Spruch:
Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Bis zum Inkrafttreten des Poststrukturgesetz BGBl 1996/201 hat der Bund ua die Postdienste als Eigenunternehmen ("Bundesbetrieb") im Rahmen der Post- und Telegraphenverwaltung geführt. Dann wurden die Aufgaben der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft (abgekürzt: PTA) übertragen. Im Jahre 1999 erfolgte die Aufspaltung der PTA und die Gründung der Antragsgegnerin, der Österreichischen Post AG. Diese führte die mit den Trafikanten bestehenden Rechtsverhältnisse fort. Die Aktien der PTA wurden ins Eigentum einer gleichzeitig errichteten GmbH "Post und Telekom Beteiligungsverwaltungsgesellschaft" (PTBG) übertragen, deren Anteile vom Bundesminister für Finanzen zu verwalten waren.
Die Produktionskosten einer Serien-Briefmarke belaufen sich durchschnittlich auf 1,74 Cent, bei Sondermarken reichen sie bis zu 21,8 Cent. Der Verkauf von Briefmarken ist auf Grund deren hohen variablen Kosten von EUR 167 Mio. im Jahr 2000 auf EUR 131 Mio. im Jahr 2001 zurückgegangen, obwohl das Briefvolumen 2001 um 1,5 % gestiegen ist.
Als alternative Zeichen für Briefmarken stehen Labels und Absender-Freistempelmaschinen zur Verfügung. Labels werden bei der Briefannahme in einer Post-Geschäftsstelle über das Schalterinformationssystem OPAL je angenommenem Brief erzeugt und ausgedruckt, die Aufbringung erfolgt durch das Schalterpersonal. Die hiefür notwendigen Fixkosten (Hard- und Software, spezieller OPAL-Drucker) sind Teil der Geschäftseinrichtung, die variablen Kosten eines Labels sind verschwindend. Das Vorsehen einer derartigen Möglichkeit erfordert daher eine entsprechende Absatzmenge. Ähnliches gilt für die Verwendung von Absender-Freistempelmaschinen bei Kunden. Auch auf den Postämtern ist auf Grund des dadurch abgedeckten spezifischen Bedarfs eine gänzliche Substitution der Briefmarken durch Labels als alternative Zeichen für die Entrichtung der Entgelte nicht zu erwarten.
In Österreich gibt es rund 9.000 Tabakverkaufsstellen, davon sind etwa 1/3 Trafiken, die übrigen Handelsgeschäfte und Gasthäuser. Der durchschnittliche Umsatz einer Tabaktrafik beträgt ca 945.000 EUR, davon setzen die Postwertzeichen vertreibenden Trafiken ca. 1,5 % durch Postwertzeichen um.
Vor dem Mai 2001 sind Verschleißerermächtigungen nicht nur an Trafikanten, sondern auch an andere Personen erteilt worden, zB an Gastwirte oder Hoteliers. Auch diesen ist die entsprechende Provision zugesagt worden, diese Zusagen sind weiterhin aufrecht. Für die einzelnen Rechtsverhältnisse gelten jeweils die Bestimmungen für den Privatverschleiß von Briefmarken, die zur Zeit der Begründung der jeweiligen Rechtsverhältnisse in Geltung standen.
Die Verschleißer sind verpflichtet, eine dem Kundenbedarf entsprechend ausreichende Menge an Postwertzeichen zur jederzeitigen Verfügung zu halten. Die Verschleißer haben somit für die Briefmarken in Vorlage zu treten. Die Verschleißer haben die Postwertzeichen zu dem darauf aufgedruckten Nennwert an jedermann zu verkaufen. Nach § 7 Abs 1 der Bedingungen für den Privatverschleiß von Briefmarken von September 1986 erhält der Verschleißer für den Verschleiß von Briefmarken die nach Anhörung der Berufsvertretung festgesetzte Vergütung (Verschleißeranteil). Auch nach den anderen Bedingungen ist vorgesehen, dass die Festlegung des Verschleißeranteils durch die Antragsgegnerin erfolgt (vgl etwa schon § 4 der Belehrung 1946, § 7 der Bestimmungen 1977 ....).
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin im März 2001 mitgeteilt, dass die damalige Höhe des Verschleißerrabattes von 7 % nicht mehr aufrecht erhalten werden könne, weil es sich beim Briefdienst um einen hinsichtlich des Preises regulierten Bereich handelt, bei dem die Tarife äußerst knapp bei den tatsächlichen Kosten liegen. Der "Rabatt" müsse ab 1. Mai 2001 aus Kostengründen auf 2 % reduziert werden. Es fand dazu auch ein Gespräch statt, bei dem von Seiten der Antragstellerin auf die Konsequenz, dass manche Trafikanten Briefmarken unter diesen Bedingungen nicht mehr verkaufen werden, hingewiesen wurde.
Mit 1. 5. 2001 setzte die Antragsgegnerin die Verschleißprovision von 7 % auf 2 % herab. Im Jahre 2001 erzielte die Antragsgegnerin durch die Provisionskürzungen Mehreinnahmen von S 32,9 Mio. Der Umsatz der Antragsgegnerin aus dem Verkauf von Briefmarken an die Verschleißer ging im Jahr 2000 gegenüber dem Jahr 1999 um 11 % zurück, 2001 gegenüber dem Jahr 2000 um 30 %.
Ein Tabaktrafikant, der Briefmarken verschleißt, setzt im Durchschnitt pro Jahr 68,31 Bögen Briefmarken á 100 Stück ab. Dies entspricht einem Absatz von 569,25 Stück pro Monat. Beim Tabaktrafikanten fallen Kapitalkosten an, weil er die Nennwerte der gefassten Briefmarken abzüglich der Verschleißprovision bereits beim Fassen zu entrichten hat. Bei monatlicher zentraler Fassung beträgt die durchschnittliche Bindungsdauer 16 Tage. Dabei wird angenommen, dass der Verkauf gleichmäßig erfolgt und ein Bogen als Sicherheitsbestand (unsichere Nachfrage, eventuelle Probleme bei der Zustellung) das gesamte Monat gelagert wird. Daraus ergeben sich bei einem Zinssatz von 6,5 % pro Jahr pro Bogen (0,6 mal 100 = EUR 60) Warenzinsen von EUR 0,1733.
