Normen
AsylG 2005 §15 Abs1 Z1;
AsylG 2005 §18;
AsylG 2005 §20 Abs1;
AsylG 2005 §20 Abs2;
AsylG 2005 §20;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §8 Abs1;
AsylG 2005 §8;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §46;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200314.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 11. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Mitbeteiligte an, sein Vater sei ein Mitglied der Hezb-e Islami. Die Taliban seien gegen diese Gruppierung. Sein Vater sei verschollen. Die Familie habe keine Ahnung, was mit ihm geschehen sei. Die Familie habe jetzt niemanden, der sie ernähren könne. Daher sei der Mitbeteiligte ausgereist, um in Europa Arbeit zu suchen und Geld zu verdienen. In seiner Heimat habe er keine Arbeit gefunden. Weiters enthält die über die Erstbefragung angefertigte Niederschrift - unter der Überschrift "3. Belehrungen und Informationen" - auszugsweise folgenden Text:
"Ich habe die nachfolgend angekreuzten Informationen erhalten:
x Merkblatt Pflichten und Rechte von Asylwerbern
(Exekutive vor Ort oder EAST)
...
x Ich habe die o.a. Informationsblätter in einer mir
verständlichen Sprache erhalten.
..."
3 Am 12. Mai 2015 wurde dem Mitbeteiligten vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51 AsylG 2005) ausgehändigt, womit sein Asylverfahren gemäß § 28 Abs. 1 AsylG 2005 zugelassen war. Von seiner Vernehmung im Zulassungsverfahren sah die Behörde gestützt auf § 19 Abs. 2 AsylG 2005 ab.
4 Am 15. Dezember 2015 brachte der - nunmehr rechtsanwaltlich vertretene - Mitbeteiligte eine Säumnisbeschwerde ein. Diese wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 21. April 2016 abgewiesen.
5 Der Mitbeteiligte wurde am 18. Oktober 2016 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vernommen. Zu seiner Person befragt gab er (ua.) an, - (nur) traditionell - verheiratet zu sein. Mit seiner Frau, die 23 Jahre alt sei, habe er sieben Monate - im Haus seiner Eltern gemeinsam mit diesen und drei Geschwistern - gelebt. Zu den Gründen der Ausreise aus dem Heimatland befragt, wiederholte der Mitbeteiligte zunächst seine in der Erstbefragung getätigten Angaben zum Verschwinden seines Vaters. Ergänzend gab er an, dass er einen Brief erhalten habe, mit dem er aufgefordert worden sei, "mit ihnen" (aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass sich der Mitbeteiligte auf die Hezb-e Islami bezog) zusammenzuarbeiten. Das habe der Mitbeteiligte aber nicht gewollt. Nach dem Verschwinden des Vaters habe er Probleme mit den Hezbe Islami bekommen. Er sei zwar nie bedroht worden, habe aber dennoch Angst gehabt. Auch seine Mutter habe nicht gewollt, dass er "mit denen" arbeite.
6 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Mitbeteiligten mit Bescheid vom 9. November 2016 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Unter einem sprach es aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde, erließ gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
7 In seiner Begründung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, der Mitbeteiligte habe das Vorbringen zur Bedrohung durch die Hezb-e Islami nicht glaubhaft machen können und er habe es bloß einstudiert, um bessere Chancen auf die Gewährung von Asyl zu haben. Die Behörde gehe davon aus, dass er vielmehr - wie er mehrfach zugestanden habe - aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa gekommen sei, um von hier aus seine Familie unterstützen zu können.
8 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wiederholte er zunächst sein Fluchtvorbringen und führte zur Bekämpfung der behördlichen Beweiswürdigung (lediglich) aus, sein Vorbringen stehe "mit den behördlichen Länderfeststellungen in Einklang". Dort werde auch von Entführungen berichtet. Dass der Mitbeteiligte von der politischen Tätigkeit seines Vaters nichts gewusst habe, sei nicht verwunderlich. Auch "in unserer Gesellschaft" könne es vorkommen, dass die Kinder nicht wüssten, was "ihre Väter beruflich tun".
9 In der Folge beraumte das Bundesverwaltungsgericht eine Verhandlung für den 18. Dezember 2017 an, zu der keiner der am Verfahren Beteiligten kam. Der Mitbeteiligte entschuldigte sich für das Fernbleiben mit einer Krankheit. Sein rechtsfreundlicher Vertreter gab bekannt, dass die Vollmacht gekündigt worden sei. Die Verwaltungsbehörde führte aus, wegen personeller Engpässe keinen Vertreter zur Verhandlung schicken zu können.
