BVwG L504 2225819-1

BVwGL504 2225819-115.12.2022

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:L504.2225819.1.00

 

Spruch:

L504 2225819-1/33E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.11.2022, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende Partei [kurz: bP] stellte am 06.03.2019 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, der seinen Angaben nach staatenloser Palästinenser aus Jordanien ist und aus Amman stammt.

 

In der von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab die bP zu ihrer Ausreisemotivation aus dem Herkunftsstaat Folgendes an (Auszug aus der Niederschrift):

„(…)

Wegen meiner Staatsbürgerschaft, ich bin staatenlos und suche eine neue Heimat.

(…)“

Im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte sie den Krieg und das Sterben.

Gefragt, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihr bei der Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würde und ob sie bei einer Rückkehr mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte, gab sie an, dass dies durch den Krieg geschehen könnte.

 

In der nachfolgenden Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte die bP zu ihrer ausreisekausalen Problemlage im Herkunftsstaat und allfälligen Problemen, die sie im Falle der Rückkehr erwarte, im Wesentlichen Folgendes vor (Auszug aus der Niederschrift):

„(…)LA: Was war Ihrer Meinung nach der fluchtauslösende Moment, dass Sie Jordanien verlassen haben? Schildern Sie dies bitte möglichst chronologisch und lebensnah, dh. Mit sämtlichen Details und Informationen, sodass die Behörde ihr Vorbringen nachvollziehen kann. Nehmen Sie sich dafür im Rahmen einer freien Erzählung ruhig Zeit.

VP: Als ich 13 Jahre alt war, begann meine Geschichte. Als ich keinen Aufenthaltstitel für Jordanien bekommen habe und keine Sympathie oder Mitgefühl von Jordanien erhalten habe, weil ich keine Dokumente erhalten habe. Zum Beispiel, zu Beginn jedes Schuljahres habe ich eine Bewilligung bekommen müssen um ein weiteres Jahr studieren zu dürfen. Jedes Jahr, hatte meine Mutter beantragt, Anträge, dass wir jordanische Dokumente erhalten, aber wir wurden immer wieder abgelehnt. Meine Mutter hat sich an die palästinensische Botschaft in Jordanien gewendet, aber die haben uns auch nicht geholfen.

Wir versuchen es immer wieder, aber es ist hoffnungslos. Als ich älter wurde, gibt es dort Sicherheitskontrollen von der Polizei, im Bus will er alle Aufweise sehen, aber ich hatte keinen Personalausweis. Dann nimmt er mich mit zur Polizei, das hat mich geärgert und war peinlich für mich. Jedes Mal wurde ich bei der Polizei kontrolliert und sie haben alles ins System eingeben und das hat mir Nerven gekostet und auch war das jedes Mal so. Das war nicht nur mit mir, sondern mit meiner ganzen Familie so, wir haben alle keinen Personalausweis, ich bin älter und habe die UNI absolviert. Weil ich keine jordanischen Dokumente habe, darf ich dort nicht arbeiten. Ich kann dort nicht illegal arbeiten, weil ich mit meiner Ausbildung in einem Büro arbeiten muss und das geht nicht so. Ich hatte gehofft, dass ich mit einem palästinensischen Reisepass in Jordanien arbeiten kann und ich kann aber auch nicht nach Palästina fliegen. Es war aussichtslos, ich habe entschieden, dass ich nicht mehr in Jordanien leben kann. Man kann nur in privaten Krankenhäusern behandelt werden, man kann kein Eigentum erwerben, man kann dort nicht als Mensch leben. Ich bin in Jordanien geboren und bekomme auch keine Dokumente. Da bin ich zum Verein ,,Menschen.Rechte“ in Jordanien gegangen und sie haben mich zur Behörde geschickt, aber mein Antrag wurde abgelehnt. So konnte ich es nicht mehr ertragen in diesem Land zu leben und ich habe die UNI absolviert, ich konnte nicht mehr dort leben.

 

LA: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe Jordanien betreffend?

VP: Nein, das sind alle meine Gründe, weitere habe ich nicht.

 

LA: Beschreiben Sie mir Ihren Alltag in Jordanien genau!

VP: Nach meinem Studium war ich ca. 1 Jahr und 8 Monate im Oman, ich habe dort als Innendesigner gearbeitet und dann bin ich wieder nach Jordanien zurückgegangen, weil mein Visum für Oman abgelaufen ist und sie wollten es nicht mehr verlängern.

 

LA: Weshalb sind Sie freiwillig nach Jordanien zurückgegangen?

VP: Mein Visum war aus. Danach befragt gebe ich an, dass ich mir damals nicht gedacht hatte nach Europa zu fliehen und ich habe gehofft, dass ich mit meiner Arbeitserfahrung, Erfolg in den arabischen Ländern hätte, aber das hat nicht geklappt.

 

LA: Was haben Sie in einem Monat durchschnittlich verdient und was haben Sie mit dem Geld gemacht?

VP: Ich habe 250,- omanische Real verdient und ich habe das Geld für meinen Lebensunterhalt, gespart und einen Teil habe ich meiner Mutter geschickt. Das war wenig Geld, aber besser als arbeitslos in Jordanien.

LA: Beschreiben Sie mir Ihren Alltag zuletzt vor der Ausreise in Jordanien genau!

VP: Das war der ganz normale Alltag, ich war meistens zu Hause, ich war nur draußen um im Supermarkt einkaufen zu gehen.

 

LA: Wurden Sie in Jordanien jemals persönlich belangt?

VP: Nein.

 

LA: Haben Sie sich wegen Ihrer Problematik jemals in Jordanien an staatliche Stellen, z.B. die palästinensische Botschaft gewandt?

VP: Ja, aber die haben mir nur diesen Pass ausgestellt, mehr haben Sie nicht für mich machen können. Unter meinem Namen steht im Pass drei Mal die ,,0“ so kann ich nicht nach Palästina reisen.

 

LA: Weshalb ist das so?

VP: In der Botschaft gibt es eine Abteilung, da haben gesagt, dass dieser Pass nur für Auslandaufenthalte geeignet ist.

 

LA: Würden Sie nach Palästina reisen wollen bzw. dort leben wollen?

VP: Nein, weil es dort Krieg gibt. Danach befragt gebe ich an, dass ich noch nie in Palästina war.

 

LA: Welche Fluchtgründe haben Sie betreffend Palästina?

VP: Wie soll ich in ein solches Land, wenn dort Krieg herrscht, dort bin ich nicht sicher. Vor kurzer Zeit in einem Gebiet, das habe ich in einem Internet gesehen, das war im Gaza-Gebiet, das war in der Straße Abujame-Straße, diese Straße wurde bombardiert, es wurden alle Häuser Bombardiert, das ist der Namen meiner Familie. 70 % der Bewohner der Straße sind verstorben. Das war Absicht, wenn ich dort gewesen wäre, wäre ich auch tot. Gefahr gibt es überall für jeden der in Gaza lebt besonders.

 

LA: Hätten Sie damals die Möglichkeit gehabt, sich woanders ins Heimatland zu begeben, um sich der angeben Übergriffe/Probleme/Schwierigkeiten zu entziehen? bzw. haben Sie das schon erwogen / versucht – z.B. in ein anderes Gebiet bzw. Provinz?

VP: Ich konnte nicht aus Jordanien nach Palästina gehen, weil es dort Krieg gibt und ich hatte damals noch keinen Pass und als ich den Pass hatte, durfte ich nicht nach Palästina fliegen.

 

LA: Wie hat es sich mit anderen illegal aufhältigen Personen aus Palästina verhalten betreffend der Pässe und der Einreise nach Palästina?

VP: Ich persönlich kenne keine anderen Palästinenser denen es so geht, außer meine Geschwister. Danach befragt gebe ich an, dass meine Mutter den selben Status hatte, wie ich, aber sie hatten einen Jordanier geheiratet um die Staatsbürgerschaft zu bekommen und hat sich aber dann wieder schieden lassen.

 

LA: Weshalb hat Sie dann nicht gleich für alle Ihre Kinder die Staatsbürgerschaft für Jordanien beantragt?

VP: Im Gesetz in Jordanien ist es so, dass die Staatsbürgerschaft nicht weitergegeben werden kann von der Mutter.

 

LA: Was würde bei aktueller (fiktiver) Heimkehr nach Jordanien passieren? Was würde Sie dort erwarten?

VP: Demütigung, wie es früher war, hoffnungsloses Leben, ich habe keine Rechte. Wenn ich mit meinem Pass nach Jordanien reisen möchte, brauche ich ein Visum. Als ich vom Oman nach Jordanien gereist bin, haben Sie mir nur ein Visum für 2 Wochen ausgestellt und ich musste Strafe zahlen, als ich länger geblieben bin.

LA: Was würde bei aktueller (fiktiver) Heimkehr nach Palästina passieren? Was würde Sie dort erwarten?

VP: Mindestens in jeder Sekunde kann ich wegen dem Krieg sterben.

 

LA: Warum können Ihre Angehörigen weiterhin in Jordanien leben, während Sie ausreisen mussten?

VP: Die alle wollen auch weg, wie ich, aber sie schaffen das nicht, weil jeder Frau und Kinder und auch nicht genug Geld für die Reise hat, ich alleine ohne Frau und Kind bin. Danach befragt gebe ich an, dass wenn ich hier einen positiven Asylbescheid erhalte, werde ich sie mit einer Familienzusammenführung hier her holen.

 

LA: Was hat sich vom Zeitpunkt Ihrer Einreise vom Oman nach Jordanien bis zu Ihrer Ausreise nach Europa für Sie persönlich verändert?

VP: Im Oman, war es mein Arbeitsbeginn, in dem Bereich in dem ich studiert hatte, es hat mir geholfen in meinem Bereich, das war eine große Motivation für mich, ich wollte mich weiterentwickeln. Als ich nach Jordanien zurückgekommen bin, waren alle meine Hoffnungen weg. Aber trotzdem habe ich nicht aufgegeben und ich habe positiv gedacht und habe entschieden, nach Europa zu kommen um hier zu arbeiten und alle Sachen zu machen, die ich nicht in Jordanien nicht machen konnte.

(…)“

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (I.).

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien nicht zuerkannt (II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (III.).

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Jordanien gemäß § 46 FPG zulässig ist (V.).

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (VI.).

 

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat, in Verbindung mit ihrer persönlichen Situation, keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Relevante Abschiebungshindernisse würden demnach nicht vorliegen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht gegeben sein und werde daher eine Rückkehrentscheidung mit der angegebenen Frist für die freiwillige Ausreise verfügt.

 

Dagegen wurde gegen alle Spruchpunkte Beschwerde erhoben.

 

Das BVwG führte am 14.11.2022 eine Verhandlung durch. Die bP gab dabei im Wesentlichen Folgendes an:

„(…)

Erwarten Sie aktuell bei einer Rückkehr in Ihre Herkunftsregion im Herkunftsstaat noch Probleme? Wenn ja, geben Sie bitte detailliert und vollständig alle Probleme an, die Sie persönlich für sich derzeit bei einer Rückkehr erwarten würden.

Ich bin kein Jordanier um nach Jordanien zurückzukehren, ich habe dort auch keine Aufenthaltsgenehmigung. Ich habe meine Ehe 2014 geschlossen. Unsere Kinder, wenn sie in Jordanien zur Welt kommen, würden sie dasselbe Schicksal wie ich haben. Ich habe keine Rechte in Jordanien zu leben. Das wären meine Probleme in Jordanien.

(Ende der freien Rede)

 

Haben Sie damit jetzt alle Probleme genannt, die Sie persönlich aktuell im Falle einer Rückkehr nach Jordanien erwarten würden?

Ja, ich habe alles gesagt.

 

Vorhalte / Fragen:

Haben Sie versucht legal nach Europa auszuwandern bzw. zu reisen. Etwa mittels Visum oder einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel?

Nein, weil meine Identitätsdokumente fehlen habe ich das Land nicht legal verlassen können. Ohne Identitätsdokumente ein Visum zu bekommen ist sehr schwer.

 

Sie haben eine Palästinensischen Reisepass besessen, ist das richtig?

Ja.

 

Ist es richtig, dass Sie in Jordanien bei UNRWA als palästinensischer Flüchtling registriert sind?

Ja.

 

Sind auch Ihre in Jordanien lebenden Geschwister bei UNRWA als palästinensischer Flüchtling registriert?

Ja.

 

Sie haben im Mai 2018 bereits in Griechenland einen Asylantrag gestellt, ihr Verfahren wurde zur Prüfung zugelassen. Warum haben Sie dort die Entscheidung nicht abgewartet?

Wegen den damaligen Umständen die sich dort ergeben haben, als ich dort lebte. Ich habe dort ein unwürdiges Leben erlebt. Ich habe in einem Auffanglager gelebt wo ca. 12000 Menschen untergebracht waren. Wegen der damaligen Situation sind mehrere Personen gestorben. Es war unmöglich dort zu leben, deshalb bin ich weitergereist.