Während der Bindungsdauer (Zustellung bis Verkauf) der Briefmarken werden diese im Tresor des Tabaktrafikanten gelagert. Der Platzbedarf beträgt pro Bogen 5 % des Fassungsvermögens des durchschnittlichen Tresors. Bei einem Anschaffungswert von durchschnittlich EUR 436 und einer Nutzungsdauer von 10 Jahren ergeben sich daraus Kosten von EUR 0,0097 pro Bogen.
Entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Kosten der Tabaktrafikanten haben die Kosten des Verkaufsvorgangs. Einem Tabaktrafikangestellten mit 8 bis 10-jähriger Berufserfahrung ist inklusive Lohnnebenkosten ein Kollektivvertragslohn von EUR 20.729,80 zuzurechnen. Daraus ergibt sich ein Kostenersatz von EUR 0,1724 pro Minute, bzw EUR 0,0029 pro Sekunde. Der durchschnittliche Nennwert der von Tabaktrafikanten verkauften Briefmarken beträgt 60 Cent, ist also höher als der geringste Tarif von derzeit 51 Cent (Standardbrief). Pro Verkaufsvorgang werden durchschnittlich 5,5 Stück Briefmarken abgesetzt. Der dafür erforderliche Zeitaufwand beträgt durchschnittlich 30 Sekunden. Die Verkaufskosten/Bogen errechnen sich daher wie folgt:
18,1818 Verkaufsakte pro Bogen bei 5,5 Stück pro Akt
545,4545 Sekunden für gesamten Bogen
(30 Sekunden pro Akt)
1,5818 EUR Verkaufskosten/Bogen.
Der Artikel - Deckungskostenbeitrag II stellt die Differenz zwischen den Produkterlösen (Nennwert mal Verschleißerprovisionssatz) abzüglich Warenzinsen (Kosten der Überbrückung der Zeit zwischen Beschaffung und Zahlung an die österreichische Post AG und Verkauf) und Handlungskosten dar. Die Handlungskosten sind die durch die Leistungsmengen veranlassten Prozesskosten, die durch die Inanspruchnahme von Handlungsprozessen durch die verkauften Artikel anfallen (im Allgemeinen Disposition, Transport, Wareneingang, Lagerung, Manipulation, Präsentation, Beratung/Verkauf und Warenausgang).
Der erforderliche positive Artikel-Deckungsbeitrag II errechnet sich
wie folgt: Beschaffung 0,1724
Lagerhaltung 0,0097
Verkauf 1,5818
Handlungskosten 1,7639
Warenzinsen 0,1733
Summe 1,9372
Die Summe aus Handlungskosten und Warenzinsen pro Bogen beträgt als ca EUR 1,94. Unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Nennwerts von 60 Cent ergeben sich Kosten von 3,23 % des Verkaufswerts.
Die Handlungskosten stellen bei kurzfristiger Betrachtung in der Regel bezüglich der Absatzmengen sprungfixe Kosten dar, das heißt sie bleiben innerhalb gegebener Kapazitäten (zB Personal oder Flächen) konstant. Bei der längerfristig zu treffenden Sortimentsentscheidung sind sie jedoch zu berücksichtigen, weil hier die Abhängigkeit des Betriebsergebnisses vom Sortiment und nicht bezüglich Mengenänderung bei gegebenem Sortiment im Mittelpunkt steht. Werden die Briefmarken aus dem Sortiment genommen, so können die die Handlungskosten konstituierenden Personal- und Anlagekapazitäten für andere Artikel verwendet werden. Aus der Sortimentsentscheidung kann bei Vorhandensein von Stehzeiten allein noch nicht auf generelle Überkapazitäten geschlossen werden. Die systemnotwendige Überkapazität kann aufgrund der Nichtsteuerbarkeit der Nachfrage-Reihenfolge nicht einem einzelnen Artikel zugerechnet werden, weil zB auch Briefmarken nicht nur in Stehzeiten, also beschäftigungslosen Zeiten, verkauft werden.
Ohne Verbundeffekte würde ein wirtschaftlich frei und rational entscheidender Tabaktrafikant Briefmarken aus dem Sortiment nehmen, wenn der Artikel - Deckungsbeitrag II negativ wird. Bei Vorliegen von Verbundeffekten - der Verkauf von Briefmarken führt zB häufig zum Kauf auch anderer Artikel im selben Geschäft - ist auf die verbundene Artikelgruppe abzustellen: Ein einzelner Artikel würde folglich auch dann im Sortiment behalten/ins Sortiment aufgenommen, wenn dessen Artikel-Deckungskostenbeitrag II negativ ist, falls die entsprechende Verbundgruppe als gesamte einen positiven Artikelgruppen-Deckungsbeitrag aufweist. Umgekehrt muss im Fall einer allfälligen Sortimentsbereinigung damit gerechnet werden, dass dadurch auch der Absatz der Verbundprodukte in Mitleidenschaft gezogen wird. Im vorliegenden Fall würde dies insofern verschärft, als die Antragsgegnerin als Lieferant von Briefmarken Monopolist ist, aber bei den Verbundprodukten durch ihre an den Postämtern eingerichteten Post-Shops als Konkurrent der Tabaktrafikanten auftritt. Durch eine Senkung der Verschleißerprovision profitiert die Post daher unabhängig von der Sortimentsentscheidung der Tabaktrafikanten (Auslistung-Umsatzsteigerung im Post-Shop, Verbleib im Sortiment - Vertrieb unter den relevanten Kosten) bzw ist der Tabaktrafikant durch den potentiellen Umsatzverlust bei den Verbundprodukten gezwungen, Briefmarken zu einem unangemessenen (unter den zuzurechnenden Kosten liegenden) Preis weiterhin im Sortiment zu lassen.
