Normen
AVG §37;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs2 Z2;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 29. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vom 14. Juni 2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab der Mitbeteiligte im Wesentlichen an, er habe seinen Herkunftsort Harastra wegen der gefährlichen Sicherheitslage verlassen und sei nach Damaskus gezogen. Wegen seiner Herkunft aus Harastra sei er an Kontrollpunkten wiederholt angehalten, beleidigt und als Terrorist bezeichnet sowie einmal sogar fast verhaftet worden. Deshalb sei der Mitbeteiligte geflohen.
2 Mit Bescheid vom 30. August 2016 wies das BFA den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erkannte dem Mitbeteiligten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29. August 2017.
3 Infolge fristgerechter Beschwerdeerhebung durch den Mitbeteiligten hob das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den bekämpften Bescheid mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurück.
4 Begründend führte das BVwG aus, das BFA habe den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt: So habe der Mitbeteiligte angegeben, lange Zeit in einem seit dem Jahr 2011 von Rebellen besetzten Gebiet gelebt zu haben, weshalb ihm von der syrischen Regierung eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde. Dennoch habe sich das BFA nicht "mit der Situation von Personen, die aus Harastra stammen," auseinandergesetzt, wozu es jedoch gehalten gewesen wäre, weil laut einem Bericht des UNHCR auch Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern lebten, besonders gefährdet seien, verfolgt zu werden. Zudem habe das BFA hinsichtlich der Möglichkeit einer Einziehung des Mitbeteiligten zum Reservedienst in der syrischen Armee keine eingehenderen Ermittlungen getätigt, obwohl nach der aktuellen Berichtslage (abhängig insb. von Beruf, Ausbildung und Rang) auch 50- bis 60-Jährige zum Reservedienst einberufen würden. Die genannten Ermittlungen seien für eine abschließende Beurteilung der Frage, ob dem Mitbeteiligten der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen sei, notwendig. Es lägen gravierende Mängel des behördlichen Verfahrens bei der Erhebung und Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts vor. Die aufgezeigten fehlenden Feststellungen könnten nicht ohne die Durchführung ergänzender Ermittlungen getroffen werden. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG selbst sei nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, weil die aufgezeigten Ermittlungslücken derart erheblich seien, dass zu deren Beseitigung über die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinausgehende weitere Ermittlungsschritte zu setzen wären, welche das BFA als "asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde" rascher und effizienter durchführen könne.
5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des BFA, die im Wesentlichen vorbringt, das BVwG weiche von der Rechtsprechung ab, weil es dem BFA ergänzende Ermittlungen aufgetragen habe, die es selbst zu tätigen gehabt hätte. So habe bereits das BFA Länderberichte zur Einberufung von Reservisten und zum Wehrdienstalter eingeholt, nicht jedoch jenen Bericht, auf den sich das BVwG berufe - dies zeige aber, dass es sich bei den vom BVwG geforderten Ermittlungen lediglich um ergänzende Feststellungen zum Sachverhalt handle, die es im Interesse der Raschheit selbst hätte durchführen müssen (was sich schon dadurch zeige, dass das BVwG einen entsprechenden Länderbericht offenbar selbst rasch habe einholen können). Der Auftrag des BVwG, sich mit "der Situation von Personen, die aus Harastra stammen" auseinanderzusetzen, sei undurchführbar, weil entsprechende Länderberichte nicht vorliegen würden. Sei der Auftrag allerdings dahingehend zu verstehen, dass das BFA Berichte zur Behandlung von Zivilisten aus vermeintlich regierungsfeindlichen Gebieten einholen solle, so sei wiederum auf die bereits erfolgte Beschaffung eines solchen Berichts durch das BVwG zu verweisen. Es handle sich dabei lediglich um ergänzende Feststellungen zum Sachverhalt, die das BVwG im Interesse der Raschheit selbst hätte durchführen müssen.
6 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er beantragte, die Revision zurückzuweisen.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 9 Nach ständiger Rechtsprechung ist in § 28 VwGVG ein
prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (vgl. grundlegend VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).
10 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 6.7.2016, Ra 2015/01/0123, und 14.12.2016, Ro 2016/19/0005, je mwN).
11 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0027, mwN).
12 Fallbezogen können weder krasse bzw. gravierende Ermittlungslücken im Zusammenhang mit dem behördlichen Verfahren erkannt, noch konstatiert werden, dass eine Ergänzung des bereits festgestellten Sachverhalts durch das BFA anstelle des BVwG im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Wie das BFA in der Revision zutreffend aufzeigt, sind die vom BVwG aufgetragenen Ermittlungsschritte ohnehin im Wesentlichen bereits gesetzt worden. Ausgehend von den dem angefochtenen Beschluss zugrundeliegenden Ermittlungsergebnissen wäre das BVwG in der Lage und gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG - allenfalls nach von ihm selbst vorzunehmenden ergänzenden Ermittlungen - auch verpflichtet gewesen, eine meritorische Entscheidung zu treffen. Daran vermag auch das Argument, das BFA sei als "asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde" eingerichtet, nichts zu ändern (vgl. VwGH 26.4.2016, Ro 2015/03/0038).
13 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 20. Februar 2018
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