OGH 16Ok6/12

OGH16Ok6/122.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Univ.- Prof. Dr. Kodek sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Haas und Dr. Dernoscheg als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, 1020 Wien, Praterstraße 31, weitere Amtspartei: Bundeskartellanwalt, 1011 Wien, Schmerlingplatz 11, gegen die Antragsgegner 1. Dr. Ulla Reisch, Rechtsanwältin, 1020 Wien, Praterstraße 62‑64, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des S***** KG, *****, 2. W*****, Gesellschaft m.b.H., *****, 3. B***** GmbH, *****, 5. C***** Gesellschaft m.b.H., *****, 6. D***** e.U., Inhaber Ing. W***** H*****, 7. D***** Gesellschaft m.b.H., *****, 8. E***** GmbH, *****, 9. E***** Installationen Gesellschaft m.b.H., *****, 10. E***** Gebäudetechnik GmbH, *****, 11. H***** F*****, 12. G***** Gesellschaft m.b.H., *****, 13. R***** H*****, 14. H***** Ges.m.b.H., *****, 15. H***** H***** Gesellschaft m.b.H., *****, 16. I***** Gesellschaft m.b.H., *****, 17. J***** J***** Gesellschaft m.b.H., *****, 18. J***** GmbH, *****, 19. H***** D***** K***** Gesellschaft m.b.H., *****, 20. K***** Gesellschaft m.b.H., *****, 21. K***** GmbH, *****, 22. F***** K***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, *****, 23. K***** GmbH, *****, 24. G***** K***** Ges.m.b.H., *****, 25. Ing. K***** Gesellschaft m.b.H., *****, 26. R***** M***** Gesellschaft m.b.H., *****, 27. J. M*****gesellschaft m.b.H., *****, 28. M***** Gesellschaft m.b.H., *****, 29. R. Ö***** Gesellschaft m.b.H., *****, 30. P*****‑Gesellschaft m.b.H., *****, 31. F***** P*****, geboren am *****, 32. P***** Gesellschaft m.b.H., *****, 33. F***** R***** Gesellschaft m.b.H., *****, 34. S*****gesellschaft m.b.H., *****, 35. H***** S***** GmbH, *****, 36. S***** Gesellschaft m.b.H., *****, 37. S***** Sanitär‑ und Heizungstechnik Ges.m.b.H., *****, 38. K***** S***** Gesellschaft m.b.H., *****, 39. J. S***** Gesm.b.H., *****, 40. S***** InstallationsgmbH, *****, 41. S***** & L***** Ges.m.b.H., *****, 42. J***** S***** Gesellschaft m.b.H., *****, 43. H. T***** GesmbH, *****, 44. U***** GmbH, *****, 45. K***** W*****, 46. P***** W***** GmbH, *****, 47. W***** Ges.m.b.H., *****, 48. Z***** KG, *****, 49. Ing. M***** M*****; 2., 13., 15., 20., 26., 28., 29., 35. und 43. Antragsgegner vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, 3. Antragsgegner vertreten durch Dr. Manfred C. Müllauer, 5., 17., 25., 27., 30., 41., 46. und 48. Antragsgegner vertreten durch Dr. Georg Legat, Rechtsanwalt in Wien, 6., 24. und 42. Antragsgegner vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Wien, 7., 12., 18. und 47. Antragsgegner vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte OEG in Wien, 8. Antragsgegner vertreten durch Hopmeier & Wagner Rechtsanwälte OG, 9. Antragsgegner vertreten durch Bartlmä Madl Köck Rechtsanwälte OG in Wien, 10., 32., 34. und 40. Antragsgegner vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, 11., 14., 19., 31. und 37. Antragsgegner vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, 16. und 44. Antragsgegner vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, 21. und 33. Antragsgegner vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte OG in Wien, 22., 23., 29. und 45. Antragsgegner vertreten durch Dr. Karin Wessely, Rechtsanwältin in Wien, 36. Antragsgegner vertreten durch Barnert Egermann Illigasch Rechtsanwälte GmbH in Wien, 38. Antragsgegner vertreten durch Lansky, Ganzger + partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 49. Antragsgegner vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Antrags auf Feststellung (§ 28 Abs 1 KartG) und Verhängung von Geldbußen (§ 29 Z 1 lit a und d KartG), über die Rekurse der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundeskartellanwalts gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 13. Juli 2012, GZ 27 Kt 20, 21/09‑155, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Bundeswettbewerbsbehörde beantragte zuletzt, eine Zuwiderhandlung der durch die Erstantragsgegnerin repräsentierten Gemeinschuldnerin gemäß § 1 KartG und Art 101 Abs 1 AEUV festzustellen, sowie über die weiteren Antragsgegner Geldbußen nach § 29 Z 1 lit a und d KartG zu verhängen. Die Antragsgegner hätten als Anbieter im Zuge eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens durch die Stadt Wien ‑ Wiener Wohnen zur Vergabe eines Rahmenvertrags für Gas‑, Wasser- und Heizungsinstallationsarbeiten in den von Wiener Wohnen verwalteten Wohnhäusern unter Verstoß gegen Art 81 EG (nunmehr Art 101 AEUV) und § 1 KartG 2005 verbotene Vereinbarungen getroffen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen gesetzt, indem sie verbotene Absprachen über Gebietsaufteilungen und Angebotspreise getroffen hätten, wodurch eine Verhinderung, Einschränkung und Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt und auch tatsächlich bewirkt worden sei. Interessenvertreter der Installateure hätten in Reaktion auf die Ausschreibung eine Informationsveranstaltung für jene Unternehmen, die schon bisher für Wiener Wohnen tätig gewesen seien, organisiert, in der die Bildung von Arbeitsgemeinschaften als vorteilhaft dargetan worden sei. In der Folge seien gebietsweise Arbeitsgemeinschaften gebildet worden, deren einziger Zweck die Ausschaltung des Wettbewerbs und die Sicherung eines Anteils am Auftragsvolumen unter Beibehaltung eines überhöhten Preisniveaus gewesen sei, wodurch faktisch das gesamte Angebot monopolisiert worden sei.

Die Erstantragsgegnerin, der von der Antragstellerin der Status einer Kronzeugin zuerkannt worden ist, stimmte den Ausführungen der Antragstellerin vollinhaltlich zu. Die übrigen Antragsgegner bestritten das Vorbringen der Antragstellerin und beantragten die Antragsabweisung, teilweise auch die Zurückweisung. Einzelne Antragsgegner bemängelten, das Vorbringen der Antragstellerin sei nicht ausreichend substantiiert. Nahezu alle Antragsgegner wandten ein, die Bildung von Arbeitsgemeinschaften sei durch die Anforderungen der Ausschreibung bedingt und mit dem geltenden Recht vereinbar gewesen. Die Ausschreibung sei so beschaffen gewesen, dass die meisten Antragsgegner nicht über sämtliche Voraussetzungen verfügten, um als Einzelanbieter ein ausschreibungskonformes, erfolgversprechendes und erfüllbares Angebot abzugeben. In der Ausschreibung sei auch ausdrücklich auf die Möglichkeit der Bildung einer Arbeitsgemeinschaft hingewiesen worden.

