Normen
B-VG Art130 Abs1 Z1;
MRK Art8;
PStG 2013 §2 Abs2 Z3;
PStG 2013 §41 Abs1;
PStG 2013 §42 Abs1;
PStG 2013 §42;
VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018010015.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Angefochtenes Erkenntnis
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (Verwaltungsgericht) vom 3. Juli 2018 wurde der Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt S (belangte Behörde) vom 17. Mai 2016 stattgegeben und festgestellt, dass der Geschlechtseintrag der mitbeteiligten Partei im Zentralen Personenstandsregister von "männlich" auf "inter" zu berichtigen sei (I.). Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt (II.).
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die mitbeteiligte Partei habe beantragt, die sie betreffende Eintragung im Zentralen Personenstandsregister (ZPR) gemäß § 42 Abs. 1 und 3 des Personenstandsgesetz 2013 (PStG 2013) dahin zu berichtigen, dass ihr bisher auf "männlich" lautendes Geschlecht auf "inter", in eventu auf "anders", in eventu auf "X", in eventu auf "unbestimmt", in eventu auf einen mit diesen Begriffen sinngleichen Begriff zu lauten habe.
3 Die Geschlechtsmerkmale der mitbeteiligten Partei seien bereits zum Zeitpunkt der Geburt uneindeutig gewesen. Im Jahr 2004 habe sich die mitbeteiligte Partei als zwischengeschlechtliche Person "geoutet".
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des PStG 2013 im Wesentlichen aus, der Verfassungsgerichtshof (VfGH) habe mit Erkenntnis vom 27. Juni 2018, E 2918/2016-35, festgehalten, dass das Begehren der offen zwischengeschlechtlich lebenden mitbeteiligten Partei zu Recht bestehe und das tatsächliche Geschlecht im ZPR einzutragen sei. Nähere Ausführungen erübrigten sich unter Verweis auf die genannte Entscheidung.
5 Hinsichtlich der zu verwendenden Begrifflichkeit decke sich das Erstantragsbegehren der mitbeteiligten Partei (Berichtigung des Geschlechts auf "inter") mit den vom VfGH beispielshalber genannten Begriffen.
6 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob die Geschlechtsbezeichnung "inter" nach § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013 in das ZPR eingetragen werden könne. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das Landesverwaltungsgericht, welches die beantragte Eintragung nicht selbst vornehmen könne, in einem derartigen Fall im Wege einer Feststellung zu entscheiden habe. Der Beantwortung beider Fragen komme über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Amtsrevision
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die (auf § 4 PStG 2013 gestützte) Amtsrevision des Bundesministers für Inneres, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 6 VwGG mit den Revisionsbeantwortungen der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und der mitbeteiligten Partei unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.
8 In dieser Amtsrevision schließt sich der Bundesminister für Inneres der Auffassung des Verwaltungsgerichtes zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision an und ergänzt, zusätzlich bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, wie bei der Geschlechtsbestimmung und in weiterer Folge bei der begrifflichen Zuordnung einer Geschlechtsangabe für intersexuelle Personen vorzugehen sei. Insbesondere fehle eine Rechtsprechung, welchen Prüfmaßstab die Behörden anzuwenden hätten. So sei die Frage, welche Grundlagen bei der Eintragung des Geschlechts heranzuziehen seien, nicht beantwortet worden. In der bisherigen Praxis seien die durch die Hebamme, den Arzt oder das Krankenhaus - und damit von medizinischem Fachpersonal - bei der Anzeige der Geburt gemachten Angaben von den Personenstandsbehörden übernommen worden. Daher stelle sich die Frage, welche fachlichen Parameter bei einer späteren Berichtigung oder Änderung des Geschlechtseintrages anzuwenden seien. Auch habe sich das Verwaltungsgericht mit der Richtigkeit der Rechtsgrundlage, insbesondere mit der Frage, ob der Geschlechtseintrag nun gemäß § 42 Abs. 1 PStG 2013 zu berichtigen oder gemäß § 41 Abs. 1 PStG 2013 zu ändern sei, nicht auseinandergesetzt. Diese Frage sei jedoch im Hinblick auf die Behördenzuständigkeit von grundsätzlicher Bedeutung.
Zulässigkeit
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
12 Der Revisionswerber hat auch in der ordentlichen Revision von sich aus die im Lichte des Art. 133 Abs. 4 B-VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 17.10.2017, Ro 2016/01/0011, mwN).
13 Die vorliegende Amtsrevision erweist sich aus folgenden Gründen als unzulässig:
Bindungswirkung nach § 87 Abs. 2 VfGG
14 Das angefochtene Erkenntnis ist (im zweiten Rechtsgang) nach der Aufhebung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes vom 5. Oktober 2016 durch das Erkenntnis des VfGH vom 27. Juni 2018, E 2918/2016-35, ergangen.
