OGH 14Os126/14g

OGH14Os126/14g20.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Tischler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Siegfried M***** wegen Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten Claudia F*****, Lisa F*****, Anna F***** und Verena F***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. März 2014, GZ 033 Hv 111/12a‑203, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten Claudia F*****, Lisa F*****, Anna F***** und Verena F***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Siegfried M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last, soweit sie nicht durch die ganz erfolglos gebliebenen Nichtigkeitsbeschwerden der Privatbeteiligten verursacht wurden.

Den Privatbeteiligten Claudia F*****, Lisa F*****, Anna F***** und Verena F***** wird der Ersatz der durch ihre Nichtigkeitsbeschwerden verursachten Verfahrenskosten auferlegt.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Siegfried M***** (richtig:) der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (I./1./), sowie jeweils eines Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (I./2./) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (I./3./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** ‑ soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant ‑ zumindest von 1. bis 7. Dezember 2011 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten und Tatsachen verwendet werde, indem er den Reisepass seiner Gattin Claudia F***** an sich nahm (I./3./).

Nach § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde Siegfried M***** von der weiteren Anklage, er habe in W*****

II./A./ von 1. Juni 2009 bis 1. Dezember 2011 längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar

I./ gegen seine Gattin Claudia F*****, indem er sie, vornehmlich wenn sie sich zwischen ihn und die gemeinsamen Töchter stellte, oftmals an den Oberarmen erfasste und zu Boden oder in ein Sitzmöbel schleuderte, sowie am 7. Oktober 2011 auch an den Schultern erfasste, schüttelte und ihr Schläge mit der flachen Hand gegen den Oberkörper versetzte;

II./ gegen seine unmündigen Kinder, wobei die Gewalt länger als ein Jahr ausgeübt wurde, nämlich gegen

1./ Lisa F***** (geboren am 28. Mai 1998) durch wiederholtes Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand vornehmlich auf den Kopf, mit einer Fliegenklappe und einem Hosenspanner insbesondere auf das Gesäß, den Rücken und die Beine, durch Versetzen von Ohrfeigen, sowie indem er jeweils zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt

a./ Anfang Dezember 2010 einen Adventkranz gegen ihren Unterkörper schleuderte;

b./ zwischen 8. Oktober und 1. Dezember 2011 ihr gegenüber äußerte, „wenn sie noch einmal die Polizei rufe, dann komme er wieder aus dem Gefängnis, wegen der Dinge, die er gemacht habe, werde er nicht lebenslänglich eingesperrt, dann seien sie alle 'so gut wie tot'“, sie mithin durch gefährliche Drohung zur Abstandnahme von einer weiteren Anzeigeerstattung gegen ihn nötigte;

2./ Anna F***** (geboren am 29. März 2001) durch wiederholtes Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand und einer Fliegenklappe auf das Gesäß, den Rücken und die Oberschenkel;

3./ Verena F***** (geboren am 7. Mai 2004) durch wiederholtes Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand und einer Fliegenklappe auf das Gesäß, von Ohrfeigen, sowie, indem er sie oftmals an den Haaren riss;

II./B./ Claudia F***** durch gefährliche Drohungen mit dem Tod, einer Brandstiftung und einer erheblichen Verstümmelung zu nachstehenden Handlungen und Unterlassungen

I./ genötigt, und zwar

1./ zu noch festzustellenden Zeitpunkten zwischen Ende 2006 und 1. Dezember (richtig:) 2011 durch oftmaliges Drehen an der Trommel eines Revolvers dazu, sich seinen Wünschen zu beugen und sein Verhalten ihr und den drei unmündigen Töchtern gegenüber nicht an dritte Personen weiterzugeben;

2./ zu noch festzustellenden Zeitpunkten

a./ zwischen Ende 2006 und 1. Dezember 2011 durch die mehrfach getätigte Äußerung, nur der Tod könne sie trennen, sie müsse für immer bei ihm bleiben, er werde sie nie freigeben, sie könne ihm weder entkommen, noch untertauchen, er habe so gute Beziehungen zur Polizei, dass er sie überall finden werde, und

