OGH Okt3/93

OGHOkt3/9314.6.1993

Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch seine stellvertretende Vorsitzende Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß sowie durch seine weiteren Mitglieder Kommerzialräte Hon.-Prof.Dr.Smolka, Dr.Bauer, Dkfm. Dr. Grünwald, Dr. Rauter, Dr. Reindl und Dr. Slezak in der Kartellrechtssache des Antragstellers S*****verband *****, ***** vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer und Dr. Martin Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin S*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Andreas Puletz und Dr. Franz Stadler, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung des Mißbrauches einer marktbeherrschenden Stellung, infolge Rekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien vom 16. Dezember 1992, GZ 3 Kt 620/91-34, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit S 10.207,80 bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin S 1.701,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist ein Verein, dessen Zweck es ist, unlauteren Wettbewerb, und zwar insbesondere geschäftsschädigende Praktiken im Wirtschaftsleben zu bekämpfen. Zu seinen Mitgliedern gehört das Bundesgremium des Fahrzeughandels.

Die Antragsgegnerin ist Generalvertriebsberechtigte für Fiat- und Lancia-PKW und deren Ersatzteile in Österreich. Zwischen ihr und ca. 100 Gebietshändlern besteht eine zu 4 Kt 748/90 des Kartellgerichtes angezeigte Vertriebsbindung. Dieser Vertriebsbindung liegen Vereinbarungsmuster zugrunde, in denen insbesondere der Ausschluß des Verkaufes und der Vermittlung von Konkurrenzfabrikaten durch die Händler sowie die Verpflichtung zu Kundendienstleistungen und zur Haltung eines entsprechend großen Lagers von Originalersatzteilen festgelegt ist.

Ein Markenwechsel ist für einen Gebietshändler mit Nachteilen verbunden. Die für Kundendienstleistungen erforderlichen markenspezifischen Werkzeuge und Testgeräte sind für ihn nur bedingt weiter verwendbar. Etwa die Hälfte des Personals eines Vertragshändlers muß jährlich zwei bis drei Wochen markenspezifisch geschult werden; der dafür notwendige Aufwand ist bei einem Markenwechsel weitgehend verloren. Bei Beendigung des Vertragsverhältnisses ist der bindende Generalimporteur zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, Vertragsware zurückzunehmen. Insbesondere nicht zurückgenommene Ersatzteile sind weitgehend entwertet. Schließlich ist auch der Kundenstock bis zu einem gewissen Grad an die Marke gebunden. Der erwähnten Vertriebsbindung gehören auch mehrere Tochterunternehmen der Antragsgegnerin an; darunter die A*****-F***** *****gesellschaft mbH, die A*****-S*****gesellschaft mbH sowie die S*****gesellschaft mbH. Auf die Tochterunternehmen entfallen ungefähr 30 % des Verkaufsvolumens.

Ein Teil der Gebietshändler hat vertragliche Bindungen zu Lokalhändlern. Diese beziehen die Vertragsware von den Gebietshändlern und erhalten einen Wiederverkaufsrabatt, der um 2 bis 3 % unter dem von der Antragsgegnerin dem Gebietshändler eingeräumten Rabatt liegt. Der Wiederverkaufsrabatt der Antragsgegnerin beträgt bei den einzelnen Fiat-Typen:

PANDA L 14 %; PANDA sonstige 16 %; UNO 16 %; TIPO 16 %; TEMPRA 1,6 17 %; TEMPRA sonstige 18 %; CROMA 20 %; FIORINO 17 %; DUCATO 20 %.

Der von den Vertragshändlern gewährte Kundenrabatt ist regional verschieden; er bewegt sich zwischen 8 und 15 % des Listenpreises.

Die Antragsgegnerin gewährt Vertragshändlern bei größeren Investitionen aufgrund besonderer Vereinbarungen Investitionszuschüsse, die der Antragsteller als "Neuhändler-Rabatt" bezeichnet. Diese betragen 3 bis 5 % des Neuwagen-Jahresumsatzes, wobei die Unterstützung jährlich um 1 % vermindert wird. Bisher haben ca. 25 Gebietshändler einen derartigen Zuschuß erhalten; unter ihnen war als einziges Tochterunternehmen der Antragsgegnerin die A*****gesellschaft mbH. Die Investitionsstützungen werden jährlich oder halbjährlich dem Vertragshändler gutgeschrieben.