 

Sie haben kurze Zeit nach der Asylantragstellung in Österreich, wo Sie behaupteten, dass Sie Schutz benötigen, Österreich wieder verlassen und sind nach Deutschland gereist. Warum hatten Sie kein Interesse, dass die zuständige Behörde in Österreich prüft ob Sie ein Recht auf Asyl oder subsidiären Schutz haben?

Ich war schlecht informiert, ich hatte verwandte in Deutschland. Man hat mir gesagt ich kann zu ihnen nach Deutschland kommen, man hat mich gewarnt das Österreich mich womöglich nach Griechenland wieder abschiebt. Deshalb bin ich nach Deutschland gereist.

 

Sie sollten dann im Juni 2019 von Deutschland nach Österreich rücküberstellt werden, damit hier Ihr Asylantrag weiter geprüft wird. Sie wollten aber offensichtlich nicht zurück nach Österreich, haben sich dieser Überstellung entzogen und sind weiter nach Belgien gereist (AS 129).

Was sagen Sie dazu?

Wie gesagt, aus Angst nach Griechenland abgeschoben zu werden. Letztendlich habe ich in Belgien ersucht mich nach Österreich zu überstellen.

 

Haben Sie in Deutschland und Belgien auch einen Asylantrag gestellt?

Ja.

 

Was haben Sie dort zur Begründung Ihres Antrages angegeben?

Wegen der damaligen Unterdrückung die ich in Jordanien erlebte.

 

Von der Finanzpolizei wurde dem BVwG mitgeteilt, dass Sie bei nicht rechtmäßiger Beschäftigung, nämlich ohne Beschäftigungsbewilligung, angetroffen wurden. Was sagen Sie dazu?

Das war keine Tätigkeit, ich habe eine Freund begleitet, er war selbstständig, ich war bei ihm im Lager. Er musste zu dieser Zeit nachhause um Medikamente zu holen und ich bin im Lager geblieben. Es war kalt an diesem Tag, ich habe ihm ein wenig geholfen. Die Finanzpolizei ist an diesem Tag zu mir gekommen, und wurde diesbezüglich befragt, danach wurde der Sachverhalt eingestellt bzw. ich wurde nicht beschuldigt.

 

In welchem Zeitraum waren Sie im Oman aufhältig? (Anm: Aufenthaltskarte ausg. 21.12.2016 OZ15; FS ausg. 04.11.2015)

Von Dezember 2014 bis 2016 aber kann mich an den genauen Monat nicht erinnern. Ich vermute es war Juni oder Juli? Ich bin damals legal von Jordanien ausgereist und legal in den Oman gereist.

 

RV legt ein schreiben der Botschaft von Oman in Wien vor, wonach die P von 25.12.2015 bis 24.12.2018 in Oman gelebt hat.

 

Sind Sie dann von Oman noch mal zurück nach Jordanien gereist?

Ja.

 

Sind Sie damals legal von Oman nach Jordanien gereist.

Ja, schon legal aber das war nicht so einfach. Ich wurde am Flughafen ca. 6 Stunden angehalten. Im Normalfall wäre das nicht möglich.

 

Warum wurden Sie dann wieder frei gelassen?

Ich habe nicht gewusst, dass ich für Jordanien ein Visum brauche. Ich musste ein 2-wöchiges Visum bekommen um Jordanien zu betreten. Man hat mir mitgeteilt, dass ich nach 2 Wochen Jordanien wieder verlassen muss.

 

Warum müssen ihre zwei Brüder in Jordanien das Land nicht verlassen?

Sie haben keinen Kontakt zur Behörde, und sie leben in einer Ortschaft in der Nähe der Wüste.

(…)“

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben. Das BVwG hat auch Einsicht in die von der bP zitierte Erstbefragung der Ehegattin vom 21.09.2022 genommen.

 

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Identität und Herkunftsstaat:

Name und Geburtsdatum (wie im Einleitungssatz des Spruches angeführt) stehen (lt. Bundesamt) fest.

Die bP ist der Volksgruppe der Palästinenser zugehörig. Sie verfügt über einen 2014 von der Palästinensischen Botschaft in Jordanien ausgestellten Palästinensischen Reisepass. Die Jordanische Staatsbürgerschaft hat sie nicht erlangt, sie gilt als staatenlos. Sie ist in Jordanien bei UNRWA als Flüchtling registriert.

Der hier der Prüfung zugrundeliegende Herkunftsstaat ist Jordanien.

 

1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise:

Sie ist in Jordanien in Amman geboren und lebte von Geburt an in diesem Land. Bei ihren Eltern handelt es sich um palästinensische Flüchtlinge, die vor Geburt der bP schon nach Jordanien geflüchtet sind.

Die bP ist bei UNRWA als Flüchtling registriert und steht nach wie vor unter dem Schutz dieser Organisation. Sie besuchte in Jordanien die Volksschule, das Gymnasium und schloss danach an der Universität in Jordanien im Bereich XXXX ein Studium erfolgreich ab. Nach Abschluss des Studiums arbeitete sie mittels beantragter Aufenthalts- u. Arbeitsberechtigung von 2014 bis 2016 legal im Oman in diesem Bereich. 2016 kehrte sie nach Jordanien zurück und lebte in Amman bis zum Reiseantritt nach Europa bis ca. Mai 2018. Sie war in Jordanien stets in der Lage das zum Leben Notwendige zu erlangen.

Nach der Rückkehr aus dem Oman bekam die bP erforderlichenfalls auch weiterhin Unterstützung von Hilfsorganisationen und wohltätigen Privatpersonen im Ort.

 

1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat:

Ihre Mutter lebte ursprünglich als Palästinensischer Flüchtling in Jordanien in Amman. Nach dem Tod des Vaters bzw. Ehegatten im Jahr 1991 heiratete sie später einen jordanischen Staatsangehörigen und erhielt in weiterer Folge die jordanische Staatsbürgerschaft.

 

Die bP hat Brüder und eine Schwester. Zwei Brüder leben im Libanon, einer in Kanada.

Aktuell leben nach wie vor zwei Brüder in einer Mietwohnung in Jordanien. Familienangehörige in Jordanien betreiben eine XXXX (AS 141). Sie stehen in Jordanien ebenso unter dem Schutz von UNRWA.

 

Die bP hat zur Mutter und den Geschwistern regelmäßig telefonischen Kontakt. Das Verhältnis zu diesen ist gut. Die Mutter hat ihr zur Unterstützung im Asylverfahren aus Jordanien auch Bescheinigungsmittel nach Österreich geschickt.

 

Die bP hat 2014 bei der zuständigen Jordanischen Behörde standesamtlich, einschließlich einer Feier, geheiratet. Sie ließ die Ehe auch bei UNRWA registrieren. Die Ehegattin lebte bis August 2022 in Jordanien in der Wohnung der Mutter der bP. Sie ist jordanische Staatsangehörige und hat in Jordanien das gleiche Studium wie die bP absolviert. Sie ist 2022 mittels Touristenvisum in Österreich eingereist und hat danach am 21.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Es fand die Erstbefragung statt. Als Begründung des Antrages behauptete sie, dass die Eltern sie zwingen wollten sich von der bP scheiden zu lassen. Dies weil es die bP nicht zustande gebracht hat sie nach Österreich nachzuholen.

 

Die bP verfügt über zahlreiche Freunde, die ihr vor der Ausreise auch Geld liehen. Eine Rückzahlungsfrist besteht nicht (AS 145)

 

1.4. Ausreisemodalitäten:

Sie reiste am 06.05.2018 von Jordanien unter Verwendung ihres Pal. Reisepasses legal aus bzw. legal in die Türkei ein (AS 16). Am 18.05.2018 wurde sie in Griechenland im Eurodac-System als illegaler Fremder und am 30.05.2018 mit einem Antrag auf internationalen Schutz erfasst. Das Verfahren wurde zur Prüfung zugelassen, jedoch reiste die bP weiter ohne den Ausgang abzuwarten (AS 73). Es wurde folglich eingestellt.

In Griechenland war sie ca. 3,5 Monate, in Albanien 2 Tage, in Montenegro 2,5 Monate, in Bosnien 4 Monate, in Kroatien 2 Tage, in Slowenien 1 Tag aufhältig bis sie nach Österreich kam. Ihr ursprüngliches Ziel war Berlin.

Sie durchreiste auf ihrem Weg nach Österreich somit mehrere als sicher geltende Staaten. In diesen suchte sie nicht um Schutz an bzw. wartete den Ausgang des zugelassenen Asylverfahrens nicht ab.

Zum Verbleib des heimatsstaatlichen Reisepasses gab sie an, dass dieser in Griechenland verblieb.

Die Ausreise verursachte Gesamtkosten von ca. 2500 Euro, die die bP aus verschiedenen Quellen aufbringen konnte.

 

1.5. Aktueller Gesundheitszustand:

Die bP hat aktuell keine aktuell behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt.

 

1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich:

 

Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes

Die bP begab sich ohne Vorhandensein eines gültigen Einreise- bzw. Aufenthaltstitels am 06.03.2019 mit Unterstützung von Schleppern in das Bundesgebiet.

Mit der am gleichen Tag erfolgten Stellung des Antrages auf internationalen Schutz erlangte die bP eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG, die nach Antragsabweisung durch die Beschwerdeerhebung verlängert wurde.

Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise gem. § 120 Abs 1 iVm Abs 7 FPG als rechtswidrig. Wer als Fremder nicht rechtmäßig einreist begeht eine Verwaltungsübertretung die als Offizialdelikt von der Verwaltungsstrafbehörde mit einer Geldstrafe von 100 bis 1000 Euro, im Wiederholungsfall mit 1000 bis 5000 Euro zu ahnden ist.

 

Nach der Erstbefragung war die bP unbekannten Aufenthaltes bzw. hat sich dem Verfahren entzogen, woraufhin das Bundesamt das Asylverfahren am 21.03.2019 einstellte.

Die bP hat Österreich zu nicht näher bekanntem Zeitpunkt nicht rechtmäßig über die Binnengrenze verlassen und hat in Deutschland abermals einen Asylantrag gestellt. Nach Konsultationen sollte die bP von Deutschland am 19.06.2019 zwecks ho. Weiterführung des Asylverfahrens rücküberstellt werden. Sie hat sich jedoch der Überstellung nach Österreich entzogen und ist weiter nach Belgien gereist, wo sie ebenfalls einen Asylantrag stellte.

Nach Rückkehr aus Belgien hat das Bundesamt das Asylverfahren mit der Einvernahme am 12.08.2019 fortgesetzt.

 

Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich

Die Ehegattin der bP kam mittels Touristenvisum am 08.09.2022 nach Österreich und ist seit 21.09.2022 als Asylwerberin hierorts aufhältig. Dass die bP in Österreich über keinen gesicherten Aufenthalt verfügt, ist der Ehegattin nach Angaben der bP bekannt.

Sie wohnen zusammen und unterstützt sie die bP durch ihr Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit.

 

Grad der Integration

Die bP hat im Jänner 2020 beim ÖIF die Integrationsprüfung auf Niveau A1 positiv abgelegt.

Im Jänner 2022 hat sie das Gewerbe der Güterbeförderung angemeldet. Im Zeitraum von August bis November 2022 wurden Belege über einen Gesamtumsatz von 10500 Euro vorgelegt. Sie ist in keinem Verein tätig. Sie verfügte schon in Jordanien über einen Führerschein. Sie hat Freunde und Bekannte in Österreich. Sie bezog ab Asylantragstellung bis 01.02.2022 Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

 

 

Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Familienlebens; die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Die bP hat die privaten Anknüpfungspunkte während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet stets prekär war. Seit deren Einreise lebt die bP wieder mit der Ehegattin zusammen. Zuvor waren sie über Jahre getrennt und hielten den Kontakt per Telefon aufrecht.

 

Bindungen zum Herkunftsstaat

Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat Jordanien geboren, absolvierte dort ihre gesamte Schul- und Studienzeit, kann sich im Herkunftsstaat – im Gegensatz zu Österreich – problemlos verständigen und hat ihr überwiegendes Leben in diesem Staat verbracht. Sie wurde somit im Herkunftsstaat sozialisiert und kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens einschließlich der gegebenen sozialen Unterstützungsnetzwerke. Es leben dort auch noch insbes. Familienangehörige. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.

 

Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.

Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG von der Polizei bzw. den Verwaltungsstrafbehörden einschließlich dem Bundesamt nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt der belangten Behörde.

Die bP wurde bei einem Dienstgeber von der Finanzpolizei bei einer Beschäftigung als Dienstnehmer angetroffen, ohne dass der Beschäftiger für diese Erwerbstätigkeit für die bP eine Bewilligung nach dem AuslBG verfügte.