2./b./ zwischen Sommer und 1. Dezember 2011 durch die Äußerungen, wenn sie ihn verlasse, werde er ihre Eltern mit Handfesseln fesseln und das Haus anzünden, er werde sie zu einem Krüppel machen, damit allerdings andere Personen beauftragen, weil er für sie nicht ins Gefängnis gehe, zur Fortsetzung der Ehe mit ihm;

3./ am 25. November 2011 durch die Äußerung, er werde Verena erschießen, wenn sie bei seiner Rückkehr mit Philipp aus der Wohnung geflohen sei, zur Erwartung seinerRückkehr in die eheliche Wohnung;

II./ zu nötigen versucht, und zwar zu noch festzustellenden Zeitpunkten

1./ zwischen 8. Oktober und 1. Dezember 2011 durch die mehrfach getätigte Äußerung, wenn noch einmal die Polizei zu ihnen komme, werde er dieser entgegen schießen und die Kinder als Geiseln nehmen, zur Abstandnahme von einer weiteren Anzeigenerstattung gegen ihn;

2./ zwischen Ende 2006 und 1. Dezember 2011 durch die mehrfach getätigte Äußerung, er werde sie und ihre Eltern umbringen, wenn sie mit diesen Kontakt halte, zur Abstandnahme von Telefonaten mit ihren Eltern;

II./C./ Claudia F***** durch nachstehende Äußerungen gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

I./ am 24. November 2011 durch die Äußerung, er werde sie in die Psychiatrie bringen, indem er die gemeinsamen Kinder vor ihren Augen umbringe;

II./ am 25. November 2011 durch die Äußerung, er werde den gemeinsamen Kindern Schlafmittel verabreichen, weil er ihr Weinen nicht ertragen könne, sie dann vor ihren Augen erschießen und ihnen die Bäuche aufschlitzen, damit alles voll mit Blut sei, sowie schlussendlich eine rote Rose auf sie legen, als Zeichen seiner Liebe zu ihnen bis in den Tod, es werde für ihn auch schwierig sein, seine Hemmschwelle beim ersten Schuss zu überwinden, weil er seine Kinder liebe, dann werde es aber immer leichter werden bzw automatisch gehen, wenn der erste Schuss gefallen sei, wobei er zur Untermauerung seiner Drohung einen Revolver für sie sichtbar auf einen Wäscheständer legte und vor dem Bild seiner verstorbenen Mutter eine Grabkerze anzündete;

III./ am 26. November 2011 durch die Äußerung, er sei in der Vornacht schon knapp daran gewesen, die gemeinsamen Kinder auf die von ihm am Vortag angekündigte Weise zu töten und er habe nur deshalb davon Abstand genommen, weil diese über sie geschimpft hätten;

IV./ zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt im Sommer/Herbst 2011 durch die Äußerung, er werde den gemeinsamen Sohn Philipp in die Babyklappe werfen, wobei er unter Mitnahme des Babys die gemeinsame Wohnung tatsächlich für mehrere Stunden verließ und Claudia F***** durch die Drohung längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte;

V./ am 25. November 2011, indem er dem gemeinsam Sohn Philipp eine Pistole an die Schläfe hielt und äußerte, er werde ihn erschießen;

II./D./ am 25. November 2011 Claudia F***** widerrechtlich gefangen gehalten, indem er die Tür der gemeinsamen Wohnung versperrte und den Schlüssel an sich nahm.