10 Am 20. Dezember 2017 erteilte der Mitbeteiligte der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH und der Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH Vollmacht, ihn im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu vertreten.
11 Das Bundesverwaltungsgericht beraumte sodann neuerlich eine Verhandlung für den 19. Februar 2018 an.
12 Mit dem an das Bundesverwaltungsgericht gerichteten Schreiben vom 2. Februar 2018 erstattete der Mitbeteiligte ein neues und als "Beschwerdeergänzung" bezeichnetes Vorbringen. Er führte (erstmals) aus, homosexuell zu sein. Er habe dies bisher "aus verschiedenen Gründen" nicht vorgebracht. Er sei "bis vor kurzem nicht geoutet" gewesen und habe auch keinen Kontakt "zur Schwulenszene" in Österreich gehabt. Vor einem halben Jahr habe er am Westbahnhof den A H, "ebenfalls ein schwuler Afghane, der sehr gut mit der LGBTIQ* Community in Wien vernetzt" sei, kennengelernt. Bis zur Inanspruchnahme des Beratungsangebotes in der "Türkis Rosa Lila Villa" habe er nicht gewusst, dass seine Homosexualität im Asylverfahren von Relevanz sei. Da er in Afghanistan deswegen nie Probleme gehabt habe, weil er seine homosexuelle Beziehung im Geheimen gelebt habe, sei ihm nicht bewusst gewesen, dass diese im Zusammenhang "mit der Prüfung seiner Rückkehrbefürchtungen" von Relevanz sei.
13 Der Mitbeteiligte stellte diverse Beweisanträge, um zu belegen, dass er tatsächlich homosexuell sei und warum er das darauf Bezug nehmende Vorbringen im Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz nicht schon früher erstattet habe. Er führte zudem aus, große Hemmungen zu haben, vor heterosexuellen Dolmetscherinnen, die aus seinem Kulturkreis stammen, über seine Homosexualität zu sprechen. Da er vor einer afghanischen Frau nicht darüber sprechen wolle, beantrage er, dass das Bundesverwaltungsgericht für seine Befragung in der Verhandlung einen männlichen Dolmetscher beiziehen möge. Allerdings habe er kein Problem damit, von einer Richterin befragt und im Verfahren von einer Frau vertreten zu werden. Diese seien Österreicherinnen und würden dem Thema Homosexualität offen gegenüberstehen.
14 Des Weiteren brachte der Mitbeteiligte in der Beschwerdeergänzung (erstmals) vor, ihm drohe im Heimatland wegen Apostasie Verfolgung. Er trinke mittlerweile Alkohol, gehe auf Partys und sei homosexuell. All das sei "im Islam" verboten. Seit Dezember 2016 habe er begonnen, intensiver und kritischer über den Islam nachzudenken. Dieser sei eine gewalttätige Religion und abzulehnen. Am 12. Dezember 2017 sei er aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten.
15 Aufgrund des Inhalts der Beschwerdeergänzung wurde die für den 19. Februar 2018 anberaumte Verhandlung von der Richterin des Bundesverwaltungsgerichts, der das Beschwerdeverfahren des Mitbeteiligten zugewiesen worden war, wieder abberaumt. Mit Schreiben vom 5. Februar 2018 zeigte sie unter Hinweis auf § 20 AsylG 2005 ihre Unzuständigkeit an, weil der Mitbeteiligte vorbringe, homosexuell zu sein, und einen Eingriff in seine sexuelle Selbstbestimmung geltend mache.
16 Der daraufhin (zufolge § 17 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes - GO-BVwG) von der Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgerichts mit der Beschwerdesache beteilte (männliche) Richter verwies in seiner ebenfalls erstatteten Anzeige betreffend seine Unzuständigkeit darauf, dass das Vorbringen zur Homosexualität nicht schon in der Beschwerde, sondern erst im Rahmen des bereits anhängigen Beschwerdeverfahrens erstattet worden sei.
17 Da nach Ansicht des mit dem internen Zuständigkeitsstreit nach § 17 Abs. 4 GO-BVwG befassten Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund des zuletzt genannten Umstandes gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 2005 dessen Abs. 1 nicht anzuwenden sei, wurde entsprechend seiner (iSd § 17 Abs. 5 GO-BVwG endgültigen internen) Entscheidung vom 6. März 2018 die gegenständliche Beschwerdesache wieder jener Richterin übertragen, der sie ursprünglich zugeteilt worden war.