Die Antragsgegnerin räumt ihren Tochterunternehmen keine anderen Rabatte ein als ihren übrigen Vertragshändlern. Soweit Sonderrabatte gewährt wurden, hatte dies seinen Grund im Zustand der Fahrzeuge. Den Mitgliedern der Rabattverschaffungsorganisation G***** wurde vom Geschäftsführer der A*****-S*****gesellschaft mbH zwar ein Rabatt von 18 % für Fiat- und Lancia-Neuwagen zugesagt; über Intervention der Geschäftsführung der Antragsgegnerin aber nie gewährt.

Das Kartellgericht konnte nicht feststellen, daß die Antragsgegnerin in den letzten Jahren Verluste ihrer Tochterunternehmen ausgeglichen hätte.

Im Frühjahr 1991 ließ die Antragsgegnerin in Tageszeitungen folgendes Inserat einschalten:

Am 20.6.1990 richtete die Antragsgegnerin ein Rundschreiben und ein weiteres undatiertes Schreiben an alle Vertragshändler. Das zuletzt genannte Schreiben lautet:

Das Rundschreiben vom 20.6.1990 hat folgenden Inhalt:

Das Ziel der Aktion, den Umsatz in den verkaufsschwachen Sommermonaten zu steigern, konnte erreicht werden. Aufgrund der Inserate gingen Interessenten davon aus, daß der Normalpreis gesenkt worden sei; sie verlangten daher zusätzlich die bisher üblichen Rabatte. Dem der Vertriebsbindung zugrundeliegenden Vertragsmuster ist nicht zu entnehmen, daß die Vertragshändler an die Ankündigung einer Preissenkung durch die Antragsgegnerin gebunden wären. Vertragshändler wie die S***** GesmbH & Co KG, die Firma V***** und die A***** F*****gesellschaft mbH haben ihre bisherige Praxis bei der Gestaltung der Verkaufspreise ohne Rücksicht auf die Inseratenkampagne der Antragsgegnerin beibehalten. Das Kartellgericht konnte nicht feststellen, daß Tochterunternehmen der Antragsgegnerin im Zuge dieser Aktion höhere als die üblichen Kundenrabatte gewährt hätten.

Die Antragsgegnerin wurde wegen der Inseratenkampagne von einem Mitbewerber beim Handelsgericht Wien zu GZ 18 Cg 57/90 geklagt. Sie verpflichtete sich mit Vergleich vom 27.8.1990 zur Unterlassung von zur Irreführung geeigneten Angaben über geschäftliche Verhältnisse, insbesondere die Preisbemessung bzw. Preisherabsetzung einerseits durch Erwecken des Anscheines einer Absenkung des Mehrwertsteuersatzes, obwohl es sich lediglich um eine befristete Preisherabsetzung für Fahrzeuge der Type Fiat TIPO handelt, und andererseits Preisherabsetzungen überregional für Fiathändler anzukündigen, "womit der Eindruck erweckt wird, daß die angekündigte Preisherabsetzung von sämtlichen Fiat-Händler Betrieben gewährt wird, und daher keine Abweichungen möglich sind, ohne daß ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß es sich dabei lediglich um eine unverbindliche Empfehlung zur Preisreduzierung handelt, an die die Händler aber nicht gebunden sind".

Die Vertragshändler, und zwar zumindest jene, die im Verband der Österreichischen Steyr-Fiat-A-Händler zusammengeschlossen sind, distanzierten sich von der Werbeaktion. Sie vertraten in einem Schreiben an die Antragsgegnerin vom 27.6.1990 die Auffassung, daß die Werbeaktion zu einer Verringerung der Händlerspanne führen würde, der die Händler nicht zugestimmt hätten. In Fällen, in denen Wiederverkäufer bereits mit Kunden Rabattvereinbarungen oder Preisvereinbarungen getroffen hatten, gewährte die Antragsgegnerin "Minusdeckungsbeiträge". Österreichweit waren dies etwa S 150.000.