 

Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise (bei strafmündigen Personen) gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs 1 iVm Abs 7 FPG).

 

Sie hat nach der Asylantragstellung Österreich verlassen und reiste nicht rechtmäßig nach Deutschland. Die bP hat die Aufgabe des Wohnsitzes in Österreich den zuständigen Behörden nicht gemeldet und dadurch gegen das Meldegesetz verstoßen. Sie widersetzte sich in Deutschland der Rückkehr nach Österreich indem sie sich der Rücküberstellung entzog.

 

Verfahrensdauer

Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde am 06.03.2019 gestellt und erging der Bescheid vom Bundesamt am 24.10.2019. Nach eingebrachter Beschwerde erging mit heutigem Erkenntnis die Entscheidung im Beschwerdeverfahren.

Nach Asylantragstellung hatte sie sich dem Verfahren durch Ausreise nach Deutschland und in weiterer Folge nach Belgien entzogen.

 

1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen / nichtstaatlichen Akteuren bzw. den von der bP vorgebrachten Problemen, die sie persönlich im Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwartet:

 

a) Betreffend ihrer persönlichen Sicherheit / Verfolgung im Herkunftsstaat:

Die bP unterlag vor der Ausreise aus Jordanien keiner persönlichen Verfolgung bzw. sicherheitsrelevanten Gefährdung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure. Eine solche Gefährdung liegt auch aus aktueller Sicht im Falle der Rückkehr nicht vor. Die bP stand unter dem Schutz von UNRWA und ist dieser nicht weggefallen

 

Aus der derzeitigen Lage ergibt sich im Herkunftsstaat, insbesondere in der Herkunftsregion der bP, unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der bP als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts besteht.

 

b) Betreffend ihrer Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse im Herkunftsstaat:

Die bP stand unter dem Schutz von UNRWA und ist dieser nicht weggefallen. Sie absolvierte in Jordanien die Schule samt Studium. Sie war in der Lage das zum Leben Notwendige zu erlangen und gibt es keine konkreten Hinweise darauf, dass dies nicht auch im Falle der Rückkehr wieder möglich wäre. Familienangehörige leben nach wie vor im Herkunftsstaat und hat die bP zu diesen ein gutes Verhältnis. Die Mutter, bei dieser wohnte die bP bis zur Ausreise, lebt in Amman in einer Mietwohnung.

Die bP verfügt über einen Palästinensischen Reisepass und ist sie auch den jordanischen Behörden bekannt, die für sie auch auf Antrag Bescheinigungen ausstellten, die sie im Asylverfahren vorlegte.

 

1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Jordanien, 27.07.2022, sowie den genannten UNRWA Quellen, ergeben sich nachfolgende Feststellungen über die relevante Lage:

 

Unterstützung von Palästinensischen Flüchtlingen durch UNRWA in Jordanien

Mehr als 2 Millionen registrierte Palästina-Flüchtlinge leben in Jordanien, die größte Zahl von Palästina-Flüchtlingen aller UNRWA-Bereiche. Die meisten, aber nicht alle, haben die volle Staatsbürgerschaft. Etwa 18 Prozent leben in den zehn anerkannten palästinensischen Flüchtlingslagern im ganzen Land.

Zehntausende palästinensische Flüchtlinge, die aus Syrien vertrieben wurden, haben die UNRWA in Jordanien um Hilfe gebeten. Die Mehrheit von ihnen soll unter bitterer Armut leiden und in einem prekären rechtlichen Status leben. UNRWA arbeitet daran, aus Syrien vertriebene palästinensische Flüchtlingskinder in ihren Schulen unterzubringen und Bedürftigen Hilfe und medizinische Versorgung zukommen zu lassen.

 

UNRWA betreibt 10 Palästinensische Flüchtlingscamps in Jordan:

Amman New Camp

Baqa'a Camp

Husn Camp

Irbid Camp

Jabal el-Hussein Camp

Jerash Camp

Marka Camp

Souf Camp

Talbieh Camp

Zarqa Camp

 

Der UNRWA-Hauptsitz und die jordanische Außenstelle in Amman befinden sich im Bayader Wadi Seer.

Die hauptsächliche ethnische Mehrheit sind die Jordanier arabischer Beduinen. Palästinensische Araber machen über 40 Prozent der Bevölkerung aus, während Araber insgesamt 98 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Andere ethnische Minderheiten sind die Tscherkessen, Armenier und Kurden. Die Menschen in Jordanien sind gastfreundlich und herzlich zu Besuchern.

Jordanien hat ein ziemlich fortschrittliches Gesundheitssystem, obwohl die Dienste in Amman stark konzentriert sind. Viele in Amman verfügbare medizinische Fachkräfte sind im Ausland zugelassen und/oder ausgebildet und kehren nach Jordanien zurück, um ihre eigene Arztpraxis zu eröffnen. Die Ärzte sprechen Englisch.

 

Jordanien bietet eine große Auswahl an internationalen Grund- und Sekundarbildungsmöglichkeiten, darunter das US-amerikanische, britische und französische System, sowie zweisprachige arabisch-englische Inlandsprogramme.

In Amman gibt es eine große Auswahl an Wohnmöglichkeiten. Luxuriöse Privatvillen sowie große bis kleine Apartments stehen möbliert oder unmöbliert zur Verfügung. Im Allgemeinen werden Wohnungen über Makler, persönliche Referenzen oder beim Bummeln durch die gewünschten Viertel gefunden, die nach „Zu vermieten“-Schildern suchen.

Die Einwohner Jordaniens nutzen Autos, um innerhalb von Amman und zwischen der Hauptstadt und den Nachbarstädten zu reisen. Taxis sind preiswert und leicht verfügbar. Busse verkehren innerhalb von Amman und zwischen Amman, den Resorts am Toten Meer, Aqaba und Wadi Rum.

Mehrere internationale Fluggesellschaften bieten tägliche Flüge zwischen Nordamerika, Europa, den Ländern des Nahen Ostens und dem Fernen Osten an. Ammans Queen Alia International Airport ist 40 Minuten von der Innenstadt von Amman entfernt.

Moderne Lebensmitteleinkaufszentren, Einkaufszentren mit umfassendem Service und Kinos sind leicht zugänglich. Es gibt zahlreiche Fitnesscenter und mehrere Clubs, die Fitnessstudios, Schwimmen, Spielplätze und andere Annehmlichkeiten bieten.

Hotels am Toten Meer und in Aqaba bieten anspruchsvolle Ferien in Resorts, die von Amman aus bequem mit dem Auto zu erreichen sind. Die historischen Stätten von Petra, Jerash, Madaba und die Wüstenschlösser sind leicht zugänglich und bieten einen einzigartigen Einblick in die reiche Geschichte der Region. Abenteuerlustige Reisende können in der atemberaubenden Wüste Wadi Rum, den Wadis rund um das Tote Meer, der östlichen Wüste oder den nördlichen Wildreservaten wandern, Rad fahren oder klettern.

(https://www.unrwa.org/where-we-work/jordan )

 

Mikrokredite durch UNRWA

Die UNRWA-Abteilung für Mikrofinanz bietet palästinensischen Flüchtlingen sowie anderen armen oder marginalisierten Gruppen, die in ihrer Nähe leben und arbeiten, nachhaltige Einkommensmöglichkeiten.

Es bietet Haushalten, Unternehmern und Kleinunternehmern Kredite und ergänzende Finanzdienstleistungen. Diese Investitionen schaffen und erhalten Arbeitsplätze, reduzieren die Armut und stärken unsere Kunden, insbesondere Frauen.

Viele der Kunden des Mikrofinanzprogramms betreiben kleine, oft informelle Unternehmen am Rande der Wirtschaft. Dazu gehören Fischer, Garagenbesitzer, Heimnäherinnen und Besitzer von Gemüseständen. Wir konzentrieren unsere Mikrofinanzoperationen auf die armen Stadtgebiete, in denen oft Flüchtlinge leben, da diese in der Regel Zentren kommerzieller und industrieller Aktivitäten sind.

Um jungen Menschen zwischen 18 und 30 Jahren Möglichkeiten zur Selbständigkeit zu eröffnen, bietet unser Mikrofinanzprogramm auch Gründungsdarlehen für junge Menschen, die ihr eigenes Unternehmen gründen möchten.

Durch die Kreditvergabe an palästinensische Flüchtlinge, Frauen, Jugendliche und andere marginalisierte Kunden unterstützt die Mikrofinanzabteilung das UNRWA-Entwicklungsziel „Ein menschenwürdiger Lebensstandard“. Die Abteilung organisiert ihre Programme mit dem strategischen Ziel, ihren Kunden „inklusive Finanzdienstleistungen und einen verbesserten Zugang zu Kredit- und Sparmöglichkeiten“ zu bieten, die ihnen neue Möglichkeiten eröffnen können.

Die Mikrofinanzbranche in Jordanien ist gut entwickelt, sehr wettbewerbsfähig und profitabel, und mit vier Prozent Marktanteil gehört UNRWA zu den kleineren Anbietern. Nichtsdestotrotz spielen wir eine wichtige Rolle bei der Kreditvergabe, um Bildung, Wohnungsbau sowie Klein- und Kleinstunternehmen zu unterstützen. Das Mikrofinanzprogramm der UNRWA begann 2003 mit der Kreditvergabe in Jordanien, und wir glauben, dass die Reichweite des Marktes viel größer werden kann als heute, insbesondere in diesen Bereichen.

Unser Mikrofinanzprogramm verzeichnete in den letzten fünf Jahren mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von fünf Prozent das dramatischste Wachstum. Im Jahr 2017 wuchs die gesamte Reichweite der UNRWA um 1,4 Prozent, und die Agentur zahlte 12.986 Darlehen im Wert von 14,15 Millionen US-Dollar in Jordanien aus. Das Land ist die Heimat der größten Population palästinensischer Flüchtlinge – 41 Prozent – und sie machten 2017 55 Prozent unserer Kunden aus. Wir haben auch unsere Reichweite für die jüngsten Kunden zwischen 18 und 30 Jahren erhöht, die 29 erhielten Prozent unserer Kredite.

Wie wir es auch in anderen Bereichen tun, bietet UNRWA Kunden in Jordanien eine Vielzahl von Darlehen an, sodass sie je nach Bedarf aus verschiedenen Optionen wählen können. Unsere Kreditvergabe an die kleinsten Unternehmen hat sich 2017 geringfügig verbessert, ebenso wie die Reichweite anderer Kredite zugenommen hat. Ein Produkt, ein Kleinkredit, der Frauen beim Aufbau von Unternehmen zu Hause helfen soll, wurde 2010 in Jordanien eingeführt. Bis 2017 wurden damit 5.033 Kredite im Wert von 3,19 Millionen US-Dollar finanziert. Insgesamt sind 47 Prozent unserer Kunden in Jordanien Frauen.

In Zukunft wird es für uns wichtig sein, das Niveau unserer Finanzierung in Jordanien zu erhöhen, aber dies ist durch sehr begrenztes Kapital begrenzt, da UNRWA nie irgendeine Spenderunterstützung für das Programm in Jordanien erhalten hat. UNRWA befindet sich in einer einzigartigen Position, um zu einem substanziellen Wachstum beizutragen, indem es Kunden in Jordanien hilft, neue Geschäfte und Möglichkeiten zu entwickeln.

(https://www.unrwa.org/activity/microfinance-jordan )

 

Schutz in Jordanien durch UNRWA

In Jordanien genießen die 2,2 Millionen bei der UNRWA registrierten Palästina-Flüchtlinge eine breite Einbindung in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben. Die überwiegende Mehrheit hat die jordanische Staatsangehörigkeit, mit Ausnahme von etwa 158.000 „Ex-Gazan“-Flüchtlingen – Palästinenser, die nach den Feindseligkeiten im Juni 1967 aus dem Gazastreifen nach Jordanien geflohen sind. Mehrere gesetzliche Beschränkungen schränken ihre Rechte ein und tragen zu ihren prekären Lebensbedingungen bei.

Jordanien beherbergt auch rund 17.000 palästinensische Flüchtlinge aus Syrien (PRS), von denen 47 Prozent Kinder sind. Während die meisten von ihnen als hochgradig gefährdet eingestuft werden und UNRWA-Unterstützung erhalten, sind viele von ihnen zusätzlich mit einer schwierigen Schutzsituation konfrontiert, hauptsächlich aufgrund ihres prekären rechtlichen Status im Land. Andere gefährdete Gruppen unter der palästinensischen Flüchtlingsbevölkerung in Jordanien sind Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, Frauen und Kinder, die verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt sind, einschließlich geschlechtsspezifischer Gewalt (GBV), und Menschen mit Behinderungen, die von sozialer Ausgrenzung betroffen sind.

