartG 2005 §23

16 Ok 1/09OGH25.03.2009
16 Ok 14/08OGH25.03.2009

Beisatz: Die Marktabgrenzung beim Marktmachtmissbrauch wird nach überwiegender Meinung in einem Doppelschritt durchgeführt. Zuerst wird der relevante Markt in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht abgegrenzt und auf dem so ermittelten Markt der Beherrschungsgrad des Unternehmens festgestellt. Dabei greift die Praxis im Wesentlichen auf eine Kombination von Marktstruktur- und Marktverhaltenskriterien zurück. Die Frage der Austauschbarkeit wird anhand der Reaktion von Handelspartnern festgestellt, wobei das tatsächliche Marktgeschehen maßgeblich ist, soweit sich hiezu Tatsachenfeststellungen treffen lassen. (T1)<br/>Beisatz: Die Europäische Kommission stellt bei der Marktabgrenzung die Nachfragesubstitution aufgrund kleiner, dauerhafter Änderungen bei den relativen Preisen in den Mittelpunkt und fragt, ob die Kunden als Reaktion auf eine kleine bleibende Erhöhung der relativen Preise im Bereich von 5 bis 10% für die betreffenden Produkte und Gebiete auf leicht verfügbare Substitute ausweichen würden (sogenannter SSNIP-Test oder hypothetischer Monopolistentest). (T2)<br/>Beisatz: Dieser Test ist allerdings nicht mechanisch anzuwenden. (T3)

4 Ob 119/09tOGH20.10.2009

Vgl auch

16 Ok 8/10OGH12.12.2011

Auch; Beis ähnlich wie T2; Beisatz: Der hypothetische Monopolistentest (SSNIP-Test) kann nicht nur im Bereich der Zusammenschlusskontrolle, sondern auch im Zusammenhang mit dem Kartellverbot und dem Marktmissbrauch angewendet werden. (T4)<br/>Beisatz: Hier: Radiusklausel bei Einkaufszentrum. (T5)<br/>Veröff: SZ 2011/148

16 Ok 6/12OGH02.12.2013

Auch; Beisatz: In den relevanten Markt im Zusammenhang mit Bieterabsprachen bei Ausschreibungen sind alle Anbieter mit vergleichbarem know‑how einzubeziehen, die aufgrund ihrer Angebotsumstellungsflexibilität in der Läge wären, den ausgeschriebenen Auftrag auszuführen. Ob sie sich am Ausschreibungsverfahren beteiligen oder nicht, ist demgegenüber unerheblich. (T6)<br/>Beisatz: Auf den zeitlichen Aspekt kommt es bei der Marktabgrenzung nur in Ausnahmefällen an (mit Beispielen). (T7)<br/>Beisatz: Siehe auch RS0129158. (T8)<br/>Beis wie T3

16 Ok 8/14hOGH11.06.2015

Auch; Beisatz: Die Beurteilung des sachlich betroffenen Marktes erfolgt nach dem Bedarfsmarktkonzept. (T9)

16 Ok 6/15sOGH08.10.2015

Auch; Beis ähnlich wie T2; Beisatz: Der SSNIP‑Test ist nicht grundsätzlich methodisch ungeeignet. (T10)

16 Ok 1/18kOGH12.07.2018

Vgl; Beis wie T3; Veröff: SZ 2018/55

16 Ok 3/22kOGH23.06.2022

Dokumentnummer

JJR_20090325_OGH0002_0160OK00001_0900000_002