18 In der Folge behob das Bundesverwaltungsgericht gestützt auf § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück, ohne weitere Verfahrensschritte zu setzen. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
19 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, § 20 AsylG 2005 diene dem Abbau von Hemmschwellen bei der Schilderung von Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung. Gleiches gelte für die Furcht vor Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung. Ein Verstoß gegen § 20 Abs. 2 AsylG 2005 (durch das Verwaltungsgericht) führe dazu, dass die Entscheidung durch einen unrichtig zusammengesetzten Spruchkörper erfolge. Damit würde die Entscheidung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts belastet sein und das Verwaltungsgericht das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter verletzen.
20 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe den Mitbeteiligten nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass "derartige" Gründe spätestens mit der Beschwerde vorzubringen wären. Der Mitbeteiligte sei bei der Behörde von einer Organwalterin unter Beiziehung einer Dolmetscherin befragt worden. Ihm habe deshalb nicht bewusst sein können, dass er "derartige" Gründe, wie in der Beschwerdeergänzung "aufgezeigt", vorbringen könne. Auch sei es dem Mitbeteiligten "unter Hinweis auf die oben angeführte Hemmschwelle als Mann seines Kulturkreises, der als Sohn eines Mitglieds der Hezb-e Islami besonders streng gläubig erzogen worden sein muss", nicht zumutbar gewesen, aus Eigenem dazu gegenüber einer weiblichen Organwalterin Stellung zu nehmen.
21 Vor diesem Hintergrund sowie unter Beachtung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) hinsichtlich der Notwendigkeit sorgsamer Abklärung und unter Bedachtnahme auf das Vorbringen samt den Beweisanträgen sei nach Ansicht der erkennenden Richterin die Vernehmung des Mitbeteiligten durch einen männlichen Organwalter (der Behörde) geboten, um bestehende Hemmschwellen abbauen und eine mängelfreie Beweiswürdigung vornehmen zu können.
22 Darüber hinaus leide das Ermittlungsverfahren an einem Mangel, weil der Mitbeteiligte im angefochtenen Bescheid nicht über "die Möglichkeit des § 20 Abs. 2 AsylG" 2005 belehrt worden sei.
23 Es werde - so das Verwaltungsgericht weiter - der Mitbeteiligte aufgrund der Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz auf eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul verwiesen. Die für diese Beurteilung notwendigen Feststellungen, insbesondere betreffend die Behandlung von Binnenflüchtlingen und ihrer wirtschaftlichen Situation, seien aber nicht getroffen worden. Auch fehlten Feststellungen zur Situation verschiedener Volksgruppen und zur Praxis der Folter. Dies wäre geboten gewesen, um beurteilen zu können, ob dem Mitbeteiligten subsidiärer Schutz zu gewähren sei; insbesondere ob er in Afghanistan der realen Gefahr der Folter ausgesetzt sei. Auch sei der Mitbeteiligte im gesamten Verfahren nie "zu einer möglichen Verfolgung" aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit befragt worden.
24 Somit sei die Ermittlung des Sachverhalts (durch die Behörde) derart mangelhaft erfolgt, dass weitere Ermittlungen zum Sachverhalt unerlässlich seien. Eigene Ermittlungen des Bundesverwaltungsgerichts verböten sich im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und "unter Effizienzgesichtspunkten, insbesondere unter dem Aspekt der nunmehr umfassend vorgebrachten Homosexualität" des Mitbeteiligten. Eine Nachholung des Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht könne "nicht im Sinn des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das BFA als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig" sei, "und weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden" solle. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, sei - auch weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ein Mehrparteienverfahren mit erhöhtem Aufwand sei - nicht ersichtlich.
25 Die Revision sei nicht zulässig, weil sich das Bundesverwaltungsgericht einerseits auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EuGH habe stützen können und andererseits eine ohnehin klare Rechtslage vorliege.