In Jordanien zielt UNRWA auf die spezifischen Schwachstellen von Einzelpersonen und Gruppen durch eine Reihe von Schutzmaßnahmen ab, darunter die Verbesserung des Zugangs zu UNRWA-Diensten und -Unterstützung; Stärkung der Überweisungswege mit externen Dienstleistern; verbesserte Fallmanagementmechanismen; und Überwachung, Berichterstattung und Verteidigung mit Pflichtenträgern zur Förderung der Achtung der Rechte palästinensischer Flüchtlinge in Jordanien in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht, insbesondere für die Rechte von und den Zugang zu Dienstleistungen für „Ex-Gazaner“ und PRS.

Der Schutz wird durch Area Protection Working Groups weiter verbreitet, denen Mitarbeiter aus UNRWA-Programmen (wie Gesundheit, Bildung, Hilfs- und Sozialdienste) angehören und ein Forum bieten, um ein breites Spektrum von Schutzbedenken (wie Kinderheirat, Gewalt) zu identifizieren und anzugehen Auswirkungen auf Kinder oder Schulabbruch). Persönliche Schutzunterstützung für PRS wird von engagierten Schutzkräften für PRS geleistet. UNRWA führt auch Aktivitäten im Zusammenhang mit GBV durch, von der Reaktion auf Einzelfälle bis hin zu Präventionsinitiativen.

https://www.unrwa.org/activity/protection-jordan

 

 

4. Sicherheitslage

Laut den Sicherheits- und Reiseinformationen des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland besteht insbesondere aufgrund der Lage in Syrien und im Irak landesweit die Gefahr von Terroranschlägen in Jordanien und eine Sicherheitsgefährdung, auch an Orten, die von Ausländern besucht werden. Die jordanischen Behörden haben daher ihre Sicherheitsvorkehrungen an diesen Orten entsprechend erhöht (AA 14.7.2022). An den Grenzen zu Syrien und dem Irak kommt es wiederholt zu Zwischenfällen und vereinzelten Auseinandersetzungen. Das syrisch-jordanische und das irakisch-jordanische Grenzgebiet sind militärisches Sperrgebiet (AA 14.7.2022; vgl. BMEIA 14.7.2022).

Terroristische Anschläge stellen weiterhin eine Bedrohung für die physische Sicherheit dar. Im November 2019 erklärten die jordanischen Behörden, sie hätten Anfang des Jahres einen Anschlag auf US-amerikanische und israelische Ziele im Land vereitelt; zwei Verdächtige, die sich angeblich von der militanten Gruppe Islamischer Staat (IS) inspirieren ließen, standen damals vor Gericht (FH 28.2.2022).

Es kommt sowohl in der Hauptstadt Amman als auch in anderen Städten und Ortschaften des Landes vor allem an den Wochenenden nach dem Freitagsgebet des Öfteren zu Demonstrationen und Protestaktionen, in denen verschiedene Bevölkerungsgruppen ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Forderungen artikulieren. In der Folge kann es zu Verkehrsbeeinträchtigungen und auch vereinzelten gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen (AA 14.7.2022).

 

5. Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, was laut US-amerikanischem Außenministerium im Allgemeinen auch respektiert wird (USDOS 12.4.2022). Laut der NGO Freedom House wird die Unabhängigkeit der Justiz allerdings auch eingeschränkt und ordnungsgemäße Verfahren können häufig nicht gewährleistet werden. Nach den Verfassungsänderungen von 2016 ernennt der König einseitig das gesamte Verfassungsgericht und den Vorsitzenden des Justizrates, der die Richter für das Zivilgerichtssystem benennt und sich überwiegend aus hochrangigen Mitgliedern der Justiz zusammensetzt. Die Richter, sowohl des Zivilgerichts als auch des Scharia-Gerichts (islamisches Recht), die sich mit Personenstandsangelegenheiten von Muslimen befassen, werden per königlichem Erlass formell ernannt. Das Jusitzministerium ist befugt, die Richter zu überwachen, sie zu befördern und ihre Gehälter festzulegen, was die Autonomie der Richterschaft schwächt (FH 28.2.2022).

Per Gesetz sind alle Zivilgerichtsverhandlungen und Verhandlungen zu staatssicherheits-relevanten Fällen öffentlich, es sei denn das Gericht beschließt, dass es für den Schutz der Allgemeinheit notwendig ist, die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten. Es gilt die Unschuldsvermutung (USDOS 12.4.2022). Die Polizei kann Verdächtige bis zu sechs Monate festhalten, ohne formelle Anklage zu erheben, und die Gouverneure sind befugt, Verwaltungshaft bis zu einem Jahr zu verhängen. In der Praxis ignorieren die Behörden oft die verfahrensrechtlichen Schutzvorkehrungen gegen willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und halten Personen ohne Kontakt zur Außenwelt oder über die gesetzlichen Fristen hinaus fest. Angeklagte haben in der Regel vor Prozessbeginn keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand, was ihre Möglichkeiten zur Verteidigung beeinträchtigt. Trotz eines verfassungsrechtlichen Verbots akzeptieren Gerichte unter Folter erzwungen Geständnisse (FH 28.2.2022). Angeklagte haben das Recht auf einen Rechtsbeistand, der – im Fall von Anklagen für Verbrechen, die mit der Todesstrafe bzw. lebenslänglicher Haft bestraft werden – bedürftigen Personen auf Staatskosten zur Verfügung gestellt wird (USDOS 12.4.2022). Jedoch haben in der Praxis viele Angeklagte in strafrechtlichen Fällen vor und während des Verfahrens keinen Rechtsbeistand (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Die Behörden missachten das Recht der Angeklagten auf frühzeitige und detaillierte Information über ihre Anklagepunkte, auch wurde ihnen oft keine angemessene Zeit zur Vorbereitung des Gerichtsprozesses zur Verfügung gestellt. Ausländische Einwohner, insbesondere Gastarbeiter, die nicht arabisch sprechen, erhielten zum Teil keine Übersetzungen bzw. keinen Rechtsbeistand. Angeklagte können Einspruch erheben. In Zusammenarbeit mit der jordanischen Anwaltskammer und einer Menschenrechts-NGO richtete das Justizministerium eine Stelle ein, die, wie es das Gesetz vorsieht, Zeugen und Angeklagten Rechtsbeistand leisten soll (USDOS 12.4.2022).

Gegen alle Urteile des Staatssicherheitsgerichts (SSC) wird automatisch Berufung beim höchsten Gericht des Landes, dem zivilen Kassationsgerichtshof, eingelegt, der für die Überprüfung von Sach- und Rechtsfragen zuständig ist (USDOS 12.4.2022).

Die Behörden hielten weiterhin Verdächtige nach dem Verbrechensverhütungsgesetz von 1954 fest, das Haftstrafen von bis zu einem Jahr ohne Anklage, Gerichtsverfahren oder andere Rechtsmittel zuließ (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Lokalen und Internationalen NGOs zufolge nahmen die Behörden routinemäßig Frauen in „Schutzhaft“ (eine Art informeller Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren), um Fälle von außerehelichem Geschlechtsverkehr über Abwesenheit von zu Hause bis hin zur sexuellen Gewalt zu bearbeiten, die Frauen dem Risiko sogenannter „Ehrenverbrechen“ aussetzen könnten. Seit 2018 werden Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt und „Ehren“-Verbrechen bedroht sind, an Schutzeinrichtungen des Ministeriums für soziale Entwicklung verwiesen. Nach Angaben des Ministeriums für soziale Entwicklung wurden zwischen Oktober 2020 und September 2021 etwa 103 Frauen für unterschiedliche Zeiträume in die Unterkünfte des Ministeriums überwiesen (USDOS 12.4.2022).

Die Zivilgesellschaft in Jordanien hat ihre Wurzeln im Stammessystem, das tief in der Gesellschaft verankert ist und neben dem formellen Rechtssystem funktioniert. Die Stämme in Jordanien spielen eine politische Rolle, bieten ein alternatives Rechtssystem und erbringen Dienstleistungen für die Gemeinschaften. Das formelle Rechtssystem, das die Gesellschaften definiert, beseitigt das Stammeskonzept der Familien nicht (ICNL 15.4.2022). Stammestribunale und Stammesrechtsbräuche (z.B. „Jalwa“, die Verbannung von Großfamilien als kollektive Bestrafung für die verurteilten Verbrechen eines Familienmitglieds) können in die reguläre Gerichtsbarkeit einfließen (BS 23.2.2022).

 

6. Sicherheitsbehörden

Das Direktorat für öffentliche Sicherheit (PSD, Public Security Directorate) ist für die Strafverfolgung zuständig und untersteht dem Innenministerium (USDOS 12.4.2022). Das PSD und das GID (General Intelligence Department, Anm.: der Geheimdienst, arabisch "Mukhaabaraat") teilen sich die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit. Das GID berichtet in der Praxis direkt dem König. Die Streitkräfte unterstehen verwaltungstechnisch dem Verteidigungsminister und haben eine unterstützende Funktion für die innere Sicherheit. Es gibt kein separates Verteidigungsministerium; der Premierminister fungiert auch als Verteidigungsminister. Die zivilen Behörden halten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Es gab glaubwürdige Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte einige Übergriffe begangen haben (USDOS 12.4.2022).

Der König ernennt eigenmächtig die Leitung der Streitkräfte, des Geheimdienstes und der Gendarmerie (FH 28.2.2022). Polizeibeamte müssen sich vor Polizeigerichten verantworten, wenn sie entweder strafrechtlich oder verwaltungsrechtlich bestraft werden sollen. Das National Center for Human Rights (NCHR) und mehrere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) forderten wiederholt, dass Polizeibeamte, die grober Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden, vor unabhängigen Zivilgerichten und nicht vor Polizeigerichten verurteilt werden sollten. Da diese dem Innenministerium unterstehen und nach Ansicht der NGOs als weniger unabhängig gelten. Die NGOs beklagten sich häufig darüber, dass sie keinen Zugang zu Informationen über die Ergebnisse der Verfahren erhalten haben (USDOS 12.4.2022).

Es gab keine Berichte über willkürliche oder unrechtmäßige Tötungen durch Sicherheitskräfte. Es gab Entwicklungen in Bezug auf Todesfälle in Gewahrsam aus den Vorjahren. Beispielsweise äußerte eine NGO ihre Besorgnis darüber, dass nach dem Tod einer namentlich nicht genannten Person in einem Krankenhaus in Irbid, nicht genügend Informationen öffentlich zugänglich seien, um eine willkürliche oder unrechtmäßige Tötung durch Sicherheitskräfte auszuschließen (USDOS 12.4.2022).

 

9. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Eine Reihe von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen sind mit einigen Einschränkungen im Land tätig. Das Gesetz gibt der Regierung die Möglichkeit, die inneren Angelegenheiten der NGOs zu kontrollieren, einschließlich der Annahme ausländischer Gelder (USDOS 12.4.2022). Zwar können viele lokale und internationale NGOs im Land tätig sein, doch gibt es erhebliche Beschränkungen für die Zivilgesellschaft. Das Ministerium für soziale Entwicklung verfügt über weitreichende Aufsichtsbefugnisse über die Tätigkeit der NGOs. Es ist befugt, die Registrierung und die Beantragung ausländischer Mittel zu verweigern und kann Organisationen auflösen, die es für bedenklich hält. Die Vorstandsmitglieder von NGOs müssen von staatlichen Sicherheitsbeamten überprüft werden. In der Praxis werden diese Vorschriften auf undurchsichtige und willkürliche Weise angewandt (FH 28.2.2022).

In Jordanien sind NGOs im Allgemeinen in der Lage, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und öffentlich darüber zu berichten, obwohl Regierungsbeamte nicht immer kooperativ sind. Eine Rechtshilfeorganisation berichtete, dass Anwälte weiterhin schikaniert werden, wenn sie gewisse Fälle verfolgen. Ihnen wurde von der jordanischen Anwaltskammer der Ausschluss aus der Anwaltschaft angedroht (USDOS 12.4.2022). Viele formelle zivilgesellschaftliche Organisationen in Jordanien konzentrierten sich zunächst auf karitative Aktivitäten. Nach dem Beitritt Jordaniens zu internationalen Übereinkommen wie beispielsweise dem UN-Übereinkommen über bürgerliche und politische Rechte wurden einige Organisationen gegründet, um die Öffentlichkeit für die Menschenrechte, einschließlich des Versammlungs- und Vereinigungsrechts, zu sensibilisieren (ICNL 15.4.2022).

Das Gesetz verlangt, dass der Gouverneur mindestens 48 Stunden vor der Abhaltung von Sitzungen oder Veranstaltungen lokaler oder internationaler NGOs darüber informiert wird. Mehrere NGOs berichteten, dass Hotels vor der Durchführung von Schulungen, privaten Treffen oder öffentlichen Konferenzen von ihnen die Vorlage eines entsprechenden Genehmigungsschreibens des Gouverneurs verlangten, wobei derartige Genehmigungen durchaus auch verweigert wurden. Ohne Genehmigungsschreiben der Regierung wurden die Veranstaltungen und Schulungen von den Hotels abgesagt. In einigen Fällen verlagerten NGOs die Veranstaltungen und Schulungen in private Büros. NGOs konnten ihre Aktivitäten freier durchführen, wenn sie Videokonferenzsoftware verwendeten, da die Behörden diese Online-Plattformen nicht zensieren konnten (USDOS 12.4.2022).