Der Antragsteller begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Untersagungsanspruches, der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung zu verbieten,

a (i) unter Hinweis auf bevorstehende Gesetzesänderungen, insbesondere Steuersenkungen, Preisherabsetzungen von Fiat-Modellen Konsumenten gegenüber anzukündigen, wenn diese in der Werbung herausgestrichenen Preisherabsetzungen von den Vertragshändlern im Rahmen ihrer Wiederverkaufsspanne getragen werden müssen;

(ii) in eventu: unangemessene Einkaufs- und/oder Verkaufspreise von Vertragshändlern zu erzwingen,

b zusätzliche Wiederverkaufsrabatte an Vertragshändler ohne sachliche Rechtfertigung einzuräumen, insbesondere wenn es sich dabei um eigene Tochterunternehmungen handelt.

Die Antragsgegnerin nehme als Generalimporteur für Fiat- und Lancia-Modelle in Österreich im Verhältnis zu ihren Abnehmern, den österreichischen Fiat-Vertragshändlern, eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 34 Abs 2 KartG ein. Der Abbruch der Geschäftsbeziehungen würde die Existenz der Vertragshändler gefährden, wenn nicht vernichten. Ein solcher Abbruch wäre für den Fall zu befürchten, daß sich ein Fiathändler nicht den für alle Händler angekündigten Werbeaktionen des Generalimporteurs anschließe.

Die Antragsgegnerin mißbrauche ihre marktbeherrschende Stellung dadurch, daß sie ihre Tochterunternehmen bevorzuge, indem sie ihnen sachlich nicht gerechtfertigte "Neuhändler-Rabatte" von 5 % gewähre. Die Tochterunternehmen der Antragsgegnerin könnten dadurch den Preiswettbewerb verschärfen; sie räumten ihren Kunden Rabatte von ca. 10 %, in manchen Fällen bis zu 12 und 14 % ein.

Die Antragsgegnerin habe in den letzten Jahren bedeutende Verluste ihrer Tochterunternehmen ausgeglichen. Auch dies ermögliche eine aggressive Preispolitik, die sich in Verkäufen um 15 % unter dem Listenpreis und in der Ankündigung eines Rabattes von 18 % für Vereinsmitglieder des "G*****" sowie in einer Aktion "-17 %" zeige. Durch diesen Preisdruck wolle die Antragsgegnerin Marktanteile auf der nächsten Händlerstufe dazugewinnen.

Die Werbung mit der vorgezogenen "Senkung der Luxussteuer" auf 20 % führe zu einer Minderung der Händlerspanne, weil die Antragsgegnerin den Händlern den dadurch eingeräumten Rabatt nicht ersetze. In Fällen, in denen der Kunde weitere Rabatte verlange, erleide der Händler in der Regel einen Verlust. Durch die Werbeaktion würden daher vom Generalimporteur unangemessene Konditionen erzwungen. Die Antragsgegnerin handle auch insoweit mißbräuchlich, als sie die Kosten der Markenwerbung den Vertragshändlern auflaste.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Sie habe gegenüber ihren Vertragspartnern keine marktbeherrschende Stellung; die Vertragshändler hätten auf dem relevanten Markt Ausweichmöglichkeiten und müßten die Geschäftsbeziehung zu ihr nicht aufrechterhalten. Die Antragsgegnerin habe nur einem ihrer Tochterunternehmen eine Neuhändlerunterstützung gewährt. Die beanstandeten Rabattaktionen von Tochterunternehmen bezögen sich auf Sondermodelle; die Rabattaktion "G*****" sei nicht von der Antragsgegnerin ausgegangen und habe im übrigen auch nicht zur Gewährung von Rabatten geführt.

Mit der "Senkung der Mehrwertsteuer" sei geworben worden, um die Käufernachfrage zu beleben. Im Punkt 3 ihres Händlerrundschreibens habe die Antragsgegnerin ausdrücklich mitgeteilt, daß damit die sonst üblichen Rabatte vorweggenommen werden sollen. Der Deckungsbeitrag aus dem Werkstätten- und Ersatzteilgeschäft sei erfahrungsgemäß höher als beim Neuwagenverkauf. Würden somit durch Neuwagenverkäufe Kunden gewonnen, so ließen sich in der Folge hohe Gewinne im Werkstätten- und Ersatzteilgeschäft erzielen.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Einem Unternehmen komme im Verhältnis zu seinen Abnehmern oder Lieferanten eine marktbeherrschende Stellung zu, wenn diese zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen seien. Ob dies im vorliegenden Fall zutreffe, könne aber dahingestellt bleiben. Denn unabhängig davon, ob die Antragsgegnerin eine marktbeherrschende Stellung habe, liege jedenfalls kein Mißbrauch einer solchen Stellung vor. Eine marktbeherrschende Stellung werde insbesondere dann mißbraucht, wenn unmittelbar oder mittelbar unangemessene Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstige Geschäftsbedingungen erzwungen werden (§ 35 Z 1 KartG). Das sei der Fall, wenn der marktbeherrschende Unternehmer Wiederverkaufspreise rechtlich oder faktisch binde und die Spanne für diese Abnehmer "unangemessen niedrig" ansetze.