26 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten sowie nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:
27 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, dass Rechtsprechung dazu fehle, ob ein Vorbringen im Zusammenhang mit der Homosexualität in einem Fall, wie er hier vorliegt, dem Neuerungsverbot des § 20 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) unterliege. Allerdings gehe die revisionswerbende Behörde davon aus, dass fallbezogen die Beurteilung vertretbar erscheine, dass das Vorbringen des Mitbeteiligten gemäß § 20 Abs. 1 Z 4 BFA-VG nicht unter das Neuerungsverbot falle. Diese Einschätzung wird auch in den Revisionsgründen der Amtsrevision wiederholt.
28 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Frage, ob das im Beschwerdeverfahren erstattete Vorbringen dem nach § 20 BFA-VG geltenden Neuerungsverbot (vgl. dazu etwa VwGH 29.7.2015, Ra 2015/18/0036, mwN) widerspricht, nicht ausdrücklich beschäftigt. Allerdings hat es seiner Entscheidung unzweifelhaft die Auffassung zugrundegelegt, dass dies nicht der Fall sei. Andernfalls wäre dieser Entscheidung nämlich von vornherein der Boden entzogen. Vor dem Hintergrund des Vorbringens in der Revision, mit dem die - sich bloß auf den Einzelfall beziehende und im Ergebnis jedenfalls nicht in unvertretbarer Weise erfolgte -
Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts gar nicht bekämpft wird, ist nicht zu sehen, warum insoweit fallbezogen eine Rechtsfrage von der Qualität im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen sollte. Die von der Behörde aufgeworfene und zudem bloß allgemein gehaltene Frage stellt nämlich am Boden der im konkreten Einzelfall vorgenommenen Beurteilung nur noch eine abstrakttheoretische Rechtsfrage dar, die schon infolge der eben diese Beurteilung nicht beanstandenden Revisionsausführungen keine Maßgeblichkeit für den gegenständlichen Fall aufweist, weshalb damit die Zulässigkeit der Revision nicht begründet werden kann (vgl. VwGH 21.3.2018, Ra 2018/18/0122 und 0123, mwN).
29 Weiters macht die Revision zu ihrer Zulässigkeit geltend, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, ob das Vorbringen des Mitbeteiligten überhaupt eine auf einen Eingriff in seine sexuelle Selbstbestimmung gegründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 20 AsylG 2005 darstelle. Nach Ansicht der Behörde treffe dies nicht zu, wenn - wie hier - Verfolgungshandlungen nichtsexueller Natur befürchtet werden, gleichwohl der Zusammenhang mit einem Konventionsgrund, der an die sexuelle Selbstbestimmung anknüpfe, gegeben sei. Die vom Mitbeteiligten befürchtete Verfolgung bestehe nicht in sexuellen Übergriffen.
30 Dazu ist an dieser Stelle lediglich anzumerken, dass die Revision, die sich gegen eine Entscheidung richtet, mit der eine Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG ausgesprochen wurde, von dieser Frage - wie sich aus den unten getätigten Ausführungen ergibt - nicht abhängt.
31 Das Bundesverwaltungsgericht sei - so das weitere Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision - von der zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ergangenen (und näher dargestellten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Es liege im Zusammenhang mit § 20 AsylG 2005 kein Verfahrensmangel vor. Der Mitbeteiligte sei im Sinn dieser Bestimmung belehrt worden. Es sei ihm nach Antragstellung ein Informationsblatt, in dem auch die dem § 20 AsylG 2005 entsprechende Belehrung enthalten gewesen sei, ausgehändigt worden. Es könne aber auch von vornherein keinen Ermittlungsmangel darstellen, wenn die Behörde keine näheren Ermittlungen zur Frage der Homosexualität des Mitbeteiligten unternommen habe, weil er das diesbezügliche Vorbringen erst 1 1/2 Jahre nach Beschwerdeerhebung in einer Beschwerdeergänzung erstattet habe. Die Behörde habe somit keine Veranlassung gehabt, den Mitbeteiligten zu einer - damals nicht einmal angedeuteten - Homosexualität zu befragen, zumal er gegenüber der Behörde angegeben habe, (mit einer Frau) verheiratet zu sein. Somit seien aber in diesem Zusammenhang auch keine "speziellen Belehrungen" erforderlich gewesen. Insbesondere bestehe keine Pflicht, jeder "inhaltlichen Asylentscheidung" eine Belehrung über den § 20 Abs. 2 AsylG 2005 anschließen zu müssen.
32 Zudem habe der Mitbeteiligte ausdrücklich angegeben, dass es kein Problem für ihn darstelle, von einer Richterin befragt zu werden. Warum dann eine Zurückverweisung erforderlich sei, um ihn durch einen männlichen Organwalter der Behörde befragen zu müssen, sei nicht ersichtlich.