Die Tabaktrafikanten stehen hinsichtlich der Waren der Verbundgruppe - zB Schreib- und Papierwaren - in einem Wettbewerb zu anderen Verkäufern und können als Ausgleich für den Entfall des Briefmarkenverkaufs nicht die Preise für andere Artikel der Verbundgruppe erhöhen.
Seit 1. 10. 2001 kann der Tabaktrafikant seinen Bedarf an Briefmarken über Internet, Fax, Brief oder telefonisch der Antragsgegnerin bekannt geben. Einmal pro Monat erfolgt die Zustellung kostenfrei durch die Post. Die Abrechnung findet im Einzugsweg statt. Früher musste die Besorgung der Briefmarken durch den Tabaktrafikanten beim Postamt erfolgen. Mit der neuen Bezugsmöglichkeit fallen Wege des Tabaktrafikanten zum Postamt weg, es fallen jedenfalls geringere Bestellaufgabekosten und höhere Lager- und Finanzierungskosten an, weil der Tabaktrafikant im Allgemeinen früher seine Briefmarken in kürzeren Intervallen als einem Monat beim Postamt besorgt hat. Die Tabaktrafikanten führen auch Fahrscheine der Wiener Verkehrsbetriebe mit einem Provisionssatz von 2 %. Der Provisionssatz hat von Beginn der Vertriebsbeziehung zu den Wiener Verkehrsbetrieben an 2 % betragen. Dabei treten ähnliche Handlungskosten wie beim Verkauf von Briefmarken auf, jedoch handelt es sich um Kommissionsware, das heißt die Tabaktrafikanten haben erst nach erfolgtem Verkauf auf Basis der Ist-Mengen den Einstandspreis zu bezahlen. Die Tabaktrafikanten müssen im Kundenzentrum der Wiener Verkehrsbetriebe in der U3-Haltestelle Erdberg die Fahrscheine zu bestimmten vorgegebenen Zeiten selbst abholen. Der Absatz von Fahrscheinen unterscheidet sich wesentlich von dem der Briefmarken durch die höheren Nennwerte. Der niedrigste Nennwert beträgt bei einem Einzelfahrschein EUR 1,50. Außerdem werden vielfach auch größere Mengen - auch Wochen- und Monatskarten (Preis EUR 12,50 bzw EUR 45,--) - bezogen. Beim Verkauf von Fahrscheinen gibt es keine spezifische Verbundgruppe. Bei allfälligen Verbundprodukten besteht keine Konkurrenz zwischen den Wiener Verkehrsbetrieben und den Tabaktrafikanten.
Die Möglichkeit, Briefmarken bei Verschleißern zu beziehen, hat für den Kunden vielfach den Vorteil des kürzeren Weges gegenüber der Besorgung auf einem Postamt. Bei Wegfall dieser Alternative ist eine erhöhte Wechselbereitschaft zu alternativen Mitteln - insbesondere elektronischen Mitteln - der Nachrichtenübertragung zu erwarten. Ebenso wären wettbewerbliche Nachteile der Antragsgegnerin bei der fortschreitenden Liberalisierung des Postmarktes zu erwarten. Aufgrund der Reduktion des Nachlasses von 7 % auf 2 % verkaufen in Österreich knapp 1/4 der Trafikanten überhaupt keine Briefmarken mehr, ein weiterer Teil verkauft Briefmarken nur unter der Voraussetzung, dass ein zusätzlicher Artikel wie etwa eine Ansichtskarte erworben wird.
Der Umsatz in den Post-Shops der österreichischen Post betrug im Jahr 2000 EUR 2,23 Mio., im Jahr 2001 EUR 3,28 Mio.. Im ersten Halbjahr 2002 lag der Umsatz um 10,8 % über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres, obwohl der Gesamtumsatz der österreichischen Post um 2 % zurückging. EUR 0,053 Mio. entfielen auf die neu angebotenen Produkte Buch, CD, Kopierservice und Serverpoint, die im ersten Halbjahr 2001 noch nicht angeboten worden waren. Auf den Bereich Papier und Schreibwaren entfielen EUR 1,496 Mio., das waren 7,1 % mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Gegenüber den Postagenturen werden alle Einzelleistungen gesondert erfasst und gesondert vergütet. Für den Verkauf von Briefmarken ist eine Vergütung von 2 % vorgesehen. Vom postbezogenen Gesamtumsatz einer Postagentur entfällt allerdings nur ein geringer Anteil auf den Verkauf von Briefmarken. Wird bei einer Postagentur ein Brief aufgegeben, dann wird dieser Brief zumeist nicht mit einer Briefmarke frankiert, sondern mit Hilfe eines Druckers. Nur über ausdrücklichen Wunsch wird der Brief mit einer Briefmarke versehen.
Die Antragsgegnerin plante für das Jahr 2002, 632 Postämter aufzulassen. Als Ersatz sollten 150 Postagenturverträge abgeschlossen werden. Die als Ersatz für Postämter eingerichteten Postagenturen verkaufen nicht nur Briefmarken.
Auch die Landbriefträger verkaufen Briefmarken.
Anders als in Österreich werden in Deutschland Briefmarken nicht durch Tabaktrafiken vertrieben, sondern von Papierhandlungen, Zeitungskiosken, Souvenierhändlern und Hotels. Der Briefmarkenvertrieb wird dort als reiner Frequenzbringer ohne Provision angesehen. Ähnliches gilt für Frankreich, Italien und Spanien.