Die beanstandete Werbeaktion sei keineswegs durch eine - allenfalls - marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin ermöglicht worden; die Werbeaktion könne daher auch nicht als Mißbrauch einer solchen marktbeherrschenden Stellung aufgefaßt werden.

Aber auch wenn die Antragsgegnerin die Werbeaktion aufgrund einer marktbeherrschenden Stellung durchgeführt hätte, so fehlte es an der für einen Verstoß gegen § 35 Z 1 KartG notwendigen Erzwingung unangemessener Geschäftsbedingungen. Die Antragsgegnerin habe die Preisherabsetzung nicht zwangsweise durchsetzen können; sie habe mit der Werbeaktion auch gar keine Preisfestsetzung oder -empfehlung, sondern bloß eine Steigerung der Kundenfrequenz in den verkaufsschwachen Sommermonaten angestrebt. Ein Einsatz von direkten oder indirekten Druckmitteln habe nicht festgestellt werden können.

Der Vorwurf, die Tochterunternehmen der Antragsgegnerin hätten durch übermäßige Rabattangebote den Preiswettbewerb angeheizt, habe sich im Bescheinigungsverfahren ebensowenig bestätigt, wie die behauptete Kürzung der Händlerspanne durch Überwälzung der Kosten der Werbeaktion.

Es liege auch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 35 Z 3 KartG vor. Der Antragsteller habe nicht bescheinigt, daß die Antragsgegnerin ihren Tochterunternehmen sachlich nicht gerechtfertigte "Neuhändler-Rabatte" gewähre. Aber selbst die behauptete oder eine andere Begünstigung der Tochterunternehmen wäre, die marktbeherrschende Stellung vorausgesetzt, für sich allein kein Mißbrauch im Sinne des § 35 Z 3 KartG. Die Tochterunternehmen seien zwar rechtlich selbständige Unternehmen; sie bildeten jedoch mit der Antragstellerin als ihrem Mutterunternehmen eine wirtschaftliche Einheit. Würden sie anders behandelt als die anderen Vertragshändler, so geschehe dies nicht ohne sachliche Rechtfertigung.

Daß eine solche Ungleichbehandlung mit der Ausübung mittelbaren Zwanges gegen die Vertragshändler, etwa durch Gewährung überhöhter Rabatte durch die begünstigten Tochterunternehmen, einherginge (§ 35 Z 1 KartG), habe nicht als bescheinigt angenommen werden können. Die bloße Zusicherung von überhöhten Rabatten an Mitglieder des Rabattverschaffungsclubs "G*****" ohne entsprechende Kaufabschlüsse könne noch nicht als Erzwingung unangemessener Geschäftsbedingungen gewertet werden. Daß die Antragsgegnerin auf andere Weise als in § 35 Z 1 bis 4 KartG demonstrativ dargestellt eine marktbeherrschende Stellung mißbraucht hätte, sei dem bescheinigten Sachverhalt nicht zu entnehmen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Antragstellers. Der Rekurswerber beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen werde. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Als Verfahrensmangel rügt der Rekurswerber, daß das Erstgericht den Inhalt des Inserates nicht in den Feststellungen wiedergegeben hat. Der Hinweis auf die Wiedergabe als Teil des Parteienvorbringens genüge nicht. Das Erstgericht habe sich mit dem Inserat offensichtlich gar nicht auseinandergesetzt.

Der Vorwurf ist nicht berechtigt. Das Erstgericht hat berücksichtigt, daß die Werbeaktion geeignet war, Interessenten annehmen zu lassen, die angekündigte Mehrwertsteuersenkung werde zusätzlich zu den üblichen Rabatten gewährt. Ob der dadurch ausgelöste Druck, auf Kosten der Handelsspanne höhere Rabatte zu geben, ausreicht, um einen Verstoß gegen § 35 KartG anzunehmen, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung.