Fast alle Antragsgegner brachten auch vor, sie hätten keine unzulässigen Vereinbarungen im Sinne einer Absprache von Preisen und einer Aufteilung des Marktes getroffen und keine abgestimmten Verhaltensweisen gesetzt. Sie hätten keinen Einfluss auf das Verhalten möglicher weiterer Bewerber genommen und wären dazu auch nicht in der Lage gewesen. An dem EU‑weit ausgeschriebenen Vergabeverfahren habe sich jeder Installateur, der die Ausschreibungskriterien erfüllte, mit Erfolgsaussicht beteiligen können. Selbst im Fall der behaupteten übergeordneten Koordinierung wäre es unzähligen Unternehmen möglich gewesen, ein Angebot zu legen. Bei der Ausschreibung habe Geheimwettbewerb geherrscht, zumal nicht von vorneherein festgestanden sei, wer sich an dem Vergabeverfahren als Bieter beteiligen werde. Dass die tatsächlichen Anbieter nur regional zusammengesetzt gewesen seien, sei auf die Ausschreibungsbedingungen und die Gebietsgebundenheit zurückzuführen. Letzteres sei mit der Nähe des Sitzes der jeweiligen Unternehmen im Hinblick auf die verlangten Reaktionszeiten, mit den Kenntnissen in den bisherigen Einzugsgebieten, dem Vertrauen in die möglichen ARGE‑Partner in den bisher betreuten Gebieten und allgemein mit der begrenzten Größe und Leistungsfähigkeiten der Unternehmen zu erklären. Die Angebotspreise seien nicht überhöht gewesen. Die von Wiener Wohnen vorgegebenen Einheitspreise seien betriebswirtschaftlich sinnvoll und nachvollziehbar kalkuliert worden, ebenso die von den jeweiligen Arbeitsgemeinschaften angebotenen Auf‑ und Abschläge, wobei die letztlich angebotenen Preise deutlich unter den Vorgabepreisen gelegen seien.

Nahezu alle Antragsgegner brachten auch vor, selbst bei Vorliegen eines Kartells handle es sich um ein Bagatellkartell nach § 2 Abs 2 Z 1 KartG, das keinen Anteil von mehr als 25 % am inländischen Teilmarkt erreiche. EU‑Kartellrecht (Art 81 EG, Art 101 AEUV) komme nicht zur Anwendung, weil der Sachverhalt nicht geeignet sei, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen. Vielmehr liege nur ein regional begrenzter Teilmarkt vor. Zudem seien die verlangten kurzen Reaktionszeiten zu berücksichtigen, sodass eine Teilnahme von Unternehmen mit Sitz im Ausland faktisch ausscheide.

Das Erstgericht wies den Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde sowie die Anträge mehrerer Antragsgegner, die Antragstellerin zum Ersatz der Verfahrenskosten zu verpflichten und ihr die Zahlungspflicht für die Gerichtsgebühr nach § 52 Abs 2 KartG aufzuerlegen, ab. Es traf ua folgende Feststellungen:

Wiener Wohnen führte ab dem Jahr 2007 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich für Gas‑, Wasser- und Heizungsinstallationsarbeiten samt damit verbundenen Lüftungsinstallationsarbeiten in den von Wiener Wohnen verwalteten Wohnhausobjekten durch. Nach dem ausgeschriebenen Rahmenvertrag umfassten die Leistungen „laufende Adaptierungs‑ und Instandsetzungsarbeiten sowie Neuarbeiten kleineren Umfangs bzw allfällige Aufkategorisierungsmaßnahmen in Objekten [...] gemäß beiliegendem Wohnhäuserverzeichnis“. Den rechtlichen Rahmen des Vergabeverfahrens bildeten das Bundesvergabegesetz 2006 und das Wiener Vergaberechts-schutzgesetz 2007. Die Ausschreibung mit einem geschätzten Gesamtauftragswert für drei Jahre von 198.000.000 EUR wurde im Supplement zum Amtsblatt der EU vom 10. 2. 2007 und im Amtsblatt der Stadt Wien vom 15. 2. 2007 bekannt gemacht. Die Angebotsfrist endete am 25. 5. 2007.

Das Verfahren war als Preisaufschlags‑ und Preisnachlassverfahren konzipiert; es galt das Billigstbieterprinzip. Dieses Prinzip war freilich durch das Bundesvergabegesetz sowie die Praxis von Wiener Wohnen insofern eingeschränkt, als die Vergabe an leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer erfolgen sollte und Angebote, die um etwa 30 % unter jenem der Mitbewerber lagen, von Wiener Wohnen einer eingehenderen Überprüfung unterzogen wurden. Mit der Ausschreibung 2007 wurden die bis dahin bestehenden Systeme durch eine grundlegende Neukonzeption der Vergabe ersetzt. Die Ausschreibung führte zu zahlreichen Änderungen gegenüber der zuvor bestehenden Vergabepraxis, weil etwa Leistungen zusammengefasst wurden, die Zuständigkeiten bei Wiener Wohnen gebündelt wurden, die Vorgaben des Vergabekontrollsenats Wien (VKS) immer strenger wurden, die Vergabe an geänderte Technologien bzw Praktiken angepasst wurde etc. Um eine bestmögliche Information über den Auftragsgegenstand zu gewährleisten, war der Ausschreibung ein Wohnhäuserverzeichnis mit diversen Zusatzinformationen angeschlossen.

Der Auftrag war in 48 Gebietseinheiten unterteilt, denen jeweils ein bestimmter Wohnhausbestand zugeordnet war. Den Bietern war es freigestellt, nur für eine Gebietseinheit, für mehrere oder auch für alle Gebietseinheiten anzubieten. Bezüglich der Leistungserbringung wurde zwischen Erhaltungsarbeiten und Gebrechensbehebung unterschieben. Bei Erhaltungsarbeiten sollten von Wiener Wohnen Arbeitsbeginn und Leistungsfrist im Einzelfall vorgegebenen werden. Bei Gebrechensarbeiten wurden zwischen dem Regelfall, dem Ausnahmefall und Gefahr in Verzug (voraussichtlich rund 1 % des Auftragsumfangs) unterschieden. Für den Regelfall sollte die Einsatzzeit längstens 24 Stunden und die Leistungsfrist bis zu einem Tag ab Arbeitsbeginn betragen. Für den Ausnahmefall (Behebung besonders dringender Gebrechen oder Störungen) sollte die Einsatzzeit höchstens drei Stunden, bei Gefahr im Verzug weniger als eine Stunde betragen, dies jeweils zwischen dem Zugang der Bestellung und dem Beginn der Gebrechensbehebung vor Ort. Bei Nichteinhaltung dieser Einsatzzeiten waren Vertragsstrafen vorgesehen.

Die Ausschreibungsunterlagen wurden von Wiener Wohnen und beigezogenen Sachverständigen erstellt. Die Basiskalkulation beruhte auf langjährigen Erfahrungswerten und war als Durchschnittsbetrachtung zu verstehen. An Hand des Wohnhäuserverzeichnisses wurden sodann für jede Gebietseinheit die jeweiligen Werte ermittelt und summiert. Die so ermittelten Beträge bildeten die Grundlage für das den Anbietern bereitgestellte elektronische Kalkulationsblatt. Die Anbotstellung selbst erfolgte durch Eintragung der prozentuellen Preisnachlässe bzw ‑aufschläge durch die Anbieter in das Kalkulationsblatt, welches 64 Leistungsgruppen mit den Komponenten Lohn und Sonstiges/Material enthielt. Die Lohnkomponente im Kalkulationsblatt lag unter dem am Markt damals üblichen Preis von 90 EUR/Partiearbeitsstunde und war mit rund 72,96 EUR (76,97 EUR mit Geräten) zwar kostendeckend, aber nicht großzügig kalkuliert.