Der Paritätische Ausschuss für Kartellangelegenheiten legte in seinem Gutachten dar, es sei unzweckmäßig und nicht zielführend gewesen, dass die Antragsgegnerin die Verschleißprovision reduziert habe, ohne vorher mit der Antragstellerin bzw. den Trafikanten zu verhandeln. Der plötzliche Wechsel des Vertriebssystems könnte zu erheblichen Störungen führen, zumal zumindest 1/3 der Trafikanten den Vertrieb der Briefmarken eingestellt hat. Leidtragend wäre der heimische Fremdenverkehr und der inländische Konsument. Ein Vergleich mit ausländischen Vertriebssystemen sei nicht gerechtfertigt, weil diese Systeme einem völlig anderen Konzept folgen. Beispielsweise werden in Deutschland die Briefmarken kaum über Trafikanten, sondern ohne Provisionsauszahlung überwiegend in Hotels, Lebensmittelketten, etc., vertrieben; die deutschen Vertreiber betrachten den Briefmarkenvertrieb als Frequenzbringer. In Österreich benötigten die Trafikanten die Briefmarken nicht als Frequenzbringer, weil sie grundsätzlich über ausreichende Frequenz verfügten. Die Vorgangsweise der Antragsgegnerin sei aus volkswirtschaftlicher Sicht problematisch, weil sie das bisherige Vertriebssystem in Frage stelle und mangels Verhandlungen und Vorgesprächen völlig offen lasse, wie der künftige Vertrieb von Briefmarken zur Zufriedenheit der in- und ausländischen Konsumenten erfolgen solle. Der Antragsgegnerin wäre nahe zu legen, mit der Antragstellerin über die Neugestaltung eines funktionsfähigen Vertriebssystems Gespräche aufzunehmen; eine gewisse Reduktion der Provision wäre in Zeiten eines verstärkten Wettbewerbs vertretbar.
Die Antragstellerin, ein gemäß § 37 KartG legitimierter Fachverband der Wirtschaftskammer Österreich, beantragt den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin durch Kürzung der Verschleißerprovision für Postwertzeichen von 7 % auf 2 % dergestalt abzustellen, dass der Antragsgegnerin aufgetragen wird, die Kundmachung vom 20./21. 4. 2001 hinsichtlich der Kürzung der Provision zurückzunehmen und weiterhin die Provision mit 7 % festzusetzen, in eventu der Antragsgegnerin die Festsetzung einer wirtschaftlich angemessenen Provision aufzutragen, in eventu alle notwendigen Aufträge zur Abstellung des Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung zu erteilen. Die Antragstellerin stützt sich darauf, dass dem Monopol nur die Ausgabe von Postwertzeichen, nicht aber der Bereich der Auswahl der Vertriebspartner sowie die Festsetzung der Handelsspanne bei Vertrieb über solche Verschleißer unterliege. Insoweit sei auch keine öffentliche Aufsicht über die Antragsgegnerin vorhanden. In der Kürzung der Verschleißerprovision liege ein erzwungener unangemessener Einkaufspreis. Bei nur 2 % Spanne sei es einem Trafikanten letztlich unmöglich, kostendeckend den Vertrieb von Postwertzeichen aufrecht zu erhalten. Dabei sei zu bedenken, dass alle wesentlichen Kosten des Vertriebs auf den Trafikanten überwälzt seien. Der Trafikant sei verpflichtet, sich beim Postamt die Postwertzeichen abzuholen, sogleich zu bezahlen und sohin vorzufinanzieren. Der unangemessene Einkaufspreis werde dadurch erzwungen, dass ohne den Vertrieb von Postwertzeichen der Trafikant den Vertrieb auch vieler anderer betriebswirtschaftlich sinnvoller Waren, wie insbesondere im städtischen Bereich den Vertrieb von Ansichtskarten, nicht mehr durchführen könne. Durch die Kürzung werde eine Einschränkung des Absatzes zum Schaden der Verbraucher verursacht. Die Antragsgegnerin versuche alles, um nur mehr über ihre eigenen Postämter Postwertzeichen zu vertreiben und damit auch die Trafikanten, die für den Vertrieb von Kuverts, Billetts, Ansichtskarten auch auf den Vertrieb der Postwertzeichen angewiesen seien, aus diesem Vertriebsbereich zu verdrängen. Die Antragsgegnerin wolle die Zahl der Postämter radikal reduzieren. Die Antragsgegnerin gefährde auch die Versorgung der Konsumenten.
Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung des Antrages. Das Postmonopol der Herstellung und Ausgabe von Briefmarken (§ 19 PostG) umfasse auch die Festlegung der Verschleißerprovision. Auch erfolge eine Angemessenheitsprüfung durch die Regulierungsbehörde. Die Verschleißerermächtigungen sehe eine einseitige Festsetzung der Verschleißerprovision durch die Antragsgegnerin vor. Bislang sei mit einer Verschleißerprovision in Höhe von 7 % der Vertrieb der Briefmarken über Verschleißberechtigte überproportional hoch abgegolten gewesen, während der Vertrieb über andere Unternehmen mit keiner Verkaufsprovision belastet sei. Der Vertrieb von Briefmarken sei für die Trafikanten mit einem erheblichen Zusatznutzen verbunden, der bei der Ermittlung einer angemessenen Verschleißerprovision entsprechend zu berücksichtigen sei. Seit 1998 gäbe es keine gesetzliche Versorgungspflicht der Trafikanten mit Postwertzeichen mehr. Die aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigende Provisionshöhe sei nunmehr auf ein angemessenes Maß zurückgeführt worden. Aus § 5 Abs 1 PostG 1997 ergebe sich die Pflicht der Antragsgegnerin, den Universaldienst kostengünstig zu erbringen. Sie dürfe also den Trafikanten keinen Rabatt gewähren, der in keiner Relation zu dem durch den Vertrieb erbrachten Beitrag der Trafikanten zum Universaldienst stehe.
Das Erstgericht wies zwar das Hauptbegehren auf Abstellung des Missbrauches dahin, von einer Kürzung der Provision Abstand zu nehmen und weiter 7 % zu bezahlen, ab, gab aber dem Eventualantrag insoweit Folge, als es der Antragsgegnerin auftrug, den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung auf dem österreichischen Markt der Ausgabe von Postwertzeichen durch die Gewährung einer Verschleißerprovision von 3 % abzustellen.