Als weiteren Verfahrensmangel rügt der Rekurswerber, daß sich das Erstgericht nicht mit der unterschiedlichen Fixkostenstruktur von Vertragshändlern und Antragsgegnerin auseinandergesetzt habe. Der Vertragshändler müsse durch die ihm vorerst eingeräumten Wiederverkaufsrabatte die Fixkosten decken; die Antragsgegnerin erziele nach Deckung ihrer Fixkosten durch den Verkauf zusätzlicher Einheiten für jedes Fahrzeug über den variablen Kosten Gewinne.

Im Rekursverfahren in Kartellsachen können die Parteien, wie auch sonst im Außerstreitverfahren (§ 43 KartG), das vorliegende Tatsachenmaterial ergänzen oder berichtigen, sie dürfen aber nicht von den bisherigen Behauptungen abweichende Tatsachenbehauptungen oder solche vortragen, die bisher überhaupt noch nicht aufgestellt worden sind (ua SZ 47/141). Nur in diesem Umfang besteht im Rekursverfahren in Kartellsachen kein Neuerungsverbot (vgl. SchöDi 191; siehe auch Gugerbauer, Das Kartellgesetz § 53 Rz 1). Der Antragsteller hat in erster Instanz zur unterschiedlichen Fixkostenstruktur von Vertragshändlern und Antragsgegnerin nichts vorgebracht. Sein Vorbringen im Rekurs ist daher eine unzulässige Neuerung; es ist darauf nicht weiter einzugehen.

In der Rechtsrüge vertritt der Rekurswerber die Auffassung, durch die Werbeaktion seien die Fiat-Vertragshändler faktisch gezwungen worden, zusätzliche Nachlässe zu den bisher üblichen Rabatten zu gewähren. Die Antragsgegnerin habe damit ihre Marktmacht als Generalimporteur von Fiat-Kraftfahrzeugen dazu verwendet, Wettbewerbsvorteile zugunsten der eigenen Vertriebstöchter und zu Lasten der übrigen Vertragshändler zu erzielen. Wegen Unterschieden in der Kostenstruktur der Antragsgegnerin und ihrer Tochtergesellschaften gegenüber den sonstigen Vertragshändlern habe nur die Antragsgegnerin von der Werbeaktion profitieren können, die übrigen Gebietsvertreter seien belastet worden. Die Antragsgegnerin habe ihre marktbeherrschende Stellung dazu mißbraucht, mittelbar niedrigere Verkaufspreise zu erzwingen. Es liege aber nicht nur ein Verstoß gegen § 35 Z 1 KartG, sondern auch ein Verstoß gegen § 35 Z 3 leg cit vor, weil die Gebietshändler durch die beanstandete Werbeankündigung im Wettbewerb diskriminiert worden seien.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

§ 35 KartG regelt die Mißbrauchsaufsicht des Kartellgerichtes. Das Kartellgericht hat auf Antrag den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu untersagen. Das Gesetz nennt als Beispiel vier Mißbrauchstatbestände, von denen nach Auffassung des Antragstellers im vorliegenden Fall zwei verwirklicht sein sollen: die unmittelbare oder mittelbare Erzwingung unangemessener Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen (Z 1) und die Benachteiligung von Vertragspartnern im Wettbewerb durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen (Z 3).

Grund für die Mißbrauchsaufsicht ist der fehlende oder unzureichende Wettbewerb, der marktbeherrschende Unternehmer der Kontrolle durch die Konkurrenz entzieht, wodurch die Interessen anderer Marktteilnehmer benachteiligt werden (Gugerbauer aaO § 35 Rz 1). Durch die Mißbrauchsaufsicht soll verhindert werden, daß auf Märkten, die von einem Monopolisten oder von Oligopolisten beherrscht werden, die Marktgegenseite wirtschaftlich ausgebeutet wird (Hanreich in Wenger, Grundriß des Österreichischen Wirtschaftsrechts II 2 Rz 52 mwN). Ein Mißbrauch der Marktmacht wäre anzunehmen, wenn die vom marktbeherrschenden Unternehmer als Voraussetzung für den Vertragsabschluß genannten Bedingungen entweder gegenüber den das Angebot nachfragenden Wirtschaftssubjekten sachlich unbegründet, also willkürlich, differenziert würden, so daß unter gleichen Voraussetzungen eine Verzerrung der Wettbewerbs- und (oder) Unternehmenserfolgslage auf Seite des Abnehmers die Folge wäre, oder aber eben diese Bedingungen ihrem Inhalt nach nicht gerechtfertigt wären, in dem sie volkswirtschaftlich als Mißbrauch der Stellung im Markt zu bloßem unternehmenseigenen Nutzen des marktbeherrschenden Unternehmers qualifiziert werden müßten (KOG ÖBl 1977, 17 - ÖMV).

