VwGH 2012/22/0245

VwGH2012/22/024522.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Franz Serajnik, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Pernhartgasse 8/3, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 1. Oktober 2012, Zl. 162.481/2-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, vom 19. Dezember 2011 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei "zuletzt" am 7. Juni 2005 illegal eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag eingebracht. Dieser Antrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes iVm einer Ausweisung negativ erledigt worden. Die dagegen eingebrachte Berufung habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. Oktober 2011 als unbegründet abgewiesen.

Im Zuge des Asylverfahrens sei bereits eine umfassende Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK durchgeführt worden. Den nunmehrigen Antrag habe der Beschwerdeführer nicht näher begründet. Die Aufenthaltsbehörde habe die Notwendigkeit einer neuerlichen Beurteilung gemäß Art. 8 EMRK erkannt. Der Beschwerdeführer habe lediglich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz gehabt. In einer Stellungnahme vom 22. Februar 2011 (richtig: 2012) habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er als selbständig erwerbstätiger Marktfahrer tätig wäre. Außerdem wäre er krankenversichert und auf keinerlei Unterstützung angewiesen. Er habe nicht angegeben, dass sich Familienangehörige im Bundesgebiet befänden. Erst "im Zuge" der Berufung habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er eine Lebensgefährtin hätte und "persönliche Beziehungen zu Verwandten".

Aus dem gesamten Verwaltungsakt sei nicht erkennbar, dass familiäre Bindungen des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet bestünden. Über seine Lebensgefährtin habe er keine näheren Angaben gemacht. Durch den illegalen Aufenthalt habe der Beschwerdeführer gegen fremdenrechtliche Bestimmungen verstoßen.

Es sei im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK nicht erkennbar, dass im Besonderen seit der Erlassung der Ausweisung durch den Asylgerichtshof bis zur jetzigen Entscheidung ein derart maßgeblich geänderter Sachverhalt eingetreten wäre, dass dem Beschwerdeführer zwangsläufig der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen wäre. Aus dem Akteninhalt sei nicht ersichtlich, ob der Beschwerdeführer tatsächlich eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt habe. Auch über seine angebliche Beschäftigung halte er sich sehr bedeckt, obwohl er im verwaltungsbehördlichen Verfahren Gelegenheit gehabt habe, relevante Unterlagen vorzulegen. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. An der von ihm angegebenen Anschrift seien außer ihm noch drei weitere männliche Personen gemeldet, weshalb auszuschließen sei, dass er mit der von ihm genannten Lebensgefährtin im gemeinsamen Haushalt lebe. Ein Familienleben in Österreich bestehe demnach nicht.

Nach Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen des Beschwerdeführers gelange die Behörde zum Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen in Bezug auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens überwögen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist anzumerken, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im Oktober 2012 die Bestimmungen des NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 anzuwenden sind.

Weiters sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 41a Abs. 9 NAG setzt u.a. voraus, dass dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften derart vor, dass diese "weder eigene Erhebungsschritte unternommen noch dem Beschwerdeführer konkrete Mitwirkungsaufforderungen zugehen" habe lassen. Der Behörde seien Unterlagen und Aussagen vorgelegen und sie hätte weitere Unterlagen hiezu beim Beschwerdeführer anfordern können, die sie in die Lage versetzt hätten, den Sachverhalt ausreichend zu erheben und festzustellen. Die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer mit keinem Wort wissen lassen, ob und welche Sachverhaltselemente sie mit ihm allenfalls noch erörtern wolle.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Grundsätzlich liegt es nämlich am Fremden, integrationsbegründende Umstände, denen maßgebliche Bedeutung zukommen könnte, geltend zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, 2007/21/0312).

Aus der im Verwaltungsakt erliegenden Niederschrift der öffentlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 7. Juni 2011 geht hervor, dass der Beschwerdeführer auf die Frage nach familiären oder privaten Beziehungen geantwortet hat: "Ich hatte eine Beziehung, aber jetzt nicht mehr. Ich bin nicht verheiratet und habe keine Kinder." Auch in der Stellungnahme vom 22. Februar 2012 legte der Beschwerdeführer lediglich dar, dass er als Marktfahrer selbständig erwerbstätig und krankenversichert sei. Erst in der gegenständlichen Berufung gab er an, dass er "in Österreich nicht nur Verwandte, sondern auch eine familienähnliche Beziehung" habe. Er habe im Inland "sowohl persönliche Beziehungen zu Verwandten wie auch zu einer Lebensgefährtin". Auch dabei unterließ er jedoch jegliche Konkretisierung dieser integrationsbegründenden Umstände. Erst in der Beschwerde bringt er vor, dass er seit längerem eine Beziehung zu einer namentlich genannten österreichischen Staatsbürgerin habe, mit der er "familienähnliche Beziehungen pflege". Weiters lebe in Österreich sein einziger Cousin, ein österreichischer Staatsbürger, mit dem er sehr verbunden sei.

Wie bereits ausgeführt wäre es jedoch dem Beschwerdeführer oblegen, integrationsbegründende Umstände, hier vor allem im Zusammenhang mit der behaupteten Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin, im Verwaltungsverfahren konkret vorzubringen.

Es ist auch keine etwa dem hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2011, 2007/18/0917, zugrunde liegende Konstellation gegeben, in der die belangte Behörde wegen der langen Dauer des Berufungsverfahrens Erhebungen zur aktuellen familiären bzw. privaten Situation des Fremden hätte anstellen müssen.

Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, dass sie eine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK in erster Linie unter Heranziehung der vom Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Umstände vorgenommen hat. Im Übrigen enthält die Beschwerde keine Argumente gegen die behördlichen Ausführungen, dass an der Anschrift des Beschwerdeführers drei weitere männliche Personen gemeldet seien und dies gegen eine Wohngemeinschaft mit einer Lebensgefährtin spreche.

Davon ausgehend ist das Ergebnis dieser Interessenabwägung auch nicht zu beanstanden. Den genannten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers steht nämlich das große öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber, das von Fremden grundsätzlich fordert, nach Abweisung ihrer Asylanträge den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wieder herzustellen. Der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ca. siebenjährige inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers führt auch in Verbindung mit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit nicht dazu, dass dem Beschwerdeführer zur Vermeidung eines unzulässigen Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK entgegen dem genannten öffentlichen Interesse ein Aufenthaltstitel erteilt werden müsste.

Die belangte Behörde versagte daher zu Recht den beantragten Aufenthaltstitel.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer in eventu beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 22. Jänner 2014

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