33 Soweit das Verwaltungsgericht weitere Ermittlungsmängel ins Treffen führe, wären "höchstens ergänzende Ermittlungen notwendig". Krasse bzw. besonders gravierende Ermittlungslücken lägen nicht vor. Dem Bundesverwaltungsgericht stehe gemäß § 5 Abs. 3 BFA-G die Staatendokumentation unter denselben Bedingungen zur Verfügung wie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Auch das Argument, diese Behörde sei als Spezialbehörde eingerichtet, rechtfertige für sich allein die Zurückverweisung nicht. Eine Zurückverweisung liege auch nicht im Interesse der Raschheit. Das Verfahren laufe nämlich bereits seit Mai 2015, davon 1 1/2 Jahre beim Bundesverwaltungsgericht. Das Beiziehen eines männlichen Dolmetschers stelle für das Bundesverwaltungsgericht keine unüberwindliche Hürde dar.
34 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 35 § 20 AsylG 2005 lautet auszugsweise:
"Einvernahmen von Opfern bei Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung
§ 20. (1) Gründet ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) auf Eingriffe in seine sexuelle Selbstbestimmung, ist er von einem Organwalter desselben Geschlechts einzuvernehmen, es sei denn, dass er anderes verlangt. Von dem Bestehen dieser Möglichkeit ist der Asylwerber nachweislich in Kenntnis zu setzen.
(2) Für Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt Abs. 1 nur, wenn der Asylwerber den Eingriff in seine sexuelle Selbstbestimmung bereits vor dem Bundesamt oder in der Beschwerde behauptet hat. Diesfalls ist eine Verhandlung von einem Einzelrichter desselben Geschlechts oder einem aus Richtern desselben Geschlechts bestehenden Senat durchzuführen. Ein Verlangen nach Abs. 1 ist spätestens gleichzeitig mit der Beschwerde zu stellen.
..."
36 § 28 VwGVG hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
- 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
- 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das
Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
...
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
..."
37 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 3.4.2018, Ra 2017/01/0433, mit diversen Nachweisen aus der Rechtsprechung).
38 Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich in seiner Entscheidung zwar auf diese Rechtsprechung, zeigt aber - was die Revision zu Recht geltend macht - keine solchen Ermittlungsmängel auf, die eine auf § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG gestützte Behebung und Zurückverweisung gerechtfertigt erscheinen ließen.
39 Zunächst ist - im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht (vermeintliche) Fehler der Behörde in der Anwendung von Verfahrensvorschriften ins Treffen führt - darauf hinzuweisen, dass sich schon anhand der oben dargestellten Grundsätze unzweifelhaft ergibt, dass nicht jede einer Behörde unterlaufene Verletzung von Verfahrensvorschriften das Verwaltungsgericht zur Vorgangsweise nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG berechtigt.
40 Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kann es nicht zum Vorwurf gereichen, dass es keine Ermittlungen zur Frage einer möglichen Verfolgung des Mitbeteiligten wegen Homosexualität getätigt hatte. Ein solches Vorbringen hat der Mitbeteiligte nämlich im Verfahren vor der Behörde nicht erstattet, sondern vielmehr angegeben, mit einer Frau verheiratet zu sein. Folgte man der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, würde jedes im Beschwerdeverfahren erstattete neue - außerhalb asylrechtlicher Normen schon grundsätzlich nicht einem Neuerungsverbot unterliegende und daher zulässige - Vorbringen zur Behebung des Bescheides und zur Zurückverweisung des Verfahrens führen. Dies ist aber mit der oben dargestellten Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen.
