VwGH Ro 2019/01/0009

VwGHRo 2019/01/00092.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des J M in W, vertreten durch Dr. Thomas Boller, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. April 2019, W 199 2143025‑1/26E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §15 Abs1 Z1
AsylG 2005 §18
AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §46
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019010009.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Angefochtenes Erkenntnis

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers, eines syrischen Staatsangehörigen, gegen die mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. November 2016 erfolgte Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als unbegründet abgewiesen (A). Die Revision wurde vom BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für zulässig erklärt (B).

2 Begründend stellte das BVwG nach Feststellungen zur Lage ein Syrien, insbesondere zum Wehr- und Reservedienst bei den syrischen Streitkräften, fest, der Revisionswerber habe den Militärdienst 1981 bis 1985 geleistet und ihm drohe keine Einberufung zum Reservedienst. Beweiswürdigend führte das BVwG hiezu aus, der Revisionswerber habe das Alter, bis zu dem Männer zum Reservedienst einberufen werden könnten, bei Weitem überschritten. Nach den Länderfeststellungen würden auch Männer „im Alter bis zu 50, ja 60 Jahren“ eingezogen, im Falle des 57 Jahre alten Revisionswerbers bestehe dafür jedoch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, zumal er nicht über besondere Qualifikationen verfüge, welche ihn auch in diesem Alter für die syrische Armee interessant machten. In den im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Feststellungen zur Lage in Syrien wird hiezu ausgeführt, dass „die Altersgrenze für den Reservedienst“ (bis zum 42. Lebensjahr) „erhöht wird, wenn der Betreffende besondere Qualifikationen hat“. Der Revisionswerber habe somit keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können.

3 Die Zulässigkeit der Revision begründete das BVwG damit, der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet, ob einem männlichen syrischen Staatsangehörigen, der den Wehrdienst bereits abgeleistet habe und älter als 42 Jahre, aber jünger als 60 Jahre sei, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Einziehung zum Reservedienst (der syrischen Armee) drohe.

Vorverfahren

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit ‑ im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem BVwG ‑ vorbringt, der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner bisherigen Rechtsprechung offengelassen, ob Männer im Alter von 42 Jahren, die bereits Wehrdienst geleistet haben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zum Reservedienst (gemeint: in der syrischen Armee) einberufen werden.

5 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Zulässigkeit

Allgemein

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

9 Der Revisionswerber hat auch in der ordentlichen Revision von sich aus die im Lichte des Art. 133 Abs. 4 B‑VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 14.12.2018 , Ro 2018/01/0015, mwN).

Maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung

10 Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht (VwGH 15.3.2016, Ra 2015/01/0069, mwN).

11 Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN).

Einzelfallbezogene Beurteilung

12 Die Prüfung, ob ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz besteht, hat je nach individuellen Umständen des Einzelfalls zu erfolgen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 28.4.2015, Ra 2015/18/0026, im Zusammenhang mit näher zitierten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs, mwN; vgl. inhaltsgleich zu der bei der Zuerkennung von subsidiärem Schutz vorzunehmenden einzelfallbezogenen Beurteilung VwGH 28.3.2019, Ra 2019/14/0106, mwN).

Keine länderspezifischen Kriterien für die Zuerkennung von Asyl

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu einem Zulässigkeitsvorbringen, dass es an Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob einer näher bezeichneten sozialen Gruppe in Somalia eine asylrelevante begründete Furcht vor Verfolgung zuzusprechen sei, festgehalten, dass damit keine zur Zulässigkeit der Revision führende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufgezeigt wird, weil sich die Kriterien für die Prüfung und Zuerkennung des Status der Asylberechtigten nicht länderspezifisch unterschiedlich darstellen (VwGH 1.3.2016, Ra 2015/18/0254, mwN).

14 Gleiches gilt für das vorliegende Zulässigkeitsvorbringen, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur maßgeblichen Wahrscheinlichkeit der Einziehung zum Reservedienst der syrischen Armee. Auch mit dieser auf die spezifische Situation in einem Herkunftsstaat abgestellte Frage wird keine zur Zulässigkeit der Revision führende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufgezeigt, weil sich ‑ wie dargelegt ‑ die Kriterien für die Prüfung und Zuerkennung des Status der Asylberechtigten nicht länderspezifisch unterschiedlich darstellen.

Fallbezogen

15 In der vorliegenden Revisionssache wird weder in der Zulässigkeitsbegründung des BVwG noch in jener der Revision aufgezeigt, dass das BVwG die individuellen Umstände des Einzelfalls vor dem Hintergrund der festgestellten Lage im Herkunftsstaat (vgl. dazu für viele VwGH 25.6.2019, Ra 2019/19/0121, mwN) in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Dies ist auch nach Lage des Falles nicht zu sehen.

Ergebnis

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. September 2019

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