OGH 4Ob205/12v

OGH4Ob205/12v19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. R***** S*****, vertreten durch die GUGERBAUER & Partner Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH & Co OG, *****, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Vertragszuhaltung (Streitwert 36.000 EUR), Feststellung (Streitwert 4.000 EUR) und einstweilige Verfügung (Streitwert 4.000 EUR) sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 18. September 2012, GZ 1 R 145/12t-41, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die beklagte Kfz-Generalimporteurin kündigte dem klagenden Vertragspartner mit Schreiben vom 13. 7. 2010 den Servicevertrag zum 31. 7. 2012 wegen mangelhafter Kundenzufriedenheit auf.

Der Kläger beantragt (zusammengefasst), der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, den Servicevertrag inhaltlich fortzusetzen.

Das Erstgericht erließ die beantragte Verfügung, das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kündigungsgrund der mangelnden Kundenzufriedenheit sei objektiv nachvollziehbar, zumal der Kläger in einer entsprechenden Studie auf Platz 275 von 278 gelegen sei. Die Kündigung sei damit wirksam; nachfolgende Anstrengungen des Klägers seien unbeachtlich, weil wegen der Vertragsfreiheit keine Verpflichtung des Lieferanten bestehe, die Kündigung zurückzunehmen.

Der Kläger macht in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs geltend, die Beklagte habe durch das bloße Ranking keinen sachlichen Grund für die Kündigung bescheinigt. Die Kündigung durch einen marktbeherrschenden Lieferanten sei - wie hier - jedenfalls dann unsachlich und missbräuchlich, wenn sie nach unbilligen Standards zu dessen überwiegenden Nutzen erfolge. Sie begründe einen Verstoß gegen § 5 KartG und § 1 UWG.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

1. Auf unbestimmte Zeit eingegangene Dauerschuldverhältnisse können nach allgemeinem Zivilrecht im Regelfall auch ohne wichtigen Grund aufgelöst werden. Zwar muss dem Händler eine ausreichende Frist für die Umstellung seines Geschäftsbetriebs zur Verfügung stehen und allenfalls kann sich aus dem Zweck des Vertrags oder aus anderen Gründen ergeben, dass eine Kündigung nur bei Vorliegen sachlicher Gründe möglich ist. Die Notwendigkeit des Vorliegens sachlicher Gründe kann sich auch aus einer marktbeherrschenden Stellung einer Vertragspartei ergeben. Die für eine ordentliche Kündigung erforderlichen sachlichen Gründe müssen allerdings nicht so schwer wiegen, dass auch eine außerordentliche (fristlose) Kündigung berechtigt wäre. Vielmehr genügt es, dass die Kündigung auf einem objektiv nachvollziehbaren und von der Rechtsordnung nicht verpönten Grund beruht (4 Ob 119/09t).

2. Ob ein solcher Grund vorliegt, kann nur anhand einer Gesamtbetrachtung im Einzelfall beurteilt werden (vgl 4 Ob 73/12g; 4 Ob 106/12k; 16 Ok 1/12).

3. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bescheinigt, dass die Kundenzufriedenheitswerte der Werkstätte des Klägers für das erste Halbjahr 2010 den Rang 275 von 278 Betrieben ergab. Wenn das Rekursgericht diesen Umstand als objektiv nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt für eine ordentliche Kündigung - bei Einhaltung einer zweijährigen Kündigungsfrist - beurteilte und eine Verletzung von § 5 KartG bzw § 1 UWG verneinte, so ist dies schon aufgrund des anzuerkennenden Interesses der Beklagten an einem tadellosen Image ihrer Marke vertretbar.

4. Die vom Kläger zur Begründung seines Anspruchs zitierte Entscheidung des EuGH Rs C-158/11 ist nicht einschlägig, zumal auf den vorliegenden Sachverhalt nicht mehr die Kfz-GVO 1400/2002 , sondern die Kfz-GVO 461/2010 anzuwenden ist, welche ua die Schutzvorschrift der ausführlichen Begründung der Kündigung nicht mehr enthält (Flohr/Pohl in Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfrei-stellungsverordnungen2 § 2 Rn 71; Haid/Xeniadis, Paradigmenwechsel für den Kfz-Vertrieb, ecolex 2010, 638 [das - ähnliche Regelungen enthaltende - Kraftfahrzeug-sektor-Schutzgesetz, BGBl I 2013/11 tritt erst mit 1. 6. 2013 in Kraft]). Überdies richtet sich das Begehren im vorliegenden Fall auf Fortwirkung des Servicevertrags und nicht wie in dem der Entscheidung C-158/11 zugrundeliegenden Fall auf Abschluss eines neues Vertrags. Die Argumente des Europäischen Gerichtshofs sind daher nicht ohne weiteres übertragbar.

Der ursprünglich geschlossene Serviecevertrag wurde durch ordentliche Kündigung wirksam beendet. Im Übrigen hat der Europäische Gerichtshofs in der genannten Entscheidung bloß festgehalten (Rz 33), dass bei qualitativen selektiven Vertriebssystemen schon die VO verlange, dass die Auswahlmerkmale einheitlich gelten müssten und nicht in diskriminierender Weise angewandt werden dürften. Von einer Diskriminierung des Klägers kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.

In Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers daher zurückzuweisen.

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