41 Soweit das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung mit dem Zweck der Bestimmung des § 20 AsylG 2005 zu begründen sucht, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Norm - was im Rahmen des internen Zuständigkeitsstreites über die Besetzung des Bundesverwaltungsgerichts von dessen Präsidenten richtig erkannt wurde - nach ihrem Wortlaut hier schon deswegen nicht zur Anwendung gelangt, weil der Mitbeteiligte das auf eine (behauptete) Homosexualität Bezug nehmende Vorbringen erst im (zu dieser Zeit bereits länger als ein Jahr anhängigen) Beschwerdeverfahren erstattet hat. Es muss in diesem Zusammenhang aber auch nicht näher untersucht werden, ob Art. 15 Abs. 3 lit. b Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (im Weiteren: Verfahrensrichtlinie) auch für das Rechtsmittelverfahren gilt (vgl. zum ebenfalls den Ausdruck "Asylbehörde" enthaltenden Art. 16 Verfahrensrichtlinie VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089, Rn. 24, wobei dort aber nur auf die Textierung dieser Bestimmung hingewiesen, die Frage der Anwendbarkeit dieser Bestimmung auch auf das Verfahren über Rechtsmittel letztlich mangels Notwendigkeit der Klärung dieser Frage im dortigen Fall keiner umfassenden und abschließenden Beurteilung unterzogen wurde) sowie ob und inwieweit - für den Fall, dass dies zutreffen sollte - § 20 AsylG 2005 (teilweise) im Widerspruch zu dieser Bestimmung stehen könnte und - allenfalls - welche Konsequenzen daraus zu ziehen wären. Der Mitbeteiligte hat nämlich ohnedies ein Verlangen im Sinn des Art. 15 Abs. 3 lit. b Verfahrensrichtlinie nicht gestellt, sondern schon von sich aus ausgeführt, mit der Vernehmung durch eine Richterin einverstanden zu sein, sodass schon deswegen hier eine dem Art. 15 Abs. 3 lit. b Verfahrensrichtlinie zu unterstellende Konstellation nicht vorliegt.
42 Auch die vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Ansicht, die Zurückverweisung sei zudem gerechtfertigt, weil die Behörde den Mitbeteiligten weder im angefochtenen Bescheid noch während des behördlichen Verfahrens nochmals gemäß § 20 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 belehrt hätte, vermag den angefochtenen Beschluss nicht zu tragen, weil diese Bestimmung dafür keine Rechtsgrundlage bietet. Auf § 13a AVG hat sich das Verwaltungsgericht nicht bezogen. Hinweise, dass diese Bestimmung fallbezogen im Verfahren vor der Behörde hätte zum Tragen kommen können, bestehen schon nach dem oben zum Zeitpunkt der Erstattung des ergänzenden Vorbringens Gesagten nicht, sodass darauf nicht weiter eingegangen werden muss.
43 Der revisionswerbenden Behörde, die noch vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht sei aktenwidrig und ohne der Behörde zu ihren diesbezüglichen sachverhaltsbezogenen Annahmen Parteiengehör einzuräumen davon ausgegangen, der Mitbeteiligte wäre überhaupt nie im Sinn des § 20 Abs. 1 AsylG 2005 belehrt worden, ist zuzugestehen, dass die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zu diesem Thema gewählten Formulierungen missverständlich sein mögen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung ergibt sich aber bei verständiger Betrachtung, dass ein solcher - mit der eingangs dargestellten Aktenlage tatsächlich nicht ohne Weiteres vereinbarer - Vorwurf nicht erhoben wurde, sondern das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, eine Belehrung nach § 20 Abs. 1 AsylG 2005 hätte selbst dann, wenn sie bereits erfolgt sei, im Rahmen der Vernehmung durch die Behörde sowie im das behördliche Verfahren über den Antrag abschließenden Bescheid (nochmals und anlasslos) stattzufinden. Dass eine solche Verpflichtung aber dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, wurde bereits oben dargelegt.
44 Es ist fallbezogen auch nicht zu sehen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich des entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalts betreffend die Situation im Heimatland des Mitbeteiligten im Sinn der zu § 28 Abs. 3 VwGVG ergangenen Rechtsprechung jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hätte. Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, die Verwaltungsbehörde hätte Ermittlungen nur deswegen unterlassen, um diese auf das Verwaltungsgericht zu überwälzen. Somit rechtfertigt auch die auf im Bescheid fehlende Feststellungen zur Situation im Heimatland des Mitbeteiligten Bezug nehmende Begründung des Bundesverwaltungsgerichts nicht die von ihm gewählte Vorgangsweise.
45 Ergänzend ist aber auch darauf hinzuweisen, dass manche der vom Bundesverwaltungsgericht (als Folge vermeintlich krasser Ermittlungsmängel) vermissten Feststellungen keinen Bezug zum Vorbringen des Mitbeteiligten aufweisen würden; hat dieser doch weder eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe behauptet noch konkrete Umstände ins Treffen geführt, aus denen ableitbar wäre, es könnte für ihn ein reales Risiko bestehen, Opfer von Folter zu werden.