Unternehmen, die sich an der Ausschreibung beteiligen wollten, mussten befugt, leistungsfähig und zuverlässig sein. Die Eignungskriterien mussten für jede Gebietseinheit und für die Summe der Gebietseinheiten zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung sowie über den gesamten Vertragserfüllungszeitraum gegeben sein. Es durften Arbeitsgemeinschaften gebildet werden, die die Leistungsfähigkeit gemeinsam erfüllen konnten. Die Bieter mussten auch Eignungskriterien nachweisen, die sich auf Befugnis, Zuverlässigkeit, finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie technische Leistungsfähigkeit bezogen. Jeder Bieter musste bestätigen, dass kein Konkurs oder Ausgleichsverfahren eingeleitet sei oder mangels Vermögens abgewiesen wurde, dass er sich nicht in Liquidation befinde oder seine gewerbliche Tätigkeit eingestellt habe, dass er seinen Verpflichtungen zur Zahlung von Abgaben, Steuern und Sozialbeträgen nachkomme, kein rechtskräftiges Urteil vorliege, das seine berufliche Zuverlässigkeit in Frage stelle und dass er auch die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes einhalte. Die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit musste durch eine Bonitätsauskunft, eine Bankgarantie (in Höhe von 2,6 % eines Drittels des zugeschlagenen Leistungsumfangs für die Dauer von sechs Jahren) oder durch Sicherstellung erbracht werden. Weiters war das Vorliegen einer aufrechten Betriebshaftpflichtversicherung nachzuweisen.

Hinsichtlich der technischen Leistungsfähigkeit musste der Bieter in den letzten drei Jahren Leistungen mit einem Auftragsvolumen zwischen 690.000 EUR und 2,45 Mio EUR in bewohnten mehrgeschossigen Wohnhausanlagen erbracht haben. Der Nachweis war durch Beilage einer Liste mit den wesentlichen Leistungen unter Angabe des jeweiligen Auftraggebers, der Gesamtleistungssumme und Gesamtauftragszahl sowie eines auskunftsbereiten Vertreters pro Auftraggeber samt Kontaktdaten zu erbringen.

Die Vergabe erfolgte entsprechend der Ausschreibung an den jeweils billigsten zulässigen Anbieter pro Gebietseinheit (GE). Es wurden alle 48 GE zugeschlagen. In 25 GE trat die jeweilige Arbeitsgemeinschaft als einziger Bieter auf. Den Zuschlag erhielt in 45 GE die jeweilige Arbeitsgemeinschaft, in drei GE ein Einzelbieter.

Zur Marktabgrenzung führte das Erstgericht aus, dass die hiefür entscheidende Nachfrage‑ und Angebotssubstitution üblicherweise mit Hilfe des hypothetischen Monopolistentests abgeschätzt werde. Dieses Verfahren sei hier aber ungeeignet, weil es sich um eine Ausschreibung handle, bei der der Ausschreibende die benötigten Dienstleistungen und auch deren Bezugspreis vorgegeben habe. In einem solchen Fall komme es nicht auf eine preisabhängige Nachfrage‑ oder Angebotssubstitution, sondern auf die Offenheit des Verfahrens und die Unsicherheit über die Beteiligung weiterer Anbieter an. Neben den bietenden Unternehmen wirkten nämlich auch potentielle Anbieter ‑ selbst wenn sie sich nicht bewerben oder keinen Zuschlag erhalten ‑ als wettbewerbsrelevante disziplinierende Kräfte. Maßgebend sei daher, ob eine hinreichende Anzahl an potentiellen Bietern verbleibe, die den Auftrag in adäquater Qualität erfüllen könnten. Das Erstgericht stellte in diesem Zusammenhang fest, dass die Offenheit des Verfahrens und die Unsicherheit über die Beteiligung weiterer potentieller Anbieter gewährleistet war und keine Marktabschottung durch die Antragsgegner stattgefunden hat. Wiener Wohnen hat ein offenes Ausschreibungsverfahren durchgeführt, an dem sich alle Unternehmen bei Erfüllung der Voraussetzungen beteiligen konnten. Die Anforderungen konnten von potentiellen weiteren Anbietern problemlos erfüllt werden, zumal hinreichende Referenzen vorhanden waren, auch Subunternehmer beigezogen werden konnten und Arbeitsgemeinschaften gebildet werden durften.

Der sachlich relevante Markt umfasse die Umsätze von Installationsunternehmen im Wohnbau (Bestand, nicht Neubau). Räumlich lasse sich der Markt im Hinblick auf die zu bewältigenden zeitlichen Anforderungen (geforderte Reaktionszeiten) am plausibelsten mit einem Gebiet abgrenzen, von dem aus innerhalb einer Autostunde das Zentrum Wiens erreicht werden könne. Dieses Abstellen auf den Großraum Wien führe eher zu einer Über‑ als zu einer Unterschätzung der Marktanteile.

Die Antragsgegner weisen einen regionalen Marktanteil von 8 bis 9 % und einen nationalen Marktanteil von jedenfalls unter 5 % (zuletzt etwa 4,2 %) auf. Die Marktanteile liegen im gesamten Betrachtungszeitraum (Beginn 2007 als Zeitpunkt der behaupteten Vereinbarung bis 2010) unter den Relevanzschwellen von 25 % bzw 5 %. Bei allen Antragsgegnern handelt es sich um KMU; nur vier Unternehmen sind ein Mittleres Unternehmen.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass im vorliegenden Fall keine Auswirkungen auf grenzüberschreitende wirtschaftliche Tätigkeiten vorlägen. Weder Wiener Wohnen noch sonstige inländische Nachfrager der relevanten Dienstleistungen seien jeweils in Kontakt mit Unternehmen aus dem Ausland gekommen, und auch keine inländischen Anbieter seien mit solchen Leistungen jemals im Ausland tätig gewesen. Es fehle auch offenkundig die Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels. Dies ergebe sich nicht nur daraus, dass das angebliche Kartell nicht grenzüberschreitend sei, sondern auch aus der Art der Leistung, die schon ihrem Wesen nach nicht problemlos in den grenzüberschreitenden Handel gelange. Dazu komme der quantitative Aspekt, weil Marktstellung und Umsatz der beteiligten Unternehmen so gering seien, dass die Bagatellbestimmungen zur Anwendung kämen. Auch das Kriterium der Spürbarkeit nach Rz 44 der Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels sei nicht erfüllt. Die Antragsgegner hätten nach ihrer Stellung und Bedeutung auf dem relevanten Markt kein ausreichendes Gewicht, um den zwischenstaatlichen Handel spürbar zu beeinträchtigen. Aus dem Umstand allein, dass die Ausschreibung EU‑weit erfolgte, könne noch kein ausreichender Zwischenstaatsbezug abgeleitet werden.