Es folgerte dabei im Wesentlichen rechtlich aus dem einleitend dargestellten Sachverhalt, dass die Bereichsausnahme des § 5 Abs 1 Z 3 KartG hinsichtlich staatlicher Monopolunternehmen nicht zur Anwendung gelange. Art 10 Abs 1 Z 4 BVG über die Staatsmonopole sei nicht Grundlage der Regelungen über die Post. Dies entspreche auch Art 86 EG (= Art 90 EGV). § 6 Abs 1 PostG 1997 behalte nur das Erbringen von Postdienstleistungen für persönlich beanschriftete Briefsendungen mit schriftlichen Mitteilungen bis zu einem Gewicht von 350g grundsätzlich der Antragsgegnerin vor. § 19 Abs 1 PostG behalte ihr das Recht zur Herstellung und Ausgabe von Marken, die als Zeichen für die Entrichtung von Entgelten für Postdienstleistungen gelten, vor, nicht jedoch auch das Recht zum ausschließlichen Vertrieb. Es handle sich bei dem Vertrieb der Postwertzeichen um einen der Erzeugung und Ausgabe der Briefmarken nachgelagerten Markt, auf dem in Wettbewerb stehende Unternehmen die Postwertzeichen den Letztverbrauchern anbieten. Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung könne auch dann vorliegen, wenn ein den anderen Marktteilnehmern wirtschaftlich überlegener Unternehmer auf das Marktgeschehen in einer Weise Einfluss nimmt, die negative Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse befürchten lasse, etwa durch eine Einschränkung des Absatzes zum Schaden der Verbraucher. Es sei eine Interessenabwägung vorzunehmen, weil es auch einem marktbeherrschenden Unternehmen nicht verwehrt sei, seine geschäftlichen Interessen zu wahren und die zum Schutz dieser Interessen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Auf der anderen Seite sei aufgrund einer von Marktbeherrschung gekennzeichneten Marktstruktur der Wettbewerb gefährdet, so wenn das Risiko des Ausscheidens von Unternehmen aus dem Markt und damit eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsverhältnisse drohe. Auf dem Markt des Einzelverkaufs von Postwertzeichen sei der Wettbewerb schon deshalb geschwächt, weil die am Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen die Postwertzeichen nur bei der Antragsgegnerin erwerben können und sich beim Einzelverkauf der Postwertzeichen - nicht zuletzt aufgrund der Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin bzw ihrer Rechtsvorgänger - kein Preiswettbewerb entwickelt habe, sodass sich der bestehende Restwettbewerb nur auf die Qualität der erbrachten Dienstleistung des Verkaufs bezieht. Ein Missbrauch liege auch vor, wenn die vom marktbeherrschenden Unternehmen als Voraussetzung für den Vertragsabschluss genannten Bedingungen ihrem Inhalt nach nicht gerechtfertigt seien, indem sie volkswirtschaftlich als Missbrauch der Stellung im Markt zu bloßem unternehmenseigenem Nutzen des marktbeherrschenden Unternehmens qualifiziert werden müssten. Die Vorgangsweise der Antragsgegnerin stehe im zeitlichen Zusammenhang mit den gleichzeitigen Plänen, Postämter aufzulassen bzw. zusammenzulegen, sodass zum Nachteil der Verbraucher die Nahversorgung mit Postwertzeichen gefährdet werde. Sie habe dazu geführt, dass etwa ein Viertel aller Trafikanten den Verkauf von Postwertzeichen zur Gänze eingestellt hat, sodass eine Beschränkung des Leistungswettbewerbs auf dem Markt des Einzelverkaufs von Postwertzeichen eingetreten sei. Die §§ 4, 5 des PostG und die Post-Universaldienstverordnung sollten dem Erbringer des Universaldienstes den Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen er sein Angebot nach wirtschaftlichen Kriterien optimieren könne; dies sei durch die oberste Postbehörde zu beaufsichtigen. Soweit die Antragsgegnerin ihre Universaldienstverpflichtung erfülle, sei die Nichterfüllung von weitergehenden Erwartungen der Konsumenten nicht als Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin im Sinne des § 35 Abs 1 Z 2 KartG anzusehen.
Die Antragsgegnerin stehe mit den einzelnen Trafikanten in individuell begründeten Vertragsbeziehungen mit wechselseitigen Rechten und Pflichten, die sich insbesondere aus den den Vertragsverhältnissen zu Grunde liegenden Bedingungen ergäben. Es bestehe ein Interesse der Trafikanten, Briefmarken zu vertreiben, weil ihre Kunden die Erhältlichkeit von Briefmarken erwarten und damit der verbundene Verkauf von Schreibutensilien und ganz allgemein die Frequenz der Trafiken gefördert werde. Die wirtschaftliche Zwangslage der Tabaktrafikanten ergebe sich somit nicht nur aus den gegenüber der Antragsgegnerin bestehenden vertraglichen Verpflichtungen, sondern auch aus den mit der Einstellung des Vertriebs von Briefmarken verbundenen Effekten für den Absatz anderer Produkte.
Es bestehe aber auch ein Interesse der Antragsgegnerin, ihr Image nicht auch durch die gänzliche Einstellung des Vertriebes der Briefmarken über die Trafiken zu gefährden. Die leichte Erhältlichkeit von Briefmarken fördere auch die Wettbewerbsfähigkeit des Geschäftszweiges der Briefbeförderung gegenüber Alternativen. Wenn sich die Antragsgegnerin auch in den Bedingungen das Recht vorbehalten habe, die Verschleißerprovision festzusetzen, so dürfe sie als Marktbeherrscherin diese Festlegung innerhalb der bestehenden Rechtsbeziehungen nicht völlig frei nach ihrem Belieben vornehmen. Die angemessene Provision solle die oben festgestellten Kosten von rechnerisch 3,23 % abgelten. Die gewährte Provision von 2 % weiche von den zu berücksichtigenden Kosten wesentlich ab. Es könne unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlages jedenfalls eine Provision von 3 % als gesicherte Mindesthöhe festgesetzt werden. Die kurzfristige Herabsetzung der Spanne von 7 % auf 2 %, also um mehr als 70 %, stelle eine unverhältnismäßige Maßnahme dar, weil damit nicht einmal die für die Sortimententscheidung relevanten Kosten der Trafikanten gedeckt seien. Gleich wie die Tabaktrafikanten auf Grund der Herabsetzung der Provision reagierten, ergeben sich daraus Vorteile für die Antragsgegnerin, weil entweder ihr Ergebnis durch die Senkung der Verschleißerprovision steige oder eine stärkere Frequenz in den Post-Shops zu erwarten sei.