Unterschieden werden also zwei grundsätzliche Mißbrauchsvarianten:

Beeinträchtigung von Wettbewerbschancen und damit Gefährdung von Wettbewerb (Marktstrukturen) einerseits, davon unabhängige Übervorteilung von Abnehmern (Lieferanten) andererseits. Für diese Unterscheidung haben sich die Bezeichnungen "Behinderungsmißbrauch" und "Ausbeutungsmißbrauch" durchgesetzt (s. Koppensteiner, Wettbewerbsrecht I**2, 254).

Nach der Rechtsprechung zu Art 86 EWGV, dem § 35 KartG nachgebildet ist, sind die Maßstäbe für die Feststellung eines Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung primär den Funktionsbedingungen und Verhaltensabläufen eines Systems unverfälschten Wettbewerbs zu entnehmen. Als mißbräuchlich werden sämtliche Verhaltensweisen eines Unternehmers in beherrschender Stellung bezeichnet, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmers bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen (Emmerich, Kartellrecht6, 580 f mwN). Mißbräuchlich können daher nur wettbewerbsschädigende Maßnahmen sein (Gleiss/Hirsch, Kommentar zum EWG-Kartellrecht**n Art 86 EWGV Rz 51).

Welche Unternehmer marktbeherrschend sind, ist in § 34 KartG festgelegt. Marktbeherrschend ist danach ein Unternehmer, der als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist (Z 1), der einen bestimmenden Marktanteil hat (Z 2, 3) oder der eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat (Z 4). Nach § 34 Abs 2 KartG gilt als marktbeherrschend auch ein Unternehmer, der eine im Verhältnis zu seinen Abnehmern oder Lieferanten überragende Marktstellung hat; eine solche liegt insbesondere vor, wenn diese zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind.

Der relevante Markt ist nach örtlichen, zeitlichen und sachlichen Kriterien zu bestimmen. Die örtliche und zeitliche Abgrenzung ist im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft: die Antragsgegnerin ist Alleinimporteurin für ganz Österreich. Bei der sachlichen Abgrenzung ist auf Austauschbarkeitsrelationen aus der Sicht der Bedarfsträger abzustellen (Koppensteiner aaO 245 mwN).

Auch nach der Rechtsprechung zu Art 86 EWGV kommt es in erster Linie auf die funktionelle Austauschbarkeit der fraglichen Güter oder Dienstleistungen aus der Sicht eines verständigen Abnehmers an. Zu einem Markt werden sämtliche Produkte oder Leistungen gerechnet, die aus der Sicht der Marktgegenseite wegen ihrer Eigenschaften zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs im selben Maß geeignet sind, während ihre Austauschbarkeit mit anderen Erzeugnissen oder Leistungen gering ist (Emmerich aaO 570 f mwN).

Maßgebend ist daher immer die Sicht der Marktgegenseite; das sind im vorliegenden Fall die Fiat-Vertragshändler. Sie können ihren Bedarf nur bei einem Fiat-Importeur decken, weil ein Markenwechsel für sie mit schwerwiegenden betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist: Markenspezifische Werkzeuge und Kenntnisse sind dann nicht mehr oder nur noch beschränkt einsetzbar; der Kundenstock muß neu aufgebaut werden, weil er bis zu einem gewissen Grad an die Marke gebunden ist.

Daher ist aus Sicht der Vertragshändler der relevante Markt auf Fiat (und Lancia) Fahrzeuge eingeschränkt (so für Fragen, die mit dem Vertragshändlersystem zusammenhängen, Gleiss/Hirsch aaO Art 86 EWGV Rz 20; Art 85 [1] EWGV Rz 75). Als Alleinvertriebsberechtigte ist die Antragsgegnerin auf diesem Markt keinem Wettbewerb ausgesetzt; der Markt wird daher von ihr beherrscht (§ 34 Abs 1 Z 1 KartG; s. Gleiss/Hirsch aaO Art 86 EWGV Rz 30).