 

11. Allgemeine Menschenrechtslage

Die jordanische Verfassung garantiert grundlegende bürgerliche Freiheitsrechte (USDOS 12.4.2022). Dennoch sind wichtige Grundrechte und -freiheiten nach wie vor Gegenstand staatlicher Eingriffe, wobei sich die Regierung auf den Schutz der nationalen Sicherheit beruft (ICNL 15.4.2022). Die Regierung stützt sich bei Straftaten im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit und der freien Meinungsäußerung regelmäßig auf das Gesetz zur Terrorismusbekämpfung, was zur Verhaftung und strafrechtlichen Verfolgung einer Reihe von Journalisten führte (OHCHR 31.12.2021).

Die jordanische Verfassung überträgt alle Fragen des Personenstandsrechts von Muslimen an spezielle Gerichte, die familienbezogene Fälle auf der Grundlage der Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia, behandeln. Scharia-Gerichte behandeln Frauen vor dem Gesetz nicht als gleichgestellt (Aljazeera 18.2.2022).

Jordanien verfügt in Übereinstimmung mit den einschlägigen UN-Konventionen über ein staatlich gelenktes nationales Menschenrechtszentrum, das National Center for Human Rights (NCHR) (USDOS 12.4.2022). Das Zentrum hat ein umfassendes Menschenrechtsmandat und befasst sich mit Fällen von Menschenrechtsverletzungen, Beschwerden, Aufklärung und Förderung, Überwachung und Integration der Menschenrechte in die jordanische Gesetzgebung und Praxis (APF o.D.). Darüber hinaus existieren auch mehrere unabhängige Organisationen, die sich auf verschiedene Weise für die Einhaltung der Menschenrechte und für die Menschenrechtsbildung im Land einsetzen (CSO o.D.).

Laut U.S. Department of State gehören zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen glaubwürdige Berichte über: Folter oder grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung in staatlichen Einrichtungen; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung; politische Gefangene oder Häftlinge; willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Einschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit, einschließlich der Existenz von Gesetzen zur strafrechtlichen Verleumdung und Zensur; schwerwiegende Einschränkungen der Internetfreiheit; erhebliche Eingriffe in die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, einschließlich übermäßig restriktiver Gesetze über die Organisation, Finanzierung oder Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft; fehlende Untersuchung von und Rechenschaftspflicht für geschlechtsspezifische Gewalt, einschließlich, aber nicht beschränkt auf häusliche oder intime Partnergewalt, sexuelle Gewalt und andere schädliche Praktiken; Gewaltverbrechen oder Gewaltandrohungen, die sich gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, queere oder intersexuelle Personen richten; und erhebliche Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit von Arbeitnehmern (wie Drohungen gegen Gewerkschaftsaktivisten) (USDOS 12.4.2022).

Es kommt zu Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit Arbeitsmigranten. Jordanien beherbergte im Jahr 2021 schätzungsweise 70.000 ausländische Hausangestellte, vor allem aus den Philippinen, Sri Lanka und Indonesien. NGOs verwiesen Hausangestellte, die mehrfach missbraucht worden waren, an die Ermittler des Arbeitsministeriums. Zu den Missbräuchen zählte die Nichtzahlung von Löhnen, unsichere Arbeitsbedingungen, lange Arbeitszeiten, die Beschlagnahme von Dokumenten sowie körperlicher, verbaler und sexueller Missbrauch (HRW 13.1.2022).

Die Straffreiheit bei Menschenrechtsverletzungen blieb bestehen, obwohl die Regierung einige begrenzte Schritte unternahm, um gegen Beamte, die Menschenrechtsverletzungen begangen hatten, zu ermitteln, sie strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen. Informationen über die Ergebnisse dieser Maßnahmen waren nicht für alle Fälle öffentlich zugänglich (USDOS 12.4.2022).

Im Gegensatz zu den Vorjahren berichteten lokale und internationale NGOs nicht von routinemäßigen schweren körperlichen Misshandlungen von Häftlingen durch Mitarbeiter der Drogenbekämpfungseinheit. Dennoch meldeten NGOs einzelne Fälle von Misshandlungen. Im Laufe des Jahres 2021 gab es Beschwerden über Misshandlungen durch das GID. Örtliche NGOs berichteten, dass es immer wieder zu Misshandlungen kam, die Bürger diese jedoch aus Angst vor Repressalien nicht meldeten. Die Behörden beschränkten den Zugang zu Informationen über die Untersuchungsergebnisse von Folter- oder Misshandlungsfällen (USDOS 12.4.2022).

Sowohl das quasi-staatliche Zentrum für Menschenrechte NCHR, als auch einige NGOs forderten, dass Polizeibeamte, die grober Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden, vor unabhängigen Zivilgerichten statt vor Polizeigerichten gestellt werden, die dem Innenministerium unterstehen und nach Ansicht mehrerer NGOs als weniger unabhängig gelten. Die NGOs beklagten sich häufig darüber, dass sie keinen Zugang zu Informationen über die Ergebnisse der Verfahren hatten (USDOS 12.4.2022).

Jordanien begann im Januar 2021 mit der Verteilung des Covid-19-Impfstoffs und war nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR eines der ersten Länder, das kostenlose Impfungen für alle, auch für Flüchtlinge und Asylbewerber, anbot (AI 29.3.2022). Allerdings nutzte die jordanische Regierung die Notstandsbefugnisse und den auf Grund von Covid-19 verhängten Ausnahmezustand aus, um in die bürgerliche Freiheit einzugreifen und politische Interessen durchzusetzen. Am 16. Juli 2020 löste der Kassationsgerichtshof des Landes die Muslimbruderschaft auf, eine Organisation, die seit 1945 in Jordanien tätig war. Noch im selben Monat wurde das Lehrersyndikat, dessen 140 000 Mitglieder gegen die Regierung protestiert hatten, aufgelöst und einige seiner Vorstandsmitglieder verhaftet. Im Dezember 2020 löste das Strafgericht Amman das Syndikat auf, das erst 2011 nach jahrelanger Lobbyarbeit gegründet worden war (BS 23.2.2022).

 

17. Minderheiten

Zwischen 95 und 97 % der Jordanier sind Araber (WPR o.D.). Zu den ethnischen Minderheiten in Jordanien gehören Tscherkessen, Tschetschenen, Armenier, Assyrer, Bani Murra (jordanische/syrische „Roma“, die in der Region als „Dom“ bekannt sind) sowie die syrische, irakische, jemenitische und sudanesische Flüchtlingsbevölkerung (USDOS 12.4.2022; vgl. MRG 6.2020). Die Minority Rights Group International berichtete, dass die Bani Murra in der gesamten Region mit weit verbreiteten Vorurteilen und Feindseligkeiten konfrontiert sind, unter einer hohen Armutsquote leiden und nur begrenzten Zugang zu Bildung, Beschäftigung und staatlichen Dienstleistungen haben (USDOS 12.4.2022).

Die Staatsbürgerschaft bleibt ein umstrittenes Thema. Dies liegt weniger an der Spaltung der jordanischen Gesellschaft in Transjordanien und Palästina, sondern vielmehr an der zunehmenden Klassenspaltung und dem ungleichen Zugang der verschiedenen Nationalitäten zu den Möglichkeiten in Jordanien. Zwei Themen (Wahrnehmung ethnischer Unterschiede und sozioökonomische Chancen) verschmelzen also miteinander und prägen zunehmend die Lebenserfahrungen der Jordanier (BS 23.2.2022).

Die meisten Jordanier, einschließlich eines Teils der großen palästinensischen Flüchtlingsbevölkerung, stammen von Beduinen oder Stammesangehörigen ab (MRG 6.2020). Schätzungsweise 60 % der Bevölkerung Jordaniens sind palästinensischer Herkunft (BESA 12.9.2021), davon sind 2,3 Millionen bei UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) registrierte Palästina-Flüchtlinge (UNRWA 6.9.2021). Weiters zählt UNHCR 675.000 offiziell registrierte syrische Flüchtlinge (UNHCR 30.6.2022), wobei die jordanische Regierung insgesamt von rund 1,3 Millionen syrischen Flüchtlingen ausgeht (CNN 25.7.2021). Flüchtlinge aus Palästina, Syrien und dem Irak machen fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung Jordaniens aus (BS 23.2.2022). Bürger palästinensischer Herkunft waren auf allen Ebenen der Regierung und des Militärs unterrepräsentiert. Gleichzeitig sind laut Gesetz drei Sitze im Repräsentantenhaus für die ethnischen Minderheiten der Tscherkessen und Tschetschenen reserviert, was eine Überrepräsentation dieser Minderheiten bedeutet. Neun Sitze sind für Christen reserviert (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022).

 

17.1 Palästinenser

Schätzungsweise 60 % der Bevölkerung Jordaniens sind palästinensischer Herkunft (BESA 12.9.2021), davon sind fast die Hälfte, rund 2,3 Millionen, bei UNRWA registrierte Palästina-Flüchtlinge (Anm.: die UNRWA ist eine für die Unterstützung von palästinensischen Flüchtlingen zuständige UN-Hilfsorganisation) (UNRWA 6.9.2021). In der Vergangenheit wurden Jordanier palästinensischer Herkunft in Bezug auf die Beschäftigung diskriminiert, insbesondere in den oberen Rängen des Militärs, der Sicherheitsdienste und des öffentlichen Sektors (BS 23.2.2022).

Die meisten palästinensischen Flüchtlinge sind im Besitz der vollen jordanischen Staatsbürgerschaft (UNRWA o.D.). Bis Ende der 1980er Jahre erhielt die Mehrheit der Palästinenser automatisch die jordanische Staatsbürgerschaft, doch seitdem sind Tausende von Palästinensern staatenlos geworden (MRG 6.2020). In Jordanien gibt es zehn offizielle palästinensische Flüchtlingslager, in denen mit fast 370.000 Menschen in etwa 18 % der insgesamt in Jordanien lebenden Palästinenser leben (UNRWA o.D.). Zehntausende palästinensische Flüchtlinge aus Syrien haben um die Unterstützung der UNRWA in Jordanien angesucht. Die Mehrheit dieser Flüchtlinge dürfte laut UNRWA in bitterer Armut leben und über einen unsicheren rechtlichen Status verfügen (UNRWA o.D.).

Vier verschiedene Gruppen von Palästinensern leben in Jordanien, ausgenommen sind Palästinensische Flüchtlinge aus Syrien. Zum einen handelt es sich um Palästinenser und ihre Kinder, die nach dem arabisch-israelischen Krieg von 1948 in das Land und in das von Jordanien kontrollierte Westjordanland eingewandert waren. Sie erhielten die volle Staatsbürgerschaft. Das Gleiche galt für Palästinenser, die nach dem Krieg von 1967 in das Land einwanderten und keine Aufenthaltsgenehmigung für das Westjordanland besaßen. Palästinenser und ihre Kinder, die nach dem Krieg von 1967 noch einen Wohnsitz im Westjordanland hatten, hatten keinen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft, konnten jedoch befristete Reisedokumente ohne nationale Identifikationsnummer erhalten, sofern sie nicht auch ein Reisedokument der Palästinensischen Behörde mit sich führten. Diese Personen hatten Zugang zu einigen staatlichen Dienstleistungen; sie zahlten in Krankenhäusern 80 % des Tarifs für nicht versicherte Ausländer und in Bildungseinrichtungen und Ausbildungszentren den Tarif für Nicht-Staatsangehörige. Flüchtlinge und ihre Kinder, die nach dem Krieg von 1967 aus dem Gazastreifen geflohen waren, hatten keinen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft, und die Behörden stellten ihnen befristete Reisedokumente ohne nationale Nummern aus. Diese Flüchtlinge hatten keinen Zugang zu staatlichen Dienstleistungen und waren fast vollständig von der UNRWA abhängig (USDOS 12.4.2022).

Palästinenser sind im Parlament sowie in höheren Regierungsämtern und Positionen im Militär unterrepräsentiert, ebenso wie bei Universitätszulassungen. Auch ist der Zugang zu Universitätsstipendien eingeschränkt. Im privaten Sektor hingegen sind sie gut vertreten (USDOS 12.4.2022). Jordanier palästinensischer Herkunft, die die Staatsbürgerschaft besitzen, laufen Gefahr, dass ihnen die Staatsbürgerschaft oder die Papiere willkürlich entzogen werden, und sind häufig von Stellen im öffentlichen Sektor und bei den Sicherheitskräften ausgeschlossen, die von Stämmen aus Transjordanien dominiert werden (FH 28.2.2022).