Abweichend vom Unionsrecht sehe jedoch das nationale Kartellrecht in § 2 Abs 2 Z 1 KartG eine generelle Ausnahme vom Kartellverbot für sämtliche Zuwiderhandlungen vor, an denen Unternehmen beteiligt sind, die gemeinsam am gesamten inländischen Markt einen Anteil von nicht mehr als 5 % und einem allfälligen inländischen räumlichen Teilmarkt von nicht mehr als 25 % haben. Diese Bagatellbeschränkung trage dem Umstand Rechnung, dass Wettbewerbsbeschränkungen spürbar sein müssten, um vom Kartellverbot erfasst zu sein. Der relevante Markt beschränke sich nicht auf die Teilnehmer der Ausschreibung, zumal die Antragsgegner die Beteiligung anderer Unternehmen am Bieterverfahren aus eigenem Zutun nicht verhindern hätten können. Im Übrigen sei die Bildung von Arbeitsgemeinschaften im Anlassfall nicht als kartellrechtswidrig einzustufen. Bei der Struktur von überwiegend Kleinst‑ und Kleinbetrieben und den geringen Marktanteilen der Antragsgegner sei kein Unternehmen mit einer erheblichen Marktmacht beteiligt gewesen; auch sei die Zusammenarbeit mit keinen Abschottungsproblemen gegenüber Dritten verbunden gewesen. Andererseits sei die Bildung von Arbeitsgemeinschaften zweifellos markterschließend gewesen, weil die meisten Antragsgegner im Hinblick auf die sehr hohen und vielfältigen Anforderungen erst durch die Beteiligungen an Arbeitsgemeinschaften objektiv und nachvollziehbar in die Lage versetzt worden seien, ein ihnen allein nicht mögliches ausschreibungskonformes, erfolgversprechendes und erfüllbares Angebot zu erstatten. Der Vorwurf der Absprache eines deutlich überhöhten Preisniveaus habe im Beweisverfahren keine Bestätigung gefunden. Der zugrunde gelegte Bezugspreis habe sich am Wettbewerbspreis (Vergabepreis) orientiert. Der Feststellungsantrag gegenüber der Kronzeugin sei abzuweisen, weil die Antragstellerin kein Vorbringen erstattet habe, worin ihr berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung gegenüber der Kronzeugin bestehe. Die Haftung der 36. Antragsgegnerin ergebe sich daraus, dass sie Komplementärin der S***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG sei. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte sei davon auszugehen, dass die Geschäftsführung und Vertretung gemäß §§ 114, 125 UGB von der Komplementärin ausgeübt werde; diese habe daher für das behauptete kartellrechtswidrige Verhalten der Gesellschaft einzustehen. Hingegen sei die Passivlegitimation der 38. Antragsgegnerin zu verneinen, weil diese als nicht geschäftsführungs‑ und vertretungsbefugte Kommanditistin kein kartellrechtswidriges Verhalten gesetzt habe.

Gegen diesen Beschluss richten sich die rechtzeitigen Rekurse der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundeskartellanwalts. Die Bundeswettbewerbsbehörde beantragt den angefochtenen Beschluss im antragsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Bundeskartellanwalt beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ‑ allenfalls unter Hinweis auf die zu wählende Methodik zur Marktabgrenzung ‑ zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Nach Auffassung der Bundeswettbewerbsbehörde hätten die Sachverständigen gegen zwingende Denkgesetze verstoßen. Die Zahl der Wettbewerber liege zwischen 700 und 1.800; Angebote hätten aber ‑ abgesehen von den Kartellanten ‑ nur drei weitere Unternehmen gelegt. Dies zeige, dass die Marktabgrenzung eindeutig zu weit sei. Auch seien die zur sachlichen Marktabgrenzung herangezogenen Zahlen nicht nachvollziehbar. Die Bildung von Arbeitsgemeinschaften sei keinesfalls für alle Antragsgegner wirtschaftlich zweckmäßig und für die Markterschließung förderlich gewesen. Ein Feststellungsinteresse bestehe auch gegenüber der Kronzeugin, weil die Feststellung bei allfälligen weiteren Vergehen ein Erschwerungsgrund wäre. Die 38. Antragsgegnerin sei passiv legitimiert, weil K***** S***** Komplementär der unmittelbar an der Ausschreibung beteiligten KG und deren Geschäftsführer, aber auch Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der 38. Antragsgegnerin als Kommanditistin gewesen sei.

Der Bundeskartellanwalt bekämpft allein die der Marktabgrenzung zugrunde liegende Methode. Welche Methode zur Bestimmung des Marktes bei Bieterabsprachen anzuwenden sei, sei eine Rechtsfrage. Dass die Arbeitsgemeinschaften in 45 von 48 Gebietseinheiten den Zuschlag erhalten hätten, widerspreche jeder Wahrscheinlichkeit, wenn man von jenem Markt ausgehe, den das Erstgericht angenommen habe. Der Markt sei vielmehr in zeitlicher Hinsicht abzugrenzen, und zwar durch die Ausschreibung. Marktteilnehmer seien damit nur die Anbotsteller; höchstens noch jene Unternehmer, die die Angebotsunterlagen bezogen und eine subjektive Bereitschaft zur Teilnahme gehabt hätten. Ein Geheimwettbewerb habe nicht geherrscht, weil die Anbieter ihren Namen auf das Kuvert hätten schreiben müssen, eine Bieterliste in Umlauf gewesen sei und es höchst unwahrscheinlich gewesen sei, dass nach der Entscheidung des Vergabekontrollsenats ‑ VKS (betreffend eine später wieder zurückgezogene Anfechtung der Ausschreibung), die zu einer Verlängerung der Angebotsfrist geführt habe, neue Bieter auftreten würden. Angebote anderer Arbeitsgemeinschaften seien wechselseitig bekannt gewesen.

Nahezu alle Antragsgegner erstatteten Rekursbeantwortungen, in denen sie jeweils beantragen, den Rekursen nicht Folge zu geben.

Beide Rekurse sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind beide Rechtsmittel gemeinsam zu behandeln.

1.1. Entscheidende Frage im vorliegenden Fall ist die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 2 Z 1 KartG. Nach dieser Bestimmung (in der auf den vorliegenden Fall noch anzuwendenden Stammfassung vor der Änderung durch das KaWeRÄG 2012, BGBl I 2013/3) sind „jedenfalls“ vom Kartellverbot des § 1 KartG solche Kartelle ausgenommen, an denen Unternehmer beteiligt sind, die gemeinsam am gesamten inländischen Markt einen Anteil von nicht mehr als 5 % und an einem allfälligen inländischen räumlichen Teilmarkt von nicht mehr als 25 % haben (Bagatellkartelle).

1.2. Dass auch bei Ausschreibungen Bagatellkartelle vom Tatbestand des Kartellverbots ausgenommen sind, entspricht dem klaren Gesetzeswortlaut und der herrschenden Auffassung (Rüffler, RPA 2009, 288, 291; Hoffer, Kartellgesetz 36). Eine Ausnahme für Kartelle, die Kernbeschränkungen umfassen („Hardcore“‑Kartelle) sieht § 2 Abs 2 Z 1 KartG in der Stammfassung ‑ im Gegensatz zur Fassung nach dem KaWeRÄG 2012 ‑ nicht vor.

2.1. Hat das Kartellgericht Feststellungen aufgrund eines Sachverständigengutachtens getroffen, kann vor dem Obersten Gerichtshof lediglich die generelle Eignung der für das Gutachten gewählten Methode, nicht aber das Ergebnis der Anwendung einer an sich geeigneten Methode überprüft werden (16 Ok 8/10 mit ausführlicher Begründung). Nur dann, wenn sich die gewählte Methode ‑ gemessen an den kartellrechtlichen Vorgaben ‑ als untauglich herausstellt, liegt eine Rechtsfrage vor (vgl Palmstorfer, Radiusklauseln auf dem Prüfstand des Kartellrechts, wbl 2010, 120, 122). Die Frage, ob der Sachverständige eine an sich geeignete Methode richtig angewandt hat und ihm dafür eine ausreichende Datenmenge zur Verfügung stand, betrifft hingegen die Überzeugungskraft des Gutachtens und damit die Beweiswürdigung (vgl RIS‑Justiz RS0127336 [T1]), die im Kartellverfahren nicht anfechtbar ist (RIS‑Justiz RS0119972, RS0123662).