Gemäß § 366 Abs 1 StPO wurden die

Privatbeteiligten Claudia F*****, Lisa F*****, Anna F***** und Verena F***** mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch zu I./3./ aus § 281 Abs 1 Z 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ebenso ihr Ziel wie die gegen den Freispruch gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte der Staatsanwaltschaft und die aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO ebenfalls gegen den Freispruch erhobenen, gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Privatbeteiligten Claudia F*****, Lisa F*****, Anna F***** und Verena F*****.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Die zu I./3./ ausgeführte Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit den Hinweisen, dass der festgestellte Sachverhalt „mehrere Möglichkeiten hinsichtlich der subjektiven Tatseite“ offen lasse, der seit Jahren ungültige Pass für Reisezwecke nicht mehr verwendet werden könne und es „keine Pflicht“ gebe, „den Reisepass irgendwohin zu tragen“, keine erheblichen Bedenken gegen die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite zu wecken (vgl RIS-Justiz RS0119583, RS0118780, RS0099674).

Soweit die Beschwerde diese Feststellungen mit dem Vorbringen kritisiert, der Angeklagte habe den Aufenthaltsort seiner Ehegattin nicht gekannt und ihr den Reisepass nicht ausfolgen können, sodass kein Unterschied bestehe, ob der Angeklagte den Pass am Fundort belässt oder in seiner Aktentasche trägt, unterlässt sie die gebotene Bezugnahme auf aktenkundiges, vorliegend mit Fundstelle zu bezeichnendes Beweismaterial (vgl RIS-Justiz RS0119424,

RS0119310; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487).

Dass der gegenständliche Reisepass nach Ablauf seiner Gültigkeitsdauer nicht mehr die Eignung aufweisen soll, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht zu werden (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0095608 [T1], RS0095554 [T6]), leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116569, RS0116565), indem sie nur behauptet, der Pass sei „kein entsprechendes Reisedokument mehr“, könne daher „zum eigentlichen Ausstellungszweck“ nicht mehr verwendet werden und bei der Unterdrückung eines ungültigen Reisepasses handle es sich um einen absolut untauglichen Versuch.

Das weitere Beschwerdevorbringen, wonach die Ehefrau des Angeklagten zur Tatzeit „unauffindbar verschwunden“ gewesen sei, das Reisedokument „in keinster Weise nützen“ habe können sowie „jahrelang“ nicht mehr benutzt habe und die Möglichkeit bestehe, dass Siegfried M***** damit gerechnet habe, „den Aufenthaltsort der Gattin ausfindig zu machen und ihr dann auch den Pass zu übergeben“, orientiert sich nicht an den Urteilskonstatierungen ‑ denen zufolge der Angeklagte wusste, dass der Reisepass „im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der Identität der Claudia F*****, gebraucht werde“, und er ihn einsteckte, weil er verhindern wollte, dass dieser „im Rechtsverkehr durch die Berechtigte (…) gebraucht werden kann“ (US 27 f) ‑ und verfehlt damit die gesetzmäßige Ausführung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810, RS0099724).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Ein Urteil ist unvollständig (Z 5 zweiter Fall), wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS-Justiz RS0118316; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 420 ff). Zur prozessförmigen Darstellung dieses Nichtigkeitsgrundes müssen daher jene Ergebnisse des Beweisverfahrens, die das Erstgericht nach Ansicht der Beschwerdeführerin übergangen hat, deutlich und bestimmt, bei umfangreichen Akten (wie hier) überdies unter Angabe der Fundstelle bezeichnet werden (RIS-Justiz RS0124172).

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist hingegen eine Begründung der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (vgl dazu RIS‑Justiz RS0106268; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 398 ff), die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS-Justiz RS0116732, RS0118317

; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 444 ff).

Die Anfechtungskategorien Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) und fehlende oder offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) betreffen somit nie die Feststellungs-, sondern stets die Begründungsebene (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 393).

Ein Feststellungsmangel wiederum wird geltend gemacht, wenn unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung (Z 10) bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS‑Justiz RS0118580; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 600).

Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zu II./A./I./ behauptet, das Erstgericht habe zwar Negativfeststellungen zum Vorliegen des Vorsatzes in Richtung § 83 Abs 1 StGB getroffen, aber „jegliche Negativfeststellungen“ zur subjektiven Tatseite des „durch den festgestellten Sachverhalt objektiv verwirklichten Vergehens der Nötigung“ unterlassen, wird eine offenbar unzureichende Begründung von Tatsachen, die für die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben, nicht dargetan. Die deutliche und bestimmte Bezeichnung (vgl §§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) des der Sache nach geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO wiederum hätte - entgegen der bloßen Behauptung, dass sich „schon aus dem festgestellten Geschehen auch die subjektive Tatseite des Angeklagten im Sinne des § 105 Abs 1 StGB zwanglos ableiten“ lasse ‑ ein auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse gestütztes Vorbringen vorausgesetzt, dass auf Grundlage der (konkret zu bezeichnenden) Indizien die von der Beschwerdeführerin angestrebten und zu präzisierenden Feststellungen (hier: zu fehlenden subjektiven Tatbestandsmerkmalen sowie zum angeblich intendierten Nötigungsziel) zu treffen gewesen wären (vgl RIS‑Justiz RS0093460; Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 68, 71).

Dem ebenfalls zu II./A./I./ erhobenen Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider betrifft die Konstatierung, wonach der Angeklagte „keinem der Beamten aufgrund seiner aktiven Zeit als Polizeibeamter, mit Ausnahme des Roman S*****“, bekannt war (US 17), keine entscheidende Tatsache, sodass der von der Rüge in diesem Zusammenhang als unerörtert reklamierte Umstand, in der von S***** verfassten Meldung über die Streitschlichtung am 7. Oktober 2011 sei wahrheitswidrig eine Selbstmorddrohung des Angeklagten als Einsatzgrund angeführt worden, nicht erörterungsbedürftig war.

Der zu II./A./II./ behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) liegt nicht vor, weil die Konstatierungen, wonach einerseits es „anlassbezogen“ vorgekommen sei, dass der Angeklagte „Lisa F***** eine Ohrfeige gab und auch Gegenstände nach ihr warf“, er auch Anna F***** und Verena F***** „einige Male mit der flachen Hand Schläge auf das Gesäß, oder auch Ohrfeigen“ versetzte (US 19), andererseits „gesichert nur festgestellt werden“ könne, „dass der Angeklagte im angeklagten Tatzeitraum Lisa eine und Anna zwei Ohrfeigen versetzte“ (US 21), sich nicht gegenseitig ausschließen (RIS‑Justiz RS0099548).

Mit der (ebenfalls zu II./A./II./ erhobenen) Kritik, das Erstgericht habe im Zusammenhang mit den Konstatierungen zu zeitlichen Abständen, die „zwischen den Aggressionsausbrüchen des Angeklagten“ auftraten (vgl US 20), „die weitergehenden Beweisergebnisse“ (namentlich die [ohnehin auf US 47 ff erörterten] „kontradiktorischen Zeugenprotokolle der drei Mädchen“ und die „Zeugenaussagen ihrer Mutter“) nicht berücksichtigt, denen zufolge „Verena und Anna selten, bzw nie abwesend waren, und die Abwesenheit von Lisa nur kurz war“, wird die behauptete Unvollständigkeit nicht aufgezeigt.

Entgegen der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zu II./A./II./ wurden die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, wonach der Angeklagte durch sein Vorgehen gegen seine Töchter nicht „über längere Zeit fortgesetzt Gewalt, somit Gewaltakte in einer gewissen Regelmäßigkeit über längere Zeit ausüben“ wollte (US 20), nicht offenbar unzureichend begründet. Das Erstgericht hat diese vielmehr logisch nachvollziehbar und empirisch vertretbar (neuerlich RIS‑Justiz RS0118317,

RS0116732) darauf gestützt, „dass der Angeklagte aus Anlass eines aus seiner Sicht erfolgten Fehlverhaltens der Töchter reagierte und nicht deshalb zuschlug, um fortgesetzt Gewalt gegenüber den Töchtern auszuüben“ (US 47 ff, insbesondere US 56).