 

19. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz erlaubt im Allgemeinen Freizügigkeit im Inland und im internationalen Reiseverkehr, obwohl einige internationale Flüge aufgrund von Gesundheitsmaßnahmen, die die Ausbreitung von COVID-19 verhindern sollen, eingeschränkt wurden (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Zu den Einschränkungen der Freizügigkeit aufgrund von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie gehörten auch vorübergehende Reisebeschränkungen zwischen den Regierungsbezirken (USDOS 12.4.2022).

 

21. Grundversorgung und Wirtschaft

Ein großes Problem in Jordanien ist vor allem der Mangel an natürlichen Ressourcen (GIZ 31.12.2021).

Ende Februar dieses Jahres hat die Regierung den Gesamthaushaltsplan für 2022 mit einem Ausgabenvolumen von mehr als 12 Mrd. JD gebilligt. Dieser sieht einen Zuwachs der Staatsausgaben vor, während Maßnahmen zur Erhöhung der Einnahmen fehlen. Das hohe Haushaltsdefizit im Jahr 2022 wird Jordanien weiterhin von ausländischen Zuschüssen und der Aufnahme von Krediten bei Banken und Finanzmärkten abhängig machen. Die Staatsverschuldung lag Ende des Jahres 2021 bei 101,9 % des BIP (WKO 4.2022a).

Im November 2021 haben hunderte Jordanier gegen steigende Preise und die Verteidigungsgesetze protestiert, die der Regierung außerverfassungsmäßige Befugnisse einräumen. In Jordanien kommt es nur noch selten zu Protesten, da die zunehmenden autoritären Maßnahmen der Regierung die Demonstranten abschrecken. Die Wut über die wirtschaftlichen Bedingungen und die als hart empfundenen Verteidigungsgesetze haben jedoch zu einer der seltenen öffentlichen Aktionen geführt (TNA 12.11.2021).

Die jordanische Wirtschaft wurde von der Covid-19-Pandemie schwer getroffen (TNA 12.11.2021; vgl. WKO 4.2022a) und die Auswirkungen der regionalen Krisen sind anhaltend spürbar. Nach einem Wirtschaftsabschwung von 1,6 % im Jahr 2020 erholte sich die Wirtschaft 2021 mit einem Wachstum von 2,5 % (WKO 4.2022a). Mit dem niedrigen Wachstum geht eine hohe Arbeitslosenquote von, im Jahr 2020, fast einem Viertel der Erwerbsbevölkerung einher (TNA 12.11.2021; vgl. WKO 4.2022a). Im Jahr 2021 konnte Jordanien diese Zahl auf 22 % senken (WKO 4.2022a), wobei die tatsächliche Arbeitslosenquote wahrscheinlich höher ist, da eine erhebliche Anzahl von Menschen in Jordanien im informellen Sektor arbeitet (TNA 12.11.2021). Die Inflationsrate (Veränderung des Preisindex) ist von 0,4 % im Jahr 2020 auf 1,3 % im Jahr 2021 gestiegen (WKO 4.2022b), was auf die weltweit steigenden Lebensmittel- und Ölpreise zurückzuführen ist. Ein schwächer werdender US-Dollar, an den der jordanische Dinar gekoppelt ist, erzeugt weiterhin einen gewissen importbedingten Inflationsdruck (WKO 4.2022a).

Der Mindestlohn für jordanische Arbeitnehmer ist derzeit auf 260 JD (c.a. 365 Euro, für Ausländer 230 JD/323 Euro) festgelegt (ILO 3.2021; vgl. TJT 25.1.2022). Aufgrund der negativen Auswirkungen der Pandemie auf viele Sektoren hat der dreigliedrige Arbeitsausschuss beschlossen, die für 2022 geplante Erhöhung des Mindestlohns auf das nächste Jahr zu verschieben (TJT 25.1.2022). Der netto Durchschnittslohn liegt bei 480,96 JD (ca. 674 Euro) (GTAI 5.2022). Dabei werden Arbeitnehmerrechte wie Löhne, Überstunden, Sicherheits- und andere Standards oft nicht eingehalten (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Einige ausländische Arbeitnehmer sehen sich gefährlichen und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen ausgesetzt (USDOS 12.4.2022), insbesondere in bestimmten Sektoren wie der Landwirtschaft und dem Baugewerbe sowie bei Arbeitsmigranten. Syrische Flüchtlinge sind besonders gefährdet, ausgebeutet zu werden, und da viele von ihnen keine Arbeitserlaubnis haben, arbeiten sie oft im informellen Sektor zu niedrigen Löhnen (FH 28.2.2022). Rund ein Drittel der jordanischen Bevölkerung lebt weiterhin in relativer Armut, und Frauen sind in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung gegenüber Männern benachteiligt (GIZ 31.12.2021).

Die jordanische Bevölkerung ist sehr jung: Knapp 33 % der 10,2 Millionen Einwohner sind unter 15 Jahre alt (WKO 4.2022b). Der jungen Bevölkerung mangelt es an produktiven Einkommensmöglichkeiten (GIZ 31.12.2021). Dies führt dazu, dass die Jugendarbeitslosenquote bei den 15 bis 24-Jährigen bei über 40 % liegt (WKO 4.2022b), andere Quellen schätzen sie sogar auf über 50 % (DGVN 21.12.2021; vgl. TNA 12.11.2021). Die Erwerbsquote der Frauen liegt trotz eines etwas höheren Anteils an gebildeten Frauen im Vergleich zu Männern unter 14 % (WKO 4.2022b).

Neben der Syrienkrise liegt die größte Herausforderung für Jordanien weiterhin in der langfristigen Wasser- und Energieversorgung des Landes. Jordanien zählt zu den wasserärmsten Ländern der Welt und die jährlichen erneuerbaren Wasserressourcen Jordaniens liegen bei etwa 88 m3 pro Person, was als einer der niedrigsten Werte der Welt gilt und unter der globalen Grenze für absolute Wasserknappheit von 500 m3 liegt. Durch die Corona-Krise ist der Wasserverbrauch um etwa 10 % gestiegen. Heute liegt das Wasserdefizit bei 30-35 % (WKO 4.2020a). Darüber hinaus ist die Industrie in Jordanien schwach ausgeprägt, das Bevölkerungswachstum hingegen mit 2,6 % (Stand 2017) hoch. Ein Großteil der Bevölkerung lebt in Städten (GIZ 31.12.2021), die Einwohner des Gouvernorates Amman machen schätzungsweise allein 42 % der jordanischen Bevölkerung aus (DOS 2021).

Mit dem Zustrom von bis zu 1,2 Millionen Syrern zu Beginn des Arabischen Frühlings und des syrischen Bürgerkriegs bis Mitte 2018, als Jordanien seine Grenzen schloss, gehörte Jordanien zu den Staaten, die an erster Stelle mit der Großen Anzahl an den Flüchtlingen zu tun hatten. Die Schätzungen der Flüchtlingszahlen reichen von 671.000 beim UNHCR registrierten Flüchtlingen bis zu 1,2 Millionen nach Schätzungen der jordanischen Regierung (FES 10.2020). Die hohe Anzahl an Flüchtlingen verstärkt zusätzlich den Druck auf knappen natürlichen Ressourcen des Landes (v.a. Wasser) (GIZ 31.12.2021). 33.000 Flüchtlingsfamilien in Jordanien erhalten vom UNHCR direkte finanzielle Hilfe. Der Bedarf ist aber wesentlich höher, über 80 % der Geflüchteten leben unterhalb der Armutsgrenze (DGVN 21.12.2021).

Laut einer ILO-Umfrage berichteten 95 % der syrischen Flüchtlings-Haushalte in Jordanien von Einkommensverlusten nach dem Ausbruch von Covid-19 (TNA 12.11.2021).

 

23. Rückkehr

Informationen zum Umgang mit Rückkehrern stehen nicht zur Verfügung.

 

2. Beweiswürdigung

 

Einleitend ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP vollen Beweis iSd § 15 AVG über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können.

 

Nach der Judikatur des VwGH sind grds. weder die Behörde noch das VwG verpflichtet, einer asylwerbenden Person im Wege eines Vorhaltes zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden sind, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu ihrem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihr aus diesem Grund eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (vgl. VwGH 29.01.2021, Ra 2021/14/0011; 28.06.2018, Ra 2017/19/0447, mwN).

 

Ad 1.1.1 Identität und Herkunftsstaat:

Das Bundesamt stellte die Identität auf Grund bei der Behörde vorgelegter Identitätsdokumente fest. Da dem BVwG selbst kein herkunftsstaatliches, mit einem Lichtbild versehenes Identitätsdokument im Original (zB Reisepass, Personalausweis) vorlag, konnte durch das Gericht selbst eine Feststellung der Identität nicht erfolgen.

 

Die Herkunft ergibt sich plausibel aus den in diesen Punkten gleichbleibenden persönlichen Angaben im Zuge der Einvernahmen, ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und den seitens der bP vorgelegten Bescheinigungsmitteln von UNRWA und jordanischer Behörden. Dass sie kein Staatsangehöriger Jordaniens ist, ergibt sich stimmig aus der von der jordanischen Behörde ausgestellten Bescheinigung, die diesen Umstand bestätigt.

 

Ad 1.1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnissen vor der Ausreise:

Dies ergibt sich plausibel aus den in diesem Punkten lebensnahen, gleichbleibenden persönlichen Angaben im Zuge der Einvernahmen bzw. der Verhandlung. Die Registrierung bei UNRWA ergibt sich auf Basis des vorgelegten Bescheinigungsmittels von UNRWA.

 

Ad 1.1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat:

Dies ergibt sich plausibel aus den in diesem Punkten lebensnahen, persönlichen Angaben in der Verhandlung.

 

Ad 1.1.4. Ausreisemodalitäten:

Dies ergibt sich plausibel aus den in diesem Punkten lebensnahen, persönlichen Angaben im Zuge der Einvernahmen.

 

Ad 1.1.5. Aktueller Gesundheitszustand:

Dies ergibt sich plausibel aus ihren persönlichen Angaben in der Verhandlung

 

Ad 1.1.6. Aktuelles Privatleben / Familienleben in Österreich

Dies ergibt sich plausibel aus ihren persönlichen Angaben in der Verhandlung, den von ihr vorgelegten Bescheinigungsmitteln sowie den zitierten amtswegigen Ermittlungsergebnissen des Bundesamtes / Bundesverwaltungsgerichtes.

 

Ad 1.1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen / nichtstaatlichen Akteuren bzw. den von der bP vorgebrachten Problemen, die sie persönlich im Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwartet

 

 

Hinsichtlich der Beurteilung der gesetzlichen Mitwirkungs- bzw. Darlegungsverpflichtung der Partei ergeben sich aus der Judikatur insbes. folgende, beachtliche Leitlinien:

 

Beweislast:

Der EGMR hat in seinem Urteil der Großen Kammer vom 23. August 2016, Nr. 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, (u.a.) ausgeführt, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege, gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide, im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei.

Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (vgl. die Ausführungen in VwGH Rn. 23 des zu Ra 2016/18/0137 ergangenen Erkenntnisses; 03.09.2020, Ra 2020/19/0221).

Nach der Judikatur des EGMR ist es Sache der beschwerdeführenden Partei über Nachfrage „Beweise“ vorzubringen, die zeigen können, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, sie würden im Fall der Vollstreckung der angefochtenen Maßnahme einem realen Risiko ausgesetzt,, die einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden, wobei dem ein gewisser Grad an Spekulation innewohnen kann und keine „eindeutigen Beweise“ für die Behauptung einer verbotenen Behandlung zu erbringen sind (vgl. zB uva EGMR Paposhvili gg. Belgien, 13.12.2016, Bsw. 41738/10).

 

Erhöhte Mitwirkungsverpflichtung der Partei:

Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601; 14.6.2005, 2005/02/0043], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht und Darlegungslast des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).

Dies entspricht auch der sich insbes. aus § 15 AsylG ergebenden Mitwirkungsverpflichtung sowie aus der Verfahrensförderungspflicht des § 39 Abs 2a AVG, wonach jede Partei ihr Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten hat, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann.

 

Glaubhaftmachung:

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist - abgesehen vom Fall einer Wahrunterstellung (vgl. dazu etwa VwGH 25.6.2019, Ra 2019/19/0032, Rn. 13) - die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Asylwerbers zu prüfen. Diese Prüfung erfolgt unter Berücksichtigung der vom EuGH judizierten unionsrechtlichen Anforderungen (vgl. EuGH 25.1.2018, C-473/16 und EuGH 4.10.2018, C-56/17, Fathi). Erst danach erfolgt die Prognoseentscheidung gemäß §§3, 8 AsylG 2005, ob mit dem als glaubhaft erachteten Vorbringen eine wohl begründete Furcht vor Verfolgung oder reale Gefahr der Verletzung maßgeblicher Rechtsgüter des Asylwerbers glaubhaft gemacht wird (vgl. zur Prognoseentscheidung VwGH 8.9.2016, Ra 2015/20/0217, mwN; vgl. zu der dabei vorzunehmenden einzelfallbezogenen Beurteilung VwGH 2.9.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubhaft anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007).