2.2. Der Bundeskartellanwalt kann deshalb zwar die generelle Eignung der gewählten Methode zur Marktabgrenzung und damit die Frage der Abgrenzung des Marktes in sachlicher, räumlicher und gegebenenfalls auch zeitlicher Hinsicht bekämpfen, nicht aber die Stichhaltigkeit des verwendeten Datenmaterials.

2.3. Der Umstand, dass von ‑ wie behauptet - 700 Mitbewerbern in Wien bzw 1.800 Mitbewerbern im gesamten Einzugsgebiet (Großraum Wien) nur drei später nicht zum Zug gekommene Unternehmen Angebote gelegt haben, zeigt für sich genommen keinen Verstoß gegen zwingende Denkgesetze auf; eine Bekämpfbarkeit des Gutachtens aus diesem Grund (vgl RIS‑Justiz RS0043404, RS0043168) kommt damit nicht in Betracht. Nur ergänzend ist darauf zu verweisen, dass das Erstgericht mehrere plausible Gründe aufgezeigt hat, warum sich über den Kreis der zum Zug gekommenen Unternehmen kaum Mitbewerber am Ausschreibungsverfahren beteiligt haben (fehlende Kenntnis von der Ausschreibung; Unsicherheiten über Bausubstanz, Auftraggeber, Anforderungen und rechtliche Fragen; mangelndes Interesse; fehlende Kapazitäten; hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit; mäßig attraktive Bedingungen, da kein gegenüber dem Marktpreis deutlich überhöhter Bezugspreis).

3.1. Die Aufgabe der Marktabgrenzung bei der Beurteilung kartellrechtlicher Sachverhalte liegt darin, Wettbewerbsbeziehungen zu identifizieren (Opitz, Marktabgrenzung und Vergabeverfahren, WuW 1/2003, 37, 38). Mit der Abgrenzung eines Marktes in sowohl seiner sachlichen als auch seiner räumlichen Dimension soll ermittelt werden, welche konkurrierenden Unternehmen tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und sie daran zu hindern, sich einem wirksamen Wettbewerbsdruck zu entziehen (Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl vom 9. 12. 1997, C‑372/5 Rz 2).

3.2. Nach dem Bedarfsmarktkonzept ist die (funktionelle) Austauschbarkeit der Waren bzw Leistungen aus Sicht der Marktgegenseite wesentlich (RIS‑Justiz RS0124671, RS0116046 [T2]; Urlesberger/Haid in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz 2005 § 23 Rz 5). Demnach umfasst der sachlich relevante Markt alle Waren und Dienstleistungen, die von den Verbrauchern nach ihren Eigenschaften, Preisen und ihrem Verwendungszweck als austauschbar (substituierbar) erachtet werden.

3.3. Für die Marktabgrenzung im Zusammenhang mit Bieterabsprachen bei Ausschreibungen gilt im Grundsatz nichts anderes: Relevante Wettbewerbsbeziehungen bestehen jedenfalls zwischen all jenen Unternehmen, die ‑ aus Sicht des Ausschreibenden ‑ den gleichen Leistungskatalog oder die gleiche Produktpalette anbieten. Für die Feststellung der relevanten Wettbewerbsverhältnisse ist im Bereich der Auftragsleistungen aber nicht mehr die Substituierbarkeit einzelner Güter, sondern vielmehr die Austauschbarkeit der Anbieter von entscheidender Bedeutung. Die durch die Leistungsbeschreibung in der Ausschreibung definierte Individualität der Leistung führt daher nicht automatisch dazu, dass mit jeder einzelnen Ausschreibung ein eigener sachlich relevanter Markt nur derjenigen gebildet wird, die auch tatsächlich an der Ausschreibung teilnehmen. In den relevanten Markt sind vielmehr alle Anbieter mit vergleichbarem know‑how einzubeziehen, die aufgrund ihrer Angebotsumstellungsflexibilität in der Lage wären, den ausgeschriebenen Auftrag auszuführen. Ob sie sich am Ausschreibungsverfahren beteiligen oder nicht, ist demgegenüber unerheblich (Opitz, Marktabgrenzung und Vergabeverfahren, WuW 1/2003, 37, 43 f).

3.4. Diesem Ansatz entspricht auch die Praxis des Deutschen Bundeskartellamtes, das bei Ausschreibungen in Anwendung eines modifizierten Bedarfsmarkt‑Konzepts auf das Leistungsprofil der Unternehmen im Hinblick auf die ausgeschriebene Leistung abstellt. Demnach umfasst etwa bei Bauvorhaben der sachlich relevante Markt alle Anbieter, die Bauprojekte der jeweiligen Größenordnung auszuführen in der Lage sind (Möschel in Immenga/Mestmäcker Wettbewerbsrecht4 II § 19 GWB Rz 34; Bundeskartellamt 24. 10. 1995, WuW/E BKartA 2729, 2738 f [Hochtief/Philipp Holzmann]; Kammergericht Berlin 18. 3. 1998, WuW/E DE‑R 94, 96 [Hochtief/Philipp Holzmann]).

3.5. Auch Rüffler (Kartellrechtswidrige Bietergemeinschaften im Vergabeverfahren, RPA 2009, 288 [291 f]), stellt bei der Ausschreibung von baulichen Großprojekten auf alle Anbieter ab, die Großprojekte abwickeln können, nicht nur auf die sich an einer Ausschreibung beteiligenden Unternehmen.

3.6. Im Zusammenhang mit der Prüfung der kartellrechtlichen Zulässigkeit von Bietergemeinschaften bei Ausschreibungen vertritt Immenga (Bietergemeinschaft im Kartellrecht ‑ ein Problem potentiellen Wettbewerbs, DB 1984, 385) eingangs und ohne nähere Begründung die Auffassung, dass durch Ausschreibungen jeweils isolierte Märkte entstünden, an denen neben dem Auftraggeber allein die ein Angebot abgebenden Unternehmer beteiligt seien. Sein Aufsatz ist aber insoweit nicht einschlägig, als er sich auf eine kartellrechtliche Stellungnahme zu Bietergemeinschaften beschränkt, ohne sich eingehender mit Fragen der Marktabgrenzung zu beschäftigen.

4.1. Zutreffend hat das Erstgericht daher für Zwecke der Marktabgrenzung auf den Kreis jener Unternehmen abgestellt, die grundsätzlich in der Lage waren, die ausgeschriebenen Leistungen zu erbringen.

4.2. Weshalb die Sachverständigen den hypothetischen Monopolistentest nicht angewendet haben, haben sie (und ihnen folgend das Erstgericht) nachvollziehbar begründet. Nach ständiger Rechtsprechung ist dieser Test auch keineswegs mechanisch anzuwenden (RIS‑Justiz RS0124671 [T3]).

4.3. Soweit der Bundeskartellanwalt die Marktabgrenzung auf die Teilnehmer des Vergabeverfahrens beschränken will, ist dies ‑ entgegen den Rekursausführungen ‑ keine Frage der zeitlichen Marktabgrenzung (dazu Götting in Löwenheim/Meessen/Riesenkampff Kartellrecht² § 19 GWB Rz 24), wäre doch in einem solchen Fall der Teilnehmerkreis innerhalb des betreffenden Zeitfensters unbeschränkt. In zeitlicher Hinsicht kann der relevante Markt naturgemäß nur jene Unternehmen erfassen, die während offener Ausschreibungsfrist als Mitbewerber in Betracht kämen. Daher scheiden etwa all jene Unternehmen aus, die erst in der Folge gegründet wurden.