Gegen den abweisenden Teil dieses Beschlusses richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag im Sinne des Hauptbegehrens sowie der Eventualanträge bei der Festsetzung der angemessenen Provision nicht nur eine Kostendeckung, sondern auch eine angemessene Gewinnmarge zu berücksichtigen.
Gegen den stattgebenden Teil des Beschlusses richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag das Begehren der Antragstellerin zu Gänze abzuweisen; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Beide Parteien haben Gegenäußerungen erstattet, in denen sie jeweils beantragen, dem Rekurs der anderen Partei nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse der Antragstellerin sowie der Antragsgegnerin sind nicht berechtigt.
Im Wesentlichen sind die Rekursausführungen der Antragsgegnerin dahin zusammenzufassen, dass im Hinblick auf die Ausnahmebestimmungen des § 5 KartG die Missbrauchsaufsicht nach dem KartG überhaupt nicht zur Anwendung gelange, jedenfalls kein Missbrauch vorliege und auch die Feststellungen des Erstgerichtes zur Kostensituation der Trafikanten und deren wirtschaftlicher Lage unzutreffend seien. Die Antragstellerin möchte vor allem eine andere Bemessung des "angemessenen" Provisionsprozentsatzes durch Berücksichtigung einer Gewinnmarge erreichen.
Zur Frage der Anwendbarkeit der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht ist vorweg darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof bereits in seiner die Antragsgegnerin betreffenden Entscheidung vom 5. 9. 2001 zu 16 Ok 3 /01 (= Öbl 2002/14 [im Erg zust Barbist] grundlegend ausgeführt hat, dass auch das Postgesetz von einer Teilnahme der Post (PTA) am Wettbewerb ausgeht (vgl etwa den AB 966 BlgNR 20. GP , 1; vgl ferner § 1 Abs 1 des Poststrukturgesetzes iVm § 14 des Postgesetzes 1957) und der dadurch dem Unternehmen eingeräumte Spielraum der kartellrechlichen Kontrolle unterliegt (vgl auch Duisberg, Die Anwendung der Art 85 und 86 des EG-Vertrages in den Fällen der Staatlichen Einflussnahme auf Unternehmensverhalten, 6; Mestmäcker in Immenga/Mestmäcker EG-Wettbewerbsrecht 1997, 1558 ff). Es wäre also an der Antragsgegnerin gelegen das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes nachzuweisen.
Die durch die KartG-Novelle 1988 eingeführte Bereichsausnahme des § 5 Abs 1 Z 3 KartG nimmt staatliche Monopolunternehmen, soweit diese in Ausübung der ihnen gesetzlich übertragenen Monopolbefugnisse tätig werden, von der Anwendung der Abschnitte II bis IV des KartG aus. Fraglich ist also, ob die Antragsgegnerin bei der Gestaltung der Provisionsbedingungen "in Ausübung" ihrer Monopolbefugnisse gehandelt hat. Davon kann aber nicht ausgegangen werden. Dass der Post im Rahmen des reservierten Postdienstes im Sinne von §§ 6, 19 PostG 1997 BGBl I 18/1998 - nunmehr idF BGBl I 72/2003 - noch ein Monopol zukommt bezieht, sich nur auf die dort genannten Leistungen, also den Postdienst selbst (gem § 6 PostG bestimmte Briefsendungen bis 100 Gramm - Abholung, das Sortieren, den Transport und die Zustellung von Inlandsbriefsendungen) und die dafür festgelegten Entgelte (§ 10 PostG). Die Entgelte sind dabei so zu gestalten, dass sie jedenfalls einheitlich, allgemein erschwinglich und kostenorientiert sind (§ 10 PostG). Ausschließlich kommt der Antragsgegnerin auch die "Herstellung und Ausgabe" von Marken zu (§ 19 PostG). Dies kann jedoch nicht auf deren Vertrieb in unterschiedlichsten Vertriebsformen (nach § 24 Postordnung 1957 bestand sogar noch eine Verpflichtung der Trafikanten zum Verschleiß der Briefmarken) ausgedehnt werden.
Die Antragsgegnerin releviert nun, dass nach § 1 der Verordnung der Bundesregierung vom 5. Jänner 1934 betreffend den Schutz der Postwertzeichen, BGBl 1934/15, auch niemand anderer berechtigt sei Postwertzeichen "in Verkehr zu setzen". Dieses "Inverkehrsetzen" umfasse auch die Festlegung der "Verschleißerprovision". Dies ist nun insoferne schon nicht nachvollziehbar, als die Antragsgegnerin ja völlig unstrittig eben nicht alleine die Briefmarken "In Verkehr setzt". Hinzu kommt aber, dass sich die Antragsgegnerin nicht mit der Frage des Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes BGBl I 191/1999 auseinandersetzt. Zufolge § 1 dieses Gesetztes sind ua alle Verordnungen, die vor dem 1. Jänner 1946 kundgemacht wurden, mit Ablauf des 31. 1. 1999 außer Kraft getreten, soweit sie nicht im Anhang zu diesem Bundesgesetz angeführt sind. Dass dies hier der Fall wäre, ist nicht ersichtlich. Auch insoweit vermögen also die Ausführungen der Antragsgegnerin nicht zu überzeugen. Dem Hinweis der Antragsgegnerin auf die Textpassage im Vorblatt zum PostG 1997 (940 BlgNR 20 GP . 12), wonach zu den Aufgaben der neu geschaffenen Postbehörde auch die Genehmigung der Geschäftsbedingungen im Monopolbereich gehöre, ist entgegenzuhalten, dass es sich hier aber nicht um den Monopolbereich handelt. Bei dem Vertrieb der Postwertzeichen handelt es sich vielmehr - wie bereits das Erstgericht dargestellt hat - um einen der Erzeugung und Ausgabe der Briefmarken nachgelagerten Markt, auf dem verschiedene im Wettbewerb stehende Unternehmen - etwa die Parteien dieses Verfahrens - die Postwertzeichen den Letztverbrauchern anbieten. Auch den Ausnahmetatbestand des § 5 Abs 1 Z 4 KartG vermag die Antragsgegnerin nicht nachzuweisen. Diese Bestimmung nimmt Unternehmen, soweit sie dem Gesetz StGBl Nr 180/1920, das ua die Mitwirkung der "Nationversammlung" an der Regelung der Postgebühren vorsieht, unterliegen, von der Anwendung der Abschnitte II bis IV des KartG aus. Das Gesetz StGBl Nr 180/1920 wurde durch das BVG vom 10. 1. 1997, BGBl I 2/1997 aufgehoben und somit der Ausnahmebestimmung des § 5 Abs 1 Z 4 KartG gegenstandslos. Eine Aufsicht über die Festlegung der Verschleißerprovision liegt nicht vor.