 

Im Allgemeinen erfolgt eine (vorsätzliche) Falschaussage nicht ohne Motiv (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, Rz 246ff).

Im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz kann eine derartige Motivationslage, die den Wahrheitswillen eines Antragstellers/einer Antragstellerin zu beeinflussen geeignet ist, darin liegen, dass sie ihrer Überzeugung nach – uU auch durch Suggestion Dritter (vgl. zB „Die 12 ‚Verbote‘ in der Vernehmung“, https://www.sgipt.org/forpsy/aussage0.htm#Die 12 'Verbote', mwN) beeinflusst - dadurch gesteigerte Erfolgsaussichten erwartet, um den beantragten Status als Asylberechtigter oder als subsidiär Schutzberechtigter und damit einen Aufenthaltstitel samt Zugang zum Arbeitsmarkt und/oder staatlicher Versorgung zu erlangen (sog. „Folgenberücksichtigung“, siehe oben zitierte Quelle; vgl auch UNHCR Handbuch, Dez. 2011, B/2/f Auswanderer aus wirtschaftlichen Motiven im Unterschied zu Flüchtlingen).

 

Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich somit insbes.:

 dass die Ermittlungspflicht der Behörde / des BVwG grds. durch die (auf Nachfrage) vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067);

 ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte ist die Behörde / das Bundesverwaltungsgericht nicht verpflichtet jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN);

 nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Beurteilung eines „gar nicht erstatteten Vorbringens“ mitunter sogar auch zu einer vom VwGH wahrzunehmenden Rechtsverletzung führen (vgl. zB VwGH 9.9.2010, 2007/20/0558 bis 0560; 10.08.2018, Ra 2018/20/0314);

 die allgemeine Behauptung von Verfolgungs- bzw. Gefährdungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN).

 

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Ad a) Betreffend ihrer persönlichen Sicherheit / Verfolgung im Herkunftsstaat:

 

Die bP hat in der Verhandlung aus maßgeblicher aktueller Sicht im Falle der Rückkehr nicht dargelegt, dass sie in Jordanien seitens staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure einer relevanten Gefährdung bzw. asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

Die bP ist bei UNRWA registriert und steht nach wie vor unter dem Schutz dieser Organisation. Aus den Aussagen und dem Verhalten der bP im gegenständlichen Asylverfahren, ergibt sich auch im Wesentlichen, dass sie wohl nicht Schutz vor Verfolgung bzw. Schutz vor Übergriffen sucht, sondern in erster Linie eine Verbesserung der Lebenssituation aus ökonomischer Sicht. Trotz des Umstandes, dass die bP bei Asylantragstellung in Österreich bereits sicher war und es sich bei Österreich um einen Staat handelt, der berechtigten Personen auch Schutz gewährt, hat sie das Land verlassen und weigerte sich ursprünglich sogar wieder nach Österreich zurückzukehren, damit hier das Asylverfahren weitergeführt werden kann.

Sofern sie angibt, dass sie deshalb nicht nach Österreich zurückkehrte, weil sie fürchtete, dass sie Österreich wieder in ihr Land zurückschiebt, so erscheint dies nicht plausibel und als bloße Schutzbehauptung, zumal die bP sowohl in Deutschland als auch in Belgien abermals einen Asylantrag mit dem gleichen Vorbringen erstattete.

 

Aus der Berichtslage zum Herkunftsstaat ergibt sich aus aktueller Sicht ebenso keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Gefährdung für Personen mit dem Profil der bP. Wie bereits angeführt, unterlag sie auch schon vor der Ausreise keiner derartigen Gefährdung in Jordanien.

 

Ad b) Betreffend ihrer aktuellen, persönlichen Versorgungssituation mit Lebensnotwendigem (insb. Lebensmittel, Unterkunft) im Herkunftsstaat:

Dies ergibt sich glaubhaft aus ihren diesbezüglich im Wesentlichen gleichbleibenden persönlichen Angaben sowie den vorgelegten Bescheinigungen von UNRWA und nationaler Behörden. Weiters ergibt sich dies auch in Zusammenschau mit den Feststellungen zum Wirken von UNRWA in Jordanien.

 

Ad 1.1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Das BVwG hat durch die zitierten Quellen Beweis erhoben. Die Verfahrensparteien haben sich im Rahmen des Parteiengehörs zur Berichslage nicht geäußert. Weder wurde von den Parteien somit eine Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit gerügt, noch, dass es aktuellere Berichte gäbe, die ein anderes, für diese Entscheidung maßgebliches Lagebild darlegen würden.

Zur Beurteilung der aktuellen und entscheidungsrelevanten Situation kommt jeweils den jüngsten Erkenntnisquellen besondere Bedeutung zu und ältere dienen im Wesentlichen der Übersicht über die Lageentwicklung.

 

3. Rechtliche Beurteilung

Gegenständlich kam in der Verhandlung hervor, dass zwischenzeitig die Ehegattin der bP nach Österreich reiste und ho. einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Deren Verfahren ist noch beim Bundesamt anhängig.

Hier handelt es sich mit der Ehegattin um kein Familienverfahren iSd § 34 AsylG, da nach VwGH v. 15.11.2018, Ro 2018/19/0004-4, dem Gesetz keine Anordnung zu entnehmen ist, wonach sämtliche Verfahren im Familienverband, die bereits in verschiedenen Instanzen anhängig sind, unter einem geführt werden müssen. Eine gemeinsame Führung der Verfahren hat nur dann zu erfolgen, wenn diese gleichzeitig beim Bundesamt oder gleichzeitig im Beschwerdeverfahren beim BVwG anhängig sind.

 

Ad A)

Nichtzuerkennung des Status als asylberechtigte Person

§ 3 AsylG

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon – wie in ähnlicher beschriebenen Weise – betroffen ist.

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

§ 6 AsylG

(1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3. aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt.

 

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Der Antrag war nicht bereits gemäß §§4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt dargelegt, wie sich die Rechtsstellung von Asylwerbern, die grundsätzlich unter dem Schutz oder Beistand einer von Art. 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation der Vereinten Nationen stehen, von jener anderer Asylwerber unterscheidet (VfSlg 19.777/2013; VfGH 18.9.2014, U 73/2014; 22.9.2017, E 1965/2017). Nachweislich ihrer UNRWA-Registrierungskarte steht die bP unter dem Schutz einer solchen Organisation.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 (in Umsetzung des Art. 12 Abs. 1 lit. a erster Satz Status-RL und dieser wiederum in Entsprechung des Art. 1 Abschnitt D erster Satz GFK) sind diese Personen von der Anerkennung als Flüchtling zunächst ausgeschlossen. Sie genießen aber – nach der in diesem Punkt im innerstaatlichen Recht nicht umgesetzten und sohin unmittelbar anwendbaren Bestimmung des zweiten Satzes des Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL – dann "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw. der GFK, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird. Dieser "ipso facto"-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung, als für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft zu machen ist, sondern nur, dass sie erstens unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind und zweitens, dass dieser Beistand aus "irgendeinem Grund" weggefallen ist. Die erste Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union mit der Vorlage einer UNRWA-Registrierungskarte erfüllt (EuGH 17.6.2010, Rs. C-31/09, Bolbol, Rz 52). Die zweite Voraussetzung erfordert eine Prüfung, "ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets zwingen und somit daran hindern, den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen" (EuGH 19.12.2012, Rs. C-364/11, El Kott, Rz 61). Ein Zwang zum Verlassen des Einsatzgebietes einer Organisation iSd Art. 12 Abs. 1 lit. a zweiter Satz Status-RL liegt nach den Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache El Kott dann vor, wenn sich die betroffene Person in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befand und es der betreffenden Organisation oder Institution unmöglich ist, ihr in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der dieser Organisation oder Institution obliegenden Aufgabe im Einklang stehen (EuGH, El Kott, Rz 65; vgl. auch EuGH 25.7.2018, Rs. C-585/16, Alheto, Rz 86).

 

Wie sich aus den Feststellungen bzw. dem Ermittlungsverfahren ergibt, ist der Schutz von UNRWA nicht weggefallen, weshalb die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausscheidet und die Beschwerde abzuweisen ist.

 

Nichtzuerkennung des Status als subsidiär schutzberechtigte Person

 

§ 8 AsylG

(1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird.

 

Art. 2 EMRK lautet:

„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. (2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt: a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen; b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern; c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.

 

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Art. 3 EMRK lautet: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB VwGH 26.06.2019, Ra 2019/20/0050) ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. Der EuGH hat dazu festgehalten, dass das "Vorliegen einer solchen Bedrohung ... ausnahmsweise als gegeben angesehen werden" kann, "wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt (...) ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region ‚allein durch ihre Anwesenheit‘ im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein" (vgl. EuGH 17.2.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn. 35). Auch wenn der EuGH in dieser Rechtsprechung davon spricht, dass es sich hiebei um "eine Schadensgefahr allgemeinerer Art" handelt (Rn. 33), so betont er den "Ausnahmecharakter einer solchen Situation" (Rn. 38), "die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre" (Rn. 37). Diesen Ausnahmecharakter betonte der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung, Urteil vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite, Rn.

30.

Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. zum Ganzen VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2017/20/0038 bis 0040; 6.11.2018, Ra 2018/01/0106, jeweils mwN).

 

Dass der Eintritt künftiger ungewisser Ereignisse bloß nicht ausgeschlossen werden kann, wird der Annahme einer realen Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung nicht gerecht (VwGH am 19.01.2022, Ra 2021/20/0209).

 

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

 

Keine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Gefährdung der persönlichen Sicherheit:

Die bP hat diesbezüglich kein konkretes Vorbringen erstattet. Wie sich aus den Feststellungen bzw. dem Ermittlungsverfahren ergibt, ist der Schutz von UNRWA auch nicht weggefallen.

 

Abgesehen davon, ergibt sich bei ganzheitlicher Bewertung der möglichen Gefahren, unter Berücksichtigung der festgestellten persönliche Situation der bP in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Herkunftsstaat nicht, dass gerade für sie eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Gefahr bestünde, wegen der Sicherheitslage bei einer Rückkehr einer ernsthaften Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

 

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückverbringung in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

Dies wäre nur dann der Fall, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrschen würde, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, und stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat vorliegen. Dies wäre dann der Fall, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH v. 01.03.2018, Ra 2017/19/0425).

Keine über die bloße Möglichkeit hinausgehende persönliche Gefährdung der Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz:

Wie sich aus den Feststellungen bzw. dem Ermittlungsverfahren ergibt, ist der Schutz von UNRWA nicht weggefallen.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fordert das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095), was gegenständlich nicht vorliegt. Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. zum Ganzen VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass für die Gewährung von subsidiärem Schutz die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (vgl. VwGH 11.11.2020, Ra 2020/14/0390, mwN). Wenn der - nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts junge, gesunde und arbeitsfähige - Revisionswerber behauptet, er sei mangels familiärer Anknüpfungspunkte auf sich alleine gestellt, zeigt er vor dem Hintergrund der Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur Lage im Herkunftsstaat nicht auf, dass solche exzeptionellen Umstände vorlägen (vgl VwGH 28.12.2020, Ra 2020/14/0554-7 28. Dezember 2020) (Anm. Hier Russ. Föd)

 

Hinsichtlich der Grundversorgung in ihrem Herkunftsstaat kann der Berichtslage nach nicht von einer allgemeinen lebensbedrohenden Notlage gesprochen werden, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde.

Bei der bP handelt es sich zudem um einen gesunden, arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung und Universitätsabschluss. Sie besitzt internationale Berufserfahrung und hat dort auch nach wie vor familiäre / verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte. Unter Zugrundelegung dieses Persönlichkeitsprofiles und der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ist somit nicht ersichtlich, weshalb gerade bei der bP eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende exzeptionelle Gefahr bestünde, dass sie im Falle der Rückkehr in eine aussichtslose und damit Art 3 EMRK relevante Lage geraten sollte. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fordert das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095), was gegenständlich nicht vorliegt.

Es wäre der beschwerdeführenden Partei zumutbar, durch eigene und notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit – wie etwa auch schon in Österreich - oder durch Zuwendungen von dritter Seite, zB. Familienangehörige, Freunde oder sonstige sie schon bei der Ausreise unterstützende Personen, Hilfsorganisationen, religiös-karitativ tätige Organisationen – erforderlichenfalls unter Anbietung ihrer gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa, weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer 'Schatten- oder Nischenwirtschaft' stattfinden. Auf kriminelle Aktivitäten wird hiermit nicht verwiesen.