Die Antragsgegnerin hat in einer Werbeaktion die von "Fiat" vorgezogene "Senkung der Luxussteuer" auf 20 % angekündigt. Beim Letztkäufer wurde dadurch die Erwartung geweckt, durch diese "Steuersenkung" höhere als die bisher üblichen Rabatte zu erhalten. Zugunsten des Antragstellers wird davon ausgegangen, daß sich die Vertragshändler dieser Erwartung kaum entziehen konnten; jedenfalls ein Teil von ihnen könnte veranlaßt worden sein, höhere Rabatte als üblich zu geben.

Die Werbeaktion der Antragsgegnerin hat daher dazu geführt, daß Vertragshändler in der Gestaltung ihrer Verkaufspreise insoweit beeinflußt waren, als sie, um der durch die Werbeaktion geweckten Erwartung der Interessenten gerecht zu werden, Rabatte einräumen mußten, die über den üblicherweise gewährten Nachlässen lagen. Dadurch hat sich die Handelsspanne der Vertragshändler verringert.

Das reicht jedoch nicht aus, um einen Verstoß gegen § 35 KartG anzunehmen:

Ein solcher läge nur vor, wenn die Antragsgegnerin mit ihrer Werbeaktion den Wettbewerb geschädigt hätte, wenn sie Vertragshändler ausgebeutet oder behindert hätte. Die Antragsgegnerin hat aber weder machtbedingte Verhaltensspielräume ausgenutzt, um ein Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung durchzusetzen (so die Definition von Ausbeutungsmißbrauch bei Koppensteiner aaO 258); noch war ihre Inseratenkampagne geeignet, die Vertragshändler im Wettbewerb zu behindern. Durch die Ankündigung einer vorgezogenen Mehrwertsteuersenkung wurde die Wettbewerbsposition der Vertragshändler untereinander und auch gegenüber der Antragsgegnerin nicht geändert; sie zielte lediglich darauf ab, den Absatz ganz allgemein, also auch den der Vertragshändler, zu erhöhen, wenn auch um den Preis einer möglichen Verringerung ihrer Handelsspanne. Die Verringerung war für die Vertragshändler nicht unvermeidlich. Bei entsprechendem Verhandlungsgeschick konnten sie von der durch die Werbeaktion ausgelösten Nachfragesteigerung profitieren, ohne aus ihrer Sicht überhöhte Rabatte gewähren zu müssen. In jenen Fällen, in denen dies auf Grund bereits getroffener Absprachen nicht möglich war, gewährte die Antragsgegnerin "Minusdeckungsbeiträge"; sie hat damit selbst einen Beitrag zur Durchführung der Werbeaktion geleistet.

Die Werbeaktion blieb auf die Verkaufspreise der Antragsgegnerin ohne Einfluß; sie brachte ihr nur insofern einen Vorteil, als ihr eine durch die Werbeaktion erzielte Umsatzsteigerung zugute kam. Auch die Marktstruktur wurde durch die Werbeaktion nicht verändert; es wurden dadurch weder die Aufrechterhaltung noch die Entwicklung des Wettbewerbs behindert.

Die Werbeaktion wurde auch nicht durch einen Mangel an Wettbewerb ermöglicht, wie ihn die Untersagungsbefugnis des Kartellgerichtes ausgleichen soll (RV 633 BlgNR 17. GP, 31). Die Antragsgegnerin hätte die Werbeaktion auch dann durchführen können, wenn sie den Markt nicht beherrschte. Das Erstgericht hat, entgegen der Behauptung des Rekurswerbers, mit seinen diesbezüglichen Ausführungen nicht zwischen wettbewerbserheblichen und wettbewerbsunerheblichen Tätigkeiten der Antragsgegnerin unterschieden, sondern es hat berücksichtigt, daß schon nach dem Wortlaut des § 35 KartG (.... auf Antrag den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu untersagen ...) ein Zusammenhang zwischen Marktbeherrschung und mißbräuchlichem Verhalten bestehen muß. Wäre die Antragsgegnerin nur eine von mehreren Fiat-Importeuren in Österreich, so käme der mögliche Erfolg einer solchen Aktion möglicherweise nicht nur ihr allein zugute; die Auswirkungen für den einzelnen Vertragshändler wären aber im Grunde die gleichen.