46 In diesem Zusammenhang ist auf die - schon zu früheren fremdenrechtlichen Bestimmungen und auch weiterhin zum Feststellungsverfahren nach § 51 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ergangene - ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach grundsätzlich der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG - diese Bestimmungen stellen auf dieselben Gründe ab, wie sie in §§ 3 und 8 AsylG 2005 enthalten sind - glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Es ist die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen; für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße im Sinn des § 50 Abs. 1 FPG durch den betroffenen Staat bekannt geworden sind (vgl. statt vieler etwa VwGH 16.2.2012, 2008/18/0528; 15.5.2012, 2012/18/0038; zur Übertragung der Zuständigkeit des ursprünglich allein den Fremdenpolizeibehörden oblegenen Ausspruches über die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat aus Erwägungen der Verfahrensbeschleunigung und Verfahrenskonzentration an die Asylbehörde vgl. VwGH 22.4.1999, 98/20/0561, mwN; zur Maßgeblichkeit dieser Rechtsprechung auch im Asylverfahren sh. schon die zum - insoweit im Wesentlichen unverändert gebliebene Bestimmungen (vgl. dazu VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001, Pkt. 6.3.8. und 6.3.9. der Entscheidungsgründe) enthaltenden - Asylgesetz 1997 ergangene Rechtsprechung, wie etwa VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011, mwN).
47 In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Februar 2017, Ra 2016/18/0137, in dem er sich des Näheren mit den in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Voraussetzungen beschäftigt hat (insoweit wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen), auch betont, dass der EGMR in seinem Urteil der Großen Kammer vom 23. August 2016, Nr. 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, (u.a.) ausgeführt hat, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege, gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide, im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei. Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (vgl. die Ausführungen in Rn. 23 des zu Ra 2016/18/0137 ergangenen Erkenntnisses).
48 Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem im Zusammenhang mit den sowohl die Behörde als auch das Verwaltungsgericht treffenden Ermittlungspflichten festgehalten, dass auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG gilt. Für das Asylverfahren stellt § 18 AsylG 2005 eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde und des Verwaltungsgerichtes dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen (vgl. etwa VwGH 23.5.2017, Ra 2017/18/0028; 25.4.2017, Ra 2017/18/0049 bis 0051, jeweils mwN).
49 Das Asylverfahren bietet allerdings nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen (vgl. VwGH 15.3.2016, Ra 2015/01/0069, mwN).
50 Das Vorbringen des Asylwerbers muss demnach, um im obigen Sinn eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. nochmals VwGH Ra 2015/01/0069).
51 Schon aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass dem Vorbringen des Asylwerbers zentrale Bedeutung zukommt. Das geht auch aus § 18 Abs. 1 AsylG 2005 deutlich hervor, wonach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und das Bundesverwaltungsgericht in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Entgegen der offenkundig vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Auffassung bedeutet diese Pflicht aber nicht, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. dazu, dass die Beurteilung eines gar nicht erstatteten Vorbringens mitunter sogar auch zu einer vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechtsverletzung führen kann, VwGH 9.9.2010, 2007/20/0558 bis 0560).
52 Warum es aber nun am Boden dieser Rechtsprechung im vorliegenden Fall geboten wäre, in einem weiteren Rechtsgang vor der Behörde Feststellungen zu Themen zu treffen, zu denen der Mitbeteiligte keinerlei Vorbringen erstattet hat, legt das Bundesverwaltungsgericht nicht einmal ansatzweise dar.
53 Weiters wurde in der bisherigen Rechtsprechung schon das - auch hier vom Bundesverwaltungsgericht gebrauchte - Argument, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sei als Spezialbehörde eingerichtet, verworfen und als untauglich angesehen, eine Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG allein darauf gründen zu können (vgl. auch dazu VwGH 3.4.2018, Ra 2017/01/0433; sowie 20.2.2018, Ra 2017/20/0498). Dies gilt auch für jene vom Verwaltungsgericht angeführte Begründung, wonach das Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren mit einem - aber vom Verwaltungsgericht gar nicht näher spezifizierten und im vorliegenden Fall nicht auf der Hand liegenden ins Gewicht fallenden - erhöhten Aufwand verbunden sei (vgl. VwGH 22.6.2017, Ra 2017/20/0011).
54 Nach dem Gesagten hat das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Voraussetzungen für eine auf § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG gestützte Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Rechtssache an die Behörde die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Wien, am 10. August 2018
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