15 Auf Grund dieser Aufhebung wurde vom Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die Revision der mitbeteiligten Partei gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 5. Oktober 2016 wegen Klaglosstellung gemäß § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt (vgl. VwGH 12.7.2018, Ro 2017/01/0005-16).
16 Im Hinblick auf das nunmehr angefochtene Erkenntnis ist auf § 87 Abs. 2 VfGG hinzuweisen:
17 Gemäß § 87 Abs. 2 VfGG sind, wenn der VfGH einer Beschwerde stattgegeben hat, die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VfGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
18 Auf Grundlage der im § 87 Abs. 2 VfGG statuierten Bindungswirkung war das Verwaltungsgericht somit verhalten, im fortgesetzten Verfahren entsprechend der Rechtsanschauung des VfGH vorzugehen. Da § 87 Abs. 2 VfGG kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht einräumt, hat der Verwaltungsgerichtshof zu prüfen, ob die vom Verwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren erlassene Entscheidung dem gemäß § 87 Abs. 2 VfGG erteilten Auftrag entspricht. Die normative Grundlage für die Überprüfung der angefochtenen Ersatzentscheidung ist somit neben den anzuwendenden Rechtsvorschriften bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Rechtsanschauung des aufhebenden Erkenntnisses des VfGH vor dem Hintergrund des Gebotes der Effektivität des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Bei Prüfung der vom Verwaltungsgericht erlassenen Ersatzentscheidung ist auch der Verwaltungsgerichtshof an die Rechtsauffassung des VfGH gebunden (vgl. VwGH 6.7.2016, Ra 2016/01/0008, mwN).
Voraussetzungen der Berichtigung
19 Was nun die Rechtsanschauung des VfGH im zitierten Erkenntnis vom 27. Juni 2018, E 2918/2016-35, anlangt, hat der VfGH in dieser Entscheidung wie folgt ausgeführt (vgl. Rn. 12 bis 14):
"2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2018, G77/2018, festgehalten hat, umfasst das Recht auf Privatleben in seiner Ausprägung als Recht auf eine selbstbestimmte Geschlechtsidentität auch, dass Personen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich berechtigt sind, eine alternative Geschlechtsidentität nach außen zu kommunizieren. Ausgehend davon hat der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013 dahin ausgelegt, dass der Begriff "Geschlecht" nicht allein die traditionellen Geschlechtskategorien (männlich und weiblich) meint. Vielmehr ist der Geschlechtsbegriff dahingehend zu verstehen und auch verfassungskonform abgrenzbar, dass er - mangels anderweitiger Festlegung - diejenigen unterschiedlichen Bezeichnungsmöglichkeiten miteinschließt, die sich zur Benennung des in Rede stehenden Phänomens der Geschlechtsvariationen entwickelt haben (vgl. dazu die Stellungnahme der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt, Intersexualität und Transidentität, 28.11.2017, 36 und 53, abrufbar unter:
https://www.bundeskanzleramt.gv.at/publikationen-bioethik ; vgl. auch BVerfG 10.10.2017, 1 BvR 2019/16, Rz 65).
2.3. Dies verkennt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, wenn es die von der beschwerdeführenden Partei begehrte Berichtigung ihres Geschlechtseintrags, obgleich sich die beantragte Geschlechtsangabe im Rahmen der zulässigen Bezeichnungen bewegt, deshalb verweigert, weil es dem PStG 2013 entgegen dem Recht auf selbstbestimmte Geschlechtsidentität nach Art. 8 Abs. 1 EMRK einen restriktiven Geschlechtsbegriff unterstellt, der allein auf eine binäre Geschlechtskategorisierung abstellt und es Personen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich, die sich, wie die beschwerdeführende Partei, auch nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, verwehrt, ihre (alternative) Geschlechtsidentität zum Ausdruck zu bringen.
2.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat damit § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013 einen mit Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht zu vereinbarenden Inhalt unterstellt."
20 Der VfGH hat somit zwei Voraussetzungen für maßgeblich erachtet: Es muss sich 1. um Personen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich handeln (sog. Intersexualität), die sich 2. auch nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen.
21 Insoweit hat der VfGH bei der Darstellung des Sachverhalts festgehalten, dass die Geschlechtsmerkmale der mitbeteiligten Partei bereits zum Zeitpunkt der Geburt uneindeutig waren und die mitbeteiligte Partei offen als "zwischengeschlechtliche" Person lebe (vgl. Rn 1).