Auf die vom Antragsteller im Rekursverfahren behauptete Diskriminierung wegen Unterschieden in der Fixkostenstruktur ist nicht einzugehen, weil das Vorbringen, wie bereits ausgeführt, als Neuerung unzulässig ist.

Eine konkrete Diskriminierung der von der Antragsgegnerin unabhängigen Vertragshändler gegenüber den eigenen Tochtergesellschaften hat der Antragsteller nicht bescheinigt. Die sogenannten "Neuhändler-Rabatte" wurden nach den Feststellungen des Erstgerichtes einheitlich nach sachlichen Kriterien gewährt. Der Vorwurf des Rekurswerbers, das Erstgericht habe den der A*****-F*****gesellschaft mbH gewährten "Neuhändler-Rabatt" unrichtig gewertet, geht somit am vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt vorbei.

Daraus, daß nach der Behauptung des Rekurswerbers auf die Tochterunternehmen der Antragsgegnerin 30 % des Verkaufsvolumens entfallen und die Werbeaktion für alle Fiat-Händler durchgeführt wurde, folgt entgegen seiner Auffassung nicht schon ein Mißbrauch der Marktmacht. Wenn die Tochtergesellschaften auf Grund ihres größeren Marktanteiles höhere Rabatte geben können, so haben sie einen Wettbewerbsvorteil, der unabhängig von der Werbeaktion besteht.

In der Werbeaktion kann somit weder ein Verstoß gegen § 35 Z 1 noch ein solcher gegen § 35 Z 3 KartG gesehen werden.

Das gilt auch dann, wenn die Aktion als Versuch gewertet wird, die Verkaufspreise der Vertragshändler faktisch zu binden und damit in die Gestaltung von deren Vereinbarungen mit den Letztkäufern einzugreifen. Die Verkaufspreise der Vertragshändler werden, entgegen der Auffassung des Rekurswerbers, von § 35 Z 1 KartG nicht erfaßt, weil sich der dort verwendete Begriff "Verkaufspreise" auf die des marktbeherrschenden Unternehmers bezieht; die von dieser Bestimmung ebenfalls erfaßten Geschäftsbedingungen zwischen der Antragsgegnerin und den Vertragshändlern werden von der Werbeaktion nicht berührt. (Die vom Erstgericht zitierte, von Gleiss/Hirsch in der 1. Auflage des EWG-Kartellrechts [Rz 11 zu Art 86 EWGV] vertretene Auffassung, Art 86 griffe allenfalls dann ein, und zwar unter dem Gesichtspunkt unangemessener Geschäftsbedingungen, wenn die Spanne für die Abnehmer vom Marktbeherrscher "unangemessen niedrig angesetzt" würde, wird in der letzten Auflage nicht mehr erwähnt.)

Für einen sonstigen, vom Rekurswerber nicht ausdrücklich aufgezeigten, Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung fehlt, wie schon das Erstgericht richtig erkannt hat, jeder Anhaltspunkt. Absatzfördernde Werbemaßnahmen eines Alleinimporteurs, mögen sie auch (teilweise) nachteilige wirtschaftliche Auswirkungen für die Händler haben, können unter den hier festgestellten Umständen nicht als Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung angesehen werden (vgl. BGH GRUR 1993, 137 = WuW 1993, 313 zur Publikumswerbung des Alleinimporteurs, in der auf die günstige Finanzierungsmöglichkeit durch Kaufdarlehen hingewiesen wird, die [auch] durch Zinsenzuschüsse von Vertragshändlern finanziert werden).

Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

Gemäß § 45 KartG sind im Verfahren nach §§ 35 und 36 KartG die Bestimmungen der ZPO über den Kostenersatz sinngemäß anzuwenden, wenn der Antragsteller keine Amtspartei ist. Die ZPO enthält keine Bestimmungen über den Kostenersatz bei einstweiligen Verfügungen; die einstweiligen Verfügungen sind in §§ 378 ff EO geregelt. Es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber im Provisorialverfahren in Kartellsachen keinen Kostenersatz vorsehen wollte; für einen solchen Ausschluß fehlt jede sachliche Rechtfertigung. Es muß daher eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes angenommen werden, die durch analoge Anwendung der Bestimmungen über den Kostenersatz im Provisorialverfahren nach der EO zu schließen ist. Das sind, beim Kostenersatzanspruch des Antragsgegners, die §§ 402, 78 EO, §§ 41, 50 ZPO.

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