 

Kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen / Rückkehrentscheidung

§ 10 AsylG Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

 

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

 

Gegenständlich wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 10 Abs 1 Z 3 AsylG sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

Zu prüfen ist nunmehr gem. Abs 2 leg cit von Amts wegen, ob der bP ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG zukommt

 

§ 57 AsylG Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

 

Ein Sachverhalt, wonach der bP gem. § 57 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen wäre, kam nicht hervor.

 

Da sich die bP nach Abschluss des Verfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG [Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung] fällt und ihr auch amtswegig kein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG zu erteilen war, ist diese Entscheidung gem. § 10 Abs 2 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung gem. dem 8. Hauptstück des FPG [Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Fremde] zu verbinden.

 

Dem zur Folge hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs 1 FPG [Rückkehrentscheidung] gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z2).

Gemäß Abs. 2 leg cit hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z2) und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Die bP ist keine begünstigte Drittstaatsangehörige. Es kommt ihr auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher ist gegenständlich gem. § 52 Abs 2 FPG die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu prüfen.

 

Rückkehrentscheidung

Das Bundesamt hat gegenständlich entschieden, dass zur Erreichung von in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Interessen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung dringend geboten sei.

 

Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:

§ 9 BFA-VG

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

 

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

 

Für die Beurteilung, ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt, wird auf die im Erkenntnis des BVwG v. 16.01.2019, L504 1314867-3, dargestellte höchstgerichtliche Judikatur verwiesen.

 

Ob eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Dabei obliegt es dem Fremden integrationsbegründende Umstände, denen maßgebliche Bedeutung zukommen könnte, geltend zu machen (vgl. etwa VwGH 22.1.2014, 2012/22/0245).

Nicht näher substantiierte – bloße – Behauptungen können keine maßgebliche Verstärkung der Interessen des Fremden dartun (vgl. etwa VwGH 24.9.2009, 2009/18/0294).

 

 

Auf Grund der Ermittlungsergebnisse ergibt sich das Vorhandensein eines relevanten Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK. Es bedarf diesbezüglich einer Abwägung der persönlichen Interessen an einem Verbleib mit den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendung, somit, ob eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist

 

Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs 2 EMRK legitime Ziele, nämlich

 die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist;

 die Verteidigung der Ordnung und Verhinderung von strafbaren Handlungen;

Unter Zugrundelegung der Abwägungskriterien und der Ermittlungsergebnisse (einschließlich der Beschwerdeangaben) ergibt sich Folgendes:

 

Für die bP spricht im Wesentlichen, dass sie seit März 2019 in Österreich als Asylwerber lebt.

Sie hat im Jänner 2020 beim ÖIF die Integrationsprüfung auf Niveau A1 positiv abgelegt.

Im Jänner 2022 hat sie das Gewerbe der Güterbeförderung angemeldet. Im Zeitraum von August bis November 2022 wurden Belege über einen Gesamtumsatz von 10500 Euro vorgelegt. Sie hat Freunde und Bekannte in Österreich. Sie bezieht seit 01.02.2022 keine Leistungen mehr aus der staatlichen Grundversorgung. Sie ist gerichtlich unbescholten.

Die Ehegattin der bP kam mittels Touristenvisum am 08.09.2022 nach Österreich und ist seit 21.09.2022 als Asylwerberin hierorts aufhältig.

Sie wohnen zusammen und unterstützt sie die bP durch ihr Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit.

 

Gegen die bP spricht, dass sie nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist ist. Dieses gegen die öffentliche Ordnung, konkret die geregelte Zuwanderung von Fremden, widersprechende Verhalten stellt auf Grund der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz gem. §§ 120 Abs 1 iVm Abs 7, 31 FPG bei Strafmündigen auch eine Verwaltungsübertretung dar, die von der Landespolizeidirektion als Strafbehörde zu ahnden ist.

Sie hat nach der Asylantragstellung Österreich verlassen und reiste nicht rechtmäßig nach Deutschland. Die bP hat die Aufgabe des Wohnsitzes in Österreich den zuständigen Behörden nicht gemeldet und dadurch gegen das Meldegesetz und ihre Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren verstoßen. Sie widersetzte sich in Deutschland der Rückkehr nach Österreich indem sie sich der Rücküberstellung entzog. Sie war am österr. Arbeitsmarkt ohne erforderliche Bewilligung gem. dem AuslBG beschäftigt.

 

Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass es im Sinne des § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG grds. maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich (spätestens nach Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz durch das Bundesamt) die bP ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 10.04.2017, Ra 2016/01/0175). Daran kann auch eine allenfalls lange Dauer eines Rechtsmittelverfahrens, mag den Fremden daran auch kein Verschulden treffen, nichts ändern (VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034).

Der bisherige Aufenthalt war stets prekär und wurden alle integrativen Schritte während dieses Zeitraumes begründet.

 

Im Zusammenhang mit der für die Verhängung eines Aufenthalts- oder Einreiseverbotes nach dem FPG durchzuführenden Gefährdungsprognose entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass dafür auch ein Verhalten des Fremden herangezogen werden kann, das (noch) nicht zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Bestrafung geführt hat. Ein solches Vorgehen verstößt nicht gegen die Unschuldsvermutung, erfordert jedoch entsprechende, in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren getroffene Feststellungen zum Fehlverhalten selbst und nicht bloß zu einer allenfalls bestehenden, nicht weiter verifizierten Verdachtslage (vgl. VwGH 25.1.2018, Ra 2017/21/0237; 23.3.2017, Ra 2016/21/0349; 24.1.2012, 2010/1/0264, jeweils mwN; 18.11.2020, Ra 2020/14/0113-8).

Dies hat entsprechend auch für die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG zu gelten, in der nicht (nur) der Umstand einer strafgerichtlichen Verurteilung, sondern das Verhalten des Betroffenen in die Gesamtbetrachtung zur Gewichtung der öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung einzufließen hat (vgl. VwGH 12.12.2012, 2012/18/0173; 18.11.2020, Ra 2020/14/0113-8).

Demnach ist festzuhalten, dass die Grenzüberschreitung von Österreich nach Deutschland ohne fremdenrechtliche Bewilligung erfolgte. Ebenso war ein Verstoß gegen das Meldegesetz festzustellen, weil sie in Österreich den Wohnsitz aufgab ohne dies der Meldebehörde zu melden. Sie hat dies auch dem Bundesamt als zuständige Fremdenpolizeibehörde nicht mitgeteilt. Dieses, gegen die öffentliche Ordnung verstoßende Verhalten ist somit auch bei Untätigwerden der Verwaltungsstrafbehörden – aus welchen Gründen auch immer - fremdenpolizeilich bei der Beurteilung der Integration zu werten und geht hier zu Lasten der bP.

 

Hinsichtlich des familiären Bezuges zur Ehegattin, die sich nun in Österreich befindet kommt es gegenständlich bei einer Rückkehrentscheidung zu einer zumindest temporären Trennung, sofern die Ehegattin in Österreich verbleibt. Die Trennung bestand jedoch bereits seit März 2019 bis September 2022 im beiderseitigen Einvernehmen und fanden sie in dieser Zeit mit telefonischem Kontakt das Auslangen. Die bP war auch im Oman überwiegend ohne die Ehegattin berufstätig. Die Eingriffsintensität in das Familienleben relativiert sich dadurch erheblich.

Die bP hat im Verfahren keine in ihrer persönlichen Sphäre liegenden Gründe dargelegt, die das unmöglich oder unzumutbar erscheinen ließe. Sollte die Ehegattin einen Schutzstatus erlangen, bestünde für die bP zudem im Rahmen eines Antrages auf den gleichen Schutz ein Einreise- bzw. Aufenthaltsrecht zu erlangen.

 

Bei der Interessensabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Bedacht zu nehmen (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0135). Ein diesbezügliches Vorbringen hat freilich im Rahmen der Gesamtabwägung nicht in jeder Konstellation Relevanz. Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr – letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden [die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens ihres Heimatlandes – im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188 mwN). Unüberwindliche Hindernisse kamen nicht hervor.

 

Die Umstände, dass der Fremde einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat und er der deutschen Sprache mächtig ist, können seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet hier nicht maßgeblich verstärken (vgl. VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.6.2010, 2010/18/0226).

 

Die bP befindet sich im Verhältnis zu ihrem Alter erst sehr kurze Zeit im Bundesgebiet. Sie wurde in Jordanien sozialisiert und hat dort bei weitem ihr überwiegendes Leben verbracht. Von einer Entwurzelung kann daher nicht gesprochen werden.

 

Ein behördliches Verschulden, welche die zeitliche Komponente dermaßen in den Vordergrund treten lassen würde, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung unzulässig sei, kann aus der Aktenlage nicht entnommen werden und wurde von der bP auch nicht konkret vorgebracht (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG 2014 stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH vom 30. Juli 2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058).

Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (siehe das soeben zitierte Erkenntnis; weiters etwa VwGH vom 21. Jänner 2016, Ra 2015/22/0119, vom 10. Mai 2016, Ra 2015/22/0158, und vom 15. März 2016, Ra 2016/19/0031; 30.08.2017, Ra 2017/18/0070).

 

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass bei einer relativ kurzen Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich von noch nicht fünf Jahren nach der Rechtsprechung regelmäßig erwartet wird, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0049 mwN). Eine solche außergewöhnliche Integration liegt fallbezogen nicht vor.

 

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und unter Einbeziehung der oa. Judikatur der Höchstgerichte ist gegenständlich ein überwiegendes öffentliches Interesse – nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, konkret das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung und Stärkung der Einwanderungskontrolle, sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen insbesondere in Bezug auf den verwaltungsstrafrechtlich pönalisierten, nicht rechtmäßigen Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet, an der Aufenthaltsbeendigung der beschwerdeführenden Partei festzustellen, dass ihre Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegt. Die öffentlichen Interessen sind angesichts des bisherigen Verhaltens der bP hier auch höher zu werten als die seit einigen Monaten wieder bestehenden familiären Bindungen zur Ehegattin. Die Rückkehrentscheidung ist daher als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten.

Die persönlichen Bindungen in Österreich lassen keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK erkennen, die es der beschwerdeführenden Partei schlichtweg unzumutbar machen würde, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Aufenthalts- bzw. Niederlassungsverfahrens in ihr Heimatland zurückzukehren (vgl. zB. VwGH 25.02.2010, 2008/18/0332; 25.02.2010, 2008/18/0411; 25.02.2010, 2010/18/0016; 21.01.2010, 2009/18/0258; 21.01.2010, 2009/18/0503; 13.04.2010, 2010/18/0087; 30.04.2010, 2010/18/0111; 30.08.2011, 2009/21/0015), wobei bei der Rückkehrentscheidung mangels gesetzlicher Anordnung hier nicht auf das mögliche Ergebnis eines nach einem anderen Gesetz durchzuführenden (Einreise- bzw. Aufenthalts)Verfahrens Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 18.9.1995, 94/18/0376).

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privatleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass einwanderungswillige Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Asylantragstellung, allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet, in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrages unterlassen und in rechtskonformer Art und Weise vom Ausland aus ihren Antrag auf Erteilung eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels stellen, sowie die Entscheidung auch dort abwarten, letztlich schlechter gestellt wären, als jene Fremde, welche, einer geordneten Zuwanderung widersprechend, genau zu diesen verpönten Mitteln greifen, um ohne jeden sonstigen anerkannten Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich zu erzwingen bzw. zu legalisieren. Dies würde in letzter Konsequenz wohl zu einer unsachlichen Differenzierung der einwanderungswilligen Fremden untereinander führen (vgl. Estoppel-Prinzip bzw. auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007) und würde angesichts der Publizitätswirksamkeit der Asylentscheidungen wohl den Nachzieheffekt für andere einwanderungswillige Fremde in Richtung nicht rechtmäßiger Zuwanderung in Verbindung mit rechtsmißbräuchlicher Asylantragstellung verstärken.

 

Es erfolgte daher zu Recht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung.

 

Zulässigkeit der Abschiebung

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

§ 50 FPG Verbot der Abschiebung

(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Die Zulässigkeit der Abschiebung der bP in ihren Herkunftsstaat ist gem. § 46 FPG gegeben, da nach den gegenständlichen, die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würden.

 

Frist für freiwillige Ausreise

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

§ 55 FPG Frist für die freiwillige Ausreise

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.

 

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Das Bundesamt hat die Frist für die freiwillige Ausreise gegenständlich iSd § 55 Abs 2 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides festgelegt. In der Beschwerde wurde dem nicht konkret entgegengetreten. Insbesondere wurden keine besonderen Umstände dargelegt, wonach eine längere Frist erforderlich wäre.

 

Ad B)

 

Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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