4.4.1. Auf den zeitlichen Aspekt kommt es bei der Marktabgrenzung nur in Ausnahmefällen an. Funktionsfähiger Wettbewerb ist nämlich gar nicht denkbar, ohne dass temporär wirtschaftliche Macht entsteht und wieder untergeht (Nachweise bei Opitz, Marktabgrenzung und Vergabeverfahren, WuW 1/2003, FN 15). So kann die zeitliche Begrenzung des Markts erforderlich sein, wenn sich die Substitutionselastizität im Zeitablauf ändert, wie etwa bei saisonalen Schwankungen (4 Ob 165/98p), oder wenn sich die Stellung eines missbräuchlich auftretenden Unternehmers am relevanten Markt ändert (Hoffer, Kartellgesetz 91; vgl auch Richter in Wiedemann, Kartellrecht² § 20 Rz 33 ff). Weitere Beispiele sind etwa Fälle von Sport-, Musik- oder Messeveranstaltungen, wo das temporäre Anbieten einer Leistung für die Nachfrager situativ nicht wiederholbar ist oder die Nachfrager zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Zwangsbedarf decken müssen. Auch beschränkte Ausschreibungen sind hier zu nennen (vgl Wiedemann in Wiedemann, Kartellrecht² § 23 Rz 13; Bergmann in Löwenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht² Art 82 EG Rz 88 f).

4.4.2. Keiner dieser Fälle ist hier gegeben. Auch dann, wenn Angebot und Nachfrage im Wege eines förmlichen Vergabeverfahrens aufeinander treffen, dürfen bei der Marktabgrenzung nicht die Ausweichmöglichkeiten ausgeblendet werden, die für Auftraggeber oder Bieter außerhalb des Vergabeverfahrens bestehen. Vom übrigen Wirtschaftsgeschehen losgelöste Wettbewerbsbeziehungen der Bieter bestehen auch im Vergabeverfahren nicht (Opitz, Marktabgrenzung und Vergabeverfahren, WuW 1/2003, 37, 40 f). Einer zeitlichen Marktabgrenzung bedarf es daher im Anlassfall nicht.

4.5. Gegen die in den Rekursen vertretene Auffassung, es sei lediglich auf die tatsächlichen Bieter bzw jene potentiellen Bieter abzustellen, die ihre prinzipielle Bereitschaft zur Teilnahme am Bieterverfahren etwa durch Anforderung von Unterlagen zum Ausdruck gebracht haben, spricht auch, dass eine derartige Einschränkung immer erst ex post erfolgen könnte. Da die Geldbuße nach der KartGNov 2002 nach ihrem Zweck und ihrer Wirkung eine Sanktion mit strafrechtsähnlichem Charakter ist (vgl RIS‑Justiz RS0120560), wäre ein derartiges Ergebnis mit dem Prinzip der Rechtssicherheit und erforderlichen Vorhersehbarkeit rechtswidrigen Verhaltens (vgl auch § 1 Abs 1 StGB) unvereinbar, zumal der Gesetzgeber § 2 Abs 2 Z 1 KartG gerade aus Gründen der Rechtssicherheit eingeführt hat (ErläutRV KartG 2005, 926 BlgNR 22. GP 5). Die Bedeutung des Grundsatzes der Rechtssicherheit im Europäischen Wettbewerbsrecht hat auch der Europäische Gerichtshof wiederholt betont (vgl EuGH 14. 10. 2010, C‑280/08p ‑ Deutsche Telekom Rz 202).

4.6. In der Auffassung des Erstgerichts, es sei auf den Horizont der Antragsgegner bei Anbotslegung abzustellen, ist daher kein Rechtsirrtum zu erblicken. Die Auffassung, dass für die Marktabgrenzung entscheidend ist, welche anderen Marktteilnehmer ein Unternehmen als seine Konkurrenten ansieht, wurde auch in anderem Zusammenhang bereits vom Obersten Gerichtshof gebilligt (16 Ok 15/08 ‑ gratis Wochenzeitung).

4.7. Es entspricht herrschender Auffassung, den potentiellen Wettbewerb an Hand einer ex ante-Prognose zu beurteilen und alle jene Wettbewerber darin einzubeziehen, die realistischerweise Willens sind, Investitionen und Kosten auf sich zu nehmen, um die nachgefragten Produkte oder Leistungen kurzfristig auf den Markt zu bringen (Hoffer, Kartellgesetz 32).

4.8. Der Umstand, dass bestimmte Unternehmen keine Ausschreibungsunterlagen erworben und kein Angebot kalkuliert und eingereicht haben, ist daher für die Frage der Marktabgrenzung rechtlich unerheblich. Aus dem bloßen Umstand, dass letztlich keine weiteren Bieter Anbote legten, kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass der Wettbewerb von vornherein bereits aus rechtlichen oder faktischen Gründen ausgeschlossen war. Zutreffend verweist das Erstgericht darauf, dass dies aus Sicht der tatsächlichen Bieter nichts an der Ungewissheit darüber ändert, wer letztendlich Angebote abgeben wird. Zu Recht führt Opitz in diesem Zusammenhang aus, dass der Verhaltensspielraum bei der Angebotsabgabe keineswegs nur durch die Mitbieter beschränkt ist, sondern durch alle Unternehmen, die sich in sachlicher und räumlicher Hinsicht als aktuelle Konkurrenten darstellen. Dass tatsächlich nicht alle dieser Konkurrenten zu aktuellen Mitbietern im Wettbewerb um den einzelnen Geschäftsabschluss werden, sondern einige potentielle Mitbieter bleiben, offenbart sich immer erst ex post (Opitz, Marktabgrenzung und Vergabeverfahren, WuW 1/2003, 37, 41).

4.9. Soweit der Bundeskartellanwalt mit mangelndem Geheimwettbewerb argumentiert, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt (vgl RIS‑Justiz RS0123662, RS0119972, RS0043312 [T11]).

5. Nicht einschlägig ist die Entscheidung des BGH vom 2. 7. 1999 (KZR 48/97 = WuW 1999, 1103). Danach kann ein relevanter Markt auch ein bloß temporärer Markt sein, der durch ein Versteigerungsverfahren eines einzelnen Grundstücks oder Unternehmens entsteht. Der Sachverhalt betraf eine Liegenschaft auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, die vom Alteigentümer zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt enteignet worden war. Bis zur Wiedervereinigung wurde die Liegenschaft von der Zollverwaltung der DDR als Ferienobjekt genutzt; danach stand sie im Eigentum der ‑ wiedervereinigten -Bundesrepublik Deutschland, verwaltet durch das Bundesvermögensamt Potsdam. Sowohl der Pächter der Liegenschaft, der dort einen Hotelbetrieb führte, als auch die Erben des enteigneten Alteigentümers hatten Interesse am Erwerb der Liegenschaft. Das Bundesvermögensamt bot daraufhin dem Pächter und der Erbengemeinschaft die Liegenschaft im Rahmen eines genau auf die beiden beschränkten Ausschreibungsverfahren zum Kauf an. Um den für die Liegenschaft zu zahlenden Preis niedrig zu halten, schlossen diese eine kartellrechtswidrige Vereinbarung, die letztlich dazu führte, dass der Pächter sein ursprüngliches Angebot von 290.000 DM auf 190.000 DM reduzierte, während die Erbengemeinschaft ein „Höchstgebot“ von 200.000 DM abgab. Letztlich erfolgte der Verkauf der Liegenschaft nach Widerruf der beschränkten Ausschreibung um einen Preis von 400.000 DM. Damit betraf diese Entscheidung einen Fall, in dem das Bundesvermögensamt das Ausschreibungsverfahren für das zum Kauf angebotene Grundstück von vornherein auf zwei bestimmte Bieter beschränkt hat. Damit konnte der Nachfragewettbewerb aber nur unter diesen zwei Beteiligten stattfinden. Die Grundsätze dieser Entscheidung lassen sich daher nicht auf den Fall einer offenen Ausschreibung wie im Anlassfall übertragen.