§ 35 KartG ist also anzuwenden.
Zweck der Missbrauchsbestimmung des § 35 KartG ist es ganz allgemein, konkrete Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb, die sich negativ auf den Markt auswirken können, zu unterbinden. Als missbräuchlich werden sämtliche Verhaltensweisen eines Unternehmers in beherrschender Stellung bezeichnet, die die Strukturen eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmers bereits geschwächt ist und die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen (zuletzt etwa OGH 16. 12. 2002, 16 Ok 14, 15/02 mwN; RIS-Justiz RS0063530).
Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt somit dann vor, wenn ein den anderen Marktteilnehmern wirtschaftlich überlegener Unternehmer auf das Marktgeschehen in einer Weise Einfluss nimmt, die negative Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse befürchten lässt. Bei der Prüfung, ob eine missbräuchliche Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt, ist jedoch stets eine sorgfältige Abwägung der einander widerstreitenden Interessen vorzunehmen (zuletzt etwa OGH 16. 12. 2002, 16 Ok 12/02; 16 Ok 1/99 = ÖBl 1999, 297 - One mwN).
Der Missbrauchsbegriff des § 35 KartG ist nun auch unter Berücksichtigung von Art 82 EG (= früher Art 86 EGV), der dem österreichischen Gesetzgeber offenbar als Vorbild diente, auszulegen und die Erfahrungen zu Art 82 EG heranzuziehen (OGH 5. 9. 2001 16 Ok 3/01 = Öbl 2002/14 [mit insoweit zust Glosse von Barbist]; RIS-Justiz RS0110382; vgl Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3, 231).
Hier geht es nun um die Beurteilung der Wirkung eines Monopols auf einen benachbarten Markt. Auch Monopole sind in diesem Zusammenhang als "beherrschter Markt" anzusehen (OGH 5. 9. 2001 16 Ok 3/01 = Öbl 2002/14 [mit insoweit zust Glosse von Barbist]; vgl EuGH 12. 2. 1998 Rs C-163/96 Silvano Raso, Slg 1998 I-533 mwN; EuGH 19. 5. 1993 Rs C-320/91 Corbeau Slg 1993, 2533, zu den Auswirkungen des Monopolbereiches auf andere Bereiche EuGH 13. 12. 1991 Rs 18/88 GB-INNO-BM SA Slg 1991, I-5941). Dabei ist es grundsätzlich verpönt, den Wettbewerb in angrenzenden Märkten durch "Quersubventionen" aus dem geschützten Monopolbereich zu unterstützen, aber auch sonst soll keine objektiv nicht gerechtfertigte Ausnutzung des Monopols zur Erlangung von beherrschenden Stellungen in anderen Märkten erfolgen (vgl OGH 5. 9. 2001 16 Ok 3/01 = Öbl 2002/14 [Barbist]; EuGH 12. 2. 1998 Rs C-163/96 Silviano Raso Slg 1998 I - 533; EuGH 13. 12. 1991 Rs 18/88 GB-INNO-BM SA Slg 1991, I-5941; allgemein zu den Grenzen des Monopols und dessen Ausweitung EuGH 19. 5. 1993 Rs C-320/91 Corbeau Slg 1993, 2533; Jungbluth in Langen/Bunte aaO, 2234). Bei der gegenseitigen Abwägung der Interessen des marktbeherrschenden Unternehmens und derjenigen Unternehmen, die von der Marktmacht betroffen sind, ist zu prüfen, ob die Verhaltensweisen eines marktbeherrschenden Unternehmens zur Wahrung seiner geschäftlichen Interessen notwendig sind oder über das Maß desjenigen hinausgehen, was unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Eigeninteressen der Beteiligten angemessen ist. Als missbräuchlich im Sinne eines Ausbeutungsmissbrauches nach § 35 Abs 1 Z 1 KartG ist es anzusehen, wenn "Einkaufsbedingungen" erzwungen werden, die sich nur aus der Ausbeutung machtbedingter Verhaltensspielräume erklären lassen und zu einem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung führen (vgl Barfuss/Wollman/Tahedl, Kartellrecht, 99 f; Koppensteiner Wettbewerbsrecht3, 236 mwN).