22 Auf diese beiden Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht - dem VfGH zutreffend folgend - im nunmehr angefochtenen Erkenntnis abgestellt und dementsprechende (gleichlautende) Feststellungen getroffen.
23 Zum Vorbringen der mitbeteiligten Partei in der Revisionsbeantwortung, es komme nach der Rechtsprechung des VfGH nicht auf das biologische, körperliche Geschlecht, sondern auf das psychische Geschlecht, auf die Identität eines Menschen an, ist darauf hinzuweisen, dass der VfGH bereits in dem - der vorliegend maßgeblichen Entscheidung VfGH 27.6.2018, E 2918/2016-35, zugrundeliegenden - Erkenntnis VfGH 15.6.2018, G 77/2018, grundsätzlich zwischen Intersexualität und Transidentität unterschieden hat (vgl. Rn. 15):
"Dabei handelt es sich bei der (im Folgenden relevanten) Fallkonstellation der Intersexualität um eine Variante der Geschlechtsentwicklung, die, weil die geschlechtsdifferenzierenden Merkmale durch eine atypische Entwicklung des chromosomalen, anatomischen oder hormonellen Geschlechts gekennzeichnet sind, die Einordnung eines Menschen als männlich oder weiblich nicht eindeutig zulässt. Die Fallkonstellation der Transidentität ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass ein Mensch zwar ¿eindeutig genetisch und/oder anatomisch bzw. hormonell einem Geschlecht zugewiesen (ist), (...) sich in diesem Geschlecht aber falsch oder unzureichend beschrieben (fühlt) bzw. (...) auch jede Form der Geschlechtszuordnung und Kategorisierung ab(lehnt)' (Stellungnahme der Bioethikkommission, 15)."
24 Intersexualität in dem vom VfGH zugrunde gelegten Sinn ist eine Variante der Geschlechtsentwicklung, die als solche anzuerkennen und insbesondere kein Ausdruck einer krankhaften Entwicklung ist (vgl. Rn. 16). Bei Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich handelt es sich nach der Rechtsprechung des VfGH um eine ob ihrer geringen Zahl und ihrer (gegenüber den weitaus vorherrschenden Geschlechtsidentitäten) anderen Ausprägung ihrer Geschlechtsidentität und damit ihrem - aus Perspektive der Mehrheit - "Anderssein" besonders schutzbedürftige Gruppe (vgl. VfGH 15.6.2018, G 77/2018, Rn. 20).
25 Nach dieser Rechtsprechung kommt es entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Partei in der Revisionsbeantwortung sehr wohl auf das biologische, körperliche Geschlecht an.
26 Die von der Amtsrevision zusätzlich vorgetragenen grundsätzlichen Rechtsfragen nach der näheren Vorgangsweise und dem Prüfmaßstab der Personenstandsbehörden bei der begrifflichen Zuordnung einer Geschlechtsangabe stellen sich in der vorliegenden Rechtssache nicht, weil, wie ausgeführt, gemäß § 87 Abs. 2 VfGG alleine von der Rechtsauffassung des VfGH auszugehen ist (angemerkt sei, dass auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der maßgebliche Sachverhalt zwischenzeitig geändert hat). Berichtigung oder Änderung der Eintragung
27 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit der Richtigkeit der Rechtsgrundlage, insbesondere mit der Frage, ob der Geschlechtseintrag nun gemäß § 42 Abs. 1 PStG 2013 zu berichtigen oder gemäß § 41 Abs. 1 PStG 2013 zu ändern sei, auseinandergesetzt.
28 Auch in dieser Hinsicht lässt die alleine maßgebliche Entscheidung des VfGH, E 2918/2016, deutlich erkennen, dass der VfGH davon ausgegangen ist, die Eintragung der mitbeteiligten Partei sei nicht zu ändern sondern (rückwirkend) zu berichtigen. So führt der VfGH ausdrücklich aus, das Verwaltungsgericht habe der mitbeteiligten Partei die begehrte Berichtigung ihres Geschlechtseintrags verfassungswidrig verweigert (Rn. 13) und weist sachverhaltsmäßig darauf hin, dass die Geschlechtsmerkmale der mitbeteiligten Partei bereits zum Zeitpunkt der Geburt uneindeutig waren (Rn. 1).
Geschlechtsbezeichnung "inter"
29 Was die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage anlangt, es fehle Rechtsprechung, ob die Geschlechtsbezeichnung "inter" nach § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013 in das ZPR eingetragen werden könne, ist ebenso auf die Entscheidung des VfGH vom 27. Juni 2018, E 2918/2016, hinzuweisen.