6.1. Nicht einschlägig sind auch die vom Bundeskartellanwalt zitierten deutschen Belegstellen zur „Spürbarkeit“ einer Beschränkung im Bieterverfahren.

6.2. Nach einer Entscheidung des Landesgerichts Düsseldorf (8. 3. 2007, 24b Ns 9/06 - Abschleppdienste Polizeipräsidium Düsseldorf = WuW 2007, 1135 ff) ist die Spürbarkeit derartiger Absprachen prinzipiell zu bejahen. Diese Entscheidung betrifft jedoch das Erfordernis der spürbaren Auswirkung der Wettbewerbsbeschränkung als (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal des § 1 GWB, sodass daraus keine Rückschlüsse für die im vorliegenden Fall allein anzuwendende Bestimmung des § 2 Abs 2 Z 1 KartG gezogen werden können. In Österreich stellt das Gesetz in § 2 Abs 2 Z 1 KartG nicht auf die (fehlende) Spürbarkeit, sondern ausschließlich darauf ab, ob an dem Kartell ausschließlich Unternehmer beteiligt sind, die bestimmte Marktanteile nicht erreichen.

6.3. Aus dem selben Grund ist auch aus den Ausführungen von Zimmer (in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht4 II GWB § 1 Rz 169 mwN) für den Standpunkt der Rekurswerber nichts zu gewinnen. Danach sei die Spürbarkeit von Submissionsabsprachen im Baugewerbe regelmäßig zu bejahen, auch ohne quantitative Feststellungen über die Marktstellung der Abspracheteilnehmer treffen zu müssen. Bei einer beschränkten Ausschreibung verändere eine Absprache zwischen zwei von neun Wettbewerbern die Konkurrenzsituation bereits spürbar. Abgesehen davon, dass Zimmer nur die Spürbarkeit, nicht aber die Ausnahme für Bagatellkartelle behandelt, beziehen sich seine Ausführungen zudem auf eine beschränkte Ausschreibung und lassen sich deshalb nicht auf den vorliegenden Fall übertragen.

7. Nicht einschlägig ist auch die Entscheidung der Kommission Metronet/Infraco (Kommission 21. 6. 2002, COMP/M.2694). Diese Entscheidung betrifft nämlich nicht die Abgrenzung des relevanten Markts, sondern die Frage, ob auf dem Ausschreibungsmarkt Wettbewerb tatsächlich ausgeübt wird. Die Kommission geht davon aus, dass in bestimmten Ausschreibungsmärkten mit wenigen Ausschreibungen in einem langen Zeitraum hohe Marktanteile allein oft nicht aussagekräftig sind. Aus diesem Grund berücksichtigt die Kommission in Ausschreibungsmärkten bei der Beurteilung eines Zusammenschlusses auch das Bieterverhalten der Unternehmen, um festzustellen, wie effektiv die Wettbewerbskräfte auf dem bereits abgegrenzten Markt tatsächlich sind. Dabei ist in einem ersten Schritt die Marktabgrenzung vorzunehmen (dort war dies der Markt für die Belieferung mit unterirdischen Schienenfahrzeugen). Erst in einem zweiten Schritt ist sodann die Auswirkung des Zusammenschlusses auf dem relevanten Markt zu beurteilen. Hingegen kann aus dieser Entscheidung nicht abgeleitet werden, dass das tatsächliche Bieterverhalten die Abgrenzung des Marktes bestimmt.

8.1. Soweit sich die Rekurswerber auf die Entscheidung der Schweizer Wettbewerbskommission betreffend die Betonsanierung am Hauptgebäude der Schweizerischen Landesbibliothek (Wettbewerbskommission 17. 12. 2001, Recht und Politik des Wettbewerbs 2002/1, 141 Rz 26 ff) beziehen, verkennen sie, dass diese Entscheidung ein selektives (nicht offenes) Vergabeverfahren betraf, lag ihr doch ein Fall zugrunde, in dem die Anzahl der Bieter durch den Auftraggeber auf vier beschränkt wurde. Damit war die Ausschreibung ‑ anders als hier ‑ nicht offen, weil dort auch keine Unsicherheit über die Beteiligung weiterer potentieller Anbieter als disziplinierende Wettbewerbskräfte bestand. Die Wettbewerbskommission betonte in dieser Entscheidung auch, dass ein temporär relevanter Markt erst durch die Beschränkung der Bieterzahl entstanden ist (RPW 2002/01, 141 f).

8.2. Die weitere vom Bundeskartellanwalt zitierte Entscheidung der Schweizer Wettbewerbskommission (RPW 2003/4, 726 ff ‑ Baumeisterverband) betraf die kartellrechtliche Zulässigkeit eines Reglements des Schweizerischen Baumeisterverbandes, das die Verhaltensweisen im Fall der Teilnahme an einer Ausschreibung regelte. Auch dieser Entscheidung ist nicht zu entnehmen, dass bei Ausschreibungen der relevante Markt generell auf den Kreis der tatsächlichen Bieter einzuschränken wäre; sie betont vielmehr, dass der Markt für jeden Einzelfall zu bestimmen und dabei nach der Art der Ausschreibung zu differenzieren sei. Lediglich dann, wenn es sich um selektives Verfahren handle, könne der relevante Markt auf die ausgewählten Bieter beschränkt werden.

8.3. Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht betonte in seiner Entscheidung vom 1. 6. 2012 (B‑420/2008, Implenia Punkt 9), dass der sachlich relevante Markt durch die öffentlich publizierten Eignungskriterien und durch die Ausschreibungsunterlagen schon im Voraus definiert werde und sich im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Markt leicht ermitteln lasse. Eine Eingrenzung auf die tatsächlichen Bieter nimmt das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht vor. Der Auffassung der Schweizer Wettbewerbskommission, wonach jede Submission als ein eigener relevanter Markt mit beschränkter Dauer zu betrachten ist, folgte das Bundesverwaltungsgericht nicht. Vielmehr könne für Straßenbauprojekte der Ansatz, wonach jede „Submission“ als eigener relevanter Markt mit beschränkter Dauer zu betrachten sei, keine praktische Bedeutung erlangen. Die Beschaffungsstellen des Kantons Tessin schrieben laufend Straßenbauprojekte aus, sodass die Anbieter nicht nur punktuell zwischen Beginn der Ausschreibung und Vertragsschluss in Konkurrenz zueinander stünden, sondern auch im Zeitraum zwischen den einzelnen Ausschreibungen.

9.1. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 13. 12. 1983 (WuW/E BGH 2050 ‑ Bauvorhaben Schramberg) vertritt der Bundeskartellanwalt die Auffassung, es sei nicht nur die objektive Befähigung zum Markteintritt, sondern auch die subjektive Bereitschaft zum Markteintritt zu überprüfen. Diese bestimme sich danach, ob die Teilnahme am Markt wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig sei (Zimmer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht4 Band II GWB § 1 Rz 117).