Die zu II./B./ bis D./ erhobene Rüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet zunächst (überdies ohne Aktenbezug), das Erstgericht habe im Zusammenhang mit der konstatierten psychischen Erkrankung der Claudia F***** und den daraus resultierenden Negativfeststellungen zu den von dieser Zeugin erhobenen Vorwürfen die „weiteren Ausführungen“ der psychiatrischen Sachverständigen Dr. Elisabeth L***** unberücksichtigt gelassen, wonach „sich die bei Claudia F***** bestehende psychiatrische Problematik nicht auf die inhaltlichen Angaben ihrer Aussagen als Zeugin im gegenständlichen Verfahren auswirke“. Demgegenüber hat sich das Schöffengericht mit dem genannten Gutachten auseinandergesetzt (US 43) und war zu einer ausdrücklichen Erörterung einzelner Passagen des Gutachtens ‑ dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO)

folgend ‑ nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0106642).

Die „Gefährlichkeitseinschätzung des Angeklagten durch das Bundeskriminalamt“, wonach von einer erhöhten Rückfälligkeit des Angeklagten in häusliche Gewalt auszugehen sei, stellt kein ‑ unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ‑ erörterungsbedürftiges Beweisergebnis dar (vgl RIS‑Justiz RS0117736, RS0097540; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 435).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu II./A./I./ (in Bezug auf den Vorfall vom 7. Oktober 2011) und zu II./A./II./ („in mehrfachen Fällen“) strebt unter Verweis auf die erstrichterlichen Konstatierungen eine Subsumtion nach § 105 Abs 1 StGB an, vernachlässigt jedoch das Fehlen von tatbestandsbezogenen (positiven) Feststellungen zur subjektiven Tatseite und verfehlt damit die prozessordnungskonforme Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0116565).

Soweit die Beschwerde zu II./A./II./ vermeint, die Urteilsfeststellungen ‑ wonach einerseits es anlassbezogen vorgekommen sei, dass der Angeklagte „Lisa F***** eine Ohrfeige gab und auch Gegenstände nach ihr warf“, er auch Anna F***** und Verena F***** „einige Male mit der flachen Hand Schläge auf das Gesäß, oder auch Ohrfeigen“ versetzte, sofern sie sich seinen Anweisungen widersetzten, solchen nicht nachkamen, oder sie frech und unfolgsam waren (US 19), andererseits der Angeklagte in jedem Einzelfall ausschließlich erreichen wollte, dass die jeweilige Tochter sich seiner zuvor ausgesprochenen Anweisung fügt (US 20) - würden „die Annahme der Begehung des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung (…) durch Begehung fortgesetzter Nötigungen (…) indizieren“, entspricht sie ‑ mit Blick auf die unbekämpft gebliebenen (pauschalen) Negativfeststellungen zur objektiven (US 18 f) sowie zu Teilbereichen der subjektiven (US 19, 21) Tatseite und das unangefochtene Fehlen von Feststellungen zu weiteren (dem Begriff der Gewaltausübung nach § 107b Abs 2 StGB zu subsumierenden) Teilakten sowie zur subjektiven Tatseite der allenfalls indizierten Anknüpfungsdelikte (vgl 13 Os 71/12h [13 Os 72/12f]; Winkler SbgK § 107b Rz 38, 114) ‑ nicht den Kriterien der Freispruchsanfechtung. Denn gründet das Gericht einen Freispruch auf die Verneinung einzelner Tatbestandselemente, ohne eine (positive) Aussage zu sämtlichen Tatbestandsmerkmalen zu treffen, wäre es für den Erfolg der gegen diesen Freispruch erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde nicht nur erforderlich, zu (sämtlichen) verneinten Tatbestandselementen (erfolgreich) einen Begründungsmangel, sondern auch hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse einen Feststellungs-mangel (Z 9 lit a) geltend zu machen (vgl RIS‑Justiz RS0127315, RS0118580 [T17]).