30 Der VfGH hat die Aufhebung - wie oben dargestellt - damit begründet, dass das Verwaltungsgericht § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013 einen mit Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht zu vereinbarenden Inhalt unterstellt habe. Im Erkenntnis des VfGH vom 15. Juni 2018, G 77/2018, auf welches die maßgebliche Entscheidung des VfGH vom 27. Juni 2018, E 2918/2016, verweist (vgl. Rn. 12) führte der VfGH zur gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013 (unter anderem) wie folgt aus (Rn. 37):
"Der von § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013 verwendete Begriff des Geschlechts ist so allgemein, dass er sich ohne Schwierigkeiten dahingehend verstehen lässt, dass er auch alternative Geschlechtsidentitäten miteinschließt. Einer entsprechend auf die Anforderungen des Art. 8 EMRK Bedacht nehmenden Auslegung des § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013 steht auch nicht entgegen, dass sich dieser Bestimmung (und auch sonst dem PStG 2013) keine andere Geschlechtsbezeichnung als männlich oder weiblich entnehmen lässt (und auch sonst in der Rechtsordnung, soweit zu sehen, eine begriffliche Festlegung des Gesetzgebers in einschlägigem Zusammenhang nicht auszumachen ist). Die Ermittlung einer hinreichend konkreten, abgrenzungsfähigen Begrifflichkeit ist aber unter Rückgriff auf den Sprachgebrauch möglich. Dabei ist von Bedeutung, dass sich zwar (noch) keine alleinige Bezeichnung als Ausdruck einer entsprechenden Geschlechtsvariation entwickelt, sich aber eine (überschaubare) Zahl von Begrifflichkeiten herausgebildet hat, die üblicherweise zur Bezeichnung des Geschlechts bzw. zum Ausdruck der Geschlechtsidentität von Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich verwendet werden. So listet die Stellungnahme der Bioethikkommission - wie im Übrigen auch die beschwerdeführende Partei des Anlassverfahrens in ihren Anträgen - insbesondere die Bezeichnungen ¿divers', ¿inter' oder eben ¿offen' (siehe Stellungnahme der Bioethikkommission, 36 und 53) als derartige Bezeichnungen auf. Diese Bezeichnungen bringen im Sprachgebrauch mit hinreichender Deutlichkeit das Gemeinte, nämlich das Geschlecht bzw. die Geschlechtsidentität eines Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich, der sich keinem der konventionellen Geschlechter zugehörig fühlt, zum Ausdruck."
31 Es begegnet keinen Bedenken, wenn das Verwaltungsgericht in der vorliegenden Rechtssache - dem VfGH gemäß § 87 Abs. 2 VfGG folgend und abstellend auf den Hauptantrag der mitbeteiligten Partei - den vom VfGH angeführten Begriff "inter" als Ausdruck der Geschlechtsidentität von Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich verwendete. Eine darüber hinaus gehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt sich in diesem Zusammenhang nicht. Berichtigung durch das Verwaltungsgericht
32 Zuletzt begründet das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der ordentlichen Revision damit, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das Verwaltungsgericht, welches die beantragte Eintragung nicht selbst vornehmen könne, in einem derartigen Fall im Wege einer Feststellung zu entscheiden habe.
33 Zu dieser Frage besteht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes:
34 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Berichtigung einer Eintragung nach § 42 Abs. 1 PStG 2013 bereits festgehalten, dass eine durch das Verwaltungsgericht auf der Grundlage des § 42 Abs. 1 PStG 2013 vorgenommene Berichtigung der Eintragung im zentralen Personenstandsregister keinen Bedenken begegnet (vgl. VwGH 30.1.2018, Ra 2018/01/0003, dort zur Berichtigung einer Eintragung im zentralen Personenstandsregister im Feld "Familienname" durch das Verwaltungsgericht Wien).
35 In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass jede Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, welche - allenfalls unter Rückgriff auf den Inhalt bzw. Abspruch eines (in Beschwerde gezogenen) verwaltungsbehördlichen Bescheides - die Angelegenheit erledigt, die zunächst von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war, an die Stelle des beim Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides tritt (vgl. VwGH 27.4.2017, Ra 2017/07/0028, mwN).
36 Angesichts dieser bereits bestehenden Rechtsprechung besteht die Annahme des Verwaltungsgerichts, es könne die beantragte Eintragung nicht selbst vornehmen, zu Unrecht. Die Revision erweist sich auch aus diesem Grund als unzulässig.
37 Im Übrigen weist auch die mitbeteiligte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hin, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes "im Wege der Feststellung" durch die Amtsrevision in ihrer Revision gar nicht bekämpft wird. Ergebnis
38 In der Revision werden aus diesen Gründen keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
39 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 14. Dezember 2018
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