9.2. Dieser Überlegung hat das Erstgericht jedoch der Sache nach ohnedies Rechnung getragen, indem es zwar nicht auf die (ohnedies nicht verlässlich zu überprüfende) subjektive Bereitschaft der in Betracht kommenden Unternehmen, sich an der Ausschreibung zu beteiligen, sondern darauf abgestellt hat, welche Unternehmen die verlangten Anforderungen erfüllen konnten und daher bei einer ex ante-Betrachtung den Antragsgegnern als ernstzunehmende Konkurrenten erscheinen mussten. Dabei berücksichtigte das Erstgericht ‑ gestützt auf das Sachverständigengutachten ‑ nicht nur die eigentliche Leistung, sondern auch zusätzliche Anforderungen (wie Nachweis der Eignung und Zuverlässigkeit, der finanziellen, wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit), „kulturelle“ Faktoren (etwa die Erwartungshaltung möglicher Interessenten, dass ohnehin die schon bisher für Wiener Wohnen tätigen Unternehmen zum Zug kommen würden, weshalb eine Beteiligung am Verfahren aussichtslos sei) und die Frage, ob das behauptete Kartell potenzielle Wettbewerbskräfte ausschließen oder zumindest schwächen konnte. Eine Überprüfung der Auslastung aller in Betracht kommenden Installationsunternehmen im relevanten Zeitraum hatte hingegen nicht zu erfolgen, zumal dieses Kriterium auch den Antragsgegnern in Anbetracht der großen Zahl von Installationsunternehmen im Großraum Wien gar nicht bekannt sein konnte. Damit ist aber ausgeschlossen, dass Überlegungen dahin, andere Marktteilnehmer würden sich im Hinblick auf ihre Vollauslastung von vornherein nicht an der Ausschreibung beteiligen, die Marktkräfte im gegenständlichen Ausschreibungsverfahren beeinflussen konnten.

10.1. Der Bundeskartellanwalt vertritt unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH (BGH 13. 7. 2004, KVR 2/03, WuW/E DE‑R 1301, 1303 ‑ Sanacorp/ANZAG; BGH 7. 2. 2006, KVR 5/05 ‑ DB Regio/üstra) die Auffassung, es komme auch auf die historischen Marktanteile an. Gerade dann, wenn ein hoher Marktanteil über Jahre hinweg unangefochten bestehe, deute dies darauf hin, dass anderen möglicherweise gegenläufigen Faktoren keine entscheidende Bedeutung zukomme. Je höher der Marktanteil sei, desto höhere Anforderungen seien an die Feststellung wirksamer gegenläufiger Faktoren zu stellen.

10.2. Die in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen ergingen in Fusionskontrollverfahren und sind daher schon aus diesem Grund nicht ohne weiteres einschlägig. Zudem berücksichtigt der Bundeskartellanwalt bei seiner Argumentation nicht, dass es sich hier um ein völlig geändertes, erstmals zur Anwendung kommendes Vergabeverfahren handelt. Schon aus diesem Grund sind zuvor bestehende Marktanteile von geringerer Aussagekraft. So räumt auch der BGH in der Entscheidung DB Regio/üstra ein, dass der Umstand, dass der hohe Marktanteil der DB Regio unter anderen rechtlichen Rahmenbedingungen entstanden ist, die Aussagekraft, die ihm im Hinblick auf die gegenwärtige und in naher Zukunft zu erwartende Marktstellung zukommt, verringert. Allerdings lasse dieser Umstand die Bedeutung der Marktanteile nicht zur Gänze entfallen. Denn gerade bei der Umwandlung von staatlich angeordneten oder geschützten Monopolen in funktionsfähige wettbewerbliche Strukturen dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Monopoltradition nachwirke und das Nachfrageverhalten zugunsten des vormaligen Monopolisten beeinflussen könne. Im Anlassfall ist hingegen kein staatliches Monopol betroffen, sodass die diesbezüglichen Überlegungen des BGH nicht zum Tragen kommen.

10.4. Soweit nach der Entscheidung des BGH DB Regio/üstra auch die technische Komplexität des Produkts bzw der Dienstleistung und das organisatorische know‑how zu berücksichtigen sind, hat das Erstgericht, gestützt auf das Sachverständigengutachten, ohnedies eine entsprechende Differenzierung vorgenommen und darauf hingewiesen, dass eine Marktabgrenzung, welche etwa die Umsätze aller Installationsunternehmen einbezöge, jedenfalls zu weit wäre, weil damit auch Unternehmen mit Spezialisierung auf Industrieanlagen, Kühlhäuser, Abfüllanlagen etc erfasst würden.

11.1. Der Bundeskartellanwalt macht geltend, dass die Berechnung der Marktanteile für den gesamten Betrachtungszeitraum (also vom Abschluss des behaupteten Kartells im Jahr 2007 bis in die Gegenwart) ermittelt wurde. Richtigerweise gebe es nur zwei mögliche Zeitpunkte für eine ex‑ante‑Untersuchung: den Zeitraum 10. 2. 2007 bis 8. 5. 2007, in dem die Unsicherheit über die teilnehmenden Unternehmen deutlich größer war als im nachfolgenden Zeitraum 10. 5. 2007 bis 25. 5. 2007, als bereits die Namen der grundsätzlich teilnehmenden Bieter bekannt waren, jedoch alle Bieter nochmals die Gelegenheit wahrgenommen haben, ihre Angebote zu überarbeiten. Die Überlegungen des Gerichts hinsichtlich der „Offenheit“ des Verfahrens und der „Ungewissheit“ über weitere Bieter könnten nur zutreffen, wenn als zeitlich relevanter Markt die Periode zwischen 10. 2. 2007 und 8. 5. 2007 herangezogen werde.

11.2. Diese Einwände sind schon deshalb nicht stichhaltig, weil das Erstgericht nicht festgestellt hat, dass im späteren Zeitraum eine Änderung des Kreises der als Bieter in Betracht kommenden Unternehmen eintrat. Auch wurde nicht festgestellt, dass zwischen 10. 5. 2007 und 25. 5. 2007 die Namen der teilnehmenden Bieter bereits bekannt gewesen wären.

12. Den Rechtsmittelwerbern gelingt es demnach nicht, Zweifel an der vom Erstgericht gezogenen Marktabgrenzung zu wecken. Die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 2 Z 1 KartG gelangt damit zur Anwendung.

13. Damit erübrigt sich aber ein Eingehen auf die weiteren Rekursausführungen. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass zwar nicht jeder Kartellant eine aktive Maßnahme setzen muss (vgl RIS‑Justiz RS0122742). Allein eine Personalunion des Geschäftsführers einer KG mit dem Komplementär und dem Geschäftsführer der Kommanditistin führt aber noch nicht zu einer Haftung der Kommanditistin für Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft, wenn nicht vorgebracht wird, dass und warum der Kommanditistin das Verhalten der betreffenden Person als Geschäftsführer der Komplementärin zugerechnet werden muss oder dass und inwiefern diese Person als Geschäftsführer der Kommanditistin eigenes kartellrechtswidriges Verhalten gesetzt hat. Zu Recht hat das Erstgericht daher die Passivlegitimation der 38. Antragsgegnerin verneint.

14. Im Hinblick auf das Vorliegen des Ausnahmetatbestands nach § 2 Abs 2 Z 1 KartG muss auch nicht auf die Frage eingegangen werden, ob gegen einen Kronzeugen ein Feststellungsantrag zulässig ist (vgl zur aktuellen Rechtslage nunmehr § 28 Abs 1a Z 1 KartG).

15. Zusammenfassend erweist sich der Beschluss des Erstgerichts als frei von Rechtsirrtum, sodass den unbegründeten Rekursen ein Erfolg zu versagen war.

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