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Privatbeteiligten Claudia F*****, Lisa F*****, Anna F***** und Verena F*****:

Zu Recht der Abweisung verfiel ‑ der

Verfahrensrüge (Z 4) zuwider ‑ der Antrag auf Vernehmung

- der Veronika E***** zum Beweis dafür, dass der Angeklagte bereits 1974 gegen diese (seine damalige Ehefrau) fortgesetzt gewalttätig war, sie mit seiner Dienstwaffe mit dem Umbringen bedrohte, am 22. Dezember 1974 auf sie schoss, als diese ihn verlassen wollte, und sie nach seiner damaligen Entlassung aus der Untersuchungshaft und vor der Hauptverhandlung neuerlich mit dem Umbringen bedrohte und auch damit drohte, sich selbst umzubringen;

- des Dr. Karl H***** zum Beweis dafür, dass der Angeklagte im September 2003 diesem (seinem damals dienstlich Vorgesetzten) „in Schritt und Achsel griff“, ihn in Richtung Fenster drängte und ihm drohte, ihn aus diesem zu werfen;

- der Leiter des Kriminalkommissariats W***** (der Dienststelle des Angeklagten) im Jahr 2003, Hofrat Mag. Josef K***** und N. R*****, zum Beweis dafür, „dass das Verhalten des Angeklagten im Dienst (im Jahre 2003) hoch aggressiv war und von diesen als untragbar eingestuft wurde“.

Sämtliche Beweisthemen betreffen Vorfälle, die in keinem zeitlichen Zusammenhang zu jenen Vorwürfen stehen, von denen der Angeklagte freigesprochen wurde, somit ‑ für sich betrachtet ‑ keine für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage erheblichen Tatsachen. Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht dem Angeklagten ohnehin „ein bestimmendes Auftreten“, eine Neigung zu „Zornes‑ und Wutausbrüchen mit Brüllen“, eine Persönlichkeit mit „deutlichen Auffälligkeiten in den Bereichen Kontrollbedürfnis, Selbstwertregulation, Affektkontrolle, Geltungsbedürfnis, geringe Flexibilität und Kränkbarkeit“ und „eine durchaus auffällige, schizoid‑eigenwillige Persönlichkeitsstruktur, die aber nicht krankheitswertig ist“, konstatierte (US 11 f).

Soweit die Zeugen pauschal „auch zum Beweis für die Glaubwürdigkeit der Opfer im jetzigen Verfahren“ beantragt wurden, ist der Beweisantrag - unter dem Aspekt einer grundsätzlich zulässigen Beweisführung über die Beweiskraft von schulderheblichen Beweismitteln (etwa zur Glaubwürdigkeit von Zeugen) durch sogenannte Kontrollbeweise (RIS‑Justiz RS0098429

, RS0120109

, RS0028345

, RS0120634; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 340 und 350) ‑ ebenfalls nicht berechtigt. Denn aus dem (überdies undifferenziert auf sämtliche als Zeugen vernommene Opfer bezogenen) Antragsvorbringen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, inwiefern die beantragten Beweisaufnahmen ‑ die sich auf mehrere Jahre vor den anklagegegenständlichen Tatzeiten liegende Vorfälle beziehen und keinen Bezug zu den Zeugen Claudia F*****, Lisa F*****, Anna F***** und Verena F***** aufweisen - tauglich sind, die erhebliche Tatsache (RIS‑Justiz RS0118319 [T3], RS0116877) der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen unter Beweis zu stellen

(RIS‑Justiz RS0099189). Die erst im Rechtsmittel nachgetragenen, die Zeugin Claudia F***** betreffenden Argumente sind aufgrund des Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a erster und zweiter Satz StPO. Der Angeklagte hat die auf die Erledigung seines Rechtsmittels entfallenden, die Privatbeteiligten jene durch ihre (ganz erfolglos gebliebenen) Nichtigkeitsbeschwerden verursachten Kosten zu tragen (RIS‑Justiz RS0108345; Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 8).

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