Durch die hier vorliegende Ausnützung der einseitigen Gestaltungsbefugnis bei der einseitigen Festsetzung der Verschleißerprovision im Richtung einer Herabsetzung um 70 % hat die Antragsgegnerin bewirkt, dass die Trafikanten die Briefmarken nicht mehr kostendeckend vertreiben können, sondern den Vertrieb der Briefmarken durch den Vertrieb von anderen Produkten, deren Vertrieb teilweise von jenem der Briefmarken abhängig ist (Verbundeffekt) und mit denen sie in teilweise in Konkurrenz mit der Antragsgegnerin stehen, finanzieren und diese "quersubventionieren" - wenngleich in die andere Richtung - müssen. Dies lässt sich nur aus dem machtbedingten Verhaltensspielräumen der Antragsgegnerin erklären und hat auch zu einem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung geführt, da nicht einmal die Kosten des Vertriebes gedeckt sind und die Trafikanten sogar noch gezwungen werden, den Vertrieb auch aus Produkten "querzusubventionieren", bei denen sie mit der Antragsgegnerin auch im Preiswettbewerb stehen.
Da also ein Missbrauch im Sinne des § 35 Abs 1 KartG vorliegt, hat das Kartellgericht diesen abzustellen. Es hat also eine angemessene Verschleißerprovision festzusetzen (vgl Koppensteiner Wettbewerbsrecht3, 238). Dies hat unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich unter dem Aspekt des Eigentumsrechtes geschützten (vgl VfSlg 12.227) Dispositionsbefugnis der Parteien so zu erfolgen, dass jene Effekte ausgeschalten werden, die die Maßnahme als missbräuchlich im Sinne des § 35 KartG erscheinen lassen. Hier ist also der Misstand abzustellen, dass die Trafikanten durch eine die Kosten nicht deckende Bestimmung der Verschleißerprovision gezwungen werden, diesen Vertrieb aus jenen Produkten "querzusubventionieren", mit denen sie mit der Antragsgegnerin auch in Preiskonkurrenz stehen und deren Vertrieb aber auch von dem Vertrieb der Briefmarken abhängig ist. Die angemessene Maßnahme liegt also hier nur in einer Minderung der Herabsetzung auf einen kostendeckenden Preis, aber nicht - wie die Antragstellerin meint - auch in der Zuerkennung von Gewinnmargen. Die gewährte Provision von 2 % weicht von den zu berücksichtigenden Kosten wesentlich ab. Wenn das Erstgericht eine Provision von 3 % als gesicherte Mindesthöhe unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlages (unter Hinweis auf Möschel in Immenga/Mestmacker, GWB³ § 19 Rz 159) als zur Abdeckung der Kosten angemessen erachtet, so ist dem nicht entgegenzutreten. Soweit die Antragsgegnerin letztlich die Berücksichtigung der Fixkosten bei der Feststellung der durch den Vertrieb der Briefmarken anfallenden Kosten bekämpft, vermag sie die Feststellungen des Erstgerichtes, die auf dem eingeholten und unter Berücksichtigung der Einwendungen der Antragsgegner ergänzten Sachverständigengutachten beruhen, nicht zu erschüttern. Es gilt im außerstreitigen Kartellverfahren nicht das Neuerungsverbot und es kann auch im Rekursverfahren das Tatsachenmaterial ergänzt und berichtigt werde. Es ist nur unzulässig von den bisherigen Tatsachenbehauptungen abweichende Tatsachenbehauptungen oder überhaupt noch nicht aufgestellte Tatsachenbehauptungen erst im Rekursverfahren geltend zu machen (vgl RIS-Justiz RS0063600 mwN zuletzt 16 Ok 2/02). Gegen die Berücksichtigung der Fixkosten hat sich die Antragsgegnerin bereits im erstgerichtlichen Verfahren gewendet. Das erst mit dem Rekurs vorgelegte Privatgutachten ist aber nicht geeignet, die ausführlich begründeten Annahmen des gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu widerlegen (vgl auch allg RIS-Justiz RS0006282 mwN etwa OGH 1 Ob 552/85). Das Erstgericht hat unter Heranziehung des insoferne sogar noch einmal gerade zu diesen Ausführungen der Antragsgegnerin ergänzten gerichtlichen Sachverständigengutachten ausführlich begründet, warum es die Einbeziehung der Fixkosten als berechtigt erachtete. Die Argumentation, dass es nicht einsichtig ist, dass die Personalkosten oder die Kosten der Lagerhaltung zwar den anderen Bestandteilen des Sortiments einer Tabaktrafik, nicht aber den Briefmarken zuzurechnen seien, vermag auch die Antragsgegnerin nicht überzeugend zu widerlegen.
Auch soweit sich die Antragsgegnerin gegen die Ausführungen des Erstgerichtes wendet, dass sich die Tabaktrafikanten hinsichtlich des Angebots von Briefmarken in einer wirtschaftlichen Zwangslage befinden, weil ihnen mit der Einstellung des Verkaufs von Briefmarken auch Verbundvorteile entgehen vermag nicht zu überzeugen. Das Argument der Antragsgegnerin, dass die Trafikanten ja rechtlich nicht verpflichtet seien Briefmarken zu vertreiben, trifft nicht den Kern der Überlegungen des Erstgerichtes, weil dieses ja auf die wirtschaftliche Situation abstellte. Die weiteren Ausführungen, dass doch ohnehin die "variablen" Kosten (offenbar gemeint ohne den Personalkosten) gedeckt seien, gehen an den obigen Ausführungen vorbei und laufen im Ergebnis darauf hinaus, dass der Trafikant allein durch den Verkauf anderer Artikel seine Personalkosten decken und damit den Verkauf der Briefmarken "subventionieren" müsste. Auch hat das Erstgericht ja zutreffend auf die Konkurrenzsituation zwischen den Trafikanten und den Verkaufsstellen der Antragsgegner bei diesen anderen Produkten hingewiesen. Dass sich manche Trafikanten trotzdem dazu entschlossen haben, auf den Verkauf von Briefmarken zu verzichten, weist nicht nach, dass diese wirtschaftliche Zwangssituation nicht bestehen würde, mag ihr auch von den einzelnen Trafikanten unterschiedlich begegnet werden. Unter dem Aspekt des Antragsvorbringens und des Vorbringen der Antragsgegnerin sowie des festgestellten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin nachgewiesen wurde und die zur Abstellung dieses Missbrauches getroffene Anordnung sachgerecht ist.
Beiden Rekursen war daher nicht Folge zu geben.
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